1895 / 35 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

8

faßt worden ist. Der Fastnachtsscherz schildert die Vorgänge im Hause des Gerichtsvollziehers Knönagel und seiner Schwester, welche beide unerwartet von einer Festlichkeit zurückkehren, während das Hausmädchen die freie Zeit zu einem kurzen Besuch des Gesindeballs benutzt und inzwischen ihren Bräutigam, einen Gefreiten, zur Ver⸗ waltuͤng des Hauses zurückgelassen hat. In dem scenischen Scherz werden richtige, tolle Fastnachtspossen getrieben, die wiederholt laute Heiterkeit hervorriefen. Der Zweck der kleinen Arbeit wurde also völlig erreicht. Fräulein Seemann ( mädchen Guste) und Herr Carl Weiß (Gefreiter Wilhelm Krebs), die mit munterer Laune spielten, trugen wesentlich zum Erfolge bei.

Konzerte. Am Mittwoch erschien im Saal Bechstein die Konzertsängerin Günter aus Frankfurt a. M. mit einem Lieder⸗Abend. ie besitzt eine klangvolle, nur in der Höhe etwas scharfe Sopran⸗ stimme; die Intonation ist nicht ganz zuverlässig, doch ist die Stimme biegsam und koloraturgewandt. Der Vortrag läßt noch viel zu wünschen. Am besten gelangen der Sängerin die Arie aus Haydn’'s „Schöpfung“, „Nun baut die Flur“, „Das vergebliche Ständchen“ und ‚Feldeinsamkeit“ von Brahms. Der mitwirkende Pianist Henri Melcer aus Warschau trug mit großer technischer Sicherheit und belebter Ausdruckweise mehrere Stücke von Chopin, Brahms und Liszt vor, die beifällig aufgenommen wurden. b Die Herren Sally Liebling (Piano) und Felix Meyer 7 gaben an demselben Abend im Konzerthause ein populäres onzert mit Orchester, welches mit einer Ouvertüre zu „König Jo⸗ hann“ von R. Radecke eröffnet wurde. Der Komponist läßt, wie in allen seinen Werken, so auch in dieser Ouvertüre melodiöse Erfindung und stilgewandte Durchführung der Motive erkennen. Die effektvolle Komposition fand den Beifall des zahlreich erschienenen Publikums. Der Pianist spielte hierauf Grieg's Konzert in A-moll mit großer tech⸗ nischer Fertigkeit und feurigem Vortrag: Eigenschaften, die auch in der Ausführung einer Liszt'schen Phantasie hervortraten. Der Violinist erfreute durch die wohlgelungene Ausführung eines Konzerts von Kauffmann und des neunten Konzerts von Spohr. Die bereits wohlbekannte Altistin Fräulein Ottilie Fellwock unterstützte das Konzert mit Händel's Arie aus „Rinaldo“ „Armida, Mitleidslose“ und Liedern von Brahms, Rubinstein, Reinecke und Jensen, in denen ihre klangvolle, gut geschulte Stimme und ihre ausdrucksvolle Vortragsweise vortrefflich zur Geltung kamen. Die Hauskapelle leistete unter Leitung des Professors R. Radecke wiederum sehr Anerkennenswerthes.

Im Königlichen Opernhause geht morgen Richard Wagner's

„Götterdämmerung“ („Der Ring des Nibelungen“*, 3. Abend) unter

Kapellmeister Dr. Muck's Leitung in Scene. Frau Sucher tritt darin zum letzten Mal vor ihrer Abreise nach New⸗York als Brünnhilde auf; die übrige Besetzung ist folgende: Siegfried: Herr Gudehus,

Hagen: Herr Mödlinger, Günther: Herr Fränkel, Alberich: Herr

Schmidt, Gutrune: Fräulein Hiedler, Waltraute: Frau Götze, Rhein⸗ töchter: Damen Herzog, Rothauser, Lammert. 88

Im Königlichen Schauspielhause findet morgen die

fünfte Aufführung des Schwanks „Zum wohlthätigen Zweck“ von

Schönthan⸗Kadelburg statt. Frau von Hochenburger, welche in der

Donnerstags⸗Vorstellung für das erkrankte Fräulein von Mayburg

eingetreten war, spielt auch diesmal die Rolle der Clara.

Im Berliner Theater wird als nächste Novität das Lust⸗

spiel „Die Kinder der Excellenz“ von Ernst von Wolzogen und

William Schumann, das s. Z. im Deutschen Theater eine so große eihe von Wiederholungen erlebt hat, vorbereitet. Die erste Vor⸗

stellung des Stücks ist für Sonnabend, den 16. Februar, in Aussicht

genommen.

Die Erstaufführung des Volksstücks „Liebe von heut“ von Robert Nisch im Neuen Theater hat auf nächsten Sonntag verschoben eerden müssen. An Stelle des erkrankten Fräulein Wirth wird Nina

Sandow die weibliche Hauptrolle darstellen.

Im Theater Unter den Linden findet am Sonntag die

25. Aufführung der Millöcker'schen Operette „Der Probekuß“ statt.

Herr Direktor Fritzsche hat das im Wiener Hofoperntheater mit großem Erfolg aufgeführ 5 kärchenwe * f seine Bühnen erworben. 1

Die unter dem Protektorat Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen stehende Viktoria⸗National⸗In⸗ validen⸗Stiftung hielt heute im Herrenhause ihre 28. Jahres⸗

versammlung ab, welche im Auftrage des Protektor⸗Stellvertreters, Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich, von dem General der Infanterie von Zychlinski geleitet wurde. Die Stiftung hat im letzten Jahre 95 633 verausgabt, davon 87 730 für Unter⸗ stützungen zur Linderung der dutch den Krieg von 1866 erzeugten Noth. Unterstützt sonen bezw. Familien, und zwar 498 laufend und 427 einmalig. Unter den Unterstützten befanden sich 12 Offiziere, bezw. 55 Hinterbliebene derselben, 446 invalide Mannschaften, 246 Wittwen bezw. Kinder und 166 Eltern und sonstige Hinterbliebene von Mann⸗

chaften. Die Zweigvereine erhielten 6619 Zuschüsse. Gegen das

orjahr hat sich die Summe der Unterstützungen um 7326 ℳ, die Zahl der Unterstützten um 93 vermindert. Da die Einnahme der Stiftung nur 41 388 betrug, mußten zur Deckung der Mehrausgaben 54 25 von dem Stiftungsvermögen genommen werden, das sich infolge dessen von 920 492 auf 866 197 verringerte. Insgesammt sind aus dem Zentralfonds der Stiftung bisber 4 903 909 verausgabt worden. Die 99 Zweigvereine der Stiftung unterstützten im letzten Jahre 580 Invaliden und 419 Hinter⸗ bliebene mit 46 770 % An Vermögen besitzen die Zweigvereine 558 503 Zweeiter stellvertretender Vorsitzender des geschäftsführen⸗ den Ausschusses wurde an Stelle des zurückgetretenen Generals von Sucro Dr. jur. von Bunsen.

