1895 / 16 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

stellungen. Das Schwurgericht kommt dann trotzdem zu einer Frei⸗ sprechung. In der vorher erwähnten Meineidssache wurde das Urtheil gegen den angeblichen Anstifter aufgehoben und dieser freigesprochen, weil sein Belastungszeuge falsch ausgesagt hatte. Trotzdem

itzt der angeblich Meineidige, wie ich glaube, noch heute im Zucht⸗ Haus. Mit der Erweiterung des Kontumazialverfahrens bin ich ein⸗ verstanden. Es entspricht den Wünschen vieler Angeklagten, vor dem Richter nicht erscheinen zu müssen. Ebenso bin ich damit einver⸗ standen, daß der Nacheid dem Voreid vorzuziehen sei. Was endlich das forum deprehensionis anlangt, so muß entschieden der Uebel⸗ stand beseitigt werden, daß Preßdelikte an allen Orten verfolgt werden dürfen. Zuständig darf nur der Ursprungsort des in Frage kommen⸗ den Preßerzeugnisses sein. Wir erblicken in der Vorlage einen guten Ansat zur Verbesserung der Justizpflege und hoffen, daß ein guter Schritt vorwärts gethan wird, weunn die verbesserungsbedürftigen Punkte bei der Kommissionsberathung berücksichtigt werden.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Justiz⸗ Minister Schönstedt:

Meine Herren! Die verbündeten Regierungen köoͤnnen mit dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen ja in soweit durchaus zufrieden sein, als diejenigen Herren Redner, die bisher zu Wort gekommen sind, der Vorlage gegenüber eine durchaus nicht ablehnende Haltung eingenommen, die Vorlage vielmehr in vielen Punkten wohlwollend beurtheilt haben. Ich kann das mit voller Befriedigung anerkennen und auch dem letzten Herrn Redner gegenüber meine Genugthuung aussprechen, weil er vom Standpunkt eines erfahrenen Praktikers aus eine Reihe derjenigen Bedenken, die in der Presse und in der Literatur insbesondere in kritischen Aeußerungen von Rechtslehrern einen breiten Raum eingenommen haben, auf ihren wahren Werth oder Unwerth zurückgeführt hat. Es ist mir die Rede des Herrn Abg. Lenzmann besonders deshalb von Werth gewesen, weil aus seinen Ausführungen in der That das Resultat reicher praktischer Erfahrungen zu entnehmen ist.

Der Herr Abg. Lenzmann hat gewissermaßen als allgemeinen Theil seiner Rede eine Reihe von Vorwürfen gegen die preußische Justiz⸗ verwaltung vorgebracht, die nicht unmittelbar mit der vorliegenden Gesetzesvorlage im Zusammenhang stehen und die wohl nur dazu haben dienen sollen, seinen späteren Ausführungen eine allgemeine Richtung zu geben. Ich kann selbstverständlich diese Anführungen nicht im einzelnen nachprüfen, sie entziehen sich meiner Kontrole. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß Herr Abg. Lenzmann diese Dinge nach bestem Wissen und Gewissen vorgebracht hat. Ich kann mich darüber im allgemeinen nicht äußern; nur in einigen Punkten moͤchte ich mir erlauben, eine Richtigstellung zu versuchen.

Es ist gesagt worden, daß in dem mehrfach erwähnten Siegener Bankprozeß zwei Untersuchungsrichter dem Gerichtshof angehört hätten. Ich darf annehmen, daß es sich hierbei um einen lapsus linguase gehandelt und daß Herr Lenzmann solche Richter gemeint hat, die in dem Vorverfahren thätig gewesen sind, was nach dem gegenwärtigen Gesetz und auch nach dem Entmwurf statthaft ist und von niemand beanstandet werden wird.

Der Herr Abg. Lenzmann hat ferner erwähnt, daß in Bezug auf die Mittheilung der Anklageschrift an den Angeklagten in so weit, in Preußen wenigstens, sich Uebelstände ergeben hätten, als dem verhafteten Angeklagten zwar die Anklageschrift zum Durchlesen ausgehändigt, aber wieder abgenommen und dem Ge⸗ fängniß⸗Inspektor gegeben werde, von dem sie der Vertheidiger nur mit Schwierigkeit erlangen könne. Der erste Theil der Anführung ist richtig, die Anklageschrift wird dem verhafteten Angeklagten nur zum Durchlesen gegeben; es entspricht der Gefängnißordnung nicht, daß er dauernd im Besitz derselben bleibt. Die Anklageschrift wird deshalb von dem Gefängniß⸗Inspektor in Aufbewahrung genommen. Dem aber muß ich entschieden widersprechen, daß jemals der Gefängniß⸗Inspektor dem Vertheidiger die sofortige Vorlegung oder Aushändigung der Anklageschrift vorenthalten könne. Ich glaube daher ohne weiteres annehmen zu können, daß diese Anführung des Herrn Abgeordneten eine irrthümliche gewesen ist; und es würde mir von Interesse sein, die betreffenden Fälle zu erfahren, um eventuell Abhilfe schaffen zu können.

Ein dritter Punkt betraf die Qualifikation einzelner Strafkammer⸗ Vorsitzenden. Der Herr Vorredner hat erwähnt, es sei ihm aus seiner Praxis der Fall bekannt, daß ein Strafkammer⸗Vorsitzender fast voll⸗ ständig taub sei, sodaß er den Verhandlungen nicht zu folgen vermöge und deshalb eigentlich seiner Stellung nicht mehr gewachsen sei. Ich gebe selbstverständlich zu, daß diese Mittheilung thatsächliche Unter⸗ lagen haben wird. Ebenso selbstverständlich kann aber dieser Straf⸗ kammer⸗Vorsitzende nur vom Präsidium zu seiner Funktion bestellt sein und würde vielleicht, wenn die Justizverwaltung darüber zu ent⸗ scheiden gehabt hätte, an die Spitze einer Zidilkammer gestellt worden sein, in welcher Stellung seine Schwerhörigkeit weniger hinderlich sein würde. b

Im übrigen muß ich für derartige Fälle nur den Wunsch aus⸗ sprechen, daß sie von denienigen, die sich davon berührt fühlen, zur Kenntniß der Justizverwaltung gebracht werden. Denn namentlich an der Zentralstelle können selbstverständlich nicht alle diese Fälle bekannt ein. Auf eine Mittheilung hin aber würde ich ein Einschreiten oder eine Prüfung im Aufsichtswege herbeiführen.

