Verkehrs⸗Anstalten.
von Herbesthal: Die erste englische über Ostende hat den Anschluß an Grund: Sturm
Telegramme Post von London Schnellzug 11 in Herbesthal nicht erreicht. auf See. 2
Die “ englische Post von London über Ostende vom 23. d. M. ist ebenfalls ausgeblieben. Grund: Dampfer⸗ fahrt Dover⸗Ostende wegen Sturmes ausgefallen.
Auch die dritte englische Post über Ostende vom 23. d. M. ist ausgeblieben. Grund: Stürmisches Wetter.
Telegramm von Goch: Die erste englische Post aus London uͤber Vlissingen vom 23. d. M. ist ausgeblieben. Grund: Sturm im Kanal.
Bremen, 24. Januar. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer „Willehad“ ist am 21. Januar von Buenos Aires nach der Weser abgegangen. Der Reichs⸗Postdampfer „Karlsruhe“, von Auftralien kommend, ist am 22. Januar in Ant⸗ werpen angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Prinz Heinrich“, hat am 22. Januar die Reise von Port Said nach Suez fort⸗ gesett Der Reichs⸗Postdampfer „Darmstadt“ ist am 23. Januar in Shanghai angekommen. Der Schnelldampfer „Ems“, nach New⸗York bestimmt, hat am 23. Januar Eastbourne passiert. Der Schnelldampfer „Fulda“ ist am 22. Januar von New⸗York via Southampton nach der Weser abgegangen. Der Postdampfer „Graf Bismarck“ hat am 23. Januar die Reise von Antwerpen nach Oporto fortgesetzt.
Hamburg, 22. Januar. (W. T. B.) Hamburg⸗Amerika⸗ nische Packetfahrt⸗Aktien⸗Gesellschaft. Der Postdampfer „Scandia“ hat, von Hamburg kommend, heute Morgen 3 Uhr Lizard passiert. .
London, 23. Januar. (W. T. B.) Der Uniondampfer „Norman' ist Mittwoch auf der Ausreise von Madeira abgegangen. Der Castledampfer „Lismore Castle“ ist heute auf der Ausreise in Durban angekommen. 114“
Theater und Musik.
111““
Der VI. Symphonie⸗Abend der Königlichen Kapelle, welcher gestern im Opernhause unter Direktion des Kapellmeisters Felix Weingartner stattfand, wurde mit einer Novität, dem Vorspiel zur Oper „Ghismonda“ von d'Albert eröffnet. Wenn man auch, ohne die Oper zu kennen, kein ausführliches Urtheil fällen kann, so ist doch in den mit sanften Klagetönen des Schmerzes ein⸗ geführten Motiven, die mit zahlreichen Vorhaltstönen durchwebt sind, eine Anlehnung an Wagner's Tristan und Isolde“ zu erkennen. Das sehr kurz gehaltene Vorspiel wurde beifällig aufgenommen. Dann folgte Berlioz' „Phantastische Symphonie“, die an dieser Stelle schon einmal aus⸗ geführt und auch von anderen Kapellen hierselbst mehrfach zu Gehör gebracht worden ist. Der Komponist schildert darin die Geschichte seiner Liebe, die er in den Aeußerungen der Freude, der Hingebung, des Zweifels und der Enttäuschung tonmalerisch treffend zu charak⸗ terisieren versteht. Dem reizvollen Satz „un bal“ folgte ein da capo, und dem Schlußsatz, der die bunten Bilder eines schreckenerregenden Traums mit allen, zum theil recht außer⸗ gewöhnlichen instrumentalen Mitteln zu malen versucht, folgte enthusiastischer Beifall des zahlreich erschienenen Publikums. Dieser lang ausgedehnten und schwierigen Symphonie folgte Haydn’s Es-dur- Symphonie, die gleich den beiden anderen Werken von der Kapelle unter der energischen und umsichtigen Leitung ihres Dirigenten vollendet vorgetragen wurde. .
An demselben Tage ließen sich in der Sing⸗Akademie zwei hier bereits wohlbekannte Künstlerinnen hören: Fräulein Clara Pepe⸗ trug mit wohlklingender Stimme mehrere Lieder von
etschmar, Scarlatti, Schumann, Rubinstein und anderen vor; eine Neigung zum Detonieren behinderte leider das Gelingen des Vortrags, auch war die Wahl des „Erlkönigs“ von Schubert keine glückliche.
Die jugendliche Pianistin Martha Siebold erntete für ihr sorg⸗
fältig geschultes Spiel und ihre belebte Ausdrucksweise in Stücken von Schumann, Brahms, Liszt und Chopin wohlverdiente Beifalls⸗ bezeugungen. “
Im Saal Bechstein gab der Pianist Henri Melcer aus Warschau, der schon neulich hier konzertierte, gestern seinen ersten eigenen Klavierabend. Er hatte Werke von Bach, Beethoven, Schumann, Chopin, Grieg, Leschetizky und Liszt zum Vortrag ge⸗ wählt. Sein Spiel ist klar und verständnißvoll: Vorzüge, die in den klassischen Sachen weniger als in den neueren zur Geltung kamen. Reicher Beifall folgte allen seinen Leistungen. Der klangvolle Bech⸗ stein'sche Flügel kam dem Spieler sehr zu statten.
Im Königlichen Opernhause gelangt morgen „Carmen“ mit folgender Besetzung zur Aufführung: Carmen: Rothauser, José: Herr Philipp, Escamillo: Herr Krolop, Fräulein Weitz, rasquita: Frau Herzog, Merredes:
ietrich. Kapellmeister Weingartner dirigiert.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Schiller's „Wilhelm Tell“ gegeben. Die Hauptrollen sind wie folgt besetzt: Tell: Herr Nesper, Geßler: Herr Klein, Attinghausen: Herr Kahle, Stauffacher: Herr Molenar, Melchthal: Herr Purschian, Rudenz: Herr Hertzer, Gertrud: Frau Kahle, Hedwig: Frau von Hochenburger, Bertha: Fräulein Lindner, Armgart: Frau Stollberg, Parricida: Herr Ludwig. — Eine der nächsten Novitäten wird Franz Grill⸗ parzer’'s „König Ottokar's Glück und Ende“ sein. Herr Matkowsky spielt darin den König Ottokar.
Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater geht am Sonntag die Millöcker'sche Operette „Der Bettelstudent“ neu ein⸗ studiert in Scene. Bis dahin bleibt „Die Fledermaus“ auf dem
Spielplan.
Im Neuen Theater wird am 27. d. M. Schauspiel in Versen, betitelt: „Deutscher Frauensinn“ zur ersten Aufführung gelangen. 3
Das Stern'sche Konservatorium (SDirektor: Professor Gustav Hollaender) veranstaltet zur Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers im Saale des Konservatoriums am Sonntag, Nachmittags 5 ½ Uhr, eine Musikaufführung, an der sich die hervorragendsten Kräfte des Lehrer⸗Kollegiums betheiligen werden.
Das Programm des morgigen vierten Klavier⸗Abends von Ferruccio B. Busoni (Sing⸗Akademie) bringt u. a. Phantasie und Fuge über den Namen B-A-C-H von Liszt und die B-moll-Sonate von Chopin. — Der bekannte Pianist Heinrich Lutter aus Hannover giebt morgen im Saal Bechstein ein Konzert, in welchem die Konzertsängerin Frau Professor Marie Schmidt⸗Köhne mitwirkt. — Frau Lillian Henschel wird in ihrem Liederabend am 26. d. M. (Sing⸗Akademie) Lieder von Pacini, Purcell, Brahms, Schumann, Grieg. Davidoff, Chaminade und R. Kahn sowie sechs Gesänge (im Volkston) von ihrem Gatten, Georg Henschel, zu Gehör bringen. Herr Robert Kahn übernimmt die Be⸗ gleitung sämmtlicher Gesänge. Außerdem hat die Violinvirtuosin Fräulein Irene von Bremerberg ihre Mitwirkung zugesagt. — Die Konzertsängerin Frau Ida Goeringer aus Wiesbaden ver⸗ anstaltet an demselben Tage einen zweiten Liederabend im Saal Bechstein.
Im Konzerthause wird die Opernsängerin Fräulein Anna Kühlich in dem morgen stattfindenden „Wagner⸗Abend“ die Arie der Elisabeth aus „Tannhäuser“, „Elsa's Traum“ aus „Lohengrin“ und das „Wiegenlied“ singen. 8
Bizet's räulein icasla: Fräulein
ein einaktiges
Mannigfaltiges. 8 Köln, 23. Januar. Das gesammte Ruhrgebiet ist, wie der „Voss. Ztg.“ berichtet wird, vom Hochwasser bedroht; das Wasser der Ruhr und des Rheins steigt fortgesetzt. Bei Ruhrort sind die Hafengleise überfluthet, während in Duisburg die Schleusen vor dem Innenbafen geschlossen wurden.
Wien, 23. Januar. „W. T. B.“ meldet: Der heutige Ball der Stadt Wien nahm einen glänzenden Verlauf. Der Kaiser verweilte etwa ¾ Stunden auf dem Ball und zeichnete viele der An⸗
wesenden, darunter den deutschen Botschafter Grafen durch Ansprachen aus.
London, 21. Januar. Ueber die e, ; in dem über⸗ schwemmten Bergwerk Audley (vergl. Nr. 12, 13 und 15 d. Bl. wird der „Köln. Ztg.“ berichtet: Noch bis gestern Nachmittag arbeiteten die Bergleute unermüdlich am Rettungswerk in der Audley⸗Grube, d erwiesen sich alle Bemühungen, ihren verschütteten 77 Kameraden näher zu kommen, als vergeblich. Das Ergebniß ihrer Anstrengungen war, daß das Wasser, anstatt abzunehmen, sich vermehrte. An dem⸗ selben Tage stiegen mehrere Gruben⸗Ingenieure, begleitet von den Gruben⸗Direktoren, in den Schacht, untersuchten die Stollen und er⸗ ließen darauf ein Verbot an die Arbeiter, die Rettungsversuche fort⸗ zusetzen, da die Schächte einzustürzen drohen, und daher nur Menschen⸗ leben für Leichname aufs Spiel gesetzt würden. Außerdem ist das Gas in das Bergwerk eingedrungen, eine zweite Gefahr für die heldenmüthige Retterschaar. Die Arbeiten sind daher endgültig eingestellt worden, bis sich das Wasser verlaufen haben wird. Man kann sich denken, daß diese Nachricht unter den Angehörigen der Begrabenen Wehklagen und Trauer hervorrief. Die Mütter, Frauen und Geliebten der Verunglückten umlagerten täglich von früh Morgens bis spät Abends die Grube und gaben die Hoffnung nicht auf, daß nach fünf⸗ tägigem Warten doch noch ein Wunder geschehen und sie die Ihrigen lebend wiedersehen würden. Herzzerreißende Auftritte spielten sich am Sonnabend an der Kasse der Bergwerksgesellschaft ab, als den Familien der Verunglückten deren Wochenlöhne ausgezahlt wurden. Da die übrigen Bergleute zeitweilig unbeschäftigt sind, hat sich unter dem Lord⸗Lieutenant der Grafschaft ein Ausschuß gebildet, um Bei⸗ träge für die schwer betroffenen Familien einzusammeln.
zu Enlenburg,
London, 23. Januar. Infolge ungeheueren Schneefalls sind, wie der „Köln. Ztg.“ telegraphiert wird, in den Flußgebieten Englands und Wales Ueberschwemmungen eingetreten. Das Themse⸗ thal steht unter Wasser, der Schaden ist bedeutend.
