den „Sang an Aegir“ zum Vortrag, der auf den durch nze. Vesen ie erbeanen segcdenre Wunsch deß Publikums 1 einmal wiederholt wurde. Die ration; eine Palastarchitektur mit Durchblick auf eine nordische Landschaft mit schneebedeckten Berg⸗ gipfeln bildete, dazu einen stimmungsvollen Hintergrund. Die schau. spielerischen Gaben des Abends bestanden aus dem Lustspiel „Die alte chtel’ von Gustav zu Putlitz, dem Schwank Die stille veon Richard Skowronnek und dem I nedir scher Genrebild „Die Dienstboten“. Diese heiteren Stücke wurden meist in bekannter Besetzung und von allen Mitwirkenden mit Einsatz ihres ganzen Könnens sehr beifallswerth dargestellt und er⸗ höhten die festlich animierte Stimmung des Hauses. In der großen
use und nach Schluß der Vorstellung fand in den
bensälen Promenaden⸗Konzert statt, welches von der auf der Galerie placierten Kopene des 4. Garde ⸗Regiments z. F. ausgeführt wurde. Im Konzertsaal waren mehrere reich besetzte, einladend dekorierte Buffets mit kalter Küche, Süßig⸗ keiten und Getränken aufgestellt, an denen Damen des Vereins als Verkäuferinnen fungierten und vielen Zuspruch fanden. Der Erfolg der in jeder Beziehung wohlgelungenen festlichen Veranstaltung wird hoffentlich auch in dem finanziellen Ergebniß zum Besten des edlen, wohlthätigen Zwecks seinen entsprechenden Ausdruck finden.
Theater Unter den Linden.
Die neue Operette „Der Probekuß“ von Hugo Wittmann und Julius Bauer, Musik von Carl Millöͤcker, fand gestern Abend dvor gut besetztem Hause wohlverdiente freundliche Aufnahme. Das Libretto behandelt die Liebesgeschichte von zwei deutschen Männern, einem Prinzen und einem Uhrmacher aus dem Schwarz⸗ walde, die dem weidlichen Geschlecht abhold sind, aber doch zu ihrer von der Politik bezw. der Verwandtschaft bestimmten Ver⸗ beirathung nach Florenz kommen und hier, mit einander ver⸗ wechselt, sich in die ihnen zugedachten Bräute, ohne sie zu kennen, verlieben. Der lustige Text ist mit einer einschmeichelnden Musik, zumeist im Walzer⸗ und Marschtakt, ausgestattet, die zwar an vielen Stellen Reminiscenzen an frühere Werke desselben Kompo⸗ nisten aufweist, aber dech auch reich ist an neu erfundenen und an⸗ sprechenden Melodien. Musikalisch und texrtlich am meisten gelungen ist der erste Akt, doch kann man von einer auffälligen Abschwächung des günstigen Eindrucks auch in den nachfolgenden beiden Akten nicht sprechen. Ausnehmend gesielen namentlich ein Eingangsterzett, ein Liebesduett und die vielen volksthümlichen vom Uhrmacher
seifli und dem Prinzen Dietrich gesungenen Weisen; in den meisten Hüanen wurde lebhaft eine Wiederholung verlangt und auch bereit⸗ willig gewährt. In mustergültiger Darstellang wurden alle Pointen des Werks gut zur Geltung gebracht, und auch musikalisch leisteten sämmtliche Mitwirkende unter der umsichtigen Leitung des Herrn Kapellmeisters Federmann Treffliches. Als Uhr⸗ macher Pfeifli debütierte der durch jahrelange Wirksamkeit am Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater bekannte und beliebte Herr Alexander Klein, nachdem er nur kurze Zeit dem Ensemble des Adolph Ernst⸗Theaters angehört hat. Beim ersten Erscheinen freund⸗ lich begrüßt, wurde er im Verlauf seiner weiteren künstlerischen Dar⸗ bietungen wiederholt mit anerkennendem Beifall ausgezeichnet. Außer ihm waren die Damen Collin (Prinzessin Leonore) und Cornelli (Zofe Vrencli) sowie Herr Steiner (Prinz Dietrich von der Pfalz) die Hauptträger des Erfolgs. In komischen Rollen waren die Damen Grimm⸗Einödshofer und E. Schmidt, und die Herren Well⸗ hof und Hanno hervorragend thätig. Schon nach dem ersten Akt wurde mit den Darstellern und dem Kapellmeister Federmann Herr Direktor Fritsche, der für eine prunkvolle Ausstattung und tadellose Inscenierung gesorgt hat, durch viele Hervorrufe geehrt.
1 Konzerte. 1 suns für Kammermusik“ gab vorgestern im 8
f idren 27. Vortrags⸗Abend, den sie mit einem sehr selten gehörten Werk von Weber, einem Trio für Klavier, Flöte und Cello eröffnete. Der darin bervortretende Melodienreichthum des Komponisten, die graziöse Passagenbildung in den Deppelgängen der
öte und des Klaviers sowie die Klarbeit in der Durchführung der
otive sind so wirkungsvoll, daß am Schluß des Trios rauschender Beifall ertönte, zumal die Herren Papendick (Klavier), Kurth (Flöte) und Wendel (Cello) das Werk mit musterhafter Präzision in Zusammenspiel und mit sehr belebter Vortragsweise ausführten. Ein Streichquartett von W. Taubert, das nicht mehr unbekannt ist und
durch seinen melodibsen Inhalt wie durch stilgewandte Behandlung der Motive fesselt, wurde von den Herren Gentz, Jäge Thronicker und Wendel ebenfalls
11 ₰ 091* —
Theater⸗Anzeigen.
Krimigliche Schanspiele. Freitag⸗ haus. 17. Vorstellung. Der Ring des Nibelungen.