Ein weiterer Punkt endlich, der mich zu einer berichtigenden oder wenigstens aufklärenden Bemerkung veranlaßt, ist der zweimal in dem Vortrage des Herrn Abg. Lenzmann erwähnte Fall, wo ein schwur⸗ gerichtliches Urtheil wegen Meineids und Anstiftung zum Meineide vom Reichsgericht auf Revision des Hauptangeklagten aufgeboben ist (Zuruf), des angeblichen Anstifters aufgehoben sei wegen unzuläfsiger Beschränkung der Vertheidigung in erster Instanz, und wo demnüchst der Anstifter freigesprochen sei und zwar auf Grund der Feststellung, daß es am obiektiven Thatbestande des Meineids fehle. Herr Abg. Lenzmann hat daran die Bemerkung geknüpft, daß die Strafe des wegen Meineids Verurtheilten zur Vollstreckung gelangt sei, und daß dieser Verurtheilte sich moch gegenwärtig im Zuchthaufe beo⸗ fände. obgleich in der zweiten Verhandlung der Ungrund der Anklage in obiektiver Beziehung festgestellt sei. Auch da würde es mich interessieren, und ich acreptire dankbar das Anerbieten des Herrn Lenzmann, mir die Sache zugünglich zu machen, die Akten einzusehen; ich muß aber gestehen, daß ich gewisse Zweifel habe, die auch darin ihre Begründung finden, daß der Abg. Lenzmann felbst gesagt hat, er glaube annehmen zu dürfen, daß der Mann sich noch im Zuchthause befinde. Es wäre dies, wenn auch nicht ein Fall des Wiederaufnahmeverfahrens, zu dem jeder Verurtheilte selbst die Inttiative zu ergreifen hätte, aber mindestens ein Fall gewesen, der eine Prüfung in der Gnudeninstanz zur Folge gehbabt gaben würde.

Das find die thatfächlichen Bemerkungen, die ich zu einzelnen

müssen wir uns doch halten.

an seinen Beschluß hiulte

Aenderungsvorschläge modiftzteren, wollten.

etner Ihrem Wunsthe entfprechenden, verbesserten Gestast wieder BMurschein gelangte.⸗

Anführungen des Vorredners zu machen hätte. Im übrigen haben mich einzelne einleitende Bemerkungen des Herrn Abg. Lenzmann sehr sympathisch berührt; insbesondere gilt das von denen über die Stellung der Justiz im allgemeinen. Ich bedauere mit ihm, daß das Ansehen der Justiz in weiten Kreisen nicht mehr dasselbe ist wie früher, und soweit ich dazu beitragen kann, das Ansehen der Justiz zu heben, und auch den einzelnen Beamten der Justiz eine angesehenere Stellung wieder zu geben, wird es an mir nicht fehlen. (Bravo!) Ich will aber bemerken, daß die Justizverwaltung auf diesem Gebiet nicht übermäßig viel leisten kann, daß es insbesondere von der Haltung der Justizbeamten selbst abhängen wird, ob sie die ihnen gebührende Stellung einnehmen nach außen hin, in der Gesellschaft und gegenüber anderen Beamtenkategorien, mit denen sie sich gern vergleichen.

Ich könnte da eine allgemeine Bemerkung anknüpfen und moöchte bitten, daß Sie sich in Ihrer Kritik über die Urtheile der Gerichte eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Ich kann wohl sagen: die Justiz befindet sich in einer exponierten Stellung; sie verhandelt bei offenen Thüren, jeder kann zuhören was da geschieht. Die Urtheile werden in umfassender Weise von mehr oder weniger be⸗ rufenen Korrespondenten zum Gegenstand von vielfach sensationell zurechtgestutzten Zeitungsberichten gemacht. Auf eine solche Mit⸗ theilung stützt sich vielfach ein absprechendes Urtheil über das, was seitens der Gerichte geschieht, und diese sind eben in der unguünstigen Lage, daß da, wo einmal ein Fehler gemacht worden ist, dies in vollster Oeffentlichkeit geschieht und deshalb der allgemeinen Kritik verfällt. Andere Behörden stehen in dieser Beziehung besser, und ich möchte diesen Unterschied zu berücksichtigen bitten, in Ihrem Urtheil über die Gerichte im allgemeinen und auch nach dieser Richtung hin nicht jeden kleinen Fall aufzubauschen und daraus allgemeine Schlüsse zu ziehen auf ein Zurückgehen der Justiz und unserer Rechtspflege.

Meine Herren, das gehört ja nicht unmittelbar zur Sache. Ich würde nicht Anlaß haben, im gegenwärtigen Stadium der Diskussion auf die Vorlage im Ganzen, die ja gestern eingehend durch den Herrn Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts begründet worden ist, einzugehen; ich habe um so weniger Anlaß, tieser einzugehen auf die Vorlage, als ich mich nicht übderall mit ihr zu identifizieren vermag. (Hört, hört! links.) Ich häͤbe die Vorlage als fertig übernommen, sie war im Bun festgestellt, und es ist selbstverständlich, daß bei

8 esrath Fragen, die einer so anzerordentlich verschiedenartigen Be⸗

urtheilung unterliegen, dei denen so weitgehende Meinungsverschieden⸗ heiten, sowohl in den Berufskreisen als in den weitesten Kreisen der Bevölkerung, obwalten, nicht jeder dasjenige unterschreiden und sich aneignen kann, was der Vorgänger für das Richtige gehalten hat. Ich müßte mir an und für sich die vollständige Freiheit der Be⸗ urtheilung der einzelnen Fragen für meine Person vordedalten, aber ich stehe hier nicht als preußischer Justiz⸗Minister sondem als Mitglied des Bundesraths, und ich hade als solches die Vorlage, so Bundesraths, und sie als solche nicht zum Gegenstand der Kritik zu machen. An der nöthigen Kritik wird es ja ohnehin nicht fehlen. Im übrigen bemerke ich: die Vorlage ist ja nichts Unabänderliches; Sie werden überall Ihre Prüfung eintreten lassen können, und die Bundesregierungen werden sich überall geneigt finden lassen, da, wo Sie etwas Besseres vorzuschlagen haben, auf diese Vorschläge ein⸗ zugehen.

