irchtigen, segpewetnten Traditienen seimer Väter mit Vertändnitz
und mit Glück weitergepflegt und die Freude gehabt, daß die bran⸗ denburgischen Truppen Zeit seines Lebens bei vielen Gelegenheiten Ruhm und Ehre erwarben. Der Große Kurfürst hatte unserm Fürsten sterbend die Mahnworte auf den Weg gegeben, vor allen Dingen Gott vor Augen zu haben, seine Unterthanen herzlich zu lieben, treue Räthe zu hören und ihnen zu folgen, das Heft der Waffen nicht aus den Händen zu lassen und mit allem Fleiße darauf bedacht zu sein, den Ruhm, den er ihm als Erb⸗ theil hinterlasse, zu wahren und zu mehren. Redlich und nach besten Krräften hat Friedrich sein Versprechen zu halten gesucht, und wie ihm als Haupteigenschaft die Gerechtigkeit, diese alte, schöne ohenzollern⸗ tugend, ausdrücklich nachgerühmt wird, die in der Umschrift des von ihm gestifteten Schwarzen Adlerordens ihren Ausdruck findet, so hat auch die Nachwelt die Pflicht, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: Suum cuique! ““
Eine wohlwollende Auffassung verdient auch die fast sprichwörtlich ewordene Prachtliebe und Prunksucht Friedrich's I., die freilich bei 3 Heimgang die Staatskasse in bedrängter Verfassung hinter⸗ lassen hat, sodaß sein Nachfolger mit rücksichtsloser Unerbittlichkeit die Ausgaben einschränkte; die aber auf der andern Seite auch wieder eine Unmenge von seicigen Händen zu beschäftigen pflegte, sodaß das Geld wirklich ins Rollen kam. Insbesondere darf sich die Nachwelt über diese Eigenschaft nicht beklagen, da sie sich noch heute der Werke erfreut, die durch sie entstanden sind und die namentlich in hervor⸗ ragendem Maße zur Verschönerung von Berlin und Umgegend bei⸗ getragen haben. Fürstliche Prachtliebe ist allezeit der Kunst und den Künstlern zu statten gekommen. Wenn auch ängstliche Gemüther in Sorge um die Gegenwart über Verschwendung und Vergeudung zu klagen pflegen, so zeigt sich doch die nachfolgende Zeit fast immer dankbar für solche schöpferische Thätigkeit; denn jedes Werk im Dienst der Kunst stiftet ungeahnten Nutzen für die ganze Zukunft. Ab⸗ gesehen davon, daß die Kunstwerke selbst den Geschmack bilden, Blick und Anschauung anregen und weitere künstlerische Thaten hervorrufen; abgesehen davon, daß künstlerische Aufträge unstreitig das vater⸗ ländische Bewußtsein vermehren und heben — erwachsen und gedeihen auch allemal reiche materielle Früchte, die den nachkommenden Ge⸗ chlechtern zum Heil dienen. Man kann getrost sagen, ‚daß wenige Geldanlagen so vielfältige Zinsen tragen, wie die Beträge, die für Kunstwerke verausgabt werden, denn mit zunehmendem Interesse strömt das Volk dorthin, wo Schönes und Gutes zu sehen und zu ernen ist. Alle die Stätten und Städte, die dauernde Denkmale ünstlerischer Vergangenheit bewahren, wissen ein Wort davon zu
wie vortheilhaft sich der Besitz von Kunstwerken er⸗ . Was wäre so manche Stadt in Italien, Spanien und Deutschland ohne ihre Kunstschätze? Was wäre München ohne die Denkmale und Sammlungen aus der Zeit Ludwigs I.? Und auch Berlin erfuhr es schon unter Friedrich I., wie werthvoll die umfangreiche Bauarbeit, die wachsende Ausschmückung der vormals fast armseligen Stadt für die Einkünfte des Stadtsäckels war, denn schon während seiner Regierungszeit hat sich die Einwohnerzahl auf das Dreifache vermehrt. Einige der Hauptbauwerke und Kunst⸗ denkmäler, die dem letzten Kurfürsten und ersten Könige zu danken find, gehören auch heute noch zu den vornehmsten Sehenswürdigkeiten der Residenz, und man muß die Kühnheit Friedrich's bewundern, mit der er an die Ausführung solcher Riesenwerke ging und für die Zu⸗ kunft voraus baute, in einer Zeit, da Berlin nicht viel mehr als 20 000 Einwohner zählte. Seine Bauten bereiteten die Stadt vor, um anderen europäischen Residenzstädten ebenbürtig zu werden. Sie waren gleichsam vorahnend in einem Maßstab angelegt, der völlig 85 Macht und Herrlichkeit Preußens und Deutschlands entsprach.
Ob Friedrich künstlerische Begabung besessen hat, wissen wir nicht genau. Den meisten Hohenzollern ist aber eine solche angeboren. Selbst sein Sohn, der derbe Soldatenkönig, offenbarte sie aus un⸗ widerstehlichem Drange und zeichnete seine geliebten langen Kerls, wenn er von Gesichtsschmerzen heimgesucht wurde. Jedenfalls aber hat Friedrich nicht allein Kunstliebe, sondern auch Kunstverständniß ehabt. Daß er für seine Aufträge so besonders gute Meister fand, önnte ein glücklicher Zufall sein. Wir wissen aber, daß er sich auch persönlich sehr lebhaft für das Entstehen der Kunstwerke, für deren Entwürfe und Ausführung interessierte, daß er sich immer wieder Neues vorlegen ließ und zumeist das Beste wählte. Auch er war ein Beispiel dafür, daß Fürsten bei den Plänen ihrer Hofkünstler sehr viel mehr mitwirken als Privatleute, und daß sie ihren eigenen Ge⸗ schmack sehr deutlich zu betonen wissen. In rein technischen Angelegen⸗ heiten freilich ließ er den Künstlern ihre Freiheit. 8
Bis zu seiner Thronbesteigung, 1688, lebte der später so glanz⸗ volle Hohenzoller in einer Art von freiwilliger Verbannung vom Berliner Hof auf dem Schlosse Köpenick, das für ihn auf der Stelle der ehemals viel genannten alten Wendenburg errichtet worden war, fernab von den Freuden des Lebens, einsam und abgeschieden in beschaulicher Muße, nicht einmal erfüllt von dem bei seinen Vorfahren so gern gepflegten Jagdvergnügen. war das Schloß nach seinem Regierun santritt verlassen. Voll neuer, frischer Lebenslust zog er nn Oranienburg an der Havel, das von Luise Henriette von Oranien begonnen war; und mit besonderer Gunst und Liebe, in Erinnerung an die Mutter, ward nun dieses Schloß umgebaut und verschönert. Der Neubau, der die ersten Aeußerungen seiner unternehmungslustigen Kunstbestrebungen zeigt, dauerte bis 1704. ““
In zweiter Ehe war Friedrich mit Sophie Charlotte von Hannover verbunden. Diese Fürstin, die unzweifelhaft seinem Leben eine andere Richtung gab, war bei den Zeitgenossen viel bewundert wegen ihrer Schönheit und ihrer reichen Anlagen und wird von der Nachwelt kurzweg als die philosophische Königin geehrt, die, wie füecdbets der Große gesagt hat, nach Preußen den Geist der Gesell⸗ schaft, die wahre Feinheit und die Liebe zu Künsten und Wissenschaften gebracht hat. Es wird vielfach erzählt, daß sie die Prachtliebe w. nicht vollauf zu würdigen verstand. Als sie 1701 zur
önigin wurde, schrieb sie an ihren Freund und Berather Leibniz, der bereits der Mutter Freund gewesen war: „Glauben Sie nicht, daß ich all den Glanz und diese Krone, von der man so viel Auf⸗ hebens macht, dem Vergnügen vorziehe, das mir unsere philosophischen Unterhaltungen in Lietzenburg gewähren.“ Aber auch sie war keineswegs den Freuden des Lebens, glanzvoller Geselligkeit und prächtigen Festlichkeiten abgeneigt. Das beweist ihre höchst lebendige B insbesondere in Lietzenburg, oder, wie es nach ihrem Tode bieg⸗ Charlottenburg, wo es nur bei weitem geistvoller, gebildeter und vor⸗ urtheilsloser herging, als es vorher im Norden Sütte gewesen war.
