der berühmten Malerin sträubt und empört. wirkenden, die ausnahmelos freundlichen Beifall fanden und verdienten, siel das anmuthige Talent des Fräulein Jäger auf, deren Wesen und Tonfall der Stimme einen herzgewinnenden Ausdruck besitzen
Konzerte.
Die noch sehr jugendliche Pianistin Céleste Antwerpen gab am Sonnabend im Saale der Sing⸗Akademie mit dem Philharmonischen Orchester ihr erstes hiesiges Konzert. Schon ein Blick auf das Programm ließ ein tieferes, ernstes und künstlerisches Streben erkennen, da das seltener gespielte D-moll⸗Konzert von Seb. Bach, das Beethoven’'sche G-dur⸗Konzert und das Capriccio, op. 22, von Mendelssohn zum Vor⸗ trag gewählt waren. Sämmtliche Werke führte die Spielerin mit sorgfältig geschulter Technik und mit verständnißvollem Vortrag aus, wenn auch eine größere Kraft des Anschlags mitunter zu wünschen blieb, welche die sehr begabte Künstlerin mit der Zeit wohl noch erlangen wird. Reicher Beifall folgte dem Vortrag der Konzerte und den beiden freundlichst gewährten Zugaben. Das Philharmonische Orchester führte außerdem noch einige beliebte Musikstuücke aus, unter denen ein neues Scherzo „Kobolde und Irrlichter“ von H. Hofmann durch seine charakteristische tonmalerische und poetische Illustration des Titels sich ganz besonderen Beifall er⸗ warb. Die Ausführung unter Professor Mannstädt's Leitung war eine sehr lobenswerthe.
Im Königlichen Opernhause gelangen morgen „Hänsel und Grretel“ (Hänsel: Fräulein Rothauser, Gretel: Fräulein Dietrich) und „Mara“ (Mara: Frau Pierson, Eddin: Herr Sylva) zur Aufführung. Die Kapellmeister Sucher und Dr. Muck dirigieren.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen, am Geburts⸗ tage Gotthold Ephraim Lessing's, „Nathan der Weise“ mit Herrn Klein in der Titelrolle gegeben. Die übrige Besetzung lautet: Tempelherr: Herr Matkowsky, Saladin: Herr Ludwig, Sittah: Frau Hollberg, Recha: Frau von Hochenburger, Dajah: Frau Seebach, Patriarch: Herr Oberländer, Derwisch: Herr Arndt, Klosterbruder: Herr Eich⸗ holz. — Seine Majestät der Kaiser ließ nach der gestrigen Aufführung der „Hermannsschlacht“ durch den General⸗Intendanten Grafen Hochberg sämmtlichen Mitwirkenden Allerböchstseine Zufrieden⸗ heit und Anerkennung übermitteln. — Frau Schramm ist an einem Kehlkopfkatarrh erkrankt; die Rolle der Frau Schettler in „Halali“ hat deshalb Frau Seebach übernommen.
Das Programm des am 28. d. M. stattfindenden VII. Phil⸗ harmonischen Konzerts unter Leitung des Hofkapellmeisters Richard Strauß und solistischer Mitwirkung des Klavier⸗ virtuosen Josef Hofmann, welch letzterer bei dieser Gelegenheit nach langer Pause zum ersten Male wieder in Berlin auftritt, enthält an rein orchestralen Werken die symphonische Dichtung „Sarka“ von Smetana, Liszt’s „Mazeppa“, Brahms' Symphonie in Emoll und Beethoven's „Egmont“ ⸗Ouvertüre. Der Solist bringt St. Saëns' Klavier⸗Konzert in C- moll zu Gehör. — Der dreitheilige Klavier⸗Abend⸗Cyclus von Eugen dAlbert be⸗ Füßrt morgen in der Sing⸗Akademie. Das Programm dieses ersten
bends bringt Präludium und Fuge in D-dur von J. S. Bach⸗ d Albert, Beethoven's Sonate in F-moll, op. 57, drei Stücke von Chopin, zwei Sonaten von Scarlatti⸗Tausig, Schumann's Sonate op. 22, G-moll, Schubert's Impromptu, op. 90 III, und die „Don Juan“⸗Phantasie von Liszt. — Zu der gleichfalls auf morgen angesetzten Aufführung des Berlioz'schen „Requiems“ (Philharmonie) findet, da es sich um eine Wiederaufführung handelt, keine öffentliche Probe statt. — Die Pianistin Fräulein Martha Siebold wird in dem Konzert, welches sie am Mittwoch in der Sing⸗Akademie gemein⸗ schaftlich mit der Sängerin Fräulein Clara Hoppe veranstaltet, u. a. Schumann's „Symphonische Etuden“, Brahms' Capriccio in Hmoll, Liszt's „Feux follets“, sowie Kompositionen von
Schubert, Chopin, Rubinstein und Moritz Moszkowski spielen. — Der Pianist Henri Melcer aus Warschau, welcher sich in dem neulichen Liederabend der Frau Professor Nicklatz⸗Kempner hören ließ, giebt an demselben Abend ein eigenes Konzert im Saal Bechstein.
Mannigfaltiges.
Hie Reichstagsbau⸗Kommission hat beschlossen, auf der Vorder⸗ front des Reichstagsgebäudes die Inschrift „Dem Deutschen Reiche“ anbringen zu lassen.
om 21. Januar, Norgens.
haus. 21.
40R.
sius
Temperatur in 0 Cel
C.
Bar. auf 0 Gr 1. d. Meeressp. red. in Millim
— 92
762 751 752 753 757 763
4 wolkig 3 Schnee 2 bedeckt 4 bedeckt Weise. 1 Nebel G. E. Lessing. 1 bedeckt
757 748 750 751 749 750
751 752
5 heiter 3 bedeckt 5 bedeckt 3 Schnee 1 Regen 1 Nebel 2 Nebel 2bedeckt
Kapellmeister.
—SOOB OOeHD—
1 1
749 748 751 750
2bedeckt 2 Regen 2 Regen still bedeckt 4 bedeckt 2 Regen 1 wolki
ünster... Karlsruhe .. Wiesbaden München 753 Chemnitz.. 753 öq16561 Wien 758 2 Nebe Breslau 754 3 bedeckt B 2bedeckt
1“ 3Regen q146765 till Dunst
Uebersicht der Witterung.