Die gestrige Sitzung der Stadtverordneten eröffnete, wie die „Nat. Ztg.“ berichtet, der Vorsteher Dr. Langerhans mit der Ver⸗ lesung der ank⸗Adresse, welche die Deputation der städtischen Behörden am Sonntag in der ihr gewährten Audienz Seiner Majestät dem Kaiser und König wegen der zugesagten Aus⸗ schmückung der Sieges⸗Allee mit den Statuen preußischer Fürsten überreicht hat. Sodann theilte der Vorsteher mit, daß der in der vorigen Sitzung zum besoldeten Stadtrath gewählte Bürgermeister Wilde⸗ Bromberg die Wahl dankend angenommen habe. Betreffs Eingemeindung der Vororte hat der Magistrat der Versammlung die durch Beschluß derselben vom 13. Dezember v. J. geforderte Abschrift der Protokolle der gemischten Deputation für die Eingemeindung der Vororte, einen Uebersichtsvlan und eine tabellarische Uebersicht in Betreff der neun Vororte Charlotten⸗ burg, Deutsch⸗Wilmersdorf, Schöneberg, Tempelhof mit Hasen⸗ heide und Exerzierplatz, Rixdorf, Treptow, Stralau, Rummelsburg und Lichtenberg, in der erforderlichen Anzahl zugehen lassen. Zu der tabellarischen Uebersicht bemerkt der Magistrat, daß darin alle von der Versammlung geforderten Angaben enthalten seien, soweit sie ihm zugänglich geworden. Die noch fehlenden Angaben sollen der Versamm⸗ lung nachträglich mitgetheilt werden. Der Vorsteher schlug vor, diese Vorlage, da die umfangreichen Aktenstücke hierüber den Stadtverordneten erst vor kurzer Zeit zugegangen, auf 14 Tage zu vertagen. In der nächsten Sitzung sei dies nicht möglich, weil in derselben der Etat zur Be⸗ rathung kommen solle. Die Versammlung beschloß die Vertagung der Besprechung. In einer weiteren Vorlage beantragte der Magistrat, das Ortsstatut vom 2. September 1869 über die Er⸗ hebung von Sublevations⸗Beiträgen dahin abzuändern, daß statt „Servis⸗ und Einquartierungs⸗Deputation“ die Bezeichnung „Städtische Steuer⸗Deputation“ gesetzt werde; ferner daß im § 2 der Satz ⸗durch den in der bisherigen Weise von den Grundeigenthümern nach Maß⸗ gabe des Miethvertrags ihrer Grundstücke“ wie folgt geändert werde: „durch den von den Grundeigenthümern nach Maßgabe des Nutzungs⸗ ertrags ihrer Grundstücke“. Im § 3 soll statt „mit der städtischen Haussteuer“ gesetzt werden „mit der Gemeinde⸗Grundsteuer“. Die aus dem neuen ZE resultierenden redaktionellen Aenderungen wurden mitgetheilt. Die Versammlung erklärte sich ohne Debatte mit diesen Aenderungen des Ortsstatuts einverstanden.

Zum des Bremer Schnelldampfers „Elbe“ meldet „W. T. B.“ vom gestrigen Tage aus Lowestoft: Drei weitere Leichen von den mit der „Elbe“ verunglückten⸗ Personen wur⸗ den aufgefunden; in der einen wurde der Passagier Eduard Muskowitz erkannt, der eine 8f Summe CGeldes bei sich trug; in der zweiten wird der Passagier Wise aus New⸗York vermuthet; der dritte Leichnam konnte nicht identifiziert werden. Die gestern als aufgefunden gemeldete Leiche ist nicht die Pschunder’s, da eine Narbe, welche dieser am Arm hatte, fehlt. Einer bei Llopds in London eingegangenen Depesche aus

arwich zufolge ist ein Postsack mit der ere eana SI am Strand von Dovercourt und ein Rettungsboot bei Walton on the Naze aufgefunden worden; beide gehörten augenscheinlich der „Elbe“ an. Sieben Mann von der Mannschaft des Dampfers Crathie“ sind gestern Abend in Aberdeen eingetroffen. Der Kapitän Gordon ist mit dem ersten

Offizier und zwei Mann von der Besatzung in London zurückgeblieben.

wurden insgesammt 925 Per⸗

scheiterte

wenig in der

Schiffe flücht

eine

Dresden, 7. Februar. des Raths und der Stadtverordneten⸗Versammlun herige Zweite Ober⸗Bürg

„Wien, 7. Februar. (W. T. B.) österreichischen Staatsbahnen ist auf der Strecke Summerau⸗ Freistadt eines Achsenbruches entgleist.

stürzten über die

London, 7. Februar. In einer in der Nähe von Radst ock gelegenen Kohlengrube s Explosion 7 Personen getödtet worden.

Die drei in London zurückgebliebenen Leute sind die, welch Augenblig des Zusammenstohes die Wache hatten, die abriglc sün t Lage, sich über die Katastrophe zu äußern, d sind sie nicht im Zweifel darüber, daß das Schiff, mit welchem die „Crathie“ kollidierte, die „Elbe“ war; es wurde kein Schrei noch ein Nothschuß gehört. Die Frage, ob die Untersuchung in London oder in Deutschland stattfinden wird, ist noch nicht entschieden. Die Leute die sich an Bord der „Crathie“ befanden, wußten nicht, daß die „Elbe“ gesunken sei.