Unzweifelhaft hat Sophie Charlotte den ersten Anlaß zu dem Bau des Schlosses in EE1 gegeben, dessen Errichtung es wohl verdient, zu den künstlerischen Thaten Friedrich'’s I. gezählt zu werden. Auch die Hohenzollern sollten nach dem Wunsche der jungen Kurfürstin ihr Versailles haben, wo man die Wunder der französis Welt nachzuahmen suachre und Charlottenburg wäre es vielleicht ge⸗ worden, wenn nicht später Friedrich der Große Hhctaxam geschaffen hätte. Diese heute so bedeutungsvolle zweite preußische Residenz wurde von Friedrich noch nicht sonderlich beachtet; er bevorzugte in jeder Weise Berlin, und selbst der Lieblingssitz der Gattin war ihm für das tägliche Leben zu still und einsam, vielleicht auch zu französisch. Denn bei aller damaligen Liebe zum Franzosenthum zeigte sein ganzes Wesen und Wirken eine ausgesprochene Neigung für echtes Deutsch⸗ thum. Wie er in der Stiftungsurkunde der von ihm begründeten Akademie der Wissenschaften vor allem den Satz betonte: „Für alles, was zur Erhaltung der deutschen Sprache in ihrer anständigen Reinig⸗ keit, auch zur Ehr und zur Zier der deutschen Nation gereicht, soll ab⸗ fonderlich gesorgt werden⸗—, ebenso war es sein warmherziges Sinnen und Trachten, deutschen Empfindung und der deutschen Kunst in den weitesten Kreisen Geltung und Ansehen zu verschaffe.
Das zeigt sich in allen größten Kunstwerken und Kunstleistungen, die Berlin auf ihn zurückführt, ob es sich um Bauten, Bildwerke, Gemälde oder Arbeiten des Kunstgewerbes handelt. 1“
Werfen wir einen Blick auf die Künstler die er beschäftigt hat, so find als Architekten in erster
Desto schneller
eihe die drei großen Meister Johann
Arnold Nering, Andreas Schlüter und Johann F von Eosander, genannt Göthe, zu nennen, denn sie und ihre Werke gehören dauernd zu den unvergessenen der Kunstgeschichte. —
Die eigentliche Selbständigkeit Nering's beginnt mit dem Regierungsantritt Friedrich's. Da man unter Friedrich Wilhelm fast nur holländische Künstler kannte, so war man lange gewohnt, Nering für einen Holländer anzusehen, wiewohl dies durchaus nicht bewiesen ist und vielmehr sein guter deutscher Name auch auf eine deutsche Abkunft schließen läßt. Leider waren diesem Meister nur noch wenige Jahre unter der Regierung Friedrich's beschieden. Aber während dieser Zeit scheint er eine vollkommene Vertrauensstellung bei dem Kurfürsten genossen zu haben, und wenn es ihm auch nicht vergönnt war, alle seine Werke fertig gestellt zu sehen, so hat er doch vollauf an der fruchtbaren architektonischen Arbeit mitwirken können, die nicht nur durch die Baulust seines Herrn, sondern auch durch die naturgemäß daran anknüpfende Bestellung von ansehnlichen Privat⸗ bauten gefördert worden ist. Nering hat außerhalb von Berlin die Schloßkapelle zu Köpenick und das Schloß zu Oranienburg geschaffen, in Berlin das Leipziger Thor, die Lange Brücke, das Danckelmann 'sche Palais, das Derfflinger'sche Haus, den Jägerhof, den Marstall in der Dorotbeenstadt (die jetzige Königliche Akademie der Künste). Vor allem aber sind mit seinem Namen eng verknüpft das Fenphans, die heutige Ruhmeshalle, und die Parochialkirche. Freilich erlebte er nur die Grundsteinlegung dieser beiden Bauten, und es ist neuerdings ziemlich zweifelhaft geworden, ob das Zeughaus, dieser erste gewaltige Staatsbau, den Berlin erhalten hat, wirklich von ihm herrührt oder nur seiner Bauleitung anvertraut werden sollte, nachdem der berühmte Akademie⸗Direktor Blondel aus Paris die Skizzen dazu entworfen hatte.
Andreas Schlüter, die größte und machtvollste Künstlererscheinung des ganzen Zeitalters, ist im Frühjahre 1694 nach Berlin gekommen, dreißigjährig, vom Kurfürsten, der auf ihn aufmerksam gemacht worden war, berufen, und zwar war er anfangs ausschließlich als Hof⸗Bildhauer angestellt worden mit der Verpflichtung, für niemand anders als für den Kurfürsten zu arbeiten. Daß er auch auf dem Gebiet der Architektur unsterblich werden würde, vermuthete damals noch niemand, und man beschäftigte ihn vorzugsweise mit dekorativen Arbeiten. Aber schon im Herbst des folgenden Jahres — und auch das werden nun bald 200 Jahre sein — trat er als einflußreichster Rathgeber des Kurfürsten auch auf dem Gebiet der Baukunst auf; und er war von nun ab unermüdlich in der Ausarbeitung von architektonischen Plänen und Skizzen, die durch die Freigebigkeit seines Fürstlichen Herrn immer mehr angefeuert wurde. Bedauerlicherweise ist über diesen großen Künster, im Vergleich zu anderen modernen Kunstschöpfern, sowohl was seinen äußeren Lebensgang, wie seine künstlerische Ent⸗ wicklung und Bethätigung angeht, durchaus ungenügendes Material überliefert worden, gerade als wenn Neid und Mißgunst dabei mit⸗ gewirkt hätten, den aktenmäßigen Ruhm des Meisters zu verringern oder gar zu zerstören. Aber durch die sorgfältigen und liebevollen Untersuchungen von Adler, Borrmann, Dohme, Gurlitt sehen wir doch im großen und ganzen die volle Bedeutung seiner unvergleichlichen Schöpferkraft in klaren Umrissen. Jedenfalls darf als sicher an⸗ genommen werden, daß der Kurfürst seine Größe und Verwendbarkeit vollauf zu schätzen und auszunutzen verstand — um so mehr, da der Künstler mit seiner sprudelnden Phantasie gerade den Fürstlichen Bedürfnissen nach Schmuck und Verschönerung im reichsten Maße entsprach, und wir wissen, daß Friedrich sich schwer entschlossen hat, ihm späterhin aus Gründen der Nothwendigkeit seine Thätigkeit als Architekt ein⸗ zuschränken. Als erste Arbeiten Schlüter's auf dem Gebiet der Baukunst gelten seine Mitwirkung an der Leitung des Zeughausbaues, dem er das eigentliche künstlerische Gepräge egeben hat, ferner seine Entwürfe für das Schlößchen Lietzenburg für Sophie Charlotte, das ursprünglich nur als kleines Landhaus mit 11 Fenstern Front gedacht war. Im Jahre 