Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und der Erbgroßherzog von Baden sind gestern Nachmittag um 1 ½2 Uhr von bier nach Karlsruhe zurückgereist.;⸗ 8
n der am 31. v. M. unter dem Vorsitz des Vize⸗ Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretärs des Innern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesraths wurde dem Entwurf eines Gesetzes, be⸗ treffend die Bestrafung des Sklavenraubs und des Sklavenhandelsg, dem Entwurf eines Gesetzes für Elsaß⸗Lothringen über die Gebäudesteuer, dem Antrage Anhalts, betreffend die steuerliche Behandlung der Abraum⸗ salze, sowie den Entwürfen von Bestimmungen über die Be⸗ schäftigung jugendlicher Arbeiter auf Steinkohlenbergwerken und über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Walz⸗ und Hammerwerken — die Zustimmung ertheilt. Der Entwurf eines Gesetzes für Elsaß⸗Lothrin⸗ gen wegen Aufhebung des Besetzes über die Ernennung und die Besoldung der Bürgermeister und Beigeordneten wun
4. Juli 1887 wurde den zuständigen Ausschüssen überwiesen.
Ueber die Vorlage, betreffend Ueberschreitungen bei den Be⸗ soldungs⸗ und Pensions⸗Etats der Reichsbankbeamten für 1892 und 1893, sowie über die Allerhöchsten Orts zu unterbreitenden Vorschläge wegen Besetzung von zwei Mitgliedsstellen beim Reichsbank⸗Direktorium wurde Beschluß gefaßt. Endlich wurde eine größere Anzahl von Eingaben erledigt.
In der gestern abgehaltenen Schlußsitzung des Kom⸗ munal⸗Landtags der Kurmark gab der Vorsitzende, Geheime Regierungs⸗ und Landrath von Winterfeldt⸗ Menkin eine Uebersicht der in der siebzehntägigen Session erledigten Geschäfte. Darnach sind 98 Sachen zur Ver⸗ handlung gekommen, von denen der I. Ausschuß 37, der II. Ausschuß 58 bearbeitet hat. Das Plenum hat diese in acht Sitzungen erledigt. Außerdem sind drei Vor⸗ lagen von dem Ritterschaftlichen Konvent in einer Sitzung des letzteren zur Berathung und Beschlußfassung gelangt. — Der Vorsitzende schloß den 67. Kommunal⸗Landtag mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König, in das die Versammlung mit begeistertem dreimaligen Ruf einstimmte.
Nach einer an das Ober⸗Kommando der Marine ge⸗
langten telegraphischen Meldung beabsichtigt S. M. Kbt. „Iktis“, Kommandant Kapitän⸗Lieutenant Ingenohl, heute von Shanghai nach Chinkiang in See zu gehen. “
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Bayern.
Seeine Königliche Hoheit der Prinz Wolfgang, der üngste, 15 Jahre alte Sohn Seiner Königlichen Hoheit des
Prinzen Ludwig, ist gestern Abend nach eintägiger Krank⸗
heit gestorben.
Schwarzburg⸗Sondershausen. Der Landtags⸗Ausschuß des Fürstenthums wird am 4. Februar in Sondershausen zusammentreten.
Reuß ä. L.
X Seine Durchlaucht der Fürst ist am 31. v. M. von seiner Besitzung in Radeberg bei Dresden, wohin sich Höchst⸗ derselbe S einige Tage zur Jagd begeben hatte, nach Greiz zurückgekehrt.
In den öffentlichen Sitzungen des Landtags vom 30. und 31. Januar d. J. wurde — nach dem Referat des Abg. Jahn über die erfolgte Prüfung der Landes⸗Kassenrechnungen auf die Jahre 1891/93, sowie der Rechnungen über den Fonds für gemeinnützige Zwecke im Interesse des Feuerlöschwesens und der Feuersicherheit auf die gleiche Periode — dem Antrage der Finanzkommission entsprechend, der Fürstlichen Staats⸗ regierung einstimmig die Ermächtigung zur Richtigsprechung der Rechnungen ertheilt.
Elsaß⸗Lothringen.
In dem Etatsentwurf für 1895/96 sind die Ein⸗ nahmen und Ausgaben auf je 55 383 315 ℳ veranschlagt, und stba⸗ im ordentlichen Etat auf 51 112 798, im außer⸗ ordentlichen auf 4 270 517 ℳ Der dem Gesetz beigegebenen Denk⸗ schrift entnimmt die „Straßb. Korresp.“ Folgendes: Unter den Einnahmen des ordentlichen Etats findet sich ein Ueberschuß von 296 225 ℳ aus verfügbaren Beständen des Rechnungsjahres 1893/94, während dem laufenden Jahre 1894/95 ein Ueberschuß von 3 192 411 ℳ zu gute kam. Der Unterschied zwischen den Ueberschüssen der beiden letzten Rechnungsjahre hat zum weitaus größten Theil seinen Grund in der Aenderung, welche in den beiden Jahren zwischen dem Verhältniß der Ueberweisungen des Reichs zu dem Matrikularbeitrag zu Un⸗ er des Landesfonds eingetreten ist. Während nämlich 892/93 die Ueberweisungen den Matrikularbeitrag rechnungs⸗ mäßig um 201 420 ℳ überstiegen, blieben dieselben 1893/94 rechnungsmäßig um 1 849 767 ℳ hinter demselben zurück, was einen Unterschied von 2 051 187 ℳ ausmacht. Hierbei kommt jedoch in Betracht, daß in beiden Jahren in dem an das Reich gezahlten Matrikularbeitrag das Biersteueräquivalent mitenthalten war. Wird dieses Aequivalent mit rund einer Million Mark in Gegenrechnung gebracht, so hat Elsaß⸗ Lothringen 1892/93 vom Reich zur Bestreitung seiner eigenen Ausgaben einen Zuschuß von 1 201 420 ℳ erhalten, 1893/94 gsa dem Reich Zur Bestreitung der Reichsausgaben einen