Ich möchte bemerken, daß in dieser Beziehung gestern einzelne Ausführungen gemacht sind, die auf eine Verbesserung des Entwurfs dindeuten. insbesondere von Herrn Adg. Rintelen die ich für wohl beachtenswerth anzusehen für meine Persom bereit bin.

Die wesentlichen Veränderungen des bestehenden Rechts dur die Vorlage sind Ihnen dekannt. Es ist einmal die Einführung der Berufung, bei der die verdbündeten Staatsregierungen, ich kann wohl soagen, nach vielen Kämpfen und keineswegs etmwa überall mit warmer Begeisterung, sich den Anträgen des Reichstags und dessen wieder⸗ holten Beschlüssen gefügt haben. Ebenso ist eine Konzession an wieder⸗ helte Beschlüfse des Reichstags in den Bestimmungen des Entwurfs über Entschädigung der unschuldig Verurtheilten in finden. In letzterer Beziehung kann ich wohl sagen, ohne. wenigstens soviel ich den Verhandlungen gefolgt bin, einen Widerspruch befürchten i müssen, daß im großen und ganzen die Vorschläge mwegen der schädigung unschuldig Verurtheilter sich auf demselben Boden finden, der in dem Reichstagsbeschlusse vom Jahre 1886 hier gegeben war. Es ist nun frrilich gestem gesagt worden, Beschluß sei nar gefaßt worden bei Anwesenheit von 60 Mit⸗ gliedern, von denen einer sogar dagegen gestimmt haben soll; sei auch gefaßt worden, machdem nur eine einzige Rede xbal war. Wenn wir von diesem Gefichtspunkt aus die Reichste in ihrer Bedeutung einer Anfechtung unterziehen wollen, nicht, wohin das führen sollte. (Sehr richtüg!) Ich muß daoch nehmen, daß diejem igen Herren, die sich an den Verhandlungen da⸗ mals micht betheilügten, geglaubt haben, die anwesenden Herren mürden

des

die Sache so zu vertretem und zu übersehen vermögen, daß ihre

eigene Mitwinkung nicht erforderlich sei (sehr rüchtg!). 8

annehmen, daß die 59 Mitglieder, die in der Verhamdlung micht zum Worte gekommen find, einverste nden gemefen sind mit der Begründung des Antrags durch den einen einzigen Redner. (Sehr rüchtüg!) Darumn Was würden Sie sagen, mwenn die Bundesregierungen ihre ablehnende Haltung gegenüber einem Reichs⸗

tagsbeschlusse damit begründen wollten, daß er vom einem schlecht be⸗

setzten Hause gefaßt fei? Die Bundesregierungen haben nücht die Mittel, fün ein gut besetztes Hans zu fongen. lebhurt, daff das Haus oft so es gegenüber manchen Fragen an dem wünschenswerthen Irteresse feult.

Sie bedauern schmach besetzt ist (Zuruf Uinks), und daß

Also an den gefeßten Beschluß müffem wir uns halten, und

ich müchre es für angezeigt zalten, daß auch der Reichstag selbst sich und nicht weiter darüber hinausginge. Ich kann mir zier wuhl die Bemerkung gestatten, daß & besonders von denfenigen Parteten, die ein lebgaftes Iateresse fir die Wieder⸗ einfübrung der schädigung unschuldig Verurthetlter besitzen, nicht politisch lmg ge⸗

Berufung und die gesetzliche Regelung der Gnt⸗ handelt sein würde, wenn sie den Gesetzentwurf durch zu fieftsebende ihn mit zu viel Ballast keschweren, und über dach wug die Reglerungen wollen, zu weit zinausgeben Es könnte das sehr leicht vas Ergebnist Haten, dash vir⸗ ganze Vorlage zu Full käme und es wörde ungewiß sein, waunm sie im um