Eine Zone niedrigen Luftdrucks erstreckt sich von der Biscayasee ostnordostwärts nach dem südlichen Ostseegebiet, während Hochdruckgebiete über Nordwest⸗ und Südost⸗Europa lagern. Dementsprechend wehen im Nord. und Ostseegebiet vorwiegend östliche und nordöstliche, südlich davon meist südliche Winde. In Deutschland ist das Wetter mild, trübe und vielfach regnerisch; allenthalben ist Niederschlag gefallen. Ganz Deutschland ist frostfrei. In Nordschweden und Finland herrscht strenge Kälte, Hernösand meldet 22, Kuopio 20 Grad unter Null.
Deutsche Seewarte.
Anfang 7 ½ Uhr.
290eSee mteo Oo0o.
pagnon.
Anfang 7 ½ Uhr.
Dienstag:
Strauß.
“ I“
Unter den übrigen Mit⸗
Painparé aus
In seiner am Sonnabend abgehaltenen außerordentlichen Sitzung setzte das WegistkrE elsn die Berathung zur Feststellung des Stadthaushalts⸗Etats für 1895/96 fort. Der Spezial⸗Etat für die Waisenpflege im engeren Sinne sowie für die konfirmierten Waisen⸗ kinder schließt nach dem Bericht der „Nat.⸗Ztg.“ mit einer Gesammtausgabe von 941 552 ℳ und mit einer Einnahme von 15 312 ℳ ab, sodaß sich gegenüber der Einnahme eine Mehr⸗ ausgabe von 784 210 ℳ ergiebt, welche Summe aus der Stadt⸗ hauptkasse zugeschossen werden muß. — Der Spezial⸗Etat für die Unterbringung verwahrloster Kinder ist in Einnahme mit 54 500 ℳ und in Ausgabe mit 145 242 ℳ gestellt, odoß sich eine Mehrausgabe von 90 742 ℳ ergiebt. Im Erziehungshause von Klein⸗Beeren, in welchem gegenwärtig 19 Mädchen untergebracht sind, sollen diese Stellen für das Verwaltungsjahr 1895/96 auf 30 erhöht werden, da nach den gemachten Erfahrungen die Zahl dieser Mädchen bis mindestens zu dieser Höhe sich steigern wird. Dem entsprechend sind auch die Stellen im Etat eingestellt. — Der Spezial⸗Etat für die höheren Lehranstalten: für die Gymnasien, Realgymnasien und Ober⸗ Realschulen ist in Einnahme auf 1 492 441 ℳ und in Ausgabe auf 2 791 071 ℳ berechnet, sodaß sich ein Mehrerforderniß von 1 298 630 ℳ ergiebt. Das Schulgeld ist mit 1 445 000 ℳ in Ein⸗ nahme, die Besoldungen des Lehrpersonals mit 2 305 270 ℳ in Ausgabe veranschlagt. — Der Spezial⸗Etat für die Geschäfts⸗ bedürfnisse und Prozeßkosten schließt mit einer Einnahme von 203 458 ℳ und in Ausgabe mit 1 437 022 ℳ ab, sodaß ein Zu⸗ schuß von 1 233 564 ℳ erforderlich ist. Unter den Ausgaben sind enthalten die Kosten der Abgeordneten⸗ und Stadtverordnetenwahlen, die Aufstellung der Geschworenen⸗ und Schöffenliste sowie des Schiedsmannsinstituts mit zusammen 108 300 ℳ und die Kosten für die Herausgabe des Gemeindeblatts mit 70 400 ℳ
Die Kommission zur Bekleidung armer Konfirmanden tritt jetzt wieder zusammen, um die Anträge auf Bewilligung von Kleidungsstücken für die Einsegnung zu prüfen und zu erledigen. Geldunterstützungen werden zu dem gedachten Zwecke nicht S sondern nur Kleidung, bestehend für Mädchen in einem Kleid von schwarzem Kamelott, für Knaben in Rock oder Jaquet, Beinkleid und Weste von schwarzem Tuch. In Fällen, wo⸗ der regelmäßige Schul⸗ besuch nicht nachgewiesen werden kann, oder wo die betreffenden Kinder vom Schulbesuch dispensiert sind, um in Fabriken zu arbeiten, oder
Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗
us. 21. Vorstellung. Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humper⸗ dinck. Text von Adelheid Wette. In Scene vom Ober⸗Regisseur E aff. vom Ober⸗Inspektor 1 meister Sucher. — Mara. 6 wolkig Hummel. n Scene gesetzt vom Ober⸗Re⸗ Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Schauspielhaus. Dramatisches Gedicht in 5 Aufzügen von . C Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Opernhaus. Keine Vorstellung. 6. Symphonie⸗Abend der Königlichen Ka⸗ pelle. ö Herr Felix Weingartner, Königl. Anfan⸗ Mittags 12 Uhr: Schauspielhaus. spiel in 4 Aufzügen Die stille Wache. Richard Skowronnek.
Deutsches Theater. Dienstag: Klein Eyolf.
Mittwoch: Der Talisman. Donnerstag: Weh dem, der lügt.
Berliner Theater.
1— Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Böse Zungen.
Donnerstag: Der Pfarrer von Kirchfeld.
Lessing⸗Theater.
Mittwoch: Die wilde Jagd. 48 b Donnerstag: Zwei Wappen. b
Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Sbeusserstrae 25/26. e
C. Haffner und Richard Genée. Regie: Dirigent: Herr Kapellmeister Adolph Ferron.
fang 7 ½ Uhr. Heittwoch. Die Fledermaus.
als Laufburschen ihr Brot sich zu erwerben suchen, oder sich schon gar in dienendem Verhältniß befinden, werden Gesuche um Einsegnungs⸗ bekleidung nicht berücksichtigt, da vorausgesetzt wird, daß Eltern solcher Kinder bei ordentlicher Einrichtung die zur Bekleidung erforderlichen Mittel aus dem Verdienst der Kinder ersparen und die Bekleidung ohne Hilfe der Armendirektion beschaffen können. Die Anträge auf Gewährung von Einsegnungsbekleidung sind bei den Armenkommis⸗ sionen rechtzeitig zu stellen, da dieselben spätestens drei Wochen vor der Konfirmation ihrerseits die Anträge auf Gewährung von Ein⸗ segnungsbekleidung bei der Armendirektion einreichen müssen.
