1895 / 7 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Ein anderer Vorschlag, der an dem allgemeinen gleichen Wahlrecht möglichst festhält, besteht darin, zwei Wahlabthei⸗ lungen zu bilden, deren eine die in den Gewerbesteuerklassen I und II, die zweite die in den Klassen III und IV ver⸗ anlagten Wahlberechtigten umfassen soll, und deren jede bei gleichem Stimmrecht der in der Abtheilung Wahlberechtigten die Hälfte der Mitglieder der Handelskammer zu wahten haben wüͤrde.

Dieser beachtenswerthe Vorschlag könnte in verschiedener Weise modifiziert werden. Es könnte die Möglichkeit offen gehalten werden, da, wo die Verhältnisse dies wünschenswerth Uvensgse lassen, die beiden Wahlabtheilungen anderweitig abzugrenzen, beispielsweise so, daß die Wahlberechtigten der III. Steuer⸗ klasse bis zu einem bestimmten Steuersatz noch der ersten Wahlabtheilung zugewiesen würden. Es könnte auch daran gedacht werden, auf der Grundlage der Veranlagung zur Gewerbesteuer drei oder vier selbständige Wahlabtheilungen zu bilden und für jede Handelskammer unter Berücksichtigung ihrer besonderen Steuer⸗ und wirthschaftlichen Verhältnisse zu bestimmen, wie die Mitglieder der Kammer auf die Wahl⸗ abtheilungen zu vertheilen sind.

IV. Ist die Einrichtung lokaler Organisationen

oder von Organisationen nach Betriebszweigen

innerhalb der Handelskammern in Aussicht zu nehmen?

Die bayerische Verordnung vom 25. Oktober 1889 sieht neben den für jeden Regierungsbezirk bestehenden obligato⸗ rischen Handels⸗ und Gewerbekammern die Einrichtung lokaler Vertretungen, sogenannter Bezirksgremien für Handel und Gewerbe vor. Diese sind im allgemeinen Organe der Handels⸗ und Gewerbekammern, in denen sie durch ihre Abtheilungs⸗ Vorsitzenden und unter Umständen noch durch abgeordnete Mitglieder vertreten werden. In Angelegenheiten von vor⸗ wiegend lokalem Interesse sind sie jedoch befugt, unmittelbar mit den zuständigen Stellen und Behörden zu verkehren.

Der Wunsch nach einer gleichartigen Organisation für Preußen ist bisher, soweit hier bekannt, nicht laut geworden. Doch ist die Möglichkeit nicht zu verkennen, daß bei einer Organisierung, die vielen Handelskammern ausgedehnte Be⸗ zirke zuweist, das Bedürfniß entstehen kann, innerhalb einzelner Kammern für die Wahrnehmung lokaler Interessen oder der Interessen einzelner Betriebszweige besondere Vertretungen, etwa in der Form lokaler oder fachlicher Ausschüsse zu schaffen. Eine solche Bestimmung würde es überdies ermöglichen, Handelskammern, die wegen der Kleinheit ihres Bezirks und ihrer geringen Leistungs⸗ fähigkeit in Zukunft als solche nicht fortbestehen könnten, im des Bedürfnisses als lokalen Ausschuß einer größeren Handelskammer zu erhalten.

V. Ist der Geschäftskreis der Handelskammern zu erweitern, insbesondere

a. in Bezug auf ihre Anhörung über Gesetz⸗ entwürfe, die Interessen von Handel und Gewerbe berühren,

b. in Bezug auf den Kreis ihrer Verwaltungs⸗ Aufgaben?

Soll den Handelskammern juristische Persön⸗ lichkeit verliehen werden?

Die Handelskammern haben nach dem Gesetz vom 24. Fe⸗ bruar 1870 zunächst die allgemeine Bestimmung, die Gesammtinteressen der Handel⸗ und Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen. Daneben sind ihnen verschiedene be⸗ sondere Verwaltungsaufgaben zugewiesen.

a. Aus den Kreisen der Betheiligten ist öfters das Ver⸗ langen gestellt worden, den Handelskammern durch Gesetz all⸗ gemein das Recht einzuräumen, über Gesetzentwürfe,

welche die kommerziellen oder gewerblichen Interessen be⸗ rühren, gehört zu werden, bevor diese den gesetz⸗ gebenden Vertretungskörpern zur verfassungsmäßigen Be⸗ schlußfassung vorgelegt werden. Ein gleichartiger Anspruch ist den Landwirthschaftskammern gegenüber durch das Gesetz vom 30. Juni 1894 in der Begrenzung für begründet erachtet worden, daß sie die Verwaltungsbehörden bei allen die Land⸗ und Forstwissenschaft betreffenden Fragen durch thatsächliche Mittheilungen und Erstattung von Gutachten zu und sich über solche Maßregeln der Gesetzgebung und Ver⸗ waltung zu äußern haben, welche die allgemeinen Ieteresen der Landwirthschaft oder die besonderen landwirthschaftlichen Interessen der betheiligten Bezirke berühren. In ähnlicher Weise würden auch die Befugnisse der Handelskammern zu regeln sein.

b. Als besondere Verwaltungs⸗Aufgaben sind den Handelskammern die Ernennung der Handelsmäkler 33 des Handelskammergesetzes), ein Vorschlagsrecht für die Er⸗ nennung von Handelsrichtern (Gerichtsverfassungsgesetz § 112) und die Bestellung von Revisoren zur Prüfung des Gruͤndungs⸗ hergangs bei Aktiengesellschaften im Falle des Art. 209 b des Handelsgesetzbuchs zugewiesen. Auch kann ihnen die Aufsicht über Börsen und andere für den Handelsverkehr bestehende öffentliche Anstalten übertragen werden.