Aus dem „W. T. B.“ liegen heute folgende Nachrichten Stürme, Schneefälle und 5 8 8 . Fie 8. e. 8. 1 eine eisige Bora. Der Telephonverkehr ist unterbrochen. Es vielfache Unfälle zu Wasser und zu Lande befürchtet. 8—

„London, 7. Kälte, welche großes Elend verursacht.

enua, 7. Februar.

herrschte hier ein außerordentlich heftiger Sturm. 1 Schaluppe des englischen Dampfers „Cyrenian“, während sie den Dampfer vertauen wollte. Die Schaluppe hatte fünf Personen an Bord, von denen zwei ertranken. Kohlen beladene Boote gingen unter. Zahlreiche Schornsteine wurden dangeftcene u mesc

acher Schaden wurde auch in den umliegenden Landorten an erichtet.

„Rom, 7. Februar. Emer Privatdepesche aus Syra kus zufolar wüthet in der Provinz ein heftiger Sturm. aus ihren Ufern getreten. Infolge der großen Schneemassen stürzten mehrere ein, 8 15 verletzt wurden. Viele eten vor dem Sturm in die Häfen, ein mit Ho ladenes Boot erlitt schwere Havarien. Blukarest, 7. Februar. Schneefälle gemeldet.

älte vor: In der vergangenen Nacht herrschte hier

Februar. In ganz England herrscht streng

Während des ganzen heutigen Tages Im Hafen

wanzig mit

rere Personen Verletzungen erlitten. Mehr⸗

Mehrere Flüsse sind

wurde der bis⸗

Bürgermeister, Geheime Finanz⸗Rath Beutler zum ermeister gewählt.

Ein Güter.Eilzug der

Fünf Waggons ammböschung. Verletzt wurde niemand.

ind, wie „W. T. B.“ meldet, durch eine

8

Paris, 8. Februar. Von dem Dampfer „Gascogne⸗ (vgl. Nr. 34 d. Bl.) lag, wie „W. T. B.“ meldet, bis heute früh 9 ½ mr noch immer keine Nachricht vor. Es herrscht lebhafte Beunruhigung.

Colon, sf e. 8 T. B Schiffsladung bei Savanilla verloren gegangen. Die Passagiere, welche hier Fgetresfen sind, haben fast alles verloren, was 5 be⸗ saßen. Ein Mann von der Besatzung ist ums Leben gekommen.

französische

Februar. Das .“ zufolge, mit der

Hecerh ost und der

Chefoo an.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene

Depeschen.

Marseille, 8. Februar. (W. T. B.) Mlit dem aus China hier angekommenen Postdampfer ist der außerordentliche chinesische Gesandte Onang Teck Thaung hier eingetroffen. Derselbe hat den Auftrag, eine Berlin, Wien und St. Petersburg nachzusuchen, um dem Kriege mit Japan ein Ende zu machen. 1

„Chefoo, 8. Februar. (W. T. B.) Heute Nacht landeten die Japaner eine Truppenmacht zehn Meilen östlich von Chefoo und griffen heute Mittag die In der Stadt herrscht hoͤchste Aufregung

Vermittlung in Paris,

orts im Osten von

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten

Beilage.)

Wetterbericht vom 8. Februar 8 Uhr Morgens.

sius 16.

Britischen Inseln herrscht vielfach strenge Kälte. Carl Zeller. Regie:

Ganz Frankreich, üdlich 8 genommen, ist vom Frostgebiet aufgenommen.

die südlichen Gebietstheile aus⸗ Kapellmeister Adolph Ferron. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag Der Obersteiger. Deutsche Seewarte.

ʒd

Wind. Wetter.

Temperatur in 0 Cel

5⁰°9

8

5 bedeckt

Bar. auf 0 Gr. 1. d. Meeressp red. in Millim

2 Aberdeen 764 Fhristiansund 77. Kopenhagen. 762

☚ꝙ 22

7 wolkenlos 1 Nebel

8980

FEReReH snsnmEeFFrESeEmExcgereTe EEn. ereh . Theater⸗Aunzeigen.

2 halb bed haus. 37. Vorstellung. . 3 Aufzügen und 1 Vorspiel von Richard Wagner. kontrakt Dirigent: Kapellmeister Dr. Muck. Anfang 7 Uhr. 8 Schauspielhaus. 39. Vorstellung.

Götterdämmerung in

Zum wohl⸗

ir Fredy. Dirigent: Herr

Residenz⸗Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Sonnabend: Fer⸗ nand’s Ehekontrakt. (Eil à la patte.) Schwank

züniali b S end: in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗ Königliche Schauspiele. Peee Sprrn arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag und folgende Tage: Fernand’s Ehe⸗

9

7 Schnee 2heiter 2 wolkenlos

Stockholm . 771 randa . 783 t. Petersbg 775 Cork, Queens⸗- 766755 Cherbourg . 756 W 6788 8 760 winemünde 763 Neufahrwasser 762 Memel 763 v. 758 ünster. 759 Karlsruhe . . 760 Wiesbaden . 761 München. 757

8SS 82

deckt deckt olkenlos chnee

Schnee

9U 21—

8. 15

8 8

9 9 boeo &

2wolkenlos 19 2 wolkenlos 18 884 --ng.2 5 Chemnitz. 8 stil Schnee 14 Sernn ö... 762 stil Nebel 12 Wien ... 758 WNW 3 bedeckt 8 Breslau.. 760 NNW 1 Schnee 11 d'Aix.. 750 O 4 bedeckt 2 iga 752 ONO L2 balb bed. 4

¹) Nebel, Rauhfrost. ²) Gestern Schnee. ³) Nebel.

