1895 / 26 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Jan 1895 18:00:01 GMT) scan diff

höheren Verwaltungsbehörde, in deren Bezirk die Genossenschaft ihren Sitz hat, unverzüglich einzureichen. G

Die höhere Verwaltungsbehörde ist befugt, die Mitglieder des Vorstandes zur Einreichung und nöthigenfalls zur Abänderung oder Ergänzung der Anweisung durch Geldstrafen bis zum Betrage von je dreihundert Mark anzuhalten. b

Gegen die Anordnungen und Straffestsetzungen der höheren Ver⸗ waltungsbehörde findet binnen zwei Wochen die Beschwerde an die Landes⸗Zentralbehörde statt. 9 145

a.

Personen, welche für einen Konsumverein den Waarenverkauf be⸗ wirken, werden, wenn sie der Vorschrift des § 8 Absatz 4 zuwider wissentlich oder ohne Beobachtung der nach § 30a von dem Vorstand erlassenen Anweisung Waaren an andere Personen als an Mitglieder

oder deren Vertreter verkaufen, mit Geldstrafe bis zu einhundert⸗ fünfzig Mark bestraft. Se

Gleiche Strafe trifft das Mitglied, welches seine zum Waaren⸗ kauf in einem Konsumverein berechtigende Legitimation einem Dritten zum Zweck unbefugter Waarenentnahme überläßt, sowie den Dritten, welcher zu demselben Zweck von der für ein Mitglied ausgestellten Legitimation Gebrauch macht.

Artikel 3.

Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1895 in Kraft.

3 Die Begründung lautet, wie folgt: 4 Durch den § 8 Abs. 4 des Gesetzes vom 1. Mai 1889 ist den Konsumvereinen zur Pflicht gemacht, iim regelmäßigen Geschäftsverkehr Waaren nur an solche Personen zu verkaufen, welche als Mitglieder oder deren Vertreter bekannt sind oder sich als solche in der durch das Statut vorgeschriebenen Weise legitimieren. Beim Mangel einer Straf⸗ androbung hat jedoch das in dieser Bestimmung liegende Verbot die beabsich⸗ tigte Wirkung nicht gehabt. Mit Rücksicht hierauf hat der Reichstag aus Anlaß eines von dem Abg. Ackermann und Genossen eingebrachten Antrags (Nr. 29 der Drucksachen des Reichstags 1892/93) mittels einer Resolution vom 8. Februar 1893 beschlossen, den Reichskanzler um alsbaldige Vorlage eines Geseßzes zu ersuchen, durch welches den Konsumvereinen die Abgabe von Waaren an Nichtmitglieder schlecht⸗ hin und unter Strafandrohung verboten werde. Demnächst ist durch die Anträge der Abg. Gröber und Genossen, Dr. Kropatscheck und Genossen sowie Dr. Hammacher und Genossen (Nr. 17, 26 und 158 der Drucksachen des Reichstag 1893/94) eine Ergänzung des Genossenschaftsgesetzes durch Strafbestimmungen gegen Uebertretungen des im § 8 Absatz 4 ent⸗ haltenen Verbots in Anregung gebracht worden. Ueber den ersteren Antrag haben ausführliche Verhandlungen des Reichstags in der Sitzung vom 17. Januar v. J. stattgefunden. In gleicher Richtung wie diese Anträge bewegen sich zahlreiche Kundgebungen und Eingaben aus dem Handels⸗ und Handwerkerstande; in denselben wird lebhaft über die Schädigungen geklagt, welche dem Handel und Handwerk dadurch zugefügt werden, daß die Konsumvereine die durch das Gesetz ihrem Geschäftsverkehr gezogenen Schranken übertreten. 1

Es ist nicht zu verkennen, daß diese Kundgebungen zum theil über das berechtigte Ziel hinausgehen, indem sie sich gegen die Existenz der Konsumvereine überhaupt richten und die dem Handel⸗ und Hand⸗ werkerstande unliebsame Konkurrenz derselben, auch soweit sie legitim ist, zu beseitigen suchen. Andererseits steht es aber auch außerhalb allem Zweifel, daß die erhobenen Klagen bis zu einem gewissen Grade be⸗ ründet sind; die Ausdehnung des Geschäftsbetriebs vieler solcher Vereine steht im Widerspruch mit dem Gesetz und ist vom sozialpolitischen Standpunkt aus um deswillen bedenklich, weil sie die wirtbschaftliche

Eristenz zahlreicher Einzelbetriebe im Handel und im Handwerk ge⸗ fährdet. Ein Einschreiten der Gesetzgebung erscheint daher geboten.

Um demselben einen Erfolg zu sichern, ist es erforderlich, daß nicht nur das wissentliche Abgeben von Waaren an Nichtmitglieder mit Strafe bedroht, sondern auch jedem fahrlässigen Verhalten der mit dem Waarenverkauf betrauten Angestellten der Konsumvereine entgegengetreten werde. Da es nun aber nicht dem individuellen Ermessen dieser Angestellten überlassen bleiben darf, durch welche Mittel sie sich über die Mitgliedschaft der Waarenkäufer vergewissern wollen, so ist in dem Entwurf den Vorständen der Konsumvereine die

Pflicht auferlegt, zur Durchführung des Verbotes des § 8 Abs. 4 geeignete Anweisungen darüber zu erlassen, wie sich die Vereins⸗ mitglieder oder deren Vertreter bei der Entnahme von Waaren aus⸗ zuweisen haben. Die Vorstände werden in der Lage sein, die Legi⸗ timation der Mitglieder oder der Vertreter derselben in einfachster Weise (Vorzeigen der Mitgliedskarte, eines Quittungsbuches, eines sonstigen Abzeichens) zu regeln und dem Verkaufspersonal klare Vor⸗ schriften zu ertheilen, welche unschwer zu handhaben sind, und deren, sei es wissentliche sei es fahrlässige Uebertretung alsdann unbedenklich unter Strafe gestellt werden kann. Hierdurch würden den Konsum⸗ vereinen weder für die Gewinnung geeigneter Verkäufer noch in der Erfüllung ihrer Aufgaben den Mitgliedern gegenüber irgendwie nennenswerthe Schwierigkeiten bereitet werden.