1698, spätestens im Winter 1699, sind dann die Pläne für den Umbau des Berliner Schlosses nach längeren Verhandlungen beendet worden, worauf der Künstler am 2. November unter ehrender Anerkennung seiner bisherigen Verdienste um den Bau zum Schloßbau⸗Direktor er⸗ nannt wurde. Mit eingehendstem Interesse nahm sich der Kurfürst dieser wichtigen Angelegenheit an. Wir besitzen werthvolle Dokumente für verschiedene Entwürfe Schlüter's, darunter namentlich ein außer⸗ ordentlich reizvolles Perspektivbild, gezeichnet, wahrscheinlich nach einem Modell, von Blesendorf. Zur wirklichen Ausführung als eigentliches Werk von Schlüter gelangte nach heutiger Ansicht nur der Bau der um den inneren Schloßhof liegenden Gebäudeflügel mit ihren mäch⸗ tigen Säulenportalen und Treppenvorbauten, unzweifelhaft eines der schönsten Beispiele deutscher Barockarchitektur, von überaus malerischer Wirkung, deutlich unter italienischem Einfluß entstanden. Daneben läßt sich aber seine unerschöpfliche Thätigkeit durch die ganzen, während der Regierungszeit Friedrich's fertig gestellten Theile des Schlosses mit ziemlicher Glaubwürdigkeit nachweisen. Außer diesen staunenswerthen Arbeiten fallen in das Jahr 1701 die Pläne zum alten Postgebäude an der Langen Brücke, 1703 der Bau des Brunnenhauses in Freien⸗ walde, das er für den König bei einer vorübergehenden Brunnenkur aus Holz und Stuck errichtete, sodann der Entwurf des ehemaligen Gießbauses, und zu guterletzt, wie es scheint, als letzte architektonische Arbeit in Berlin, die ehemalige Kamecke’'sche Villa in der Dorotheen⸗ straße. Nur bis in den Sommer 1706 hat Schlüter als allmächtiger, allbelebender und allbefruchtender Meister dem Schloßbau vorgestanden und uneingeschränkt die Gunst seines Fürsten gehabt; dann kam die tragische Katastrophe, die ihn plötzlich von seiner Höhe herabstürzte. Er mußte auf einem Gebiet scheitern, wo er offenbar nicht zu Hause war, in einer rein technischen Aufgabe, die er lösen wollte und nicht konnte. Der sogenannte Münzthurm, ein Glockenthurm, der auf einen Lieblings⸗ wunsch Friedrich's hin errichtet wurde und bereits zu ansehnlicher Hohe gediehen war, gerieth ins Wanken. Eine engere Kommission saß über dem Bauwerk zu Gericht, und da Schlüter's Anordnungen sich als durchaus unpraktisch erwiesen, so wurde der Abbruch beschlossen und in besorgter Eile ausgeführt. Schlüter selbst wurde seiner Stellung als Leiter des Schloßbaues entsetzt und war seitdem ein gebrochener Mann. Friedrich erwies sich ihm freilich auch fernerhin als gnädiger Konig. Er behielt ihn als Hof⸗Bildhauer bis zu seinem Tode im Dienst und hat ihn auch in der Folge mit mancherlei Aufträgen aus⸗ gezeichnet, die aber Schlüter ablehnte. Trotz aller Eiferungen, die nun mit gewohnter Schärfe gegen den vormals so einflußreichen Künstler unternommen wurden, vergaß der König keineswegs, was er ihm zu danken hatte, und erst nach seinem Tode ist Schlüter nach St. Peters⸗ burg übergesiedelt, wo auch er kurz nachher 1714 verstarb.
Schluter's Nachfolger im Amt als Hof⸗Baumeister wurde Eosander, eine ziemlich internationale Persönlichkeit von höchst gewandtem, welt⸗ männischem Wesen, Schwede von Geblüt, gebürtig in Riga, aus⸗
ebildet auf Kurfürstliche Kosten durch längere Reisen in Italien und Frankreich in jeder Weise das rechte Beispiel eines Hofmannes, der es durch geschmeidige Begabung für alle möglichen Geschmacksarten der Kunst und der vornehmen Belustigung trefflich verstand, die be⸗ sondere Zuneigung Friedrich's zu gewinnen. Dieser geschickte Günst⸗ ling genoß das größte Vertrauen von Sophie Charlotte, die ihn ihr Orakel in Bauangelegenheiten zu nennen pflegte. Er hat in ihrem Auftrag den Charlortenburger Schloßbau fortgesetzt. Wirklich nützlich und lobenswerth erwiesen sich seine Leistungen auf dem Gebiet der dekorativen Aufgaben, seine Veranstaltungen bei Festen ernster und heiterer Art, insbesondere seine Einrichtung der Porzellankammer im Charlottenburger Schlosse, des Prunkbüffets im Rittersaal des Berliner Schlosses, ferner seine Festprogramme bei der Königskrönung in Königsberg im Januar 1701, seine großartige Trauerdekoration bei der Leichenfeier der Königin Sophie Charlotte im Dom zu Berlin im Jahre 1705 und neun Jahre spater r den König Friedrich selbst. Von seinen eigentlichen Bauten ist der Mittelbau des Lustschlößchens Monbijou zu erwähnen, sowie die Vergrößerung des Berliner Schlosses durch den Ausbau des Lustgartenflügels am äußeren Schloßhof und der Westfront mit dem gewaltigen Triumphtyor an der Schloß⸗ freiheit. Doch läßt sich in keiner Weise behaupten, daß es ihm ge⸗ lungen sei, die monumentale und einheitliche Wirkung der Schlüter⸗ schen Entwürfe zu übertreffen, wie sehr er sich auch bemühte, den weitaus bedeutenderen Meister in den Schatten zu stellen.
Von anderen vielbeschäftigten Architekten unter Friedrich's Re⸗
— gierung sind nur noch wenige hervorzuheben. An erster Stelle Martin
Grünberg, der als Nachfolger Nering's die Leitung des Zeughaus
übernahm, um dann von Schlüter abgelöst zu werden. “ as in Frankreich gebildete Jaan De Bodt, der dem Zeughaus seine heutige Gestalt gegeben hat, und der höchst begabte, auf längeren Reisen gebildete, allzufrüh verstorbene Christian Eltester († 1700). Der erste Lehrer für Architektur an der Akademie der Künste Johann Baptist Broebes hat eine besondere Bedeutung für die Nachwelt dadurch erlangt, daß er eine große Anzahl sowohl eigener Entwürfe wie Bauzeichnungen und Baupläne anderer namhafter Berliner Architekten seiner Zeit sammelte, die wohl die wichtigste Quelle für eine Uebersicht über die Bauthätigkeit unter Friedrich 1. bilden.
Was die zahlreichen Schöpfungen des ersten preußischen Königs auf dem Gebiet des Kirchenbaues angeht, so sind diese unstreitig bei weitem nüchterner als seine Profanbauten.