In der Irrenanstalt zu Dalldorf war der Bestand am 31. Dezember v. J. 1168 Personen; in Privatpflege befanden sich zur selben Zeit 235 und in Privatanstalten 392 Personen; in der Idiotenanstalt zu Dalldorf 131 Personen“, in Privatpflege 51 Idioten. In der Irrenanstalt Herzberge war der Bestand am 31. Dezember v. J. 1047 Personen; in Privatpflege befanden sich zur selben Zeit 102 Personen und in Privatanstalten 242 Personen. In der Anstalt für Epileptische (Wuhlgarten) befanden sich am 31. Dezember 1894 607 Personen, in der btheilung für Kinder 46 Personen.
Der Deutsche Sprachverein Berlin hält seine Haupt⸗ versammlung morgen, Dienstag, Abends 8 ½ Uhr, im Gasthof „Zu den Vier Jahreszeiten“, Prinz Albrechtstraße 9, ab. Auf der Tages⸗ ordnung stehen: Jahresbericht, Kassenbericht und Wahl des Vorstands.
In dem Kindergarten für taubstumme Kinder, Körner⸗ straße 22, werden am 1. Februar wieder einige Stellen frei. Auf⸗ nahmegesuche für taubstumme Kinder im Alter von 3 bis 7 Jahren sind an Dr. Th. S. Flatau, Genthinerstraße 32, zu richten. Für
Unbemittelte sind Freistellen vorgesehen.
Ueber die Witterung im Dezember berichtet die „Stat. Corr.“ nach den Beobachtungen des Königlichen Meteorolo ischen Instituts: Mild und trübe wie sein Vorgänger war auch der Ronar Dezember. Seine Mitteltemperatur lag überall in Norddeutschland
Direktion: Julius Fritzsche. — 2 neuer Ausstattung. Hänsel und Gretel ; Phß von gger Millöͤcker. 1 gesetzt Julius Fritzsche. Dirigent: Dekorative Einrichtung Federmann. — Se Brandt. Dirigent: Kapell⸗ Anfang 7 ½ Uhr. Oper in 1 Akt von Text von Axel Delmar. lfseur Tetzlaff. Anfang 7 ½ Uhr. Nathan der
ment.
Zentral⸗Theater.
21. Vorstellung.
Thomas a. G. Anna
Wum 141. Male: osse mit Gesan lingré's Reise durch Freund.
Bäckers.
hUlch Hauptprob 8 Ubr effentliche Hauptprobe. F. 8 ;
22. Vorstellung. Halali. Lust⸗ Mittwoch: O, diese Berliner! von Richard Skowronnek. — — — Schwank in 1 Aufzug von Anfang 7 ½ Uhr.
treten der Grotesktänzerin Miß vom Prince of Wales⸗Theater 29. Male: Ein fideles Corps. posse mit Tanz. Girl“
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
—
über dem vieljährigen Smöchschzitt. am meisten, nämlich um 30, in Ostpreußen. Charakteristisch für den Dezember ist auch der sehr gleichmäßige Verlauf der Temperatur, die während des ganzen Monats nur um 10° bis 150 schwankte. Sie nahm zu
Beginn langsam ab bis zum 12., wo meist das Minimum eintrat;
ab in nahezu gleicher Höhe bis gegen Monatsschluß. Die Nieder⸗ schläge zeigten eine unregelmäßige Vertheilung: im Nordosten und in den füdlichen Landestheilen, besonders aber in Schlesien, ist es zu trocken, in den übrigen Provinzen, zumal in Hannover, zu naß gewesen. Schneefälle traten im allgemeinen selten auf; nur im Osten sind sie häufiger beobachtet worden und riefen hier im G ensatz zu dem übrigen Gebiet eine länger andauernde Schneedecke 98 zu 23 cm Höhe hervor. — Die Bewölkung erreichte einen sehr großen Betrag, namentlich im Osten, wo nahezu alle Tage trübe waren und die
Bis zum 12. des Monats lag über Zentral⸗Europa ein Hochdr gebiet. welches meist schwache Luftbewegung und sinkende Temperatur edingte. Durch starke Bewölkung, insbesondere aber durch das Fehlen einer Schneedecke, wurde die Wärmeabnahme indessen derartig verringert, daß keine extremen Kältegrade zur Beobachtung kamen. Vom 12. ab gewannen nördliche Depressionen maßgebenden Einfluß, sodaß bei trüber Witterung und westlichen Winden, die am 23. und 29. zu verheerenden Stürmen anwuchsen, milde Temperatur vorherrschend wurde. Das sehr tiefe Minimum am 29. brachte auch ausgedehntere Schneefälle mit; die hierdurch hervor⸗ gerufene Schneedecke trug mit dazu bei, die Temperatur am Monats⸗ und Jabresschlusse wieder ins Sinken zu bringen. — Das Jahr 1894 ist in Norddeutschland im allgemeinen zu warm gewesen, und zwar besonders (bis zu 1 Grad) im Nordosten und in Schlesien; nur im Harz zeigte sich ein allerdings geringer Wärmemangel. Die Nieder⸗ schläge überstiegen, trotz der großen Dürre im Frühjahr und im Spätherbst, meist den vieljährigen Durchschnitt; nur in Ostpreußen und Mittelschlesien war es etwas zu trocken.
London, 19. Januar. Nach einer Depesche aus Sunderland wurden auf dem deutschen Schiffe „Erato“ im South⸗Dock daselbst mehrere Leute durch giftige Gase, die sich im Schiffsvorder⸗ theile entwickelten, betäubt. Einer von ihnen ist gestorben, vier oder fünf sind gefährlich e rkrankt.
b 20. Januar. Durch strömende Regengüsse sind dem „W. T. B.“ zufolge zahlreiche Ueberschwemmungen herbei⸗ geführt worden. Der Tajo hat bereits eine größere Höhe erreicht als im Jahre 1876.
