1895 / 25 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

(Columbia) ein Aufstand au gebroch zen

das Standrecht proklamiert worden sei. Bogota sei in Be⸗ lagerungszustand erklärt worden, da das Andringen der Aufständischen befürchtet werde. In der Provinz Tolima herrsche gleichfalls Aufruhr. Der Präsident von Co⸗ lumbia habe erklärt, da einigen Tagen wiederhergestellt sein werde.

Aus meldet das „Reuter'sche Bureau“, vom General Nodzu sei ein telegraphischer Bericht über die Einzelheiten der Schlacht bei Haitscheng am 22. Ja⸗ nuar eingegangen. Die Chinesen seien danach aus der Richtung von Liau⸗jang gekommen und bis auf 600 m Entfernung gegen die Japaner vor⸗ gerückt. Um 1 Uhr habe ein Theil der 5. Infanterie⸗ Brigade und ein Bataillon des 19. Regiments sowie die Ar⸗ tillerie den linken Flügel der Chinesen angegriffen. Diese, durch den Angriff überrascht, hätten die Flucht ergriffen. Nach Angaben von Gefangenen seien sie 20 000 Mann stark gewesen. Die Japaner hätten einen Todten und 26 Verwundete gehabt. Weiter berichte der General unter dem 26. d. M. aus Huntsai, daß etwa 8000 Mann Chinesen unter General Sung in der Nähe von Yingkow ständen. General Hsii halte Niutschwang besetzt. Der Feind habe am 25. bei Haitscheng seinen Angriff erneuert, sei aber zurückgeworfen worden. u“ Von gestern berichtet dasselbe Bureau, eine amtliche Depesche des Generals Nodzu melde: Ein Tartar Namens Lukor Ariskang ei von der Grenze Kirins, einer im östlichen Theile der Mand⸗ saune gelegenen Provinz, in das Lager der 5. Division ge⸗ kommen und habe von wilden Plünderungszügen der Chinesen berichtet. Gleichzeitig habe er die Dienste von 60 000 Mann für den Angriff auf Mukden angeboten, um an den Chinesen für deren Grausamkeiten Rache zu nehmen. Der Mann sei zuvorkommend aufgenommen worden; man habe ihm die Reisekosten erstattet, seine weiteren Dienste abgelehnt, indessen ihn angewiesen, über die Stellung des Feindes zu berichten. Die Depesche füge hinzu, in Haitscheng seien mehrere Petitionen der Eingeborenen aus der Gegend von Diayang angekommen, in denen eine schleunige Besetzung des Landes durch die japanische Armee erbeten werde. Die Stärke der chinesischen Armee in der Nähe von Niutschwang werde auf 10 000 Mann angegeben. Amtlich wird aus Jung⸗Tschen⸗Ken gemeldet, die Landung der japanischen Truppen sei am Mittag des 22. Januar beendet gewesen; die Chinesen hätten nur geringen Widerstand geleistet. Am Nachmittag des 21. sei Kanonen⸗ donner aus der Richtung von Wei⸗Hai⸗Wei vernommen und während der Nacht von Vorposten das Aufblitzen elektrischer Lichter aus derselben Gegend gemeldet wor⸗ den. Die Genietruppen hätten begonnen, die Wege in Stand zu setzen, um die Bewegungen der Artillerie zu er⸗ leichtern. Der Admiral Ito telegraphiere, die chinesischen Kriegsschiffe befänden sich noch im Hafen von Wei⸗Hai⸗ Wei. Am 21. d. hätten die Kanonen der Forts und die feindlichen Torpedos das Feuer auf die japanischen Schiffe eröffnet, jedoch ohne Erfolg. .“ 1““

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Tripolis gemeldet: Das britische Kriegsschiff „Dolphin“ sei am 18. d. vor Tokra eingetroffen. Der Kommandant und mehrere Offiziere, welche gelandet gewesen seien, hätten wieder an Bord gehen müssen, weil die türkische Garnison eine eerseg. gg

egen sie eingenommen habe. Nach Benghasi zurückgekehrt, 5 der Schiffskommandant es durchgesetzt, daß der Gouverneur Weisungen habe ergehen lassen, dem Anlaufen Tokra’s durch den „Dolphin“ kein weiteres Hinderniß in den Weg zu legen. Gleichzeitig sei der Oberbefehlshaber der türkischen Truppenabtheilung in Tokra beauftragt worden, sein

Verhalten zu entschuldigen.

länders

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Wie dem „Reuter’'schen Bureau“ aus Kapstadt vom 9. d. M. gemeldet wird, seien die Mörder des Eng⸗ ercy Christie in Damaraland von den deutschen Behörden nach dreitägigem Prozeß bestraft worden; einer sei erschossen, die anderen mit Gefängnißstrafen belegt worden. Das prompte Verfahren der deutschen Behörden finde allgemeinen Beifall.

Handel und Gewerbe.

New⸗York, 26. Januar. (W. T. B.) Die Börse eröffnete in träger Haltung; im weiteren Verlauf trat eine allgemeine Steige⸗ rung ein; der Schluß war lustlos bei festen Kursen. Der Umsatz der Aktien betrug 62 000 Stück. 1 1

Nach dem amtlichen Bericht betrug die Goldausfuhr. in der vergangenen Woche 7 220 000 Dollars. Heute wurden dem Schatz 75 000 Dollars Gold entnommen. Die Versicherer haben die Ver⸗ sicherungsprämie für Gold ermäßigt und werden in Zukunft die Liefe⸗ rung im Ausland zu einem bestimmten Zeitpunkt garantieren. Die Ermäßigung macht für jede Million ungefähr 150 Dollars aus.