Außer der Architektur wurde zur Zeit Friedrich's vor allem die Bildhauerkunst auf das nachhaltigste gepflegt, zum theil in großen selbständigen Bildwerken, zum theil im Zusammenhang mit den Baudenkmalen als bildnerische Ausschmückung und Ergänzung. Allen Künstlern voran, die in dieser Weise Großes schufen, ist wiederum Andreas Schlüter zu nennen. Manche freilich von der fast unüberseh⸗ baren Menge plastischer Arbeiten, die ihm zugeschrieben werden, haben wegen minderwerthiger Technik und Auffassung eine ungünstigere Beurtheilung erfahren müssen. Desto höher verdienen seine wirklich künstlerisch vollendeten Werke gepriesen zu werden. Schon im Jahre 1697 modellierte Schlüter in Kurfürstlichem Auftrage die Statue Friedrich's, in diesem Falle gwiß unter einem hemmenden Zwang, und ließ sie in der berühmten Berliner Gießerwerkstatt bei Johann Jacobi gießen. Das Werk sollte merkwürdige Schicksale er⸗ leben, da man mehr als ein Jahrhundert lang keinen richtigen Platz dafür finden konnte; es hat sogar zeitweise im unwürdigsten Zustande unter unbrauchbaren Kanonen in einem Winkel des Zeughauses ge⸗ legen, der Gefahr zausgesetzt, eingeschmolzen zu werden, bis König Svv Wilhelm III. das Standbild der Geburtsstadt Friedrich's,
önigsberg, widmete. Kurz nach Vollendung dieser Arbeit schuf Schluüter sein eigentliches Meisterwerk, den Großen Kurfürsten, diese herrlichste Huldigung Friedrich's für seinen Vater, eine der vor⸗ trefflichsten Reiterstatuen aller Zeiten, bewundernswerth in der Ver⸗ bindung von Porträtähnlichkeit mit idealer Charakteristik, einheitlich in der Wirkung trotz des Widerspruchs zwischen römischem Cäsarengewande und zeitgenössischer Allongeperrücke, durchaus entsprechend der Vorstellung, die sich Zeit und Nachwelt von der heroischen Erscheinung des großen Hohenzollern macht. Nicht minder gelten mit Recht die bildnerischen Arbeiten Schlüter's für das Zeughaus als Großthaten der Skulptur. Abgesehen von dem übrigen plastischen Schmuck des Gebäudes, be⸗ wundern wir uneingeschränkt den ergreifenden künstlerischen Gedanken, mit dem hier der Meister an die Licht⸗ und Schattenseiten des Soldatenstandes erinnert, indem er am äußeren Gebäude in glänzenden Trophäen und Waffenstücken den Lohn und Ruhm des Siegers ver⸗ sinnlicht, auf dem Innenhofe dagegen durch seine berühmten Masken von sterbenden Kriegern auf die Schrecken des Schlachtfeldes hinweist, im einzelnen aber immer mit dem Bestreben, den Tod im Dienste des Vaterlands durch den Ausdruck edler Ergebung zu verklären. Von späteren bildnerischen Werken Schlüter's stehen außerdem noch in erster Reihe das Grabmal für den Goldschmied Daniel Männlich in der Nikolaikirche, die marmorne Kanzel der Marienkirche, erwiesener⸗ maßen auch das Modell des Prachtsarges für König Friedrich 1. Hierzu tritt Schlüter's unvergleichlich reiche Thätigkeit in der bild⸗ nerischen Ausschmückung des Schlosses durch Reliefs, Kartuschen, Gesimse, Konsolen, Emhleme, Putten, figürliche Kompositionen, und man darf wohl sagen, daß gerade das Schönste und Vornehmste, was Se solchen Ornamenten enthält, diesem einzigen Künstler zu danken ist.
Neben den gewaltigen Erzeugnissen Schlüter'’s steht alles, was damals an bildnerischen Werken geschaffen worden ist, zurück. Wohl aber darf erwähnt werden, daß die alten Mitgliederlisten der Akademie der Künste ein paar wackere deutsche Bildhauer aufzählen, die dem Meister zur Seite standen und vieles nach seinen Modellen aus⸗ führten. Außer den beim Kurfürstendenkmal beschäftigten Baker, Henzi und Nahl, die Ehrenmitglieder der Akademie geworden sind, ist besonders der aus Ulm stammende Hof⸗Bildhauer Georg Gottfried Weyenmeyer zu nennen, der an Stelle Schlüter's, wenn dieser mit Arbeit überhäuft war, den Unterricht an der Akademie ertheilte und auch eine kurze Zeit ihr Direktor war.
Die Malerei war nicht auf der gleichen Höhe wie die übrigen Künste. Doch zeigten sich zu jener Zeit eine ganze Anzahl Künstler in der Technik recht geschickt, namentlich wenn es galt, gefällige Deckenmalereien auszuführen. Die meisten dieser Männer stehen in einem engeren Zusammenhang mit der Akademie als Direktoren, Rektoren und Adjunkten. Es befinden sich noch einige Ausländer darunter, aber auch hier schon zeigt sich das Bestreben Friedrich's, deutsche Künstler zu beschäftigen und anzustellen, und obgleich die meisten Namen heutzutage so gut wie vergessen sind, so hat doch jeder, wenn auch in bescheidenem Maße, sein Scherflein dazu beigetragen, im Dienste der Kunst die Pflege und Entwickelung der höchsten Güter der Menschheit zu fördern. Neben dem Miniaturmaler Josef Werner aus Bern war namentlich der aus dem Haag gebürtige Augustin Terwesten besonders thätig bei der Organtsation und Leitung der Akademie, aber auch in der Ausmalung der Schlösser zu Char⸗ lottenburg und Berlin. Er gehörte mit Werner, Schlüter und Probener zu den ersten vier Rektoren der Akademie, die seit dem Statut von 1699 abwechselnd die junge und von vornherein schnell emporblühende Anstalt geleitet haben. Noch mehrere aus Holland eingewanderte Künstler sind damals in ein Verhältniß zur Akademie getreten, darunter der Thier⸗ und Landschaftsmaler Michael Carrée aus Amsterdam und der geschätzte Blumen⸗, Frucht⸗ und Thiermaler Friedrich von Roye aus Haarlem. Der bedeutendste ausländische Maler, den Friedrich nach Berlin gezogen hat, ist unstreitig Antoine Pesne: ein Künstler, der sich seinen großen Namen allerdings erst viele Jahre später, unter Friedrich dem Großen, verdient hat, der aber auch von Friedrich I. sofort erkannt wurde und gewiß auf das reichlichste beschäftigt worden wäre, wenn nicht der Tod den König bald nachher abgerufen hätte. Ein auf brandenburgischer Erde geborener verdienstvoller Künstler war Samuel Theodor Gerike, geboren zu Spandau und ge⸗ storben zu Berlin, erst Hofmaler, später Rektor und Direktor der Akademie. Er wurde 1694 vom Kurfürsten, zugleich mit Elias Ter⸗ westen, einem Bruder von Augustin, nach Rom geschickt, um für die Akademie die hervorragendsten antiken Statuen der päpstlichen Sammlung abformen zu lassen, und er hat dort nicht allein eine stattliche Anzahl solcher Abgüsse, sondern auch eine reiche Auswahl von Gemälden, Kupferstichen und Zeichnungen gesammelt, die im Jahre 1743 mit dem gesammten Besitz von Kunstwerken durch Brand zu Grunde gegangen sind. Von ihm stammen sehr viele Decken⸗ malereien in den Königlichen Schlössern, und vor allem lobte man sein Altarbild in der Nikolaikirche zu Berlin, das freilich später durch Bernhard Rode wegen seiner allzu realistischen Schilderung des Teufels und des Todes verändert und dann durch ein anderes ersetzt worden ist. Von den akademischen Künstlern jener Zeit hat sich ferner Johann Christoph Merck, aus Hall in Schwaben gebürtig, einen Namen erworben, einer der Wenigen, die auch noch Gnade in den Augen des Königs Friedrich Wilhelm I. fanden, denn er blieb auch noch unter dessen Regierung Hofmaler und mußte für den Soldaten⸗ könig viele von seinen großen Grenadieren in Lebensgröße malen, deren Bildnisse er Stück für Stück mit 20 Thlrn. bezahlt bekam.