Der Entwurf hat davon abgesehen, die Durchführung der mehr⸗ erwähnten, den Vorständen aufzuerlegenden Obliegenheit durch die Registergerichte überwachen zu lassen. Allerdings ist diesen Gerichten

schon durch den § 152 des Genossenschaftsgesetzes in einzelnen Be⸗ ziehungen, insbesondere hinsichtlich des Verbots der Ausdehnung des Geschäftsbetriebs der Kreditvereine auf Nichtmitglieder, eine gewisse Aufsicht über die Genossenschaften übertragen worden; es läßt sich indeß nicht verkennen, daß die hier in Frage stehende Thätigkeit, bei welcher es sich um den im öffentlichen Interesse zu gewährenden Schutz von der Genossenschaft nicht angehörigen Gewerbetreibenden und um die Prüfung der Zweckdienlichkeit der von dem Vorstand erlassenen Anweisungen handelt, mit der sonstigen Thätigkeit der Registergerichte und den Gesichtspunkten, nach welchen sie geübt wird, wenig gemein hat. Es empfiehlt sich daher die Uebertragung der in Rede stehenden Aufgabe an eine Verwaltungsinstanz. Durch die Wahl der höheren Verwaltungsbehörde ist zugleich eine Gewähr für die gleichmäßige Behandlung des Gegenstands innerhalb größerer

Bezirke geboten. 1u“

Die für den Abs. 2 des § 145 a vorgesehenen Strafbestimmungen dienen dazu, einer mißbräuchlichen Benutzung der Mitglieder⸗Legiri⸗ mationen durch Nichtmitglieder vorzubeugen.

Die Verpflichtung des Vorstands zum Erlaß bestimmter An⸗ weisungen hinsichtlich der Legitimation der Vereinsmitglieder soll nach dem Entwurf auf diejenigen Konsumvereine beschränkt bleiben, welche einen offenen Laden haben; ein weitergehendes Bedürfniß scheint nicht vorzuliegen. Insbesondere für die zahlreichen landwirthschaftlichen Konsumvereine ohne offenen Laden, welche vielfach Wirth⸗ schaftsbedürfnisse nur nach vorgängiger Umfrage bei ihren Mit⸗ gliedern anschaffen und dann an die letzteren abgeben, würde der Erlaß besonderer Anweisungen über die Legitimation der Mitglieder zwecklos sein. Es genügt, wenn in derartigen Fällen eine Bestrafung nur wegen wissentlichen Verkaufs an Nichtmitglieder erfolgen kann. 8

Die am Schluß des Entwurfs vorgeschlagene Uebergangszeit rechtfertigt sich mit Rücksicht darauf, daß billigerweise den Konsum⸗

vereinen eine gewisse Frist einzuräumen sein wird, in welcher sie sich auf die neuen Bestimmungen einrichten, und insbesondere die Vor⸗ stände die von ihnen zu erlassenden Anweisungen treffen können.

Der Kaiserliche Botschafter in St. Petersburg, General der Infanterie und General⸗Adjutant von Werder ist von kurzem Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geshaͤfte der Botschaft wieder übernommen.

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Laut telegraphischer Mittheilung an das Ober⸗Kommando

der Marine ist S. M. S. „Alexandrine“, Kommandant Kapitän zur See Schmidt, am 25. Januar in Chefoo ange⸗

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kommen und beabsichtigt heute nach Yokohama in See zu

gehen. S. M. S. „Irene“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän von Dresky, ist am 26. Januar in Singapore eingetroffen und will am 30. d. M. die Reise nach Hongkong fortsetzen. S. M. S. „Arcona“, Flaggschiff der Kreuzer⸗ Hicsfbon. Chef Kontre⸗Admiral Hoffmann, ist am 26. Ja⸗ nuar in Chefoo angekommen.

8 * EFlsaß⸗Lothringen.

Der Landesausschuß ist gestern Nachmittag 3 Uhr durch den Kaiserlichen Statthalter Fuürsten zu Hohenlohe⸗ Langenburg in Gegenwart des Ministeriums eröffnet worden. In längerer Rede hieß der Statthalter, wie „W. T. B.“ berichtet, zunächst die Abgeordneten herzlich willkommen und gab sodann ein Bild von der Finanzlage. Dieselbe sei für das laufende Etatsjahr noch befriedigend, dank den wachsenden Erträgen und den eigenen Einnahmequellen und infolge des Umstandes, daß die endgültige Abrechnung mit dem Reich voraussichtlich sich erheblich günstiger stellen werde, als bei der Aufstellung des Etats angenommen worden sei. Die weitere Gestaltung sei in der Hauptsache davon abhängig, daß das Finanzverhältniß zwischen dem Reich und den Einzelstaaten derartig geregelt werde, daß die Landesfonds von der Zu⸗ schußleistung an das Reich entbunden würden. Sollte ein befriedigender Ausgleich der finanziellen Beziehungen zwischen Reich und Einzelstaaten nicht stattfinden, so sei zu befürchten, daß das Landes Etatsjahr 1895/96 trotz Ein⸗ schränkung der Ausgaben mit einem Fehlbetrag abschließen werde. Peiter berührte der Statthalter den Gesetzentwurf über die Gebäudesteuer. Die Neueinschätzung des Ertrags der Gebäude sei vollendet, und auf Grund derselben könne die neue Gebäudesteuer eingeführt werden, die bestimmt sei, an Stelle der bisher mit der Grundsteuer vereinigten Gebäudesteuer zu treten. Einem allgemeinen Wunsch entsprechend, solle die veraltete Thür⸗ und Fenster⸗ steuer wegfallen. Das neue Steuersystem bezwecke keine Ver⸗ mehrung, nur eine gerechtere Vertheilung der Steuereinnahmen. Ferner stellte der Statthalter die erneute Vorlegung des Spar⸗

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kassengesetzes in Aussicht, das in der letzten Tagung uner⸗

ledigt geblieben sei, außerdem zwei Gesetzentwürfe behufs Ergänzung der bestehenden Gesetze über das Grundeigenthum und die Einrichtung von Grundbüchern. Der Statthalter gab ferner der bestimmten Hoffnung Ausdruck, daß über die von der Regierung vorgeschlagenen Reformen eine Verständigung erzielt werden werde, erklärte im Namen Seiner Majestät des Kaisers die 22. Tagung für eröffnet und schloß mit einem Hoch auf Seine Majestät. Hierauf wurden der Präsident Jean Schlumberger und der Erste Vize⸗Präsident Jaunez durch Zuruf wiedergewählt, während als Zweiter Vize⸗Präsident Julius Klein gewählt wurde.

