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versetzt. Dr. Wolf, Assist. Arzt 1. Kl. vom 10. Inf. Regt. Nr. 134, zum Stabs⸗ und Bats. Arzt des 2. Bats. dieses Regiments befördert. Schichhold, Assist. Arzt 1. Kl. vom 11. Inf. Regt. Nr. 139, zum 10. Inf. Regt. Nr. 134 versetzt. Die Assist. Aerzte 2. Kl.: Dr. Näther vom 2. Feld⸗Art. Regt. Nr. 28, Dr. Thalmann vom 1. Ulan. Regt. Nr. 17 Kaiser Franz Joseph von Oesterreich, König von Ungarn; die Assist. Aerzte 2. Kl. der Res.: Dr. Winkler des Landw. Bezirks Zittau, Herold, Ruderisch des Landw. Bezirks Plauen, Dr. Melzer des Landw. Bezirks Schneeberg, Dr. Francke, Dr. Panse, Dr. Büchel, Dr. Degenkolb, Dr. Schloessing, Dr. Stürenburg, Dr. Schmidt III., Schmidt IV., Dr. Hügelmann, Dr. Segelken, Martens des Landw. Bezirks Leipzig, Dr. Bärwald des Landw. Bezirks Borna, Fischer des Landw. Bezirk⸗ Annaberg, Dr. Drey⸗ dorff, Dr. Stolzenbach, Dietel des Landw. Bezirks Dresden⸗ Altst., Dr. Boldt des Landw. Bezirks Dresden⸗Neust.; die Assist. Aerzte 2. Kl. der Landw. 1. Aufgebots: Köhler des Landw. Bezirks lauen, Dr. Stock, Kröger des Landw. Bezirks Leipzig, — zu ssist. Aerzten 1. Kl., Dr. Schippan, Unterarzt vom 11. Inf. Regt. Nr. 139, Dr. Schacht, Dr. Mentz? Unterärzte der Res. des Landw. Bezirks Leipzig, v. Grabowski, Unterarzt der Res. des Landw. Bezirks Dresden⸗Altst., — zu Assist. Aerzten 2. Kl., — befördert.
Kaiserliche Marine.
Offiziere ꝛc. Ernennungen, Beförderungen, Ver⸗ setzungen ꝛc. Berlin, 27. Januar. Ottow, Sec. Lt. vom 2. See⸗Bat., zum überzähl. Pr. Lt. befördert.
Karcher, Kontre⸗Admiral, Direktor des Marine⸗Departements des Reichs⸗Marineamts, zum überzähl. Vize⸗Admiral, Bendemann, Kapitän zur See, Inspekteur des Torpedowesens, zum Kontre⸗Admiral, Frhr. v. Lyncker, Korv. Kapitän, Ausrüstungs⸗Direktor der Werft zu Wilhelmshaven, zum Kapitän zur See, Brussatis, Kapitän⸗Lt. pon S. M. Jacht „Hohenzollern“, zum Korv. Kapitän, — befördert. Frhr. v. Secken dorff, Kapitän zur See z. D., den Charakter als Kontre⸗Admiral, unter Belassung in seiner Stellung à la suite der Marine, verliehen erhalten.
Deutscher Reichstag.
8 25. Sitzung vom Dienstag, 29. Januar. 8
Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der gestrigen Nummer berichtet worden.
In der Fortsetzung der zweiten Berathung der Aller⸗ höchsten Verordnung, betreffend die Erhebung eines Zoll⸗ zuschlags für aus Spanien und den spanischen Kolonien kommende Waaren, vom 25. Mai 1894, nimmt nach dem Abg. Dr. Hammacher das Wort
Abg. von Salisch (dkons.): Ich erkenne an, daß der Zusatz des Abg. Hammacher eine Verbesserung meines Antrags ist. Aber ich glaube, daß die einfache Prozentrechnung nicht den richtigen Wssstat⸗ giebt. Es giebt Zollsätze, die so gering sind, daß auch eine Erhöhung um 100 % nichts bedeutet, während beispielsweise beim Weinzoll schon eine Erhöhung um 40 % sehr empfindlich ist. Dem Abg. Barth erwidere ich, daß halbe Maßregeln allerdings die schlechtesten sind. Die bisher stattfindende Zollerhöhung mag dazu beitragen, die spanischen Chauvinisten zu erregen. Darum müssen wir für empfind⸗ lichere Maßregeln sorgen, damit die besonnenen Elemente in Spanien, die einen Schaden für ihr Land nicht wollen, über die chauvinistischen das Uebergewicht erlangen. Si vis pacem, para bellum!
Abg. Dr. Barth (fr. Vg.) legt nochmals seine Auffassung dar, an der er festhält.
Abg. Freiherr von Stumm⸗Halberg (Rp.): Ich möchte doch den Abg. Barth fragen, ob nicht der Zollkrieg mit Rußland das Zu⸗ standekommen des russischen Handelsvertrags erheblich gefördert hat. Dieser Vertrag war doch nicht etwa ein Erfolg der protektionistischen Bestrebungen, sondern er lag weit eher in der Richtung der frei⸗ händlerischen. Das Beispiel dieses Vertrags beweist also, daß es eene. giebt, deren Ziel und Ergebniß Vortheile im Sinne der
nschauungen des Abg. Barth sind. Mit dem Antrage des Abg. von Salisch und mit dem Zusatzantrage des Abg. Hammacher bin i vollkommen einverstanden, ebenso mit der Ueberweisung dieser Anträge an die Kommission für die Zolltarifnovelle.
Abg. von Salisch (dk.): Spanien gegenüber hat sich gezeigt, daß der vom Abg. Barth empfohlene Weg uns nicht weiter bringt, und daß es auf einem andern versucht werden muß. Und wenn uns Spanien später handelspolitische Schwierigkeiten bereiten möchte, so sollte es doch auch wissen, daß wir scharfe Waffen bereit haben, und nicht bloß stumpfe. 1 8
Die Vorlage wird angenommen. Die Anträge über⸗ weist das Haus an die Kommission für die Zolltarif⸗ novelle.
Das Haus geht sodann zur ersten Berathung des Gesetzes, betreffend die Abänderung der E1““ in Verbindung mit der ersten Berathung des von den Abgg. Gröber und Gen. (Zentr.) eingebrachten Gesetzentwurfs, der ebenfalls eine Abänderung der Gewerbeordnung bezweckt, über.