Lissabon,
Teheran, 19. Januar. Die Stadt Kuschan, welche vor vierzehn Monaten durch ein Erdbeben zerstört und später wieder aufgebaut worden war, wurde, wie man der „Times“ berichtet, am 17. d. M. wiederum durch ein Erdbeben vernichtet. Viele Menschen⸗ verluste waren damit verknüpft. In einer Badeanstalt kamen etwa hundert Frauen um. In Mesched wurden während der letzten drei Tage vier schwache Erderschütterungen verspürt. 3
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen. 8
Budapest, 21. Januar. (W. T. B.) haus wählte heute den bisherigen Justiz⸗Minister von Szi⸗ lagyi zum Präsidenten mit 207 gegen 146 Stimmen, die der Kandidat aller außerhalb der liberalen Partei stehenden, zu diesem Zweck koalierten Elemente Julius Justh erhielt. Die liberale Partei nahm die Verkündigung des Resultats mit großer Begeisterung auf. Zum Vize⸗Präsidenten wurde mit 214 gegen 152 Stimmen Berzevichzy gewählt.
Yokohama, 21. Januar. (Meldung des „Reuter'schen Bureaus“.) John Foster ist mit dem Dampfer „Empreß of India“ hier eingetroffen, um den chinesischen Unterhändlern bei den Friedensverhandlungen zur Seite zu stehen.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.) 8
Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57.
Der Probekuß. Operette in
3 Akten von Hugo Wittmann und Julius Bauer.
In Scene gesetzt von Herr 82
Tanz⸗Divertissement. Mittwoch: Der Probekuß. — Tauz⸗Divertisse⸗
Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard Schultz. — Dienstag: O, diese Berliner! und Tanz in 6 Bildern (nach Berlin“*) Musik von Julius Einödshofer. Anfang
Adolph Ernst⸗Theater. Dienstag:
in London.
Saal Bechstein. Linkstraße 42. Dienstag, Anfang 7 ½ Uhr: Konzert von Hildegard Kaelcke (Klav.) und Clara Vanselow (Ges.)., unt. gef. Mitw. d. Herrn J. F. Lebegott.
Dienstag: Mit
Kapellmeister
Birkus Renz (Karlstraße). Dienstag: Ertra⸗
Vorstellung. Besonders hervorzuheben: 6 Trakehner Rapphengste, in Freiheit vorgef. v. Herrn Rob. Renz. Das Schulpferd Cromwell, hierauf der Steiger Alep, geritten von Frau Renz⸗Stark. Jeu de barre, komische Reitpibce. Mr. Franconi, Saltomortale⸗ Reiter. Mr. Clark, als Jongleur. Auftreten des Herrn Gustav Hüttemann (als Gast) mit seinem Schulpferde Cincinatus. Anftreten des beliebten „August“ Mr. Lavater Lee, sowie der excentrischen Clowns Gebrüder [ ꝛc. ꝛc. Zum Schluß: TI1o Ni En. (Beim Jahreswechsel in Peking.) Neue Musik⸗Einlagen. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch 7 ½ Ubr; Große Brillante Vorstellung. TIjo Ni En. Herr Gustav Hüttemann (als Gast).
ens. Emil Josefine Dora. Große
von Julius
Auf⸗ Rose Batchelor
Zum Große Gesangs⸗
Familien⸗Nachrichten.
Nach dem englischen „A Gaiety ⸗ . 2 5 „ von Jonas Sidney frei bearbeitet von Eduard “ 8 T]
Jacobson und Jean Kren. Anfang 7 ½ Uhr.
Lieut. Egbert von Meding (Döben— Berlin).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Frhm. von Wangenheim Bnin Hrn. Gyvmnasial⸗ Direktor Dr. Brüll (Oppeln). — Eine Tochter⸗
Dienstag: Der Kom⸗
Konzerte.
1-. “ Litolff. Fmsehn antasse a. „Die Hugenotten“ Dienstag: Llentasshe. v. Roeder. pourri v. Conradi. „Fantasie es
Vieuxtemps (Herr Schnedler⸗
Ghismonda.
Sing-Akademie. Abend von Engen d'Albert.
Theater. Operette i 3 Akten nach Meilhac und⸗-Halévy bearbeitet üen⸗
Fledermans.
Philharmonie. Philharmonischer Chor.
Musik von Joh Herr Ober⸗ Realsem Fohamm An⸗
Konzert-Haus. Dienstag: Karl
Konzert. Quv. „Michel Angelo“, Gade. Rübezabl⸗, Flotom
„Offenbachiana“, Mütterlein ade!“ für Piston v. Rühle (Herr Werner).
Dienstag: Dienstag, Anfang 7 ½ Uhr: (Dirigent: S.
II. Aufführung des „Requiem“ von Tenor⸗Solo: Herr W. Cronberger,
8 von Waldow⸗Waldowshof (Waldowshof). — .Pastor Bahnson (Morsum⸗Sylt). 28 „Gestorben: Hr. Regierungs⸗Rath Ferdinand von der Brakenhausen (Berlin). — Hr. Major a. D. Bern⸗ Maxi⸗ hard von Briesen (Kobershain). — sr Oberst⸗ Lieut. Vally von Hauteville, geb. Gräfin Königs⸗ dorff (Rathen). — Verw. Fr. Oberförster Minna Boden, geb. Kloß (Hannoversch⸗Münden).
A aEülhs
v. Mevyerbeer. Pot⸗ rice“ f. Violine
en). „Lieb
Verantwortlicher Redakteur: Klavier⸗-⸗ J. V.: Siemenroth in Berlin
. 2
Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Sechs Beilagen seinschließlich Börsen⸗Beilage).
Ochs.) „Berlioz. Hofopernsänger.
dann stieg sie ziemlich schnell bis zum 15. und hielt sich von da
Sonnenscheindauer bis auf 5 % der überhaupt möglichen Fasbeing.
Das Unter⸗
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi
No. 18.
Erste Beila 1 1
1“
Berlin, Montag, den 21. Januar
Deutscher Reichstag.
19. Sitzung vom Sonnabend, 19. Januar, 1 Uhr.
Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der vor⸗
strigen Nummer berichtet worden.
