1895 / 33 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

stellung eines Widerspruchs zwischen der Reichs⸗ und der mecklen⸗ burgischen Verfassung, um auf diese Weise Mecklenburg zu zwingen, seine Verfassung zu ändern. Herr Dr. Pachnicke will uns hier eine Brücke bauen zum Parlamentarismus meine Herren, zu eben demselben. Parlamentarismus, von welchem hier noch vor wenigen Tagen ein Kollege des Herrn Dr. Pachnicke sagte: Das ganze Elend und Unglück kommt vom Parlamentarismus (Heiterkeit), wo jeder nur an seine eigene Partei und an seine eigenen Interessen, nicht aber an das allgemeine Wohl denkt. Ich will hier nur andeuten, wie zweifelhaft es mir erscheint, ob die verbündeten Regierungen zu einer so weitgehenden Kompetenz⸗ erweiterung des Reichs, wie sie hier geplant wird, die Hand bieten werden. Meines Wissens sind seit der letzten Ablehnung dieses Antrags im Bundesrath weder Verhältnisse noch Thatsachen eingetreten, welche die Annahme rechtfertigen könnten, daß die verbündeten Regierungen inzwischen anderen Sinnes geworden wären. Ebenso dürften die Ansichten über die be⸗ kannte Frage, ob das Reich kompetent ist, seine Zuständigkeit in der vorliegenden Richtung zu erweitern, dieselben geblieben sein, wie sie früher gewesen sind, und davon hängt das Schicksal dieses Antrags ganz allein ab. Es ist auch in den früheren Verhandlungen über den⸗ selben Gegenstand, ich meine von dem Herrn Dr. Windthorst, darauf hingewiesen worden, daß sich aus diesen Antrag überhaupt gar nicht er⸗ kennen lasse, welche Art von Wahlen gemeint sind, und was eine aus Wahlen der Bevölkerung hervorgehende Volksvertretung ist. Ein Theil der mecklenburgischen Landtagsmitglieder wird von der Bevölkerung ge⸗ wählt, die Landschaft; genügt das etwa Herrn Dr. Pachnicke oder sollen alle Mitglieder gewählt werden? In diesem Fall würde es im Deutschen Reich unter den Bundesstaaten nur sehr wenige Ver⸗ fassungen geben, welche vor diesem Antrag bestehen könnten. Das ist eben das Bedenkliche bei diesem Antrag, daß er ein ganz allgemeines Schema für die Verfassung giebt (sehr richtig!), so gewisser⸗ maßen ein Normalkleidungsstück, woran jeder nach Belieben je nach seinem Staatskörper herumschneidern kann. Die Folge davon wird sein, daß die Verfassungsfrage, welche bisher in Mecklenburg allein bestand, künftig auch in alle übrigen Bundesstaaten wird hinein⸗ getragen werden.

Meine Herren, die mecklenburgische Regierung lehnt jede Ein⸗ mischung des Reichs in die Verfassungsangelegenheiten der Bundes⸗ staaten auf das entschiedenste ab. Mecklenburg ist seiner Zeit ein⸗ getreten mit seiner Verfassung, wie sie jetzt besteht, in den Nord⸗ deutschen Bund und in das Deutsche Reich. Beide Male haben Ver⸗ handlungen darüber stattgefunden, ob die mecklenburgische Verfassung mit der Reichs⸗ resp. Bundesverfassung in Widerspruch stehe. Diese Frage ist verneint, die mecklenburgische Verfassung ist als gültiges Verfassungsrecht im Sinne der Reichsverfassung anerkannt worden. Wenn es nun im Eingang der Reichsverfassung heißt: „Seine Majestät der König von Preußen u. s. w. schließen einen ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebiets und des innerhalb desselben gültigen Rechts“, so wird die zu Recht bestehende Verfassung Mecklen⸗ burg diesem Schutze unterstellt sein. (Sehr richtig! rechts.)

Die neueren Verfassungsangelegenheiten der Bundesstaaten, meine Herren, sind im Art. 4 der Reichsverfassung nicht zur Kompetenz des Reichs gestellt. Wollte man die Tragweite dieses Artikels so weit ausdehnen, wie es dieser Antrag beabsichtigt, so würde die Stellung der Bundesstaaten in ihren Grundlagen erschüttert werden. (Sehr richtig! rechts) Würde man dem Reich die Befugniß zugestehen, über Verfassungsangelegenheiten der einzelnen Bundesstaaten zu ent⸗ scheiden, so würde das einer Mediatisierung der deutschen Bundes⸗ fürsten sehr ähnlich sehen. (Sehr wahr! rechts.)

Meine Herren, die mecklenburgische Verfassung mag ihre Mängel haben; aber welches Gesetz, welche Institution hat keine Mängel? (Lachen links.) Und bei aller Hochachtung, die ich vor Ihrer parla⸗ mentarischen Verfassung habe, bestreite ich doch, daß sie die allein seligmachende ist, und daß ihr nicht auch zahlreiche Fehler anhaften. Es ist nicht Mangel an Erkenntniß gewisser Uebelstände, weshalb die Mecklenburger so zähe an ihrer Verfassung hängen, sondern es ist die Erkenntniß, daß sie nur die Fehler wechseln würden. (Sehr gut! rechts.)

Meine Herren, ich darf Sie erinnern an ein Wort, welches der Fürst Bismarck bei der erstmaligen Berathung über diesen Antrag hier gebraucht hat; er rieth Ihnen ab, sich in die mecklenburger Ver⸗ hältnisse zu mischen, und sagte:

Eine Verfassung, die durch Jahrhunderte bestanden und einge⸗ wachsen ist in das ganze Volksleben und in die Bevölkerung, läßt sich nicht abstreifen wie ein altes Kleidungsstück; sie ist gewisser⸗ maßen zur Haut geworden, die mit ärztlicher Vorsicht getrennt werden muß, wenn nicht der ganze Körper erkranken soll.

Meine Herren, diese Operation scheuen wir nicht; wovor wir zurückschrecken, das ist die neue Haut, deren Schäden und deren kranke Stellen offen zu Tage liegen, da, wo wir noch gesund sind. (Sehr gut! rechts.)