„Abg. Schaedler (Ztr.): Der Vorlage gegenüber kann ich zu⸗ nächst nur sagen: Endlich! Seit Jahren werden Erhebungen über den Hausierhandel gepflogen, und es hatte den Anschein, als ob die⸗ selben nie abgeschlossen werden würden. Dank der Initiative der bayerischen Regierung ist nunmehr die Angelegenheit in Fluß ge⸗ bracht. Die bayerische Anregung ist hervorgerufen worden dürch. die dringende Nothwendigkeit einer Aenderung der jetzigen Verhältnisse. Lange genug hat es gedauert, bis die gegenwärtige Vorlage zu stande gekommen ist, der Antrag Bayerns war vom De⸗ zember 1893 bis Januar 1895 ohne Erfolg. Wir haben keineswegs die Absicht, die Hausierer persönlich zu benachtheiligen, sondern wir wollen nur unter allen Umständen das Kleingewerbe schützen. Die Kolportage ist vor allem einzuschränken. Auch die Ausschließung von und Kindern vom Hausierhandel halte ich für nothwendig.
ie Regierungsvorlage bietet dem Hausierhandel gegenüber viel zu wenig.
Abg. Krüger (nl.); Die dem Handwerk freundlichen Kreise sind darüber einig, daß die Gefahr, die dem seßhaften Handwerk durch den Hausierhandel droht, eine große ist. Die gegenwärtige Vorlage geht in der Vorbeugung dieser Gefahr nicht weit genug. Den Ver⸗ waltungsbehörden muß ein größerer Spielraum gelassen werden. Ich persönlich würde dem Antrag Gröber vor der Regierungsvorlage den Vorzug geben. Mit den Bestimmungen über die Konsumvereine bin ich durchaus einverstanden. Ich beantrage, die Vorlage und den Gröber einer Kommission zu überweisen.
„Abg. Schneider (fr. Volksp.): Bei der Beurtheilung der gegen⸗ wärtigen Vorlage muß man unterscheiden zwischen wirklichen Schäden und unmotivierten Klagen solcher, die unter dem Vorwand der Fürsorge für den Mittelstand gern jede Konkurrenz fern halten möchten. Was die Einzelheiten des Entwurfs anlangt, so halte ich die Bestimmungen über die Schauspielunternehmungen für viel zu rigoros. Für bedenklich halte ich es auch, daß den Landesregierungen die Befugniß zustehen soll, die Konsumvereine unter die Bestimmungen über Schankwirthschaften und Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus zu stellen. Der Kolportagebuchhandel würde sowohl durch die Regierungs⸗ vorlage wie durch den Antrag Gröber zu Grunde gerichtet werden. Ungerecht ist die Gleichstellung der Detailreisenden mit den Hausierern; die Zahlen, welche die Motive zu diesem Punkt an⸗ führen, sind nicht maßgebend. Für sehr schädlich würde ich die in der Vorlage Fose hlnaen Beschränkung der Waaren halten, die dem Hausierhandel noch zugänglich sein sollen. Dagegen halte ich die Einschränkung des Umherziehens mit Zuchthengsten für richtig. Wenn alle Beschränkungen perfönlicher und materieller Natur, die der Gesetz⸗ entwurf ee angenommen würden, so würde das zur Folge haben, daß so viele Ausnahmen geschaffen werden müßten, daß das Gesetz nutzlos sein würde, oder man brächte eine höchst bedenk⸗
liche Vermehrung des Proletariats zu Wege. Wir halten an unserem früheren Standpunkt fest und sind der Ansicht, daß die gegenwärtige wirthschaftliche Lage nicht dazu angethan ist, Erschweru des Er⸗ werbslebens eintreten zu lassen.
Abg. von Holleufer (dk.): Meine politischen Fnge stehen der Vorlage durchweg sympathisch gegenüber; denn dieselbe bewegt sich in der Richtung, die wir seit Jahren verfolgt haben. Wir halten eine Beschränkung des Hausierhandels im Interesse des seßhaften Ge⸗ werbes für durchaus geboten, ebenso auch die Einschränkung der Waaren, die durch den Hausierhandel vertrieben werden dürfen. Die Heraufsetzung des Alters, in welchem der Hausierhetrieb gestattet ist, erachten wir für absolut nothwendig. Vielleicht bietet sich hier die Handhabe, um den schmählichen Mißbrauch von Kindern zum Verkauf von allerlei Sachen zur Nacht⸗ zeit auf den Straßen Berlins lahmzulegen. Es wäre zu überlegen, ob für den Vertrieb mit Droguen nicht eine Art von Befähigungs⸗ nachweis einzuführen wäre. Wer die Verhältnisse kennt, wird die Gleichstellung der Detailreisenden mit den Hausierern für durchaus gerechtfertigt erachten. Der Antrag Gröber ist uns in manchen Punkten genehmer, wie die Regierungsvorlage, und wir hoffen, daß die Regierungsvorlage im Sinne des Antrags Gröber in der Kom⸗ mission ergänzt werden wird. 8
Die weitere Berathung wird um 5 Uhr vertagt.
8 Preußischer Landtag.
Haus der Abgeordneten. 8
7. Sitzung vom Dienstag, 29. Januar.
Ueber den Anfang der Sitzung ist in der Dienstags⸗ Nummer d. Bl. berichtet worden.
Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗Etats, und zwar zunächst des Etats der Landwirthschaftlichen Verwaltung. Hierzu nimmt das Wort der
Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Freiherr von Hammerstein:
Meine Herren! Sie wollen mir zunächst gestatten, ein paar per⸗ sönliche Bemerkungen zu machen.
Seit Jahren gehöre ich verschiedenen Vereinigungen an, die agrarische Interessen vertreten. Ich habe dort Gelegenheit gehabt, zu allen den Fragen, die uns auch heute beschäftigen, öffentlich Stel⸗ lung zu nehmen. Ich würde dieses Umstandes nicht gedacht haben, wenn nicht eine Aeußerung des Herrn Abg. Richter, die bei der Generaldebatte gefallen ist, und Aeußerungen, die über meine Agrar⸗ stellung in der Presse mitgetheilt sind, mich zu diesen Bemerkungen veranlaßten. In einer Beziehung muß ich nämlich die Angabe des Herrn Abg. Richter für richtig erklären; er hat gesagt, ich sei prin⸗ zipieller Gegner aller Handelsverträge.