Warschau. Nach amtlicher Meldung ist der Wasserstand der “ in Warschau, der am Dienstag 109 war, gestern auf 244 gestiegen.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen. 3
Paris, 24. Januar. (W. T. B.) Bourgeois begab sich heute früh 9 Uhr zum Präsidenten der Republik Faure und bat, von dem Auftrage der Kabinetsbildung entbunden zu werden. Der Präsident dankte ihm, daß er seinem Rufe Folge geleistet habe und beschloß, im Laufe des Vormittags mehrere politische Persönlichkeiten zu berufen.
Washington, 23. Januar. (W. T. B.) Der amerika⸗ nische Admiral Carpenter telegraphierte, er habe See⸗ soldaten zur Beschützung des amerikanischen Konsulats in Chefoo gelandet. Die britischen, französischen und deutschen Schiffskommandanten hätten ebenfalls Marinesoldaten gelandet.
Nokohama, 24. Januar. (Meldung des Reuter'schen Bureaus.) Das japanische Transportschiff „Satsuma⸗ maru“, das gestern nach Ujina zurückkehrte, berichtet, es habe die Talien⸗Wan⸗Bai am 19. d. M. mit den anderen Schiffen verlassen und sei am 20. d. M. in ung⸗Cheng eingetroffen; der japanische Kreuzer „Nayeyama“ und andere Schiffe hätten unter schwachem Widerstand der Chinesen, die durch die Kanonen der Kriegsschiffe zerstreut worden seien, Marinesoldaten gelandet. Die Landungstruppen hätten keine Verluste erlitten und vier Kanonen, die im Stich gelassen worden seien, erobert.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Wetterberi
Theater⸗Anzeigen.
kontrakt.
Sonnabend und folgende Tage: Fernand’s Ehe⸗
Saal Bechstein. Linkstraße 42. Freitag An⸗ fang 7 ½ Uhr: II. Chopin⸗Abend von Wlad.
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om 24. Januar, Korgens.
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Wind. Wetter.
Stationen.
Temperatur in ° Celsius
Bar. auf 0 Gr. 1. d. Meeressp
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red. in Millim.
Belmullet.. 748 NW Aberdeen 736 W Christiansund 742 WSW Kopenhagen. 745 WSW Stockholm . 741 W randa . 736 sti oskau 753 SSO
Cork, Queens⸗ 751 NW
toicn Cherbourg . 755 W Ider N748 WSW vt 745 SSW burg 748 SW winemünde 747 WNW Neufahrwasser 745 Memel 17741
Münster.. 750 Karlsruhe . . 755 Wiesbaden. 753 München .. 753 Chemnitz 751 ... 748 1P16161665 Breslau. 748 747
wolkenlos — 16 heiter —18 wolkenlos —13³
Storo ln do
wolkig bedeckt wolkig bedeckt Schnee Nebel) bedeckt bedeckt
heiter
Schnee halb bed. bedeckt ²) Schnee bedeck ³) bedeckt bedeckt — 3 bedeckt 2
SAbbTabebngSecedeeöeSeee öeoeo
¹) Gestern Schnee. ²) Nachts Schneewehen. ²) Gestern Schnee.
Uebersicht der Witterung.
Die Depression, welche gestern am Skagerak lag, ist südwärts verschwunden, während ein neues tiefes Minimum südlich von den Shetlands erschienen ist, bei dessen Annäherung das Barometer auf den Bri⸗ tischen Inseln außerordentlich stark gefallen ist, auf den Hebriden um 19, in Südschottland um 15 mm. in 14 Stunden; in Deutschland dagegen hat der Luftdruck stark zugenommen, odaß starkes Auffrischen der Winde, insbesondere für das nord⸗ westliche Deutschland, zu erwarten ist. In Deutsch⸗ land ist bei leichten bis frischen westlichen Winden ohne erhebliche Wärmeänderung das Wetter trübe; fast überall ist Schnee gefallen, allenthalben herrscht leichter Frost. In Schweden dauert die strenge
Kälte fort. Deutsche Seewarte.
Königliche Schauspiele. Freitag: Opern⸗ haus. 23. Vorstellung. Carmen. Oper in 4 Akten von Georges Bizet. Text von Henry Meilhac und Ludovic lévy, nach einer Rovelle des Prosper Mérimée. Tanz von Emil Graeb. In Scene ge⸗ setzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus. 24. Vorstellung. Wilhelm Tell. Schauspiel in 5 Aufzügen von Friedrich von Schiller. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Opernhaus. lIustigen Weiber von Windsor. Komisch⸗phan⸗ tastische Oper in 3 Akten von O. Nikolai. Text von H. S. von Mosenthal, nach Shakespeares leichnamigem Lustspiele. Tanz von Emil Graeb. 88. 7 ½ Uhr. 8
Schauspielhaus. 25. Vorstellung. Halali. Luft⸗ spiel in 4 Aufzügen von Richard Skowronnek. — Die stille Wache. Schwank in 1 Aufzug von Richard Skowronnek. Anfang 7 ½ Uhr. vs
24. Vorstellung. Die
ments⸗Vorstellung): Weh dem, der lügt! Anfang
7 ½ Uhr.
*Sonnabend: Die Weber. Sonntag, 2 ½ Uhr: Die Weber.
Weh dem, der lügt!
7 ½ Uhr:
Berliner Theater. Freitag (20. Abonne⸗ ments⸗Vorstellung): Böse Zungen. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Der Kompagnon.
Sonntag, 2 ½ Uhr: Der Kompagnon. — 7 ½ Uhr: Böse Zungen.