Meine Herren, überlassen Sie es den Mecklenburgern, ihre Ver⸗ fassung zu revidieren, wenn sie es für richtig halten! Der Grundsatz, daß man an dem Bestehenden nicht rütteln soll, so lange man nicht genau weiß, daß dasjenige, was man an seine Stelle setzen will⸗ absolut besser ist, hat sich wie ein rother Faden durch alle Verhand⸗ lungen zur Modifikation der mecklenburgischen Verfassung hindurch⸗ gezogen und wird auch bei künftigen Verhandlungen, wenn solche stattfinden sollten, als Leitmotiv vorangesetzt werden. Wenn Sie die Sache hindern wollen, so lehnen Sie den Antrag Pachnicke ab und warten Sie, bis Mecklenburg allein das thut, was es für nothwendig hält. (Lachen links. Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, die mecklenburgische Regierung weiß ganz genau, was sie will; sie steuert ihren alten Kurs und läßt sich aus diesem Kurs nicht abdrängen; sie wird, wenn sie die Zeit für gekommen er⸗ achtet, aus eigener Entschließung (Lachen links) das Ruder umlegen. Werfen Sie ihr soviel Anträge Pachnicke ins Fahrwasser, wie Sie wollen Sie schädigen damit nur die Anträge, den Kurs nicht! (Bravo! Sehr gutV! rechts.)

Abg. von Buchka (kons.): Der Antragsteller hat gesagt, 8 sein Antrag ein alter Bekannter sei. Ich kann nicht behaupten, da dieser Antrag dadurch, daß er so lange abgelagert ist, besser geworden sei. Der Antrag wird in seiner allgemeinen Faflung auch in anderen Staaten als in Mecklenburg die Verfassungs rage aufwerfen. Man wird sich fragen, ob die ersten Kammern mit ihm verträglich sind. Wenn man einmal auf dem Wege ist, so kann man ja auch weiter gehen und auch gleich das Fahlgeseh welches Fürst Bismarck einmal als das elendeste aller Wahlgesetze genannt hat, daß preußische, revidieren. Die Anträge Ancker und Auer haben

vor dem des Herrn 8 Pachnicke, immerhin den Vaga. daß sie

deutlicher sagen, was sie wollen. Die Kompetenz des Reichs ist durch die Verfassung genau abgegrenzt. Ein Eingriff in die Ver⸗ fassungsverhältnisse der Einzelstaaten gehört nicht zu seiner Kompetenz, entspricht auch nicht den Verträgen, auf Grund deren die Ein elstaaten dem Deutschen Reich beigetreten sind. Auch materiell liegt zu kein Bedürfniß vor. Die mecklenburgischen Stände stehen an Patriotismus und Loyalität keiner Volksvertretung in Deutschland nach. Die Mit⸗ lieder der Rechtspartei, obwohl sie persönlich angesehene Leute ind, haben politisch keinen Einfluß, und ich stelle die Behauptung auf, daß die Reichsgesetzzebung in keinem anderen Lande loyaler aufrecht erhalten und gehandhabt wird, als in Mecklenburg. Der Abg. Pachnicke hat eine Reihe von Uebelständen, welche dort herrschen sollen, angeführt. Aber ich will mich anheischig machen, je nach dem Parteistandpunkt aus jedem Bundesstaat eine Reihe unerfüllter und vielleicht unerfüllbarer Wünsche zusammen⸗ zustellen. Es fehlt jeder Nachweis, daß das Forthestehen der mecklen⸗ burgischen Stände irgend welche Gefahr für das Reich mit sich bringe. Die Modifikationen der Verfassung, welche in den siebenziger Jahren angestrebt worden sind und auf die der Abg. Pachnicke Bezug gingen ja den Herren eben nicht weit genug; man will Mecklenburg eine konstitutionelle Verfassung aufdrängen in einem Augenblicke, in welchem der Konstitutionalismus seinen Höhepunkt bereits überschritten hat. Und wie denkt man sich die Ausführung eines solchen Antrags? Soll der mecklenburgische Landesherr eine neue Verfassung oktroyiren? Das wäre ein Staatsstreich. Oder sollen Reichstag und Bundesrath eine Verfassung für Mecklenburg aus⸗ arbeiten? Auch nach dieser Seite betrachtet, flößt mir der Antrag keine besondere Achtung ein. Ich bitte, ihn abzulehnen.

Abg. von Frege (kons.) beantragt, über die drei vorliegenden Anträge zur Tagesordnung überzugehen.

Abg. Singer (Soz.) beantragt darauf: die Debatte zu ver⸗ eges 8 bezweifelt gleichzeitig die Beschlußfähigkeit des Hauses.

Der infolge dessen vorgenommene Namensaufruf ergiebt die Anwesenheit von nur 166 Abgeordneten. Das Haus ist demnach nicht beschlußfähig.

Präsident von Levetzow bemerkt, daß das Er ebniß ein anderes gewesen sein würde, wenn nicht eine Anzahl geordneter beim Namensaufruf den Saal verlassen hätte.

Preußischer Landtag. Häaus der Abgeordneten. 1 12 Sitzung vom Dienstag, 5. Februar.

Ueber den ersten Theil der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Im weiteren Verlauf der Berathung des Etats der Gestütsverwaltung nimmt zu dem Titel: Errichtung eines Zuchtgestüts in Neustadt a. D., das Wort der

Abg. Lamprecht (kons.): Ich bezeuge meine lebhafte Befriedigung über die neue Einrichtung, die wiederholt von uns gefordert worden ist. Ich bin zwar ein Freund der Körordnung, aber ich muß gestehen, daß mir eine so rigorose Ausführung ihrer Bestimmungen durch die ganze Provinz nicht gefällt. Bei dem feststehenden gang unserer provinziellen Pferdezucht kann ich nicht billigen, daß man die Bauern in eine einseitige Zucht hineintreibt. Wegen der verschiedenen Boden⸗ verhältnisse der Provinz Brandenburg ist es nicht gerathen, nur Armee⸗ pferde zu züchten; es scheint vielmehr angezeigt, auch den schweren kaltblütigen Schlag zu pflegen. Es muß aber für eine größere An⸗ zahl von Stuten dieses Schlages und für eine Vermehrung der Deck⸗ stationen gesorgt werden.