8 Uebersicht der Witterung.

Das barometrische Minimum, welches estern über der füdlichen Ostsee lag, ist, der Luftdruckvertheilung entsprechend, westwärts nach der südlichen Nordsee fortgeschritten, während das Hochdruckgebiet über Nord⸗Europa an Höhe abgenommen hat. Andere Depressionen liegen über Südwest⸗ und Südost⸗ Europa. In Deutschland ist bei schwacher Luft⸗ bewegung aus veränderlicher Richtung das Wetter an⸗ dauernd kalt, im Norden meist trübe mit Schnee⸗ fällen, im Süden vorwiegend heiter; am kältesten, meist unter minus 20 Grad, ist es in einem Streifen, welcher sich von der Pfalz nach der Odermündung erstreckt, Kaiserslautern und Cassel melden 22 ½, Swinemünde 24 ½ Grad unter Null. Auch auf den

¶SG 999

thätigen Zweck. Lustspiel in 4 Aufzügen von 1 von Schönthan und Gustav Kadelburg. An⸗ ang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Opernhaus. 38. Vorstellung. Fra Diavolo. Komische Oper in 3 Akten von Auber. Text von Eugoône Scribe, bearbeitet von Carl Blum. Slavische Brautwerbung. Tanzbild von Emil Graeb. Musik komvoniert und arrangiert von P. Hertel. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 40. Vorstellung. Die Nibe⸗ lungen. Ein deutsches Trauerspiel in 3 Abtheilungen lungen von Friedrich Hebbel. Erster Abend. Erste Abtheilung: Der gehörnte Siegfried. Zweite Abtheilung: Siegfrieds Tod. Anfang 7 ½ Uhr.

Deutsches Theater. Sonnabend: Zum Besten nothleidender Weber im Eulengebirge: Die Weber. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag, 2 ½ Uhr: Die Weber. 7 ½ Uhr: Weh dem, der lügt! 8

Montag: Weh dem, der lügt! G

Berliner Theater. Sonnabend: Der Pfarrer von Kirchfeld. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag, 2 ½ Uhr: Madame Saus⸗Ge 7 ½ Uhr: Üriel Acosta. ..

Lessing⸗-Theater. Jagd. Anfang 7 ½ Uhr. onntag: Der Geizige. Lustspiel in 5 Akten von Molisre. Hierauf: Niobe.

Montag: Der Fall Clémenceau. 8 8

Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25/26.

Sonnabend: Der Obersteiger. Operette in 3 Akten von M. West und L. Held. Musik von

Sonnabend: Die wilde

Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./5.

Sonnabend: Demi⸗Monde. Sittenbild in 5 Akten von Alexandre Dumas. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Zum ersten Male: Liebe von Hent. Volksschauspiel in 4 Akten von Robert Misch. Regie: Siegfried Jelenko.

Sonntag, Nachmittags: Vorstellung des Vereins für Volksunterhaltung.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Sonnabend: Mit neuer Ausstattung: Der Probekuß. Operette in 3 Akten von Hugo Wittmann und Julius Bauer. Musik von Carl Millöcker. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Hierauf: Tanz⸗Divertissement. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Der Probekuß.

Adolph Ernst-Theater. Sonnabend: Zum zweiten Male: Gesindeball. Fastnachtsscherz in 1 Akt von Ed. Jacobson und Jean Kren. 2enn Auftreten der ersten Pirouette⸗ und Cour⸗

e⸗Tänzerin Englands vom Prince of Wales⸗ Theater in London. Ein sideles Corps. Große Gesangsposse mit Tanz. Nach dem englischen Original „A Gaiety Girl“ von Jonas Siedney frei bearbeitet von Eduard Jacobson und Jean Kren. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Konzerte.

Konzert-Haus. Sonnabend: Karl Meyder⸗ Konzert. Strauß⸗Abend.

Dienstag, den 26. Februar (Fastnacht): Fast⸗ nachts⸗Feier. Billets à 3 ℳ% im Bureau des

uises 8

Sing-Akademie. Sonnabend, Anfang 8 Uhr: II. Konzert des Terzetts der Holländ. Sängerinnen Jeannette de Jong, Anna Corver, Marie Suyders, unt. güt. Mitw. von Fräulein Inlie von Asten (Klav.).

Saal Bechstein. Linkstraße 42. Sonnabend, Anfang 7 ½ Uhr: Klavier⸗Abend von Clotilde Kleeberg.

Birkus Renz (Karlstraße). Sonnabend: Wieder⸗ holung der Parade⸗Vorstellung vom Donnerstag, den 7. Februar, wie solche bei der Allerhöchsten An⸗ wesenheit Ihrer Majestät des Kaisers und der Kaiserin stattgefunden hat. Gala⸗Fest⸗Akt, arrangiert und insceniert vom Direktor Fr. Renz. Auf, auf zur fröhlichen Jagd! Anfang 7 ½ Uhr.

Sonntag: 2 Vorstellungen, Nachmittags 4 Uhr Ge. Preise): Die lustigen Heidelberger.

bends 7 ½ Uhr: Tjo Ni En.

Montag, Abends 7 ½ Uhr: Große Vorstellung.

e1e1.“*“; Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Ferl. Helene Scholkmann mit Hrn. Realschullehrer Dr. phil. Asmus Ahrendt (Gnaden⸗ frei). Frl. Käthe Hübner mit Hrn. Staazs⸗ anwalt Ulrich Lindow (Liegnitz)

Verehelicht: Hr. Rechtsanwalt Toeffling mit Fr Jenny König (Berlin). Hr. Niklas ven

kreyfelt mit Frl. Helene Patzky (Breslau).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Grafen Reichenbach⸗ Goschütz (Goschütz). Hrn. Hauptmann Bickel (Neubreisach i. E.). Hrn. G. von Wedemeyper (Hohen⸗Wartenberg) Hrn. Oberförster Schiedt (Altshausen). Eine Tochter: Hrn. Ober⸗ lehrer Dr. Heydemann (Berlin).

Gestorben: Fr. Bertha von Kalm, geb. von Gersec

(Dessau).