-
Zuschuß von 849 767 ℳ aus Landesfonds gezahlt. Ohne diese Zuschußzahlung an das Reich wäre dem Etat für 1895/96 ein Ueberschuß von 1 145 992 ℳ zu gute gekommen. Daß im Rechnungsjahr 1893/94 trotz der erhöhten Zahlung an Matrikularbeitrag ein Ueberschuß von 296 225 ℳ verblieben ist, kommt vor allem daher, daß die Einnahmen an eigentlichen Enregistrementsgebühren und Erbschaftssteuer den Etatsansatz um 1 183 975 ℳ überstiegen haben. Weitere wesentliche
ehreinnahmen haben ergeben: die Weinsteuer mit 194 976 ℳ, die Biersteuer und Uebergangsabgabe von Bier mit 369 795 ℳ,
e direkten Steuern mit 102 565 ℳ Diesen und anderen kleinen Mehrerträgnissen stehen als wesentliche Minderein⸗
ahmen gegen die Etatsansätze gegenüber: bei den Einnahmen
368 784 ℳ wegen der infolge der
fälle erforderlich gewordenen Einschraͤnkungen des Einschlags
*
und bei den Ueberweisungen des Reichs 339643 ℳ Nach der
vom Bundesrath getroffenen Festsetzung der Gesammtsummen der Ueberweisungen seitens des Reichs an die Einzelstaaten und des von diesen zu entrichtenden Matrikularbeitrags wird der von Elsaß⸗Lothringen für 1895/96 zu zahlende Matrikular⸗
beitrag die Ueberweisungen, welche ihm zukommen, um 2242 000 ℳ
übersteigen. Mit Rücksicht auf diesen Umstand ist bei der Auf⸗ stellung des Entwurfs davon ausgegangen, daß bei denjenigen Positionen, bezüglich welcher im Etat für 1894/95 die früheren Ansätze wegen der damaligen Se gekürzt worden sind, die früheren Beträge nur insoweit wieder in Vorschlag zu bringen seien, als dies unbedingt erforderlich erschien. Es be⸗ trifft dies namentlich die en für fakultative gemeinnützige wecke, sowie diejenigen Fonds, bezüglich welcher verfügbare este aus Vorjahren es ermöglichen, auch für 1895/96 mit einem ermäßigten Kredit auszukommen. Mehrausgaben sind thunlichst vermieden worden. Trotzdem mußte nicht nur für den außerordentlichen, sondern sogar für den ordentlichen Etat eine Ergänzung der Einnahmen durch Rentenbegebung vor⸗ gesehen werden. 116“
Oesterreich⸗Ungarn. 8
In der gestrigen Sitzung des böhmischen Landtags begründete, wie „W. T. B.“ berichtet, der Abg. Kramarz unter roßer Unruhe des Hauses einen Antrag auf Abände⸗ rung der Landtagsordnung in dem Sinne, daß das Ministerverantwortlichkeits⸗Gesetz auch auf den Statt⸗ halter ausgedehnt werde und dieser dem Landtage ver⸗ antwortlich sein solle. Kramarz griff den Statthalter heftig an und schloß mit der Bemerkung, daß wirth⸗ schaftliche Fragen die beiden Nationalitäten in einem selbständigen böhmischen Parlament mit verantwortlicher Landesregierung vereinigen würden. Der Statthalter Graf Thun erklärte namens der Regierung den Antrag Kramarz als gegen die Staatsgrundgesetze gerichtet und daher un⸗ diskutierbar. Trotz der lärmenden Aufforderung seitens der Jungczechen, he zu sprechen, beendete der Statthalter seinen Satz in deutsch
wurde mit allen gegen die Stimmen der Jungczechen ab⸗ gelehnt.
Das ungarische Unterhaus setzte gettetn die Be⸗ rathung des Kultusbudgets fort. Titel 1 wurde mit roßer Majorität bewilligt; auch ein überwiegender Theil er Opposition stimmte dafür. Der Kultus⸗Minister Wlassics erklärte auf das entschiedenste, er werde keine Modifikationen der noch ausstehenden Kirchengesetze ver⸗ treten, die nicht auch die Mitglieder des früheren Kabinets acceptierten. Die Autonomie der Katholiken sei nur in der Weise
sddenkbar, daß sie den Kirchendogmen nicht widerspreche. Seine Hauptthätigkeit werde der Minister der Verbesserung der Bil⸗
dung der Lehrer zuwenden. Er erachte Frauen für die Aus⸗ bildung zu Frauen⸗ und Kinderärzten sowie zu Apothekern sehr geeignet. Unter lebhaftem Beifall schloß der Minister mit der Versicherung, er werde seine Pflicht in Hütung des größten Schatzes der Nation, des Kultus, zu erfüllen wissen.
Frankreich.
Der Ministerrath hat die Beisetzung der Leiche des Marschalls Canrobert auf nächsten Sonntag festgesetzt und beschlossen, daß sie einen rein militärischen Charakter tragen solle.