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Deshalb möchte ich mich auch gegen die Befürchtung, die gestern von dem Herrn Abg. Rintelen ausgesprochen wurde, der⸗ wahren, daß die Verhandlungen in der Kommission, der das Geset überwiesen werden wird, eine so lange Zeitdauer annehmen köͤnnten, wie er sie aus der Erfahrung bei der Berathung der lex Heinze entnehmen zu müssen geglaubt hat. Meine Herren, ich moͤchte es für ausgeschlossen halten, daß über Fragen, die so gründlich nach allen Richtungen durchgesprochen sind, und seit Jahrzehnten, moͤchte ich sagen, so vielseitig erörtert sind, daß es da Aufgabe der Kommisston sein sollte, diese prinzipiellen Fragen noch einmal zum Gegenstand einer Erörterung ab ovo zu machen. Wer ernstlich gewillt ist, hier etwas zu stande zu bringen, der muß, glaube ich, sich auch mit seinen Anforderungen bescheiden; er muß nicht zu viele Zweifel anregen, und ich hoffe in dieser Richtung, daß die Kommission nicht bloß aus Juristen zusammengesetzt sein wird, sondern daß auch einige andere Elemente hineinkommen. Die Juristen werden von ihren juristischen Bedenken, an denen ja bei keinem zu zweiseln sein wird, nicht gar zu viele laut werden lassen dürfen. Dann würde ich es bei der Materie, um die es sich hier handelt, sehr wohl für denkbar halten, daß vielleicht in 15 bis 20 Sitzungen das ist schon recht hoch gegriffen, wenn ich der Auffassung des Herrn Abg.⸗ Lenzmann folge, das, was brauchbar erscheint, auch in brauchbarer Form gewonnen sein würde. Mit der Einführung der Berufung und mit der gesetzlichen Regelung der Entschädigung unschuldig Verur⸗ theilter wird ja der Reichstag auf demselben Standpunkt stehen wie früher, und also hiermit im wesentlichen einverstanden. sein. Es fragt sich nur, welche Opfer, wenn ich mich so aus⸗ drücken darf, der Reichstag dafür zu bringen geneigt sein moͤchte, und das führt mich zu der Frage der Aufhebung der sogenannten Ga⸗ rantien des Verfahrens. Ich habe schon bemerkt, daß der Herr Abg. Lenzmann zu meiner Genugthuung den Werth einzelner dieser sogenannten Garantien auf Grund preaktischer Erfahrungen richtig beleuchtet hat. Es sind das Garantien, die etwas zweischneidiger Art sind. Dies gilt z. B. von der Frage des Kontumazialverfahrens, und jeder Praktiker wird zahlreiche Fälle anführen können, wo die zu große Beschränkung des Kontumazial⸗ verfahrens im bestehenden Rechte zu der schwersten Benach⸗ theiligung und Belästigungen des Angeklagten geführt hat, dem es nicht gestattet ist, nach den Bestimmungen des Gesetzes, statt aus der dielleicht entfernt gelegenen Heimath sich vor den erkennenden Straf⸗ ichter zu stellen, einen Vertheidiger zu bevollmächtigen; dem es aber auch an Mitteln fehlt, die lange Reise zu machen, und der es sich deshalb gefallen lassen muß, zwangsweise dem Strafrichter vor⸗ geführt zu werden. Eine ähnliche Bewandtniß hat es auch mit den kurzen Haftfristen im Vorverfahren, deren Verlängerung der Entwurf beantragt. Auch hier wird jeder Prakriker sagen, daß in sehr zahlreichen Fällen die Angeklagten geschädigt und benachtheiligt werden. Die erste Frist beträgt, wenn ich nicht irre, eine Woche; dann soll der Angeschuldigte entlassen werden, wenn nicht eine Verlängerung auf Antrag der Staats⸗ anwaltschaft beschlossen wird. Wohin führt das, wenn der Staats⸗ anwalt, der die Sache bearbeitet, an dem Hauptort des Bezirks wohnt, entlegen von dem Sitze des Gerichts, welches den Haftbefehl erlassen hat? Dem Amtsrichter muß doch der Grund nachgewiesen werden für die Verlängerung der Haft. Es muß daher das Vor⸗ verfahren unterbrochen werden, es werden die Akten der Staats⸗ anwaltschaft dem Amtsgericht geschickt, damit der Amtsrichter prüfen kann, ob genügende Gründe vorliegen, die Haft zu verlängern. Darüber vergehen unter Umständen drei bis vier Tage, und in⸗ wwischen sitzt der Angeschuldigte, wenn der Amtsrichter, wie es meist der Fall sein wird, zu der Ansicht kommt, daß eine Ver⸗ längerung der Haft gedoten sei, ohne allen Grund und Zweck, und das gane Verfahren verlängert sich. Also, meine Herren, auch 2s ist ein Punkt von den sogenannten Garantien, wo meines Er⸗ achtens dem Entwurf nicht der Vorwurf gemacht werden kann, daß er da nicht das Interesse Angeschuldigten genügend ins Auge faßt. Der Hauptpunkt bei den Garantien ist aber die Frage des Präsidiums, und ich kann versichern, daß für den Vorschlag des Ent⸗ murfs nicht politische, sondern sachliche Gründe maßgebend gewesen fimnd. Es ist in der That für die Justizverwaltung vielfach ein höchst der bestehenden Gesetzgebung gewesen, daß sie

ssere Vertheilung der Richterkräfte in den können. Ich könnte einzelne Beispiele einem größeren Landgericht in den

sie gleichzeitig in Zwil⸗ und Strafkammern zu vermenden. Das hat dahin geführt, daß man eine Straflammer mit neun Mitgliedern besetzt hat, dem Vorsitzenden und noch acht Mitgliedern, und ein künstliches Tableau aufgestellt hat, wie di einzelnen Herren an den i Sitzungen ermwa in folgender Weise: der Vorsitzende alle vier ein Mitglied alle vier Wochen dreimal u. s. w., so Besetzung der Strafkammern und die durch eine jol Besezung herbeigefüͤhrte gleichmäßige Beurtheilung der Sachen vollstäändig in den Himtergrund tritt. Es ist das eine aber, und es ist nicht gelungen, durch den Einfluß des Ober⸗Landes⸗ gerichts⸗Prästaenten und des Lansgerichts⸗Prafidenten eine Aenderung dieser Geschäftswertheilang herbeizusthren, Das Pruͤstdium bleüür rabet, &s ses so gweckmaßig und so wüͤrden vie Richter gleichmäßig beschäftigt; die Sache bleibt also beim Alten,

Ein ähntücher Fall ist solgender: Bef einem Gericht waren mer Straftammern gebilbet. Per Ober⸗Landesgerichts ⸗Pruͤftvent war der Pasicht, daß nach ben gescheftlichen Bevüirsnissen eine Steaftammer vollitaändig den Aafordernaten ves Dienftes gewachsen sein und daßß dawech eine bessere uns sschene Rechtspflese au erreichen sein wilede. beshalb en bas Pröfthium num

Nestnnen, nuv eine Kameater zr bilben⸗ Das Pessitziam verzieltt Nas besttevente bet Ober⸗Leses Wrichts⸗Präsibent = ich will sün dir Hasten Michtjuriften bemerkan,

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wir bilden wiederum zwei Spruchkammern, wie wir es bisher gethan

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haben; die Bildung von zwei Kammern hat der Ober⸗Landesgerichts⸗ Präsident bestimmt, wie dies in seiner Befugniß liegt, aber die Geschäftszuweisung an diese beiden Kammern geht ihn nichts an. Wir richten also nach wie vor zwei Spruchkammern ein. So ist es auch geblieben.

In einem weiteren Falle ist was leicht hätte vermieden werden können es bei einem großen Gericht vorgekommen, daß eine Strafkammer aus einem Richter und vier Gerichts⸗Assessoren gebildet worden ist. In diesem Falle war also der Grundsatz, daß zur Garantie für die Rechtsprechung die erkennenden Gerichte in der Regel, oder doch wenigstens der Mehrzahl der Beisttzer nach, mit festangestellten Richtern besetzt sein sollen, nicht gehörig beachtet worden. Ein von der so gebildeten Kammer erlassenes Urtheil ist mit der Revision angefochten worden. Das Reichsgericht hat diese Bildung der Kammer in hohem Maße gemißbilligt, einen Revisions⸗ grund darin aber nicht gesunden. Die Zusammensetzung des Gerichts ist aber dieselbe geblieben, bis bei einem Wechsel in der Besetzung des Gerichts das Präsidium selbst sich zu einer Aenderung veranlaßt geseben hat. 1