Bei Errichtung obligatorischer Handelskammern von gleich⸗ mäßiger Leistungsfähigkeit wird der Kreis der Verwaltungs⸗ ausgaben wesentlich erweitert werden können. Es fragt sich, nach welchen Richtungen das zu geschehen hat, insbesondere, inwiefern sie bei der Fürsorge für die der allgemeinen und fachlichen Vorbildung im Handel und Gewerbe dienenden Unterrichtsanstalten sowie für andere zur von Handel und Gewerbe bestimmte Anstalten wie Museen, Muster⸗ lager u. a. zu betheiligen sind. Auch auf dem Gebiete der Handels⸗ und Gewerbestatistik würden Handelskammern, die das ganze Staatsgebiet umfassen, Ersprießliches leisten und damit eine vielfach beklagte Lücke ausfüllen können. Eine solche Erweiterung des Geschäftskreises wird naturgemäß eine gesteigerte Thätigkeit der Handelskammer auf privatrecht⸗ lichem Gebiete durch Erwerb von Vermögensstücken, Abschließung von Verträgen, Uebernahme von Verbindlichkeiten herbeiführen, und es wird deshalb zur Erleichterung dieser Thätigkeit die Verleihung der Rechte juristischer Persönlichkeit an die Handels⸗ kammern in Erwägung gezogen werden müssen, zumal den Landwirthschaftskammern die rechtliche Stellung einer Korpo⸗ ration eingeräumt worden ist.

VI. Ist der Fortbestand der öffentlich⸗-⸗rechtlichen Stellung der kaufmännischen Korporationen mit der Neuordnung der Handelskammern vereinbar?

Die kaufmännischen Korporationen haben bislang für die Bezirke, für die sie errichtet sind, die Aufgaben der Handels⸗ kammern erfüllt. Für die zukünftige Regelung werden die beiden Gesichtspunkte maßgebend sein müssen,

1) daß es ausgeschlossen ist, daß für denselben Bezirk eine kaufmännische Korporation und eine Handelskammer nebeneinander dieselben öffentlich⸗rechtlichen Aufgaben er⸗ füllen, und

2) daß der Fortbestand der öffentlich⸗rechtlichen Stellung der Korporationen, solange deren Mitgliedschaft auf Frei⸗ willigkeit beruht, mit dem Grundgedanken der beabsichtigten Reform, für Handel und Industrie innerhalb des ganzen Staats Zwangsvertretungen zu schaffen, unvereinbar ist.

Am einfachsten würde die Frage der Stellung der kauf⸗ männischen Korporationen gegenüber obligatorischen Handels⸗ kammern ohne Zweifel gelöst werden, wenn Einigkeit darüber erzielt würde, daß die Korporationen in die zu errichtenden Handelskammern aufgehen und ihre Rechte und Pflichten auf diese übertragen.

VII. Empfiehlt es sich, die Schaffung eines zur

Wahrnehmung der Interessen von Handel und

Industrie bestimmten und als technischer Beirath

für die Staatsregierung dienenden Zentralorgans in Aussicht zu nehmen?

Bei der Einrichtung obligatorischer, das ganze Staats⸗

gebiet umspannender Handelskammern wird schließlich dem wieder⸗ holt angeregten Gedanken näher getreten werden können, nach

Art der zur Unterstützung der Zentralinstanzen für die land⸗ wirthschaftlichen und Eisenbahn⸗Angelegenheiten errichteten Körperschaften, des Landes⸗Oekonomiekollegiums und des Landes⸗Eisenbahnraths, einen technischen Beirath für die Zentral⸗ instanz der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung zu schaffen, der gleichzeitig die allgemeinen Interessen von Handel und Industrie wahrzunehmen hätte und, auf der Organisation der Handelskammern aufgebaut, deren Spitze bilden würde.

Ich ersuche die Handelskammern und die kaufmännischen Korporationen, sich zu der Frage der Neuordnung des preußi⸗ schen Handelskammerwesens an der Hand der vorstehend dar⸗ gelegten Gesichtspunkte zu äußern und den Bericht dem für ihren Sitz zuständigen Königlichen Regierungs⸗Präsidenten (bei Berlin: dem Königlichen Ober⸗Präsidenten zu Potsdam) vor dem 1. März d. J. zur Weiterbeförderung einzureichen.

