Morgens einen Choral von der Kuppel der Schloßkapelle bläst und die Spielleute der 2. Garde⸗Infanterie⸗Brigade mit den oboisten des Garde⸗Füsilier⸗Regiments unter “ Adjutanten vom inneren Schloßhofe vor Portal I des König⸗ lichen Schlosses aus durch dieses Portal, über den Schloßplatz, die Schloßfreiheit und dann die Linden, Mittelweg, entlang bis zum Brandenburger Thor und ebenso zurück marschieren. Bei Beginn der Defiliercour im Königlichen Schlosse werden durch die Leib⸗Batterie 1. Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regi⸗ ments im Lustgarten 101 Salutschüsse gelöst werden. Um 12 ½ Uhr findet im Zeughause große Paroleausgabe statt.
Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 24. Januar zur Feier des Geburtstags König Friedrich's II. und zur Feier des Geburtsfestes Seiner Majestät des Kaisers und Königs eine öffent⸗ liche Sitzung, welcher der vorgeordnete Minister der geist⸗ lichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse beiwohnte. .
Der vorsitzende Sekretar Herr Vahlen eröffnete die Sitzung mit einer Festrede, in welcher er dem doppelten Anlaß der Festfeier gebührenden Ausdruck gab und sodann über die Beziehungen Herder's zu der Akademie im Zeitalter Friedrich's des Großen sich verbreitete.
Darauf wurden die Berichte über die fortlaufenden größeren wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie erstattet, über die Politische Korrespondenz Friedrich's des Groͤßen, die Acta Borussica, die Sammlung der griechischen Inschriften, die Sammlung der lateinischen In⸗ schriften und die Prosopographie der römischen Kaiserzeit. Ueber das Corpus nummorum wurde mitgetheilt, daß von der Sammlung der Druck des ersten Bandes begonnen hat. Für die Bearbeitung der kleinasiatischen Münzen wird eine Herrn Mommsen in Veranlassung seines fünfzigjährigen Doktor⸗Jubiläums zur Verfügung gestellte Summe von etwa 28 000 ℳ, welche derselbe der Akademie überwiesen hat, verwendet werden. Von den Aristoteles⸗ Kommentaren sind der siebente und zehnte Band, welche die Schriften von Simplicius de coelo und in physica enthalten, herausgekommen. Von der neuen Ausgabe der griechischen Kirchenväter befindet sich der erste Band, die Werke Hippolyt’s enthaltend, im Druck; der Druck von Origenes c. Celsum soll demnächst beginnen. Gemeinsam mit den Akademien und
elehrten Gesellschaften in Göttingen, Leipzig, München und Wien hat die Königliche Akademie der Wissenschaften die Herstellung eines Thesaurus linguae latinae in Angriff genommen. 3 1
Ferner wurde über einige mit der Akademie verbundene Stiftungen berichtet: die Humboldt⸗Stiftung, die Bopp⸗ Stiftung, die Savigny⸗Stiftung, die Eduard Gerhard⸗Stiftung und die A1““ Die Savigny⸗Stiftung hat von dem Wörterbuch der klassischen Rechtswissenschaft das erste Heft unter dem Titel „Vocabularium iurisprudentiae Romanae“ im Druck erscheinen lassen. Dem Bericht, welchen Herr Mommsen über die Wentzel⸗Heckmann⸗Stiftung erstattete, ist Folgendes zu entnehmen:
Frau Maria Elisabeth Wentzel, geb. Heckmann, hat, wie bereits früher mitgetheilt wurde, im Mai 1894, den Absichten ihres Gemahls, des 1889 verstorbenen Berliner Architekten Hermann Wentzel ent⸗ sprechend und zum ehrenden Andenken ihres Vaters, des 1878 hoch⸗ bejahrt verstorbenen Berliner Fabrikbesitzers Karl Julius Heckmann, die Hermann und Elise, geb. Heckmann, Wentzel⸗Stiftung zu Gunsten der vorher um ihre Einwilligung befragten Akademie begründet. Unter dem 7. Juli desselben Jahres ist die Stiftung unter Verleihung der Korporationsrechte Allerhöchsten Orts bestätigt worden. Das Kapital beträgt anderthalb Millionen Mark, wocon die Zinsen zum dritten Theil vom 1. Januar d. J. an, vollständig nach dem Tode der Stifterin für die Zwecke der Stiftung verwendbar werden. Es ist der Zweck der Stiftung, ohne statutarische Bevorzugung eines einzelnen Forschungsgebiets wissenschaftliche Unternehmungen größeren Umfangs zu fördern. Das Vorschlagsrecht steht jedem ordentlichen Mitglied der Akademie zu; die Leitung und die schließliche Entscheidung ist einem Kuratorium übertragen, welches von dem Unterrichts⸗Minister sowie je drei von den beiden Klassen der Akademie von fünf zu fünf Jahren erwählten ordentlichen Mitgliedern gebildet wird. Ueber die Verwendung der Stiftungseinkünfte wird nach Vorschrift des Statuts in der akademischen Friedrich's⸗Sitzung, und zwar, da die erstmalige Vergebung nach dem 31. März 1896 stattfindet, zuerst im Januar 1897 von dem Kuratorium Bericht erstattet werden. Das Kuratorium hat, den Bestimmungen des Statuts ent⸗ sprechend, sich konstituiert und es gehören demselben für die erste, bis zum 31. März 1900 laufende Periode außer dem vorgeordneten Minister, der zugleich den Ehrenvorsitz führt, an: die Herren Mommsen als Vorsitzender, Auwers als Stellvertreter des Vorsitzenden, Landolt, Möhius, Tobler und Weinhold. So wie Seine Majestät mit der Bestätigung der Stiftung der Stifterin zugleich Seinen Königlichen Dank ausgesprochen hat, gab auch Herr Mommsen im Namen der Akademie der dankbaren An⸗ ertennung derselben für diese hohe Ehrung und mächtige Forderung ihrer Arbeiten Ausdruck. Oft genug sei in akademischen Kreisen die Klage laut geworden, daß für die ungeheuren Anforde⸗ rungen, welche die Zukunft der Wissenschaft an eine die Wissenschaft in ihrer Gesammtheit vertretende Anstalt stellt, die materiellen Mittel nicht ausreichten, und es hätten aus diesem Grunde wieder und wieder berechtigte Wünsche unterdrückt, zukunftreiche Pläne unausgeführt bleiben müssen. Jetzt werde in ungeahntem Umfang vieles möglich werden, was es bisher nicht war. Es sei zu hoffen, daß die Akademie, dem ihr bewiesenen Vertrauen entsprechend, die mannigfaltigen Auf⸗ gaben in gutem Einverständniß angreifen und die großen Mittel in großem Sinne verwalten werde.