Abg. Freiherr von Dobeneck (kons.): Auch ich erhoffe von der Wiedererrichtung des Gestüts in Neustadt großen Nutzen für die Pferdezucht der Provinz Brandenburg. Entgegen dem Herrn Vor⸗ redner, halte ich die Zucht eines warmblütigen, starkknochigen, leistungs⸗ fähigen Pferdes für diese Provinz für geboten. Wünschenswerth wäre die Einführung einiger Trakehner Stuten. Eine Kreuzung kaltblütiger Hengste mit unseren Stuten halte ich nicht für empfehlenswerth. Die starkknochigen, warmblütigen Pferde werden sich nicht nur für die leichte, sondern auch für schwere Kavallerie und Artillerie eignen und dort lohnenden Absatz finden. Die Vermehrung der Landbeschäler begrüße ich mit Freuden, sie ge⸗ nügt aber noch lange nicht dem Bedürfniß. Sodann möchte ich um eine Ermäßigung des Deckgeldes bitten, wenn man dasselbe nicht ganz aufheben wollte; allerdings müßte in diesem Fall auch dem Staat das Recht zustehen, ungeeignet erscheinende Stuten zurückzuweisen. Die ganzen zur Förderung der Pferdezucht aufgewandten Summen zu den sogenannten kleinen Mitteln, die zur Linderung der

oth der Landwirthschaft anzuwenden sind.

Abg. Dr. von Achenbach (frkons.): Ich muß betonen, daß die Kör⸗ ordnung in der Provinz Brandenburg aus dem Willen und den Be⸗ schlüssen der Betheiligten selbst hervorgegangen ist. Die Körordnung, wie sie heute besteht, ist wesentlich eine Arbeit des Landwirthschaft⸗ lichen Zentralvereins. Von einem Druck der Regierung in dieser Frage kaun absolut keine Rede sein. Auf eine Anregung des Abg. Lamprecht, vor mehreren Jahren, hat man in der ganzen Provinz bei allen Stationen angefragt, ob die Körordnung sich bewährt habe. Das Resultat war, daß man, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, übereinstimmend mit der Körordnung zu⸗ frieden war. Ich bin von Anfang an bemüht gewesen, den Wünschen aus den einzelnen Kreisen nachzukommen; ich bin sogar soweit ge⸗ gangen, einzelnen Wünschen entgegen der Körordnung Rechnung zu tragen, bis der Herr Landwirthschafts⸗Minister mich überzeugte, daß ich mich auf falschem Wege befinde.

„Ober⸗Landstallmeister Graf Lehndorff: Die finanziellen Mittel ständen zur Zeit der Regierung nicht so reichlich zur Verfügung, um allen geäußerten Wünschen sofort Rechnung tragen zu können. Deß⸗ halb könne mit der Vermehrung der verschiedenen Einrichtungen zu Gunsten der Pferdezucht nur allmählich vorgegangen werden.

Berichterstatter Abg. Freiherr von Erffa empfiehlt namens der Budgetkommission die Bewilligung der geforderten ersten Rate von 180 000 zur Exrichtung eines neuen Gestüts in West⸗ für welches im ganzen 500 000 in Aussicht genommen eien.

Abg. Freiherr von Plettenberg⸗Mehrum (kons.): Es herrscht vielfach die Ansicht, als ob die Rheinprovinz nur für die hucht kaltblütiger Pferde geeignet sei. Die dortigen Pferdezüchter ind aber unablässig bemüht, namentlich für ihren eigenen Bedarf brauchbare Pferde zu züchten, und sie wissen wohl, daß warmblütige Pferde auf dem Acker mehr zu leisten vermögen als kaltblütige. Des⸗ halb hege ich den Wunsch, daß auch in der Rheinprovinz der Bestand an warmblütigen Thieren vermehrt werde.

Ober⸗Landstallmeister Graf kegergen9⸗ erklärt, daß die Re⸗ gierung darauf bedacht sei, auch nach dieser ichtung die Wünsche der betheiligten Kreise nach Möglichkeit zu erfüllen; prinzipiell könne aber keine Versprechung auf Vermehrung der Gestüte gegeben werden, da man sich nach den vorhandenen Mitteln richten müsse.

Abg. Lamprecht (kons.) erkennt die Berechtigung des Wunsches des Abg. Freiherrn von Plettenberg an und bittet nochmals im An⸗ schluß daran für Brandenburg um Berücksichtigung des kaltblütigen Schlages neben dem warmblütigen. 1

Es folgt die Berathung des Etats der Domänen⸗ verwaltung. stei Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ tein:

Meine Herren! Ich gestatte mir, bevor wir in den Domänen⸗ Etat eintreten, einige kurze einleitende Bemerkungen.

Zunächst habe ich vorauszuschicken, daß es voreilig sein würde,

jetzt schon bestimmte Gesichtspunkte für Aenderungen in der

bisherigen Verwaltung festlegen wollte. Nichtsdestoweniger will ich

einige allgemeine Gesichtspunkte in dieser Richtung hervorheben, welche zu erwägen sein dürften. Meine Herren, ich bin darüber zweifellos, daß im Vordergrund bei der Domänenverwaltung der fiskalische Gesichtspunkt steht; denn es handelt sich um ein großes Ver⸗ mögen des Staats, und da kommt es wesentlich darauf an, die Einnahmen möglichst hoch zu gestalten. Ich bin daneben aber der Meinung, daß bei voller Aufrechterhaltung dieses siskalischen Gesichtspunkts eine durchaus wohlwollende, die Interessen der Domänenpächter berücksichtigende Verwaltung erforderlich ist. Aber, meine Herren, ich bin auch der Meinung, daß neben der Wahrung der fiskalischen Interessen auch andere Gesichtspunkte wesentlich in den Vordergrund treten müssen. Meine Herren, die Staatsdomänen sind meiner Meinung nach nicht allein dazu da, dem Staat Einnahmen zu gewähren, sondern sie sollen auch dazu dienen, den landwirthschaftlichen Beruf im ganzen Staatsgebiet zu heben und zu fördern, und da tritt als erster Gesichtspunkt nach meiner Meinung der in den Vordergrund, daß sie gewissermaßen in großem Maßstabe Demonstrationswirthschaften sein sollen, auf denen gezeigt wird, wie bei der richtigen Intelligenz, beim Besitz des nöthigen wirthschaftlichen Vermögens, bei dem Zurverfügungstehen des richtig meliorierten Areals die volle Ausnutzung des Grund und Bodens erzielt werden kann.