Lessing⸗Theater. Freitag: Die wilde Jagd. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Ghismonda. “X“
Sonntag: Die wilde Jagd.
Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25/26.
Freitag: Die Fledermans. Operette in
3 Akten nach Meilhac und Halévy bearbeitet von
C. Haffner und Richard Genée. Musik von Johann
Strauß. Regie: Herr OberRegisseur Epstein.
Dirigent: Herr Kapellmeister Adolph Ferron. An⸗ Sonnabend: Die Fledermans.
Residenz-Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Freitag: Fer⸗
in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗
arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.
hi2 Zulius Fritzsche. Deutsches Theater. Freitag (198. Abonne⸗ 8
nand’s Ehekontrakt. (Fil à la patte.) Schwank
Neues Theater. Schiffbauerdamm 42./5.
Freitag: Das liebe Geld. Schauspiel in 4 Akten von Elsa von Schabelski. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Demi⸗Monde. Sittenbild in 5 Akten von Alexandre Dumas.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Vorstellung des Vereins für Volksunterhaltung. — Abends 7 ½ Uhr: Festvorstellung zur Feier des Allerhöchsten Geburts⸗ fages Seiner Majestät des Kaisers. Zum ersten Male: Deutscher Franensinn. Schauspiel in 1 von H. von Mentzel. — Hierauf: Das liebe
eld.
Theater Unter den Linden. Bebhrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. — Freitag: Mit neuer Ausstattung. Der Probekuß. Operette in 3 Akten von Hugo Wittmann und Julius Bauer. Musik von Carl Millöcker. In Scene gesetzt von Dirigent: Herr Kapellmeister edermann. — Hierauf: Ballet⸗Divertissement. nfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Der Probekuß. Sonnabend, 2. Februar: Zweiter großer Masken⸗ ball.
Bentral⸗-Theater. Direktion: Richard Schultz. — Thomas a. G. Anna Bäckers. Josefine Dora.
um 144. Male: O, diese Berliner! Große
ofse mit Gesang und Tanz in 6 Bildern (nach
ingré's „Reise durch Berlin“) von Julius S. d. Musik von Julius Einödshofer. Anfang Sonnabend: O, diese Berliner!
Alte Jakobstraße Nr. 30. Freitag: Emil
“
Adolph Ernst⸗Theater. Freitag: Auf⸗ treten der Grotesktänzerin Miß Rose Batchelor vom Prince of Wales⸗Theater in London. Zum 32. Male: Ein fideles Corps. Große Gesangs⸗ posse mit Tanz. Nach dem englischen „A Gaiety Girl“ von Jonas Sidney frei bearbeitet von Eduard Jacobson und Jean Kren. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.
Konzerte
Konzert-Haus. Freitag: Karl Meyder⸗ Konzert. VII. Wagner⸗Abend, unt. freundl. Mitw. der Opernsängerin Fräulein Anna Kühlich.
Sing-Akademie. Freitag, Anfang 8 Uhr: IV. Konzert (Klavier⸗Abend) von Ferruccio B. Busoni.
v. Pachmann.
Birkus Renz (Karlstraße). Freitag: Große Komiker⸗Vorstellung. Humor! Witz! Laune! Auf⸗ treten sämmtlicher Clowns und des „August“ Mr. Lavater Lee in ihren wirkungsvollsten Entrées. Außerdem: Das Apportierpferd Mohr, hierauf: Prinz Carneval und sein Gefolge, vorgef. von Herrn R. Renz. Das Schulpferd Mikado, hierauf das irländ. Springpferd Blitz, ger. von Frau Renz⸗Stark. 8 und Madame Denis, komische Reitscene.
lle. Lola, Reitkünstlerin. Mr. Wassiliams, Jockeyreiter. Auftreten des Herrn Gustav Hüttemann (als Gast) mit seinem Schulpferde Cincinatus. Zum Schluß: Tjo Ni En. (Beim Jahreswechsel in Peking.) Neue Musik⸗Einlagen. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonnabend: To Ni En. 3
Sonntag: Anläßlich des Allerhöchsten Geburts⸗ festes Seiner Majestät des Kaisers zwei große Fest⸗ Vorstellungen, Nachmittags 4 Uhr (ermäßigte Preise) und Abends 7 ½ Uhr.
Familien⸗Nachrichten. Verlobt: Frl. Käthe Loebe mit Hrn. Pastor Paul Zunker (Putbus — Kaseburg). — Frl. Alice Kegel mit Hrn. Lieut. Fritz von Pelchrzim (Berlin). — Frl. Elise Gutsche mit Hrn. Amtsrichter Gustar Steulmann (Grätz, Prov. Posen). Geboren: Ein Sohn: Hrn. Landrath Erich von Saucken (Fischhausen). — Hrn. Finanz⸗Rath Fritz Keller (Stuttgart). — Eine Tochter: Hrn. Hauptmann Braun (Langfuhr). — Hrn. Marx von Zimmermann (Dresden). 8 1 Gestorben: Fr. Hauptmann Clementine von Kamptz, geb. von Wedel (Berlin). — Fr. Gerichts⸗ Assessor Marie Goeschen, geb. Weber (Halle a. S.). — Hr. Oberst z. D. Otto Frhr. von Lüding⸗ hausen⸗Wolff (Berlin). — Hr. Geh. Sanitäts⸗ Rath Dr. Julius Bechert (Polzin). — Fr. Staats⸗ anwalt Jeanne von Goldammer, geb. Kleinclaus (Mülbausen i. Els.). — Fr. Justiz⸗Rath Friede⸗ ricke Sturm, geb. Weygoldt (Driesen).
—
Verantwortlicher Redakteur:
J. V.: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlage Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage)
sowie das Sachregister des Deutschen Rei Anzeigers und fens Preußischen Staats⸗ Anzeigers für 1894.