Zum Schluß berichtete der Vorsitzende über die seit der öffentlichen Sitzung im Januar 1894 in dem Personal⸗ stande der Akademie eingetretenen Veränderungen.
Die Akademie hat durch den Tod verloren: die ordent⸗ lichen Mitglieder der physikalisch⸗mathematischen Klasse August
undt, Hermann von Helmholtz und Nathangel Pringsheim; das ordentliche Mitglied der philosophisch⸗historischen Klasse August Dillmann; die auswäͤrtigen Mitglieder Giovanni Battista de Rossi in Rom und Heinrich von Brunn in München; die Ehrenmitglieder Don Baldassare Boncompagni in Rom und Georg Hanssen in Göttingen; die korrespondierenden Mit⸗ lieder der physikalisch⸗mathematischen Klasse Joseph Hyrl in Wien, Charles Marignac in Genf, Moritz Traube in Berlin und Pafnutij Tschebyschew in St. Petersburg; die korrespon⸗ dierenden Mitglieder der philosophisch⸗historischen Klasse Heinrich Brugsch in Berlin, Aureliano Fernandez Guerra y Orbe in Madrid, Heinrich Keil in Halle, Habbo Gerhardus Lolling in Athen, Charles Newton in London, William DwigthWhitney in New⸗Haven und K. E. Zachariae von Lingenthal in Großkmehlen. Neu gewählt wurde als ordentliches Mitglied der physikalisch⸗ mathematischen Klasse Herr Max Planck. Das langjährige ordentliche, spätere Ehrenmitglied Herr Zeller wurde zum aus⸗ wärtigen Mitglied gewählt und diese Wahl durch Allerhöchsten Erlaß vom 14. Januar bestätigt.
Sämmtliche Schulen der Stadt Berlin feierten den Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers und Königs bereits heute durch festliche Akte und patriotische Veranstaltungen: .““
Im Sophien⸗Gymnasium hielt Oberlehrer Dr. Knauff die Fest. rede über die Jugendbildung Kaiser Wilhelm's II.; unter den Vor⸗ trägen der ersten Gesangklasse befand sich auch der „Sang an Aegir“. Bei der Feier im Königlichen Real⸗Gymnasium gingen der Gesang der Neukomm'schen Motette „Der König freue“ und eine Psalm⸗ verlesung der Festrede des Oberlehrers Dr. Heinze voraus, in welcher die Gründung und Enwickelung der hiesigen Akademie der Wissenschaften durch die Könige Preußens dargestellt wurde. Im Wilhelms⸗Gymnasium schilderte Oberlehrer Dr. Doehler vor den Schülern der oberen und mittleren Klassen die Entwickelung der deutschen Flotte; den unteren Klassen führte alsdann Direktor Dr. Kübler die Bedeutung des Festes vor Augen. Das Königstädtische Gymnasium veranstaltete in seiner Turnhalle ein großes Schauturnen unter Leitung des Turnwarts Kregenow. Das Turnen bestand aus Reigen, Frri. und Geräthübungen, Uebungen mit Stäben und volksthümlichen
ebungen sowie einem Musterturnen der Vorturner. Die Festansprache hielt der Direktor, Professor Dr. Wellmann. Im Sophien⸗Real⸗ gymnasium sprach Oberlehrer Dr. Blaschke über nordische Götter⸗ und Heldensage im Vergleich und im Verhältniß zur deutschen. Die Sänger der Schule trugen die Motette Gott segne den Kaiser“ und das niederländische Lied „Dankgebet“ vor. In der Friedrichs⸗Werderschen Ober⸗Realschule behandelte die Festrede des Oberlehrers Dr. Violet die Entstehun und den Ausbau der Verfassung des Deutschen Reichs. Das Ho auf den Kaiser brachte Direktor Dr. Ulbrich aus. Im Königlichen Luisen⸗Gymnasium fanden zwei Feiern statt; in der einen hielt Ober⸗ lehrer Dr. Greifeld, in der anderen Oberlehrer Dr. Denicke die Fest⸗ rede. Auch hier forderte der Direktor Dr. Kern selbst zum Hoch auf den Kaiser auf. Im Friedrichs⸗Gymnasium, wo die Feier mit dem Chorgesang „O Herr, es freue sich der König“ eingeleitet wurde, gab Dr. Sello ein anschauliches Lebensbild des Fürsten Blücher. Dreyer's Lied „Gruß an den Kaiser“ beschloß den patriotischen Akt. In der großen städtischen Turnhalle in der Prinzenstraße hatte die Luisenstädtische Ober⸗Realschule ein Schauturnen veranstaltet, dem auch die Angehörigen der Schüler beiwohnten. Die Festrede hielt Pro⸗ fessor Dr. A. Krause I. Im Luisenstädtischen Realgymnasium wurde zur Einleitung der Feier ein „Preislied“ von Mühry nach der Musik aus dem Oratorium „Samson’ von Händel vorgetragen, Festredner war Oberlehrer Dr. Mann. Im Lessing⸗Gymnasium hatte Professor Dr. Siecke die Ansprache übernommen. Im Dorotheen städtischen Realgymnasium schilderte Dr. Neukranz die Entwickelung der Marine unter Kaiser Wilhelm II. Im Falk⸗Realgymnasium trugen die Schüler selbst durch Deklamationen zur Verschönerung des Festakts wesentlich bei. Im Berlinischen Gymnasium zum grauen Kloster, wo Professor Dr. Tiedke Festredner war, wurde die Feier mit dem Gesang eines Psalms und der Grell’schen Hymne „Domine salvum fac regem“ eröffnet. Der Handelsschule