In weiteren Kreisen bekannt gemacht hat sich auch der Hofmaler Carl
Leygebe aus Nürnberg. 3
Für die Kupferstechkunst waren einige tüchtige Kräfte gewonnen worden, darunter Constantin Friedrich Blesendorf, der jüngere Brud von Samuel, der namentlich für Schlüter und Eosander vieles zu thun bekam, dann das erste Ehrenmitglied, das die Akademie auf⸗ genommen hat, Johann Georg Wolfgang aus Augsburg, bekannt durch abenteuerliche Erlebnisse und durch seine Kupfer zur Krönungs⸗ geschichte Friedrich's I.
uch die Goldschmiedekunst wurde in den Unterrichtsplan ars
genommen, indem seit 1702 ein äußerst geschickter Goldarbei⸗
1
Andreas Haid aus Augsburg, seine Anstellung fand, der für Friedrich I. —2 ha
istorien und Porträts in Silber und Kupfer auszuführen
tte. 2 3
Ueberhaupt fand die Kleinkunst, ebenso wie das Kunstgewerbe, eine sehr aufmerksame Pflege. Besonders ist das Interesse hervor⸗ zuheben, das Friedrich den Medaillen zuwendete. Fast bei jedem her⸗ vorstechenden Ereigniß seines Lebens: zur Erinnerung an Regierungs⸗ thaten, Kriegsereignisse, Familienvorfälle, Grundsteinlegungen von Bauwerken, ließ er eine Denkmünze prägen, und man kann beinahe behaupten, daß sich aus der langen Reihe dieser Medaillen eine über⸗ sichtliche Darstellung seines Lebens und Wirkens ablesen läßt. Wie viel Vorliebe Friedrich gerade für diese Kunst besaß, läßt sich auch daraus erkennen, daß er mit Eifer und Sachkenntniß Münzen sammelte. Das berühmte Werk „Dhesaurus Brandenburgicus Selectus“ von Lorenz Beger, dem seit Friedrich's Regierungsantritt angestellten Ober⸗Aufseher der „Kunst⸗ und Raritätenkammer“, eine Beschreibung aller in Berlin vereinigten Münzen und Alterthümer, gilt heute noch als eine der schönsten Publikationen auf diesem
Gebiet, und es muß hinzugefügt werden, daß auch dieser fleißige
Gelehrte wie alle, die mit Friedrich in nähere Berührung kamen, nicht nur den Sammeleifer des ersten Königs rühmte, sondern auch sein Kunstverständniß pries, seine Lust, das Aus⸗ ländische herbeizuziehen, sein Bemühen, das Echte vom Unechten zu unterscheiden. Zu den besten Medailleuren, die Friedrich beschäftigt hat, Fhies Raimond Fald und Christian Wermuth.
oll Anerkennung hat man schließlich zu verzeichnen, daß unter Friedrich I. der Buchdruck und die Ausstattung von Prachtwerken auf einer seltenen Höhe standen, daß ferner das Schmiedehandwerk bereits vortreffliche Leistungen von dauerndem Kunstwerth hervorgebracht hat; deß die Berliner Gießerwerkstatt großen Ruf genoß, daß auf Veran⸗ lassung Friedrich's die Berliner Glasindustrie eine bemerkenswerthe Blüthe erreichte, daß die Berliner Fayencearbeiten und die Erzeugnisse der Berliner Gobelinmanufaktur, endlich auch die Nachahmungen chinesischer Lackarbeiten sich eines weitgehenden Ansehens erfreuten.
Ueberall also erkennt man ein reges und anregendes Streben, die Kunft zu heben und zu beleben, und wie es mit den bildenden Künsten ging, so weiß auch die Literaturgeschichte aus jener Zeit mancherlei von Hofdichtern, wie Canitz, Besser und Neukirch, und Volksdichtern, wie Bödiker und Peucker, zu erzählen, und die Musik⸗ geschichte verzeichnet einige, jedenfalls bemerkenswerthe Denkwürdig⸗ keiten. Sophie Charlotte soll eine hervorstechende musikalische Be⸗ gabung gehabt haben, die sie im Kreise ihrer buntgemischten Gäste häufig zum Besten gab. Sie dirigierte Konzerte und Opern vom Klavier aus. Sie legte eine werthvolle Musikaliensammlung an, sie berief geschickte Musiker und Sänger in ihren Dienst, hatte in Lietzenburg ein besonderes Theater und führte in Berlin im Saal des Kurfürstlichen Marstalls, dem sogenannten „Stallplatz“, die ersten Opern auf. Bekanntlich hat die Laufbahn eines der größten deutschen Meister gewissermaßen in Berlin am Hofe Friedrich's ihren Anfang genommen. Der zwölfjährige Georg Friedrich Händel wurde von seinem Vater aus Halle hierher gebracht und durfte seine Kunst vor dem Kurfürsten und der Kurfürstin zeigen. Händel erregte damals eine solche Bewunderung, daß Friedrich den Vorschlag machte, den Wunderknaben auf seine Kosten zur weiteren Ausbildung nach Italien zu schicken, was der Vater aber abwies, da er aus dem Sohne durchaus einen Juristen machen wollte. Im ganzen war die Hofluft jener Tage der ernsten Musikpflege auch hier wenig förderlich. Die Italiener herrschten überall mit ihren Opern und Ballets, mit ihren Kostümen und Dekorationen, mit ihren Bravourstücken und Glanzrollen, die bestimmten Sängern auf den Leib geschrieben waren. Es war die Zeit, da die vaterländische Ton⸗ kunst so gut wie gar nichts galt, da mancher brave deutsche Musiker, um nur zu Gehör zu kommen, seine Eigenart verleugnete, in die Fu fäebffr der Ausländer trat und das Welschthum zum Verwechseln nachahmte.
Als der erste König von Preußen am 25. Februar 1713 die Augen schloß und sein Nachfolger, im schroffsten Gegensatz zu ihm, Sparsam⸗ keit und Nüchternheit, strenge Soldatenzucht und starren Absolutismus einführte, da konnte man wohl mit Recht über den Heimgang des so erfolgreichen Förderers der Künste klagen; denn für Berlin, das unter Friedrich I. zum ersten Mal die später so viel gebrauchte Bezeichnung Spree⸗Athen erhalten hat, war es nun für lange Zeit mit der Pflege der Kunst aus. Man kann sogar sagen, daß außer unter Friedrich Wilhelm IV. niemals wieder eine so reiche und mannigfaltige Kunst⸗ thätigkeit hier entfaltet worden ist. Denn Friedrich der Große wendete sein Interesse vorzugsweise Potsdam zu. 8 Die Neuzeit freilich, die nach dem großen Krieg und nach Ecrichtung des neuen Deutschen Reichs aus der alten Preußenresidenz die neue deutsche Reichsstadt geschaffen hat, stellt allen Künsten wiederum die höchsten und schönsten Aufgaben. Der kraftvolle Hohenzoller, der heute die Geschicke unseres Vaterlandes leitet, hat in den wenigen Jahren Seiner Regierung bereits eine große Reihe der herrlichsten Kunstschöpfungen entstehen sehen und entstehen lassen, sodaß auch Sein Zeitalter dereinst gepriesen wird wegen der reichen Kunstthätigkeit, die, efördert durch die Höchste Huld wie durch die Wohlthaten des Friedens, eugniß ablegt für die umfassende geistige Bildung unseres Jahr⸗ hunderts. Der neue Reichstagsbau ist zum schönen Ende geführt worden. Das alt⸗ehrwürdige Schloß hat im Innern eine glänzende Umwandlung erfahren, die umfangreiche Aufträge für die bildenden Künstler herbeiführt. Nach außen hin wurde der mächtige Bau durch Niederreißung einer beengenden Häuserreihe freigelegt, und schon geht man ans Werk, das Nationaldenkmal für Kaiser Wilhem 1. auf der freigewordenen Stelle zu errichten. Auf dem Schloßplatz wurde ein vielbewunderter monumentaler Brunnen aufgeführt. Der Grundstein zu einem neuen gewaltigen Dom ist gelegt worden, der endlich auch für Berlin ein dieses Namens würdiges Gotteshaus darstellen wird. Eine anze Anzahl hervorragender neuer Kirchen ist vollendet oder in der ollendung begriffen, darunter vortreffliche Beispiele des modernen Eht n Kirchenbaus, die dem vormals so einförmigen Städte⸗ bild von Berlin neue reizvolle Silhouetten hinzufügen. Weitere bedeutungsvolle Aufgaben stehen bevor: neue Museumsbauten, eine neue Bibliothek, eine neue Akademie mit ihren Instituten — allent⸗ halben ist ein breiter Spielraum für rühriges Schaffen und Arbeiten im Dienste der Kunst geöffnet, und daß sich unser Kaiser aller dieser erke annimmt, nicht nur mit landesväterlicher Fürsorge, sondern auch mit persönlich eingreifendem Kunstsinn, ist häufig genug zu Tage getreten. Vollberechtigt ist daher die Hoffnung, die Kunst und Künstler auf die nächste Zukunft setzen. Am heutigen Tage fühlt sich die kademie der Künste, deren Hauptaufgabe es ist, das Kunstleben zu beobachten und zu fördern, doppelt gehoben in dem stolzen Bewußtsein, daß dieser Hohenzollernfürst ihr erlauchter Protektor ist und zugleich ein Protektor der Kunst überhaupt. Mit begeistertem Herzen feiern wir den Fefttag und vereinigen unsere Worte und Wünsche in dem Ruf: Hoch lebe unser Allergnädigster Kaiser und König
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Bedeutung für die Technik. Rede
um Geburtsfeste Seiner Majestät des Kaisers und Königs
Wilhelm II. der Aula der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin am 26. Januar 1895, gehalten von dem zeitigen Rektor A. Slaby.