No. 21.
Deutscher Reichstag. 21. Sitzung vom Mittwoch, 23. Januar, 1 Uhr.
Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der gestrigen
Nummer berichtet worden. 8 „Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der am
Mittwoch, 16. d. M., abgebrochenen Berathung des Antrags der Abgg. Dr. Kropatschek, Jacobskötter und Genossen (dkons.) auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs, betreffend die Einführung des Befähigungsnachweises und Verbot der Abgabe von Waaren seitens der Konsumvereine an Nicht⸗ mitglieder, in Verbindung mit den von verschiedenen Parteien dazu gestellten Anträgen.
Nach dem Abg. Beckh, der zunächst sprach, erhält das Wort der
Abg. Metzner (Zentr.) : Dem Staatssekretär Dr. von Boetticher war in der vorigen Woche die Aufgabe zugefallen, die Regierungs⸗ politik in Bezug auf das Handwerk zu vertheidigen, obwohl an ihr eigentlich nichts zu vertheidigen ist. Wenn alle Regierungsmitglieder der Ansicht sind, die der Staatssekretär vorgetragen hat, so kommen wir in der Handwerkerfrage keinen Schritt weiter, und der Staats⸗ sekretär Dr. von Boetticher kann im nächsten Jahre die gleiche Rede halten, wie in der vorigen Woche. Wenn die Regierungs⸗ vertreter sagen, die Handwerkerkammern würden eine gute Grund⸗ lage für die Beurtheilung der Frage der Organisation des Handwerks abgeben, so kann ich nur sagen: Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Wenn die Regierung jetzt noch nicht weiß, was dem Handwerk noththut, so wird sie nie zu der Erkenntniß kommen. Die Berufung auf Oesterreich ist irrelevant. Wir wollen nicht die österreichischen Bestimmungen über den Be⸗ fähigungsnachweis in allen Einzelheiten. Dort ist der Befähigungs⸗ nachweis in die Hände von liberalen Handelskammern gelegt, und doch wollen die österreichischen Handwerker den Befähigungsnachweis nicht missen. Was in Oesterreich verfehlt an der Bestimmung ist, kann man bei uns vermeiden. Nach dem Vorredner müßten die Handwerker sich in Bayern in einer überaus glücklichen Lage befinden; und doch kommen gerade aus Bayern Zustimmungen zu unseren Bestrebungen, und in München ist der Sitz des allgemeinen Handwerkerbundes. Es muß in der nächsten Zukunft für das Handwerk etwas Durchgreifendes ge⸗ schehen, wenn ihm geholfen werden soll. Alljährlich werden Tausende von selbständigen Handwerkern durch die Großindustrie vernichtet, und wenn die Regierung nicht bald eingreift, dann ist es zu spät. Es wäre zu wünschen, daß endlich den schönen Versprechungen Thaten folgen.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:
Meine Herren! Ich kann es ja begreifen, wenn der Herr Vor⸗ redner sich in Bezug auf die Gestaltung der Organisation des Hand⸗ werks einem gewissen Pessimismus hingiebt, und ich verstehe es namentlich, daß er, der mitten in der Handwerksbewegung steht, auch den sehnlichen Wunsch hat, daß wir bald zu einer bestimmteren Ge⸗ staltung der Organisation des Handwerks gelangen. Allein, wenn der Herr Vorredner heute wieder darauf zurückgekommen ist, der Re⸗ gierung Vorwürfe darüber zu machen, daß die Sache nicht in einem schnelleren Tempo marschiert, und wenn er namentlich den verbündeten Regierungen untergelegt hat, sie würden die Sache so anfassen, daß sie „dem Handwerk ab und zu einen Knochen hinwerfen“, ohne gründliche Arbeit auf einmal zu leisten, so thut er nicht allein den verbündeten Regierungen Unrecht, sondern hat auch meine Ausführungen in den früheren Sitzungen durchaus mißverstanden. Wie liegt denn die Sache? Die bekannten Berlepsch'schen Vorschläge sind der Kritik des korvorierten Handwerks und auch des übrigen Handwerks und der Königlich preußischen Behörden, die mit der Gewerbeverwaltung zu thun haben, unterstellt worden. Diese Kritik ist eine sehr eingehende
gewesen, aber sie hat zu dem Ergebniß geführt, daß man annehmen mußte,
das Handwerk selber, wenigstens soweit es sich um das korporierte Handwerk handelt, lege keinen sonderlichen Werth auf die Durch⸗ führung der damals vorgeschlagenen Organisation, und ich glaube, der Herr Vorredner selbst wird mir nicht Unrecht geben, wenn ich sage, daß auch er kein Freund der in jenen Vorschlägen in Aussicht ge⸗ nommenen Organisation ist, denn diese Organisation genügte ihm bei weitem nicht, (Zuruf) — eben weil also weder Zwangsinnungen in Aussicht genommen waren, noch in dieser Organisation von dem Befähigungsnachweis die Rede war. Nachdem die Kritik eingezogen worden war, sahen wir, daß wir zu neuen Entschlüssen kommen mußten. Hierbei erschien es aber vor allen Dingen nothwendig, uns die Ueberzeugung zu verschaffen, daß ein bestimmter Plan, den wir auszuarbeiten und demnächst den gesetzgebenden Faktoren vorzulegen haben, auch wirklich für die Interessen des Handwerks heilsam ist. Ja, meine Herren, Sie schütteln mit dem Kopf! Ich kann Ihnen versichern, — ich habe das neulich schon gesagt —, daß ich persönlich, wenn ich im Lande reise und mich mit den Leuten unterhalte, viel mehr und viel häufiger auf diese Anschauung gestoßen bin: „Verschont uns mit den Zwangsinnungen“ — als daß für die Zwangsinnungen von seiten der Handwerker, die mir begegnet sind, ein Wort eingelegt worden wäre. Ich habe Ihnen neulich schon angeführt, daß sowohl in Elsaß⸗Lothringen wie am Rhein, namentlich in südlichen Distrikten des Rheins, und auch in weiten Theilen Süddeutschlands, in Baden, Hessen und Württemberg gar keine Schwärmerei für die Zwangs⸗ innungen vorhanden ist. (Hört, hört! — Sehr richtig! links.) Also, meine Herren, was blieb uns weiter übrig, als einen Weg zu suchen, auf dem wir dazu gelangen können, einmal