Die Aeußerungen sind auf die in diesem Erlaß zur Er⸗ örterung gestellten Gesichtspunkte zu beschränken.

Aenderung oder Ergänzung einzelner Bestimmungen des Handels⸗ kammergesetzes vom 24. Februar 1870 fühlbar gemacht haben, so ersuche ich ergebenst, entsprechende Anregungen in einem besonderen Bericht an mich gelangen zu lassen. Berlin, den 1. Januar 1895. Der Minister für Handel und Gewerbe.

1) An die Handelskammern und die kaufmännischen Korporationen.

8 Abschrift meines heutigen Erlasses und einen Abdru

Hochgeboren

seiner Anlage übersende ich Euer Hochwohlgeboren mit dem

Ersuchen, die Frage der Neuordnung der Handelskammern auch Ihrerseits zu prüfen und die Ihnen bis zum 1. März d. J. ein⸗ zureichenden Berichte der im dortigen Bezirk 8

8

d. 1 estehenden Handelsvertretungen mit gutachtlicher Aeußerung vor dem 1. April d. J. dem Königlichen Ober⸗Präsidenten vorzulegen. Der Minister für Handel und Gewerbe. 2) An alle Königlichen Regierungs⸗Präsidenten (mit Ausnahme von Köslin, Potsdam und Sigmaringen).

Abschrift übersende ich Euer SHrünhfhaderen unter

Beifügung einer Nachweisung der bestehenden Handelsver⸗ tretungen zu gefälliger gleichmäßiger Aeußerung. Ihren Be⸗ richt wollen Sie dem Königlichen Ober⸗Präsidenten ebenfalls vor dem 1. April d. J. einreichen. 8 Der Minister für Handel und Gewerbe. 3) An die Königlichen Regierungs⸗Präsidenten Köslin und Potsdam. 8 Durchlaucht 11“ ich Euer —— unter Beifügung einer Nachweisung der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen nach dem Bestande am 1. Juli 1894 mit dem ergebenen Ersuchen, mir das ganze dort eingehende Material mit Ihrer gutachtlichen Aeußerung bis zum 1. Mai d. J. vor⸗ zulegen. gehalten werde. Der Minister für Handel und Gewer Freiherr von Berlepsch. 4) An alle Königlichen Ober⸗Präsidenten.

be.

Die preußischen Handelskammern und kaufmännischen Korporationen nach dem Bestande am 1. Juli 1894.

Ressort der Regierung

Ressort der Regierung

1) Provinz Ostpreußen.

Braunsberg. . . Stadt Braunsberg

Kaufmännische Korporation:

(SDer Vorstand führt die Be⸗ zeichnung: „Vorsteheramt der Kaufmannschaft“.)

Kaufmännische Korporation: Memel Stadtbezirk Memel mit meiliger Der Vorstand führt die Be⸗ Bommelsvitte und Schmelz

zeichnung: „Vorsteheramt der Kaufmannschaft“.)

Insterburg 11““

Kaufmännische Korporation:

u111A4X“

(Der Vorstand führt die Be⸗

zeichnung: „Vorsteheramt

der Kaufmannschaft“.)

8—

Stadtbezirk Königsberg.

tadt und Kreis Insterburg

S Stadt Tilsit

Kaufmännische Korporation: v1111““ (Der Vorstand führt die Be⸗ zeichnung: „Vorsteheramt der Kaufmannschaft“.) 8 3 Kaufmännische Korporatio: Eö.“ (Der Vorstand führt die Be⸗ zeichnung: „Aelteste der Kaufmannschaft“.) I

Kreis Thorn

3) Provinz Brandenburg.

Handelskammer führt

die Bezeichnung: „Handels⸗ kammer für die Nieder⸗ lausitz zu Kottbus“.) 89

p

dörfern sowie die Kreise: Sorau

gehörigen Ortschaften. Kaufmännische Korporation: Berlin x.Stadtbezirk von Berlin und Charlo webtt die .“ zeichnung: „Aelteste der Kaufmannschaft“.)

Amtsgericht Danzig (Stadt Danzig und Landkreise; ziger Höhe und Danziger Niederung

Stadt Frankfurt a. O. nebst dazu gehörigen Kämmerei⸗ Königsberg N.⸗M., Lebus, West⸗Sternberg, Züllichau⸗Schwiebus und Guben⸗Land Oestlich vom Neisse⸗Fluß belegener Theil des Kreises Sorau, ausschließlich der zur Gerichts⸗Deputation Forst

Kaufmännische Korporation: (Der Vorstand führt die Be⸗ zeichnung: „Die Vorsteher der Kaufmannschaft“.) Swinemünde 1

Stralsund Posen. Bromberg

Breslau. . Schweidnitz. Görlitz Hirschberg Landeshut Lauban

Liegnitz Sagan Oppeln Halberstadt.

Kaufmännische Korporation: 8 * Magdeburg . zeichnung: „Aelteste der Kaufmannschaft“.) Halle a. 2

Mühlhausen

Polizei⸗Präsi⸗ Nordhausen.

dent von Berlin.