Ich bin ferner der Meinung, daß sie in gewissen großen Zügen auch als Versuchsanstalten dienen können. Man wird diejenigen Domänenpächter, die nach dieser Richtung besonders geeignet sind, möglicherweise mit Opfern, die die Staatsverwaltung dafür bringt, veranlassen müssen, neuere Erfindungen, neue Arten der Kultur⸗ methoden u. s. w. anzuwenden, neuere Kulturgewächse versuchsweise ein⸗ zuführen.

Aber, meine Herren, noch ein dritter Gesichtspunkt, tritt nach meiner Meinung in den Vordergrund. Die größeren Domänen sollen als Lehranstalten dienen. Sie sollen diejenigen Leute, die als Inspektoren, als Verwalter auf solchen Gütern fungieren, praktisch ausbilden, damit Besitzer, welche selbst wegen der Wahl eines anderen Berufs oder aus andern Gründen nicht im stande sind, ihre Wirthschaft selbst zu führen, tüchtige, zuverlässige und erfahrene Wirthschaftsbeamte, an denen es doch, wie ich glaube, häufig fehlt, Beamte, welchen auch die nöthigen theoretischen Kenntnisse zu Gebote stehen, jeder Zeit erhalten können.

Ich bin ferner der Meinung, daß auch Angestellte der Versuchs⸗ oder landwirthschaftlichen Lehranstalten, Lehrer u. s. w. sehr wohl thun, wenn sie vorübergehend in der praktischen Landwirthschaft thätig sind, und hier bieten die Domänen die geeignete Gelegenheit, einen Einblick auch in die praktische Landwirthschaft zu bekommen.

Ich möchte noch einen ferneren Gesichtspunkt in die Diskussion hineinwerfen. Ich glaube, daß es für die Hebung der Tüchtigkeit unserer Verwaltungsbeamten unter Umständen außerordentlich erwünscht wäre, wenn sie, nachdem sie die Staatsprüfungen abgelegt haben falls sie beabsichtigen, in der unteren Verwaltung als Landräthe oder in der mittleren oder höchsten landwirthschaftlichen Verwaltung thätig zu werden —, daß sie, wenn auch vielleicht mit Staatshilfe, durch Zuwendung von Stipendien auf kurze Zeit einmal die Verwaltung einer größeren Domäne kennen lernen. (Bravo!) Das könnte nach meiner Auffassung für die Tüchtigkeit unserer Landräthe⸗ unserer Verwaltungsbeamten nur günstig wirken.

Ich bin dann der Meinung, daß, wenn auch bisher schon sowohl, wie ich glaube, bei den Regierungen wie bei dem Landwirthschaftlichen Ministerium, bei der Verwaltung dieses großen Staatsbesitzes hin und wieder hervorragend tüchtige Landwirthe als Berather zu⸗ gezogen sind, es sich doch empfehlen dürfte, die Inanspruch⸗ nahme des Rathes hervorragend tüchtiger praktischer Landwirthe und das ist im wesentlichen doch die große Mehrzahl unserer Domänenpächter mehr noch heranzuziehen, sowohl bei den Regierungen in der Abtheilung für Domänen und Forsten, als auch beim Land⸗ wirthschaftlichen Ministerium, wenn wichtige Maßnahmen, seien sie prinzipieller Natur, seien sie Aenderungen der Grundsätze der bisherigen Verwaltung, dort zur Ausführung kommen sollen. Man erinnert sich ja gern dessen, was man in der Vergangenheit gelernt hat. Ich habe eine längere Reihe von Jahren in Hannover beim Ministerium des Innern gearbeitet, wo damals auch die landwirth⸗ schaftlichen Angelegenheiten verwaltet wurden, und dort bestand die Einrichtung, daß in allen Fragen der praktischen Landwirthschaft einer der tüchtigsten, hervorragendsten Domänenpächter der Provinz Referent war. Und das hat ganz großen Nutzen getragen. Meine Herren,

will man das erreichen, so wird, glaube ich, das Bestreben

darauf zu richten seien, daß der Domanialbesitz, was bis jetzt nicht der Fall ist, sich möglichst gleichmäßig über das ganze Staatsgebiet ver⸗ theilt. Aus den rückliegenden Erfahrungen glaube ich ganz bestimmt bezeugen zu dürfen, daß diejenigen Landestheile im Westen, die keinen Domanialbesitz haben, im Fortschritt in der Landwirthschaft hinter solchen Landestheilen zurückgeblieben sind, wo größere Domänen als Demonstrationswirthschaften seit lange bestehen. Meine Herren, es ist ja zweifellos, daß theoretische Vorträge von Wanderlehrern u. s. w. ihren ganz großen Werth haben. Aber, meine Herren, jeder Landwirth, besonders der mittlere, will auch, nachdem er Theorie gehört hat, ehe er selbst die Probe auf Exempel macht, sehen, ob das, was ihm theoretisch vorgetragen ist, auch praktisch die richtigen Erfolge hat. Und, meine Herren, das erreicht man nur, wenn, wie ich vorhin hervorhob, mit größter Intelligenz verwaltete Domänen als Demonstrationswirthschaften in den ver⸗ schiedenen Landestheilen bestehen, wo der Bauer, der kleine Guts⸗ besitzer, unter Umständen auch der größere, sehen kann, was man bei einer intelligenten Verwaltung zu erreichen im stande ist. Meine Herren, eine richtige Vertheilung der Domänen halte ich für wohl ausführbar. In den Landestheilen, wo viele große Domanialbesitzungen sind, würde man vielleicht in Erwägung nehmen können, ob man nicht einzelne derselben veräußert und dafür in solchen Landestheilen wieder Domanialbesitzungen erwirbt, wo sie bisher fehlen. Nach meiner Kenntniß der Verhältnisse fehlen solche große Domanial⸗ wirthschaften in einzelnen Landestheilen, beispielsweise im Fürsten⸗ thum Osnabrück, in Westfalen, in Rheinland u. s. w. Daß im Rheingau der Besitz der großen Domanialweinberge einen ganz erheblichen Fortschritt des Weinbaues auch in denjenigen Theilen hervorgerufen hat und noch hervorruft, wo der Weinbau sich in dem Besitz der kleinen Leute befindet, ist zweifellos.