wirklich die Stimmung in den Kreisen des Handwerks — die zu sondieren ja schon an sich sehr nützlich wäre — bezüglich der Organisationsfrage zu erforschen? Ich habe Ihnen die Entstehungsgeschichte des neuesten Planes neulich hcs vorgetragen, daß ich auf den Gedanken gekommen in, zunächst Kammern zu bilden, welche als eine autoritative Dicje vang des gesammten Handwerks angesehen werden können. Fa eberzeugung hat nach allen Vorgängen, wie sie uns vorliegen, sch 1 weiteres gewonnen werden können, und namentlich läßt vun 8 Bedenken nicht kurzer Hand zurückweisen, daß, so intensiv Gb ie Bewegung, die von seiten des korporativen Handwerks be⸗ auf die Herstellung von Zwangsinnungen geht, doch das 1ag “ Handwerk über diese Frage voraussichtlich sehr einer dn r nsicht huldigt. (Sehr richtig! links. — Widerspruch rechts n der Mitte.) Nun hat man gesagt — darin
hat man mich jedoch miß⸗
b8 Erste mmer zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußisch
Berlin,
Donnerstag, den 24. Januar
verstanden —, daß diese Kammern nach dem Muster der preußischen Landwirthschaftskammern gebildet werden sollten. Keineswegs war das die Absicht, sondern ich habe vielmehr nur gesagt, daß der Vor⸗ gang auf dem Gebiet der Landwirthschaft mich auf den Gedanken gebracht hat: ebenso wie man dort zunächst die Kammern bilden will, um zu erfahren, wie die Landwirthschaft über die Heilmittel, die bei ihrer gegenwärtigen Nothlage angewendet werden können, denkt, so sollte man auch auf dem Gebiet der Gewerbegesetzgebung zunächst einmal autoritative Körperschaften schaffen, die man fragen kann: Wie denkt Ihr über die Organisation des Handwerks, wie denkt Ihr über den Befähigungsnachweis, wie denkt Ihr über alle diese Fragen, die jetzt so weite Kreise bewegen? Also lediglich ein Vorgang ist es gewesen, keineswegs ein Muster.
Wenn man uns nun den Vorwurf macht, wir wollten ein Dach schaffen ohne Unterbau, so ist auch dieser Vorwurf unbegründet. Wie liegt denn die Sache? Die Kammern sollen nicht etwa wie Athene aus dem Haupt des Jupiter zur Erscheinung gelangen, sondern wir wollen sie aus dem Handwerk selbst heraus und durch die Wahl der Handwerker selbst herstellen. Ob es auf die Dauer dabei bleibt, ob wir demnächst diesen Kammern als Unterbau — was ich für zweck⸗ mäßig halten würde — eine Genossenschaft geben, das bleibt der künftigen Erwägung anheimgestellt.
Also, meine Herren, so ganz irrationell ist die Sache nicht, wie wir sie geplant haben, und wenn der Herr Vorredner den Wunsch ausgesprochen hat, daß wir endlich einmal mit einem Vorschlage her⸗ vortreten möchten, so theile ich diesen Wunsch durchaus, er liegt auch wesentlich in meinem eigenen Interesse; denn für mich — darin hat der Herr Vorredner ganz Recht — ist es nicht erfreulich, alle Jahre immer wieder in diesem Hause über dieselben Dinge zu verhandeln.
Der Herr Vorredner ist nun wieder auf den Befähigungsnach⸗ weis gekommen. Ich habe vorhin schon angedeutet, daß der Be⸗ fähigungsnachweis eine Frage ist, gegenüber welcher sich der Bundes⸗ rath bisher ablehnend verhalten hat. Ob man später, wenn man erst die Organe des Handwerkerstandes besitzt, an der Hand ihrer Gutachten zu einer andern Entscheidung kommen wird, lasse ich dahin⸗ gestellt. Jedenfalls ist die Frage des Befähigungsnachweises eine außerordentlich bestrittene, und der Hinweis auf Oesterreich, das kann ich dem Herrn Vorredner sagen, würde mich von der Nützlichkeit des Befähigungsnachweises nicht überzeugen. Ich befinde mich, wie ich Ihnen schon neulich gesagt habe, im Besitz einer sehr werthvollen Aeußerung des früheren Reichsrathsabgeordneten Dr. Freiherrn von Hertling, eines früheren Fraktionsgenossen des Herrn Vorredners, der sich in einer im vorigen Jahre im bayerischen Reichsrath gehaltenen Rede in folgender Weise ausgesprochen hat:
„Der Hinweis auf Oesterreich kann ganz gewiß nicht den Erfolg haben, daß wir uns für die Einführung des Befähigungsnachweises erwärmen. Im Gegentheil, die dort gemachten Erfahrungen erwecken die Ueberzeugung, daß von dieser Maßregel kein Heil zu erwarten ist.“
Wenn also ein so hervorragender Mann der Wissenschaft, der sich mit diesen Dingen eingehend beschäftigt hat, zu einem so abfälligen Urtheil kommt, dann, glaube ich, wird man mir nachsehen, wenn ich mindestens einige Zweifel an der Heilsamkeit des Vorschlags der Wiedereinführung des Befähigungsnachweises hege. Also ich bitte den Herrn Vorredner, sich nicht darüber zu wundern, wenn man den Befähigungs⸗ nachweis nicht so ohne weiteres vorschlägt. Ich habe übrigens außer dem Herrn Freiherrn von Hertling für meine Auffassung noch andere Bundesgenossen, und gerade Bundesgenossen aus den Reihen des korporierten Handwerks. Mir liegt hier ein Aus⸗ schnitt aus dem Organ des Innungsverbands der deutschen Dach⸗, Ziegel⸗ und Schieferdeckerinnung vor, in welchem der Erlaß einer Kaiserlich österreichischen Statthalterei, der Statthalterei zu Wien, mitgetheilt wird, in welchem es u. A. heißt:
„Es sei dahin zu entscheiden, daß die Herstellung des Wagen⸗ oberbaues ausschließlich den Wagenschlossern, die des Wagenunter⸗ baues ausschließlich den Wagenschmieden, dann die Erzeugung der Wagenfedern beiden Gewerben gemeinsam zusteht, während zum Hängen (Zusammenstellen) der Luruswagen ausschließlich die Wagen⸗ schlosser berechtigt sind. In Orten, wo keine Wagenschlosser existieren, sind die Wagenschmiede befugt, alle den Wagenschlossern zukommenden Arbeiten vorzunehmen (Heiterkeit links), was natürlich mutatis mutandis, wo keine Wagenschmiede vorhanden sind, zu gelten hat.“ (Heiterkeit links.)