Verantwortlicher Redakteur: J. V.: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen keinschließlich Börsen⸗Beilage)

Aus ganz Rumänien werden hestige

In der heutigen gemeinsamen Sitzung

31. Sitzung vom Donnerstag, 7. Februar.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Be⸗ rathung über die Interpellation der Abgg. Dr. Hitze und Dr. Lieber (Zentr.) über die Arbeiter⸗Organisation.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

Nach dem Abg. Rettich (nl.) nimmt das Wort Abg. Rösicke (b. k. F.): Obgleich ich in dieser Frage keine artei vertrete, so glaube ich doch, daß es dem Hause von Werth bn wird, wenn auch ein Arbeitgeber sich ausspricht, der nicht auf dem Standpunkt der Abgg. Möller und Freiherr von Stumm steht. Ich stimme dem Abg. Hitze darin bei, daß die arbeitende Klasse aus eigener Kraft eehen müsse, Besserungen zu schaffen, welche die Gesehgebung zunächst noch nicht bringe; ich halte es für nothwendig, die Arbeiter darauf hinzuweisen, daß sie nicht alles vom Staat erwarten sollen. Zu den von dem Abg. Hitze angeführten Aufgaben, welche der arbeitenden Klasse gestellt sind, möchte ich auch die Fort⸗ bildungseinrichtungen rechnen, vor allem aber die Lohnfragen und die srag⸗ der Arbeitszeit. Der Interpellant hat die Errichtung von rbeiterkammern und die pefeflich⸗ Anerkennung der Berufsvereine vorgeschlagen. Ich lege auf die erstere 9 weniger Gewicht, als auf die letztere. Für die Ausführung seines Gedankens können die Gewerbegerichte als Vorbild dienen, die sich durchaus bewährt und nach der Seite der Arbeiter, wie nach derjenigen der Arbeitgeber erziehlich gewirkt haben. Es kann kein Zweifel sein, daß gegenüber der Macht, welche das Kapital des Unternebmerthums darstellt, die Arbeiter das Koalitionsrecht als einziges Mittel besitzen, und daß ihnen dies in keiner Weise geschmälert werden darf. Sie brauchen eine gesetzliche Organisation, welche die Unternehmer leicht entbehren können. Daß die Sozialdemokratie sich der Organisation bemächtigen werde, ist kein stichhaltiger Einwand. Die Sozialdemokratie hat jetzt schon eine Omanisation, wie keine andere Partei; und wenn sie in die gesetzliche Organisation überginge, so würde dies vielleicht garnicht schaden; sie würde ein höheres Verantwortlichkeitsgefühl bekommen und unter Staatsaufsicht und öffentlich handeln. Aber gerade um den nicht sozialdemokratischen Arbeitern die Möglichkeit zu geben, sich zur Geltung zu bringen, ist die Organisation nöthig. Daß Arbeiter⸗ vereinigungen sich in einem gewissen Gegensatz zu den Arbeitgebern befinden, daß die letzteren nicht freiwillig geben, was die Arbeit⸗ nehmer wünschen, erscheint mir ganz natürlich. Aber ich sehe in den Kämpfen auf diesem Gebiet durchaus keine Gefahr für die Staatsordnung, so lange sie auf veeheehes Grundlage ausgefochten werden. Nach dem Kampf, der acht Monate hier in Berlin getobt hat, ist mir bei dem E von konservativer und nationalliberaler Seite wiederholt der Vorwurf gemacht worden, c ich mit den Vertretern der sozialdemokratischen Partei einen Verglei geschlossen habe, durch den ich diese Partei als solche anerkenne. Der⸗ artige Reden führen zu nichts, weil wirklich davon nichts abhängen kann, ob ich oder ein paar andere Arbeitgeber die sozialdemokratische Partei als solche anerkennen oder nicht; eine Partei, die 1 800 000 Stimmen hinter sich hat, ist an in Deutschland anerkannt gleich⸗ ültig, wie wir uns dazu stellen. Gerade in diesem Kampfe ist es für uns Arbeitgeber sehr mißlich gewesen, daß Arbeiterorganisationen auf irgend einer rechtlichen Grundlage nicht existierten und wir des⸗ halb gezwungen waren, diejenigen zu acceptieren, die uns präsentiert wurden. Das wird auf sozialdemokratischer Seite auch empfunden, wo man den augenblicklichen Zustand nicht als einen wünschens⸗ werthen ansieht. In der sozialdemokratischen artei 13e zwei Strömungen;: die politische und die gewerkschaftliche. Die Anhänger der letzteren sind durchaus nicht immer Sozialdemokraten. Sie wollen nur ihre Verhältnisse bessern nicht im Zukunftsstaat, sondern im heutigen Staat und mit den Mitteln, die ihnen zu Gebote stehen. Die Zersetzung oder Verwässerung der Partei hat jüngst der Abg. Bebel beklagt. Wenn ein Arbeiter seine Rechte vertritt, so ist er 88. lange kein Sozialdemokrat. Man muß die gewerkschaftlichen Be⸗ strebungen zu fördern und sie gleichzeitig von der Sozialdemokratie los⸗ zulösen versuchen. Die Arbeitsvermittlung halte ich für eine der wichtigsten Fragen, sie muß gemeinschaftlich von Arbeitgebern und Arbeitnehmern geregelt werden, und vor allen Dingen müssen Neben⸗ zwecke von beiden Seiten ausgeschlossen werden. Ich sehe auch keine Gesahr in den Strikes, obwohl ich ein Gegner der Boykotts bin. Ich halte die letzteren für unmoralisch und für ebenso verwerflich wie die „schwarzen Listen“. So lange diese Kämpfe aber auf gesetzlichem Boden geführt werden, sind sie ebenso berechtigt wie andere Kämpfe. Es hat sich dabei ein großer Opfermuth in der arbeitenden Be⸗ völkerung gezeigt; diesen esunden Kern sollten wir zu Gunsten des Vaterlandes besser nutzbar machen, als es bisher eschehen ist. Der Abg. von Stumm hat sich gleich dem Abg. öller diesen Bestrebungen wiederholt entgegengestellt, er wird wahr⸗ scheinlich auch heute denselben Standpunkt einnehmen. Ich glaube, daß die Stellungnahme gerade des Abg. von Stumm nicht zu dem von uns erstrebten Ziel führen wird. Er erklärt sich gegen jede Orga⸗ nisation der Arbeiter und sieht in jedem Arbeiter, der sich zu organi⸗ sieren bestrebt ist, von vornherein einen Sozialdemokraten. Ich möchte doch sehen, ob es dem Abs. von Stumm möglich wäre, wenn seine Fabrik hier in Berlin wäre, sich zu rühmen, daß Sozialdemokraten in seinem Berriebe nicht beschäftigt würden. Er hat es als die Pflicht der Arbeitgeber hingestellt, in der Weise zu verfahren, wie er, und hat es sogar als eine Art von Feigheit hingestellt, wenn man nicht so handele. Ich für meinen Theil bin der Ansicht, daß es in Deutschland eine ganze Reihe von Arbeitgebern giebt, die ebenso denken wie ich. Was ich bisher gethan habe, geschah nicht aus Furcht vor der Sezial⸗ demokratie. Ich betrachte es durchaus nicht als einen Beweis von großem Muth, wenn man lediglich glaubt, eine Besserung unserer Verhältnisse dadurch herbeizuführen, daß man bei jeder Gelegenheit nach der Polizei und nach neuen Gesetzen ruft. Der Kaiser hat 1889 bei Gelegenheit der Ausstellung für Unkfallver⸗ hütung gesagt, es käme überhaupt darauf an, den Arbeitern die Ueberzeugung zu verschaffen, daß sie ein gleichberechtigter Stand seien und allerseits als solcher anerkannt würden. Nur dann werde es gelingen, 89 der Sozialdemokratie zu entfremden. Ich glaube nicht, daß diese Worte damit in Einklang zu bringen sind, daß der Arbeitgeber seinen Arbeitern vorschreibt, welche Zeitung sie lesen, welche Lokale sie besuchen sollen, ob sie heirathen dürfen oder nicht. Es ist gestern gesagt worden, daß die Arbeiterausschüsse sich nicht be⸗ währt hätten. Im Gegentheil, sie sind für ein gutes Verhältni zwischen Arbeitgeber und ⸗nehmer sehr förderlich T1 Die Sozial⸗ demokraten bemühen sich, alle Wohlfahrts⸗Einrichtungen der Arbeitgeber als Fesseln für die Arbeiter hinzustellen. Das ist unrichtig und tendenziös. Wenn es richtig ist, was der Abg. von Bennigsen jüngst erklärte, daß die Gestaltung der Zukunft davon abhänge, ob die be⸗ rechtigten der Masse der Arbeiter erfüllt würden, so wird man unmöglich verlangen können, mit der Sozialreform Einhalt zu thun. Ich glaube, daß die Erklärung des Reichskanzlers nicht so aus⸗ gelegt werden kann, als sei nunmehr ein Stillstand in der Sozial⸗ reform geplant. Vielleicht kann das Tempo etwas verlangsamt werden, aber das Ziel der Sozialreform kann und darf nicht aus den .Aae Veergkehden. tr.): Ich hätte gewünscht, daß die Herr Abg. Dr. Lieber (Zentr.): e gewünscht, daß die en auf der Rechten sich etwas freundlicher zu unserer Interpellation ge⸗ stellt hätten. Die nnahme des Abg. von Kardorff, die gestrige Er⸗

um Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preuß

Berlin, Freitag, den 8. Februar

klärung des Reichskanzlers sei durch den preußischen Handels. Minister abgeschwächt oder gar geändert worden, kann ich unmöglich für richtig erachten. Schon darum nicht, weil der Reichskanzler die Erklärung der petbündeten Regierungen in der besonders feierlichen Form der Verlesung abgegeben hat. Diese Erklärung konstatierte, baß die preußische Regierung an den Februar⸗Erlassen fest⸗ hält. Wir sind auch sicher, daß niemand weniger als gerade der Handels⸗Minister geneigt sein würde, wenn auch nur für seine Person oder für sein Ressort, diese Erklärung abzuschwächen; denn er gilt ob mit Recht oder mit Unrecht weiß ich nicht als der Vater der Februar⸗Erlasse. Was ihm von anderer Seite zum Vorwurf gemacht wird, rechnen wir ihm als größtes Verdienst un. Wir haben den Minister auch niemals als einen Mann kennen gelernt, von dem man sich einer im Gegensatz zu seiner Vergangenheit stehenden Handlung zu versehen hätte. Die Seite, welche der „Minister be⸗ züglich der Sozialpolitik berührt hat, hat eine Bedeutung, die wir nicht verkennen, und wir möchten nicht die Verantwortung übernehmen, der Stellung der Regierung grundsätzlich zu widerfärecfen Aber nichts könnte den Einfluß der Sozialdemokratie auf die Massen mehr stärken, als wenn sich die Ansicht festsetzte, es sei ein Fortschritt der Sozialreform nicht mehr zu erwarten. der Abg. Fischer hat be⸗ hauptet, das Zentrum sei zu der Interpellation seinen „Umfall“ in der Umsturzkommission gekommen. Das Zentrum hat sich, getreu seiner Vergangenheit und der von dem Abg. Gröber angezogenen Franckenstein'schen Erklärung vom Jahre 1880, der 15„uv. gegenüber auf den Standpunkt einer gewissenhaften Prüfung gestellt. Wenn von einem Umfall des Zentrums gesprochen wird, so protestiere ich dagegen im Auftrage aller meiner politischen Freunde. Namens meiner Partei gebe ich die Erklärung ab, daß das Zentrum sich in Entschließungen, bei denen es sich um Fragen von so außerordentlich tiefgreifender Bedeutung, um die Geltendmachung der Grundsätze christlicher Sitte, die Sicherheit des Vaterlandes, die Grundlagen unserer staatlichen und wirthschaftlichen Ordnung handelt, sich nicht von taktischen, am wenigsten von parteitaktischen Gesichtspunkten leiten läßt, und daß es sich solche Gesichtspunkte auch nicht durch die Presse, nicht durch die freisinnige und sozialdemokratische, und nicht einmal durch die eigene, aufnöthigen läßt. Es wird einzig und allein nach seiner Ueber⸗ zeugung und nach seinem Pflichtbewußtsein stimmen. Auch wenn alle Voraussagungen über Wahlniederlagen des Zentrums sich als wahr erweisen würden, so würde das Zentrum seinen Stolz darin setzen, daß es von seiner Ueberzeugung nicht abgewichen ist, daß die Strafgesetzgebung so zu gestalten sei, daß sie zur Sicherheit des Vaterlandes und der öö1“] der Ordnung ausreicht. Wir vertrauen aber auf unser Volk, das hinter uns steht. Mögen die Sozialdemokraten nur fortfahren, das Christenthum und die christliche Caritas herab⸗ zuwürdigen; wir sind dann gut geborgen. Wir geben gern zu, daß es auch viele christliche Arbeitgeber giebt, die ihre Pflichten gegenüber ihren Arbeitern nicht erfüllen; aber das ist nicht Schuld des Christenthums, sondern des Abfalls vom Christen⸗ thum. Mögen die verbündeten Regierungen aus dem Verhalten der Sozialdemokraten lernen, daß man, um die Sozialdemokratie wirksam zu bekämpfen, in erster Linie das Christen⸗ thum nach jeder Richtung hin schützen muß. Vor allem ist es noth⸗ wendig, daß eine Herabwürdigung des Christenthums au herhalb des Schutzes der parlamentarischen Redefreiheit dem Strafgesetz verfalle. Neben der Ausgestaltung des Strafgesetztzuchs verlangen wir aber eine positive Sozialreform im weitesten Sinne.