Endlich möchte ich noch kurz einen Gesichtspunkt streisen. Es ist doch eigentlich ich will den Ausdruck mal gebrauchen eine Anomalie, daß die größere Zahl der im Besitz des Staats sich

tenswerth,

befindenden Domänen bei dem Landwirthschaftlichen Ministerium verwaltet wird, und daß ein sehr großer Theil fast gleichartiger Domanialbesitzungen, weil sie im Besitz der Stiftungen sind, unter der Verwaltung des Kultus⸗Ministeriums stehen. Ich erinnere nur an die vielen Klostergüter, die in der Provinz Hannover sich befinden. Es stellt sich dabei der eigenthümliche Umstand heraus, daß die Klostergüter nach ganz anderen Grundsätzen verwaltet werden als die Staatsdomänen. Die Klosterverwaltung hat noch die früheren hannoverschen Verwaltungsgrundsätze aufrecht erhalten, während für die hannoverschen und altpreußischen Domänen andere Grundsätze maß⸗ gebend sind. Ich habe diesen Punkt nur ganz kurz erwähnen wollen. Ob Veranlassung vorliegt, dieser Frage näher zu treten, muß ich da⸗ hingestellt sein lassen.

Meine Herren, dann gestatte ich mir noch einige Zahlen mit⸗ zutheilen, welche in verschiedenen Nachweisen, die Ihnen übergeben sind, zu allerlei Betrachtungen Veranlassung geben werden. Es ist Ihnen unter Nr. 16 eine Nachweisung über die Ergebnisse der anderweiten Verpachtung der im Jahre 1894 pachtlos gewordenen Domänenvorwerke mitgetheilt. Daraus ersehen Sie, daß lediglich in der Provinz Sachsen und in der Provinz Hannover eine geringe Mehreinnahme bei der Verpachtung der Domänen erzielt ist, während in der Provinz Ostpreußen ein Ausfall von 1756 ℳ, in der Provinz Westpreußen von 14 500 ich lasse die anderen Zahlen fort in der Provinz Brandenburg von 23 900 ℳ, in Pommern von 7100 ℳ, in Posen von 12 800 und in Schlesien von 26 100 ℳ, in Schleswig⸗Holstein von 2500 und in Hessen⸗Nassau von 5800 sich herausgestellt hat. Der Ge⸗ sammtausfall gegen die Vorjahre beträgt 93 430 Wenn man die Ausfälle bei den einzelnen Provinzen vergleicht, so ersieht man, daß in den Provinzen Westpreußen, Brandenburg, Posen, Schlesien die Folgen der landwirthschaftlichen Krisis schon klar zu Tage treten.

Meine Herren, ich nehme keinen Anstand, Ihnen aus einer Nach⸗ weisung, die Ihnen gedruckt nicht vorliegt, die sich auf das laufende Jahr bezieht, das Ergebniß dieses Jahres mitzutheilen, soweit das⸗ selbe schon feststeht. Während der Gesammtausfall pro 1894 93 430 beträgt, wird wahrscheinlich der Gesammtausfall für das jetzige Jahr nur 75 000 betragen. Mehr haben in diesem Jahre die verpachteten Domänen eingebracht in Schleswig⸗ Holstein rund 800 ℳ, in Hannover 6965 ℳ, in Hessen⸗Nassau 737 Die Hauptausfälle treffen wieder diejenigen Provinzen, die ich in der vorigen Nachweisung hervorgehoben habe: Ostpreußen mit 3700, West⸗ preußen mit 8500, Brandenburg mit 11 200, Pommern mit 17 100, Posen und Schlesien mit je 4000 und höchst beach⸗ weil darin schon die Gefahr der Zuckerrübenkrisis in den Vordergrund tritt —: Sachsen mit 34 570 (Hört! hört!)

Nun, meine Herren, ich nehme keinen Anstand, Ihnen ferner Mittheilungen zu machen aus einer mir vor⸗ iegenden Zusammenstellung der etatsmäßigen Solleinnahmen,

sowie der Einnahmereste an Pachtzins für Domänenvorwerke in den Rechnungsjahren 1873 bis einschließlich 1893/94. Im Jahre 873 beliefen sich diese Einnahmereste auf 430 700 ℳ; dann sind sie al zurückgegangen auf 368 000 ℳ, haben sich auf 454 000 erhöht, 876 auf 580 000 ℳ, 1877/78 auf 667 000 ℳ, 1878/79 auf 35 000 ℳ, 1879/80 auf 884 000 ℳ, 1880/81 auf 893 000 ℳ; dann ind sie mal wieder zurückgegangen auf 744 000 ℳ, auf 669 000 ℳ, auf 59 000 ℳ, auf 532 000 und im Jahre 1885/86 auf 96 000 ℳ; dann haben sie im Jahre 1886/87 1 298 000 ℳ, im Jahre 1887/88 1 510 000 ℳ, 1888/89 1 304 000 ℳ, 1889/90 1 600 000 ℳ, 1890/91 1 395 000 ℳ, 1891/92 1 539 000 ℳ, 1892/93 1 458 000 ℳ, 1893/94 1 155 487 betragen, also in dem letzten Jahre weniger als im Jahre 1886/87. Aber, meine Herren, nun muß ich Ihnen die erschreckende Mittheilung machen, daß die Summe von 1155 000 ℳ, soweit man das bis jetzt übersehen kann, sich wahr⸗ scheinlich um 800 000 in diesem Jahre steigern wird (hört, hört! rechts), also um rund 800 000 ℳ! Ob von diesem Betrage noch größere Beträge einkommen, weil ja gewisse Summen für das Quartal Januar, Februar, März bis zum 1. April gestundet sind, das kann ich mit voller Klarheit noch nicht übersehen. Wenn aber diese Summe wirklich annähernd rückständig bliebe, so würden wir bei einem gestundeten Betrage von nahezu 2 Millionen Mark angekommen sein, während, wie ich Ihnen mitgetheilt habe, im Jahre 1873 der ganze gestundete Betras sich auf 430 700 belaufen hat. (Hört! hört! rechts. Zuruf rechts: Wird noch viel schlimmer!)