Desterreich⸗Ungarn.

Die Prinzessin Leopold von Bayern ist gestern von Wien nach München zurückgekehrt. Der Kaiser gab Höchstderselben das Geleit bis zum Bahnhof. 3 Bei dem deutschen Botschafter Grafen zu Eulenburg fand am Sonntag Nachmittag zur’ Feier des Geburtstags Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm ein Festmahl zu 40 Gedecken statt, bei welchem der Herzog Wilhelm von Württemberg, die Gesandten Bayerns und Sachsens, die Mitglieder der deutschen Botschaft und des deutschen Konsulats, zahlreiche Damen, Vertreter des Vereins „Nieder⸗ wald“, der deutschen Offiziersvereinigung und mehrere deutsche Offiziere anwesend waren. Der deuische Botschafter brachte in schwungvollen Worten einen begeistert aufgenommenen Toast auf Seine Majestät den Deutschen Kaiser aus.

In Triest fand vorgestern an Bord des deutschen Schul⸗ schiffs „Stein“ aus Anlaß des Geburtstags Seiner Majestät des Deutschen Kaisers ein Festgottes⸗ dienst statt, dem der Statthalter Ritter von Rinaldini mit Gemahlin, der deutsche General⸗Konsul Pritsch mit Ge⸗ mahlin, der Bürgermeister von Triest Dr. Pitteri, der Militär⸗ bezirks⸗Kommandant, der Seebezirks⸗Kommandant Graf Cassini, sowie die Spitzen der Zivil⸗ und Militärbehörden beiwohnten. Nach dem Gottesdienst versammelten sich die Theilnehmer zu einem Frühstück bei dem Schiffskommandanten Kapitän zur See von Wietersheim. Derselbe brachte das Hoch auf den Kaiser und die Kaiserin von Oesterreich aus, worauf die Musikkapelle die österreichische Hymne spielte. Hierauf erhob sich der Statthalter Ritter von Rinaldini und gedachte zunächst in warmen Worten der An⸗ wesenheit Ihrer Majestäten des Kaisers Wilhelm und der Kaiserin Auguste Victoria in Abbazia und gab sodann den ehrfurchtsvollsten Wünschen für deren Glück in begeisterten Hochrufen Ausdduck, die von der Versammlung unter den Klängen der deutschen Nationalhymne jubelnd er⸗ widert wurden. Während des Frühstücks traf ein Telegramm des Admirals von Sterneck ein, das der Freude über die Anwesenheit des Schiffs Ausdruck gab und zu dem Geburtsfeste Seiner Majestät des Kaisers Glückwünsche übermittelte. Die Mittheilung dieses Telegramms begleitete Kapitän zur See von Wietersheim mit folgenden Worten: „Hoffent⸗ lich werden wir noch langen Frieden genießen; wenn wir aber

erufen werden, werden wir Schulter an Schulter mit der österreichischen Marine kämpfen. Auf diese Marine und deren Kommandanten bringe ich ein Hoch!“ Zu gleicher Zeit fand ein Frühstück in der Offiziersmesse statt, woselbst sich zahlreiche Gäste eingefunden hatten; hier brachte Kapitän⸗Lieutenant Schönfelder den Toast auf Seine Majestät den Deutschen Kaiser und Kaiser Franz Joseph aus. ““

Wie das „Fremdenblatt“ meldet, ist der istrianische Landtag durch Kaiserliche Entschließung aufgelöst und sind Neuwahlen angeordnet worden. Das „Fremdenblatt“ führt den Entschluß auf die Vorgänge im istrianischen Landtag

urück, wo die italienische Majorität durch Einführung der italienischen Sprache als alleinige Verhandlungssprache, sowie durch die Bestimmung, daß Anträge und Interpellationen nur italienisch gestellt werden dürften, die slavische Bevölkerung in ihren Rechten habe kränken, eventuell dieselbe aus dem parla⸗ mentarischen Leben hinausdrängen wollen.

Im ungarischen Unterhause brachte der Finanz⸗ Minister von Lukäcz gestern einen Gesetzentwurf ein, durch den das Budgetprovisorium bis Ende April verlängert wird. Der Finanzausschuß des H nahm den Entwurf ohne Debatte an. Der Obmann des Ausschusses Szell be⸗

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inanz⸗Minister als langjährigen Mit⸗ des Ausschusses und versicherte ihn der Sympathie esse 3 .

Bei der gestern im Unterhause fortgesetzten Berathung des Kultusbudgets erklärte der Unterrichts⸗Minister Wlassies, er werde die Integrität der Prinzipien der no ausstehenden vrch. Wees auf das entschiedenste wahren u die Grundprinzipien des Gesetzentwurfs über die freie Religions⸗ übung aufrecht erhalten. Wenn jedoch gewünscht werde, daß der Ausdruck „aus einer Konfession Ausgetretene“ geändert werden möge, so werde die e nichts dagegen ein⸗ wenden, weil auch einzelne, die Kirchenpolitik der Regierung unterstützende Magnaten sich daran stießen, daß die Kon⸗ fessionslosigkeit expressis verbis im Gesetz selbst ausgesprochen werde. Die Regelung der Verhältnisse der Konfessionslosen werde im Verordnungswege erfolgen, wodurch die Integrität der Prinzipien vollständig gewahrt werde. Betreffs der Re⸗ zeption der Juden würden alle Rechtsfolgen der Rezeption aufrecht erhalten.