Also, meine Herren, es sind nicht wesentlich politische Gesichts⸗ punkte, die für die Vorschläge des Entwurfs maßgebend gewesen sind, sondern sachliche. Zu diesen rein sachlichen Gesichtspunkten gehört auch derjenige, der mit der Zusammensetzung der Kammern in nahem und unmittelbarem Zusammenhang steht, nämlich die Frage des stellvertretenden Vorsitzenden, mit welcher Funktion nach der bisherigen Bestimmung immer das älteste Mitglied der Kammer betraut ist. Diese Bestimmung ist gestern schon von dem Herrn Abg. Rintelen angezogen worden, und er schien beinahe geneigt, in dieser Richtung einer Aenderung der bestehenden gesetzlichen Bestimmung zuzustimmen. Er meinte aber, das Be⸗ dürfniß werde nicht vorhanden sein; das Präsidium habe es ja in der Hand, das ungeeignete Mitglied anderswo zu verwenden, wo es nicht schädlich sei und wo es voraussichtlich nicht berufen sein werde, die Vertretung des Vorsitzenden zu übernehmen. Ja, meine Herren, dieser Fall ist vollständig ausgeschlossen, wo es sich um das älteste richterliche Mitglied in irgend einer Kammer handelt. Er ist immer der älteste Herr, ob man ihn in eine Zivile oder Straf⸗ kammer hineinsetzt, und niemals wird es das Präsidium in der Hand haben, über den Herrn in einer Weise zu verfügen, wo er nicht an erster Stelle berufen ist, den Vorsitzenden zu vertreten. Das kann nur im Wege der Aufsicht durch die Justizverwaltung geschehen. Das hängt, wie ich gesagt habe, auch mit der Frage der Bestimmung der Geschäftsvertheilung durch das Präsidium zusammen und ist ein Punkt, den ich Ihrer Aufmerksamkeit besonders empfehlen möchte.

Uebrigens ist gestern schon von dem Herrn Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts bemerkt worden, daß auch dieser Vorschlag nicht als ein unabänderlicher betrachtet wird, daß es auch hier möglicher⸗ weise andere Mittel und Wege giebt, und daß es der Kommission und dem Reichstag nicht verschränkt werden solle, andere Mittel zur Besserung des Zustandes in Vorschlag zu bringen. Daß aber etwas geschehen muß, um hier eine Aenderung herbeizuführen, werden Sie, meine Herren, glaube ich, in Ihrer Mehrheit anerkennen.

Meine Herren, auf eine Reihe von anderen Einzelheiten glaube ich im gegenwärtigen Stadium der Berathung nicht eingehen zu sollen; sie gehören mehr in die Kommissionsberathung und vielleicht in die spätere Verhandlung im Plenum. Es sind das auch meist Fragen, über die nichts Neues zu sagen ist, bei denen es sich im wesentlichen nur um eine Wiederholung dessen handelt, was schon seit Jahren pro und contra gesagt worden ist.

Auf die Zuständigkeitsfragen möchte ich mich nicht einlassen und nur dem Abg. Lenzmann gegenüber noch einmal betonen, daß für die Beschränkung der Zuständigkeit der Schwurgerichte politische Gesichtspunkte in keiner Weise maßgebend gewesen sind, und daß die sämmtlichen Beispiele, die der Herr Abg. Lenzmann vorgeführt hat und aus denen er das Bestreben einer allmählichen Abbröckelung des Schwurgerichts folgern wollte, doch eigentlich jedes politischen Hintergrundes entbehren. Höchstens könnte dies gelten von einer einzigen Bestimmung des Gesetzentwurfs, die aber vom Herrn Abg. Lenzmann nicht einmal erwähnt worden ist, das ist die Verweisung des sogenannten schweren Widerstands, der mit Zuchthaus bestraft wird, an die Strafkammer. Aber auch das, meine Herren, ist in der Regel doch eine Sache, für deren bessere Beurtheilung die Schwurgerichte einen be⸗ sonderen Beruf wohl nicht gerade in Anspruch nehmen können. Daß dagegen für Amtsverbrechen, wo es sich ja vielfach um die alerverwickeltsten rechnungsmäßigen Untersuchungen und Darlegungen zandelt, namentlich, wenn Kassenverbrechen in Frage stehen, für Amts⸗ anterschlagungen; ferner für betrügerische Bankerottfälle, die ja viel⸗ ch, namentlich, wenn es sich um ländliche Geschworene handelt, in deren Urtheilsfähigkeit hohe Anforderungen stellen, denen sie nicht mewachsen sind, daß da die Strafkammern besser geeignet ind als die Schwurgerichte, wird von dem unbefangenen Beurtheiler ncht in Abrede gestellt werden. Ich denke deshalb, daß dieser Punkt es Gesetzes zu ernsten Schwierigkeiten in der Behandlung der Sache ncht führen wird.

Im übrigen kann man es wohl nicht als Degradation der Strafkammer bezeichnen, wie es von anderer Seite allerdings, Uemde ich, nur in einem Zeitungsartikel geschehen ist, daß die zuftändigkeit der Strafkammer zu einem nicht unbeträchtlichen Theile zuf die Schöffengerichte übertrvagen wird; was hierdurch die Straf⸗ dammnern unten vperlieren, wird ihnen oben zugesetzt; hierin liegt nur inchrendes Vertragen gegen die Straftammern, das durch das Gesetz um Ausdruck gekemwen ist

Meine Herren, ich haͤbe wer hier woch wercherlei Rotigen gemacht, ter ich wilt Ihre Zeit wicht UeRer NR Anspruch nehmen. Das Versentliche glanbe ich gesogt zau deden. Ich wiederhole nur die tine Bittte, meine Herren, daß, wehn Sie par Kommesstensberathung temman, Sie dahn die Sache Riücht in de Lühnge püeden, sondern sich

vm dm ernsten Bestretzen Feiten Wessen, ehwee vhan sende zu bringen, nnd dethalh Ihre Heratheng hurz pa Erde südwen. (Brede! vechts.)

dl De v Puchkes (Hbon.): Bee Weistrebweiet, welhe sih üsieget bce 8 8 0b 8g. 8 d 5; Alt, wie unneeln e desh it 8 n d Ia vüens 6 Gerne 8 dioeeäe aedh 8* a gee 8 c 78 Amch in der voöpgeschlegenen sooden dar a. 9 e 8 e , e gert