Diese Zahlen geben zweifellos zu denken und beweisen: daß die Behauptungen, die ich neulich aufgestellt habe, daß die Lage der Landwirthschaft, namentlich im Osten, eine sehr kritische, wenn auch latent kritische sei, daß in Mitteldeutschland, wo der Rübenbau die Hauptrolle spielt, eine sehr akute Krisis eintreten könne, daß auch jetzt schon anscheinend bei den intelligentest geführten Domanialver⸗ waltungen doch recht gefährliche Erscheinungen zu Tage treten, daß diese meine Behauptungen durch diese Ziffern vollständig bewahr⸗ heitet werden. Wenn Sie sich mal klar darüber werden ich erinnere mich nicht genau, ob ich beim Generalvortrag diese Mittheilungen bereits gemacht habe —, so liegt die Gefahr nahe, daß, wenn wir genöthigt würden, in den Rüben⸗ bau treibenden Gegenden eine größere Zahl von Domanial⸗ vorwerken neu zu verpachten, weil entweder die bisherigen Pächter sie nicht aufrecht erhalten können oder sie nicht aufrecht erhalten wollen, kurzum, weil Umstände eintreten, daß sie ihre Pachtungen aufgeben so würde das unter Umständen für den Staatsfiskus nach meiner Be⸗ rechnung einen Einnahmeverlust von 3 bis 4 Millionen aus den Domänen⸗ vorwerken bedeuten. (Hört! hört! rechts.) Denn der durch⸗ schnittliche Pachtzins in denjenigen Gebieten, wo Rübenbau be⸗ trieben wird Magdeburg, Merseburg, Hildesheim, Frankfurt a. O., Cassel, Hannover, Breslau —, beträgt rund

7170 000 ℳ, der Durchschnittspachtzins der Domänenvorwerke in den von mir genannten Regierungsbezirken beträgt, einschließlich der hohen Pacht, welche die Rübendomänen ergaben, 41,51 pro Hektar. Würden nun die Domänenpachtungen, auf denen der Rübenbau be⸗ trieben wird, zurückgehen auf denjenigen Betrag, den ich eben durch⸗ schnittlich angegeben habe, so steht ein bisheriger Durchschnittsbetrag von 81 für die Domänen⸗Rübenpachtungen einem durchschnittlichen Be⸗ trage von 41,51 gegenüber, also etwa die Hälfte. Rechnen Sie die Hälfte von den oben erwähnten 7 170 000 ℳ, so stellt sich als möglich heraus, daß der Staatsfiskus einen Einnahmeausfall von etwa

Millionen an seiner Einnahme aus den genannten Domänen⸗ vorwerken erleidet. 114“ 8

Meine Herren, ich darf diese Mittheilungen damit schließen. Ich

2 aube Ihnen aus den vorgetragenen statistischen Erhebungen auch

sehr beachtenswerthes Material an die Hand gegeben zu haben für die Beurtheilung der Frage, wie wir im allgemeinen und besonders auch in der Verwaltung unserer Domänenvorwerke stehen. (Bravo! rechts.)

Abg. von Schalscha (Zentr.): Die Stetigkeit des Rückgangs der Bodenpreise, die auch aus diesem Etat hervorgeht, deutet nicht auf eine Schwankung in den Preisen, sondern auf eine Verarmung des Landes hin. Wenn die Domänen nicht einmal ihre Anlagekosten decken, wie soll dies dann dem Privatmann möglich sein? Wenn der Herr Minister für Landwirthschaft in einer früheren Rede auf die Möglichkeit der Hebung des Getreidebaues hingewiesen hat, so wäre ein treffliches Mittel zur Erreichung dieses Zweckes die Samen⸗ züchterei, die so recht zur Aufgabe der Domänen gemacht werden könnte. Allerdings müßten die Samenzüchter bei ihren Bestrebungen auch vor unlauterer Konkurrenz geschützt werden.

Der Ertrag aus den Domänenvorwerken ist mit 13 900 000 angesetzt. 2

Abg. Seex (nl.) weist darauf hin, daß der Andrang zur Pach⸗ tung von Domänengütern wesentlich S habe; es sei dieser Vorgang zu erklären aus dem erhöhten Antheil an den Baulasten, die der Pächter jetzt gegen früher zu tragen habe, und aus dem An⸗ wachsen der Abgaben. 1 1. Gb6

Abg. Ring kkons.) beklagt, daß die Domänenpächter in Höhe der fingierten Grundsteuer zu den Kommunalsteuern herangezogen würden. Das sei eine Ungerechtigkeit, die abgestellt werden müsse.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein:

Ich möchte darauf nur erwidern, daß ich die Frage in wohl⸗ wollende Erwägung nehmen werde.

Abg. Dr. Friedberg (nl.) fragt an, ob die Neuverpachtungen von Domänen stets im Wege der Lizitation geschehen. Bei der Domäne Neubeesen im Saalkreis sei es vorgekommen, daß dieselbe bei einer Neuverpachtung, obgleich verschiedene andere Reflektanten vorhanden gewesen, an den alten Pächter unter der Hand überlassen worden sei.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Semper erwidert, daß die Domäne Neubeesen mit einer Zuckerfabrik, einer Brennerei und einigen Grundstücken zusammenhänge, die dem früheren Pächter, dem schon seit den fünfziger Jahren dort ansässigen Amtsrath Dietze gehörten. Diese Gebäude konnten nicht wohl von der Domäne getrennt werden, und die Regierung habe sich deshalb gütlich mit Herrn mtsrath Dietze in einem Vertrage geeinigt, der keinesfalls zum Nachtheil des Fiskus geschlossen sei.

Abg. Sander (nl.) weist darauf hin, daß auch die Pächter kleinerer Domänen ein hohes Interesse daran haben, die Zuckerrüben zu angemessenem Preise abzusetzen. Er möchte darum bitten, möglichst noch in diesem Jahre mit einer Aenderung des Zuckersteuergesetzes vor⸗ zugehen, denn schnelle Hilfe thue noth. Er setze das Vertrauen in den Herrn Landwirthschafts⸗Minister, daß er alles thun werde, um der be⸗ drängten Lage der Landwirthschaft abzuhelfen. .