Weizen eröffnete in fester Haltung und stieg dann infolge

großer Käufe und strammer Kabelberichte; später trat auf Realisation und ungenügende Exportnachfrage, sowie infolge der großen Goldver⸗ schiffungen in der vergangenen Woche Abschwächung ein. Schluß schwach. Mais einige Zeit nach Eröffnung steigend, entsprechend der senache⸗ des Weizens, später Reaktion und Abschwächung. Schluß träge. 8 renbericht. Baumwolle, New⸗York 511⁄16, do. New⸗ Orleans 51⁄16, Petroleum matt, do. New⸗York 5,80, do. Philadelph a 5,75, do. rohes 6,50 nom., do. Pipe line cert. p. Februar 100 ½, Schmalz West. steam 6,85, do. Rohe & Brothers 7,10, Mass willig, do. p. Januar 48 ¾, do. p. Februar 49, do. p. Mai 49 ¼, Weizen willig, rother Winterweizen 58 ⅜, do. Weizen p. Januar 57 ½, do. p. Februar 57 ¼, do. p. März 58, do. p. Mai 58 ⅛I Getreidefracht nach Liverpool 1, Kaffee fair Rio Nr. 7 16 ½, do. Rio Nr. 7 p. Februar 14,50, do. do. p. April 14,50, Mehl, Spring clears 2,30, Zucker 211⁄16, Kupfer 10. Nachbörse: Weizen ½ C. niedriger. 8

Der erth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 10 398 087 Doll., davon für Stoffe .“ Doll.

Verkehrs⸗Anstalten. Laut Telegramm aus Köln (Rhein) hat die zweite

englische Post über Ostende vom 26. Januar in Köln

den Anschluß an Zug 31 nach Berlin über Hegesgeig nicht erreicht. Grund: Zugverspätung wegen Schneefalls in Belgien. Grund des Ausbleibens der gestrigen für Zug 3 fälligen zweiten Post von London war Schiffsverspätung und starker Schneefall in Belgien.

Triest, 26. Januar. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Vorwärts“ ist heute Nachmittag hier eingetroffen. 8

London, 26. Januar. (W. T. B.) Der Castledampfer „Tantallon Castle“ ist auf der Ausreise heute von London abgegangen. Der Uniondampfer „Gaul' ist heute auf der Heim⸗ reise in Southampton angekommen.

t Theater und Musik. 1

82 11“ 1“ 4 Im Königlichen Opernhause wird morgen W. A. Mozar 8 „Zauberflöte“ unter Kapellmeister Weingartner's Leitung mit folgender Besetzung gegeben: Sarastro: Herr Mödlinger, Tamino: Herr Sommer, Königin der Nacht: Frau Herzog, Pamina: Fräulein Hiedler, Papageno; Herr Krolop, Monostatos: Herr Lieban, Papagena: Fräulein Dietrich, Sprecher: Herr Betz, Priester: rren Fränkel, Pbilipp, Drei Damen: Fräulein Kopka, othauser, Frau Lammert, Drei Genien: Damen Weitz, Deppe, Goetze. Richard Wagner'’s „Tristan und Isolde“ gelangt am Donnerstag, 31. d. M., mit Frau Sucher als Isolde und Herrn Gudehus als Tristan zur Aufführung. Kapellmeister Dr. Muck dirigiert. Im Königlichen Sagaesree geht morgen das Lustspiel „Wie die Alten sungen“ in Scene. Frau von Jage⸗ mann⸗Baumeister vom Königlichen Theater in Hannover gastiert als anne. ““ 8 Das Programm des Konzerts, welches die Violinvirtuosin Fräulein Irene von Brennerberg morgen unter Mitwirkung der Konzertsängerin Fräulein Jenny Rosa im Saal Bechstein ver⸗

1

anstaltet, bringt von Geigenkompositionen das VIII. Konert

von Spohr, das Adagio und Rondo von Rsverie von Marsick und Sielanka von Wieniawaßte ne äulein Rosa Olitzka wird in ihrem zweiten Konzert (Sing⸗ kademie) am Mittwoch unter anderen die altitalienischen Gesänge „Quella fiamma“ von Marcello und „Pre giorni son che Ninse von Pergolese, Beethoven's „In questa tomba“, „Gottes Zeit“ von Bach, Lieder von Schubert, Schumann, Franz, eine Arie aus St. Sasne’ „Samson und Dalila“ zum Vortrag bringen. Der Cello⸗ Virtuose Hugo Schlemüller aus Leivzig übernimmt die Mitwirku mit St. Saëns’ Cellokonzert in A-moll, einem 8 von Popper, einem Rondo von Boccherini und einer eigenen Komposition.

Mannigfaltiges. Das Ballfest des Vereins „Berliner Presse“ hat vor⸗

estern Abend in der Philharmonie stattgefunden und, wie in früheren Jahren, einen glanzvollen Verlauf genommen. Die prachtvoll ge⸗ schmückten Festräume waren von den Ehrengästen und Mitgliedern des Vereins dicht gefüllt. Gegen 10 ½ Uhr erschien der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, begleitet von seinem Sohn, dem Prinzen Alexander zu

ohenlohe und seinem Adjutanten, dem Hauptmann Grafen von Schönborn.

er Reichskanzler wurde von dem Vorsitzenden des Vereins, Kammer⸗ gerichts⸗Rath Wichert empfangen und in den Saal geleitet. Nach einem kurzen Rundgang durch den Saal nahm der Reichskanzler in der für ihn reservierten Loge Platz. Unter den Ehrengästen des Vereins befanden sich ferner: der Minister des Königlichen Hauses von Wedel, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr von Marschall, der Unter⸗Staatssekretär im Auswärtigen Amt Dr. von Rotenhan, der Großherzoglich badische Gesandte Dr. von Jagemann, der Herzoglich braunschweigische Gesandte Freiherr von Cramm⸗Burgdorf, der General⸗Arzt Dr. Grasnick, der Rektor der Universität, Professor Dr. Pfleiderer und zahlreiche hervor⸗ ragende Vertreter sämmtlicher Berliner Bühnen. Der gegen 10 Uhr begonnene lebhafte Tanz wurde um 12 Uhr auf kurze Zeit

unterbrochen. Das Musikkorps des Garde⸗Kürassier⸗Regiments durch eine

nahm auf dem Podium Aufstellung und erregte 1

schmetternde Fanfare die Aufmerksamkeit der Besucher, die an⸗ geregt durch Herrn Georg Schweitzer sich zu einem begeisterten och auf Seine Majestät den Kaiser und König bereinigten, Allerhöchstdessen Geburtstag soeben angebrochen war. Gleich⸗ zeitig erglühten Hunderte von elektrischen Lämpchen, während ein Scheinwerfer von der Galerie her die Scene magisch beleuchtete. Nachdem sodann die Nationalhymne verklungen, wurde in der üblichen Weise die Damenspende vertheilt, die diesmal in einem höchst geschmackvoll, elfenbeinartig mit Goldschnitt gebundenen Büchlein bestand, das poetische Beiträge der hervorragendsten Dichter der Gegenwart enthält und mit trefflichen Illustrationen reich ge⸗ schmückt ist.