Meine Herren, ich bin ein entschiedener Gegner des österreichischen Handelsvertrags gewesen. Sie wissen auch alle, daß ich denselben im Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium mit einem sehr weitgehenden Antrag be⸗ kämpft habe und, soweit ich mich erinnere, ist dieser Antrag derzeitig einstimmig angenommen, aber nicht berücksichtigt worden.
Dagegen, meine Herren, ist die Aeußerung des Herrn Abg. Richter insofern unrichtig, als ich späterhin wiederholt öffentlich ausgesprochen habe, daß, nachdem der österreichische Handelsvertrag abgeschlossen sei, der Abschluß der weiteren Handelsverträge Selbstfolge sei, und ich bin auch der Meinung, daß ein Zollkrieg mit Rußland, namentlich für den Osten der preußischen Monarchie auf die Dauer einen unhalt⸗ baren Zustand herbeigeführt haben würde. Das zur Berichtiguug dessen, was der Herr Abg. Richter in dieser Beziehung über mich ge⸗ sagt hat.
Meine Herren, ich erlaube mir dann eine weitere persönliche Be⸗ merkung. Ich bin nicht gern auf den Posten getreten, der hier mir jetzt durch die Gnade Seiner Majestät übertragen ist. An sich aus dem Grunde, weil die augenblickliche Lage der Landwirthschaft eine hervorragend schwierige ist. Aber es war für mich noch ein fernerer Grund maßgebend. Ich glaube wohl, daß ich behaupten darf, die agraren Verhältnisse im Westen der Monarchie ziemlich genau und gründlich zu kennen. Aber, meine Herren, ich mußte mir sagen, daß gerade in den ostelbischen Provinzen die Verhältnisse am schwierigsten lagen, daß mir dort die Verhältnisse weniger bekannt waren, und nun es vielleicht wohl richtiger und zweckmäßiger gewesen wäre, das Porte⸗ feuille der Landwirthschaft einem Herrn zu übertragen, der den ostelbischen Provinzen angehört, weil von dem zuerst zu erwarten war, daß er die dortigen Verhältnisse genau kennt. Meine Herren, nach⸗ dem ich den Posten übernommen habe, kann ich aber nur an die Herren aus den ostelbischen Provinzen die Bitte richten, mir Ver⸗ trauen entgegen zu bringen. Ich meinerseits lege das Versprechen ab, daß ich mich bemühen will, mich möglichst rasch in den ostelbischen Verhältnissen zurechtzufinden, und ich gebe daher die Versicherung, daß es mein ernster Wille ist, fobjektiv nach allen Richtungen die land⸗ wirthschaftliche Verwaltung zu führen. (Bravol rechts.)
Meine Herren, ich wende mich nun mit einigen Worten wieder zu den Handelsverträgen. Ich glaube den allgemeinen Satz aufstellen zu dürfen, daß die geographische, die politische und die wirthschaftliche Lage — auf den letzten Punkt komme ich nachher noch einmal wieder zurück — Deutschland nicht gestattet, eine Wirthschaftspolitik lediglich nach Interessenstandpunkten zu führen. Meine Herren, es entzieht sich meiner Kenntniß, wie weit beim Abschluß der Handelsverträge poli⸗ tische Gesichtspunkte maßgebend gewesen sind; ich will mir auch kein Urtheil darüber erlauben, ob es nicht möglich gewesen wäre, selbst wenn man die Handelsverträge abschloß, doch für die Agrarverhältnisse in den Handelsverträgen günstigere Bedingungen zu erlangen, als sie erlangt sind.
Aber, meine Herren, bei der Generaldiskussion ist auch die Frage
gestreift, ob es nicht, nachdem die Wirksamkeit der Handelsverträge für beide Kontrahenten, für Deutschland, Oesterreich und Rußland, doch
nicht die Früchte gezeitigt hat, die man davon erwartet hat, denkbar
sei, an eine Revision dieser Verträge heranzutreten und nach dieser
Richtung hin zu ich will mich so
versüuchen, ob man die Fehler, — ausdrücken, obgleich ich das Wort
nicht gebrauchen will — die man beim Abschluß gemacht hat, nicht
wieder gut machen kann. Meine Herren, ich bin nicht in der Lage,
mich darüber zu äußern, ob ein solcher Weg gangbar ist; jedenfalls
wird er der Erwägung bedürfen; aber daß das außerordentlich schwierig ist, meine Herren, darüber kann wohl kaum ein Zweifel bestehen. Dann möchte ich noch einen allgemeinen Satz mittheilen, der,
glaube ich, nicht zu bestreiten ist. Die föderative Verfassung des
Deutschen Reichs erschwert es außerordentlich, eine klare, zielbewußte Wirthschaftspolitik zu treiben. Ein großer Theil derjenigen Fragen, die in dieses Gebiet hineingehören, gehört zur Zuständigkeit des
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Reichs, ein anderer Theil der Fragen gehört zur Zuständigkeit der Einzelstaaten, hier in concreto des preußischen Staats.
Meine Herren, darüber kann, glaube ich, auch nach der Er⸗ klärung, die der Herr Reichskanzler neulich abgegeben hat, ein be⸗ rechtigter Zweifel überall nicht existieren, daß über die Ziele, die man auf dem Gebiet der Wirthschaftspolitik zu befolgen hat, sowohl bei der Reichsregierung wie bei der Königlich preußischen Staatsregierung vollständiges Einverständniß besteht. Ich bin auch zweifellos darüber, daß nach der Zusammensetzung des hohen Hauses mit Sicherheit zu erwarten ist, daß diejenigen Maßnahmen, die im Gebiet der Zu⸗ ständigkeit des preußischen Staats liegen, hier eine Majorität finden werden; und, meine Herren, ich gebe mich auch der Hoffnung hin, daß das, was in der gegenwärtigen kritischen Zeit im Interesse der Landwirthschaft nothwendig ist, auch im Reichstag schließlich die Zu⸗ stimmung bekommen wird. Denn die Verhältnisse sind so ernster Natur, daß ich nicht glaube, daß eine Reichsvertretung, die das Wohl unseres gesammten deutschen Vaterlandes zu vertreten berufen ist, sich dem entziehen wird, der Landwirthschaft, dem ersten Berufsstand des Deutschen Reichs, der Grundlage des Deutschen Reichs, das zu gewähren, was nothwendig ist, um die Landwirthschaft aufrecht zu erhalten.