war für die ersten Nach⸗ mittagsstunden die städtische Turnhalle in der Prinzenstraße zur Ver⸗ anstaltung eines Schauturnens überlassen. Im Friedrichs⸗Real⸗ gymnasium sprach Oberlehrer Dr. Tropfke über die Förderung, welche die Hohenzollern dem Turnen haben angedeihen lassen. Direktor Dr. Gerstenberg brachte das Hoch auf Seine Majestät aus. Vor den Schülern des Leibniz⸗Gymnasiums sprach Oberlehrer Prüsmann. In der Aula des Französischen Gymnasiums hielt in einer Vorfeier stud. jur. Tavernier eine lateinische Rede über „Justitia funda- mentum rei publicae“; bei der Hauptfeier sprach Oberlehrer Dr. Dietrich über Toleranz und Pflichttreue bei den Hohenzollern“. Fest⸗ redner im Königstädtischen Realgymnasium war Oberlehrer Dr. Mögelin; im Askanischen Gymnasium sprach Oberlehrer Beyer über die Entwickelung der deutschen Flotte; im Andreas⸗Realgymnasium hatte Dr. Schleich die Festrede, Herr Rückert die Leitung der Gesänge übernommen; im Humboldt⸗Gymnasium schilderte Dr. Schrodt Preußens deutsche Politik von 1815 bis 1850, und im Friedrich⸗ Wilhelms⸗Gymnasium hatte sich Oberlehrer Günther den Großen Kurfürsten als Thema gewähl 8 8
““
g. “ . . “ I16“ Die Kommission für die 1 Lesung des
Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich setzte in den Sitzungen vom 21. bis 23. Januar die Berathung des Erbrechts fort.
Die §§ 2025 bis 2044 betreffen den Erwerb der Erb⸗ schaft. Der § 2025 bringt den Grundsatz zum Ausdruck, daß die Erbschaft, vorbehaltlich des Rechts der Ausschlagung, mit dem Erbfall kraft des Gesetzes auf den Erben über⸗ geht. Dieser Grundsatz wurde sachlich gebilligt.
Nach dem § 2026 Abs. 1 gilt eine nach dem Erbfall geborene, aber zur Zeit des Erbfalls bereits empfangene Person in Ansehung des Anfalls der Erb⸗ schaft als schon vor dem Erbfall geboren. Diese Vorschrift findet, wie der Abs. 2 hinzufügt, auf die Nacherbfolge mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß an die Stelle des Erbfalls der Fall der Nacherbfolge trete. Gegen den sach⸗ lichen Inhalt der bezeichneten Bestimmungen erhob sich kein Widerspruch. Man war aber einverstanden, daß die Vor⸗ schrift des Abs. 1 schon durch den zu § 1752 beschlossenen Zusatz gedeckt und deshalb hier zu streichen sei.
Der § 2027 gewährt für den Fall, daß infolge einer zur Zeit des Erofalls oder des Eintritts der Nacherbfolge be⸗ stehenden Schwangerschaft die Geburt eines erbberechtigten Kindes zu erwarten ist, der Schwangeren, sofern sie außer stande ist, sich selbst zu unterhalten, für die Zeit der Schwangerschaft einen Anspruch auf standesmäßigen Unter⸗ halt aus dem Nachlasse oder, wenn noch andere Personen als Erben berufen sind, aus dem Erbtheil, zu welchem der Ungeborene im Fall der Geburt allein oder in Gemeinschaft mit anderen berufen ist. Die Vorschrift gelangte mit der Abweichung zur Annahme, daß der Unterhalt nur aus dem Erbtheile verlangt werden kann, der im Fall der Geburt dem Kinde gebühren würde; dabei soll die Größe des Erbtheils so bestimmt werden, wie sie sich ergiebt, wenn nur ein Kind geboren wird. Ein Antrag, der Wittwe des Erblassers, wenn sie zur Zeit des Erb⸗ falls schwanger ist, in noch weiterem Umfang einen Anspruch auf Unterhalt aus dem Nachlasse zu gewähren, als dies im § 2027 vorgesehen ist, wurde abgelehnt.
Die Vorschriften der §§ 2028 bis 2032 über die Aus⸗ schlagung und die Annahme der Erbschaft fanden in der Hauptsache die Zustimmung der Kommission. Einem Antrag, nähere Bestimmungen über die Annahme der Erb⸗ schaft durch stillschweigende, Erklärung Kupugehencgh. wurde keine Folge gegeben. Nach dem Entwurf muß die Ausschlagung der Erbschaft binnen einer Frist von sechs Wochen, wenn aber der Erbe sich bei Beginn der Frist im Auslande aufhält oder wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Auslande gehabt hat, binnen sechs Monaten erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfalle der Erbschaft und dem Grunde des Anfalls Kenntniß erlangt hat; sofern jedoch die Berufung auf einer Verfügung von Todeswegen beruht, nicht vor der Verkündung der Verfügung. Dazu war von einer Seite folgender Zusatz beantragt:
Frist
„Die läuft nicht ab, so lange nicht der Erbe
führt hat. Das Nachlaßgericht kann jedoch dem Erben eine der im § 2030 Abs. 1 bestimmten Frist gleiche Frist mit der Wirkung bestimmen, daß die Ausschlagung nach dem Ablauf der Frist ausgeschlossen ist. Die Frist soll nur auf den An⸗ trag eines Betheiligten, welchem der Wegfall des Erben zu statten kommen würde, oder eines Nachlaßgläubigers bestimmt werden.“ .