Potsdam, 26. Januar. Dem Magistrat und den Stadt⸗ verordneten ist nachfolgendes Allerhöchste Dankschreiben Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin zugegangen:

„Ich spreche dem Magistrat und den Stadtverordneten der Residenzstadt Potsdam Meinen aufrichtigen Dank für die Mir zum Neuen Jahr dargebrachten herzlichen Segenswünsche aus. Mit Freude und Genugthuung haben den Kaiser und Mich im vergangenen Jahr die Fortschritte erfüllt, welche Potsdam auf kirchlichem Gebiet durch Inangriffnahme des Neubaues einer Kirche, eines Gemeindehauses und eines Pfarrhauses in der Brandenburger Vorstadt gemacht hat. Die Segnungen des Christenthums und die opferbereite Bethätigung desselben müssen mehr als bisher in alle Kreise des Volks hineingetragen werden; denn nur durch angestrengte und gemeinsame Liebesarbeit und durch willige Dankesopfer aller Treugesinnten wird man den Gefahren unserer Zeit wirksam entgegentreten und die mannigfachen Schäden heilen können. In diesem Sinne hoffe Ich, daß die städtischen Behörden und die Einwohner Potsdams auch in dem neuen Jahre weiterstreben und wirken und sich an allen Arbeiten, welche unser Herr und Heiland zur Ausbreitung des Wortes Gottes und zur Bewahrung der Nächstenliebe von uns fordert, gern betheiligen werden.

Berlin, den 18. Januar 1895.

Auguste Victoria. I. R.“

Dresden, 28. Januar. Auf besondere Anordnung Seiner Majestät des Königs findet heute zur Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers und Königs im Königlichen Hoftheater eine unentgeltliche Vorstellung für Kinder statt. Zur Aufführung soll Humperdinck's „Hänsel und Gretel“ gelangen.

Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.)

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Uebersicht der Witterung.

Auf dem ganzen Gebiete ist der Luftdruck ge⸗ stiegen, stark über Nordwest⸗Europa, sodaß die Witterung einen mehr beständigen Charakter ange⸗ nommen hat. Ein Hochdruckgebiet liegt westlich von Frland, flache Depressionen über Skandinavien und ienseits der Alpen. In Deutschland ist das Wetter ruhig, kalt, trübe und vielfach nebelig; stellenweise ist etwas Schnee gefallen; überall herrscht strenge Kälte, am kältesten ist es in der Pfalz, wo die Temperatur zu Kaiserslautern um 20 Gr. unter dem Gefrierpunkt liegt. In fast ganz Frank

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wolkig 8 wolkig 10 halb bed. 7 wolkenloo 12 bedeckt 11 2 bedeckt 17

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reich sowie größtentheils in England und Schottland herrscht Frostwetter. Harparanda meldet Minus 30 ½ Grad. Fortdauer wahrscheinlich.

Deutsche Seewarte.

˙˙,] Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 26. Vorstellung. Die Zauberstöte. Oper in 2 Akten von v Amadeus Mozart. Dichtung nach Karl Ludwig Giesecke, von Emanuel Schikaneder. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Weingartner. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 28. Vorstellung. Wie die Alten sungen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl Nie⸗ mann. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 ½ Uhr. 1 1

Mittwoch: Opernhaus. 27. Vorstellung. Ca⸗- valleria rusticana. (Bauern⸗Ehre.) Oper in 1 Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem gleichnamigen Volksstück von G. Verga. Bajazzi. (Pagliacci.) Oper in 2 Akten und einem Prolog. Musik und Dichtung von R. Leoncavallo, deutsch von L. Hartmann. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 29. Vorstellung. Die Nibe⸗ lungen. Ein deutsches Trauerspiel in 3 Abthei⸗ lungen von Friedrich Hebbel. Erster Abend. Erste Abtheilung: Der gehörute Siegfried. Zweite Abtheilung: Siegfrieds Tod. Anfang 7 ½ Uhr.

Deutsches Theater. Dienstag: Weh dem, der lügt! Abends 7 ½ Uhr. 5 Mittwoch: Der Talisman. Donnerstag: Weh dem, der lügt!

Berliner Theater. paguon. Anfang 7 ½ Uhr. 8

Mittwoch: Der Pfarrer von Kirchfeld.

Donnerstag: Zum ersten Male: Marienburg. Schauspiel in 5 Akten von Ernst Wichert.

Dienstag: Der Kom⸗

6 8

Lessing-Theater. Dienstag: Ghismonda. 1 8283 1 ittwoch: Die e Jagd.

Friedrich⸗Wilhelmstüdtisches Theater. Chausseestraße 25/26.

Dienstag: Der Bettelstudent. Operette in 3 Akten von sh Zell und Richard Genée. Musik von Carl Millöcker. Regie: Herr Ober⸗Regisseur Epstein. Dirigent: Herr Kapellmeister Baldreich. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Der Bettelstudent.

Residenz⸗Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lantenburg. Dienstag: Fer⸗ nand’s Ehekontrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Fepdeau, in deutscher Be⸗ arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch und folgende Tage: Fernand’s kontrakt.

Nenes Theater. Dienstag: Das liebe Geld. Mittwoch: Demi⸗Monde.

v“ Schiffbauerdamm 4a./5⸗-

“]

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Dienstag: Mit neuer Ausstattung: Der Probekuß. Operette in 3 Akten von Hugo Wittmann und Julius Bauer. Musik von Carl Millöcker. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Hierauf: Tanz⸗Divertissement. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Der Probekuß.

Zentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Rechard Schultz. Dienstag: Emil Thomas a. G. Anna Bäckers. Josefine Dora. Zum 148. Male: O, diese Berliner! Große

ofse mit Gesang und Tanz in 6 Bildern (nach

ingré's „Reise durch Berlin“) von Julius . Musik von Julius Einödshofer. Anfang r.

Mittwoch: O, diese Berliner!

Adolph Ernst⸗Theater. Dienstag: Auftre en der ersten Pirouette⸗ und Courbette⸗Tänzerin Eng⸗ lands Miß Rose Batchelor vom Prince of Wales⸗ Fahr in London. Ein fideles Corps. Anfang 7 r. 3

Mit b

Konzerte.

Konzert-Haus. Dienstag: Karl Meyder⸗ Konzert. Ouv. „Marca Spada“, Auber. „Wil⸗ helm Tell“, Rossini. „Der erste Glückstag“, Auber. Prolog a. „Der Bajazzo“ v. Leoncavallo. Phantasie a. „Cavalleria rusticana“ v. Mascagni. Romanze

[f. d. Violine v. Nachez (Herr Carnier). „Edelweiß

vom Semmering“ f. Piston v. Hoch (Herr Werner).

Saal Bechstein. Linkstraße 42. Dienstag, Anfang 7 ½ Uhr: Konzert der Violinvirtuosin Irene von Brenunerberg, unt. gef. Mitw. der Konzert⸗ sängerin Fräul. Jenny Rosa.

Birkus Renz. (Karlstraße). Dienstag: Große Extra⸗Vorstellung. I)10 Ni En. (Beim Jahres⸗ wechsel in Peking.) Neue Musik⸗Einlagen. Sen⸗ sationelle Tänze, u. a. Driginal! le grelots vivants,

sseu des barbichons ꝛc. Original! Nur noch drei⸗

maliges Auftreten des Herrn Gustav Hüttemann (als Gast) mit seinem Schulpferde „Cincinatus.“ Außer⸗ dem: Auftreten sämmtlicher Kunst⸗Spezialitäten, Damen und Herren, Vorführen und Reiten bestdress. Freiheits⸗, Spring⸗ und Schulpferde. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch, Abends 7 ½ Uhr.: Außerordentliche Vorstellung. II1o Ni En. Vorletztes Auftreten des Herrn Gustav Hüttemann (als Gast). 8 rs HxeteN AxRREExA2 rAxexens Familien⸗Nachrichten. Geboren: Ein Sohn: Hrn. Rittmeister von Klitzing (Potsdam). Hrn. Hauptmann a. D Hans Euen (Korschlitz bei Bernstadt, Schles.). Hrn. Georg von Bülow (Brunsrode). Gestorben: Hr. Lieut. Robert Elgnowski (Gne⸗ sen). Hr. Major a. D. aver von Mittelstaedt (Stettin). Hr. Geh. Ober⸗Hofkammer⸗Rath a. D. Gustav von Lentzcke (Berlin). Fr. Geh. Rath Julie Pfaff, geb. Schuster (Brandenburg). Hr. Ober⸗Kirchenraths⸗Präsident a. D. Kliefoth (Schwerin).

Verantwortlicher Redakteur:

J. V.: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

6“ 8 8 Zehn Beilagen 18 (einschließlich Börsen⸗Beilage). (153)

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Auszug aus der Festrede am Geburtstag Seiner Maiestät des Krisers, am 27. Januar 1895, in der Aula der Universität Verlin gehalten vom z. Rektor, Professor D. Pfleiderer.

Auch im Leben der Völker, wie des Einzelnen, giebt es Mark⸗ steine, die zum Rückblick und Ausblick auffordern, um über das ver⸗ worrene Getriebe des Augenblicks sich zu freier Höhe zu erheben und aus den Wegen der Vergangenheit die Aufgaben der Gegenwart und Zukunft zu erkennen. Solch ein Anlaß zu geschichtlicher Selbstbesse⸗ rung ist für das deutsche Volk der Geburtstag des Kaisers, in welchem das nationale Bewußtsein die Verkörperung der Idee der nationalen Einheit erblickt. Vor allen hat die Universität als Pflegerin der Geschichttwissenscheft die Aufgabe, durch Klärung des nationalen Selbstbewußtseins den Willen zu nationalem Wirken zu stählen. Wir hoffen daber zur würdigen Feier des nationalen Fest⸗ tags beizutragen durch Betrachtung des deutschen National⸗ bewußtseins in Vergangenheit und Gegenwart.

Daß das deutsche Volk später und schwerer, als die anderen Kulturvölker, zu einem wirklichen Nationalbewußtsein gekommen ist, ist die Folge theils der Anlage, theils der Geschichte unseres Volks. Das kräftige persönliche Selbstgefühl unserer Rasse neigt zu sprödem Individualismus, der sich der staatlichen Zufammenfassung der Volkstheile trotzig widersetzt. Dazu kam, daß die Mächte, welche eine gewisse Verbindung der Volksstämme seit dem 8. Jahrhundert bewirkten, internationaler Art waren: die römisch⸗katholische Kirche und das Kaiserthum, welches seit Karl d. Gr. die Idee des römischen Weltreichs wieder aufnahm und in der Kaiserkrone das Syhmbol und den Rechtstitel zu einer allgemeinen Weltherrschaft sah. Die Politik der großen sächsischen, salischen und staufischen Kaiser mag unter den Verhältnissen ihrer Zeit unvermeidlich gewesen sein, aber für die Bildung des deutschen Nationalstaats war sie verhängnißvoll. Sie verhinderte die Kaiser an der inneren Ordnung und Festigung des Deutschen Reichs, begünstigte die Er⸗ starkung der einzelnen Territorialgewalten und führte zum Konflikt mit der Kirche. An diesen Kämpfen verblutete das deutsche Kaiser⸗ thum im Mittelalter. Während aber die staatliche Einheitsform zerfiel. entwickelte sich in der mittelhochdeutschen Dichtung der Keim eines nationalen Bewußtseins, dem besonders der gemüthvolle Walther von der Vogelweide einen be⸗ Fgee Ausdruck gab. Schon hier läßt sich bemerken, daß dem

eutschen das staatliche Nationalbewußtsein aus dem idealen National⸗ gefühl, aus der Werthschätzung des inneren Gehalts des nationalen Lebens, erwachsen ist; während bei anderen Völkern aus der staatlichen Einheitsform das gemeinsame Nationalgefühl entstand, vollzog sich unsere Entwickelung in umgekehrter Richtung nach dem Gesetz: „Es ist der Geist, der sich den Körper baut“.