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BZühnenfestspiel
Bar. auf 0 Gr. 0 Cels
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Temperatur 50 C — 40R
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Regen. ²) Nachm Reger. ³) Nachte 1. Abends Regen, h 8 4) Gest. Regen. ⁷) Nachte Wetterleuchten. Mam Uebersicht der Witterung. Eeeaübenb
Das baremetrische Minimum, welches gestern über V Jagd
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Sonntag, 2½ 7 ½ Uhr:
Manöver. —
norbnorzostmärls nach Schoettlant fortgeschritten mobei auf ber Rückseite vas Baromeier stark gestiegen ist. Das Hochbrudhgebiet im Nordosten hat weiter ar enammern, wobei eir afberes über Sürt. Direktion:
Luapa sich entmichelt. In Deutschland ist bei naud 8 schmacher, jütlicher Lustströmung das Wetter mile in * 5
ber milbden Witter 1b toutrakt. Deutsche Seewarte.
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Abend: Siegfried in 3 Akten. meister Weingartner. Schauspielhaus. fungen. Lustspiel in 4 mann. In Sceene gesetzt vom 7 ⅛ Uhr. Sonnabend: Opernhaus. vallerian rusticana. (Bauern⸗Ehre.) Oper
gleichnamigen Vo Barbier von Sevilla. Givachimp Beaumarchais, von Cesar Sterbini Ignaz Kollmann.
Schauspielbaus. spiel in 4 Aufzügen von Richard Stowronnek. — Die stille Wache. Richard Skowronnek. Anfang 7 ½ Uhr.
DPentsches Theuter. Freitag (18. Abonne⸗ ments⸗Vorstellung): Klein Eyolf. Sonnabend: Zum 50. Male: Die Weber.
Berliner Theater. Freuag (19. Abonnements⸗ Vorstellung): Das zweite Gesicht. Anfang 7 ½ Uhr. 8 Sonnabend Der Pfarrer von Kirchseld.
Kompagnon.
Lessing-Theuter. Freiag:. Nach dem
— — be Luftspiel in 4 Akten von Ludwig Fulda. der Srischen See lag, Uüit mit abnehmender Tiese Sonntag: Ghismonda.
Restbenz-Theuter. Sigmund Lautenburg.
's Ehekontrakt. (Eil 2 là patte.) 4 milt in 3 Atien von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗ 25. haben Regen älle ar beitung von Benno Jacobson. Sonnabent und solgende Tage Fernand e Fhe⸗
Beschluß des Abends machte Berthoven's Serenade für Flöte, Violine
und Viola 8 8 8. das schon e. Gehör gebracht worden ist. Auch d 8. Werken folgte reicher Beifall. 1“
An demselben Abend veranstaltete der junge Violinvirtuose Achille Simonetti aus London in der Sing⸗Akademie ein Konzert, in welchem er sich dem Publikum auch als Komponist bekannt machte. Sein Spiel ist sorgfältig geschult und sein Vortrag ver⸗ ständnißvoll, wie dies besonders in Mendelssohn s beliebtem Violinkonzert zu erkennen war. Seine Sonate für Klavier und Violine verrieth ein nicht unbedeutendes Kompositions⸗ talent, das in kleineren Stücken (Romanze, Mazurka und Madrigale) noch mehr zur Geltung kam. Die Konzertsängerin
rau Louise Formhals aus Leipzig trug Lieder von Schumann, Reinicke, Taubert und anderen mit belebtem Ausdruck vor; ein unaus⸗ esetztes Tremolteren behinderte jedoch zuweilen die Sicherheit des Tonansatzes in der Höhe. Der Pianist Herr Ed. Behm, der in der obengenannten Sonate erfolgreich mitwirkte, begleitete auch sämmt⸗ liche Solovorträge mit Geschick. Das zahlreich erschienene Publikum zollte allen Künstlern reiche Anerkennung.
Gestern fand im Saal Bechstein das dritte Konzert der Sängerin Lillian Sanderson statt. Die viel bewunderte Künst⸗ lerin sang achtzehn Lieder von Schubert, Schumann, Bungert, Sommer, Heß, Löwe, Berger, Jensen, Moszkowski und anderen; außerdem wiederholte sie Berger's „Ach wer as doch könnte“, das „Schlaflied“ von Moszkowski und das „Altrheinische Volkslied“ von Brahms, ohne eine Pause durch Instrumentalvorträge eintreten zu lassen. Ihre liebliche Stimme und uhr bezaubernder Vortrag erweckten bei den sehr zahlreich erschienenen Zuhörern rauschende Beifallsbezengungen. Herr Wilhelm Berger führte die Klavierbegleitung fein nuanciert und geschickt aus.
An demselben Abend machten sich zwei junge Damen im Konzert⸗ saal des Klubhauses (Potsdamerstraße 9) dem Publikum bekannt: Fräulein Nina Gorter (Klavier) aus Holland und Elisabeth Schulz (Gesang). Die Leistungen beider Künstlerinnen ließen er⸗ freuliche Begabung erkennen, doch sind dieselben für ein ffentliches Hervortreten noch nicht weit genug vorgeschritten.
Im Koniglichen Opernhause gelangt morgen Richard Wagner's „Siegfried“ („Der Ring des Nibelungen“, zweiter Abend) unter Kapellmeister Weingartner’s Leitung mit folgender Besetzung zut Aufführung: Stegfried: Herr Gudehus, Brünnhilde: Frau Sucher. Wanderer: Herr Betz, Mime: Hert Lieban, Alberich: Herr Schmidt, Erda: Frau Goetze, Waldvogel: Fräulein Dietrich, Fafner: Herr Mödlinger. — In der Matince am Sonntag, welche das Königliche Ballet⸗Personal veranstaltet, wird Herr Moritz Mosz⸗ kowski den von ihm kompenierten Fackeltanz selbst dirigieren.