Hochgeehrte ehg .
Feierlicher Glanz erfüllt heut die Räume, die sonst nur dem Ernste der Arbeit dienen, festliche Klänge durchrauschen sie und ver⸗ einigen sich mit den Tönen der Freude in den Fluren des Vater⸗ landes. Begrüßen wir doch den Tag, an dem der erhabene Schirm⸗ herr des Landes ein neues Jahr seines Lebens beginnt.
Aus der Arbeit des Tages erbebt b. festliche Sinn zu Ge⸗ danken voll höherer⸗Weihe, in rastender Stille denktger zurück an das
Das Gesetz von der Erhaltung der Energie und seine
Werden vergangener Tage, das zur freundlichen Gegenwart sich geklärt, und mit hoffendem Auge versenkt sich der Blick in die Zukunft.
„Auch die Gemeinsamkeit, die uns an dieser Stätte umschließt, sieht hinter sich das Werden der Jugend, sie fühlt vertrauende Kraft in den Adern und schickt sich an, erhobenen Muths die Schwelle eines neuen Jahrhunderts zu betreten.
„Wo aber weilt die Erinnerung lieber als in den Tagen des Frühlings? Wir denken nicht an den blüthenbrechenden Frost, noch an den verheerenden Sturm, uns erfüllt ein Nachgefühl jener herr⸗ lichen Kraft die durch Nebel des Irrthums hindurch zum Lichte empordrang. Sei es mir drum vergönnt, in dieser Stunde zu reden von jenen Frühlingstagen, da die Keimkraft edler Gedankensaat dem jungfräulichen Boden unserer Wissenschaft neues Leben entlockte.
Noch liegt die Zeit nicht fern, wo die technische Wissenschaft zuerst den Muth gewann, sich selbst als solche zu erkennen und Einlaß zu heischen in den Kreis der älteren Schwestern. Anfangs sah man in ihr nur ein verändertes Bild der Naturwissenschaft, doch heut steht sie da an der Seite derselben in dem vollen Bewußtsein eigener Kraft und reicht ihr die Hand zu ersprießlichem Bunde: ““
Wo ihr die Schwester die Schleier des Nebels verscheuchte
Lockt sie im Glanze des Lichts Leben aus todtem Gestein. Für den Verlust paradiesischen Glücks ward einst dem Menschen ein anderes göttliches Geschenk: die Kraft der Erfindung. Sie ruht in auserwählten Naturen; in ihrem Walten begrüßen wir überirdische Mächte mit derselben staunenden Ehrfurcht wie in den Geistesthaten der Dichter und Denker. Getragen von ihrem Fittich, vermag das Genie Klüfte im Fluge zu überspringen, doch dauernder Besitz folgt nur auf den mühsam erbauten Brücken wissenschaftlicher Erkenntniß. Die Arbeit vergangener Jahrhunderte hat ihr den Boden bereitet und zur Ueberwindung irdischer Kräfte sichere Waffen geschmiedet. Doch das gewaltigste Rüstzeug wird ihr gereicht in der Mitte unseres Jahrhunderts. Der Naturwissenschaft gelingt ihre größte befreiende That. Sie ent⸗ schleiert das Wirken wechselnder Kräfte, ins Innere der Natur dringt der erschaffene Geist“, und was Jahrhunderte lang von den tiefsten Denkern geahnt, doch kaum erhofft, tritt sonnenklar an das Licht des ves⸗ Der technischen Wissenschaft aber öffnet sich ein schrankenloses Gebiet, sie tritt erst jetzt die Herrschaft an über die freien Kräfte der Natur. Es ist das Gesetz von der Erhaltung der Energie, das unserer Wissenschaft den Impuls der Jugend verleiht.
Worin besteht der gewaltige Fortschritt, den gerade die Technik diesem Gesetze verdankt? Lassen Sie mich versuchen, denselben an einem Beispiele zu erläutern.
Versetzen Sie sich mit mir in die Scenerie einer wildbewegten Gebirgsnatur. An schroffen Felsen entlang führt der durch Menschen⸗ kunst mühsam gebahnte Weg. Jede Biegung desselben enthüllt uns neue wechselnde Bilder voll Großartigkeit und Liebreiz. Da eilt ein Wildbach über den Wez und sinnend stehen wir auf den Brückenplanken. Der Blick des Ingenieurs sieht in dem Spiel der stürmenden Natur⸗ kräfte noch etwas Anderes als das entzückte Auge des Naturfreundes. Er schätzt die Menge des in der Sekunde dahinbrausenden Wassers und sendet prüfend den Blick ins Thal, die Tiefe desselben zu ermessen. Er weiß, daß jedes in einer Sekunde unter ihm forteilende Kubikmeter, hundert Meter tiefer durch eine Turbine geschickt, die Kraft von tausend Pferden in Arbeit verwandelt. Das Wasser besitzt an jener Stelle also noch eine andere als eine bloß raumerfüllende Eigen⸗ schaft. Es ist im Hinblick auf den tieferen Ort mit der Fähigkeit begabt, eine Arbeit zu leisten, ihr wohnt dasjenige inne, was man als Energie bezeichnet. Die Größe derselben ist durch die Höhenlage des Wassers bestimmt, sie heißt darum Energie der Lage.
Sie ist wie die stoffliche Menge des Wassers unverlierbar und unzerstörbar in ihrer quantitativen Größe. Wie aber das Wasser selbst die verschiedensten äußeren Formen annehmen kann, wie es sich wandelt in Dampf oder zerfällt in elementare Bestandtheile, ohne jedoch dabei an Gesammtgewicht zu verlieren, so besitzt auch seine Energie die Eigenschaft, sich proteusartig verwandeln zu können, ohne Einbuße zu erleiden an ihrer Größe.