Die Mehrheit entschied sich jedoch gegen die Aufnahme des Zusatzes.
Der § 2033, welcher die Regel ausspricht, daß die Erh⸗ schaft nicht vor Beginn der Ausschlagungsfrist angenommen oder ausgeschlagen werden kann, wurde gestrichen. Dagegen gelangte der § 2034, welcher den Beginn der Aus⸗ schlagungsfrist für den Fall besonders bestimmt, wenn ein Pflichttheilsberechtigter als Erbe beschränkt oder be⸗ schwert oder mit einem Pflichttheilsanspruche belastet ist, mit den aus den Beschlüssen zu § 1981 sich ergebenden Aenderungen zur Annahme. Auch die Vorschriften der 8 2035 bis 2037 über die Annahme oder Aus⸗ schlagung der Erbschaft unter einer “ oder Zeitbestimmung sowie über die Beschränkung der Annahme oder Ausschlagung auf einen Theil der Erbschaft oder auf einen von mehreren dem Erben angefallenen Erbtheilen wurden im wesentlichen gebilligt. Der § 2038 Abs. 1, 2 entscheidet die Frage, ob der Erbe, wenn er aus verschiedenen Be⸗ rufungsgründen berufen ist, die Erbschaft aus dem einen Berufungsgrund ausschlagen, aus dem anderen annehmen kann. egen den sachlichen Inhalt dieser Bestimmungen erhob sich kein Widerspruch. Nach dem § 2038 Abs. 3 Satz 1 kann der Erbe, welcher in Gemäßheit der 886 1, 2 zur An⸗ nahme der Erbschaft aus einem weiteren Berufungsgrunde be⸗ rechtigt ist, die Ausschlagung für alle Berufungsgründe mittels einer und derselben Erklärung aussprechen. Man war ein⸗ verstanden, daß diese Vorschrift infolge der Streichung des § 2033 entbehrlich geworden und deshalb ebenfalls zu streichen sei. Die Auslegungsregel des § 2038 Abs. 3 Satz 2, derzufolge die Russchleaung im Zweifel auf alle Be⸗ rufungsgründe zu beziehen ist, 8 durch die Aus⸗ legungsregel ersetzt werden, daß die Ausschlagung wie die Annahme sich im Zweifel auf alle Be⸗ rufungsgründe bezieht, die dem Ausschlagenden oder An⸗ nehmenden zur Zeit der Ausschlagung oder Annahme bekannt waren. Die Vorschrift des § 2039, daß die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft unwiderruflich ist, erfuhr keinen Widerspruch.
Der § 2040 regelt die Anfechtung der Ausschlagung wegen Willensmängel. Ahgesehen von dem im Abs. 1 berücksichtigten besonderen Falle, wenn einem Pflichttheils⸗ berechtigten, der die Erbschaft wegen einer ihm auferlegten Beschränkung oder Beschwerung ausgeschlagen hat, der Wegfall derselben zur Zeit der Ausschlagung nicht bekannt war, läßt der Entwurf eine Anfechtung der Ausschlagung wegen Irrthums nicht zu. Vom Standpunkt des Entwurfs konnte insbesondere eine Anfechtung wegen sogenannten wesent⸗ lichen Irrthums nicht in Frage kommen, da ein solcher Irrthum die Nichtigkeit der Erklärung zur Folge hatte (§§ 98, 99 des Entw. I1). Nach dem Entwurf zweiter Lesung (§ 94 des Entw. II) begründet dagegen der sogenannte wesentliche Irrthum nur Anfechtbarkeit der Willenserklärung. Man war einverstanden, daß bei dieser Sachlage im § 20 auch die Anfechtung der Ausschlagung wegen eines im Sinne des § 94 des Entwurfs zweiter Lesung wesentlichen Irrthums zu berücksichtigen sei. Im übrigen wurden die Vorschriften des § 2040 sachlich gebilligt. Abs. 2 erhielt jedoch den Zusatz, dg6 bie WT der Ausschlagung als Annahme der Erb⸗
aft gilt.
Nach dem § 2041 muß die Anfechtung der An⸗ nahme der Erbschaft wegen Drohung oder Betrugs gegen⸗ über dem Nachlaßgericht in Verbindung mit der Ausschlagung in der für diese bestimmten Frist und serm erfolgen. Gegen den sachlichen Inhalt des § 2041 erhob sich kein Widerspruch. Entsprechend dem Beschluß zu § 2040, soll aber die Anfechtung wegen wesentlichen Irrthums hier gleichfalls zugelassen werden. Ferner wurde beschlossen, gegenüber der Annahme der Erb⸗ schaft abweichend von dem Entwurf ein Anfechtungsrecht auch dann zu gewähren, wenn die Versäumung der Ausschlagungs⸗ frist durch Drohung oder Betrug b worden ist.
Der § 2042 bestimmt die Wirkungen der Aus⸗ schlagung. Die betreffenden Vorschriften wurden nicht be⸗ anstandet. Auch die §§ 2043, 2044, nach welchen, falls der Erbe unter elterlicher Gewalt oder unter Vor⸗ mundschaft steht, regelmäßig zur Ausschlagung der Erb⸗ schaft die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich sein soll, fanden die Zustimmung der Kommission.