Im Königlichen Schauspielhause gelangt morgen das Lustspiel „Wie die Alten sungen“ in der bekannten Besetzung zur Aufführung. Die nächste Aufführung von Friedrich Hebbel's deutschem Trauerspiel „Die Nibelungen“ findet Donnerstag, den 24., und Frei⸗ tag, den 25. d. M., statt. 8 “
In dem vieraktigen Lustspiel von Ludwig Fulda „Die wilde
2, das am Sonnabend zum ersten Mal in den Spielplan des
ing⸗Theaters aufgenommen wird, spielt Marie Reisenhofer
Melanie Dalberg. 3 2
Im Adolph Ernst⸗Theater geht die Gesangcposse „Ein
deles Corps“ mit Miß Rose Batchelor morgen zum 25. Mal in Scene; Fräulein Gisela Fischer wird an diesem nd ein neues Kouplet singen. .“
Die Direktion des Konzerthauses veranstaltet morgen einen „Strauß ⸗Suppé⸗Milloͤcker⸗ Offenbach⸗Abend“. 8
Mile. CCleste Painparé, eine junge Klaviervirtuosin aus Antwerpen, welche n am Sonnabend in der Sing⸗Akademie zum ersten Mal dem Berliner Publikum vorstellen wird, bringt an diesem Abend Klavierkonzerte von Bach und Beethoven, sowie den Caprice brillant von Mendelssohn — sämmtliche Werke mit Begleitung des Philharmonischen Orchesters — zum Vortrag. — Die Altistin Fräulein Ida Junkers aus Düsseldorf wird in ihrem an demselden Abend im Saal Bechstein stattfindenden Konzert Gesänge von Caldara, Schubert, Schumann, Cornelius, Graf Philipp zu Eulen⸗ burg, Bungert ꝛc. zu Gehör bringen; die Mitwirkung und Begleitung
übernimmt Herr Dr. Otto Neitzel aus Köln.
In Fortsetzung seiner Berathungen zur Feststellung des
r. vortrefflich vorgetragen. Den Stadthaushalts⸗Etats für 1895/96 erledigte nach dem Bericht
RNeues Theater. Freitag: Andrea. Victorien Sardon. Lautenburg. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend und Sonntag:
Opern⸗
8
von Richard agner. Zweiter Dirigent: Kapell⸗ Anfang 7 Uhr.
17. Vorstellung. Wie die Alten Aufzügen von Karl Nie⸗ ber⸗Regtisseur Max 8 für Volksunterhaltung. 18. Vorstellung. Cn- g ietro 2—7 „2 Text nach dem stück von G. Verga. — Der Komische Oper in 2 Auf⸗ Rossimi. n. nach übersetzt von Freitag: In Anfang 7 ½¼ Uhr. 8 Eüee en
18. Vorstellung. Halali. Lust⸗ vr Orphens. Große A. Anfang 28 Uhr. c
Schwank in 1 Aufzug von Sernna⸗
Anfang 7 ½ Uhr. Uhr: Die Weber. — 7 kuß.
Kapellmeister Federmann. Sonnabend: Der Probekuß.
Ubr: Die Haubenlerche. — Bentral-Theater.
Direktion: Richard Schult. — 2 Thomas a. G. Anna Bäckers. — 137. Male: ofse mit Gesang und Tan Salingré's Neh.
reund. 8 Uhr.
Ein goldenes Herz. Anfang
Zum ersten Male: Die wilde
Blumenstraße Nr. o. Adolph Ernß⸗Theuter.
Freitag: Fer⸗ treten der Grotesktänzerin Schwank vom Prince of Wales⸗Theater Anfang 7 ½ Uhr. posse mit Tanz.
Jacobson und Jean Kren.
8 8
Schiffbauerdamm 4./5.
Komödie in 5 Akten von H In Scene gesetzt von Sigmund Konzert-Haus.
In Vorbereitung: Das liebe Geld. in 4 Akten von E. von Schabelski.
Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater.
Chaufeerftraße 25/26. am 3 fachen Reck. durchaus neuer 7.2— Aus⸗ us
kten und 12 Bildern von Jacques Offenbach.
nd: Die Fledermans.
Thrater Unter den Linden. Bebrenstr. 55/57. Direktion: Jultus Fritzsche. — neuer Ausstattung. Zum 3. Male: Der Probe⸗ Operette in 3 Akten von Hugo Wittmann und Julius Bauer. Musik von Carl “ Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr Anfang 7 ½ Uhr.
Alte Zalobstraße Nr. 30.
O, diese Berliner! Große in 6 Bildern (nach durch Berlin“) von Musikk von Julius Einödshofer fang
Sonnabend: O, vdiese Berliner!
Miß Rose Batchelor in London. Zum Große Gesangs⸗ 1 . beitet von Eduard Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.
ale: Ein fideles Corps. Nach dem engl Girl“ von Jongs Sidney frei bear
außerordentlichen Sitzung den Spezial⸗Etat für das Feuerlös Derselbe ist mit einer Ausgabe von 1 447 215 ℳ festgestellt; dieser gegenüber stehen an eigenen Einnahmen 21 137 ℳ, sodaß ein uschuß von 1 426 078 ℳ erforderlich wird. Der Etat für die ollzeikosten im Allgemeinen (Ortspolizei, einschließlich des euerlöschwesens) ist in Einnahme mit 598 900 ℳ und in Ausgabe mit 5 482 921 ℳ — sodaß ein Zuschuß von 4 484 021 ℳ benöthigt wird. Die Einnahme dieses Etats resultiert zum größten Theil aus den Beiträgen der Feuersozietät zu den Kosten des Feuerlöschwesens. Die Ausgaben setzen sich zusammen aus dem Beitrage der Stadtgemeinde zu den Kosten der Königlichen Polize. Verwaltung auf Grund des Polizeikostengesetzes vom 20. April 1892. Der Normalsatz ist auf 2,50 ℳ für den Kopf der Bevölkerung fest⸗ gesetzt, und es berechnet sich der zu leistende Beitrag auf 3 828 876 ℳ
der e.ag. das Magistrats⸗Kollegium in seiner vorgestrigen ch.