Im Senat brachte gestern, wie „W. T. B.“ meldet, der Justiz⸗Minister Trarieux die Amnestievorlage ein, für welche die Dringlichkeit beschlossen wurde. Der Senat ver⸗ sammelte sich sofort in den Abtheilungen, um die Kommission su wählen. Alle Mitglieder dieser Kommission waren für die
orlage. Nach der Wiederaufnahme der Sitzung befürworteten der Berichterstatter und der Justiz⸗Minister die Amnestie⸗ vorlage und appellierten an die Eintracht und Brüderlichkeit. Fufhe bekämpfte die Vorlage, die nur den Politikern zum Vortheil gereiche, welche die Arbeiter ausbeuteten. Die Vor⸗ lage wurde mit 216 gegen 7 Stimmen angenommen. Hierauf brachte der Kriegs⸗Minister General Zurlinden die Vorlage ein, betreffend den Kredit für das Leichenbegängniß des Marschalls Canrobert, und hob die glänzende Laufbahn Canrobert's hervor. Die Berathung der Vorlage wurde auf heute festgesetzt. 1
In der Deputirtenkammer brachte der Kriegs⸗Minister General Zurlinden gleichfalls die Vorlage ein, betreffend die Bewilligung eines Kredits von 20 000 Fr. für das Leichen⸗ begängniß des Marschalls Canrobert. Der Deputirte Fessheh (radikal) bekämpfte die Vorlage und führte aus, Canrobert habe an dem Staatsstreiche und an der Kapitu⸗ lation von Metz theilgenommen. Der Minister⸗Präsident Ribot erwiderte, der Marschall Canrobert habe die Fahne Frankreichs ruhmreich auf allen Schlachtfeldern wehen lassen. (Heftige Unterbrechungen auf der äußersten Linken.) Der Minister⸗Präsident Ribot stellie hierauf die Ver⸗ trauensfrage. Der Deputirte Hubbard wollte antworten, wurde aber vom Zentrum am Sprechen gehindert. Lebhafter Lärm, Rufe: Es lebe die Armee! Der Lärm dauerte eine Viertelstunde. Endlich konnte Hubbard wieder sprechen, und las unter großem Lärm einige Stellen aus dem Pro⸗ tokoll über die Kapitulation von Metz vor. Die Kammer genehmigte hierauf die Dringlichkeit säs die Vorlage mit 304 gegen 160 Stimmen und beschloß die so⸗ fortige Berathung. Der Deputirte Lavy tadelte unter großem Lärm das Verhalten Canrobert’s beim Staatsstreich. Der Deputirte Le Hérissé (früherer Boulangist) befürwortete die und rechtfertigte Canrobert’s Verhalten, da er bei dem Staatsstreich doch nur den Befehl seiner Vorgesetzten ausgeführt habe. (Widerspruch auf der äußersten Linken.) Der Deputirte Avez (Sozialist) erwiderte, Major Labordére habe lieber seinen Degen zerbrochen als die Verfassung verletzt. (Beifall links.) Der Deputirte Le Hérissé entgegnete: Labor⸗ dere habe Unrecht gehabt. Rufe: „Zur Ordnung!“ Der Präsident Brisson bemerkte, ein Soldat dürfe nicht der Verfassung zuwiderlaufenden Befehlen gehorchen. (Lebhafter Beifall links.) Der Deputirte Grousset (Sozialist) beantragte, Baudin solle eine Statue errichtet werden. Der Minister⸗ Präsident Ribot bestieg nun die Tribüne und erklärte, die Regierung habe Baudin für seine Vertheidigung des Gesetzes Ehre erwiesen. Grousset, der gegen die Gesetze seines Landes verstoßen habe, sei nicht berechtigt, zu Gunsten von Baudin Forderungen zu stellen. (Lebhafter Beifall im Zentrum. Widerspruch auf der äußersten Linken.) Möge Canrobert der jungen Armee ein Vorbild sein; ganz Frankreich werde von ganzem Herzen gern dem Sarg folgen
er Sprache. Der Antrag Kramarz
Hierauf wurde der
—
der Kredit von 20 000 Frcs. für die Beisetzung des Marschalls Canrobert mit 288 gegen 152 Stimmen genehmigt.
Rußland. Der Kaiser und die Kaiserin empfingen, wi
129 Deputationen, darunter solche von jüdischen Gemeinden aus verschiedenen Theilen des Reichs.
Die Leiche des Staats⸗Ministers von Giers wurde gestern Nachmittag 1 Uhr im Sergiuskloster neben der Gruft des Prinzen von Oldenburg in Gegenwart der Familie, der Beamten des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, des Ministers Yermoloff und des Fürsten Gortschakoff beigesetzt.
schreibt:
Rußlands willkürlicher Weise die Idee bezüglich der Möglichkeit einer geplanten wesentlichen Veränderung in der Ordnung der Staats⸗ verwaltung hervorgerufen. Diese auf nichts begründeten Voraus⸗ setzungen, welche in vollem Widerspruche stehen wie zur Geschichte, dem Wesen und dem Charakter üuehserer selbstherrlichen Ver⸗ waltung, so auch zu dem ber der Thronbesteigung, des Kaisers erlassenen Manifest, haben zür Einbringung enner Fe seitens der Semstwo⸗Versammlung des Gouvernements wer geführt wegen der wünschenswerthen Hetheiligung der Ver⸗ treter der Semstwo an den Angelegenheiten der allgemeinen inneren Verwaltung. Ohne Zweifel haben solche Petitionen selbst gegen⸗ wärtig nur deshalb stattgefunden, weil sich in der Gesellschaft Gerüchte verbreiteten, daß der Kaiser sich ihnen gegenüber wohlgeneigt ver⸗ hält. Nur durch diese Kombinationen konnte man sich auch die jüngste Blättermeldung erklären, daß es dem Kaiser gefällig gewesen sei, die Wahl der Person für den vakanten Posten des Ministers für Wege und Kommunikationen der Einsicht des Reichsraths anheim⸗ zustellen.é Auf diese Weise erscheint die Ansprache des Kaisers im Winterpalais — sie ist voll Festigkeit und Klarheit — durchaus zeit⸗ gemnaß⸗ da sie der Möglichkeit jeglicher, durchaus unbegründeter llusionen vorbeugt, welche zu traurigen Folgen führen, in die un⸗ willkürlich nicht nur einzelne Personen, sondern auch ganze Institute hineingezogen werden können. 1e“
Die Herausgeber und Redakteure, sowie sämmtliche Mitarbeiter der Moskauer Zeitungen (der „Moskows⸗ kija Wjedomosti“, des „Moskowskij Listok“, der „Rußkoje Obosrenje“ und des „Ruskoje Slowo“) haben vorgestern in der Sergiuskirche einen Gottesdienst aus Anlaß des Kaiserlichen Gnadenerlasses vom 13. Januar ab⸗ halten und dem Kaiser durch Vermittelung des Groß⸗ 88g Konstantin Konstantinowisch ihren Dank zum Aus⸗
ruck bringen lassen. Außerdem wurde beschlossen, ein nach dem Kaiser Nikolaus benanntes Asyl für arbeits⸗ unfähig gewordene Mitarbeiter russischer Zeitungen und deren Familien zu gründen, ferner in der Kirche des heiligen Sergius das Bild dieses Heiligen zu stiften und allzährlich am 13./1. einen Dankgottesdienst abhalten zu lassen. Für das Asyl wurden von den Zeitungsherausgebern namhafte jährliche oder einmalige Beiträge gezeichnet.