Eine ihrer wichtigsten Wandlungen erkennen wir an der Turbine. In kreisender Bewegung sehen wir ihr Rad und durch seine Ge⸗ schwindigkeit erlangt es die Kraft, nützliche Arbeit zu verrichten. Die rotierende Bewegung ist eine neue Form, in welche die Arbeitsfähig⸗ keit des Wassers sich kleidet, es ist Energie der Bewegung.
Vielleicht besitzt das Gebirgsthal eine eigene Industrie. Dann lagern sich die Werkstätten dicht um das Turbinenhaus. Durch Seile, Riemen und Räderwerk wird die Bewegung sinn⸗ reich erdachten Arbeitsmaschinen zugetragen und fleißige S eilen geschäftig daran hin. Sie befestigen das erk⸗ stück, das der Formgebung harrt, auf eisernem Bett und leiten die Spitze des Bohrers, die Kante des Meißels oder die Schärfe der Säge an jene Stellen, wo der unförmige Stoff zu mathematischer Form oder zum kunstvollen Gebilde sich wandelt. Ueberall ist es die Energie der Bewegung, die den Widerstand überwindet. In gewaltiger Reibung verzehrt sich scheinbar die rastlose Kraft, und die Wasser müssen unaufhörlich thalabwärts rinnen, nimmermüde ihre fleißige Arbeit in den Schaufeln der Turbine verrichten, soll nicht das Räder⸗ werk erlahmen und zur todten Ruhe erstarren.
Wo aber bleibt nun die Energie, deren Unzerstörbarkeit das Naturgesetz behauptet? Wir bemerken es wohl, daß der verwandelte Stoff und das bildende Werkzeug unerwünscht eine neue Eigenschaft zeigen: sie werden erwärmt. Seit Jahrtausenden war die Erscheinung bekannt, erleuchtete Geister ahnten schon oft hinter dem Schleier ein tieferes Band, doch erst einem deutschen Forscher, Robert von Mayer, war es vergönnt, dasselbe klar zu erkennen. Als erster Fackelträger des Lichts drang er in das geheimnißvolle Gebiet, und hat die Ge⸗ schichte der Wissenschaft von ihm auch nichts zu verzeichnen als diese That, sie leuchtet dafür um so heller.
Nicht metaphysische Bahnen wandelt sein Geist. Die intensivste Betrachtung der Natur, die Zergliederung und Verknüpfung ihrer wechselnden Erscheinungen, eine agpringit. reine, zur höchsten Kraft Fer Beobachtungsgabe führt ihn zum Ziel. Seine Erziehung als
rzt bringt diese Fähigkeiten schon früh zur glücklichsten Entfaltung. Ihn beseelt der Trieb, die Erscheinungen der Natur in allen Breiten des Erdballs zu schauen und er verdingt sich als Schiffsarzt der holländischen Regierung für den mörderischen Dienst in ihren Kolonien. Auf einsamer Fahrt über das Weltmeer versenkt er sich in den südlichen Sternhimmel und sinnt über die Kräfte des Universums. Die üppige Vegetation der Tropen führt ihm die lebenspendende Energie der. Sonnenwärme vor Augen; das hellrothe Blut seiner Schutzbefohlenen unter dem heißen “ Batavias erschließt ihm die Bedeutung der Wärme für den
rganismus belebter Geschöpfe. Wie klare Krystalle ordnen sich die Gedanken in seinem Geist. Zurückgekehrt in die Heimath, betrachtet er mit geschärftem Blick den brausenden Zug auf der Eisenbahn; er erkennt die kraftspendende Wärme in dem Kessel der Lokomotive, sieht ihre Wandlung in “ und wie sie an den eilenden Rädern von neuem als Wärmewirkung erscheint. In der Papierfabrik beobachtet er an dem Holländer, jener Maschine, welche die Papiermasse zerkleinert, die Temperaturerhöhung des Breies und vergleicht sie mit dem Kraft⸗ aufwand. So schreitet er unaufhaltsam fort bis zur entscheidenden That und enthüllt die Wahrheit: Auch die Wärme ist nur eine Form der Energie, wie jene der Lage und der Bewegung, sie läßt sich be⸗ ziffern wie diese in rein mechanischem Maß. Aus bekannten That⸗ der Physik folgerte er diese Zahl und gab sie zuerst bekannt. kach kurzer Rast zog er aus zu neuer folgenschwerer Entdeckung: er zeigte das Walten des ehernen Gesetzes auch in der Welt der elektrischen, magnetischen und chemischen Erscheinungen, und bewies, daß 8 diese nichts Anderes sind als neue ebenso wandelbare Formen er Energie.
In der letzten Hälfte des Jahrhunderts zieht die Kocnit daraus ihre Staunen erregenden Schlüsse: sie beflügelt die Kraft und ver⸗ breitet den Glanz des elektrischen Lichts.
Seit grauer Vorzeit kannte man die gebeimnißvolle, in dem Magnetstein schlummernde Kraft; länger als ein Jahrhundert schon zuckte der elektrische Funke von der Kugel der Elektrisiermaschine, doch mit sieben Siegeln hält die Natur ihr letztes Geheimniß verschlossen. Erst in der Morgenröthe unseres Jahrhunderts öffnet sie ihren tiefsten und edelsten Schatz. Alle Kulturvölker nehmen gleichmäßig theil, die kostbaren
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Güter zu fördern. Faraday ist der erste, der die schwankende Brücke schlägt hinüber ins Reich der mechanischen Kräfte; und getragen von der Erkenntniß des großen Naturgesetzes, führt Werner Siemens die immelstochter selbst im eisernen Kleid in den Dienst des schaffenden bens. Derselbe Strom, der die Schwingen des Blitzes leichten Ge⸗ danken verleiht, wird auch zum Träger gewaltiger Energie. 873
Suchen wir die Erklärung von neuem an unserem Beispiel. Das Hochgebirgsthal wird selten geeignet sein, die Wasserkraft in den unmittelbaren Dienst der Technik zu stellen; wichtiger ist es, die unerschöpfliche Kraft in die gewerbreichen Städte der Ebene zu tragen. Was noch vor dreißig Jahren ein Hirngespinnst der Phantasie, nämlich die Kraft vielhunderipferdiger Maschinen auf meilenweite Entfernung nutzbringend zu leiten, ist heut die gewohnte Arbeit des Ingenieurs. Von der Turbinenwelle getrieben, wird die Dynamomaschine zum Sitz elektrischer Kräfte, die damit verbundene Leitung zum Träger der unsichtbaren ver⸗ wandelter Energie. Mit E1 einfachster Art messen wir die Elemente des elektrischen Kreislaufs, seine Spannung und seine Stärke. Wie die Energie des Wassers sich bestimmte durch das Pro⸗ dukt aus Gewicht und Fallraum, so ergiebt sich als sekundliches Maß der elektrischen Energie das Produkt aus Spannung und Stromstärke, und eine einfache Zahl verknüpft die ermittelten Werthe.
Miit untrüglicher Sicherheit ordnet der Ingenieur die ifen seines Projekts. Zwar bedingt die erneute Wandlung einen Verlust an Energie, der sich in die Wärmeform kleidet, doch er kennt den Nutzeffekt seiner Maschinen und die Mittel, ihn zu beherrschen. Voll Zuversicht kann er die Pole derselben mit der Leitung an hochragenden Masten verbinden, ist ihm doch die Größe der Arbeitsleistung bewußt, die er dem schwankenden Drahte vertraut.