Meine Herren, ich gestatte mir nun einige Bemerkungen zu der kritischen Lage. Die Königlich preußische Staatsregierung erkennt im weitesten Umfang an, daß die Landwirthschaft sich in einer höchst be⸗ denklichen, kritischen Lage befindet. Ich will 'mal sagen, daß vielleicht diejenigen Landestheile, die jenseits der Elbe liegen, zur Zeit noch nicht in dem Umfange von der Krisis ergriffen sind, wie das im Osten der Monarchie der Fall ist. Aber, meine Herren, täuschen Sie sich darüber nicht: wenn der Rückgang im Rübenbau, in der Zuckerindustrie in dem Umfange weiter fortschreitet, wie das bis jetzt der Fall ist, dann wird nach meiner Auffassung die Krisis in den westlichen Landes⸗ theilen akuter und vielleicht gefährlicher werden, als es die langsamere Krisis in den östlichen Landestheilen ist. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, darüber kann gar kein Zweifel sein, daß im Osten an sich die Verhältnisse schwieriger sind; aber, ist denn die agrare Krisis auf Preußen, auf Deutschland beschränkt? Nein, meine Herren, das ist sie nicht! Sehen Sie sich in Rußland, England, Frankreich, Oesterreich, Amerika, Italien um, — überall finden Sie dieselbe, ja, vielleicht in einzelnen Ländern noch eine gefahrdrohendere Krisis! Ich will nur ein paar Zahlen hinsichtlich Rußlands geben. Während bei uns bei den öffentlichen Hypothekenbanken, bei den öffentlichen Kredit⸗
mir eine Notiz aus Rußland vor, wonach diese Zinsrückstände im vorigen Jahre sage 65 % betragen haben! (Hört! hört!)
Meine Herren, in England — das ist eine bekannte Thatsache — liegen die agraren Verhältnisse ebenso schlimm wie bei uns, und doch verfolgt England schon seit Jahren ein von dem unsrigen völlig ver⸗ schiedenes Wirthschaftssystem; Rußland, wo der Protektionismus bis zur Spitze getrieben ist und noch getrieben wird, befindet sich in einer schlimmeren Lage als wir. England mit seiner Manchestertheorie, geradeso Frankreich, das einen autonomen Zolltarif hat, was seine freie Bewegung auf wirthschaftlichem Gebiet bewahrt hat, befinden sich in derselben kritischen Lage. Daraus glaube ich mit Recht den Schluß ziehen zu dürfen, daß nicht Personen, wie man hier in Deutschland in der öffentlichen Presse u. s. w. vielfach glaubt, oder ein einzelnes Wirthschaftssystem an der Krisis schuld ist. Die Ursachen sind inter⸗ nationaler Natur, (sehr richtig! rechts) und daraus folgt auch, daß die Mittel zur Beseitigung der Krisis so leicht nicht zu finden sind, daß so leicht dagegen nicht vorzugehen ist. Meine Herren, ich sage: internationaler Natur, und bemerke dabei, daß die landwirthschaftliche Krisis auch nicht isoliert dasteht, sondern daß die wirthschaftliche Krisis sowohl die Industrie wie das Gewerbe, wie den Handel mit ergriffen hat; und daraus folgere ich, meine Herren, daß, wenn wir Maßnahmen er⸗ wägen, um der Krisis zu begegnen, wir uns doch auch hüten müssen, solche zu ergreifen, die dem einen Uebel abhelfen, dagegen das andere vielleicht verschlimmern oder unberücksichtigt lassen. (Hört! hört!) Meine Herren, aber die agrare Krisis halte ich für viel bedenklicher als die allgemein wirthschaftliche Krisis. Die Ursachen der agraren Krisis sind leider nicht rasch vorübergehender Natur. Deutschland, Preußen muß auch auf dem Weltmarkt konkurrieren mit solchen Staaten, die weitaus billigere Produktionskosten haben als wir. Ob es uns gelingt, so rasch die Produktionskosten auf ein Niveau zurückzuführen, wie es sich in Staaten erhalten hat, die noch nicht in die hohe Entwickelung übergegangen sind wie wir, scheint mir doch außerordentlich zweifel⸗ haft. Meine Herren, die ganze Produktion hat sich durch Elektrizität, durch Eisenbahnen, durch Dampfkraft, durch die Fortschritte auf dem Gebiete des Düngerwesens, in der Maschinentechnik u. s. w. verändert, und daß der Uebergang von der alten Produktionsart zu der neuen sehr bedenkliche Folgen zeitigt und diese Ausgleichung nicht so rasch gehen wird, das ist zweifellos anzunehmen.
Und, meine Herren, der allerschwerwiegendste Umstand ist nach meiner Auffassung der, daß es Entfernungen eigentlich garnicht mehr giebt. Amerika, das bis ins Innerste des Westens und Ostens mit Wasserstraßen durchzogen ist, ist im stande, seine Produkte aus dem fernen Westen auf unsern Markt gegenwärtig zweifellos zu billigeren Frachtsätzen zu bringen, als der Osten der preußischen Monarchie nach dem Westen die landwirthschaftlichen Produkte verwerthen kann. (Sehr richtig!) Plötzlich steigen neue Produktionsgebiete auf, an die man gar nicht gedacht hat. Ich will nur Argentinien erwähnen, das mit seiner doppelten Ernte, mit seinem kolossalen Weizenimport alle die⸗ jenigen Staaten, mit denen wir Verträge abgeschlossen haben, über⸗ trumpft, während Argentinien zu den meistbegünstigten Staaten gehört. Ja, meine Herren, das sind Dinge, die zu sehr ernsten Er⸗ wägungen Anlaß geben, welche Mittel man ergreifen kann, die aber auch zeigen, daß in der gegenwärtigen Krisis, deren Gründe, wie ich Ihnen dargelegt habe, mehr oder weniger internationaler Natur sind, es außerordentlich schwer sein wird, in diese Dinge einzugreifen, und ich möchte nochmals ausdrücklich dem allgemein verbreiteten Glauben in Deutschland, der bis in die kleinste Hütte leider Gottes ver⸗ breitet ist, daß die Staatsregierung oder ein Wirthschafts⸗ system allein die Schuld an der gegenwärtigen Krisis trage, mit voller Entschiedenheit entgegentreten. Die Gründe sind eanderer Natur; die liegen nicht an dem System und nicht an der Person. Diejenigen Herren, welche glauben, daß man durch Festhalten an dem monopolistischen System u. s. w. die Krisis würde beseitigen können, täuschen sich, wie es die Erfahrungen in allen übrigen Ländern
lehren, daß mit den verschiedenartigsten Wirthschaftssvstem ie selbe Krisis dort besteht. (Sehr richtig!)
instituten die Zinsrückstände sich zwischen 2 bis 6 % bewegen, liegk⸗
wärtigen, schwierigen Zeit geholfen werden, so kann das nur geschehen, wenn eine Regierung an der Spitze der Verwaltung steht, der vollstes Vertrauen entgegengebracht wird. (Sehr wahr!)