. Stadt⸗ und Landkreis Liegnitz, Kreise: Lüben, Goldberg⸗

Haynau, Bunzlau und Jauer b Kreise: Sagan und Sprottau . Regierungsbezirk Oppeln

.Kreise: Aschersleben, Kalbe, Halberstadt, Jerichow I,

ö 4 q1““ nebst einmeiligem Umkreise dieser Stadt. Kreise: Kottbus, Kalau und Spremberg . . . . . (Der Vorstand führt die Be⸗- 8

Gemeindebezirk der Stadt Halle. Kreise: Bitterfeld und

Stadtbezirk Erfurt, Kreis Schleusingen,

Kreise: Mühlhausen, Heiligenstadt, Worbis . . . . . Städte: Nordhausen, Ellrich, Benneckenstein, Bleicherode,

Stadt Swinemünde und fiskalischer Hafengrund im Kreise Usedom⸗Wollin. 11AAA“ Stadt Stralsund.

5) Provinz Posen.

Posen 1A1A1XAX“ 6) Provinz Schlesien.

se: Reichenbach, Schweidnitz, Waldenburg und Striegau und Kreis Görlitz, außer Stadt Reichenbach

. Kreise: Hirschberg und Schönau. . . . . .Kreis Landeshut 114X“ Kreis Lauban und vom Kreise Löwenberg der südwestlich vom Eisenbahndamm

der Schlesischen Gebirgsbahn

belegene Theil

7) Provinz Sachsen.

Jerichow II, Neuhaldensleben, Oschersleben, Stendal, Wanzleben, Wernigerode, Wolmirstedt und der Bezirk der ehemaligen Kreisgerichts⸗Kommission Ermsleben. Zu dem Bezirk der Handelskammer gehören nicht die im einmeiligen Umkreise der Stadt Magdeburg belegenen Ortschaften A1A1X“X“

8

Delitzsch (einschließlich der Stadt Delitzsch). Saalkreis. Mansfelder Seekreis. Mansfelder Gebirgskreis (außer dem Gerichtskommissions⸗Bezirke Ermsleben). Kreise: Querfurt, Merseburg, Naumburg, Weißenfels, Zeitz, Wittenberg, Eckartsberga . . .

merda, sowie die Ortschaften: Ilversgehofen, Gispers⸗ leben⸗Kiliani und Viti . . . 1“

Artern, Kelbra, Kreis Sangerhausen und Amtsbezirk Hohnstein. . 11111““*

1“ 8 nken. Sollte sich im übrigen in der dortigen Praxis ein Bedürfniß nach einer

Ich lege Werth darauf, daß dieser Termin ein⸗

Ressort der Regierung

Ressort

Betirk der Regierung

Kaufmännische Korporation: 1ö1ö1öeXA*“X“ (Die Korporation führt die Bezeichnung: „Kommerz⸗ Kollegium“.) Flensburg . . . lizeibe burg und Jürgensbye.

Kiel . . . . .. Sttadt Kiel einschließlich Dorfgarten, Ellerbeck und Neu⸗

mühlen 9) Provinz Hannover. Hannover

Verden Kreise: Hildesheim.

Goslar

burg, Gronau und Alfeld

ehemaligen Amts Hohnstein Kreise:

Göttingen, Kreise:

Northeim.

Göttingen Münden,

Lüneburg Harburg.

Hadeln.

Geestemünde Osnabrück

Emden bis zum 1. Januar 1895 Leer: 1895, 1896, 189b7 u. s. f. alle 3 Jahre wechselnd. Die Handelskammer führt die Bezeichnung: „Handels⸗ kammer für Ostfriesland und Papenburg“.) b 9 10) Provinz Westfalen. Münster. Regierungsbezirk Münster Tecklenburg Bielefeld.

Rödinghausen und Stadt Vlotho) Minden r bezirk Gohfeld⸗Menninghüffen hausen und Stadt Vlotho. . . Kreise: Arnsberg, Meschede, Brilon Kreis Bochum. 1“ Kreis Dortmund Kreis Hagen. Le* Stadt und Amt Lüdenscheid, Aemter: Meinertshagen und Kierspe Kreis Siegen

Arnsberg

Bochum. Dortmund Hagen. Bflohn 1

Lüdenscheid.

Siegen

111A14“*“ (Die Handelskammer führt die Bezeichnung: „Handels⸗ kammer für das Lennegebiet

Amt Neuenrade und Kreis Olpe.

des Kreises Altena und für

den Kreis Olpe“.)