Im Anschluß an die Vorschriften des Entwurfs über die Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, war von einer 88 beantragt, im Art. 13 des Entwurfs des Einfuͤhrungs⸗
esetzes: 1) dem § 5 der Konkursordnung als Abs. 3 hinzu⸗ zufügen: 1 „Die Annahme oder Ausschlagung einer vor der Eröffnung des Verfahrens dem Gemeinschuldner angefallenen Erbschaft sowie eines vor diesem Zeitpunkte dem Gemeinschuldner an⸗ gefallenen Vermächtnisses steht nur dem Gemeinschuldner zu.“
2) der Nr. 2 des § 122 der Konkursordnung folgende Fassung zu geben:
r„2) wenn Darlehen aufgenommen, fremde Verbindlich⸗ keiten übernommen, zur Masse gehörende Gegenstände ver⸗ pfändet oder Grundstücke erstanden werden sollen.“
Diese Anträge wurden angenommen. 1
Die Berathung wandte sich sodann den Vorschriften über die Erbunwürdigkeit (§§ 2045 bis 2050) zu.
Der § 2045 führt unter vier Nummern die einzelnen Erb⸗ unwürdigkeitsgründe auf. Nach der Nr. 1 ist erb⸗ unwürdig, wer aus Vorsatz durch eine widerrechtliche Handlung den Erblasser getödtet oder bis zu dessen Tode in einen Zu⸗ stand versetzt hat, durch welchen der Erblasser zur Errichtung einer letztwilligen Verfügung unfähig wurde. Es wurde be⸗ schlossen, die Nr. 1 dahin zu ändern, daß erbunwürdig ist, wer vorsätzlich und widerrechtlich den Erblasser getödtet oder zu tödten versucht hat. Einem Antrage, die Erbunwürdig⸗ keit auch auf den Fall auszudehnen, wenn der Erbe wegen eines gegen den Erblasser begangenen Verbrechens zu Zuchthausstrafe verurtheilt worden ist, wurde keine Folge ge⸗ geben. Gegen die Nr. 2: „wer aus Vorsatz durch eine wider⸗ rechtliche Handlung den Erblasser an der Errichtung oder Auf⸗ hebung einer Verfügung von Todeswegen gehindert hat; erhob sich kein Widerspruch. In der Nr. 3: „wer den Erb⸗ lasser widerrechtlich durch Drohung oder Betrug zu einer
vhcedcghen in Besitz oder erbschaftliche Geschäfte 8 ge
kommission blieb indessen vorbehalten, ob der Grundsatz mit Rücksicht auf andere Vorsch
in Ansehung der Besitzklagen weittragende Ausnahmen. Die
Rath von Eisendecher hat einen ihm Allerhöchst bewilligten
Verfügung von Todeswegen bestimmt hat;“ sollen die Worte: „zu einer Verfügung von Todeswegen“ durch die Worte ersetzt werden: „zur Errichtung oder Auf⸗ hebung einer Verfügung von Todeswegen“. Die Nr. 4: „wer in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes⸗ wegen einer nach den Vorschriften der §§ 267 bis 274 des Strafgesetzbuchs strafbaren Handlung sich schuldig-gemacht hat;“ wurde nicht beanstandet. Als Ergänzung wurde dem § 2045 die Bestimmung beigefügt, daß die Erbunwürdigkeit nicht ein⸗ tritt, wenn der Erblasser eine andere Verfügung von Todes⸗ wegen getroffen hat, durch welche die aufgehobene Verfügung unwirksam geworden sein würde, oder wenn er die in Ansehung deren die strafbare Handlung begangen ist, auf⸗ gehoben hat. 8
Die Vorschriften der §§ 2046, 2047 über die Geltend⸗ machung der Erbunwürdigkeit durch Anfechtung ge⸗ langten in der Hauptsache 829 dem Entwurf zur Annahme. Der Abs. 3 des § 2046, demzufolge derjenige anfechtungs⸗ berechtigt ist, welcher Erbe sein würde, wenn der Erbunwürdige den Erblasser nicht überlebt hat, soll jedoch durch folgende Vorschrift ersetzt werden: „Anfechtungsberechtigt ist jeder, dem das Wegfallen des Erbunwürdigen, sei es auch nur mittelbar, zu statten kommt.“ 2
Der § 2048 Abs. 1, welcher die Wirkungen der Anfechtung regelt, wurde nicht beanstandet. Dagegen ent⸗ sich die Mehrheit dafür, die Vorschrift des Abs. 2, daß er Anfechtende die Erbschaft nicht ausschlagen könne, zu
stbeishen. 3
Nach dem § 2049 ist für den Erbunwürdigen ein Pflichttheilsanspruch kraft des Gesetzes ausge⸗ schlossen. Man war einverstanden, statt dessen zu be⸗ stimmen, daß, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen der Pflichttheilsberechtigte erbunwuͤrdig sein würde, der Pflichttheilsanspruch anfechtbar ist, auf die Geltend⸗ machung der Anfechtung aber die für die Anfechtung letztwilliger Verfügungen beschlossenen Vorschriften der §§ 1785, 1787a Anwendung finden sollen.
Gegen den § 2050, wonach die Anfechtung wegen Erb⸗ unwürdigkeit durch Verzeihung des Erblassers ausgeschlossen wird, erhob sich kein Widerspruch.
88 2051 bis 2057 enthalten Bestimmungen über die Wirkungen des Erbschaftserwerbes. 1
Der im § 2051 Satz 1 ausgesprochene Grundsatz, daß die zum Vermögen des Erblassers gehörenden Rechte und die vermögensrechtlichen Verbindlichkeiten des Erblassers kraft des Gesetzes auf den Erben übergehen, fand sachlich die Zustim⸗ mung der Kommission. Der Prüfung der Redaktions⸗
8 riften des Entwurfs überhaupt eines besonderen Ausdrucks bedürfe. Die Berathung des § 2051 Satz 2, welcher das Rechtsverhältniß der Mit⸗ rben zur Erbschaft betrifft, wurde einstweilen ausgesetzt. Der § 2052 entscheidet die Frage der Vererblichkeit des Besitzes an den zur Erbschaft gehörenden Sachen dahin, aß der Besitz nicht kraft des Gesetzes auf den Erben über⸗ geht. Von diesem Grundsatz machen aber die §§ 2053, 2054
Mehrheit entschied sich dafür, die 88 2052 bis 2054 zu streichen und statt derselben als § 779a zu bestimmen: „Der Besitz geht auf den Erben über.“
Kaiserin und
Der Ober⸗Hofmeister Ihrer Majestät der Königin, Freiherr von Mirbach hat sich durch einen Sturz von der Treppe beide Füße verstaucht und wird voraussichtlich längere Zeit zu Bett zubringen müssen.