Bei dem Grafen Nikolaus Moritz Esterhazy fand gestern eine von etwa 200 Mitgliedern besuchte Konferenz der jüngst gebildeten katholischen Volkspartei statt. Die Konferenz beschloß, der Partei nur den Namen „Volks⸗ partei“ zu geben und damit den katholischen Charakter aus dem Parteititel wegzulassen. Auf Antrag des Grafen Ferdi⸗ nand Zichy wurde beschlossen, daß die Volkspartei auf staats⸗ rechtlicher Grundlage stehe und somit jede Gemeinschaft mit der äußersten Linken abweise.

Großbritannien und Irland.

Die Leiche Lord Churchill's wurde gestern früh, wie „W. T. B.“ berichtet, von dem Trauerhause in London 8 dem Paddington⸗Bahnhofe gebracht zur Ueberführung nach Bladon, wo am Vormittag die Beisetzung stattfand. Der Bischof von Oxford, umgeben von der eistlichkeit empfing die Leiche am Eingange der Woodstock⸗Kirche, von wo sie nach Be⸗ endigung des Gottesdienstes nach dem Kirchhof übergeführt wurde. Gestern Mittag fand in der Westminster⸗Abtei ein Trauergottesdienst statt, dem der Marquis von Salis⸗ bury, Lord Rosebery, der Kanzler der Schatzkammer Sir W. Harcourt, Balfour, verschiedene Mitglieder der beiden Füuser des Parlaments, Notabilitäten und ein zahlreiches Publikum beiwohnten. Der Prinz und die Prinzessin von Wales sowie der deutsche und der russische Bot⸗ schafter hatten Kränze gespendet.

Frankreich. 1“

Der König Alexander von Serbien stattete gestern Nachmittag 3 Uhr dem Präsidenten der Republik Faure und darauf dessen Gemahlin einen Besuch ab, den der Präsi dent sofort erwiderte. Der König hat dem Präsidenten Faure den Weißen Adler⸗Orden verliehen. 8

In dem gestern abgehaltenen Ministerrath theilte der Minister⸗Präsident Ribot mit, daß der Admiral Besnard das Marine⸗Ministerium übernommen habe. Da der General Hervé, dem das Kriegs⸗Ministerium angeboten worden war, die Annahme desselben abgeschlagen hat, ist der Divisions⸗ General Zurlinden, bisher kommandierender General des IV. Armee⸗Korps, zum Kriegs⸗Minister ernannt worden.

Der Marschall Canrobert ist gestern gestorben. 6

Im Senat ist gestern von dem Justiz⸗Minister Trarieux, in der Deputirtenkammer von dem Minister⸗Präsidenten Ribot ein Botschaft des Präsidenten Faure verlesen worden, die in beiden Häusern eine beifällige Aufnahme fand. In der Botschaft spricht der Präsident seinen Dank für seine Wahl aus und bezeichnet dieselbe als eine Ehrung der arbeitsamen Demokratie, zu der der Präsident sich rechne, Die Mitglieder des Kongresses hätten der Arbeit im stillen, welche die Demokratie unablässig für die Größe Frankreichs ausübe, eine feierliche Huldigung er⸗ weisen wollen. Der Präsident fügte hinzu, er kenne die ganze Größe seiner Pflichten und werde sich denselben nicht ent⸗ ziehen, vielmehrihnen seine ganze Hingebung undalle Wachsamkeit widmen, um die Beobachtung der konstitutionellen Gesetze und eine gesetzmäßige loyale Ausübung des parla⸗ mentarischen Regimes sicher zu stellen. Die Botschaft erinnert weiter an die Ruhe, mit der sich die Uebertragung der Präsidentschaftswürde vollzogen habe, und fährt fort: „Das ar⸗ lament hat bewiesen, daß das freie Funktionieren der Insti⸗ tutionen für alle Umstände ausreicht, um einen ununter⸗ brochenen Gang der öffentlichen Geschäfte zu sichern. Die republikanische Staatsordnung kann übrigens keiner Gefähr⸗ dung ausgesetzt sein. In jedem Augenblick kann that⸗

sächlich die Nation ihren Willen durch die Vermittelung

ihrer Vertreter zum Ausdruck bringen und diese Vertreter aben immer die Sicherheit, in der Regierung einen treuen Mitarbeiter zu finden. Frankreich verwechselt nicht eine nutz⸗ lose Agitation mit dem unaufhaltsamen Fortschritt. Stark durch

seine Ehrlichkeit, stolz auf seinen erworbenen Wohlstand, zu-⸗

gänglich allen hochherzigen Ideen, ist Frankreich nicht Sklave irgend einer vorgefaßten Meinung, aber es verschließt sich nicht den großen Problemen, welche in der ganzen Welt die Geister bewegen. Eine Lösung zu suchen, die geeignet ist, diese Probleme dem nationalen Geiste und den Ueberliefe⸗ rungen der Sitten anzupassen, das ist die wesentliche Auf⸗ gabe, die das Parlament zu verfolgen hat. Alle Gut⸗ gesinnten werden sich in demselben Gedanken zusammenfinden: in dem Gedanken der Versöhnung, Beruhigung und sozialen Gerechtigkeit, um durch die allgemeine Eintracht und durch die republikanische Brüderlichkeit die andauernde Entwickelung des materiellen und moralischen Gedeihens vor⸗ zubereiten. Stolz auf seine Armee und Marine, stark genug, um mit Recht laut seine Friedensliebe betheuern zu können, und im Besitz so werthvoller Sympathien, an denen das Land unverbrüchlich festhält, rüstet sich Frankreich in dem neuen Streben zum Fortschritt, die Nativnen zu den großen Festen

der Arbeit einzuladen, welche würdig sind, das Jahrhundert

zu krönen. In Literatur, Kunst, Wissenschaft, Industrie, Handel, Ackerbau, in den breiten Massen des allgemeinen Stimmechts, muß ebenso wie in der politischen Welt derselbe