8 1 Städtischer Polizeibezirk von Flensburg einschließlich Du⸗

Stadt⸗ und Landkreise Hannover und Linden, Kreise: MNeustadt a. R., Springe, Hameln, Stadt⸗ und Land- kreis Celle, Kreise: Burgdorf, Gifhorn und Rinteln Verden, Achim, Rotenburg, Syke, Hoya, Nien⸗ burg, Stolzenau, Sulingen und Fallingbostel . . . 8 Dillenbur Stadt⸗ und Landkreis Hildesheim, Kreise: Peine, Marien⸗ Ebeg

Kreise: Goslar, Zellerfeld und Ilfeld mit Ausnahme des bei der Handelskammer in Nordhausen verbleibenden Osterode, Duderstadt, Stadt⸗ und Landkreis Einbeck, Uslar und Stadt⸗ und Landkreis Lüneburg, Kreise: Bleckede, Uelzen, Isenhagen, Dannenberg, Lüchow, Soltau und Winsen

Stadt⸗ und Landkreis Harburg, Kreise: Jork, S Kehdingen, Bremervörde, Zeven, Neuhaus a. O. und

Krreise: Lehe, Geestemünde, Osterbolz und Blumenthal 8 . Regierungsbezirk Osnabrück mit Ausschluß der Stadt Papenburg, sowie die Kreise Tecklenburg und Diepholz

Regierungsbezirk Aurich und die Stadt Papenburg.

ausschließlich des

Kreise: Bielefeld, Halle, Wiedenbrück, Herford (ausschließ⸗ lich Amtsbezirk Gohfeld⸗Menninghüffen und Bünde⸗

Kreise: Minden, Lübbecke und vom Kreise Herford Amts⸗ und Bünde⸗Röding⸗

Halver, Herscheid,

Stadt und Amt Altena, Stadt und Amt Plettenberg,

Cassel. . Schleswig.

Hanau Frankfurt a. M.

Wiesbaden

. 8 S 1u1u“

Hannover. Limburg.

Hildesheim.

Koblenz.

Barmen. Krefeld

Jork, Stade, Duisburg Düsseldorf

Elberfels Essen.. Gladbach

8 Seenmmaca“ 1“ Sie Handelskammer führt die

Bezeichnung: „Bergische Han⸗ Münster.

Kreises delskammer zu Lennep“.)

Minden. Neuß. Solingen Wesel

.

Mülheim a. Rh. . Saarbrücken Trier.

Aachen Eupen Stolberg.

Unterwesterwaldkreis, Kreis Wef

Stadtkreis und Oberbürgermeisterei Barmen . . . Geumeindebezirke Krefeld, Uerdingen und Kempen, die Land⸗

11) Hessen⸗Nassau.

Stadt⸗ und Landkreis Cassel und Kreise: Hofgeismar,

Wolfhagen, Fritzlar, Melsungen, Witzenhausen, Esch⸗ wege, Rotenburg, Hersfeld, Homberg, Ziegenhain, Kirchhain, Marburg und Frankenberg mit Vöhl

3 Stadt⸗ und Landkreis Hanau und Kreise: Gelnhausen mit

Orb, Schlüchtern, Fulda, Hünfeld und Gersfeld tadt⸗ und Landkreis Frankfurt a. M. und Obertaunus- kreis

. Stadt⸗ und Landkreis Wiesbaden, Kreise: Höchst und

Usingen, Untertaunuskreis, Rheingaukreis und Kreis St. Goarshausen mit Ausnahme des Bezirks des vor⸗ C145252 sterburg, Oberlahnkreis, Kreis Limburg, Unterlahnkreis und vom Kreise St. Goarshausen den vormaligen Amtsbezirk Braubach

Dillkreis, Oberwesterwaldkreis und Kreis Biedenkopf.

12) Rheinprovinz.

Stadt⸗ und Landkreis Koblenz, Kreise: St. Goar, Kreuz⸗

nach, Zell, Cochem, Mayen. Neuwied, Altenkirchen, Meisenheim, Städte: Ahrweiler, Sinzig, und die Orte Oberwinter und Brohl des Kreises Ahrweiler Koblenz.

Düsseldorf

bürgermeistereien des Landkreises Krefeld und die Land⸗ bürgermeistereien Hüls, St. Tönis, Tönisberg und Vorst

SGeumeindebezirk der Stadt Duisburg . . . . . . . . Gemeindebezirk Düsseldorf, Gerresheim nebst Erkrath,

Eckamp, Ratingen und Hilden; Bürgermeisterei Benrath

8 Stadtkreis und Oberbürgermeisterei Elberfeld Kreise: Gladbach und Grevenbroich und vom Kreise Kempen

die Bürgermeistereien Bracht, Dülken, Süchteln, Kalden⸗ kirchen, Lobberich, Burgwaldniel, Kirchspielwaldniel, Oedt, Grefrath, Breiell, Boisheim, Amern St. Anton und Amern St. Georg, sowie die Sammtgemeinden Brüggen und Born

Kreise: Lennep, Gummersbach und Wipperfürth, sowie

8 1 die Bürgermeistereien Kronenberg, Velbert und Wülfrath I

Mülheim a. d. Ruhr . . .Stadt und Bürgermeisterei Mülheim a. d. Ruhr und

Gemeindebezirk Oberhausen.