Die unter dem entfesselten Egoismus aller Stände in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters immer mehr gesteigerte Auflösung aller gemeinsamen Ordnung erweckte das allgemeine Verlangen nach Heilung der tiefen Schäden, nach Reform der Kirche und des Reichs. Durchschlagend wirkte aber erst das Auftreten Luther's, dessen reformatorische Schriften das religiöse Gewissen ergriffen und die Art an die Wurzel der römischen Hierarchie legten, zugleich aber auch an das nationale Ehrgefühl der Deutschen appellierten, und den Anspruch des Papstes über den Kaiser Gewalt zu haben, verurtheilten. Besonders war Ulrich von Hutten der begeisterte Herold dieser nationalen Motivpe, von welchen bald alle Stände der Nation durchdrungen waren. Daß es dennoch nicht zur Bildung des nationalen Staates kam, verschuldete der Kaiser Karl V., der für die nationalen deutschen Bestrebungen kein Verständniß hatte und sie durch seine fremdländischen Heere und durch die Jesuiten zu unter⸗ drücken versuchte. So kam es, statt der erhofften nationalen Wiedergeburt und Einigung, zur unheilbaren konfessionellen Spaltung des deutschen Volks, die zum Ausbruch des dreißigjährigen Krieges führte, unter dessen Greueln die letzten Regungen des nationalen Be⸗ wußtseins verschwanden. Der westfälische Frieden besiegelte die kon⸗ fessionelle und territoriale Zerrissenheit der deutschen Nation, die in⸗ folge ihres politischen und öͤkonomischen Verfalls auch moralisch und intellektuell immer mehr in Abhängigkeit vom Ausland versank.

Die Wiedererhebung aus diesem Verfall erfolgte auf zwei am Ziel zusammentreffenden Wegen: der eine war die Bildung einer neuen deutschen Literatur auf protestantischer Grundlage, der andere die Erstarkung des preußischen Staats zur führenden Macht des neuen Deutschen Reichs.

Der Protestantismus hatte an Luther's deutscher Bibel eine Quelle unerschöpflichen Segens für das ganze Geistesleben unseres Volks. An ihr verjüngte und kräftigte sich das Sprachgefühl, sodaß es die drohende Verwelschung zu überwinden und sich zur Vollkommenheit der Sprache Lessing's, Schiller's und Goethe's zu entwickeln vermochte. Aus ihr gewann das deutsche Bürgerthum die herzliche Frömmigkeit und das ernste Pflichtgefühl, welche der Anfang wahrer Weisheit sind. Der Pietismus war das erste Lebenszeichen des wiedererwachenden Geistes⸗ lebens unseres Volks nach tiefer Erstarrung. Mit ihm hingen auch die meisten unter den Begründern der neuen deutschen Dichtung und Literatur zusammen. Diese war freilich zunächst nicht bewußt national, sendern weltbürgerlich und individualistisch. Man legte nur Werth auf die menschliche Ausbildung der einzelnen und hielt das Nationale für eine gleichgültige Zuthat oder störende Schranke des rein Menschlichen. Darin zeigten sich die Denker und Dichter des vorigen Jahrhunderts in der Einseitigkeit der Denkweise ihrer Zeit befangen. Daß es ihnen aber doch am Sinn für ein kräftiges deutsches Staatswesen nicht fehlte, zeigt ihre Sympathie für Friedrich d. Gr. und sein siegreiches Heer. Unbewußt und ungewollt zwar, aber dennoch sehr wirksam haben der preußische Staat und die deutsche Literatur, diese beiden werdenden Großmächte jener Zeit, einander gegenseitig in die Hände gearbeitet zur Vorbereitung des künftigen nationalen Staates. An der dramatischen Verherrlichung der Tüchtigkeit und Pflichttreue der preußischen Armee in Lessing's „Minna von Barnhelm“ haben alle Deutschen sich patriotisch erbaut. Und Schiller, der in seinen Dramen das ISdeal der thatkräftigen, erfolgreichen Vaterlands⸗ liebe freilich an fremdländischen Beispielen seinem Volk vor Augen malte, ist dadurch der Prophet unseres eigenen er⸗ wachenden Nationalbewußtseins und seiner Thaten in den Befreiungs⸗ kriegen geworden.

Was die Dichter begonnen, haben die geschichtlichen Erfahrungen zu Anfang dieses Jahthunderls vollendet. Unter dem Druck der napolevnischen Fremdherrschaft lernte man den Werth und die Nothwendigkeit des selbständigen und einheitlichen natio⸗ nalen Staats kennen. Zu seiner Herstellung aber be⸗ durfte es einer sittlichen Wiedergeburt mittels nationaler Erziehung, wie sie Fichte in seinen Reden an die deutsche Nation forderte. Diese Ueberzeugung durchdrang alle Stände. Der König befahl die Gründung unserer Hochschule, damit der Staat an geistigen Kräften gewinne, was er an physischen verloren habe. Adel und Bürgerthum wetteiferten in Opferwilligkeit für das Vaterland. Die Gelehrten erforschten liebevoll die geschichtliche Vergangenheit unseres Volks, seiner Sprache, Sitten und Sagen. Die Studenten gründeten die deutsche Burschenschaft auf der Grundlage der Vaterlandsliebe. Es war ein neuer Geistesfrühling, so hoffnungsvoll, wie einst in den An⸗ fängen der Reformationszeit.

Aber der Erfolg blieb auch jetzt wieder hinter den begeisterten doffnungen weit zurück. Noch war es nicht möglich, die staatliche

inheit zu erringen; nur ein trauriges Zerrbild des hohen Ideals war

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preu

ön

Anzeiger.