Bei der Fortsetzung der ersten Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffken Aenderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Straf⸗ prozeßordnung, erhält nach dem Abg. Freiherrn von Gültlingen, der zunächst sprach, das Wort der
Abg. Grillenberger (Soz.): Ich würde wünschen, daß wir auf diesem Feld, wo es sich ja allerdings eigentlich nur um das Handwerkszeug der Juristen handelt, diesen doch nicht allein das Feld lassen, sondern auch in der Kommission dem Laienelement einigen Raum gewähren. Die Regierung ist mit dem Entwurf endlich dem langjährigen Wunsch des Volks und des Hauses entgegengekommen, aber sie fordert für ihre Konzession einen hohen Preis, sodaß die ge⸗ forderten Einschränkungen fast die Verbesserungen überwiegen. Auch wir wollen aus dem Gesetz kein Parteikapital schlagen, wenn wir auch zu denjenigen gehören, die das Gesetz am härtesten am eigenen Leibe zu erproben haben. Mit dem Ersatz des Fünfrichter⸗Kollegiums durch ein solches von drei Richtern bin ich durchaus nicht einverstanden. Schon jetzt haben wir mit dem Dreirichter⸗Kollegium schlimme Erfahrungen gemacht, jedenfalls ist bei der geringeren Zahl von Richtern eine Beeinflussung durch den Vorsitzenden weit eher möglich. Ebenso müssen wir uns entschieden gegen eine Einschränkung des Beweisverfahrens erklären. Schon jetzt ist das Beweisverfahren genugsam beschränkt, wie wir im Fuchsmühler Prozeß gesehen haben; dort wurde dem Militär der breiteste Raum für die Aussagen gewährt, während man die Leute, die angeschossen waren, nur beschränkt zum Wort ließ; man hielt durch ijene Aussagen die Sache für genügend aufgeklärt. Daß die Berufung nothwendig ist, hat in neuerer Zeit namentlich der sogenannte „Gummischlauch⸗Prozeß“ gelehrt. Auch hier war die Vertheidigung eine sehr beschränkte. Zu bedauern ist, daß nicht auch die unschuldig Verhafteten entschädigt werden sollen; man hat im Gegentheil die Gründe für eine Verhaftung noch erweitert, indem schon der Verdacht, daß der Angeklagte seine Freiheit mißbrauchen könnte, in Zukunft für eine Verhaftung ausreichend erachtet werden soll. Daß man das Wiederaufnahmeverfahren ein⸗ schränken will, vermindert erheblich den Werth des Zugeständnisses der Berufung. In Bagyern ereignete sich folgender Fall. Ein Re⸗ dakteur der „Münchener Post“ wurde wegen Preßvergehens verurtheilt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens wurde abgelehnt, obwohl der Verurtheilte nachwies, daß er wegen Abwesenheit von München gar⸗ nicht der Verfasser des inkriminierten Artikels sein konnte. In der Entscheidung wurde ausgeführt, daß zwar die angegebenen That⸗ sachen als neue zu betrachten seien, daß es indessen die Schuld des Verurtheilten sei, daß er den Verfasser in der Vorinstanz nicht genannt habe. Das Gericht weiß also, daß ein Unschuldiger verurtheilt ist, und lehnt es dennoch ab, im Wiederaufnahmeverfahren den begangenen Irrthum wieder gut zu machen! Das sind Zustände, welche dringend davon abrathen müssen, die Wiederaufnahme des Verfahrens noch zu erschweren. Der bekannte Fall des Barbiers Zieten in Elberfeld lehrt, daß alles eher geboten ist als eine solche Erschwerung. Führt man eine solche ein, so heißt das, mit der einen Hand nehmen, was man mit der andern giebt. Am schlechtesten würden die unteren Klassen wegkommen, die nicht bemittelt genug sind, um sich tüchtige Vertheidiger zu beschaffen. Die Bestimmungen des Gesetzentwurfs über die Besetzung der Straf⸗ kammern und die Vertheilung der Geschäfte würden mit dem letzten Rest der Selbständigkeit der Gerichte aufräumen. Die Regierung will sich nur gefügige Richter schaffen im Kampfe gegen die ihr feindlichen politischen Parteien. Außerdem zeigt sich deutlich die Tendenz, den Schwurgerichten alle politischen Prozesse zu nehmen. In der Vorlage fehlt die unzweideutige Feststellung des Forums für die Presse. Die Presse ist geradezu vogelfrii. Der Mörder hat seinen Gerichtsstand, die Presse hat keinen. Wir dürfen jetzt die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, dafür zu sorgen, daß diesem Zustand ein Ende gemacht wird. Ferner sind die Gerichts⸗ kosten viel zu hoch. Sie allein können den Verurtheilten schon ruinieren. Ich bedauere, daß nicht der Versuch mit der bedingten Verurtheilung gemacht wird, die von vielen Seiten empfohlen wird. Ferner müßten auch unschuldig Verhaftete entschädigt werden. Ich will unter den gegenwärtigen Umständen erst garnicht die sozial⸗ demokratischen Forderungen erheben, worunter z. B. vollständige Unentgeltlichkeit des Rechtsverfahrens, Wahl der Richter durch das Volk gehört; ich muß aber betonen, daß, wenn nicht der reaktionäre Grundzug, der in dieser Vorlage versteckt liegt, beseitigt wird, wir trotz unserer Begeisterung für die Berufung und Entschädigung un⸗ schuldig Verurtheilter diesem Entwurf nicht beistimmen können.
Abg. Werner (Refp.): Durch Herabsetzung der Gerichtskosten würden sich die Prozesse nur vermehren. Ich wünsche, daß ältere er⸗ fahrene Richter angestellt werden, die Fühlung mit dem Volke haben; jerner müßte die Protokollführung genauer sein. Wenn eine Appellation eingerichtet wird und man auf ein Protokoll zurückgreift, so läßt sich in den meisten Fällen kaum noch etwas konstatieren. Mit der Einführung der Berufung sind wir einverstanden; das Rechtsmittel der Revision genügt nicht. Leider nimmt der Entwurf mit der einen Hand, was er mit der andern giebt, indem er namentlich das Wiederaufnahmeverfahren beschränkt. Auch wir verlangen eine Entschädigung derjenigen, die unschuldig in Untersuchungshaft genommen werden, und eine Regelung des Gerichts⸗ standes für die Presse. Daß die Rechte der Schwurgerichts⸗Prä⸗ sidenten eine Erweiterung erfahren sollen, dafür köonnen wir uns nicht erwärmen. Vor allem aber wünschen wir, daß in Deutschland das Recht nur von deutschen Richtern gesprochen werde.