Kreis Solingen. u1111 Kreis Rees und vom Regierungsbezirk Münster die Ge⸗-

meinden: Stadt Bocholt, Stadt Anholt, Wigbold Werth, Aemter: Dingden, Liedern und Rhede im Kreise

1““ F“ Bonn. . . . .. Sttadt⸗ und Landkreis Bonn, Kreise: Euskirchen, Rheinbach,

Siegburg, Waldbröl und Bergheim.

Kreise: Saarbrücken, Saarlouis, Ottweiler und St. Wendel Stadt⸗ und Landkreis Trier, Kreise: Bitburg, Saarburg,

Wittlich, Merzig, Prüm, Berncastel und Daun .

Gemeindebezirk von Aachen und Burtscheid Landkreis Aachen ausschließlich Burtscheid und Kreis Düren

Deutscher Reichstag. 9. Sitzung vom Dienstag, 8. Januar, 2 Uhr.

Der Sitzung wohnen bei: die Staatssekretäre, Staats⸗ Minister Dr. von Boetticher und Freiherr von Mar⸗ schall, der Staatssekretär Nieberding und die preußischen Staats⸗Minister Bronsart von Schellendorff, von Köller und Schönstedt.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Aenderung und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs, des Militär⸗ Strafgesetzbuchs und des Gesetzes über die Presse. Es erhält das Wort b

Abg. Auer (Soz.): Ueber den Ursprung der Vorlage erxistieren verschiedene Lesarten. Zunächst wurde behauptet, die Vorlage bilde eine Art Abschlagszahlung für die Großindustriellen. Der Name des Abg. Freiherrn von Stumm wurde mit der Vorlage direkt in Ver⸗ bindung gebracht. Der Abg. Freiherr von Stumm versicherte, wenn er die Umsturzvorlage zu machen gehabt hätte, so würde dieselbe ganz anders ausgefallen sein. Eine andere Version behauptete, es handele sich weniger um die Umsturzvorlage und ihren Inhalt, als darum, einen geeigneten Vorwand zur Auflösung des Reichs⸗ tags und zu Neuwahlen zu finden, um im neuen Reichs⸗ tage neue Steuern durchzubringen und so die Mitttel für die Umwandlung der Halbbataillone in Ganzbataillone zu finden. In den Motiven zu der Vorlage wird auch auf die Novelle zum Reichs⸗Strafgesetzbuch vom Jahre 1876 hingewiesen, welche ähnliche Vorschläge, wie die jetzige Vorlage, enthalten habe. Damals ist der Reichstag über jene Vorschläge hinweggegangen. Als der entscheidende Paragraph zur Abstimmung stand, erhob sich nicht eine Partei für denselben, von der Rechten bis zu den Sozialdemokraten. Damals herrschte hier die übereinstimmende Ansicht, daß die Forderungen der Regierung viel zu weit gingen. Wenn in den Motiven weiter davon die Rede ist, die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs reichten nicht aus zur Bekämpfung der destruktiven Tendenzen, und die vertrauensvolle Auffassung, welche man in dieser Beziehung früher gehegt habe, sei geschwunden, so mag das letztere in gewisser Be⸗ ziehung zutrefften. Als im Jahre 1871 das Reichs⸗Strafgesetzbuch beschlossen wurde, glaubte man noch an humanitäre Ziele. Damals wollte man sogar die Hinrichtungen abschaffen, und es bedurfte des ganzen Einflusses des Fürsten Bismarck, um das zu verhindern. In den Motiven des vorliegenden Gesetzentwurfs kehren alle Gründe wieder, die angeführt werden, wenn es gilt, den arbeitenden Klassen Fesseln anzulegen. Man weist dabei auf die Bestrebungen zur Hebung der Interessen der arbeitenden Klassen hin. Die Bestrebungen zur Unterdrückung der Lohnbewegungen, die Ausschließung der Ar⸗ beiter vom Koalitionsrecht, der Kampf gegen die Gewerkschaften, wie er in Sachsen, in Bayern geführt wird, stehen zu dem behaupteten Streben, die Lage der arbeitenden Klassen zu bessern, in grellem Gegensatz. Wir sollten die Vorlage leidenschaftslos und ohne Pathos behandeln, hat der Staatssekretär gesagt. Und doch haben wir eine Vorlage vor uns, die uns an einen Thierfreund erinnert, der das Huhn fragte, ob es lieber gebraten oder gekocht sein wollte. So schlimm i es ja noch nicht, daß man uns fragt, ob wir lieber ge⸗ rädert oder geköpft sein wollen. Aber weit davon ist es auch nicht. Sodann meint der Staatssekretär, die Vorlage sei kein Ausnahme⸗ gese⸗ sondern bewege sich auf dem Boden des gemeinen Rechts. Auch der Abg. Dr. von Bennigsen hat am 10. Oktober 1878, als es sich um das Sozialistengesetz handelte, gesagt, daß das Gesetz nicht gegen bestimmte Klassen der Bevzlkerung oder bestimmte Parteien gerichtet sei. Und wie ist das Gesetz angewendet worden? Alle Fälle, wo das Gesetz

gen Meüthlieder anderer Fraktionen als gegen uns angewendet wurde, anden lebhaften Widerspruch in der gesammten Bevölkerung und der