Im Monat Dezember 1894 sind in Berlin 308 Proben von Nahrungs⸗ und Genußmitteln chemisch untersucht und 40 davon beanstandet worden. Bemerkenswerth ist, daß sich seit längerer 58 zum ersten Mal sämmtliche Butterproben als unverfälscht erwiesen; ebenso brauchte auch keine der untersuchten Schmalzproben beanstandet zu werden. Sehr hoch war dagegen die Zahl der künstlich gesärbten Wurstproben; nach neueren Entscheidungen der Gerichte ist eine Fär⸗ bung stets als Fälschung anzusehen. Eine Probe Himbeerlimonade enthielt weder eine Spur natürlichen Himbeerfarbstoffs, nach Extraktiv⸗ stoffe von Himbeeren. 8
Parenzo, 16. Januar. „W. T. B.“ meldet: Vor dem Hause des Einwohners Ritossa, welcher als kroatischer Agitator gilt, kam es anläßlich der Demonstration am Montag Abend zu feindseligen Kundgebungen einer großen Menschenmenge. Erbittert gab Ritossa einen Revolverschuß ab, verletzte indessen niemand. Er wurde verhaftet, vom Gericht sodann freigelassen und die Akten der Staatsanwaltschaft übergeben. Beim Verlassen des Gerichtsgebäudes wurde Ritossa von einem johlenden Haufen und nach seinem Hause begleitet, welches danach mit Steinen beworfen wurde. Die Gendarmerie zer⸗ streute schließlich die angesammelte Menge und stellte die Ordnung wieder her.
New⸗York, 16. Januar. Gestern Abend brach, wie „W. T. B.“ berichtet, in Butte (Montana) auf dem Lagerraum der Montana⸗ Zentral⸗Eisenbahn, wo mehrere Wagen mit Schießpulver standen, Feuer aus. Während der Löscharbeiten erfolgte eine Ex⸗ plosion, welche eine Anzahl Feuerwehrleute getödtet wurden. Bald darauf fand eine zweite, noch heftigere Explosion statt. Die in der Nähe stehenden Zuschauer wurden förmlich nieder⸗ emäht und die Trümmer eine halbe (englische) Meile weit ortgeschleudert, wodurch noch Leute im Mittelpunkt der Stadt ver⸗ letzt wurden. Als die Feuerwehrleute und Zuschauer sich zu flüchten suchten, erfolgte eine dritte Explosion infolge der Entzündung des Sprengpulvers im anstoßenden Lagerhaus. Die Detonation glich einem Erdbeben. Sämmtliche Feuerwehrleute, mit Ausnahme von zweien, und mehrere andere Personen wurden getödtet, eine Anzahl anderer verletzt, auch viele Leute von der Hospital⸗Mannschaft, welche bei der ersten Explosion Hilfe leisteten, getödtet und verletzt. Gegen 60 verstümmelte Leichen wurden später aufgefunden. Soweit fest⸗ gestellt worden, sind 75 Personen sofort todt geblieben, an hundert verletzt worden. Der Sachschaden übersteigt eine Million Dollars.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene
Depeschen.
Paris, 17. Januar. (W. T. B.) Die Stadt zeigt ein durchaus ruhiges Gepräge. Von 9 Uhr früh ab begannen die Deputirten und Senatoren sich nach Versailles zu begeben. Challemel⸗Lacour als Präsident der Nationalversammlung hatte sich bereits in früher Morgenstunde in dem Palais zu Versailles eingefunden. Als ernste Kandidaten gelten Waldeck⸗Rousseau, Brisson und Felix Faure, der süc jedoch bei einem zweiten Rousseau'’s zurückziehen würde.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
Konzerte.
Freitag: Karl Meyder⸗
Konzert. Strauß⸗SuppéMillöcker⸗Offeubach
Die geschiedene Abend. Frau. Schauspiel in 4 Akten von Victor Jaunet, deutsch von Paul Block. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. — Vorher: in Paris. Lebensbild in 1 Akt von C. von Holtei.
Sonntag, Nachmittag: Vorstellung des Vereins
Die Wiener Birkus Renz (Karlstraße). Freitag: Große
Komiker⸗Vorstellung. Humor! Witz! Laune! Auf⸗ treten sämmtlicher Clowns und des August Mr. Lustipiel Lavater Lee in ihren wirkungsvollsten Entrées. nstsgiter [Außerdem: Das Apportierpferd Mshr. Hierauf: Prinz Karneval und sein Gefolge, vorgeführt von Herrn R. Renz. Das Schulpferd Mikado, hierauf das irländ. Springpferd Blitz, ger. von Frau Renz⸗ Stark. Auftreten der Herren Vasilesku u. Banola 2. Auftreten der exzentrisch⸗ musikalischen Clowns Gebrüder Permané. Grand double Pas de deux sérieux. Auftreten des Herrn Gustav Hüttemann (als Gast) mit dem Schulpferde „Cincinatus“. Zum Schluß: Auf, auf zur fröhlichen Jagd! Original⸗Sports⸗Schauftück vom Direktor Fr. Renz. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend, Abends 7 ½ Uhr: Gala⸗Vorstellung.
Sonntag: 2 Vorstellungen, Nachmittags 4 Ubr (ermäßigte Preise) und Abends 7 ½ Uhr.
stattungsoperette
Freitag: Mit
Höcder. In “ 8 Familien⸗Nachrichten.
8 Verlobt: Frl. Marie von Lütcken mit Hrn. Lieut. Hans von Hagen (Bromberg),
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Professor Dr. K. Rümtker (Berlin). — Eine Tochter: Hrn. Ritter⸗ gutsbesitzer Conrad (Ober⸗Baumgarten).
Gestorben: Verw. Fr. Hauptmann Emilie von Raven, geb. Wendt (Tempelburg). — Hr. Oberü⸗ Lieut, a. D. Eduard von Helldorff (Naumburg
ulius a. S.). — Hr. General⸗Lieut. z. D. Friedrich von
Scheliha (Breslau). — Hrn. Pastor K. Voß Sohn
Martin (Suschen)
Freitag: Emil Josesine Dora.
Freitag: Auf.⸗ 3. V.: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr.
handlung:
ahlgang zu Gunsten Waldeck⸗
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Anzeiger.