1895

die deutsche Bundesverfassung. Der Unmuth des enttäuschten Volks weckte das Mißtrauen der Regierungen; die Nationalgesinnten wurden verfolgt, die Freiheit der Presse unterdrückt, die Mitwirkung des Volks an den öffentlichen Angelegenbeiten verweigert oder beschränkt, durch alles das aber das Nationalbewußtsein lahm gelegt. Ein doktrinäres Freiheitsstreben und weltbürgerliches Liebäugeln mit allem Fremden nahm wieder überhand. Dennoch war das deutsche Nationalbewußtsein auch in diesen Jahrzehnten nicht erstorben, sondern nur erkrankt und gelähmt. Es erhob sich schon bei der Bedrohung unserer Rheinlande im Jahre 1840 zu zorniger Ermannung und durchbrach vollends im Jahre 1848 alle Schranken und Dämme. Bei den Berathungen der Frankfurter Nationalversammlung zeigte sich der seit den Be⸗ freiungskriegen gewonnene Fortschritt in staatlicher Hinsicht, sofern die Mehrbeit erkannte, daß zur einheitlichen Spitze des künftigen Reichs sich nicht das vielsprachige, aus Deutschland herausgewachsene Oesterreich, sondern nur der rein deutsche preußische Staat eigne, dessen Lebensinteressen mit denen Deutschlands in eins zusammenfallen. Mit der Anbietung der deutschen Kaiserkrone an den König von Preußen war das Nationalbewußt⸗ sein in die richtige Bahn gelenkt, die allein zum Ziel führen konnte. Daß die gute Absicht nicht auf den ersten Wurf gelang, war natürlich und für die Sache kein Schade. Die Entscheidung über die künftige Führung Deutschlands konnte nur durch einen Waffengang zwischen den rivalisierenden Vormächten herbeigeführt werden. Per Tag von Königgrätz war das geschichtliche Gottesurtheil, das dem jahrhunderte⸗ langen Schwanken und Zweifeln über die definitive Gestaltung des deutschen Staats ein Ende machte.

Zunächst vermochte zwar der Süden unseres Vaterlands in diese Wendung der Dinge sich nicht zu finden. Er stand schmollend zur Seite und sah zu, wie sich im Norden der neue Bund unter der weisen Hand des gewaltigen Kanzlers zu stattlichem Bau erhob. Aber vom Augenblick der französischen Kriegserklärung an war aller Hader vergessen, begeistert eilte die Jugend aus Süd und Nord zu den Fahnen; die geeinigte deutsche Kriegsmacht warf unter der genialen preußischen Führung die feindlichen Heere in unerhörtem Siegeslauf nieder, gewann als Siegespreis das deutsche Kaiserthum und sühnte alte Schmach durch Wiedergewinnung einst geraubter Lande. So hatte endlich nach vielen Irrungen und schweren Prüfungen das deutsche Nationalbewußtsein seine feste staatliche Form im neuen Reich gefunden.

Um so zuversichtlicher dürfen wir nun hoffen, daß es sich auch künftig allen Gefahren gegenüber siegreich behaupten werde. In den antinationa⸗ len Erscheinungen der Gegenwart erkennen wir eine neue Form derselben alten Gegner, die wir früher zu bekämpfen hatten und überwunden haben. Der Ultramontanismus ist die Erneuerung des uralten An⸗ spruchs der römischen Kirche auf die Weltherrschaft; war er früher für uns verhängnißvoll, so lange das römisch⸗deutsche Kaiserthum auf derselben Idee der Welttheokratie beruhte, so ist das jetzt anders geworden, seit wir ein national⸗deutsches Kaiserthum auf protestantischer Grundlage haben, das mit dem Satze Ernst macht: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Weil wir überzeugt sind, daß uns unter dem Kaiserthum der Hohenzollern der Papst nicht mehr viel Schaden thun kann, können wir auch die natürlichen Verstimmungen unser katholischen Mitbürger ruhig ne und dürfen hoffen, durch brüderliche Geduld sie mit dem neuen Stand der Dinge auszusöhnen.

Mit dem Ultramontanismus ist die Sozialdemokratie viel näher verwandt, als man gewöhnlich annimmt. Beiden gemeinsam ist die internationale und antinationale Idee eines Weltreichs, das die Kirche als übernatürlichen Gottesstaat denkt und durch hierarchische Be⸗ herrschung der irdischen Staaten verwirklichen will, die Sozialdemokratie aber als natürlichen Menschheitsstaat, der durch revolutionäre Be⸗ seitigung der bestehenden Staaten verwirklicht werden soll. Diese Idee ist schon in früheren Jahrhunderten oft aufgetaucht und lag be⸗ sonders den Bauernaufständen und den Orgien der Münsterschen Wieder⸗ täufer zu Grunde, deren 8. mit dem der heutigen Sozial⸗ demokraten die auffallendste Verwandtschaft hatte. Luther hat damals die Obrigkeiten zur rücksichtslosen Niederschlagung dieses Unwesens aufgefordert, weil er e; war, daß eine Bewegung, die an den Grundfesten der sittlichen 2 Ffrdireh rüttle, keinen Anspruch auf Duldung habe, sondern als Macht des Unheils zu bekämpfen sei. Das Verwerfliche an der Sozialdemokratie ist nicht, daß sie die Lage der unteren Klassen verbessern will das wollen wir alle sondern daß sie in ihrer weltbürgerlichen Vaterlandslosigkeit unseren so theuer errun⸗ genen deutschen Staat wieder vernichten und auf seinen Trümmern

ein internationales Gemeinwesen errichten will, in dessen Chaos alle

Felchichtläche Gliederung und sittliche Ordnung der nationalen Staaten ich auflösen müßte. Es ist das so wenig eine fortschrittliche Idee, daß es vielmehr die allergründlichste Reaktion ist, die Rückkehr zu

dem uralten phantastischen Traum vom tausendjährigen Reich der

allgemeinen Glückseligkeit, Gleichheit und Freiheit.