Der Königliche Gesandte in Karlsruhe, Wirkliche Geheime
kurzen Urlaub angetreten.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Landes⸗Direktor des Fürstenthums Waldeck und Pyrmont von Saldern ist hier angekommen.
Der Regierungs⸗Assessor Zoberbier in Merseburg ist der Königlichen Regierung zu Posen zur dienstlichen Verwendung überwiesen worden.
Württemberg.
Seine Majestät der König ist, wie der „Staatsanzeiger für Württemberg“ meldet, heute früh 9 Uhr 47 Minuten nach Berlin abgereist, um Seiner Majestät dem Kaiser die Glückwün che zum Geburtstage persönlich auszusprechen. Mit Seiner Majestät hat sich auch Seine Durchlaucht der Fürst zu Waldeck und Pyrmont nach Berlin begeben.
Hessen.
Die Zweite Kammer lehnte gestern mit 29 gegen 16 Stimmen den Gesetzentwurf über die Organisation des Forstschutzes ab und nahm den Antrag auf Revision des katholischen Ordensgesetzes gegen 14 Stimmen an; ferner bewilligte die Kammer mit allen gegen 7 Stimmen die hausgesetzliche Dotation für die Prinzessin Alix, sedige Kaiserin von Rußland, anläßlich ihrer Vermählung, im Betrage von 34 286 ℳ Die Abgg. Osann und Ge⸗ nossen brachten einen Antrag ein, welcher die Neuorgani⸗ sation der höheren hessischen Staatsbehörden be⸗ weckt. In ihrer heutigen Sitzung bewilligte die Kammer ohne Debatte die Forderung für den Bau einer Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Worms. 11“
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.
Seine Königliche Hoheit der Herzog hat sich gestern zur Theilnahme an der Geburtstagsfeier . Mahestät des Kaisers nach Berlin begeben und wird am 28. d. M. nach Gotha zurückkehren.
Dem gestrigen Festesf en der deutschen Kolonie anläßlich des bevorstehenden Geburtstags Seiner Majestät des Deutschen Kaisers wohnten der deutsche Botschafter Graf zu Eulenburg, das Personal der deutschen Botschaft und
Trinkspruch aus, worin er bat, das Wohl desjenigen, dessen Weisheit, dessen Güte die Angehörigen des Deutschen Reichs verdankten, daß sie in diesem schönen Lande in Frieden die Güter genießen könnten, die sie ihr eigen nennten. „Der erhabene Bundesgenosse des Deutschen Kaisers und des Deutschen Volkes, Seine Majestät der Kaiser Franz Joseph lebe hoch!“ Nachdem die Hochrufe und die Volkshymne verklungen waren, brachte der Vorstand des reichsdeutschen Vereins „Niederwald“ Oertel einen Toast aus, worin er die innigsten Segenswünsche für Seine Majestät den Deutschen Kaiser aussprach und hinzu⸗ fügte: „Möge das Wirken Seiner Majestät für die Größe, Freiheit und Wohlfahrt des geliebten Vater⸗ landes von glücklichem Erfolge gekrönt sein, möge ihm auch ferner gelingen, mit dem erlauchten Herrscher Oesterreich⸗Ungarns die starke Bürgschaft eines dauernden Friedens in Europa zu erhalten!“ Oertel schloß: „Gott schütze, Gott erhalte Kaiser Wilhelm II. und sein blühendes Kaiserliches Süas. Seine Majestät der Kaiser Wilhelm lebe hoch!“
ie Versammlung stimmte jubelnd in die Hochrufe ein. Es wurde die deutsche Nationalhymne angestimmt und sodann ein Huldigungstelegramm an Seine Majestät den Deutschen Kaiser abgesendet.
Zu Ehren des Kommandanten und der Offiziere des vorgestern eingetroffenen deutschen Schulschiffes „Stein“ fand gestern in Triest bei dem deutschen General⸗Konsul ein Diner statt, woran der Statthalter mit seiner Gemahlin, der Kontre⸗Admiral Graf Casini, sowie die Spitzen der Zivil⸗ und Marinebehörden und zahlreiche hervorragende Persönlich⸗ keiten theilnahmen. 1
Der ungarische Minister⸗Präsident Baron Banffy und der Finanz⸗Minister von Lukacs trafen heute in Wien ein und statteten dem Minister⸗Präsidenten Fürsten Windischgrätz, dem Grafen Kälnoky und den übrigen Ministern Besuche ab. Baron Banffy wird morgen von dem Kaiser empfangen werden und sich am Montag den Mitgliedern des Kaiserlichen Hauses vorstellen.