Italien.
Auf Antrag der Kardinalskommission für die orienta⸗ lischen Kirchen hat der Papst beschlossen, in Konstantinopel eine höhere Studienanstalt zur Ausbildung des griechisch⸗ katholischen Klerus zu gründen und eine Kirche erbauen zu lassen, in welcher Gottesdienst nach griechischem Ritus abgehalten werden soll. 8
Spanien.
Aus Madrid berichtet „W. T. B.“, daß der marokka⸗ nische außerordentliche Gesandte, als er gestern sein Hotel verließ, von einem Mann einen Schlag auf die Schulter erhalten habe. Der Thäter, ein verabschiedeter General “ der schon mehrfach Spuren von W“ gezeigt abe, se sofort verhaftet worden. Eine große Menschenmenge hatte sich vor dem Hotel des Gesandten angesammelt; zahl⸗ reiche Polizeibeamte waren zur Stelle. Der Gesandte das Haus, ohne daß es zu einem Zwischenfall kam, un machte dem Minister⸗Präsidenten Sagasta einen Besuch. Später stattete der Marschall Martinez Campos dem marokkanischen Gesandten einen Besuch ab und gab dem Bedauern über die That Ausdruck.
In der Kammer erklärte der Kriegs⸗Minister auf eine Anfrage Canova's, der Minister des Auswärtigen habe ein Telegramm nach Tanger gesandt, welches besage, die That sei eine vereinzelte, Volk und Regierung protestierten gegen dieselbe. Außerdem habe der Minister an die übrigen Mächte Depeschen gerichtet, um jeder falschen Interpretation entgegenzutreten.
Der oberste Rath für Krieg und Marine ist zu⸗ sammengetreten, um ein summarisches Verfahren gegen Fuentes einzuleiten.
Die Sache hat in Madrid große Erregung hervorgerufen. Man glaubt, Fuentes habe den in Melilla gefallenen General Margallo rächen wollen.
Schweiz.
Alle ausgewiesenen Anarchisten sind, mit Ausnahme des flüchtigen Tirolers Gioseffi, in Haft genommen worden und werden, abgesehen von zweien, die zur Regelung ihrer Geschäfte einen 24 stündigen Aufschub erhielten, sofort an die Grenze gebracht werden. XAX“
Rumänien. 88 In der Kammer interpellierte gestern der liberale Depu⸗ tirte Stefanesco die Regierung über angebliche andauernde Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung und den Cräsidenten der beiden Kammern, sowie über die angebliche Erklärung des Ministers Carp, daß die Präsidenten der Kammern lediglich die Majoritäten zu repräsen⸗ tieren berufen seien. Der Minister⸗Präsident Catargi be⸗
8
tonte, die Präsidenten hätten wie jeder Abgeordnete das Recht, ihre Einwendungen gegen Gesetzentwürfe zu erheben. Hoffent⸗ lich werde nie der Fall eintreten, daß Gesetzentwürfe ohne er⸗ zieltes Einvernehmen mit den Präsidenten den Kammern vor⸗ gelegt würden. Seine persönliche Würde und die Präsidenten⸗ würde werde er stets zu wahren wissen. In Bezug auf das Bergwerksgesetz bestehe zwischen der Regierung und den Präsi⸗ denten der Kammern völliges Einvernehmen.
Bei den Ergänzungswahlen eines Senators im Distrikt Sudzawa und eines Deputirten im Distrikt Tutova wurden die konservativen Kandidaten mit großer Mehrheit gewählt. Bei einer Deputirten⸗Ergänzungswahl in Prahova erhielt gleichfalls der konservative Kandidat die meisten Stimmen, doch ist eine Stichwahl erforderlich
Antrag Grousset mit 296 gegen 150 Stimmen abgelehnt und
W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet, vorgestern weitere
Die „Juriditscheskaja Gazeta⸗ (Juristische Zeitung) 8
Die Thronbesteigung des Kaisers Nikolaus hat in einigen Kreisen
88 8
8 1“
dauerte den Zeitverlust, den solche Interpellationen mit sich brächten. Der Kammer⸗Präsident Mano be⸗
chweden und Norwegen. 11“ Am Schlusse der heutigen Ministerrathssitzung hat, wie „W. T. B.“ meldet, das Ministerium seine Entlassung eingereicht. Der König entschied, die Demission solle ver⸗ fassungsmäßig behandelt werden. 8 6 -“”“ Eine in New⸗York eingetroffene Depesche aus Panama meldet, daß die Rebellen von Cundinamarca durch General Tens geschlagen worden seien. — Nach einer Depesche aus Colon fand gestern in Bogota ein Gefecht statt, bei dem gegen 200 Mann sielen. Die von dem Präsidenten geführten Regierungstruppen blieben siegreich. — In Carta⸗ gena wurden 60 Liberale verhaftet. 1 In Paris ist die Nachricht aus Guayaauitil eingetroffen, die Regierung von EScuador habe dem von Japan an⸗ ekauften chilenischen Kreuzer „Esmeralda“ gestattet, die von Ecuador zu führen. Diese Erlaubniß habe roßen Unwillen hervorgerufen, vnd es sei zu ernstlichen Aus⸗ färkhge gekommen, bei denen die Truppen feuer gegeben hätten und mehrere Personen getödtet „worden seien. 3 Aus Lima wird gemeldet, die Aufständischen hätten
sich-Arcquipass bemächtigt. — 8 “ .„
Asien. 8 8
Eine in Shanghae eingetroffene Depesche aus Wei⸗ Hai⸗Wei meldet, die Japaner hätten das östliche Fort erobert; das auf der entgegengesetzten Seite des Hafens liegende sor beschieße indessen das eingenommene Fort so Sb aß die Chinesen hofften, Wei⸗Hai⸗Wei halten zu önnen.
Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Chefoo von gestern gemeldet, die Japaner hätten vorgestern Wei⸗Hai⸗ Wei nach zweitägigem Kampf genommen. Die Chinesen seien geflohen; die Verluste derselben würden auf 2000 Mann angegeben. Die Insel Lin⸗Kung⸗Tan, auf der sich zahlreiche Be sügun en und der Regierung gehörige Werkstätten befänden, ser noch in den Händen der Chinesen. Alle Europäer hätten wohlbehalten Wei⸗Hai⸗Wei verlassen.
Nach Meldungen aus Hiroshima von heute wird der Premier⸗Minister IJto heute die chinesischen Abgesandten
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.
— Der Reichstag setzte in seiner heutigen (28.) Sitzung, welcher der Staatssekretär, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Staats⸗Minister Freiherr von Berlepsch beiwohnten, die erste Berathung des Gesetzes, betrefkrd die Abänderung der Gewerbeordnung (Wandergewerbe), fort, in Verbindung mitt der ersten Be⸗ rathung des in Betreff desselben Gegenstandes von den Abgg. Gröber, gite und Genossen (Zentr.) eingebrachten “ as Wort nahm zuerst Abg. von Strom⸗
e entr.). (Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten setze in seiner heutigen (10.) Sitzung, welcher der Minister für Landwirth⸗ schaft c. Freiherr von Hammerstein beiwohnte, die zweite Berathung des Etats der landwirthschaftlichen
Verwaltung fort. 1
Abg. Parisius (fr. Volksp.) nimmt Bezug auf statistische Nachweisungen, um festzustellen, daß die Mehl⸗ und Brotpreise mit den Kornpreisen in engem Zusammenhange ständen und also eine Zollerhöhung auch immer eine Vertheuerung des Mehls und Brots zur Folge gehabt habe. 6
Abg. Schmidt⸗Steglitz (kons.): Ich habe hier einen Wunsch des Verbandes deutscher Gärtner zur Sprache zu bringen, der dahin geht, es möchte im landwirthschaftlichen Ministerium für die gärt⸗ nerischen Interessen ein besonderes Dezernat bestellt werden, damit die die Gärtnereien betreffenden Angelegenheiten eine sachgemäße Be⸗ handlung erführen. Die Gärtnerei ist nach der sozialen Gesetzgebung den landwirthschaftlichen Betrieben gleichgestellt, nach der Steuer⸗ gesetzgebung aber werden Handelsgärtner zur Gewerbesteuer heran⸗ ezogen, während sonst landwirthschaftliche Betriebe von dieser Steuer srn bleiben. Es kommt daher vor, daß große Gäsrtnereien, die von Nichtgärtnern betrieben werden, steuerfrei bleiben, während kleine Handelsgärtner besteuert werden. Ich bitte den Minister, dieser Ungerechtigkeit ein Ende zu machen.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein: Kü. habe als ehemaliger Vorsitzender des hannoverschen Gärtnerverbandes ein warmes Empfinden für die Interessen dieses Gewerbes und werde ihm auch in meiner jetzigen Stellung entgegenkom men. Ein Referat für gärtnerische Angelegenheiten besteht bereits im Ministerium, damit erledigt sich diese Frage; die andere Frage gehört in das Ressort der Herren, die die Steuerfragen zu behandeln haben.
Abg. Gothein (fr. Vgg.): Es ist doch sehr bedeutsam, daß der Minister, der aus dem Westen stammt, wo die größte Gegrerschaft gegen die Staffeltarife bestand, die Aufhebung dieser Tarife be⸗ lagt. Den Ausführungen des Herrn Ministers über die Wichtigkeit der Kanalfrage für die Landwirthschaft stimme ich vollständig bei. Der Vize⸗Präsident Freiherr von Heereman ermahnt den Redner, ch nicht in eine Generaldiskussion zu verlieren, worauf der Redner auf weitere Ausführungen verzichtet.) 1“
u dem Kapitel der General⸗Kommissionen bemerkt der Berichterstatter 8 „Abg. Frhr. von Erffa (kons.): In dieses Kapitel sind auch die Ge⸗ hälter für die Beamten aufgenommen, welche für die neu zu grün⸗ dende General⸗Kommission in Königsberg nothwendig sind. Die Budget⸗ Kommission hat Anstand genommen, die Annahme dieser Posten vor der Entscheidung über den Gesetzentwurf, betreffend die neue General⸗Kommission, zu empfehlen, wenn seitens der Regierung nicht die Erklärung abgegeben wird, daß sie von der Bewilligung nur Gebrauch machen werde für den Fall der Genehmigung des be⸗ treffenden Gesetzentwurfs. 8