Abg. von Riepenhausen (kons.): Daß es der Landwirthschaft, insbesondere den Domänenpächtern schlecht geht, ist von allen Seiten anerkannt worden. Seitens dieser Herren werden insbesondere ver⸗ schiedene Wünsche laut, die ich der Königlichen Regierung zur Berück⸗ sichtigung empfehlen möchte. So wird gewünscht, daß bei den Revisionen der Domänen praktisch geschulte Landwirthe mitwirken möchten. Die Regierung will ja den Gesandtschaften landwirth⸗ schaftliche Attachéss zuertheilen: vielleicht könnten diese mit den Revisoren in Verbindung treten, sodaß die Fort⸗ schritte in der Landwirthschaft anderer Länder dadurch den Domänenpächtern zu ute kommen könnten. „Klage wird ferner geführt über die bisherige Behandlung der Pächter bei Aus⸗ führung von Drainagen, da hier oft sehr starke Abstriche vorgenommen werden. Weiter hat sich besonders in den letzten Jahren die Blitz⸗ gefahr in den verschiedenen Gegenden sehr gesteigert, worauf wohl⸗ wollend Rücksicht zu nehmen ich die Regierung bitten möchte. Bekannt ist, daß das Gold sehr hoch im Preise steht; vielleicht könnte wenigstens, wo es noth thut, ein Theil der Pacht in Getreide gezahlt werden; die bayerische Regierung soll ja hierauf schon theilweise Rücksicht ge⸗ nommen haben. Endlich aber wäre es vielleicht möglich, die Bildung von Kreditgenossenschaften seitens der Domänenpächter eines Bezirks zu fördern. Reichsbank⸗Präsident Koch steht, wie er mir gesagt hat, dem Plan sympathisch gegenüber. Mit den Schulze⸗Delitzsch'schen Kreditgenossenschaften hat die Reichsbank im Jahre 1893/94 einen Umschlag von etwa 120 Millionen Mark gehabt. Das Inventar der Domänenpächter schätze ich auf 150 bis 200 Millionen, sodaß die Genossenschaften in umfangreicher Weise den Pächtern billiges Geld verschaffen könnten.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein:

Meine Herren! Ich habe keinen Anlaß, auf jeden einzelnen Punkt einzugehen, den der Herr Vorredner hervorgehoben hat; ich bemerke daher nur kurz Folgendes: Die Herstellung von Blitzableitern auf den Domänen wird jetzt schon häufig in solchen Bezirken aus⸗ geführt, wo sich herausgestellt hat, daß die Blitzgefahr eine größere ist.

Was den zuletzt vom Vorredner hervorgehobenen Punkt betrifft, so dat der Herr Vorredner persönlich dieser Tage schon mit mir darüber gesprochen. Ich habe ihm auch persönlich schon meine An⸗ sicht mitgetheilt. Ich bin der Ansicht, daß dem gar nichts entgegen⸗ steht, wenn die Herren Domänenpächter für zweckmäßig halten, zu einer Kredit⸗ oder sonstigen Genossenschaft sich zu vereinigen. Wenn die landwirthschaftliche Verwaltung sich überzeugt, daß eine solche Genossenschaft im Interesse der Pächter liegende zulässige Zwecke verfolgt, so bin ich meinerseits bereit, die Bildung der Genossen⸗ schaften möglichst zu fördern. Auf die übrigen mitgetheilten Punkte gehe ich näher nicht ein und verspreche, dieselben sorgsam zu prüfen.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Semper erwidert auf eine Anfrage des Abg. Dr. Sattler (nl.), daß in neuerer Zeit die Domänenverpachtungen auf 18 Jahre erfolgen, während früher aller⸗ dings öfter längere Fristen gewählt worden seien.

Zu dem Titel: Einnahmen aus Mineralbrunnen und Bädern, beantragt die Budgetkommission folgende Resolution anzunehmen:

„Die Königliche Staatsregierung wird ersucht, Vorsorge zu treffen, daß die zu Heilzwecken dienlichen Mineralwässer, soweit dieselben aus im Staatsbesitz befindlichen Quellen gewonnen werden, zu einem mäßigen Preise an die Konsumenten abgegeben werden müssen, und daß bei dem Bezuge dieser Mineralwässer im Wege des Zwischenhandels der Verkauf derselben zu mäßigen Preisen möglichst gesichert werde.“

Abg. Schaffner (nl.) klagt darüber, daß infolge Verpachtung der Mineralbrunnen zu Niederselters, Fachingen und Geilnau die Krugbäcker zu sehr der Willkür der Pächter aus esetzt seien. Früher habe man die Wässer direkt von den Brunnen beziehen können, jetzt müsse man sich erst an die von den Pächtern errichteten Niederlagen wenden. Für die Resolution bitte er zu stimmen. Namentlich der Fachinger Brunnen habe sich einen Weltruf errungen und leiste vor⸗ zügliche Dienste gegen Gicht und ähnliche Leiden. Es habe ihn ge⸗ freut zu hören, daß die Beschwerden schon zu den Ohren des Ministers gekommen, und daß Schritte zur Abhilfe eingeleitet seien.

Bei dem Einnahmeposten aus dem Seebade Cranz in Ostpreußen bittet

Abg. Dr. Krantz (b. k. F.), von dem Verkauf dieses Bades, wie er in Aussscht genommen sei, Abstand zu nehmen oder, sollte ein Kauf⸗ vertrag schon abgeschlossen sein, diesen rückgängig zu machen.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Tetzlaff erwidert, daß d Verkauf des Bades an die Gemeinde bereits abgeschlossen sei, und zwar keineswegs zum Nachtheil der letzteren. Man könne hoffen, daß es der Gemeinde jetzt möglich sein werde, aus den Einnahmen de Bades die bisher unerfüllbaren Bedürfnisse in Bezug auf Kanalisation und Wasserversorgung zu befriedigen. Die Verwaltung des Bades sei sehr einfach und bei der Gemeinde in durchaus guten Händen.

Abg. Dr. Lotichius (nl.) bittet den Minister, dafür zu sorgen daß bei der Ausarbeitung eines neuen Wassergesetzes die Schutz⸗ bestimmungen, die die Erhaltung der Heil⸗ und Badequellen spezie in Nassau bezwecken, bestehen bleiben. Abg. von Strombeck (Zentr.) erklärt sich mit der Resolution einverstanden, verspricht sich aber davon vorläufig keinen praktischen Erfolg, weil die Regierung durch Pachtverträge gebunden sei. Es wäre wünschenswerth, daß diese Verträge dem Hause vorgelegt würden Die Pächter müßten verpflichtet werden, über einen bestimmten aximal verkaufspreis nicht hinauszugehen. 3

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Jäger hält eine derartige Be⸗ dingung für kaum durchführbar und schwer kontrolierbar. ollt aber wirklich in rigoroser Weise eine Kontrole ausgeübt werden, s sei zu befürchten, daß die Pächter sich ganz von der Pachtung der Mineralwässer abwenden und der Fiskus hohe Einnahmen verliere Die Schutzbestimmungen für die Heil⸗ und Badegquellen aufrecht z erhalten, liegt im eigenen Interesse der Domanialverwaltung; sie hab auch schon darauf hinzielende Anregungen gegeben.