Meine Herren, einer Regierung, von der man im Lande leider
vielfach sagt: sie hat die Mittel zu helfen in der Hand, oder sie hätte dies und jenes in der Vergangenheit nicht thun dürfen, dann wären die Verhältnisse anders geworden, — entzieht man das Vertrauen. Damit nährt man einen Peffimismus, man bringt Beunruhigung hinein während es doch nothwendig ist, daß man geduldig den Verlauf der Krisis abwartet und daß wir mit der Selbsthilfe, mit der Staats⸗ hilfe soweit eingreifen, wie überall Hilfe gewährt werden darf. Wir
haben doch schon in den letzten hundert und in den noch weiter
zurückliegenden Jahren agrare Krisen gehabt, die vielleicht ebenso
schlimm waren wie die jetzige; die meisten Krisen hat unser Mittel⸗
8 stand durchgemacht — nun, meine Herren, ich habe zu ihm das feste Vertrauen, daß er mit seiner Energie, mit seiner Zähigkeit, mit seiner
Spvoarsamkeit, mit seinem Fleiß und mit der doch auch erheblich ge⸗ steigerten Intelligenz auch die gegenwärtige Krisis überdauern und
überwinden wird, wenn ihm die nöthige Hilfe gewährt wird.
Meine Herren, ich habe ebenso das Vertrauen, daß der Groß⸗
grundbesitz aus der Krisis vielleicht, wo es nothwendig ist, die War⸗ nung nimmt, daß in heutiger Zeit der, der großen Grundbesitz hat, sich mit voller Intelligenz der Bewirthschaftung des Grundbesitzes zu⸗
wenden muß, und habe den Glauben, daß, wenn das geschieht, doch
ein großer Theil unserer Großgrundbesitzer ebenfalls die Krisis über⸗
stehen wird. Und wenn in dem mittleren Grundbesitz, meine Herren, nament⸗
lich im Osten, durch die Krisis diese oder jene Existenz vernichtet wird, so würde es vielleicht nicht schwer fallen, die Ursache des Unter⸗ gangs nicht allein in der wirthschaftlichen allgemeinen Lage, sondern auch darin zu suchen und zu finden, daß viele mit zu geringem Kapi⸗
tal gekauft haben, daß sie sich in eine Lage hineingebracht haben, die
B man mehr oder weniger ein Hazardspiel nennen kann. (Sehr wahr! links.)
Denn soviel ist gewiß, meine Herren, jede Krisis fordert ihre Opfer, und
so wird auch diese Krisis gewiß, leider sage ich — ob verschuldet
oder unverschuldet, will ich garnicht weiter prüfen oder unter⸗ suchen — eine Reihe von Opfern fordern. Die Aufgabe der Staats⸗
regierung wird dahin gehen, möglichst die Zahl der Opfer vermindern
zu helfen, wo sie helfen kann; und das muß auf dem Gebiete der
Steaatshilfe und der Selbsthilfe geschehen.
Vor allem aber, meine Herren, warne ich davor, sich dem
Pessimismus hinzugeben, wie er vielfach jetzt verbreitet ist, sondern
— und das entspricht viel mehr dem deutschen Volkscharakter — sich
in der Noth am zähesten zu erweisen und mit Energie, mit Fleiß und Sparsamkeit zu versuchen, daß wir mit Staatshilfe und mit den
Mitteln, die überall erreichbar sind, aus der Gefahr, in der wir uns befinden, herauskommen. Und dann habe ich das Vertrauen, daß die Krisis auch eine gute Wirkung hat; die mahnt uns einmal wieder, daß wir, wie in der Bibel steht, im Schweiße unseres Angesichts unser Brot essen; sie mahnt, daß die Noth beten lehrt, und das ist vielleicht auch hin und wieder vergessen. (Bravol links.)
Ja, meine Herren, das sind die allgemeinen Bemerkungen, die ich habe vorausschicken wollen. Der Herr Abg. Schalscha hat in seiner Rede neulich zwei Sätze
ausgesprochen, die ich nicht ganz mit Stillschweigen glaube übergehen
zu sollen. Der eine lautet:
Meine Herren, wenn Sie von dem Landwirthschafts⸗Minister sich die Politik der kleinen Mittel vortragen lassen, so erkläre ich, das ist leeres Stroh⸗Dreschen.
8 Meine Herren, auf die Gefahr hin, daß der Herr Abg. Schalscha
sagt, der Landwirthschafts⸗Minister hat aber gründlich leeres Stroh
gedroschen, werde ich es doch nicht unterlassen und nicht unterlassen können, auf die Politik der kleinen Mittel einzugehen und will es demnächst von Ihrem Urtheil erwarten, ob das nun leeres Stroh⸗Dreschen
war oder nicht. ,
8 Meine Herren, eine zweite Bemerkung hat der Herr Abgeordnete
am Schlusse seiner Rede gemacht. Auf welchen Minister die Bemer⸗
kung gemünzt war, das will ich dahingestellt sein lassen; ich will sie mir aber 'mal anziehen. Der Herr hat gesagt: „Ich warne den gegen⸗ wärtigen Herrn Landwirthschafts⸗Minister; es ist sehr leicht, auf den hohen Platz zu kommen, — es ist sehr leicht, hinter den Koulissen diese und jene Aeußerung zu machen, auf die Parteien einzuwirken. Aber sehr rasch werden die Herren Minister von der sella curulis herunter⸗ rutschen und in Vergessenheit gerathen, wenn sie in der gegenwärtigen Nothlage nicht das thun, was sie thun müssen. — Meine Herren, das letztere will ich thun. Ich habe es mir zur Pflicht gemacht, und ich glaube, daß die Worte der Thronrede, die Seine Majestät hinsichtlich der Landwirthschaftsfrage geäußert hat, worin er Seiner Staatsregie⸗ rung aufgiebt, mit allem Ernst dem Wohl der Landwirthschaft sich zuzuwenden, vielleicht in erster Linie an die landwirthschaftliche Ver⸗ waltung gerichtet gewesen sind. Also ich bin mir der Pflicht voll⸗ ständig bewußt, die speziell in der schwierigen Zeit jetzt der landwirth⸗ schaftlichen Verwaltung obliegt. Aber, meine Herren, bequem st diese sella curulis, auf der ich jetzt sitze, nicht. (Heiterkeit.) Sollte ich 'mal herunterrutschen, so bin ich doch fest überzeugt, daß jeder andere Sitz, auf dem ich dann mich nieder⸗ lassen werde, weit bequemer als der gegenwärtige ist. (Heiterkeit.)