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein: Die von der Budgetkommission gewünschte Erklärung gebe ich in folgender Formsab: Ich erkläre namens der Staatsregierung, daß die Voraussetzung der Budgetkommission zutrifft, und daß die für die neue General⸗Kommission in Königsberg in den Etat reh Summen nur zur Verausgabung gelangen werden, sofern das Gesetz, betreffend die Einrichtung der neuen General⸗Kommission, angenommen wird. Abg. von Brockhausen (kons.): Die bisherigen Rentenguts⸗ bildungen haben ohne Zweifel für die Landwirthschaft im Osten vor⸗ theilhaft gewirkt. Zu beklagen ist nur, daß die General⸗Kommissionen viel zu langsam arbeiten. Wenn 4 Jahre von der Fest⸗ stellung der Punktationen bis zur Fertigstellung des Renten⸗ guts verfließen, so ist das eine viel zu lange Zeit. Es wäre sehr zu wünschen, daß den General⸗Kom missionen erfahrene Katasterbeamten beigegeben würden. Weiterhin ist es nothwendig, die Zwischenarbeiten, die Regelung der Hypothekenangelegenheiten, die
Heranziehung von Ansiedlern ꝛc. mehr aus den Händen der Agenten zu nehmen. Wenn mit staatlicher Betheiligung die Bildung von Privatgesellschaften, welche diese Arbeiten übernähmen, gelingen würde, so würde das eine bedeutende Unterstützun er General⸗Kommissionen sein. Der Güterschlächterei muß entschieden entgegengetreten werden. Die Frage, ob die sogenannten Adjazenten⸗ käuse unter das Gesetz fallen, ist bisher zweifelhaft; es würde gut sein, wenn die Regierung sich darüber äußern wollte. Auch die Frage der Ausgabe von 3 %igen Rentenbriefen möchte ich anregen. Es ist ja nur eine Frage de Zeit, ob die Landschaften ihre Pfand⸗ briefe konvertieren, und man follte das in dem Rentenguts⸗ esetz bestehende Hinderniß für die Ausgabe von 3 % statt 3 ½ % Rereeriesen schon jetzt beseitigen. Wenn es nun auch wünschens⸗ werthlist, den Geschäftsgang der General⸗Kommission zu beschleunigen, so darf doch die Tendenz des Rentengutsgesetzes nicht außer Acht gelassen werden: die Schaffung eines leistungsfähigen Bauern⸗ standes. Es kommt bei der Bildung von Rentengütern nicht auf die Masse, sondern auf die Qualität an. Um einen wirklich leistungsfähigen Bauernstand zu schaffen, genügt aber das Rentenguts⸗ gesetz nicht; dazu ist nothwendig, daß die Landwirthschaft überhaupt wieder rentabel gemacht wird. Dazu kann die Hebung der Viehzucht, besonders der Schafzucht, im Osten viel beitragen; vor allem aber handelt es sich darum, den Getreidebau wieder lohnend zu gestalten. Ohne dies reichen alle anderen Mittel nicht aus. Geheimer Regierungs⸗Rath Sachs: Es läßt sich allerdings nicht
„in Abrede stellen, daß das Verfahren bei der Rentengüterbildung and⸗
die Vermessungsarbeiten bisweilen eine unliebsame Verzögerung erfahren. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn wir im Osten der Monarchie über ein richtiges Katasterkartenmaterial verfügten, würden die Rentengutspläne in verhältnißmäßig kurzer Zeit aufgestellt werden können. Den Wunsch des Vorredners, daß die Vermessungs⸗ Vorschriften erleichtert werden möchten, halte ich für schwer erfüllbar. Ich bezweifle auch, daß die Finanzverwaltung damit einver⸗ standen sein würde. Es muß natürlich als berechtigt aner⸗ kannt werden, daß die Verwaltung ein vollkommen einwand⸗ freies Landmessungsmaterial beschaffe, damit die Rentengut⸗ Nehmer über ihren eine Karte erhalten, die sie für alle Zeiten egen kostspielige Grenzstreitigkeiten sichert. Wir sind seit läugerer Zat bemüht, den Uebelständen auf diesem Gebiet entgegen⸗ zutreten. Die Landmesser müssen sich jetzt an den Minister wenden, damit eine den Verhältnissen entsprechende Vertheilun
des technischen Materials ermöglicht wird. Ferner ist der Versuch emacht worden, Kataster⸗Kontroleure zu den Vermessungsarbeiten Göö unter Umständen auch Privat⸗Landmesser. Das hat aber nicht genügt. Nach dem nächsten Prüfungstermin an den Land⸗ wirthschaftlichen Fochschnlen werden wir eine Reihe neuer Kräfte ein⸗ stellen können. Gewerbsmäßige Güterschlächter werden von der Ver⸗ mittlung von Rentengütern ausgeschlossen werden. Ganz ohne Agenten wird es aber wohl nicht abgehen. Gerade im Kreise Berlin habe ich einen Agenten kennen gelernt, der ein ausgesprochenes Organisationstalent für Ansiedelungen hat. Ueber die Frage der Ausgabe von dreiprozen⸗ tigen Rentengüterbriefen kann umsso weniger debattiert werden, als der Vorredner selbst einen diesbezüglichen Wunsch nicht ausgesprochen hat. Daß die Form der Rentengutbildung durch Konsolidation, also die Adjazentenkäufe, im Sinne des Gesetzes liegen, ist bereits in einer allgemeinen Verfügung vom Justiz⸗Minister, vom Finanz⸗ Minister und dem Landwirthschafts⸗Minister ausgesprochen worden. Nach einer kürzlich aufgemachten Zusammenstellung entfallen von 3593 Rentengütern 1072 auf solche Adjazentenkäufe, woran die General⸗Kommission für die Provinz Schlesien den Hauptantheil hat.
(Schluß des Blattes.)