“]

Presse, und Herr Gneist führte in einer Broschöre aus, daß es bei der Handhabung des Gesetzes viel weniger auf die That selbst an⸗ komme, als auf die Person desjenigen, der sie ausgeführt habe. Der Staatssekretär Nieberding hat am Schluß der vorigen Session aus⸗ geführt, daß die Polizeibehörden in der Vertheilung von Flug⸗ blättern niemals eine strafbare Handlung sehen duürften. Die sächsischen Behörden haben sich um diese Auffassung nicht im mindesten gekümmert, sie verfolgen die Vertheilung von sozialdemo⸗ kratischen Flugblättern nach wie vor als groben Unfug, allerdings nur, wenn es sich um Landtagswahlen handelt; denn bei Reichstagswahlen würden wir hier im Reichstage bei den Wahlprüfungen dagegen pro⸗ testieren und eventuell solche Wahlen für ungültig erklären. Wenn der Staatssekretär von der Zunahme der Zuchthausstrafen und damit der gemeinen Verbrechen bei Sozialdemokraten spricht, so irrt er; es handelt sich dabei fast nur um Anarchisten, also unsere geistigen Gegner; mit unserer Partei haben diese Verbrecher nichts zu thun. Unrichtig zitiert hat der Staatssekretär, wenn er die Stelle aus einer Schrift Krapotkin’'s angeführt hat, daß Religionen auf Blut gegründet seien. Der Sinn der Stelle ist der, daß die meisten Religionen auf dem Opfergedanken beruhen. Kein einziges deutsches sozialdemokratisches Blatt hat der Staatssekretär zur Begründung der Vorlage zitieren können. Wir können doch nicht dafür ver⸗ antwortlich gemacht werden, was irgend ein Revolutionär zu irgend einer Zeit gesagt hat. Wenn der Staatssekretär nach Zitaten suchte, brauchte er nicht auf Krapotkin und Bakunin zurück⸗ zugreifen, er hätte den ehemaligen Brief des jetzigen preußischen Finanz⸗Ministers an Marr zitieren können. Im Jahre 1848 hat sich u. a. auch Herr Bamberger zur sozialen Revolution bekannt und mit ihm noch mancher der Herren, die hier im Hause sitzen. Die Polizei soll nicht im stande sein, Blätter, wie die Most'sche „Freiheit“, aus Deutschland fern zu halten. Daß gerade dite Most'sche „Freiheit“ durch Geldmittel von seiten der Polizei in Deutschland eingeschmuggelt wurde, hat eine Gerichtsverhandlung in Elberfeld am 30. April v. J. gezeigt. Polizei⸗Kommissar Böhm hatte als Zeuge zugeben müssen, daß er sich eines vielfach vorbestraften Subjekts bedient hatte, Bum die „Freiheit“ über die deutsche Grenze zu bringen. Der Staatssekretär bezog sich aber auch auf ein inländisches Blatt, den wöchentlich einmal erscheinenden „Sozialist“, den er wahrscheinlich mit dem täglich erscheinenden „Vor⸗ wärts“ verwechselt. Der „Sozialist“ ist bekanntlich von den soge⸗ nannten „Jungen“ in der Absicht gegründet worden, unsere Partei zu schädigen; ihn zu vertheidigen, ist sonach nicht unsere Sache.

möchte aber darauf aufmerksam machen, daß es eine Zeit gegeben hat, wo er von den Herren, denen er heute unbequem ist, recht gern gesehen wurde. So lange er nebenher die sogenannten Führer der sozialdemokratischen Partei angriff und verleumdete, durfte er die tollsten Ausfälle auf alles Mögliche machen, heute wird er jede Woche ohne triftige Gründe konfisziert. Im Jahre 1893 erschien zum Beispiel in diesem Blatt ein Aufruf, der den Zweck hatte, eine gewerkschaftliche Gegenagitation der Metallarbeiter gegen die sozialdemokratische Partei ins Leben zu rufen, und der mit dem lebhaften Appell schloß: Zeigen wir, daß wir wahre Revolutionäre sind, daß wir es ernst meinen mit unseren Leidensgenossen! Wenige Wochen nachher hat der Unterzeichnete jenes Aufrufs vor Gericht zugeben müssen, daß er dafür von der Polizei mit 95 honeriert worden sei. Selbst die sächsische „Leipziger Zeitung“ verhätschelt die anarchistische Bewegung. Wenn die gegenwärtige Vorlage bereits Gesetz wäre, wäre dadurch auch nur eines der zu ihrer Begründung angeführten Vorkommnisse unterblieben? Die Broschüren und Flugblätter, von denen der Staatssekretär gesprochen hat, wurden heimlich verbreitet und werden so auch weiter verbreitet werden. Ich habe noch heute aus London anarchistische Zuschriften erhalten, die so verrückt sind, daß der Staatssekretär uns dieselben nicht zutrauen wird und kann. (Staatssekretär Nieberding nickt zustimmend.) Der Umsturz wird von ganz anderer Seite, als von unserer Partei befürwortet.