Abg. Freiherr von Buol (SZentr.): Die Berufung in der vor⸗ eschlagenen Form unter Einschränkung des Wiederaufnahmeverfahrens ann ich nicht billigen. Der Fall, den der Abg. Lenzmann anführte, wonach ein zu Zuchthaus verurtheilter Angeklagter nach⸗Aufhebung des Urtheils durch das Reichsgericht freigesprochen wurde, spricht mehr dagegen als dafür. Der Echu der Angeklagten darf nicht ge⸗ schmälert werden. Einer Entlastung der Schwurgerichte bin ich nicht abgeneigt, ebenso billige ich, daß die Kompetenz der Schöffengerichte erweitert wird. Hinsichtlich der Entschädigung unschuldig Verurtheilter bin ich mit der vorgeschlagenen Form einverstanden; den Nachweis der Unschuld halte auch ich für die Vor⸗ bedingung einer Entschädigung. Ich verlange in erster Linie Kautelen in der ersten Instanz, möge die Berufung eingeführt werden oder nicht. Aber ich bin nicht für eine Berufung auf Kosten der Recht⸗ sprechung in erster Instanz oder auf Kosten des Vorverfahrens. Un⸗ mittelbarkeit und Mündlichkeit kommen in der Berufungsinstanz wicht uneingeschränkt zur Geltung. Für eine der wichtigsten Kautelen 88 ersten Instanz halte ich ein obligatorisches Vorverfahren vor miem ordentlichen Richter, wo dem Angeklagten vorgehalten wird,
as eigentlich gegen ihn vorliegt.
E Abg. Dr. von Marquardsen (nl.): Mit dem Abg. Dr.
ineccerus bin ich in einem Kardinalpunkte nicht einverstanden: so
urm er die Berufung befürwortet, ein so entschiedener Gegner der⸗
selben bin ich, und ich freue mich, darin dem Vorredner durchaus bei⸗
treten zu können. Gegen die Strafprozeßordnung wird heute von allen Sturm gelaufen. Außer mir befindet sich heute nur noch ein Mitglied der Kommission, aus welcher jenes Gesetz hervorgegangen ist, in diesem Hause. Das Gesetz war nicht nur das Er⸗ gebniß der Arbeit der Kommissionsmitglieder, sondern es haben dazu die hervorragendsten Autoritäten des Landes mitgewirkt. Ich nenne nur die früheren Justiz⸗Minister Leonhardt und Friedberg, von Feustel und den jüngst verstorbenen General⸗ Staatsanwalt Held, der nicht nur seinem engeren Vaterlande zur Zierde gereichte, sondern überall hochgeschätzt war. Die vorliegende Novelle ist ja eine förmliche Anklageschrift gegen das, was damals geschaffen worden ist. Es ist allgemeine Ueberzeugung, daß sie nicht die Meinung der verbündeten Regierungen in ihrer Gesammtheit dar⸗ stellt, sondern der Hauptsache nach der preußischen Regierung ent⸗ stammt. Sie würde sonst wohl etwas anders geworden sein. Bei der Enquête, welche veranstaltet wurde, sind der Richter⸗ und der An⸗“ waltstand nicht zur Mitwirkung herangezogen. Daß ich kein Gegner
einer umfassenden Revision der Straf rozeßordnung bin, habe ich bereits
im Jahre 1875/76 bewiesen, wo ch mich für eine solche Revision
erklärte. Ich wurde dafür damals von meinem Parteigenossen Lasker
sogar etwas hart angelassen. Wir Süddeutschen wünschen nur, daß
diese Revision unter Berücksichtigung auch unserer Erfahrungen an⸗
gestellt werde. In der gegenwärtigen Zeit, wo die Umsturzvorlage
zur Berathung steht, muß die Unabhängigkeit der Richter besonders
geschützt werden. Diesen Schutz müssen wir sowohl in der Persönlich⸗
keit und Stellung des Richters, als auch in den grundlegenden
Prinzipien des Verfahrens finden. Es ist ein wesentlicher Unter⸗
schied, ob die Richter durch das Präsidium bestimmt werden,
oder ob der Chef der Justizverwaltung es mehr oder minder
in der Hand hat, auf die Zusammensetzung der Strafkammern
einzuwirken. Es ist ferner für den Angeklagten von wesentlicher Be⸗
deutung, ob eine Verurtheilung erst dann erfolgen kann, wenn von
fünf erkennenden Richtern ihn vier für schuldig erklären, oder ob die
Schuld nur von drei Richtern entschieden werden soll, von denen ein
einziger den Ausschlag giebt. Das sind Bedenken, die ich namentlich
in dieser Zeit geltend machen möchte. Mit der Wiedereinführung des
Resumés bin auch ich nicht einverstanden. Ich hoffe, daß noch eine Revision der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes
unter Mitwirkung aller Bundesregierungen zu stande kommen wird.
Abg. Lerno (Zentr.) spricht sich für die Einführung der Be⸗ rufung, aber gegen eine Beschränkung der Rechtsgarantien der ersten Instanz aus; insonderheit erklärt er sich gegen die Besetzung der Strafkammern durch die Landes⸗Justizverwaltung und gegen die Ver⸗ minderung der Richterzahl in den Strafkammern. Die Entschädigung, die er mit Freuden begrüßt, wünscht er auf unschuldig Verhaftete ausgedehnt zu sehen.
Abg. Hilpert (b. k. F.) giebt dem Wunsche Ausdruck, daß die Vorlage, welche hinsichtlich der Hauptpunkte: der Berufung und der Entschädigung unschuldig Verurtheilter, langgehegten Wünschen der Bevölkerung entspreche, in der Kommission nicht nach bureaukratischen Gesichtspunkten, sondern nach den Bedürfnissen des Volks gestaltet werden möge. 8
Abg. von Czarlinski (Pole): Wenn es die erste Aufgabe der Justiz ist, dem Recht zu dienen, so muß im Sinne der verfassungs⸗ mäßigen Gleichberechtigung der polnischen Bevölkerung die Recht⸗ sprechung für diese in der Muttersprache erfolgen, mindestens aber muß genügend für Dolmetscher gesorgt sein; sonst wird in vielen Fällen Meineid die Folge sein und eine häufige Verurtheilung Un⸗ schuldiger eintreten. In der letzteren Beziehung freue ich mich, daß die Mehrheit des Hauses nicht nur die Entschädigung unschuldig Ver⸗ urtheilter, sondern auch diejenige unschuldig Verhafteter wünscht. Ich bitte Sie, verhelfen Sie in dem neuen Gesetz der Muttersprache der drei Millionen Polen zu ihrem Recht.
Die Vorlage wird an eine Kommission von 28 Mit⸗ gliedern überwiesen, worauf das Haus um 5 Uhr Vertagung beschließt.
Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr. (Erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffkend die Abänderung des Zolltarifs.)
Die Ergebnisse der Einkommensteuer für 1894/95. Für das Steuerjahr 1894/95 (1893/94) ist in Preußen an Ein⸗ kommensteuer bei 2 520 930 (2 481 837) Zensiten der Betrag von 122 029 765 (123 190 131) ℳ veranlagt worden, gegen das Vorjahr also an Zensiten ein Mehr von 39 093, an Steuern aber ein Weniger und zwar von 1 160 366 ℳ Das Minus entfällt ganz auf die juristischen Personen (Aktiengesellschaften, eingetragene Genossenschaften u. dergl.), welche bei 1922 (2059) Zensiten mit 7 757 448 (9 392 186) ℳ veranlagt sind, also mit einem Weniger von 1 634 738 ℳ, wogegen die Veranlagung der physischen Personen bei 2 519 008 Zensiten mit 114 272 317 ℳ ein Mehr von 474 372 ℳ ergeben hat. Die Zahl der Bevölkerung hat sich bei der zum Zwecke der Veranlagung vor⸗ genommenen Personenstandsaufnahme 1894/95 auf 30 387 331 gestellt. Von dieser Gesammtzahl aber bleiben 21 233 024 (21 049 260) Per⸗ sonen (also 70 %) von der Einkommensteuer völlig frei, weil ihr Einkommen 900 ℳ nicht übersteigt und als Exterritoriale und dergl. 6881 (5808). 8 Die zur Steuer herangezogene Bevölkerung beträgt in den Städten 4 702 585 Köpfe, auf dem platten Lande 4 444 841 Köpfe, zusammen 9 147 426 Köpfe. Diese gruppieren sich um 2 519 008 Zen⸗ siten, von denen 1 476 809 in den Städten und 1 042 199 auf dem Lande wohnen. Auf einen Zensiten in den Städten kommen also 3,18. auf dem platten Lande 4,26 Köpfe. 1 116“ Das veranlagte Einkommen dieser Zensiten beträgt 5 784 797 517 ℳ; hiervon entfallen auf die Städte 3 934 365 620 ℳ und auf das platte Land 1 850 431 897 ℳ; das Durchschnittseinkommen aller Personen in Preußen, die über 900 ℳ Einkommen haben, stellt sich mithin in den Städten auf 2 664,10, auf dem platten Lande auf 1 775,51, überhaupt auf 2 296,46 ℳ Natürlich ist die Höhe dieses Durch⸗ schnittseinkommens in den verschiedenen Städten und Landestheilen verschieden, es variiert aber, nach Regierungsbezirken berechnet, doch nur zwischen 3424 und 1673 ℳ In Berlin beträgt es 2831 ℳ 8 Das Sollaufkommen der Steuer in Höhe von 114 272 317 ℳ vertheilt sich auf die Städte mit 84 431 573 (83 763 440) ℳ und auf das platte Land mit 29 840 744 (30 034 505) ℳ Es ist gestiegen von je 100 überhaupt auf 100,42, in den Städten auf 100,80, da⸗ egen gesunken auf dem platten Lande auf 99,35 ℳ Der Steuer⸗ 8 des einzelnen Zensiten stellt sich im Durchschnitt in den Städten auf 2,15, in den Stadtkreisen insbesondere auf 2,28, auf dem platten Lande 1,61, überhaupt 1,98 % des veranlagten Einkommens. Auf den Kopf der Bevölkerung entfallen in den Städten 6,94 — in den Stadtkreisen 9,74 — auf dem platten Lande 1,61 und über⸗ haupt 3,76 ℳ 48 Mit einem Einkommen von mehr als 3000 ℳ sind veranlagt nur 321 296 Zensiten (physische Personen) und zwar in den Städten 242 703 und auf dem platten Lande 78 593. Das veranlagte Ein⸗ kommen dieser Zensiten beträgt 2 757 688 467 ℳ und sondert sich
nach den einzelnen Einkommensquellen wie folgt: I. an vermögen 887 975 191 ℳ, II. aus Grundvermögen 741 826 284 ℳ, III. aus Handel, Gewerbe und Bergbau 953 822 828 ℳ, IV. aus gewinn⸗ bringender Beschäftigung 632 896 551 %ℳ In Abzug sind an Schulden zinsen, dauernden Lasten ꝛc. 458 832 387 ℳ gebracht. Die Steuer vo diesem veranlagten Einkommen beläuft sich auf 80 014 744 ℳ, alf mehr als ⁄ der gesammten Einkommensteuer wird von den Zensite mit einem Einkommen von 3000 ℳ und darüber getragen, deren ahl 1 % der gesammten Bevölkerung knapp übersteigt und ei chtel der Zahl aller Zensiten ausmacht. u 8 Gruppenweise geordnet, beträgt 1894/95 die Anzahl der Zensiten in den Einkommens⸗ “ stufen von über 900 — 3000 ℳ 2 197 712 ℳ oder 87,25 % der Gesammtzahl „ 3000 — 6000 „ 209 702 „ „ 2 „ *6000 — 8000 „ 4“*“ 2 „ 8000 ℳ vIb“ . An Steuer bringen diese einzelnen Zensitengruppen auf: Zensiten mit einem Einkommen von G 1 8 über 900 — 3000 ℳ 34 257 573 ℳ oder 29,98 % des Gesammtsolls VWVDSDZTITbööe „ 6000 — 8000 7 168 184 „ 6,22 . 8000 ℳ 53 725 300 „
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Zur Arbeiterbewegung.
In Muggendorf bei Nürnberg ist am Freitag in der Velociped⸗ fabrik von Hillmann, Herbert u. Cooper ein Ausstand aus⸗ gebrochen. Als Ursache wird im „Vorwärts“ eine Anordnung angeführt derzufolge bei Verspätungen eine Aussperrung der Arbeiter für einen halben oder einen ganzen Tag sollte verfügt werden können. 180 Mann, Schlosser, Dreher, Hilfsarbeiter ꝛc. traten in den Ausstand ein. — Wie aber der „Frkf. Ztg.“ telegraphisch gemeldet wird, wollten die Ausständigen heute bereits die Arbeit wieder aufnehmen, da die Fabrikleitung zu⸗ gesagt hat, sie werde gemeinsam mit dem Arbeitercomité eine Aenderung der Fabrikordnung vornehmen. 8
In Leipzig haben, wie der „Vorwärts“ berichtet, in der Fabrik von Gries u. Co. sämmtliche Metalldrücker, Dreher, Gürtler, Galvaniseure, Lackierer, Stanzer und Hilfsarbeiter am Sonnabend die Arbeit niedergelegt.