Meine Herren, ich will ruhig erwarten, ob vielleicht, wenn ich gerutscht
bin, der Herr von Schalscha oder ein anderer den Ministerposten an
meiner Stelle erhält, dann hoffe ich, daß es ihm gelingen wird, von heute zu morgen die ganze Krisis aus der Welt zu schaffen. (Sehr wahr! links.)
Meine Herren, ich wende mich jetzt zu dem, was Herr von
Schalscha „leeres Stroh dreschen“ genannt hat, und ich möchte mir
erlauben, Sie nun etwas längere Zeit mit einer ganzen Reihe von
Einzelheiten zu belästigen. Ich werde diese Darlegungen unter zwei
Gesichtspunkte bringen, einmal: welche Maßnahmen sind möglich und
zu ergreifen, um die Produktionskosten herunterzudrücken, und zweitens:
welche Mittel sind möglich und zu ergreifen, um die Kosten der land⸗ wirthschaftlichen Produkte zu steigern.
— Meine Herren, bei der Generaldiskussion ist auch vom
Herrn Finanz⸗Minister der Erlaß der Grund⸗ und Gebäude⸗
steuer und Gewerbesteuer erörtert und in der General⸗
diskussion ist nach dem Eindruck, den ich gewonnen habe, von den meisten Rednern gesagt: die Steuerreform habe für die Landwirth⸗
b schaft keine wesentliche Bedeutung. Meine Herren, ich will dazu an
der Hand von Zahlen Folgendes sagen; daraus können Sie sich die Berechnung selbst machen, wie hoch die Ermäßigung der kommunalen Belastung der Landwirthschaft und des Grundbesitzes vom 1. April d. J. voraussichtlich werden wird. Die Grundsteuer, die erlassen und den Kommunen überwiesen wird, beträgt 39 600 000 ℳ, die Gebäude⸗ steuer 35 882 000 ℳ und die Gewerbesteuer 18 879 000 ℳ, — die kleineren Zahlen lasse ich weg. Nun, die Gewerbesteuer ist ja bekaännt⸗ lich den Gemeinden mit überwiesen, und ich darf darauf hinweisen, daß frei von der Gewerbesteuer Genossenschaften in Verwerthung ihrer eigenen Erzeugnisse sind: Weinbau, Fischzucht, Forstwirthschaft, Jagd, Ackerbau ꝛc., sodaß also die Gewerbesteuer die Landwirthschaft eigentlich garnicht belastet, dagegen die Kommunen. Nun zahlen die Städte Grundsteuer 3 331 000 ℳ, das Land 36 Millionen Mark. Also dem Lande kommen von der Gesammtsumme 36 Millionen Mark zu gute. Von der Gebäudesteuer zahlen die Städte 18 Millionen Mark, das Land 8 Millionen Mark. Von der Gewerbesteuer kommen den Städten 11 Millionen Mark — ich lasse die anderen Zahlen weg —, dem Lande 7 Millionen Mark zu gute. Die lex Huene hat bekanntlich in den letzten Jahren 35 Millionen Mark betragen; die würden davon wieder abgehen. Dann würde abzusetzen sein die neu auferlegte Ergänzungssteuer, und nun würde man aus den Zahlen, die ich eben genannt habe, die auf das Land fallen, sich ein Rechenexempel machen können, wieviel die kommunale Erleichterung, will ich 'mal sagen, auf dem Lande für den Grundbesitz, für die Landwirthschaft beträgt. Wenn ich diese Zahlen nun im allgemeinen gegen einander gruppiere und feststelle, so kommt nach meiner Berechnung eine kommunale Er⸗ leichterung für den Grundbesitz, für die Landwirthschaft von 50 bis 60 Millionen Mark heraus. (Lachen rechts.) Ja wohl, meine Herren!
Nun werden Sie sagen: ja, die lex Huene ist dieselbe Erleichte⸗ rung gewesen. — Ein wesentlicher Unterschied besteht doch darin. Die Mittel der lex Huene wurden den Kreisen überwiesen, und kein Kreis — ich bin selbst lange Jahre Landrath gewesen — hat die Ein⸗ nahmen aus der lex Huene in seinen ordinären Etat einzustellen ge⸗ wagt (Widerspruch rechts), weil erst am Schluß des nächsten Jahres die Einnahme aus dem Etat als feststehend sich ergab. Und schon daraus, daß gewissermaßen diese Einnahme außerhalb des Etats sich bewegte — das kann ich dreist aussprechen —, ist in sehr vielen Kreisen nicht so sparsam mit dieser Einnahme gewirthschaftet worden, wie es nöthig war. (Sehr richtig! links.) Es sind vielfach Kreis⸗ häuser gebaut worden, die nicht nöthig waren. (Sehr richtig! links.) Es haben sogar einzelne Kreise, wie mir das ganz genau bekannt ist, es für zulässig erachtet, diese Einnahmen zu kapitalisieren, um sie nach späteren Kriegen zur Deckung von Kriegssteuern zu benutzen (sehr wahrfl links), während sie doch zur Hebung der wirthschaftlichen Verhält⸗ nisse dienen sollten.
Und, meine Herren, ist das zutreffend, so wird man, glaube ich, wohl sagen dürfen — dasselbe, was der Herr Finanz⸗Minister neulich auch schon gesagt hat —, daß es doch schon ein wesentlicher Unter⸗ schied ist, daß diese Steuern jetzt den Kommunen überwiesen werden, also den Gutsbezirken u. s. w., die, wie zu hoffen und anzunehmen ist, mit diesen Verhältnissen sparsamer und aufmerksamer wirthschaften werden, als dies vielleicht bei manchen der Kreise geschehen ist.