Dazu macht diese Zeitung, also wie gesagt das Organ eines Innungs⸗ verbands, die Bemerkung:
„Bei näherem Zusehen liegt das allerdings an den Hand⸗ werkern zum guten Theil selbst. Anstatt nämlich die ihnen ein⸗ geräumten Befugnisse gegen die eigentlichen Bedränger durch strammen Zusammenschluß in Kreditvereinen oder dergleichen, also gewissermaßen in corpore, nach außen zu verwerthen, kehrt man die Waffen in unkglaublicher Kurzsichtigkeit gegen die eigenen Standesgenossen, haut der Schlosser auf den Schmied und der Schmied auf den Schlosser, anstatt daß beide in diesem Falle auf den Wagenfabrikanten (sehr gut! links) einhauen müßten. Wir fangen jetzt wirklich an zu zweifeln, ob sich die Sache bei uns anders gestalten würde.“
Meine Herren, Sie werden mir zugeben, so ganz ohne sind hier⸗ nach die Bedenken, die man gegen den Befähigungsnachweis aufstellen kann, doch wohl nicht. Wir werden das aber alles mit den Organen, die wir zu schaffen beabsichtigen, überlegen, und ich hoffe, der Herr Vorredner wird uns mit seinen Fraktionsgenossen bereitwillig unter⸗ stützen, wenn wir mit der Vorlage auf Einführung der Handwerker⸗ kammern kommen werden.
Abg. Lotze (Refp.): Wenn die staatserhaltenden Parteien hier Anträge auf Organisation des Handwerks und den Befähigungsnach⸗ weis einbringen, so sollte die Regierung es sich doch ernstlich über⸗ legen, ob sie solche Anträge hartnäckig ablehnen will. Gerade der Widerspruch der Sozialdemokraten gegen unsere Bestrebungen sollte die Regierung stutzig machen. Wir haben die Hoffnung, vaß es noch nicht zu spät ist, dem Handwerk zu helfen. Aber lange darf diese
sowie
abgesetzt.
Hilfe nicht zögern; denn die Gefahr wird immer größer. Zum Be⸗ weise für die Nothwendigkeit des Befähigungsnachweises braucht man nur auf das Baugewerbe zu verweisen. Wir werden unsere Forde⸗ rungen für das Handwerk so lange wiederholen, bis sie bei der egie⸗ rung Anerkennung finden.
Abg. Dr. Schneider (fr. Volksp.):
Die Forderung des Abg. Gamp, daß besondere Gewerbebanken für das -he werden sollen, ist nicht begründet; die vorhandenen Genossenschafts⸗ banken und die sonstigen Kreditanstalten reichen vollkommen aus. Die Idee der Handwerkerkammern nimmt sich so aus, als wolle die Re⸗ gierung nächstens ein förmliches Handwerker⸗Parlament einberufen. Ueber die Handwerkerkammern läßt sich ein abs ließendes Urtheil frei⸗ lich noch nicht abgeben, zumal man noch nicht weiß, ob sie als Ober⸗ oder Unterbau der ganzen Organisation gelten sollen. Der Befähigungsnachweis würde sich sehr bald als die größte Be⸗ lästigung des Handwerks erweisen wegen der Unmöglichkeit einer genauen Abgrenzung der einzelnen Gewerbe. Man braucht dabei nicht erst auf Oesterreich zu verweisen; es giebt ein viel näher liegendes Beispiel, nämlich die Zeit von 1849 bis zum Erlaß der jetzigen Gewerbeordnung in Preußen. Es ist ein Unglück für unsere Handwerker, daß sie seit zehn Jahren die Ansicht vertreten, es müsse absolut etwas Besonderes für sie geschehen. Hätte die Regierung schon vor zehn Jahren die Erklärung abgegeben, die der Staatssekretär Dr. von Boetticher jetzt abgegeben ban⸗ bezüglich des Befähigungs⸗ nachweises, so würde die Bewegung im Handwerkerstande nicht solche Dimensionen angenommen haben. Mit Organisationsplänen nützt man dem Handwerk nicht; von Vortheil sind nur praktische n. regeln, wie die Unterstützung des gewerblichen Unterrichts. Ich hoffe, daß die Regierung von ihren Organisationsplänen noch Abstand nehmen wird.