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Bedürfniß andere Forderungen stellt. Dies kann ich allerdings nicht anerkennen. Bei dem Revisionsverfahren zeigt die Sache oft ein ganz anderes Bild als beim ersten Verfahren; die Zeugenaus⸗ sagen ändern sich oft, nachdem die Beugen die Plaidoyers und den Urtheilsspruch der ersten Instanz gehört haben, und das macht sich bei der zweiten Verhandlung sehr nachtheilig geltend. Häufig ist es auch unmöglich, in zweiter Instanz alle die Zeugen zu vernehmen, die man bei der ersten Verhandlung vernommen hat, und man muß sich dann auf die Protokolle der ersten Verhandlung verlassen; da urch wird das Verfahren ein theils mündliches, theils schrift⸗ liches. Dann ist auch zu erwägen, daß der Richter auf seinen Urtheilsspruch ganz besondere Sorgfalt ver⸗ wenden wird, wenn er keine Instanz über sich hat; er wird sich dann gewiß schwer zu einer Wrurtheilung in zweifelhaften Fällen entschließen. Wohl weiß ich aber, daß im Volksbewußtsein Zweifel bestehen, warum man in kleinen Straf⸗ und Zivilsachen die Berufung zuläßt und in roßen Prozessen, wo es sich um Freiheit und Leben handelt, nicht. Der Tragweite dieser Anschauung sind wir uns wohl bewußt und werden ihr bei der weiteren Berathung Rechnung tragen. Was die vorgeschlagene Besetzung der Strafkammer mit drei Richtern betrifft, so haben wir nichts dagegen; denn wenn die Berufung ein⸗ geführt wird, so haben wir ja noch die fünf Richter der zweiten In⸗ stanz. Jedenfalls wird das Gefühl der Verantwortlichkeit auch hier, bei einem Drei⸗Richterkollegium, lebendiger sein. Gegen die Beschränkung der Zuständigkeit der Schwurgerichte habe ich nichts, jedenfalls bin ich gegen eine Erweiterung ihrer Zuständigkeit, wie sie von dem Abg. Lenzmann gefordert wird. Der Geschäftsvertheilung durch die Landes⸗ Justizverwaltung werden wir uns nur ungern anbequemen. Dagegen halten wir eine beschränkende Bestimmung in Bezug auf die Ableh⸗ nung von Richtern für vollständig gerechtfertigt. Gegenwärtig genügt jeder offenbar nichtige Grund für die Ablehnung; so ist es vor⸗ gekommen, daß ein Angeklagter die Richter des Landgerichts und später auch die des Reichsgerichts, soweit sie Mecklenburger waren, sämmtlich mit Erfolg ablehnte, lediglich zu dem Zweck, die Sache hinzuziehen. Mit dem Nacheid sind wir ebenfalls einverstanden, weil durch ihn die Bedeutung der Vereidigung gehoben wird. Der Angeklagte wird hierbei in der Lage sein, dem Zeugen Vorhaltungen zu machen, auf Grund deren dieser nachträglich seine Aussage ändern kann. Ich bin kein Freund der Schwurgerichte; aber so, wie wir sie haben, sind sie mir lieber, als wie sie durch die Vorlage gestaltet werden sollen. Namentlich bin ich mit der Ein⸗ führung des thatsächlichen Resumés des Präsidenten nicht ein⸗ verstanden, weil dadurch das Volksurtheil beeinflußt werden kann. Richter und Laien sollen zusammenwirken, ihre Ansichten austauschen. Darum steht für mich die Form der Schöffengerichte weit über der Form der Schwurgerichte. Die Geschworenen sind in vielen Fällen gar nicht in der Lage, sich aus dem komplizierten Material, aus den verschiedenen Plaidoyers ein Urtheil zu bilden. Der Geschworene ist souveräner Herr, er kann doch thun, was er will, er braucht keine Gründe für sein Urtheil anzugeben. Das Reichs⸗ gericht ist nicht in der Lage, an diesem Urtheil zu rütteln. Meine politischen Freunde beantragen die Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern.

Abg. Schroeder (fr. Vg.): Das Schicksal der Vorlage hängt davon ab, ob es gelingen wird, dasjenige, worüber Uebereinstimmung herrscht, von dem zu sondern, was bedenklich erscheint. So großes Gewicht ich auf die Einführung der Berufung lege, so wenig kann ich die in der Vorlage vorgeschriebene Form als richtig anerkennen, namentlich wegen der Beschränkungen, die damit verbunden werden sollen. Die Ausdehnung des Kontumazialverfahrens ist für uns unan⸗ nehmbar. Die Erweiterung der Kompetenz der Schöffengerichte scheint uns von nicht so großer Bedeutung, da ja schon jetzt die überwiegende Zahl der Straffälle den Schöffengerichten überwiesen wird. Die heutige Abgrenzung der Zuständigkeit der einzelnen Strafgerichte ist ganz prinziplos, sie muß auf eine sest beftummte Grundlage gestellt werden. Man will die Zuständigkeit der Geschworenengerichte, die ja so schon beschränkt ist, noch verringern. Ich glaube im Gegentheil das Laienelement müßte im Strafprozeß noch verstärkt werden. Ich bin ein Freund der Berufung; aber in der vorgeschlagenen Form kann ich sie nicht billigen, sie würde den festen Organismus unseres Straf⸗ prozesses lockern.

Um 5 Uhr wird hierauf die Berathung vertagt.

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Statistik und Volkswirthschaft.

Statistik der preußischen Staats⸗Eisenbahnen im Betriebsjahr 1893/94.