Eifer alle diejenigen vereinigen, denen der Glanz des fran-⸗

zösischen Namens am Herzen liegt.“ Die Botschaft schließt: „Zu dieser Vereinigung, zu dieser gemeinsamen Arbeit für die Macht und den Ruhm der Republik lade ich Sie ein, in dem sicheren Bewußtsein, hierin der Dolmetscher unserer ge⸗ sammten Demokratie zu sein.“

In der Deputirtenkammer brachte der Deputirte Goblet nach der Verlesung der Botschaft eine Inter⸗

pelläation über die Politik und die Bildung des neuen

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St. Petersburg berichtet, Deputationen

Nach einer Meldung

Kabinets ein. Goblet hielt die Nothwendigkeit der Ver⸗

fassungsrevision aufrecht und verlangte Auskunft über die Meinung der Regierung betreffs der Erpressungsaffairen, der Einkommensteuer und anderer Fragen. Er beantragte eine Tagesordnung, die jedes Kompromiß mit der Rechten und die Politik des Widerstandes gegen die Demokratie zurückweist. Der Minister⸗Präsident Ribot erwiderte auf die Interpellation und bat, doch endlich die Personenfragen bei Seite zu lassen, damit die vom Lande erwarteten Reformen zu Ende geführt werden könnten. Die Regierung wolle eine schaffensfreudige Republik und wolle den Um⸗

chwung, der sich jetzt im Lande vollziehe, unter⸗ stützen. Die Regierung werde die Kammer um Votierung des Budgets, unter Absetzung der Erbschaftssteuer, er⸗

uchen. Der Minister⸗Präsident schloß mit einem Appell an ie Mitwirkung der ganzen Kammer. Hierauf brachte der

Deputirte Bastid eine Tagesordnung ein, worin die Erklä⸗ rung der Regierung gebilligt und das Vertrauen zu der Ab⸗ sicht der Regierung ausgedrückt wird, eine Politik der Eini⸗ gung der Republik und demokratischer Reformen zu treiben. Nachdem die von Goblet für seine Tagesordnung beantragte Priorität mit 336 gegen 141 Stimmen abgelehnt worden

ar, wurde die von dem Minister⸗Präsidenten genehmigte

Tagesordnung Bastid mit 329 gegen 79 Stimmen angenommen.

odann brachte der Justiz⸗Minister Trarieux die Amnestie⸗ Vorlage ein. Es wird darin den wegen eines Komplotts oder Attentats gegen die innere Sicherheits des Staats, sowie den wegen Preß⸗ und Strikevergehen Verurtheilten volle und ganze Amnestie bewilligt. Die Vorlage wurde mit 511 gegen 7 Stimmen angenommen. (Rufe auf der äußersten Linken: Es lebe Rochefort!) Der Deputirte Gauthier brachte sodann einen Antrag auf eine Revision der direkten Abgaben ein und beantragte dafür die Dringlichkeit, die vom Minister⸗ Präsidenten Ribot bekämpft und von der Kammer mit 332 gegen 118 Stimmen abgelehnt wurde. Der Deputirte Lemire brachte hierauf eine Resolution ein, worin die Regierung auf⸗ gefordert wird, die gegen Beamte und Mitglieder des Klerus getroffenen Disziplinarmaßregeln aufzuheben. Der Antrag wurde mit 284 gegen 165 Stimmen angenommen und darauf die ühens geschlossen.

Alle gemäßigten Pariser Blätter billigen rückhaltlos die Botschaft des Präsidenten. Die Orgune der Opposition erklären sie als ein farbloses Schriftstuͤck und beklagen ebenso, daß die Erklärungen Ribot’'s ungenügend seien. Mehrere Blätter aber, besonders die „Petite République“, erklären, es sei undenkbar, sich streng gegen eine Regierung zu zeigen, die in der Amnestiefrage die Initiative ergriffen habe. Die gemäßigten Zeitungen fragen, ob es klug sei, Gegner ent⸗ waffnen zu wollen, welche die Waffen nie niederlegten. Die konservativen Blätter erklären, die Amnestie sei ein er⸗ freulicher Anfang der Regierung Faure's. Ohne Zweifel könne die Maßregel zur Beschwichtigung der revolutionären Umtriebe und des Hasses beitragen. G

Rußland. Aus dem ganzen Reich treffen, wie „W. T. B.“ aus h ein, um dem Kaiser und der Kaiserin zur Vermählung zu gratulieren. Die Deputationen werden von den betreffenden Re ssort⸗ Ministern vorgestellt und bringen dem Kaiser und der Kaiserin sowie Salz und Brot auf kostbaren Schüsseln dar. Aus Anlaß des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm empfing der deutsche Botschafter, General der Infanterie von Werder am Sonntag die Glückwünsche des diplomatischen Korps, der obersten Hof⸗ und Staats⸗Würden⸗ träger und der Vertreter der deutschen Kolonie. Wegen des Ablebens des Ministers von Giers wohnte der Botschafter dem Festessen der deutschen Reichsangehörigen in St. Peters⸗ burg nicht bei. Auch in Moskau und den anderen Städten Rußlands fanden Festessen der deutschen Reichs⸗ angehörigen statt. Italien. 8 1. der „Agenzia Stefani“ aus Washington von gestern richteten der Minister des Aus⸗ wärtigen Baron Blanc und der Gesandte von Kolumbien am italienischen Hofe Hurtado an den Präsidenten Cleveland gleichzeitig die identische Bitte, das schieds⸗ richterliche Mandat zur endgültigen Entscheidung aller internationalen Charakters zu uͤbernehmen, welche die korderungen des italienischen Staatsangehörigen Cerutti gegen die Regierung von Kolumbien beträfen.

Türkei. Fahsin Pascha, der Vali von Bitlis, ist, einer Mel⸗ dung des „W. T. B.“ zufolge, seines Amtes enthoben und

Feecerisc durch Eumer⸗Bey Mitglied der Untersuchungs⸗ Kommission für die Vorfälle in Sassun, ersetzt worden.

Amerika.