1895.
Deutscher Reichstag. 16. Sitzung vom Mittwoch, 16. Januar, 1 Uhr.
Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der gestrigen Nummer berichtet worden.
Nachdem die erste Berathung des von den Abgg. Graf von Hompesch und Genossen (Zentr.) eingebrachten Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Aufhebung des Gesetzes über den Orden der Gesellschaft Jesu, erledigt worden, folgt die Berathung des Antrags der Abgg. Dr. Kropats 82. Jakobskötter und Genossen (dkons.) auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs, betreffend Abänderung der Gewerbe⸗ ordnung. Der Antrag hat folgenden Wortlaut:
Der Reichstag wolle beschließen: den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstag alsbald Gesetze vorzulegen, durch welche 1) die Er⸗ laubniß zur selbständigen Betreibung eines Handwerks unter voll⸗
ständiger Zusammenlegung verwandter Gewerbe von dem voraus⸗ gegangenen Nachweis der Befähigung abhängig gemacht wird, 2) den Konsumvereinen die Abgabe von Waaren an Nicht⸗ mitglieder schlechthin und unter Strafandrohung verboten wird.
In Verbindung mit Nr. 1 dieses Antrags gelangt der von den Abgg. Gamp, von Merbach und Graf von Arnim (Rp.) eingebrachte Antrag zur Ver⸗
den Herrn Reichskanzler zu ersuchen: I. mit möglichster Be⸗ schleunigung einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen 1) dem gesammten Handwerk eine organisierte Vertretung in Hand⸗ werkerkammern gegeben wird, denen die Beaufsichtigung des Lehrlingswesens, des Herbergenwesens u. s. w., sowie die Aufgabe zu übertragen wäre, die Interessen des Handwerks in technischer und wirthschaftlicher Beziehung zu vertreten, 2) diesenigen von der Aus⸗ übung des handwerkmäßigen Betriebs ausgeschlossen werden, welche ihre Befähigung zu diesem Betriebe nicht durch eine längere Ausbildung als Lehrling und Geselle dargethan haben (Be⸗ fähigungsnachweis); II. bei den Bundesregierungen dahin zu wirken, daß die die Handwerker schädigende Beschäftigung der Straf⸗
gefangenen nach Möglichkeit eingeschränkt werde.
In Verbindung mit Nr. 2 des Antrags Kropatschek wird ein Antrag der Abgg. Hitze u. Gen. (Zentr.), betreffend die Konsumvereine und Konsumanstalten, berathen.
Dieser Antrag bezweckt in der Hauptsache, den Konsumpvereinen die Ausgabe von Marken oder sonstigen Werthzeichen und von nicht auf den Namen lautenden Zahlungsversprechen oder Zahlungsanweisungen, gegen welche Waaren bezogen werden können, zu verbieten, ferner für die Ueber⸗ tretung der für den Geschäftsbetrieb der Konsumvereine geltenden Vor⸗ schriften Strafen festzusetzen und endlich die Bestimmungen über den Betrieb der Gast⸗ und Schankwirthschaft, sowie über den Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus auch dann auf Konsumvereine auszu⸗ dehnen, wenn der Betrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt ist. Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften, sollen auch Anwendung finden auf solche Aktiengesellschaften und Personenvereinigungen jeder Art, welche die Förderung des Erwerbs oder der Wirthschaft ihrer Mitglieder durch gemeinsamen Bezug von Verbrauchsgegenständen bezwecken, sowie auf Konsumanstalten, welche von Arbeitgebern für ihre Arbeiter und Be⸗ diensteten betrieben werden.
Gleichzeitig steht ein Antrag der Abgg. Dr. Ham macher u. Gen. (nl.) auf Abänderung des Gese zes, betreffend die Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften, vom 1. Mai 1889, sowie den Geschäftsbetrieb der Konsumanstalten überhaupt betreffend, zur Berathung.
Dieser Antrag will unter Strafandrohung die Konsumvereine verpflichten, ihren Verkäufern die Namen der Mitglieder des Vereins mitzutheilen, mit ihnen geeignete Vorschriften über die Prüfung der Legitimation der Mitglieder zu geben, desgleichen den Mit⸗ gliedern von Konsumvereinen verbieten, Waaren gegen Entgelt an Nichtmitglieder abzugeben. Der Betrieb der Gast⸗ und Schank⸗ wirthschaft und der Kleinhandel mit Spiritus seitens der Konsum⸗ vereine soll den dafür geltenden Bestimmungen der Gewerbeordnung auch dann unterstellt sein, wenn der Betrieb auf den Kreis der Mit⸗ glieder beschränkt ist. Die Konsumanstalten von Unternehmern und alle Gesellschaften oder Korporationen, welche die Zwecke der Konsum⸗ vereine verfolgen, sollen den für diese geltenden Bestimmungen unter⸗ worfen werden.
Schließlich wird in Verbindung mit den vorstehenden Anträgen ein Antrag der Abgg. Dr. König, Zimmer⸗ mann u. Gen. (Refp.) berathen, welcher die Vorlegung eines Gesetzentwurfs verlangt, wonach staatlichen Betrieben die Gründung von Konsumvereinen bezw. Verkaufs⸗ S verboten wird und die schon bestehenden ezüglichen Konsumvereine bezw. Verkaufsgenossenschaften solcher Betriebe aufgehoben werden.
Nach einer kurzen Begründung des erstgenannten Antrags durch den Abg. Jakobskötter (dkon) erhält das Wort:
Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.): Das Handwerk muß unter allen Umständen obligatorisch organisiert werden — welchen Namen diese Organisation führt, ob Fendwerüekammem oder Nen n ist mir gleichgültig. Fakultative Einrichtungen genügen nicht.
iese Erfahrung kann man besonders in Süddeutschland machen, wo in den freien Vereinigungen der Handwerker nur ein Sechstel des Standes vertreten ist. Es wurde von sozialdemokratischer Seite behauptet, die Großindustrie ersticke den Kleinbetrieb, die Maschinen legen das
ndwerk lahm. Meine Herren, nur 10 % der Gewerbetreibenden gehören dem Großbetrieb an. In Frankreich ist die Großindustrie gewiß sehr entwickelt, und doch genießt das französische Handwerk in der ganzen Welt einen guten Ruf. Die Hoffnung darf nicht auf⸗ heceben werden, daß das Kleingewerbe neben dem Großbetrieb er⸗
alten werden kann.