Dem „Bericht über die Ergebnisse des Betriebs der preuhischen Staats⸗Eisenbahnen im Betriebsjahre 1893/94“ entnehmen wir folgende Angaben: Die im Betriebe befind⸗ lichen, dem öffentlichen Verkehr dienenden preußischen Staatzeisen⸗ bahnen mit normaler Spurweite, einschließlich der Wilhelmshaven⸗ Oldenburger Eisenbahn und des preußischen Antheils an der Main⸗ Neckarbahn, hatten am Schluß des Betriebstahrs 1892/93 eine Gesammtlänge von 25 458,54 km, am Schluß des Jahres 1893/94 25 940,96 km. Den preußischen Eisenbahn⸗Direktions⸗ bezirken ist eine Gesammtlänge der Bahnen für den öffentlichen Verkehr mit nocmaler Spurweite von 25 881,68 km unterstellt. Im Besitz des preußischen Staats befand sich außerdem noch ein Netz von schmalspurigen, dem öffentlichen Güterverkehr dienenden Zweigbahnen im oberschlesischen Bergwerks⸗ und Hütten⸗ bezirt mit einer Gesammtlänge von 109,26 km, sowie eine An⸗ zahl von Bahnstrecken für nicht öffentlichen Verkehr, deren Gesammt⸗ länge sich auf 195,89 km beläuft. Von der Gesammtlänge der für den öffentlichen Verkehr mit normaler Spurweite von 25 940,96 km entfallen auf Hauptbahnen 18 598,52 km oder 71,70 %, auf Bahnen untergeordneter Bedeutung (Nebenbahnen) 7342,44 km oder 28,30 %. Gegenüber dem Vorjahr ist eine Vermehrung der Hauptbahnen um 183,86 km = 1,00 %, der Nebenbahnen um 298,45 km = 4,24 % und des gesammten normalspurigen preußischen Bahnnetzes für öffentlichen Verkehr um 482,31 km = 1,89 % eingetreten. Das für die am Schlusse des Betriebsjahrs 1893/94 im Betriebe befindlichen normalspurigen preußischen Staatseisenbahnen verwendete (statistische) Anlagekapital betrug für die Bahnen für öffentlichen Verkehr 6 748 616 505 ℳ, für die Bahnen für nicht öffentlichen Verkehr 11 345 667 ℳ, zusammen 6 759 962 172 Hierzu tritt das Anlage⸗ kapital für die Wilhelmshaven⸗Oldenb Eisenbahn mit 7 185 671 und für den preußischen Antheil an der Main⸗Neckarbahn mit 5 657 799 ℳ, sodaß sich für die normalspurigen Eisenbahnen ein Gesammt⸗Anlagekapital von 6 772 805 642 ergiedt. Das Anlage⸗ kapital der im Betriebe befindlichen, CII1“ normalspurigen Bahnen ergiedt für 1 km Babalänge 280 749 Gegen das Vorjahr hat sich das Gesammet⸗-Anlagekarital um 112 120 527 oder 1,89 % erdödt, während sich der Durchschmitts⸗ betrag für 1 Rm Badnlänge um d41 oder .2⸗ e dermändert hat. Für die im —— des preuzischen Sͤames defände Oberschle- sischen Schmalspurbadnen deträgt dar Aalbmeken Vorjahre, 10 437 91 oder B dm ange. Die Betriebslänge der für Nochaung der Srnate derredemen, dem öͤffentlichen Verkedre dienenden Sohe uk veCmaler Sturmwendt detrug Ende 1898,94 29 49 59 N wed den das Verade um 311,22 Im oder 1,A, e zugenemee. Mis 8 18 573,96 km, als Nedendademen 8800,88 m deenten 28 861,51 Nm, dem Garerderdt 843,98 Mm, 2 9040 66 km und 2) 584, E Im m Gnde dos 8 Anßerdem wurden im Laufe des Jdres r Noch don Prödad⸗ gesellschaften 1) Ne Krers O8nderger Eihem 2) der Werden⸗ Ier 8) die Imedadn (Emndoch. Dased). 9) dr Fanse⸗ Vegesacer Eisendadn, sammes 52,04 Xwn, verwalket. Aaf den

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höfe II. Klasse 880 (1892/93 891), Bahnhöfe III. Klasse 999 (1892/93 995), zusammen Bahnhöfe 2209 (1892/93 2221); Haltestellen 1225 (1892/93 1146); Haltepunkte 746 (1892/93 707); Stationen überhaupt 4180 (1892/93 4074). Die Gesammteinnahmen sind von 920 949 231 im Jahre 1892/93 auf 961 323 757 in 1893/94, mithin um 40 374 526 oder 4,4 % gestiegen. Von diesen entfielen auf den Personenverkehr 247 888 107 oder 25,8 % (+ 13 056 529 oder 5,6 %), auf den Güterverkehr 658 614 940 oder 68,5 % (+ 26 109 318 oder 4,1 %). Der Ge⸗ sammtbetrag der Verkehrseinnahmen betrug also 906 503 047 oder 94,3 % Gi. 39 165 847 oder 4,5 %). Auf Vergütung für Ueberlassung von Bahnanlagen und für Leistungen zu Gunsten Dritter kamen 6 692 469 oder 0,7 % (+ 238 412 oder 3,7 %), auf Vergütung für Ueberlassung von Betriebsmitteln 10 067595 oder 1,0 % (+ 860 881 oder 9,4 %), auf Erträge aus Veräußerungen 16 959 337 oder 1,8 % (— 604 524 oder 3,4 %), auf ver⸗ schiedene sonstige Einnahmen 21 101 309 oder 2,2 % (+ 713 910 oder 3,5 %). Auf 1 km durchschnittlicher Betriebslänge zurück⸗ geführt, sind die Einnahmen von 36 193 im Jahre 1892/93 auf 37,299 in 1893/94, mithin um 1106 oder 3,1 % gestiegen. Die Gesammtausgaben haben 581 052 879 im Jahre 1892/93 und 579 163 279 in 1893/94 betragen; sie sind demnach um 1 889 600 oder 0,3 % gegen das Vorjahr zurückgeblieben. Von diesen entfielen auf Gehälter 121 341 338 oder 20,9 % (+ 5 109 960 oder 4,4 %); auf die persönlichen Ausgaben überhaupt 260 240 703 oder 44,9 % (+ 1 777 339 oder 0,7 %); auf die allgemeinen Kosten 32 092 801 oder 5,5 % (+ 945 602 oder 3,0 %); auf die Unter⸗ haltung der Bahnanlagen 64 825 117 oder 11,2 % (+ 668 317 oder 1,0 %); auf die Kosten des Bahntransports 117 388 184 oder 20,3 % (s— 3 165 920 oder 2,6 %); auf die Kosten der Erneuerung bestimmter Gegenstände 85 836 996 oder 14,8 % (+ 1 056 469 oder 1,2 %); auf die Kosten erheblicher Ergänzungen, Erweiterungen und Ver⸗ besserungen 6 353 729 oder 1,1 % (— 3768 025 oder 37,2 %); auf die Kosten der Benutzung fremder Bahnanlagen und Beamten

4 791 oder 0,7 % (+ 91 918 oder 2,5 %); auf die Kosten der Benutzung B 8 650 958 oder 1,5 %

fremder Betriebsmittel (+ 494 700 oder 6,1 %).