Diesen Gefahren gegenüber besteht das sicherste Mittel zur Er⸗ haltung unseres deutschen Nationalstaats darin, daß in allen Gliedern unseres Volks das nationaldeutsche Bewußtsein zusammen mit der Ehr⸗ furcht und Treue gegen das Kaiserliche Haupt des Reichs gepflegt werde. Erziehung zum Deutschthum, wie sie Fichte gefordert hat, muß unsere Losung sein. Aber über die Art dieser Erziehung gehen die Meinungen noch vielfach auseinander. Es fehlt unter den eifrigen Patrioten nicht an solchen, welche aus dem Bildungsstoff unserer Schulen das ganze Alterthum möglichst zurückgedrängt sehen möchten. Dabei läuft bei löblicher Absicht hie und da doch einige Uebertreibung mit unter. Es könnte nicht zur Förderung des nationalen Bewußtseins gereichen, wenn der Inhalt unserer geistigen Kultur eine Schädigung oder Min⸗ derung erlitte; diese aber beruht wesentlich darauf, daß wir die Kultur⸗ schätze fremder Zeiten und Völker uns angeeignet und zu lebendigem geistigem Besitztbum gemacht haben. Wer könnte aus der Entwick⸗ lung des deutschen Volks den erziehenden Einfluß der Bibel oder der griechisch⸗römischen Literatur und Kunst hinwegdenken? Es wäre also im Widerspruch mit deutscher Art und Geschichte, wenn wir jetzt alles von Auswärts Ueberkommene ausscheiden und verschmähen wollten, um uns auf ein engherziges Deutschthum zu beschränken. Ziehen wir aber diese Ue Feeir ab, so bleibt allerdings ein werthvoller Wahrheitskern an den Fefhrrdetzen welche anf ent⸗ schiedenere Betonung des deutsch⸗nationalen Elements in unserem gesammten Erziehungswesen hinzielen. Hat doch unser Kaiser selbst in in der Versammlung deutscher Pädagogen das bedeutsame Wort gesprochen: „Wir wollen nicht junge Römer und Griechen, sondern junge Deutsche erziehen!“ Er wollte damit ohne Zweifel sagen, daß unsere Erziehung immer zum Endzweck haben soll die Heranbildung von solchen deutschen Bürgern, die nicht in fremder und vergangener Welt, sondern in der wirklichen Welt ihres Volks leben, die sich als die Erben einer großen Geschichte, als die Träger und Werkzeuge einer großen ihres Volks fühlen.

Auch die religiöse unseres Volks in Konfessionen und Parteien stammt zuletzt nur daher, daß wir allesammt noch immer viel zu sehr römische und griechische Christen sind und viel zu wenig dentsche Chriften zu sein gelernt haben. Das Christenthum hat in seiner geschichtlichen Entwicklung mehrfache Wandlungen durch⸗ gemacht, indem es sich den Volkscheratteren anpaßte: bei den Juden war es Wunderglaube, bei den Griechen wurde es zum Dogmen⸗ lauben, bei den Römern zum kirchlichen Staat, der Gehorsam gegen feine Priestersatzungen forderte, bei den Germanen aber wurde es zur Herzenssache der Personen, zum Bund der Treue zwischen dem Menschen und seinem Gott. Darum war das

deutsche Volk zur Reformation der Kirche prädestiniert. Aber es hat in die neuen Kirchen der Reformation noch viele Stücke vom griechischen und römischen Christenthum herübergenommen, von den mittelalterlichen Dogmen und Priestersatzungen; und eben diese undeutschen Stücke sind noch immer der Zankapfel, der unser Volk seines deutschen Christenthums nicht recht froh werden läßt und der auch die Wiedervereinigung der Konfessionen unmöglich macht. Wie aber, wenn wir den Muth fassen würden, auch bei unserer religiösen Erziehung nicht sowohl Griechen und Römer, als vielmehr Deutsche zu bilden, die die Dogmen⸗ und Priesterreligien dahintenlassen und das Christenthum der Ge⸗ sinnung und der That zur Wahrheit machen würden? Sollte dann nicht zu hoffen sein, daß die so peinlichen und verwirrenden Disso⸗ nanzen zwischen dem nationalen und dem religiösen Bewußtsein unseres Volks sich endlich auflösen und in dem heiligen Einklang deutscher die Einmüthigkeit deutscher Vaterlandsliebe ihren tiefsten rund und ihre höchste Weihe erhalten würde? 88

Vieles steht jetzt noch diesem Ideal allseitig geeinigten Deutsch⸗ thums entgegen. Mächtig wird unser Volk vom Kampf der Mei⸗ nungen und Interessen, der Stände und Parteien bewegt, und die Gegensätze scheinen sich oft eher zu verschärfen als zu mildern. In solcher sturmbewegten Zeit ist es uns eine tröstliche Beruhigung, daß wir, ob auch alles ringsum zu wanken und zu weichen scheint, w tens auf einen festen Punkt blicken können, der vom Wogen der Partei⸗ kämpfe unbewegt ruhig in sich selbst beharrt: auf das Kaiserliche Haupt unseres Deutschen Reichs. Darum wissen wir uns heute mit den Deutschen aller Gaue unseres Vaterlands einig in dem Wunsch:

Gott schütze, erhalte, segne unsern Herrn, den Kaiser und König! 88

„Friedrich I. von Preußen und die Kunst.“ Rede zur Feter des Allerhöchsten Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers und Königs am 27. Januar 1895, veranstaltet ben die 5 Akademie der Künste in Berlin. Von Professor Dr. Hans Müller, Erstem ständigen Sekretär und Senator der Königlichen Akademie der Künste. Hochgeehrte Festversammlung!