Abg. Gamp (Rp.): Nach der Erklärung des Füere vene Dr. von Boetticher kann erfreulicherweise kein Zweifel mehr bestehen, daß die Reicheskgierung der Handwerkerfrage das Wohlwollen ent⸗ gegenzubringen geneigt ist, das sie verdient. Auch in diesem heßen Hause wird sie, wie man nach den bisherigen Verhandlungen schließen darf, übera Setse nteeiden finden. Die Konservativen, das
entrum und die Nationalliberalen haben ihre Bereitwilligkeit dar⸗ gethan. A die sozialdemokratische Partei steht der Frage nicht gacplich ablehnend gegenüber. Nur der Abg. Häs d’ dies⸗ mal unbedingter egner. Allerdings hat au er mit seinen politischen Freunden eine kleine Schwenkung vollzogen; wenigstens stand er nicht mehr auf dem schroffen Standpunkt, wie seiner Zeit der Abg⸗ aumbaß, der ausgesprochen ben daß das Hand⸗ werk der Grohindustrie gegenüͤber überhaupt keine Existenzberechtigung
sitze. Man darf die ganze Frage nicht, wie die Sozialdemobkratie,
8
Berlin, Donnerstag, den 17. Januar
——ü———
von dem einseitigen Standpunkt der großstädtischen Verhältnisse an⸗ sehen. Gewiß ist es richtig, daß die Konzentration des Kapitals, die Vervollkommnung der Technik u. s. w. das Handwerk beträchtlich schädigen. Aber die Zahl der Handwerker, welche ihre Existenz be⸗ haupten, ist doch keine so geringe, wie man gemeinhin anzunehmen geneigt ist. Und wenn man den Gründen nachforscht, warum so viele Handwerker in ihrer Existenz bedroht sind, findet man auch die Wege, auf denen Abhilfe geschaffen werden kann. Vor allem wird das Handwerk der Großindustrie gegenüber dadurch wesentlich geschädigt, daß diese letztere viel billiger Kapital erhalten kann als das Handwerk. Ich kenne die Kreditverhältnisse der Handwerker sehr genau und weiß, daß die kleinen Meister unter 6, 7 oder 8 % kaum Geld erhalten. Ein dringendes Erforderniß wäre es, Gewerbebanken einzurichten, welche dem Handwerker das er⸗ forderliche Kapital zur. Verfügung stellen. Dadurch würde das Hand⸗ werk gegenüber der Großindustrie konkurrenzfähig gemacht. Kein Berufsstand hat sich bisher so wenig staatlicher Fürsorge zu erfreuen gehabt wie das Handwerk; im Etat sucht man vergeblich eine Position, die ihm besonders zu gute käme. Wenn man sagt, die Entwickelung der modernen Technik 8g zur Vernichtung des Handwerks, so muß darauf hingewiesen werden, daß die Fortschritte der Technik, beispielsweise auf dem elektrischen Gebiete, doch auch für den kleinen Handwerker die Möglichkeit schaffen, mit Kleinmotoren billiger zu produzieren. Der Direktor der Berliner Elektrizitätswerke hat mir versichert, daß in Berlin schon viele Hand⸗ werker solche Motoren benutzen. Man sollte sein Augenmerk darauf richten, wo es geht, Zentralanlagen zur Nutzbarmachung von natür⸗ lichen Kraftquellen für den motorischen Kleinbetrieb einzurichten. Wasserkräfte sind in vielen Landestheilen hierzu in ausreichendem Maße vorhanden. Hier fände die Regierung eine dankbare Aufgabe, hier läßt sich mit geringen Mitteln noch Großes leisten. Daß der Schleuderkonkurrenz entgegengewirkt werde, wünschen auch wir. Ein Hauptübelstand ist die Gefängnißarbeit, die viele kleine Handwerker schädigt. Es wäre wünschenswerth, daß die Reichsregierung mit den ein⸗ zelnen Landesregierungen in Verbindung träte, um in diesem Punkt eine Regelung herbeizuführen. Der Schwerpunkt der Handwerkerfrage liegt in der lokalen Organisation des Handwerks. Nur auf der Grund⸗ lage einer solchen können die berechtigten Forderungen des Handwerks befriedigt werden. An manchen Uebelständen ist allerdings das Hand⸗ werk selbst schuld. Es fehlt ihm häufig an einer ordentlichen Buchführung, und wie mißlich es mit der Preiskalkulation bestellt ist, zeigt sich z. B. im Submissionswesen. Hier muß das Handwerk besonders aufgeklärt werden, damit das maßlose Unterbieten aufhört, das den Stand so sehr schädigt. Im Kaufmannsstande kommen derartige Preisunterschiede weit weniger vor. Auch hier würde die lokale Organisation erfolgreich eingreifen. Ich denke mir eine solche Organisation so: die Handwerker werden nach Kreisen organisiert und in jedem derselben eine Persönlichkeit mit der Ober⸗ leitung betraut. Diese Persönlichkeit braucht kein Landrath zu sein; die Landräthe sind so sehr belastet mit Arbeit und haben auch nicht das wünschenswerthe Verständniß für diese Fragen. Nach meiner Ansicht eignet sich am besten dazu ein gewesener Handwerks⸗ meister. Für diese Organisation bedarf das Handwerk frei⸗ lich der staatlichen Mithilfe und Unterstützung. Für die lokale Orga⸗ nisation müssen bestimmte Summen zur Verfügung gestellt