Das Repräsentantenhaus begann, wie „W. T. B.“ berichtet, vorgestern die Berathung der Vorlage für Ab⸗ schaffung des Differentialzolls auf Zucker. Hopkins (Republikaner) brachte ein Amendement ein, wonach der Hol gegen jedes Land in Kraft bleiben solle, das Maßregeln gegen amerika⸗ nisches Vieh und Fleisch ergreife. Meyer (Demokrat) brachte ein Amendement ein, den ad valorem-Zoll um 10 Proz. zu er⸗ höhen. Wilson eröffnete die Debatte, erklärte, der Diffe⸗ rentialzoll sei eine Verletzung des Meistbegünstigungsvertrags und verlas das deutsche und das österreichische Protest⸗ schreiben sowie ein Schreiben des deutschen Botschaf⸗ ters, worin bestritten wird, daß die deutscherseits gegen die Vieh⸗ einfuhr ergriffenen Maßnahmen Repressalien seien. Wilson behauptete, er glaube doch, daß der Zuckerzoll die Ursache der Maßnahme sei, derselbe sollte aber abgeschafft werden, weil er mehreren Ländern Veranlassung zu Repressalien gegeben habe. Hepburn brachte sodann den Antrag ein, eine Steuer von einem Dollar per Tonne v e3e —. die amerikanischen Häfen anlaufenden Schiffen aufzuerlegen, welche Ländern angehören, die die Einfuhr oder den Verkauf amerikanischer Produkte hindern oder übermäßig erschweren.

Gestern hat der lrafibent Cleveland eine Botschaft über die Finanzlage an den Kongreß gerichtet, in der es heißt, der gefahrlichste Punkt der Lage sei, daß , Millionen Dollars in Gold einzulösende Billets im Umlauf seien und daß das Gesetz deren alsbaldige Wiederausgabe nach ihrer Einlösung verlange. Diese Billets entzögen dem Schatz dauernd die Goldreserve. Während des 5 5.2. ahres sehe über 172 Millionen Dollars dem Schatz behufs Ausfuhr entnommen worden. Eine

müsse der Schatzsekretär ermächtigt werden, genügend Bonds auszugeben, um die Goldreserve zu erhalten, sowahe zur Ein⸗ lösung und definitiven Tilgung der gesetzlich zirkulierenden Billets, als auch für die in Gemäßheit des Gesetzes von 1890 zum Ankauf von Silber ausgegebenen Billets. Diese Bonds würden nach 50 Jahren in Gold zurückzuzahlen, nur gegen Gold ver⸗ käuflich und nicht höher als dreiprozentig sein. Er sei gegen eine neue Emission von Bonds unter den gegenwärtigen Be⸗ dingungen, sei aber bereit, im Kongreß an jeder Maßregel mitzuarbeiten, die geeignet sei, den Verdacht, als sei das Land nicht im stande, seinen nationalen Verpflichtungen ehrlich nach⸗ zukommen, zu beseitigen.

Nach der Verlesung der Botschaft des Präsidenten Cleveland im Repräsentantenhause brachte Springer einen Gesetzentwurf ein, der bezweckt, die Vorschläge des Ma⸗ sidenten durchzuführen. Die Höhe des Betrages der aus⸗ Bonds ist auch hierbei nicht angegeben. Der Ge⸗ etzentwurf wurde dem Finanzausschuß überwiesen.

Aus Mexico wird gemeldet, die Regierung von Mexico habe den Vorschlag des Staatsdepartements in Washington, die Grenzstreitigkeiten mit Guatemala einem Schieds⸗ spruch zu unterbreiten, abgelehnt. Mexico habe den Vor⸗ schlag freundlich entgegengenommen und danke für das freund⸗ liche Interesse.

Eine in New⸗York eingetroffene Depesche aus Colon meldet, die revolutionäre Bewegung in Kolumbien erstrecke sich auf die epartements Bolivar, Magdalena und Antioquig. Die Rebellen hätten die Telegraphendrähte zer⸗ schnitten. In Cartagena sei der Belagerungszustand erklärt worden. Aus Panama sei ein Theil der Truppen zurück⸗ gezogen worden, da man glaube, die Vereinigten Staaten würden die Interessen dieser Provinz schützen. Die revolutionären Führer auf dem Isthmus seien verhaftet worden. Ein fran⸗ zösisches Kriegsschiff sei nach Colon entsandt worden, das amerikanische Kriegsschiff „Atlanta“ befinde sich bereits dort. Auch in Buenaventura, an der Westküste von Kolumbien, sei ein Aufstand ausgebrochen. Ein amerikanisches Kriegsschiff werde dorthin gesandt werden.

Asien.

Aus Kalkutta berichtet das „Reuter'sche Burcau“, daß nach einer dort eingetroffenen Meldung aus Kasul der neue englische Agent Oberst⸗Lieutenant Akram Khan am 16. d. M. von dem Emir von Afghanistan im öffentlichen Durbar empfangen worden sei. Der Agent habe dabei dem Emir die Insignien des Großkreuzes des Path⸗Ordens überreicht.

Der „Times“ wird aus Shanghai von gestern ge⸗ meldet: Nach amtlichen, von chinesischer Seite stammenden Mittheilungen hätten die Japaner am 26. d. M. zweimal Wei⸗Hai⸗Wei von der Westseite aus angegriffen, seien aber zurückgeschlagen worden. Am 27. d. M. hätten die japanischen Truppen auf der Ostseite angegriffen, sich aber zurückziehen müssen; von einem beabsichtigten Angriff auf die Forts von Chefoo hätten die Japaner mit Rücksicht auf die An⸗ wesenheit der auswärtigen Kriegsschiffe Abstand genommen.

Parlamentarische Nachrichten.

*In der heutigen (25.) Sitzung des Reichstags, welcher die Staatssekretäre, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall, der Staats⸗ sekretär Graf von Posadowsky und der Staats⸗Minister Freiherr von Berlepsch beiwohnten, gelangte die Aller⸗

öchste Verordnung, betreffend die Erhebung eines Zoll⸗ zuschlags für aus Spanien und den spanischen Kolonien kommende Waaren, vom 25. Mai 1894, zur zweiten Berathung.