Die „Politische Korrespondenz“ erklärt die Washingtoner Meldung, der österreichisch⸗ungarische Gesandte habe der Unionsregierung Retorsionsmaßregeln in Aussicht gestellt, falls die Herabsetzung der amerikanischen Zuckerzölle nicht bald erfolgen werde (siehe Nr. 18 d. Bl.),
ür nicht zutreffend. Der Gesandte sei nur beauftragt worden, sich den Schritten der Vertreter jener Mächte anzu⸗ schließen, die in der gleichen Lage wie Oesterreich⸗Ungarn seien, und gegen die Bestimmung, daß der Zucker von Staaten, die Exportprämien gewährten, mit einem Zollzuschlag von 1/10 Cent pro Pfund belegt werden solle, als den österreichisch⸗ amerikanischen Vereinbarungen von 1892 widersprechend, Ver⸗ wahrung einzulegen. Zugleich wird die Erwartung ausgesprochen, daß die Unionsstaaten Abstand davon nehmen würden, dem österreichisch⸗ungarischen Zucker eine paritätische Behandlung mit den Produkten der meistbegünstigten Länder zu ver⸗ sagen, da bei fortdauernder differentieller Behandlung sich auch Oesterreich⸗Ungarn betreffs der nordamerikanischen Produkte freie Hand wahren müsse. Die Meldung, daß Oesterreich⸗ Ungarn in dieser Angelegenheit weitergegangen sei als die übrigen Mächte und Wiedervergeltungsmaßregeln angedroht habe, ist daher, wie die „Politische Korrespondenz“ sagt, voll⸗ kommen unbegründet.
Die Kommission des böhmischen Landtags hat die Regierungsvorlage über die Einreihung Weckelsdorfs in die Landtagswahlordnung mit allen gegen die Stimmen der Jungezechen angenommen. Im Laufe der Debatte griffen die Jungezechen Pacak und Dvorak die Deutschen owie den Großgrundbesitz an und warfen ihnen vor, daß sie die Reaktion förderten. Die Altezechen ver⸗ ließen den Saal mit der Erklärung, in dieser Angelegenheit nicht mitberathen zu wollen. Die Redner der Deutschen, Funke und Langer, wiesen die Angriffe auf die Koalition sunac. der Referent Graf Zedtwitz schloß sich diesen Aus⸗ ührungen an.
Der Triestiner Landtag beschloß gestern einstimmig, an die Regierung und den Reichsrath eine Petition zu richten, worin verlangt wird, die Führung der Standesregister den Seelsorgern abzunehmen und staatlichen oder Gemeinde⸗ behörden zu übertragen. Der Vertreter der Regierung wies demgegenüber auf die gesetzlich genügend vorge⸗ sehene Kontrole der Matrikelführung und auf die höhere Bil⸗ dung der Seelsorger als Vorsteher kleiner Gemeinden hin, trat jedoch dem Antrage formell nicht entgegen.
Der ungarische Minister⸗Präsident Baron Banffy hat sich gestern Abend nach Wien begeben. B
Großbritannien und Irland.
„Der Staatssekretär der Kolonien Marquis Ripon hielt gestern in Blackburn eine Rede, worin er erklärte, Homerule nehme auch jetzt noch den ersten Platz in der liberalen Politik ein. Es sei aber unnütz, jetzt daran u denken, da man wisse, daß die Maßregel von vorn⸗ eerrein vom Oberhause verurtheilt sei. Die Regierung werde an das Land appellieren, das zu entscheiden haben werde, welches Haus die Kontrole über die Gesetzgebung ausüben solle. Die Entscheidung des Volks werde von der Regierung respektiert werden.
Oberst Welby und zwei andere Offiziere des Regiments „Royal Scots Greys“ begeben sich heut über Berlin nach St. Petersburg, um den Kaiser Nikolaus, den Chef des Regiments, zu begrüßen.
Frankreich. Ribot hat sich gestern Vormittag mit Brisson besprochen. Am Nachmittag berieth sich Ribot mit Challemel⸗Lacour,
Méline und Poincaré. Mit Bourgeois kam Ribot noch nicht zusammen. Gestern Abend fand bei Ribot eine Zu⸗ sammenkunft statt, die sich bis nach 1 Uhr Morgens aus⸗ dehnte. Es ses sicher, daß Ribot die Finanzen mit der Präsidentschaft übernehmen werde; Ribot wird heute seine Unterhandlungen fortsetzen.
Die beiden radikalen Gruppen der Deputirten⸗ kammer hielten gestern Nachmittag eine Sitzung ab, worin sie beschlossen, jedes radikale Kabinet zu
André de Trémontel, der frühere Präfekt von Korsika und Vorstand des zahlungsunfähig gewordenen Spar⸗ vereins, ist wegen Betrugs verhaftet worden.
Der Chef des transkaspischen Gebiets Kuropatkin hat, wie „W. T. B.“ meldet, vorgestern St. Petersburg mit dem
die Vertreter der Bundesstaaten, im e etwa 150 Per⸗ sonen bei. Der Botschafter Graf zu Eulenburg brachte einen
Auftrage verlassen, dem Schah die ronbesteigung des Kaisers bekannt zu geben. ef 9ns
das erste Glas zu leeren auf
Der Chef des Generalstabs, General Obrutschew ist plötzlich an einem Augenleiden erkrankt. Dem „Grashdanin“ zufolge flößte sein Zustand einige Besorgniß ein, doch ist nach den letzten Mittheilungen eine Besserung eingetreten.
Ein Kaiserlicher Ukas ordnet an, daß aus der Reichs⸗ Rentei jährlich 50 000 Rbl. für hilfsbeduürftige Gelehrte, Literaten und Publizisten anzuweisen seien, theils zu einmaligen Unterstützungen, theils zu lebenslänglichen Pensionen. Der Minister für Volksaufklärung, der Finanz⸗Minister und der Präsident der Akademie der Wissenschaften sind mit der Aus⸗ arbeitung der näheren Bestimmungen betraut worden.
Der landwirthschaftliche Konseil berieth gestern unter dem Vorsitz des Ackerbau⸗Ministers die Frage der landwirthschaftlichen Bildung und nahm die folgende Resolution an: Der Konseil glaubt, daß die Volks⸗ schule als eine der wichtigsten Pflanzstätten der land⸗ wirthschaftlichen Aufklärung dienen kann, jedoch nicht, indem sie theoretische Unterweisun über die Land⸗ wirthschaft in ihr Programm aufnimmt, Ee⸗ durch lebendige und praktische Thätigkeit des Lehrers als eines unterrichteten Landwirths. Es ist daher nothwendig, dafür Sorge zu tragen, daß jede Schule die erforderliche Landparzelle und die Mittel für eine selbständige Lehrwirthschaft erhält.