werden. Wenn man dies thut, wird auch der Boden für die Zwangsinnungen vorbereitet. Daß man sc. bei diesen so sehr an dem Begriff des Zwanges stößt, begreife ich nicht recht; sind denn die Landwirthschafts⸗ und Handelskammern nicht ebenfalls in gewissem Sinn als Zwangs⸗ vünn zu bezeichnen? Daß die Organisation des Handwerks, wie vom Regierungstisch gesagt wurde, zunächst mehr einen provisorischen Charakter haben soll, billigen wir. Nur ist zu wünschen, daß der ganze Bau möglichst bald zu Ende geführt werde. Die Frage, wie es mit dem Wahlrecht für diese Organisationen zu halten sei, lasse ich vorläufig unbeantwortet. Zur Entscheidung dieser Frage müssen erst genügende Grundlagen geschaffen sein. Das will ich nur sagen, daß die Bezirke möglichst groß sein müssen. Was den Befähigungs⸗ nachweis betrifft, so⸗ wünschen auch wir seine Einführung im drin⸗ genden Interesse des Handwerks. Alle Bedenken, die dagegen vor⸗ ebracht werden, richten sich nur gegen den Befähigungsnachweis, wie er i Oesterreich eingeführt ist. Einen solchen wollen auch wir nicht. Wir stehen auf dem Standpunkte, den der Abg. Hitze angedeutet hat: wir wollen, daß nur derjenige Lehrlinge beschäftigen und sich Meister nennen darf, der selbst eine bestimmte Zeit gelernt hat. Daß dadurch der Schwindel⸗ und Schleuderkonkurrenz entgegen⸗ getreten werden kann, ist zweifellos. Ich wünsche nur, daß den An⸗ regungen, wie sie die Reichsregierung gegeben hat, von allen Seiten mit dem Wohlwollen entgegengekommen wird, das der Handwerker⸗ stand verdient. Das Reichsamt des Innern möge die Arbeiten mit möglichster Beschleunigung weiterführen. Wir müssen wünschen, daß man dem so lange vernachlässigten Handwerk so rasch wie möglich zu bus kommt. Zum Schluß möchte ich noch auf den innigen Zu⸗ ammenhang hinweisen, der zwischen dem Handwerk und der Land⸗ wirthschaft besteht. Wenn Sie der Landwirthschaft die beabsichtigten günstigeren Grundlagen schaffen, wird auch das Handwerk wieder goldenen Boden finden. Möchte das Handwerk bald wieder die Stellung einnehmen, die es in Rücksicht auf seine Treue zu König und Vaterland verdient! (Beifall.) 1 Abg. Euler (Zentr.): Man hat gegen die Organifation des Handwerks die Thatsache Sh a n daß von den Handwerkern etwa nur ein Zehntel den bereits bestehenden Organisationen ange⸗ schlossen hat. Das kommt daher, daß man den Mitgliedern der fakulta⸗ tiven Innungen nur Pflichten auferlegt, jedoch keine Rechte gegeben hat. Der größte Theil der Handwerker steht aber deshalb abseits, weil er erst abwarten will, was die Regierung in dieser Frage thun wird. Ich bestreite entschieden, daß es im eigenen Interesse des Handwerks liege, keine Organisation zu haben. Es ist gesagt worden, der Befähigungsnachweis sei nicht zu mit der Gestaltung des jetzigen Erwerbslebens. Aber diese Gestaltung ist erst durch die schrankenlose Gewerbefreiheit seit 1869 möglich geworden. Um diefer entgegenzutreten, bedarf es gerade aller Mittel, welche dem Handwerker⸗ stonde wieder Festigkeit im Innern und Standesbewußtsein zu ver⸗ chaffen geeignet sind. Der Befähigungsnachweis ist ein solches Mittel. Das Handwerk war neben der Landwirthschaft stets die zu⸗ verlässigste Stütze für Thron und Altar, und ich bin sicher, daß es in dem jetzt unternommenen Kampfe für Sitte und Religion seinen Mann stehen wird. (Bravo!) Wir wollen keine Privilegien für das Handwerk, sondern ihm seine herechtigte Bedeutung und Stellung im een und sozialen Leben erhalten. Die jetzige Gewerbefreiheit bedeutet für das Handwerk eine Knechtschaft. Der Kern der jetzt lebenden Handwerksmeister stammt noch aus den Zeiten vor 1869. Man sollte mit den Maßregeln. 8 Besserung der Ver⸗ baͤltnisse des Handwerkerstandes nicht warten, bis dieser Stamm aus⸗ gestorben ist. Die Organisation des Handwerks ist aus zahlreichen wirthschaftlichen Gründen geboten. Der veehe⸗ Handwenker kann unmöglich die Vortheile ausnühen, welche der Maschinenhetrieb bietet; erst die Orggnisation wird dem Handwerk die Maschine in vollem Umfange diecsübar machen. Dieses Reichstagsgebäude liefert am besten den Beweis für die Fähigkeiten des Rutschen Handwerks.
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Wenn aber gesagt wird, das Handa erk aüss sich zum Kunsthandwerk ausbilden, so möchte ich mich dagegen aussprechen. Die Kunst muß bekanntlich oft betteln gehen, das Handwerk aber hat auch heute noch seinen goldenen Boden. Es kommt nur darauf an, daß ihm der Raum zur Bethätigung geschaffen wird. Ich schließe mit dem Rufe: Gott schütze und erhalte das ehrbare Handwerk! (Beifall.)