Staats⸗Minister Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Der direkten Aufforderung des Herrn Vor⸗ redners, die Mißverständnisse aufzuklären, die anscheinend meine gestrigen Worte gegenüber der Erklärung des Herrn Reichskanzlers an mancher Stelle veranlaßt haben, hätte es nicht bedurft, um mich zu veranlassen, einige Worte zu Ihnen zu sprechen; dazu hätten schon die Durchsicht der heutigen Presse und die Anführung des Herrn Abg. Schneider bei Beginn unserer Debatte genügt.

Herr Abg. Schneider hat bemerkt, daß man nach der Er⸗ klärung des Herrn Reichskanzlers zwar noch hätte zweifelhaft sein können über die Absichten der Regierung in Bezug auf die Fort⸗ führung der sozialen Reformen, nach meinen Erklärungen aber sei es unzweifelhaft geworden, daß die Regierung nicht mehr beabsichtige, die Sozialreform fortzuführen. Gleiches liegt in den Aeußerungen verschiedener Preßorgane vor. In der heutigen „Nationalzeitung“ z. B. findet sich der Satz:

Die Erklärung des Ministers lautete bestimmt dahin, daß vorläufig Ruhe auf dem Gebiete der Sozialreform herrschen müsse.

Meine Herren, ich muß behaupten, daß für diese Darstellung in meinen Worten auch nicht der entfernteste Grund zu finden ist. Hier ist offenbar der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen; ich wenigstens habe mich vergeblich bemüht, in meiner Rede auch nur eine Andeu⸗ tung, die zu einer solchen Behauptung berechtigen könnte, zu finden.

Nun, meine Herren, möchte ich Sie doch bitten, bezüglich der gestern und heute hier vielfach erörterten Frage, ob es die Absicht der Regierung sei, mit der Sozialreform, die sie eingeleitet hat, aufzuhören, sich einfach an die Thatsachen zu halten, an die ich Sie erinnern werde. Beim ersten Auftreten hier im Reichtag hat der Herr Reichskanzler Ihnen mitgetheilt, daß die Regierung die Sozialreform fortführen würde, selbstverständlich unter Wahrung des Standpunktes, daß der Industrie nicht Lasten auferlegt werden, die ihr den Wettkampf auf dem Weltmarkt unmöglich machen. Genau dieselbe Erklärung habe ich namens der verbündeten Regierungen hier abgegeben, als Ihnen die Vorlage des sogenannten Arbeiterschutzgesetzes gemacht wurde. In den Worten des Herrn Reichskanzlers kann man also keinenfalls eine Berechtigung für die Annahme finden, daß die Regierungen beabsichtigen, die Sozialreform zurückzuschrauben oder sie fallen zu lassen.

Dann, meine Herren, die Erklärung, die am gestrigen Tage vom Herrn Reichskanzler abgegeben worden ist. Sie enthält den Satz:

Es besteht indessen bei der Königlich preußischen Regierung, über deren Auffassung zur Zeit allein Auskunft gegeben werden kann, kein Zweifel, daß es ihre Aufgabe ist, das Programm, welches der Erlaß Seiner Majestät des Königs von Preußen vom 4. Februar 1890 aufstellt, zur Durchführung zu bringen.

Ich möchte hierbei einen Irrthum des Herrn Abg. Lieber be⸗ richtigen, der annimmt, daß eine programmatische Erklärung des Bundesraths oder der verbündeten Regierungen vorliege. Das ist nicht der Fall. Die Erklärung ist seitens des Herrn Reichskanzlers namens der preußischen Regierung abgegeben und auch ausdrücklich als eine solche bezeichnet worden.

Was ist nun in diesem Satz enthalten? Zunächst das An⸗

erkenntniß, daß der Allerhöchste Erlaß vom 4. Februar 1890 noch

1895.

nicht zur Durchführung gekommen ist; denn sonst könnte nicht die Rede davon sein, daß er zur Durchführung gebracht werden soll. Und zweitens ist darin die Absicht bekundet, den Erlaß zur Durchführung zu bringen.

Daß in Bezug auf die Arbeitervertretung der Allerhöchste Erlaß von 1890 noch nicht zur Durchführung gekommen ist, das kann auch meines Erachtens keinem Zweifel unterliegen, und die Ausführungen, die in entgegengesetzter Richtung gemacht worden sind, halte ich für völlig ver⸗ fehlt. Man hat sich auf die Vertretungen berufen, welche die Ver⸗ sicherungsgesetze und das Gesetz, betreffend die Gewerbegerichte, für die Arbeiter geschaffen haben. Meine Herren, daß diese Vertretungen in dem Allerhöchsten Erlaß nicht gemeint sind und nicht gemeint sein können, das geht schon aus der einfachen Thatsache herbor, daß die Vertretung nach den Versicherungsgesetzen bereits gesetzlich bestand, als der Erlaß erging, und die andere wenigstens in dem Entwurf zu dem Gesetz, betreffend die Gewerbegerichte, den der Bundesrath bereits festgestellt hatte, vorgesehen war. Der Allerhöchste Erlaß vom 4. Februar 1890 hätte eine Arbeitervertretung nicht fordern können, wenn sie bereits in den Versicherungsgesetzen oder anderen Gesetzen genügend gegeben war.