Italien. 8
Die „Riforma“ erklärt übertriebenen Gerüchten gegenüber, daß die Zahl der nach Afrika gehenden Truppen 2000 nicht erreiche. Die Sendung diene größtentheils zum Ersatz beurlaubter Mannschaften, sowie der kleinen, in den epien Kerlitenen Verlufte. .
Spanien.
In der gestrigen Sißung der Deputirtenkammer be⸗ antragte der Abg. Velaseo, die Einfuhr ausländischen Ge⸗ treides zu untersagen, his die Getreidefrage endgültig ent⸗ schieden sein werde. Der Finanz⸗Minister erwiderte, die Gesetze erlaubten dieses Verbot nicht.
Schweiz.
Der Ausschuß des Nationalraths zur Prüfung der finanziellen Lage der Eidgenossenschaft beantragt einige Er⸗ sparnisse im Militär⸗Departement durch Verkürzung einzelner Kurse, ferner die Festsetzung eines jährlichen Maximums der Aus⸗ gaben für die Förderung der Kunst und des Landes⸗Museums, für die Erbauung von Wildbahnen, für Korrektionen, Straßen⸗ bauten und Hochbauten, für Aufforstungen ꝛc., sowie die Er⸗ böhung der von den Versicherungsgesellschaften zu entrichtenden
rämien auf 11 ½ Proz. Außerdem soll der Bundesrath die Frage der Gebührenerhöhung für Eisenbahnkonzessionen prüfen.
Die schweizerischen Zolleinnahmen des Jahres 1894 beliefen sich auf 41 200 000 Fr., d. i. eine Mehreinnahme von 4 200 000 Fr. gegenüber dem Voranschlag und von 2 822 000 Fr. gegen das Vorjahr.
Belgien.
In der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer entspann sich, dem „W. T. B.“ zufolge, eine lebhafte Dis⸗ kussion über die sozialen Fragen. Der katholische Depu⸗ tirte Eemann, der den sozialistischen Deputirten Anseele unterbrach, wurde von dem Präsidenten de Lantsheere zur Ordnung gerufen. Als Eemann darauf Anseele einen Toll⸗ häusler nannte, wurde er zum zweiten Male zur Ordnung ge⸗ rufen. Hierauf wurde an die Kammer appelliert, ob Eemann ermächtigt werden solle, sich über die Angelegenheit auszu⸗ sprechen. Der Präsident bekämpfte diese Ermächtigung. Als jedoch die gesammte Rechte sich erhob, um dafür zu stimmen, daß Eemann sich aussprechen solle, verließ de Lantsheere seinen Sitz und legte sein Amt als Präsident nieder, trotzdem ihn viele Deputirte dringend baten zu bleiben. Unter lebhafter Bewegung wurde die Sitzung aufgehoben
Griechenland. “
Das gestern erschienene amtliche Blatt veröffentlicht ein Dekret, durch welches die Kammer auf 40 Tage vertagt wird. Die Auflösung wird dem „W. T. B.“ zufolge wahrscheinlich vor Ablauf dieses Zeitraumes angeordnet werden.
Serbien.
Der König Alexander ist gestern Abend nach Paris abgereist. Eine gestern veröffentlichte Proklamation des Königs betraut den Ministerrath mit der Regentschaft.
Die Ernennung des Generals Pantelic zum Gesandten in Berlin ist nunmehr vollzogen. Der Gesandte in Bukarest Mijatowic geht in gleicher Eigenschaft nach London und wird durch den Ersten Sekretär des Auswärtigen Amts Kosta Ristic ersetzt. Der frühere Handels⸗Minister Lazär Jova⸗ nowic ist zum General⸗Konsul in Saloniki ernannt worden.
Bulgarien.
Die „Agence Balcanique“ bestreitet, daß in der ein⸗ geborenen Bevölkerung sich Unzufriedenheit gegen die Accise bemerkbar mache; nur einige Ausländer hätten auf das Gerücht von einer bevorstehenden Einsprache der Großmächte hin Schwierigkeiten gemacht. Man halte übrigens an der Hoffnung fest, daß es der Regierung gelingen werde, die Schwierigkeiten mit Oesterreich⸗Ungarn beizulegen.
“ Amerika.
Nach einer Meldung des „W. T. B. aus Washington glaube man dort, die Regierung werde demnächst im Kon⸗ greß eine Vorlage einbringen, durch welche sie zur Aus⸗ gabe von 500 Millionen dreiprozentiger Obliga⸗ tionen ermächtigt werde.
Die Repräsentantenkammer hat ein nommen, worin die Zurückziehung und Tilgung der Goldzertifikate genehmigt wird. Viese Zertifikate werden vom 1. Juni ab von den Zollbehörden zurückgewiesen werden.
Der Senat hat ein Gesetz über den Kanal von Ni⸗ caragua angenommen.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Buenos Aires, der Finanz⸗Minister der Provinz Buenos Aires habe gestern eine Besprechung mit dem nationalen Finanz⸗ Minister Romero in der Angelegenheit der Regelung der äußeren Schuld der Provinz Buenos Aires auf der Basis der Uebertragung der Arbeiten an dem Hafen von La Plata an die Nationalregierung gehabt.
Asien.
Gesetz ange⸗
Aus Yokohama berichtet das „Reuter'sche Bureau“, eine amtliche Depesche des Generals Kuter⸗ besage, die Chinesen hätten die Japaner am 17. d. M. bei Hai
angegriffen. Achttausend Mann unter General Chang hätter
dem rechten, sechstausend Mann unter General Vini dem
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