Prüfend erwägt sein Geist, ob an dem fernen Orte, wo die ge⸗ schäftige Industrie die willkommene Kraft empfängt, ihr wirthschaft⸗ licher Werth den aufgewendeten Kosten entspricht. Denn nicht ohne Verlust wandert die Energie, Weggeld und Zehrung kostet die Reise über Berg und Thal und unaufhörlich gleitet die Münze der Wärme⸗ form in entgegengestreckte Hände. Der Verlast hängt sowohl von der Stärke des Stroms ab, als auch von der Größe des metallischen Querschnitts der Leitung. Eine Breiterung des Weges erfordert be⸗ trächtliche Kosten. Doch die klare Erkenntniß, daß die Größe der Energie nicht allein durch die Stärke, des Stroms, sondern auch durch die Höhe der Spannung bedingt ist, giebt ihm das sichere Mittel, durch Steigerung der Spannung die Kosten der Reise wirth⸗ schaftlich zu gestalten.
Erst seit wenigen Jahren hat die technische Wissenschaft das Pro⸗ blem der Erzeugung hochgespannter Ströme gelöst. Die einfachste
orm, in der elektrische Energie in die Erscheinung tritt, ist der
leichstrom. Hindernisse stellten sich seiner Erzeugung mit hoher Spannung entgegen, und zahlreiche Versuche führten zum Mißerfolg. Doch über die Trümmer zerstörter Dynamomaschinen hinweg eilte die Technik in rastlosem Siegeslauf. Ein neues Panier erhebt sie mit kraftvoller Hand, und unter dem Zeichen des Wechselstroms, einer anderen Form elektrischer Energie, erreicht sie das Ziel.
Der Wechselstrom besitzt eine werthvolle Eigenschaft, welche dem Gleichstrom fehlt. Durch einfache Hilfsmittel, Transformatoren ge⸗ nannt, läßt sich seine niedrig gespannte Energie verwandeln in hoch⸗ gespannte und umgekehrt, ohne nennenswerthen Verlust. Eine reiche Mannigfaltigkeit in der Gestaltung der Form erschließt sich. Je weiter die Entfernung, in welche elektrische Energie zu ver⸗ senden, desto höher schrauben wir gleichsam in den Win⸗ dungen des Transformators ihre Spannung und erniedrigen damit zugleich die den Verlust Stärke des Stroms. Mit Sicherheit berechnen wir den Fehlbetrag am fernen Ende der Leitung und bilden mit Zuversicht das Fazit der wirthschaftlichen Bilanz. In umgekehrter Folge vollzieht sich der Umtausch der Energie zu mechanischen Arbeitswerthen am Ort des Bedarfs. Im Trans⸗ formator wechselt sie wieder das Reisekleid und betritt als gesitteter Bote die Stätten der Menschen. Dienstbereite Elektromotoren empfangen sie und verwandeln sie in die vertraute Form mechanischer Bewegung.
Im ewigen Gleichmaß gesetzmäßiger Wandlung ordnet sich so der Kreislauf der Kräfte, und das emsige Getön der Werkstatt ist nur ein Widerhall des brausenden Hymnus der Natur, die in zerklüfteten Felsen das Wasser rauschend zu Thale führt. Ein bleibender Ruhmes⸗ titel deutscher Technik ist es, daß sie die Richtigkeit dieser Gedanken zuerst erwies durch den Erfolg der praktischen That, und eine wunder⸗ bare Fügung ist es zu nennen, daß die Wasserkraft, welche ihre 300⸗ pferdige Energie 23 Meilen weit bis in das Herz jener Ausstellung zu Frankfurt a. M. entsandte, den Fluthen des Neckars entstammte, an dessen Ufern fünfzig Jahre zuvor einsam und unverstanden der große Forscher gewandelt, auf dessen Gedankenarbeit die gewaltige schöpferische That der Technik in ihren tiefsten Fundamenten sich gründet.
Doch mit der Wechselbeziehung zwischen der elektrischen, kalorischen und mechanischen Form der Energie ist ihr technisches Wirkungsgebiet nicht erschöpft. Ihre herrlichste, göttlichste Form offenbart sie im Glanze des Lichts, der blendenden Schwester der Wärme.
Es läßt sich nicht mehr bezweifeln, daß die Erscheinung der Wärme ein rein mechanischer Vorgang ist: eine zitternde, schwingende Bewegun der kleinsten Theile der Körper, anderen Massen mittheilbar 5. Berührung oder durch das Medium des vibrierenden Aethers, jenes Stoffes von unendlicher Feinheit, der die Räume des Universums erfüllt. Je nach der Periode der Bewegung äußern sich seine Wellen in verschiedener Wirkung. Ein vom elcktrischen Strom durchflossener Draht sendet Strahlen aus, die wir als Wärme erkennen. Durch bewunderungswürdige Hilfsmittel ist es gelungen, die viele Billionen erreichende Zahl ihrer Schwingungen in der Sekunde zu messen. Steigern wir die Temperatur des Drahtes durch Vermehrung des Stroms, so nimmt die Zahl dieser Schwingungen zu, und ihre Wirkungssphäre erreicht ein neues Gebiet. Sie erregt die Netzhaut des Auges und wir begrüßen die Wellen des Lichts; anfangs nur die matten Strahlen eines röthlichen Schimmers, bei weiterer Erhitzung die helleren Farben des Gelb, des Grün und des Violett bis zur vollendeten Harmonie des glänzenden Sonnenlichts. Also auch die Wahrnehmung des Lichts beruht zuletzt auf rein mechanischer Wirkung, und man hat die billionsten Theile der Pferdestärke berechnet, mit denen das Pochwerk der Aethermoleküle auf die zarten Nerven des Auges hämmert.
Die Strahlen des elektrischen Lichts vergolden das scheidende Jahrhundert. In seiner Eigenart erkennen wir nur eine neue Form der Energie im großen Haushalt der Natur. Verschwenderisch sind die Ausgaben, welche ihre edelste Wandlung bedingt. Noch harrt die Technik des großen Erfinders, der die Erzeugung von Licht ohne Wärme uns lehrt. — gleichen wir nur einem Organisten, der die ganze brausende Gewalt seiner tiefsten Register miterklingen lassen muß, um wenige hohe Töne hervorzulocken. So erfährt 1G der helle Ton der Begeisterung über den Glanz des elektrischen Lichts eine Dämpfung, wenn uns bewußt wird, daß von der gesammten Energie, welche wir in den leuchtenden Kohlenfaden schicken, nur funf Prozent sich in die ersehnte Form des Lichts verwandeln. Und doch ist der Fortschritt ein großer zu nennen, wenn die gleiche Erkenntniß uns lehrt, daß der leuchtende Werth der Gasflamme nur ein winziges Drittel Prozent ihrer Gesammtenergie erreicht. Sparsamer als das Glühlicht waltet das Bogenlicht mit den Schätzen der Natur, denn ihren zehnten Theil sendet es aus mit seinen blauweißen strahlenden Wellen. Doch un⸗ erreichtes Vorbild bleibt uns die Lehrmeisterin Natur. In ihrer ver⸗ borgenen Werkstatt hat sie das große Problem schon vor Jahrtausen⸗ den gelöst: in dem Körper des Glügwarme, der an lauen Sommer⸗ abenden uns mit dem Zauber seines grünlichen Schimmers erfreut, wandelt sie ihre ganze Kraft in die selektive Strahlung des Lichts. Rastlos olgt ihren Spuren der sinnende Menschengeist, und schon hat ein kühner Amerikaner, Nicola Tesla, die Ufer eines neuen Stroms entdeckt, in den die Quellen der Natur ihre Lichtenergie in breiteren Fluthen ergießen.
Eine 777 nicht minder bedeutsame Form des Arbeitsvermögens der Natur schlummert in ihren chemischen Kräften. In den Ver⸗ bindungen der Atome erkennen wir heut eine Energie der Lage, die
gleich der Sehne des gespannten Bogens nur eines ge oß