Ein alter, schöner Brauch vereinigt uns heute, wie alljährlich, an dieser Stelle. Festlich begeht weit und breit das deutsche Volk den Geburtstag seines Landesherrn, und wie es seit jeher eine schöne Ge⸗ wohnheit der Deutschen war, sich bei solcher Gelegenheit vergangener Wohlthaten zu entsinnen, so wird die Feier vielfach zu einem Dank⸗ feste, an dem stolze und berrliche Erinnerungen aus dem Schatz der Geschichte hervorgeholt werden, die Thron und Krone mit ewig grünem Lorbeer schmücken. Eine so vielbewegte Geschichte, wie die der Hohenzollern, die sich Schritt für Schritt, Jahr für Jahr empor⸗ gearbeitet haben aus kleinen Anfängen bis zu den höchsten Stufen des Ruhms und der Macht, immer sicher und zielbewußt, immer tapfer und thatkräftig, immer aufrichtig und hochherzig, bis es gelang, Mittelpunkt und Stütze des großen deutschen Reichs zu werden, eine solche Geschichte ist so reich an hervorragenden Ereignissen, Schöpfungen und Wirkungen, daß man niemals um einen Stoff ver⸗ legen zu sein braucht, wenn es gilt, am Foöstae eines einzelnen Hohenzollern auf ältere Zeiten hinzuweisen. Fast jeder Tag ist ein Gedenktag und mahnt an wichtige frühere Werke in dieser gewaltigen, immer vorwärts strebenden Arbeit der Jahrhunderte.

Bei der Veranstaltung eines Kunstinstituts, das die idealen Güter des Lebens und Strebens hütet und nährt, wird vorzugsweise die künstlerische und kunstgeschichtliche Seite zu berücksichtigen sein. Für die Akademie ist gerade das Jahr, in das wir vor wenigen Wochen eingetreten sind, wiederum ein besonders bedeutsames. Zweihundert Jahre sind nunmehr verflossen, daß ein kunst⸗ liebender Hohenzollernfürst den ersten Entschluß gefaßt hat, in preußischen Landen eine Kunst⸗Universität ins Leben zu rufen. Am 14. Juli 1695 setzte Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg seinen Namenszug unter eine fens sömerucg die den einst viel⸗

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gerühmten Maler Josef Werner aus seiner Vaterstadt Bern nach Berlin berief, um als Direktor der hier anzulegenden Maler⸗ und und Bildhauer⸗Akademie in preußische Dienste zu treten; und im selben Jahre wurde der Befehl gegeben, an der nämlichen Stelle, wo die Akademie noch heute ihren Sitz hat, eine Reihe von Zimmern herzurichten, um für die Zusammenkünfte der Mitglieder wie für die Unterrichtsstunden der Schüler zu dienen. Freilich ist die Anstalt nicht sofort eröffnet worden. Es bedurfte längerer Vorbereitungen und Versuche zu ihrer Einrichtung; es wurden auch hier, wie häufi zu Beginn eines Unternehmens, Hehl

1 er gemacht, aus deren Erkenntni man aber um so mehr Vortheil gewann; denn gleich bei dem ehr⸗ geizigen ersten Direktor zeigte sich die Lehre, daß es nicht gut sei, wenn bestimmte Einrichtungen eines Gemeinwesens auf eine einzelne

erson zugeschnitten werden, die bei der Organisation vornehmlich an ich selbst denkt. Eingeweiht wurde die Akademie nach Jahresfrist, 1696, den 1. Juli alten Stils, das ist den 11. Juli unserer Zeit⸗ rechnung, wie wir aus der untrüglichen Inschrift einer Erinnerungs⸗ medaille der Akademie wissen; und ihr gesetzmäßiges Statut erhielt sie am 20. März 1699, nachdem vorläufige, von Josef Werner nieder⸗ geschriebene Reglements erst eine Zeit lang auf ihre Brauchbarkeit hin in der Praxis erprobt worden waren.

Die Erinnerung an das Anstellungspatent giebt am heutigen Tage den passenden Anlaß, uns zu vergegenwärtigen, wie der Stifter dieser Akademie, Kurfürst Friedrich 1I1. von Brandenburg, nachmals Kofig Freedrch I. von Preußen, überhaupt ein erfolgreicher Förderer der Kunst und der Künstler gewesen ist, wie er es verstanden hat, ausgewählte Meister an Berlin zu fesseln oder dorthin zu berufen, die zum größten Theil Lehrer und Mitglieder der Akademie wurden, und wie er mit nie ermüdender Schaffenslust auf den mannigfaltigsten Gebieten große und größte Aufgaben gestellt hat, deren Lösungen als machtvolle Kunstwerke auch in unserer Zeit noch die höchste Wetderna ver⸗ dienen und unbestritten erhalten.

Man weiß heute, daß der erste König von Preußen lange Zeiten hindurch unterschätzt worden ist. Nach neuerer Auffassung hat Friedrich der Große, um seinen Vater und seine Großmutter Sophie Char⸗ lotte, möglichst zu heben und zu verklären, den Großvater in einem Lichte beurtheilt, das nicht ganz mit der Ansicht der Zeitgenossen und den thatsächlichen Leistungen Friedrich's übereinstimmt. Er hat seine Prachtliebe, sein Streben nach Luxus und äußerer Repräsentation all⸗ zusehr in den Vordergrund gestellt. Er hat von seinem geringen Verstande geredet und behauptet, daß er dem Staate keinen beson⸗ dern Vortheil gebracht habe; und diese Worte des großen Königs sind begreiflicher Weise vielfach nachgesprochen worden, um so bnb da es nur allzuleicht war, Friedrich in einen Gegensatz zu bringen gegen den Großen Kurfürsten, gegen die Phügsehisch Königin, gegen den eisernen Soldatenkönig. Der Urtheilsspruch der Geschichte lautet milder und günstiger. Wohl war Friedrich nicht von der Bedeutung, Kühnheit und Klugheit seines Vaters, nicht von der Begabung, Bil- dung und Vielseitigkeit seiner Gattin, nicht von der Festigkeit, Spar⸗ samkeit und Ordnungsliebe seines Sohnes. Aber er hat es verstanden, die Politik des Vaters weiter zu führen und zum theil abzuschließen. Er hat die geistreichen und unter französischem Einfluß herangereiften Eigenschaften und Einwirkungen seiner Gemahlin durch echte deutsche Friein offtt Gutmüthigkeit, Fürsorge für des Volkes Wohl ergänzt.

r hat, wenn auch vor Allem ein Frrhend des Friedens, die kriegs⸗

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