— In der Kommission des Reichstags zur Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Aenderung und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs, des Militär⸗Strafgesetzbuchs und des Gesetzes über die Presse, haben der „Nat.⸗Ztg.“ zufolge die Abgg. Graf von Roon, Freiherr von Hammerstein, Hüpeden, von Buchka und von Salisch (kons.) beantragt, im § 353 a des Strafgesetzbuchs, welcher die Verletzung der Amtsverschwiegen⸗ heit von Beamten im Dienste des Auswärtigen Amts des Deutschen Reichs mit Gefängniß oder mit Geldstrafe bis zu 5000 ℳ bedroht, die gesperrt gedruckten Worte zu streichen, sodaß also die Strafbestimmung auf alle Beamten Anwendung finden soll. Ferner beantragen die genannten Abgeordneten, dem er⸗ wähnten Paragraphen folgenden Absatz anzufügen: „Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher es unternimmt, einen Beamten zu einer der im Absatz 1 bezeichneten strafbaren Handlungen zu verleiten, oder welcher ein Schriftstück oder eine Anweisung eines Vorgesetzten oder deren Inhalt, von denen er durch die Verletzung der Amtsverschwiegenheit von seiten eines Beamten Kenntniß erlangt hat, veröffentlicht, oder welcher auf die im § 111 a bezeichnete Weise eine nach Abs. 1 strafbare Handlung an preist oder als erlaubt darstellt.“
— Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Vertretung der Kreis⸗ und Provinzial⸗Synodalver⸗ bände in vermögensrechtlichen Angelegenheiten, zugegangen.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Die Frage, ob ein Roman als eine unzüchtige Schrift, deren Verbreitung aus § 184 Str.⸗G.⸗B. zu bestrafen ist, zu erachten ist, kann, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 18. September 1894, regelmäßig nur nach dem Gesammtinhalt des Romans richtig beurtheilt werden, ist aber der Roman in einer Zeitschrift, von der jedes Heft einzeln verkauft wird, stück⸗ weise herausgegeben worden, und ist dasjenige Heft, welches un⸗ züchtige Stellen enthält, in solche Leserkreise gelangt, die nur dieses Heft in die Hände bekamen, so kann, ohne Furkficht auf den Gesammt⸗ inhalt des Romans, das Unzüchtige des in dem be⸗ treffenden Heft enthaltenen Theils festgestellt werden. — Ein Roman wurde heftweise in der Zeitschrift „Lichtstrahlen“ von welcher alle vierzehn Tage ein Heft erscheint, veröffentlicht. Jedes Heft dieser Zeitschrift wird einzeln verkauft und ein Zwang zum Abonnement auf einen ganzen Jahrgang besteht nicht. Der in dem Heft 12 veröffentlichte Theil des Romans enthielt nach der Auf⸗ fassung des Staatsanwalts unzüchtige Stellen, und es wurde gegen den Mitverleger (der auch der Verfasser des Romans war) der Zeit⸗ schrift Anklage aus § 184 Str.⸗G.⸗B. wegen einer un⸗ züchtigen Schrift erhoben. Entgegen dem Antrage des Angeklagten, es solle der ganze Roman verlesen oder wenigstens ein literarischer Sachverständiger über den behaupteten künstlerischen Zweck des Romans vernommen werden, beschloß die Strafkammer nur die in Pfft 12 befindliche Fortsetzung des Romans zu verlesen, nachdem sie festgestellt hatte, daß das Heft 12 mit dem Willen des Angeklagten auch in solche Leserkreise gelangt ist, die nur dies Heft in die Hände bekamen und sonach von den künstlerischen Tendenzen, die der Ver⸗ fasser des Romans angeblich verfolgte, keine⸗Kenntniß erhielten. Die Revision des Angeklagten wurde vom Reichsgericht verworfen, indem es ausführte: „Unter den festgestellten Umständen konnte der erste Richter ohne Rechtsirrthum das Heft 12 als eine selbständige Schrift ansehen und ohne Rücksicht darauf, daß Theile des Romans sich in er alten befanden, die Unzüchtigkeit dieses Heftes feststellen.“
/94. 8
Handel und Gewerbe.
en der Reichsbank fand heute Vormittag 10 ½ Uhr die jaͤhrliche Plenarversammlung der Berliner Abrechnungs⸗
stelle statt, welcher außer der Reichsbank und der Seehandlung
88
20 erste Berliner Bankhäuser angehören. Aus den Mittheilungen des Vorsitzenden, Reichsbank⸗Präsidenten, Wirklichen Geheimen
Raths Dr. Koch entnehmen wir, daß die Abrechnungen (Clearings)
hinsichtlich der “ die des Jahres 1893 um 29 076 überschritten haben, hinsichtlich des Betrages dagegen (mit 4 619 368 600 ℳ) um 17 536 100 ℳ hinter denen von 1893
zurückgeblieben sind. Bei allen 10 Abrechnungsstellen der
Reichsbank zeigt sich aber sowohl bei den Beträgen als bei der Stückzahl ein nicht unerhebliches Mehr. Es sind im ganzen abgerechnet: .
1894: 3 379 730 Posten mit. .18 398 039 600 ℳ
1893: 3 205 546 „ . 18 272 935 600 „ also 1894
mehr. 174 184 Posten im Betrage von Somit sind die höchsten Umsätze seit der Errichtung der deut⸗ schen Clearing⸗Häuser (1883/84) erreicht. Die Gesammtsumme der Clearings in London mit 6337 Mill. Lstrl. ist 888 in diesem Jahre wieder zurückgegangen. Seit 1887 (6077 Mill. Lstrl.) war der Umsatz nicht 5 niedrig. Der Gesammtumsatz aller englischen TE“ im Jahre 1894 beläuft sich aber trotzdem auf 5 417 295 Mill. Pfd. Sterl. = 108 345 900 000 ℳ Bei der Chambre de compensation en Paris sind eingereicht
5379 348 000. Fres. — 4303478 000 ℳ —
Die Umsätze der Clearing-Houses der Vereinigten
Staaten betrugen 45 615 280 187 Doll.= 182 461 000 ℳ
und sind damit um 16 Proz. hinter den vorjährigen zurück⸗ geblieben; die von New⸗York allein beliefen sich auf
24 387 367 000 Doll. = 97 551 000 000 ℳ, d. i. 22 Proz.
weniger als im Jahre 1893. Schließlich wurden die vier bis⸗ herigen kaufmännischen Ausschußmitglieder durch Zuruf vieder⸗ gewählt. 8 .““ 8
Verkehrs⸗Anstalten.
Laut Telegramm aus Herbesthal ist die erste englische Post über Ostende vom 31. Januar ausgeblieben. Grund: Zugverspätung in England und Sturm auf See. — Laut Telegramm aus Köln (Rhein) ist auch die zweite englische Post über Ostende vom 31. Januar wegen Zug⸗ in England ausgeblieben. — Laut Telegramm aus Goch hat die erste englische Post über Vlissingen vom 31. Januar in Oberhausen den Anschluß nach Be⸗ in nicht erreicht. Grund: Sturm auf See.