Es lag dazu folgender Antrag des Abg. von Salisch vor: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstag schleunigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen in Ergänzung der Vorschriften des § 6 des Zolltarif⸗Gesetzes vom 15. Juli 1879 auch zollfreie Waaren unter der dort vorgesehenen Voraussetzung mit Zöllen belegt werden können.

Der Abg. Dr. Hammacher beantragte, hierin nach dem Worte „belegt“ hinzuzufügen: „und die Zölle für zoll⸗ pflichtige Waaren bis auf das Doppelte erhöht werden können“.

Abg. Dr. Barth (fr. Vg.) erklärte sich gegen die vom Abg. von Salisch beantragte Resolution. Die Zollfreiheit sei einer Reihe von Artikeln im eigenen Interesse Deutschlands gewährt; namentlich die deutsche Industrie werde geschädigt, wenn man die Zollfreiheit aufhebe. Im übrigen werde durch Repressalien solcher Art überhaupt nichts erreicht, als eine Steigerung der Erbitterung und Spannung. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch der § 6 des Zolltarifgesetzes durchaus verfehlt; denn im Bestehen der⸗ artiger Bestimmungen liege auch eine Nöthigung, die Waffe wirklich zu gebrauchen, auch wenn es dem Bundesrath nicht erwünscht erscheine.

A Dr. Hammacher (inl.) erkannte aus den vom angeführten Gründen an, daß von den Befugnissen, Antrag verleihe, nur der allervorsichtigste Gebrauch emacht werden dürfe. Daß Kampfmittel nicht wirkungslos eien, habe der Erfolg des Zollkrieges mit Rußland gezeigt; auch die politischen Freunde des Abg. Barth hätten die Be⸗ tigung der Zölle als wirthschaftlicher Kampfmittel in früherer Zeit ausdrücklich anerkannt. Daß der Bundesrath von einer Be⸗ fugniß lediglich deshalb Gebrauch machen werde, weil sie einmal vor⸗ handen sei, sei eine Behauptung, für die der Beweis fehle. Redner wünschte die Ueberweisung der Kesolution an die Kommission für die Zolltarifnovelle, welche voraussichtlich zu einem positiven Gesetzes⸗

Vorredner welche der

vorschlage gelangen werde.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen (7.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister⸗Präsident Fürst zu Hohen⸗ lohe, der Finanz⸗Minister Dr. Miquel, der Minister des Innern von Köller und der Minister für Landwirth⸗ schaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein beiwohnten, theilte zunächst der Präsident von Köller mit, daß Seine Majestät der Kaiser und König die zu Allerhöchstseinem Geburtstage durch das Präsidium dargebrachten Glückwünsche des Hauses huldvollst entgegenzunehmen geruht habe. Das Andenken des verstorbenen Abg. Brauner ehrte aus in der üblichen Weise durch Erheben von den Sitzen. Auf der Tagesordnung stand die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗Etats und zwar des Etats der landwirthschaftlichen Verwaltung. Dazu nahm zu⸗ nächst das Wort der Minister für Landmrthschaßt ꝛc. Freiherr von Hammerstein, dessen Rede, die bei Schluß des Blattes noch fortdauerte, wir morgen im Wortlaut bringen werden.

das

Fncgenb⸗ oldreserve * zur Aufrechthaltung des öffentlichen edits nothwendig. iner Cleveland’s Ansicht nach

Dem Reichstag ist der Entwurf eines 8 be⸗ treffend die anderweite Ordnung des Finanzwesens des

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Reichs, zugegangen. Der Wortlaut des Gesetzentwurfs ist nebst der allgemeinen in der Ersten Beilage zur heutigen Nr. d. Bl. abgedruckt.

Die VYIII. Kommission des Reichstags zur Vor⸗ berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Zolltarifs, besteht aus folgenden Abgeordneten: Graf von Holstein, Vorsitzender; Reindl, Stellvertreter des Vorsitzenden; Fus⸗ angel, Will, Schriftführer; Buddeberg, von Dewitz, Dresler, 1S Herbert, Hirschel, Graf von Kanitz, Klose, Kröber (Bayern), Möller (Dortmund), Pingen, von Janta⸗Polczyüski, Siegle, Freiherr von Stumm⸗Halberg, Weidenfeld, Witzlsperger, Wurm.

Dem Hause der Abgeordneten ist der Bericht über die EE“ und Beschaffungen der Eisenbahn⸗ verwaltung während des Zeitraums vom 1. Oktober 1893 bis dahin 1894, sowie der Nachweis über die Verwendung des Dispositionsfonds im Extraordinarium des Etats der Eisenbahnverwaltung für 1893/94 zugegangen.

Kunst und Wissenschaft.

Der Botaniker Professor Friedrich Schmitz in Greifswald ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Mittag 9 Greif

Der Direktor des österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien, Hofrath Falke, ist unter dem Ausdruck der Allerhöchsten Anerkennung für seine vieljährige, sehr ersprießliche“ Dienstleistung auf eigenes Ansuchen in den Ruhestand versetzt und der Vize⸗Direktor Bucher unter Verleihung des Titels und TCharakters eines Hofraths zum Direktor des Museums ernannt worden.

Die in Zürich neugegründete Gesellschaft„ Künstlerhaus“ veranstaltet laut Meldung des „W. T. B.⸗ in dieser Woche eine Ausstellung von Gemälden moderner Meister. Darunter sind Werke von Gabriel Max, Keller, sowie die vier neuesten Werke⸗ Böcklin's, wovon zwei vor kurzem für eine bedeutende Summe in Züricher Privatbesitz gelangten.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Wien, 29. Januar. (W. T. B.) In den galizischen Be⸗ z Stanis 5 3 änzli zirken Stanislau und Czortkow ist die Cholera gänzlich erloschen. Gemäß der Dresdner Konvention werden die genannten Bezirke deshalb nicht mehr als Seuchenherde angesehen

Verkehrs⸗Anstalten. berg i. Pr., 28. Januar. (W. T. B.) Die Schiff⸗ chlossen

Glückstadt, 26. Januar. Die Dampfschiffahrten zwischen Hoverschleuse und Sylt sind, wie „W. T. B.“ meldet, Eises halber bis auf weiteres eingestellt.