Haftpflicht⸗Schutzverband deutscher Industrieller.

Der „Haftpflicht. Schutzverband deutscher Industrieller“ hielt am 28. Dezember v. J. zu Düsseldorf seine Hauptversammlung ab, in der der Geschäftsführer Professor Dr. R. van der Borght⸗ Aachen den Geschäftsbericht für das Jahr 1893/94 erstattete. Der Bericht ergiebt ein erfreuliches Anwachsen der Mitglieder⸗ zahl des Verbandes und läßt seine rege und vielseitige Thätigkeit er⸗ kennen. Von den sonstigen Verhandlungsgegenständen ist die Erörte⸗ rung der Reform und Erweiterung der Unfallversicherung hervor⸗ zuheben, die Professor van der Borght mit einem Vortrag ein⸗ leitete. Die Versammlung beschloß, eine Denkschrift im Sinne des Vortragenden vorzubereiten und dem Bundesrath zugehen zu lassen, sobald die Entwürfe an sie gelangt sein werden.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Solingen wird der „Köln. Ztg.“ über den Ausstand und Federmesserreider geschrieben, daß am Mittwoch in einer auf Anregung des kommissarischen La ndraths Dönhoff einberufenen gemeinsamen Sitzung der Vorstände des Fabrikanten⸗ und des Reider⸗Vereins ein Einigungsvorschlag zu stande kam, bei dessen Annahme im Fabrikanten“ und im Reider⸗Verein eine baldige gütliche Beilegung des Ausstandes zu erwarten ist. (Vgl. Nr. 14 d. Bl.)

In München ist, wie im „Vorwärts“ mitgetheilt wird, zwischen den Müllern der Bäcker⸗Kunstmühle (vorm. Bavaria) und ihrem Arbeitgeber ein Lohnstreit ausgebrochen.

Hier in Berlin haben gestern acht von den Sozialdemokraten einberufene Versammlungen von Arbeitslosen stattgefunden. In allen Versammlungen wurde, wie die Blätter berichten, eine gleichlautende Entschließung angenommen, in der u. a. die gesetzliche (Einführung eines achtstündigen Arbeitstages für alle Staats⸗, Gemeinde⸗ und Privatbetriebe und ferner gefordert wird, daß durch Inangriffnahme öffentlicher Arbeiten den Beschäftigungslosen Arbeit und Verdienst verschafft werde. Ueber die Glacsleder⸗Fabrit von Max Krüger ist von den Lederarbeitern die Sperre ver⸗ hängt worden; als Grund wird im „Vorwärts“* angeführt, daß der Arbeitgeber den alten Lohntarif abgelehnt habe.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt B erlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 6. Januar bis inkl. 12. Januar cr. zur Anmeldung gekommen:; 982 Lebendgeborene, 204 Eheschließungen, 37 To e, 558 Sterbefälle.

18 Land⸗ und Forstwirthschaft. Neue Pflanzenkrankheiten.

Im Klub der Landwirthe sprach am Dienstag Abend Pro. fessor Dr. Bernhard Frank, der Vertreter der Pflanzenphvsiologie an der Königlichen Landwirthschaftlichen Hochschule, über „Neue Pflanzenkrankheiten“. Diese Krankheiten seien neu in wissenschaft⸗ licher Hinsicht neu insofern, als man ihre Urfache erst jetzt erkannt hat, sodaß man sie wissenschaftlich unterscheiden und bezeichnen kann; geschadet haben sie dem Ackerbau schon lange unerkannt, verwechselt mit ähnlichen Erscheinungen, die aus ganz anderen Ursachen entstehen. Jetzt habe man die Ursachen der Krankheiten in Pilzen ent⸗ deckt. Für eutschland sei vielleicht auch die Erscheinung der Krankheiten neu. Der Vortragende glaube zwar, daß auch in Deutschland die Krankheiten schon lange vorhanden gewesen: in neuester Zeit seien sie aber durch besondere Umstände zu größerer Entwickelung gekommen und in ihrem Wesen erst genauer bestimmt worden.

Der herpo- trichoides sei im letzten Sommer zum ersten? onders auffallend aufgetreten, zur Zeit wenn der Roggen in den Halm schießt, zur Zeit der Blüthe. Die Halme fallen um, in 1 Zahl geknickt, als ob Schafe, Hagel oder Sturm über d- hinweggegangen. Der untere Theil des Halms, dicht über der Wurzel dur seine braune Färbung bemerkbar, ist verpilzt. Der Pilz durchwuchert den Unter⸗ theil des s und nimmt ihm die Fähigkeit, sich zu halten. Es bildet sich ein schimmelartiges Gewebe, und der E icht unter seiner eigenen Last zusammen: denn die Ver⸗ an der Basis machen den Halm an der Wurzel spröde. Erscheimungen werden durch die Hessenfliege hervorgerufen, ier an der Basis legt; wenn sie vorhanden ist, so trifft 2 ve: der Unterschied wird so deutlich erkennbar. 8, 10. 15 %; aber sogar 30, 50, 80, 90 v. H.

3 enhalmbrecher“ vernichtet; oft sind so

ilz ruiniert. Dabei 29⸗ sich gewisse

tnissen feststellen; auf dem leichteren

eer auf, etwa 20 %; auf dem bündigeren

10 v. H. vielleicht. Dem Pflanzen⸗

seien 83 Fälle gemeldet, durch

der Wermagmden und Dr. Krüger untersucht. Die Deutsche Sendmiechschafragefellschaft habe diese Untersuchungen unterstützt; aus Wrgnenem Pummern, der Mark Brandenburg, aus Pofen, Schlesien end Füllt auu Leptosphaeria berichtet. Der Vortragende glaubt, sn meiber d jei: von Unterbayern sind solche Fälle Den deoarschen Botanikern war sie bisher unbekannt; die nd haden die Leptosphaeria schon in den achtziger Jahren Meüaumt. See mag aucd dei uns schon lange einheimis sein, ohne doelen elung zu gelangen, au abgestor⸗ B. „Getreidestoppeln. Professor Frank hat

den Pih imn ,2—⸗ Jahre auch steril, ohne Frucht getroffen. 2 unkckannte tünde mag er jetzt so entwickelt sein, um

. at man die Sphaerella basicola

„Roggenhalmbrecher“, Loptosphaeria 8 Nal bef

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ädalschen Pilz, der auch an der Basis des Roggens