Abg. Cahensly (Zentr.) bittet, dahin zu wirken, daß den Be wohnern von Selters und Umgebung das Mineralwasser aus den dortigen Quellen zu ermäßigten Preisen geliefert werde.

Die von der Budget⸗Kommission vorgeschlagene Resolution wird hierauf fast einstimmig angenommen.

Bei dem Titel: Ausgaben für Erhaltung von Gebäuden

und Neubauten auf Domänen beklagt der Abg. Sieg (nl.), daß die Bauten auf den Domänen im Vergleich zu den hohen Kosten nicht der Neuzeit entsprächen. Den Minister bitte er, I nicht auf Domänen zu senden, denn diese kämen en An

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗

stein:

Es ist von verschiedenen Seiten des Hauses die Behauptung auf.

gestellt, daß Mißstände in der Bauverwaltung liegen. Ich bin zu kurze Zeit in der Verwaltung, um mir ein Urtheil darüber zu ge⸗ statten. Ich bin bereit, im Laufe der Verwaltung zu prüfen, ob und inwieweit diese Beschwerden berechtigt sind. Im übrigen weise ich darauf hin, daß unzweifelhaft nicht zu verhindern sein wird, daß eine

große Staatsverwaltung theurer baut als der Privatmann.

Diefelbe Erfahrung werden Sie in allen öffentlichen Verwaltungen, bei den kommmunalen, bei den Provinzialverwaltungen, bei den

Staatsverwaltungen machen. Es liegt das an der bureaukratischen

Organisation; dagegen anzukämpfen ist unmöglich. Gewisse Unter⸗ schiede bestehen allerdings. Ich glaube, daß die Kommunalverwaltungen wieder billiger bauen als die staatliche Verwaltung. Indeß muß ich unsere Baubeamten gegen die nicht spezialisierten, allgemein gehaltenen, sehr scharfen Vorwürfe in Schutz nehmen. Alle preußischen Beamten thun ihre Pflicht, und ich ersuche, nicht weiter spezialisierte, nicht weiter begründete Vorwürfe gegen ganze Kategorien von Staats⸗ beamten nicht zu erheben.

Abg. Dr. Gerlich (fr. kons.) Einfachheit beim Bau der Arbeiterhäuser walten zu lassen. an baue die Räume der Wohnungen so hoch, daß sie sich nur schwer heizen ließen, was wiederum auf Kosten des Domänenpächters geschehe, der mebr Heizmaterial liefern müsse. Die Demonstrationswirthschaften müßten zeigen, wie man billig und zweckmäßig baue.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗

stein: 8 Meine Herren! Ich glaube diesen Ausführungen zum theil ent⸗ gegentreten zu müssen. Ich glaube, daß, wenn man etwas für den Arbeiterstand thun will, das, was man zunächst thun muß und auch thun kann, das ist, daß man ihm den jetzigen Ansprüchen entsprechende, gesunde, ausgiebige Wohnungen schafft. Ich möchte glauben, daß, wenn auch vorübergehend noch einzelne Arbeiter fest an den alten Einrichtungen der Gebäude kleben, sie doch, wenn sie erst einmal kurze Zeit in besseren Arbeiterwohnungen zuge⸗ bracht haben, die Wohlthat des besseren Wohnens so ent⸗ schieden empfinden, daß sie allerdings, wie der Herr Vorredner gesagt hat, darauf drängen werden, daß, wenn auf den Domänen bessere Wohnungen gewährt werden, dies auch auf anderen Gütern geschieht. Meine Herren, diese Erfahrung habe ich auch persönlich gemacht. In meiner engeren Heimath bestanden in dem inneren Ausbau der Woh⸗ nungen, namentlich der Schlafräume, geradezu gesundheitsgefährliche Einrichtungen, namentlich waren dies in die Wände eingemauerte Schlafschränke, welche auch zur Verwahrung von Kartoffeln, Ge⸗ müse u. s. w. dienten.

Als man aus sanitären Gründen anfing, diese Einrichtung zu beseitigen, da haben diese Leute mit Hand und Fuß sich dagegen gewehrt; aber nachdem sie einmal die besseren Einrichtungen kennen gelernt und gesehen hatten, wie viel gesunder die neuen Einrichtungen waren, hat man bald die neuen Einrichtungen vorgezogen. Ebenso war es mit dem Oeffnen der Fenster. Keiner wollte in einem Haus wohnen, wo die Fenster geöffnet werden konnten. Jetzt verlangt jeder, daß die Fenster zu öffnen sind, daß die Wohnräume von den Schlaf⸗ räumen getrennt werden u. s. w. Ich meine, eine der wichtigsten Aufgaben der Staatsverwaltung ist die, daß sie in ihren Betrieben mustergültige Einrichtungen in dieser Beziehung trifft. Wenn sie das nicht thäte, so würde jedenfalls den Intentionen Seiner Majestät des Königs, der in dieser Beziehung bestimmte Anordnungen ertheilt hat, nicht entsprochen. Uebrigens halte ich es auch für richtig, so zu verfahren. Ich werde in meiner Stellung darauf hinwirken, daß in den Arbeiterwohnungen nicht ein Zusammenhäufen vieler Fa⸗ milien in einzelnen großen Arbeiterkasernen stattfindet, wie das viel⸗ fach auf Domänen und bei Privatbesitzungen noch geschieht;z ich werde mich bemühen, in dieser Beziehung den berechtigten Ansprüchen der Arbeiterbevölkerung in vollstem Maße gerecht zu werden. (Bravo! rechts.)

Damit ist der Etat der Domänen erledigt.

Die weitere Berathung wird um 4 Uhr auf Mittwoch 11 Uhr vertagt. (Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats: Forsten, auswärtige Angelegenheiten, Lotterie, Saats⸗

archive, kleine Etats.)

reezr rebrs eühs Le eah

gH..—y—