Aus New⸗York meldet „W. T. B.“ zum Ausstande der Eisenbahnbeamten in Brooklyn: Der Ausstand nimmt einen be⸗ drohlichen Charakter an. In verschiedenen Stadttheilen fanden Un⸗ ruhen statt. Die Polizei vermochte nicht, die Wagendepots zu schützen, weshalb die zweite Brigade der Miliz requiriert wurde. Am Sonnabend Abend erhielt die Miliz Befehl, die bei den Wagendepots der Tramways angesammelte Menge zu vertreiben. Diese warf mit Steinen und anderen Dingen, sodaß die Miliz mehrere Male zum scharfen Angriff vorgehen mußte. Mehrere Mann von der Miliz und eine Anzahl Meuterer wurden verwundet. Die Cafés sind geschlossen. Die Depots werden militärisch bewacht. Telegraphen⸗ und Telephondrähte sind abgeschnitten und bilden eine Gefahr für die Fußgänger. Gestern verkehrten nur wenige Omnibusse. Am Nachmittag fand eine Zusammenkunft Fnc han den Vertretern der Omnibus⸗ und Tramway⸗Gesellschaften in Brooklyn und ihrer Angestellten statt. Eine Einigung kam nicht zu stande. Die Un⸗ ruhen dauern fort. “
Literatur.
Rechts⸗ und Staatswissenschaft.
Die Preußische Polizeiverwaltung. Zusammenstellung der wichtigsten Polizeigesetze, Verordnungen und der dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen. Zum praktischen Gebrauch für Verwal⸗ tungs. und Polizeibeamte, insbesondere für Polizeiverwaltungen, Land⸗ rathsämter, Amtsvorsteher, Magistrate, Guts⸗ und Gemeinde⸗Vor⸗ steher. Von E. Weydemann, Ober⸗Polizei⸗Inspektor, Hauptmann der Landwehr. Berlin, Verlag von H. W. Müller. (SW., Lucken⸗ walderstraße 2.) Pr. geb. 6 ℳ — Durch Auswahl des wichtigsten und am häufigsten zur Anwendung gelangenden Rechtsstoffs hat der Verfasser versucht, in diesem Buch den Staats⸗ und Gemeindebeamten, welche mit der Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen betraut sind, ein brauchbares Handbuch zu schaffen. Die zahlreichen Abände⸗ rungen und Ergänzungen, welche ein großer Theil der aufgenommenen Gesetze bis zum Jahre 1894 erfahren hat, sind sämmtlich berück⸗ sichtigt, sodaß Zweifel und Verlegenheiten über die jetzt geltende Fassung nicht entstehen können und das mühevolle Nachschlagen in den Gesetz⸗Sammlungen sich erübrigt. Den städtischen und länd⸗ lichen Polizeibeamten dürfte sich das Buch als ein willkommener Be⸗ rather bewähren. 1“ 1 8
— 1I11“ in denälteren Pro⸗ vinzen der Monarchie. Gesetze und Instruktionen ꝛc. mit einem die neueren Kirchengesetze enthaltenden Anhange. Zweite Auflage. Berlin 1894. R. v. Decker’'s Verlag. Preis kartonniert 3 ℳ — Die nach amtlichen Quellen zusammengestellte Sammlung ist für die vor⸗ liegende zweite Auflage durch die seit Erlaß der Kirchenverfassungs⸗ geseze von 1875/76 ergangenen Kirchengesetze und die hierzu erlassenen Instruktionen, insbesondere auch mit dem die Beziehungen des Staats zur ebangelischen Landeskirche wesentlich abändernden Staatsgese vom 28. Mai 1894 vervollständigt worden. Außer den Kirchengesetzen, betreffend Ver⸗ mögensaufsicht, Pfarrwahlrecht, Dienstalter, Ruhegehalt, Sterbe⸗ und Gnadenzeit, Versorgung der Wittwen und Waäisen der Geistlichen, Disziplinargesetz, Trauungsordnung, Verletzung kirchlicher Pflichten u. s. w. und den zugehörigen Staatsgesetzen hat auch die umfangreiche Verwaltungsordnung vom 17. Juni 1893 Aufnahme gefunden. Der Handgebrauch des Buches wird durch ein ausführliches alphabetisches Sachregister erleichtert.
Kirchliches.
Die von der Buchhandlung A. Haack hierselbst, NW., Doro⸗ theenstr. 55, verlegten Flugschriften des Allgemeinen evan⸗ gelisch⸗protestantischen Missionsvereins sind um zwei weitere Nummern 82 je 50 ₰) vermehrt worden. In Nr. 4 be⸗ handelt unter dem Titel „Unsere Aufgabe in Ost⸗Asien“ der verstorbene Geh. Kirchen⸗Rath, Prof. D. Richard Adelbert Lip⸗ sius die Frage: In welcher Form sollen wir den heidnischen Kultur⸗ völkern das Evangelium bringen? Der . die einem im Jahre 1887 in Braunschweig gehaltenen Vortrag als Thema diente, ist ein Lebensbild des um die Missionssache hochverdienten Verfassers nebst seinem Porträt vorangestellt. — In Nr. 5 der Flugschriften schildert der Missionar Pfarrer Paul Kranz aus Shanghat seine auf dem Bang (tze) kiang in China im Frühjahr 1894 unternommene Missionsreise. Angesichts der gegenwärtig aller Augen auf sich lenkenden ostasiatischen 8 dürfte diese kleine Schrift besonderes Interesse verdienen. Der Schilderung ist ein gutes Lichtdruckbild einer chinesischen Knaben⸗Schule beigegeben.
Koloniales.
Zum Victoria Nyanza, eine Antisklaverei⸗Expedition und Forschungsreise von C. Waldemar Werther, Premier⸗Lieutenant der Landwehr. Berlin, 1894. Verlag von Gergonne und Komp. — Der Verfasser hat im Dienst des Antisklaverei⸗Comités am 5. September 1892 eine Reise von Bagamoyo über Mpwapwa nach