Meine Herren, eine Thatsache möchte ich hervorheben, wenigstens ist es so bei uns im Westen; wie es im Osten ist, weiß ich nicht. Man hat viel mehr doliert über die kommunale Belastung und deren Umfang, als über die staatliche Belastung. Die kommunale Belastung war dasjenige, was uns am meisten gedrückt hat, und daß die durch Ueberweisung dieser Summe erleichtert wird, ist zweifellos, Meine Herren, bei der Generaldiskussion ist zwar darauf hingewiesen worden, daß bei der Grundsteuer für den verschuldeten Grundbesitz auch in der kommunalen Belastung eine bestimmte Doppelbesteuerung bleibe. Aber, meine Herren, ich erinnere wieder diejenigen daran, die ältere Mitglieder hier im Abgeordnetenhause sind, wie lange Jahre immer erneute Beschwerden über die Doppelbesteuerung, die durch die Grundsteuer dem Grundbesitz zur Last lag, geführt sind — die seit 30, 40 Jahre geführt sind und die viel schwerwiegender waren, denn es mußte zur Staatssteuer der stark verschuldete Grundbesitzer die volle Grundsteuer bezahlen, und nun wurde er, weil alle anderen Kom⸗ munallasten nach den Staatssteuern repartiert wurden, auf Grund der eine Doppelbesteuerung enthaltenen Grundsteuer zu allen übrigen Lasten herangezogen. Jetzt kann es doch nur in der Gemeinde ge⸗ schehen, und in der Gemeinde sind in der Regel auf dem Lande so großartige wesentliche Unterschiede zwischen der Verschuldung des Grundbesitzes nicht, daß dort die Dovppelbesteuerung lästig fallen würde, und ich möchte glauben: wenn die Gemeinden diese Grundsteuer, diese Realsteuer haben, so sind sie sehr wohl in der Lage, diese Ungleich⸗ heit, die eintreten würde, in den Grenzen ihrer Selbstverwaltung zu be⸗ seitigen. Ich habe geglaubt, diese Fragen hier streifen zu sollen und zu dürfen, weil sie Gegenstand sehr eingehender Behandlung und Be⸗ sprechung bei der Generaldiskussion gewesen sind.
Meine Herren, als einen zweiten Gesichtspunkt zur Ermäßigung der Produktionskosten möchte ich hervorheben die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse: die Förderung des Baues von Kleinbahnen, die Herstellung künstlicher und Verbesserung natürlicher Wasserstraßen (Widerspruch rechts) und die Herstellung von Kunststraßen.
Meine Herren, den letzten Punkt will ich gleich vorweg nehmen. Diese Aufgabe, Kunststraßen zu bauen, liegt den kommunalen Ver⸗ bänden ob, und ich glaube, daß es ernste Pflicht und Aufgabe der kommunalen Verbände ist in der gegenwärtigen Zeit, dieser Ver⸗ pflichtung im vollsten Umfange nachzukommen. Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen bei den allgemeinen Sätzen, daß die Erleichterung des Verkehrs, die Verbilligung des Verkehrs eines der hervorragendsten Mittel ist, um uns aus unserer Krisis emporzuhelfen, und da gehört der Bau der Kunststraßen hin. Und, meine Herren, ich möchte es nicht verschweigen, ich möchte glauben, wenn ich vorhin gesagt habe, daß im Westen die Verhältnisse nach vielen Riechtungen gesundere seien wie im Osten, so liegt das mit daran, daß dort das Netz der Verkehrswege ein viel dichteres, den Bedürfnissen entsprechenderes ist, wie das im Osten der Fall ist, und ich will 'mal darauf hinweisen: es ist den Provinzialverbänden des Westens das gar nicht leicht geworden. Beispielsweise hat der Pro⸗ vinzialverband Hannover durch die Ziehung eines Wechsels auf die Zukunft vor etwa zehn Jahren, durch Aufnahme sehr erheblicher An⸗ leihen diese kommunalen Wege hergestellt. Und das ist dankbar an⸗ zuerkennen; denn dadurch, daß wir jetzt im Besitz solcher Straßen sind, sind wir in der Lage, der kritischen Lage besseren Widerstand zu leisten, als wenn das nicht der Fall wäre, und das wird einstimmig in allen Theilen des Westens in hohem Grade dankbar anerkannt.
Meine Herren, der Herr Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum hat bei der Generaldebatte neulich gesagt — ich wende mich jetzt zu den Wasser⸗ straßen —, er sei der Meinung, daß künstliche Wasserstraßen nur ge⸗ baut werden dürfen, wenn die Zunächstbetheiligten dazu entsprechende Opfer bringen, und wenn diejenigen, die die künstlichen Wasserstraßen benutzen, eine entsprechende Kanalgebühr entrichten. (Sehr richtig! rechts.) Ich trete der Ansicht des Herrn Grafen in dieser Beziehung vollständig bei und möchte nun glauben, daß der Herr Graf zu Limburg⸗ Stirum und die hinter ihm stehende konservative Partei, wenn ihr nachgewiesen wird, daß Kanäle absolut nothwendig und wirthschaftlich zweckmäßig sind und damit die hingestellten Voraussetzungen erfüllt werden, sich für Wasserstraßen mit interessieren würde. Meine Herren, ich erinnere Sie daran, was ich schon im Eingange meiner Rede gesagt habe: wodurch können die Produkte des fernen Westens so billig zu uns gelangen? Weil in Amerika durch die Wasser⸗ straßen, durch die fabelhaft niedrigen Eisenbahntarife die Frachtsätze so außerordentlich mäßig sind. Und wir, meine Herren, haben im Osten ja ein ziemlich günstig ausgebautes Kanalnetz, auch im Westen — ich erinnere ay das Kanalnetz in Elsaß⸗Lothringen —, aber die Ver⸗ bindung dieser Kanalnetze unter einander fehlt, und — das werden doch alle Parteien hier im Hause anerkennen müssen — nachdem die einzelnen deutschen Staaten zu einem großen Bunde vereinigt sind, dürfen wir nun nicht wirthschaftliche Grenzen und wirthschaftliche Theilungen hier in Preußen vornehmen wollen, die gewissermaßen das eine Gebiet abschließen gegen das andere: gleiches Recht für alle — es muß ein einheitliches Wirthschaftsgebiet, wo alle diejenigen Verkehrsstraßen, auch die Wasserstraßen gleichmäßig zugänglich sind, die in diesem einheitlichen Verkehrsgebiet nothwendig sind, im Auge behalten werden. (Bravo!)