28. Januar. (W. T. B.) Das Eisenbahn⸗Betriebsamt giebt bekannt: Die Dampfschiffsfahrten Dagebüll Wyk Amrum sind eingestellt.

Koblenz, 28. Januar. (W. T. B.) Das hiesige Betriebsamt macht bekannt: Der Trajektbetrieb SnZ wegen Eisgang eingestellt. „Krefeld, 28. Januar. (W. T. B.) Das hiesige Betriebsamt macht bekannt: Rheintrajekt Spyck⸗Welle Strecke Kleve wegen Eisgang gesperrt, Betrieb auf Strecke Welle

evenaar infolgedessen gänzlich eingestellt.

Wien, 29. Januar. Infolge heftigen Schneewehens ist laut Meldung des „W. T. B.“ auf der Eisenbahnstrecke Sankt⸗Peter Fiume der Gesammtverkehr und auf der Strecke Laibach —Triest der Frachtenverkehr eingestellt.

Bern, 28. Januar. (W. T. B.) Der „Diritto“ hatte ge⸗ meldet, die technische Konferenz zur Berathung des Simplon⸗ Durchstichs sei auf den 15. Februar verschoben worden. Dem⸗ gegenüber wird von unterrichteter Seite erklärt, daß der Zeitpunkt für die Konferenz noch nicht festgesetzt sei; die Berathung werde in Mailand, wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des Februar, statt⸗ finden.

Theater und Mufik.

8 Konzerte.

der Garnisonkirche fand am Donnerstag v. W. ein Konzert des Königlichen Domchors unter Leitung seines Direktors, Professors Albert Becker statt. Chorgesänge von Palestrina, Gumpelz⸗ haimer (1559), Bodenschatz, Bach, Mozart, Kiel und Becker wechselten ab mit Sologesängen und Orgelvorträgen. Der Chor leistete, was Schön⸗ heit des Stimmenklangs und edle Vortragsweise betrifft, wiederum sehr Lobenswerthes. Die Sologesänge der Damen Meta Geyer (Sopran) und Clara Schacht (Alt) verdienen gleichfalls gerechte Anerkennung. Der stets gern gehörte Orgelvirtuose Dr. Reimann erfreute auch diesmal wieder die Hörer durch zwei vorzüglich vor⸗ getragene Stücke von S. Bach.

Herr Franz Fischer, Hof⸗Kapellmeister aus München, gab am Donnerstag im Saal Bechstein zum ersten Mal einen „Wagner⸗ Abend am Klavier“. Er begann mit der dem dritten Akt der „Meister⸗ singer“ entlehnten Festwiese“, einer dramatisch sehr bunt belebten Scene, die er mit großer technischer Sicherheit und mit Beobachtun jeder kleinen Nüance in der Komposition vortrug. In der folgenden Schlußscene aus „Rheingold“ machte der „Ein⸗ zug der Götter“ (nach dem Vorbild der Liszt'schen Bearbeitung) eine vortreffliche Wirkung. Die Scene „Siegfried's Tod und den Trauermarsch“ aus der „Götterdämmerung“ leitete der Vortragende mit der „Erweckung der Brunhilde“ sehr wirksam ein. Das Vor⸗ spiel zum „Parsifal“ mit seinen imponierenden Oktavengängen und feinen zarten melodiösen Weisen am Schluß, sowie der „Liebestod“ aus „Tristan und Isolde“, wozu das ganze Vorspiel die Einleitung bildete, waren die letzten Nummern des Programms. Der Beifall war ein so lebhafter, daß Herr Fischer noch die „Venusbergscene“ aus dem „Tannhäuser“ hinzufügte, die er gleich den vorausgegangenen Scenen mit einer für Kenner dieser Opern überraschenden Treue der Wieder⸗

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solchen Aufgaben sich 82 günstig zeigt. Das zahlreich erschienen Publikum bezeugte dem Konzertgeber seine warme Anerkennung den dargebotenen seltenen Kunstgenuß.

Im Konzertsaal der Potsdamerstraße 9 fand gleichzeitig da Abschieds⸗Konzert des früheren Königlichen Opernsängers Herr Nikolaus Rothmühl statt. Seine kraftvolle und umfangreiche Tenorstimme kam in Liedern von Schubert, Röder, Kahl, H. Hof mann, Lassen, A. Grünfeld und J. Schultz vortrefflich zur Geltung auch wirkte seine edle Vortragsweise so anziehend und so tief er greifend, daß das zahlreich erschienene Publikum dem Sänger wieder bolt durch Zurufe zu erkennen gab, wie ungern es ihn scheiden sehe Die Violinistin Fräulein Margarethe Baginski erfreute durch den Vortrag einer Ballade und Polonaise von Vieuxtemps und erntete dafür aufmunternden Beifall. 1 Das vierte Konzert (am Freitag) des Pianisten Herrn Ferruccio B. Busoni, über dessen bedeutende künstlerische Leistungen bereits an dieser Stelle berichtet worden ist, wurde mit Liszt’s Fuge über den Namen BACR eröffnet, auf welche Chopin's jetzt öfter gehörte B-moll- Sonate folgte. Eine von dem Konzertgeber für Klavier geschickt bearbeitete Tripelfuge für Orgel von Bach, zwei beliebte Pidcen von Liszt und ein etwas veraltetes „Herameron“, das Variationen von Liszt, Thalberg, Pixis. Herz, Czerny und Chopin enthält, bildeten den Schluß des Abends. In allen genannten Piècen bewährte sich der Vortragende von neuem als ein Virtuose ersten Ranges, der unfehl⸗ bare Sicherheit im Technischen mit eingehender und feinsinniger Vor⸗ v. zu vereinigen versteht. Reicher Beifall begleitete seine Leistungen.

gabe vortrug, trotzdem die immer gleiche Klangfarbe des Instruments