Auf die materielle Seite der Sache will ich jetzt nicht näher eingehen. Mir scheint es außer Zweifel, daß weder die Vertretung der Arbeiter, wie sie in den Arbeiter⸗Versicherungsgesetzen geschaffen ist, noch die Gewerbegerichte den Anforderungen genügen können, die in dem Erlaß vom 4. Februar 1890 gefordert sind nämlich die Formen zu schaffen, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr Vertrauen genießen, an der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten betheiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung mit den Arbeitgebern und den Behörden befähigt werden.

Man hat ferner allerdings nur schüchtern den Versuch gemacht, zu behaupten, daß die Arbeiterausschüsse als eine Lösung der Frage der Arbeitervertretung angesehen werden können. Meine Herren, Sie wissen alle, wie wenig verbreitet dieses Institut in unserm Vaterland ist, und Sie wissen außerdem, daß bisher die Gesetzgebung nicht in der Richtung thätig gewesen ist, Arbeiterausschüsse bei uns einzu⸗ führen und zwar weder obligatorisch noch fakultativ. Denn in den wenigen Bestimmungen der Gewerbeordnung, welche sich mit Arbeiter⸗ ausschüssen beschäftigen, ist lediglich ausgesprochen, daß sie in gewissen Fällen an Stelle der gesammten Arbeiterschaft gehört werden können. Das Gesetz ordnet weder an, wo solche errichtet werden sollen, noch in welcher Weise, noch wie sie fungieren sollen.

Nun hat die Königlich preußische Regierung nach der gestern ab⸗ gegebenen Erklärung sich die Erwägung darüber vorbehalten, zu welcher Zeit, und wie sie diese ihr noch gestellte Aufgabe der Arbeiter⸗ vertretung lösen will. Daraus nun zu folgern, daß die Regierung überhaupt nicht beabsichtigt, diese Frage zu lösen, scheint mir um so weniger gerechtfertigt zu sein, als in derselben Erklärung Ihnen mitgetheilt ist, daß ihr augenblicklich Vorarbeiten vorliegen, die sich auf die Vertretung der Arbeiter beziehen. Die preußische Staatsregierung stellt sich nur, wie gestern ausgeführt ist, den Vorbehalt, daß sie bei jedem Gesetzentwurf prüfen will, ob durch ihn nicht die Machtmittel der sozialdemokratischen Agitation in unzulässiger Weise gestärkt werden. Ich freue mich, konstatieren z können, daß dieser Gesichtspunkt von den Herren Vorrednern als b rechtigt anegkannt ist; sie haben ausgeführt, wie ich das gethan habe daß die Sozialdemokratie der gefährlichste Feind jeder sozialen Refor 1 ist, und daß man sich hüten soll, ihre Machtmittel zu verstärken, damit der Unfug, den sie heute schon anrichtet in der Herabsetzun aller Bestrebungen, die zum Wohle der Arbeiter eingeleitet werden nicht noch verstärkt wird. (Oho! bei den Sozialdemokraten.)

Meine Herren, wenn die Erklärung seitens des Herrn Reichs kanzlers abgegeben ist, daß es nicht die Absicht der Regierung sei, di Sozialreform fallen zu lassen; wenn weiter gestern erklärt worden ist daß Vorarbeiten zur Ausführung des Erlasses vom 4. Februar 1890 der Regierung vorliegen, die der Erwägung unterstehen, daß nur die preußische Staatsregierung es für ihre Pflicht hält, sorgfältig zu prüfen daß nicht eine Verstärkung der sozialdemokratischen Agitation durch die Gesetzgebung herbeigeführt wird so ist es ungerecht und unbillig, darin ein Zurücktreten von der Fortführung der sozialpolitischen Ge setzgebung zu sehen. Nur bezüglich der Zeit und des Modus hat die Königlich preußische Regierung sich ihre Entschließung vorbehalten; und Sie können versichert sein, daß ich sicher am wenigsten geneigt sein würde, einer Politik zu folgen, die das Gegentheil von dem bekundete, was ich bisher vertreten habe. (Sehr richtig!) Der Herr Abg. Dr. Lieber hat zwar nicht Recht in der Annahme, daß die Kaiserlichen Erlasse vom 4. Februar 1890 unter meiner Mitwirkung entstanden seien; ich habe sie vorgefunden, als ich mein Amt antrat, habe aber diese Erlasse angesehen als das Programm, unter dem ich mein Ministerium zu führen habe (Bravo!), und ich bin nicht geneigt, einen Schritt davon abzuweichen. Sie können versichert sein, daß ich in dem Augenblick, wo ich erkennen würde, daß mir das nicht möglich wäre, nicht mehr in der Lage sein würde, von dieser Stelle zu Ihnen zu sprechen. (Lebhafter Beifall.) 3

Abg. Freiherr von Stumm⸗Halberg (Rp.): Es stehen sich zwei grundverschiedene Weltanschauungen diametral gegenüber. Die eine steht auf dem Boden der gegenwärtigen Staats⸗ und Gesellschafts⸗ ordnung, ohne zu verkennen, 8 erhebliche Schäden vorhanden sind, die beseitigt werden müssen. Sie erkennt aber gegenüber diesen Schäden an, daß wir uns in einer Entwicklung befinden, in der ich die sozialen Verhältnisse nicht verschlechtert, sondern gebessert haben. Wir sehen, 2 der Ertrag der Ferlgalücen Leistung steigt, die Kapitalrente ab- nimmt, sodaß infolge dessen Arbeitsertrag und Kapitalertrag sich immer mehr nähern. Die ganze Lage gerade der Lohnarbeiter hat sich in den letzten Jahren wesentlich gehoben, das zeigen unter anderem die Sparkassen. Kein Unbefangener kann leugnen, daß in der That das Wohlergehen der Lohnarbeiter sich gegen früher ganz erheblich ge⸗ bessert hat, daß kein Stand verhältnißmäßig so 1ee; ist, wie

erade dieser. Man kann jetzt mit viel größerem Recht vom Noth⸗ sand des Mittelstandes, der Landwirthschaft, der Bauern sprechen, als vom Nothstand der Arbeiter. Die ganze Argumentation, daß es einen

vierten Stand giebt, ist eine Fiktion. Ich bestreite, daß es nach unseren Gesetzen überhaupt einen vierten Stand giebt. Ich finde keine Grenze 8