Abg. Kühn (Soz.): Die Blüthe des Handwerks liegt schon hinter uns; sie gehört zu den mehr und mehr verschwindenden Dingen. Mit einer Organisation und mit dem Befähigungsnachweis wird man dem Handwerk “ nicht mehr helfen. Die früheren Innungen sind an ihrer eigenen Korruption zu Grunde gegangen. Wenn das Großkapital für das Handwerk eintritt, kommt mir das so vor, als ob der Wolf sich zum Beschützer des Lamms aufwirft. Die Erklä⸗ rungen der Regierung wecken die Befürchtung, daß sie sich auf die Dauer dem Ansturm für den Befähigungsnachweis nicht widersetzen wird. Sie können dem Handwerk nicht helfen, da Sie die Mittel nicht bewilligen koͤnnen, die allein wirksam sein würden. Diese Mittel würden die heutige Gesellschaftsordnung vernichten. Nur die sozialistische Gesellschaft wird einen gesunden Mittelstand haben.
Als Antragsteller erhält das Schlußwort der
Abg. Dr. Kropatschek (dkons.): Der Gang der Debatte hat mich nicht besonders befriedigt; besonders bedaure ich die etwas scharfe Abweisung seitens der Regierung. Im Jahre 1879 wurden unsere Bestrebungen für das Handwerk ebenso bekämpft wie jetzt; alles, was für die Innungen seither geschehen ist, mußte der Regierung förmlich abgerungen werden. Und doch ist in den fünfzehn Jahren manches erreicht, was früher für unmöglich galt. Heute stehen zwar noch nicht die obligatorischen Innungen, aber doch schon die obligatorischen Fachgenossenschaften im Programm der Regierung, und ich gebe die Hoff⸗ nung nicht auf, dn der Staatssekretär Dr. von Boetticherfin einigen Jahren sich auch no für die obligatorischen Innungen aussprechen wird. Ich freue mich, daß die uns znnächst sebee Partei, die Reichspartei, sich mit dem Gedanken des Befähigungs⸗ nachweises befreundet hat. Im Jahre 1881 wurde von dem damaligen Abg. Lohren jeder Gedanke daran rundweg abgelehnt. Auch die nationalliberale Partei hat sich seit“ dem Jahre 1881 in Bezug auf die Handwerkerfrage geändert. Die Noth zur Zeit hat sie dazu gedrängt. Prinzivielle Gegner des Be⸗ fähigungsnachweises sind nur die Freisinnigen und die Sozial⸗ demokraten. In der Rede des Abg. Kühn war mir eigentlich nur der Schlußsatz interessant, nur in der sozialistischen Gesellschaft werde ein gesunder Mittel⸗ stand sein. Ich meinte doch, im sozialistischen Zukunftsstaat werde es überhaupt keinen Unterschied mehr geben. Sagen Sie doch den Hand⸗ werkern, damit diese wissen, was ihnen bevorsteht, daß sie im sozia⸗ listischen Zukunftsstaat auch nur Arbeiter sein werden, die thun müssen, was ihnen befohlen wird. Zwangsinnungen und Befähigungs⸗ nachweis werden die Nothlage des Handwerks allein nicht beseitigen. Das Handwerk muß selbst auf seine Hebung bedacht sein. Vor allem 88 Fe Keit 885 2e wieder bei nn einziehen, dann wird
er Moment kommen, wo auch die Regieru Forderungen nicht mehr widerstehen wird.
Die Nr. 1 des Antrags Kropatscheck⸗Jacobskötter, die
5 4 8 * 8 c 7 Einführung des Befähigungsnachweises betreffend, wird mit sehr geringer Mehrheit angenommen.
Der auf den Nachweis der Befähigung bezügliche Theil der Anträge Gamp, von Kardorff u. Gen. ist damit erledigt.
Die Ziff. I, 1 dieser Anträge, die Organisation einer Vertretung des Handwerks in Handwerkerkammern be⸗ treffend, und die Ziff. II, die Einschränkung der Beschäftigung Strafgefangener betreffend, werden mit großer Mehrheit an⸗ genommen, die letztgenannte Ziffer nahezu einstimmig.
Das Haus tritt sodann in die Berathung der Nr. 2 des Antra 88 biß r. und Jacobskötter der damit zusammenhängenden anderweiten Anträge ein. Es nimmt das Wort der 1
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher:
Ich glaube dem Hause einen Dienst zu leisten, wenn ich mit⸗ theile, daß die Kaiserliche Ermächtigung zur Vorlegung eines Gesetz⸗ entwurfs an den Bundesrath eingegangen ist, welcher die Abänderung des Gesetzes über die Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossen schaften vom 1. Mai 1889 in Aussicht nimmt und insbesondere eine anderweitige Regelung des Verkehrs der Konsumvereine im Sinne eines Theils der hier vorliegenden Anträge bezweckt. Ich glaube, daß es gerathen sein wird, die Diskussion über diese Anträge hinauszuschieben, bis der Gesetzentwurf de Reichstag zugegangen sein wird. Ich hoffe, daß dies spätestens i einigen Wochen geschehen kann. Ich will dabei übrigens nicht damit zurückhalten, daß die vorliegenden Anträge nicht in vollem Umfang i diesem Gesetzentwurf berücksichtigt sind; aber man weiß ja noch nicht, welche Gestalt der Gesetzentwurf im Bundesrath gewinnen wird, und jedenfalls wird auch nachher immer noch, sobald der Gesetzentwurf dem Reichstag zugegangen ist, Zeit sein, die über den Inhalt des ensezg hinausgehenden Wünsche zur Besprechung im Hause zu ringen. 8
Auf Antrag des Abg. Dr. Hammacher (nl. Zustimmu bencanche r.n Fir eScher 00h mann (Refp.) wird die? erathung von der Tagesordnung 8
der dahin ging.