Ueber Verkehrsstörungen, die durch die Witterungsver hältnisse verursacht sind, liegen heute folgende Meldungen des „W. T. B.“ vor:
Die Königliche Eisenbahn⸗Direktion Bromberg giebt bekannt Auf der Strecke Tilsit —Stallupönen ist seit gestern früh 7 Uhr der Personen⸗ und Güterverkehr infolge von Schneeverwehungen unter⸗ brochen. Die Sperrung wird voraussichtlich 48 Stunden dauern.
Das Eisenbahn⸗Betriebsamt Küstrin meldet: Die infolge von Schneeverwehungen eingetretene Betriebsstörung auf den Strecken Stargard— Lippehne und Glasow — Berlinchen der Stargard⸗Küstriner Eisenbahn war bis 31. v. M. Nachmittag gehoben.
Das Königliche Eisenbahn⸗Betriebsamt Stralsund giebt be⸗ kannt: Die Strecke Stralsund bis Berlin, Stettiner Bahnhof, ise frei. Die Strecken Stralsund — Demmin, Stralsund —Rostock und Wolgast— Barth sind gleichfalls wieder frei. Die Rügener Bahnen werden voraussichtlich erst morgen wieder fahrbar.
Aus Altona wird gemeldet: Die Bahnen auf Fünen sowie die jütländischen Strecken Herning — Skanderborg, Hobro — Hjörring Verde —Ringkjöbing — Lunderskow —Ribe und Herning —Skern sin 114“ unfahrbar; die Dauer der Störung is ungewiß.
Aus Reval wird telegraphiert: Drei im Eis steckengeblieben Dampfer sind freigekommen und ins offene Meer gegangen. Die ö Reval und Baltischport sind abwechselnd frei und eisbedeckt.
1“
Theater und Musik.
Berliner Theater.
Ernst Wichert's neues Schauspiel „Marienburg“, das gestern Abend bei seiner ersten Aufführung eine beifällige Aufnahme fand, hat, wie sein Schauspiel „Aus eigenem Recht', einen historischen Hintergrund. Der Titel „Marienburg“ weist bereits auf den Or und annähernd auf die Zeit der Handlung hin, auf jene Zeit nämlich als die Hochmeister des Deutschen Ordens von der Marienbur aus die Segnungen der Kultur im damals fernen Preußen
lande verbreiteten. Das Schicksal des letzten Hochmeisters,
Ludwig von Erlichshausen, der vor dem Polenkönig und dem Preußenbunde schmählich aus der Burg entweichen muß, verflicht der Dichter gewandt mit einer düsteren Familientragödie, die fast überreich ist an Verwickelungen und Konflikten. Die Theilnahme des Zuschauers wird auf diese Weise zersplittert. Kaum hat er sich fü das Geschick der Tochter und des Sohnes des Bürgermeisters Blume i Marienburg erwärmt, als das uralte Leid des Thorner Rathsherrn Tilema vom Wege⸗sich in den Vordergrund drängt. Jost, der Sohn Tilemän's entdeckt fehne todtgeglaubte Mutter, erkennt in der mit wilder Leiden schaft von ihm verfolgten Ursula seine Halbschwester und kehrt endlich reumüthig zu Blume’s vergebungsreichem Töchterlein zurück, das er zuerst geliebt hat, während Ursula nun dem Zuge ihres Herzens folgen und sich mit Blume's Sohn Marecus vereinigen kann. In der all gemeinen Versöhnung werden alle alten Leiden 8 aber durch die her⸗ eindrängenden Böhmen und Polen, die den ehrlichen Bürgermeister Blume zum Tode schleppen, wird zum Schluß eine düstere Stimmung erzeugt In dem Schauspiel tritt, trotz des bewegten historischen Hintergrunde und der verwickelten Familienverhältnisse, die epische Erzählung, di lang ausgesponnene Reflexion vor einer eigentlichen Handlung in den Vordergrund. Diese Schwäche mahnt an die Entstehung des Dramas das aus einem Roman Wichert's gleichsam heraus geschnitten worden ist. Eine wirklich dramatische Scene besitzt nur der dritte Akt, wo Jost seinem Vater Tileman die todt geglaubte Mutter gegenüberstellt. Die übrigen zahlreichen Motive der Handlun sind meist nur kurz angedeutet, sodaß der Zuschauer au 1 Einblick in das Seelenleben der handelnden Personen ge⸗ winnt.
Die Darsteller gaben ihr Bestes und konnten doch nicht immer die erstrebte lebendige Wirkung erzielen. Fräulein Haver land als Waldfrau und sündige verstoßene Gattin sprach in mildem Klageto ruhig und einfach und bot in ihrer Erscheinung ein vornehme rührendes Bild dar. Frau Geßner als Ursula entwickelte meh Natürlichkeit und Frische der Darstellung als sonst in der letzten Zeit Unter den Herren sind F. Suske (Tileman), Sommerstorf (Jost), Nollet (Bürgermeister Blume) und besonders Herr Mertern (Ülrich Czerwonka) als greiser durstiger Kriegsheld mit Anerkennung für ihre schauspielerische Leistung zu erwähnen. — Die Regie hatt für geschmackvolle Kostüme und stimmungsvolle Dekorationen gesorg und so zu dem Erfolg des Abends beigetragen.
Zentral⸗Theater.
Das Zentral⸗Theater konnte vorgestern bei ausverkauftem Hause
die 150. Aufführung seiner zugkräftigen Repertoire⸗Posse „O, diese Berliner“ begehen. Die bunten 8
lustigende und unterhaltende Wirkung aus, wie bei der Première Kränze und Blumenspenden gab es wieder in Fülle, besonders nach dem vierten Bilde „Italien in Berlin“. Die 1 8 Emil Thomas, Frau Anna Bäckers, Frau Dora, Her
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125 104 000 ℳ
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er. ilder des Stücks übten auf das animierte Publikum an diesem Jubiläums⸗Abend noch eine ebenso be⸗
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