Meine Herren, ich will noch darauf hinweisen, daß der Osten bei dem Ausbau von Wasserstraßen ganz hervorragend betheiligt ist, theil⸗ weise durch den Bau solcher Kanäle, die bereits beschlossen sind und ihrer Vollendung entgegengehen, theils solcher, die in Anregung ge⸗ kommen sind und deren Ausführbarkeit gegenwärtig verhandelt wird. Ich will hier zunächst den Masurischen Kanal nennen, der neulich in der Generaldiskussion gestreift ist. Er sollte schon in den siebziger Jahren gebaut werden; es waren damals die ersten Raten für den Bau im Etat eingestellt unter der Bedingung, daß die Betheiligten den Grund und Boden unentgeltlich hergeben; damals haben — meiner Auffassung nach bedauerlicher Weise — die Verhandlungen mit den Grundbesitzern zum Ziele nicht geführt. Augenblicklich ist eine leb⸗ hafte Agitation für den Kanal vorhanden. Es liegt mir eine ganze Reihe von Vorstellungen vor, diese Sache wieder aufzunehmen. Ich will hier nur einige Zahlen nennen, die den Masurischen Kanal betreffen. Abgesehen davon, daß der Werth von 13 000 Pferdekräften, die durch die treppen⸗ förmige Herstellung des Kanals gewonnen werden, von Technikern zu 26 Millionen veranschlagt ist, kommen bei dem Ausbau dieses Kanals bedeutende Interessen der Forst⸗ und Landwirthschaft für ein aus⸗ gedehntes landwirthschaftliches Gebiet in Frage. Allein für die staat⸗ liche Forstverwaltung ist nach den angestellten Ermittelungen von der Herstellung dieser Wasserstraße durch Ermäßigung der Transportkosten ein kapitalisierter Vortheil von 4 ½ bis 5 Millionen zu erwarten.
Ich will bei dieser Gelegenheit noch hervorheben, daß mir augen⸗ blicklich mehrere Eingaben vorliegen von solchen Leuten, die den Bedarf der westfälischen Gruben an Grubenhölzern befriedigen. In ihnen wird vorgetragen, daß der Westen nicht mehr im stande ist, diesen Bedarf zu decken, daß aber die Eisenbahnfrachten so hoch sind, daß das inländische Holz an jenen Verbrauchsstellen nicht konkurrieren kann mit den Hölzern, die aus Norwegen und Schweden per Schiffsfracht nach Westfalen gelangen. Meine Herren, schaffen Sie Mittel und Wege, daß aus dem Osten unsere privaten Grundbesitzer und die Staatsforsten das Holz zu mäßigen Frachten nach dem Westen bringen können! Dann liegt das Projekt für einen Schiffahrtskanal vor, der von Tschicherzig im Kreise Züllichau von der Oder abzweigen und die Obra weiter verfolgen soll. Er kann zu einer schiffbaren Verbindung der Warthe und Oder Veranlassung geben, die namentlich für den Verkehr zwischen Schlesien und Posen von Bedeutung werden würde. Ferner wird der Elb⸗Trave⸗Kanal gebaut, dann ist die Erweiterung des Ems⸗Hunte⸗Kanals in Frage, und ein kleines Land wie Oldenburg ist gewillt, große Opfer für die Kanalisierung der Hunte aufzubringen, weil es überzeugt ist, daß das Großherzogthum großen Nutzen davon haben wird. Dadurch wird die Verbindung der Weser mit der Ems u. s. w. erreicht.
Meine Herren, dann wissen wir, wie es im vorigen Jahre mit dem Dortmünd⸗Rhein⸗Kanal verlaufen und daß der Mittelland⸗ Kanal noch nicht vorgelegt ist. Ich kann mittheilen, daß augenblicklich unter den betheiligten Ressort⸗Ministern Verhandlungen über die Förderung dieser Projekte schweben, und daß die Vorarbeiten schon so weit vorgeschritten sind, daß die Königliche Staatsregierung wohl schon im nächsten Jahre mit dem Mittel⸗ land⸗ und Dortmund⸗Rhein⸗Kanal an Sie herantreten wird. (Lebhaftes Bravo links.) Aber, meine Herren, ich möchte auf einen Gesichtspunkt aufmerksam machen. Es sind die beiden von mir oben genannten Kanäle Theile eines großen Kanalnetzes, das bereits die gesetzliche Sanktion bekommen hat. Davon wird der Kanal Dort⸗ mund — Emshäfen schon jetzt ausgebaut. Dieser Kanal schafft eine Wasserstraße von der See her bis mitten in das westfälische Industriegebiet, unser Hauptabsatzgebiet. Wenn wieder so vor⸗ gegangen wird, wie es im vorigen Jahre geplant war, und von Dort⸗ mund aus der Kanal nach dem Rhein beschlossen wird, so wird damit die zweite Wasserverbindung nach der See hin geschaffen. Dann, meine Herren, kann das dritte Glied, der Mittelland⸗Kanal, die Ver⸗ bindung, wodurch erst der Osten die Gelegenheit eines billigen Wasser⸗ weges nach dem Westen erhält, nicht abgelehnt werden. Das hieße den wirthschaftlichen, besonders den agrarischen Interessen geradezu ins Gesicht hineinschlagen. (Widerspruch rechts; sehr richtig! links.) Wenn wir uns nach der See einen Zufuhr⸗ und Absatzweg ver⸗ schaffen, dann ist es erst recht nothwendig, im Innern diejenigen Wasserstraßen auszuführen, die erforderlich sind, um der einheimischen Landwirthschaft die Konkurrenz mit den von außen kommenden Pro⸗ dukten im eigenen Staatsgebiet zu ermöglichen. (Sehr richtig! links.)
Meine Herren, ich erinnere weiter daran, daß die Verbesserung der künstlichen Wasserstraßen eine Aufgabe ist, die die Staats⸗ regierung mit der größten Energie in die Hand genommen hat und auch weiter ausführen wird. Bei der Generaldiskussion ist gestreift worden, ob es nicht richtiger sei, die Bauabtheilung des Arbeits⸗ Ministeriums und damit die ganzen Wasserangelegenheiten an die landwirthschaftliche Verwaltung zu verweisen. Meine Herren, das ist