Ich erinnere nur an die Broschüre Konstantin Rößler's, an das Vorgehen des Kammerherrn von Blumenthal in Sachsen; auch Herr Stöcker erklärt in seinem Organ, wenn das Mittel der Auflösung nicht helfe, den Reichstag zu bekehren, so müsse man an eine Aenderung der Verfassung, des Reichstagswahlrechts denken. Das sei zwar auch ein Staatsstreich, der aber, da im Reiche kein Verfassungseid eingeführt sei, anders beurtheilt werden müsse. Die heutige Gesetzgebung bietet bereits die Handhabe, um in der aller schärfsten Weise vorzugehen. Gelegentlich der Berathung des Antrags des Abg. Grafen Kanitz im vorigen Jahre erklärte der Abg. Dr. von Bennigsen mit Bezug auf meine Partei: „Die Sozialdemokratie ist auf dem besten Wege, eine radikale Arbeiterpartei zu werden, wie eine solche in England besteht.“ Und der Abg. Liebermann von Sonnenberg sprach von uns als von Revolutionären in Schlafrock und Pantoffeln. Jetzt heißt es: Es muß etwas geschehen! Wir sind geblieben, was wir waren und werden bleiben, was wir sind. Wir haben das Scozialistengesetz ausgehalten, wir werden auch das Umsturzgesetz und alle anderen Gesetze aushalten, die gegen uns gemacht werden. Uns werden sie nichts schaden. Auf einer Seite ist der Bierboykott als Anlaß des Umsturzgesetzes be⸗ zeichnet worden. Ich glaube das nicht. Es ist etwas Anderes: Es fehlt das Zutrauen in die Haltbarkeit der Dinge. Es herrscht eine allgemeine nervöse Erregung, die sich Luft macht in dem Rufe: Es muß etwas geschehen! Die besitzenden Klassen haben das Zutrauen zu sich selbst verloren. Ich werde nun zu den einzelnen Paragraphen des Gesetzentwurfs über⸗ gehen. (Präsident von Levetzow erinnert den Redner daran, daß die Generaldiskussion des Gesetzentwurfs stattfindet.) Es heißt in den Motiven: Manches Verbrechen wird heute dadurch angepriesen, daß es aus einer anderen Weltanschauung heraus entschuldigt wird. Richtig ist aber, daß schon manches Verbrechen mit dem Tode gebüßt wurde, das später als heroische That gepriesen wurde. Wenn der § 111 Gesetz wird, dann wird man auch die Verherrlichung des Duells unter Strafe stellen müssen. Ein Pastor in Worbis hat jüngst den Holzdiebstahl einer Frau mit der Nothlage derselben ver⸗ theidigt. Nach dem § 111 wäre der Pastor entschieden straffällig. Auch die „Kreuz⸗Zeitung“ würde davon betroffen werden, die z. B. die That Schill's als eine heroische That, wenn auch als „Eidbruch“, bezeichnet. (Redner wird vom Präsidenten zur Sache gerufen.) Schon wenn der Thäter die Absicht gehabt hat, den Umsturz der bestehenden Staatsordnung herbeizuführen, so soll er mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft werden. Wer stellt di Absicht fest? Wir haben doch mit unseren Richtern in der letzten Zeit allzu schlimme Erfahrungen gemacht, um ihnen eine derartige dehnbare Bestimmung anzuvertrauen. Nach der modernen Rechtsprechung genügt ja schon das einfache Abonnement auf eine Zeitung, um die Zugehörigkeit zu einer ver⸗ botenen Verbindung darzuthun. Es mag ja Sozialdemokraten geben, deren Bestreben auf den Umsturz gerichtet ist, aber auf der Stirn steht das Keinem geschrieben. Die Formulierung dieser Bestimmungen scheint mir dahin zu gehen, daß man recht viel verlangt, um nur etwas zu erhalten. Bestimmungen wie die des § 112 hat kein Strafgesetzöbuch der ganzen Welt; schon die Einführung eines Soldaten in eine geschlossene Gesellschaft soll mit Gefängniß von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft werden können. Denkt man denn nicht daran, daß in unseren Kasernen viele Soldaten sind, die daheim sozialdemokratische Verwandte haben, die, wenn sie jene auch nur auf ein sozialdemokratisches Fest führen, sich schon strafbar machen würden? Geht man doch jetzt schon so weit, daß man dem Sohn des sozialdemokratischen Abgeordneten Stolle, als er auf Urlaub nach Hause ging, verbot, in der Gastwirthschaft seines Vaters zu ver⸗ kehren. In den Motiven wird von der Gefahr der Einführung destruktiver Tendenzen in der Armee gesprochen; mir ist von solchen Tendenzen nichts bekannt. Wohl aber ist mir bekannt, daß man

jetzt aus dem Soldaten ganz etwas Besonderes machen will, daß man

2