Abg. Dr. Pachniche (fr. Ver.): Meine Freunde und ich stehen einer Organisation des Handwerks nicht schroff ablehnend gegenüber, aber viel versprechen wir uns nicht von diesen Handwerkerkammern, denen eine solche Ueberfülle von Aufgaben gestellt wird. Das Hand⸗ werk leidet, weil die Großindustrie es überflügelt und mit seiner Maschine und seinem Kapital ihm überlegene macht. Nur unter der Frcalt der Gewerbefreiheit konnte sich das Handwerk auf der Höhe halten, auf der es noch jetzt steht. Es giebt viele Ge⸗ biete, auf denen das Handwerk auch heute noch etwas leisten kann; denn keineswegs sind alle Innungsmitglieder auch An⸗ hänger der Zwangsinnungen. Ein tüchtiger Schuhmacher wird auch heute noch gesucht. Wenn wir aber auch einer Konzentration des Handwerks ndcht abgeneigt sind, so wollen wir doch die obliga⸗ torische Innung nicht, bie fär die Handwerker nicht empfehlenswerth ist. Auch der Befähigun snachweis ist für die Handwerker nicht zu wünschen; die Meisterpruüͤfung giebt allerdings dem geprüften Meister das Recht, sein Handwerk auszuüben, aber sie nimmt ihm auch das Recht, ein anderes Handwerk zu ergreifen; sie erschwert also den Uebergang von einem Handwerk zum anderen. Mit alledem treffen Sie aber nicht den Großbetrieb, der Ihnen sofort, statt mit ungeprüften mit geprüften Werkführern gegenübertreten würde. Nach in Oesterreich hat der Befähigungsnachweis nicht viele Freunde unter den Meistern gefunden, wie die Enquste des vorigen Jahres beweist. Die Hauptsache in der ganzen Handwerkerfrage ist die Hebung der persönlichen Tüchtigkeit der Handwerker, die durch bessere Schul⸗ und Fachbildung angestrebt werden muß. Sie (nach 82 reizen die Handwerker auf zur Agitation für unerreichbare Ziele. Der Widerstand der Handwerker gegen die Fortbildungsschulen muß ge⸗ brochen werden. Das Handwerk muß begreifen, daß seine Zukunft allein in der persönlichen Tüchtigkeit seiner Vertreter beruht.
Abg. Reißhaus (Soz.): Das Wohlwollen derer, die als Freunde des Handwerks auftreten, kann allein den Handwerkern nichts nützen, ebenso wenig wie die Vorschläge, die hier gemacht wurden, Erfolg haben werden. Die wirthschaftlichen Bedingungen, unter denen das Seö im Mittelalter gedeihen konnte, haben sich geändert. Heute kann man unmöglich Zwangsinnungen und den Befähigungs⸗ nachweis einführen. Die Handwerksmeister arbeiten heute zum größten Theil nicht mehr für direkte Kunden, sondern für Geschäfte. Nicht die Gewerbefreiheit hat die Lehrlingszüchterei geschaffen, sondern die mo⸗ derne Entwickelung. Die Handwerker brauchen eben billige Arbeits⸗ kräfte. Wir Sozialdemokraten werden die lachenden Erben sein, wenn das Handwerk zu Grunde gegangen ist.
Abg. von Viereck (dkonf.): Es handelt sich bei den Be⸗ strebungen zu Gunsten des Handwerks nicht um Sonderinteressen, sondern um allgemeine wirthschaftliche Interessen, welche das Wohl des ganzen Vaterlandes berühren. Von der Forderung der obligatori⸗ schen Innung und des Befähigungsnachweises werden wir nicht einen Zoll breit zurückweichen. Ich freue mich, daß die hier erörterte
rage in die Verhandlungen der letzten Wochen hinein⸗ greift; denn ich könnte mir einen Kampf für Religion, Sitte und Ordnung nicht denken, ohne daß gleichzeitig dem Handwerk Hilfe gebracht wird, das seit einem Menschenalter um seine Existenz ringt. Das Handwerk bietet die besten Kräfte gegen die Revolution, und wenn die Männer des neuesten Kurses neben der Landwirthschaft jetzt auch dem Handwerk Hilfe angedeihen lassen we leng so wird damit die beste Vertheidigung gegen den Umsturz geführt.
Hierauf vertagt das Haus um 5 ¼ Uhr die weitere Be⸗ “ .“
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Herrenhaus. 2. Sitzung vom Mittwoch, 16. Januar.
Ueber den ersten Theil der Sitzung ist bereits in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. 8
Vor dem Eintritt in die Tagesordnung nimmt der Prä⸗ sident des Staats⸗Ministeriums, Reichskanzler Fürst zu Hohen⸗ lohe das Wort zu folgender Ansprache:
Meine Herren! Nachdem Seine Majestät der König die Gnade gehabt haben, mich zum Präsidenten des Staats⸗Ministeriums zu er⸗ nennen, stelle ich mich Ihnen vor und komme, um die geschäftlichen Beziehungen anzuknüpfen, die uns von nun an verbinden werden. Ich rechne dabei auf den bewährten Rath dieser hohen Versammlung, und ich werde dieses Rathes besonders bedürfen bei den wirthschaft⸗ lichen Fragen, die uns beschäftigen werden, und namentlich bei den Maßregeln, die die Regierung zu ergreifen gedenkt, um dem Noth⸗ stande der Landwirthschaft abzuhelfen. (Bravo!) Lassen Sie uns hoffen, meine Herren, daß es unseren gemeinsamen Bemühungen ge⸗ lingen wird, hier einigermaßen Abhilfe zu schaffen. (Lebhaftes Bravo!)
Die eingegangenen Vorlagen werden den bezüglichen Kommissionen zur ö überwiesen.
Die nächste Sitzung ist unbestimmt.
Schluß gegen 3 Uhr.
Haus der Abgeordneten.
Die Rode, mit welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel in der gestrigen 2. Siung des Hauses der Abgeondneten (s. d. gestr. Nr. d. Bl.) die Vorlegung des Staatahaus⸗ halts⸗Etats für das Jahr vom 1. April 1895/96 be⸗ gleitete, hat folgenden Wortlaut:
Hochverehrte Herren! Indem ich mir die Ehre gebe, dem hohen Hause auf Grund der Allerhöchsten Ermächtigungen vom 9. und 12. d. M. die allgemeine Roachnung über den Staatshaushalt des Jahres 1891/92, die Uebersicht von den Staatseinnahmen und ⸗Aus⸗ gaben des Jahres 1893/94, sowie die Gesetzentwürfe, betreffend die
Feststellung des Staatshaushalts für das Jahr 1895/96 und die Er⸗