1895 / 36 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Feb 1895 18:00:01 GMT) scan diff

daß wir eigentlich mit der Gepäckbeförderung hinter den süddeutschen Bahnen zurückgeblieben wären. Meine Herren, dasjenige, was wir vom Gepäck einnehmen, beläuft sich pro Tonnenkilometer des überhaupt beförderten Gepäcks auf 18 ₰; die süddeutschen Bahnen nehmen pro Tonnenkilometer 35 ₰. Man kann also wohl nicht sagen, daß die preußische Staats⸗Eisenbahnverwaltung sich von den süddeutschen Bahnen in Bezug auf die Beförderung habe über⸗ flügeln lassen. Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.): Herr Broemel hat oirn Dr. Irmer mißverstanden. Dieser hat nur gesagt, einer weiteren Ausdehnung der Vorortstarife auf weitere Strecken müsse man mit voßer Vorsicht entgegentreten. Wir wollen nur keine niedrigeren Tarife, um nicht die Eisenbahnen im Interesse der großen Städte auszubeuten. Im allgemeinen halte ich es für gut, daß hier alle Klagen gegenüber der Eisenbahnverwaltung, die keine Konkurrenz zu fürchten hat, angebracht werden, damit in der Verwaltung keine Stagnation eintritt. Ich möchte aber die Regierung doch auffordern, den einzelnen vorgebrachten Wünschen gegenüber sehr vorsichtig zu sein. Eine Tarifreform, die bessere Zustände herbeiführt, wäre wohl möglich, einen Ausfall in finanzieller Beziehung aber könnten wir nicht verantworten. Die Personentarife sind keineswegs drückend und hindern den Gewerbebetrieb nicht. Wenn Finanznoth herrscht, könnten die Personentarife eher noch eine kleine Erhöhung vertragen. Die Fürsorge für die wirthschaftliche Lage liegt auf anderem Gebiet als dem der Tarife. Mit ganz übermäßigen Ueberschüssen arbeiten die Eisenbahnen auch nicht, andere Gewerbsunternehmungen tragen höhere Zinsen. Im großen Ganzen kann ich erklären, daß der Herr Finanz⸗Minister in seiner Finanzpolitik die Unterstützung meiner Freunde hat. Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Der Herr Abg. Ehlers hat im Anfang seiner Ausführungen Zutreffendes gesagt, ist im zweiten Theil aber nach meiner Meinung nicht logisch fortgefahren, sondern aufs Gegentheil gekommen. Zuerst sagte er: Die Eisenbahn⸗Verwaltung ist ein gewerbliches Unter⸗ nehmen, und es ist vollkommen berechtigt, daß man von einem so großen, auch mit veessentlichen Risiken verbundenen ge⸗ werblichen Unternehmen ganz angemessene Vortheile nimmt. Im zweiten Theil seiner Ausführungen aber sagte er: Reformen, die Einnahmeverluste herbeiführen, kann man dann verantworten, wenn

cher ist, daß sie in einer gewissen Zeit wenigstens keine Verluste bringen. So habe ich ihn wenigstens verstanden. Ich möchte wohl wissen, wie man von so großen durchgreifenden Reformen, wie sie hier im Abgeordnetenhause gewünscht werden, nachweisen kann, daß sie ohne wesentliche Risiken übernommen werden und in kurzer Zeit sich vollständig bezahlt machen können. In Frankreich war vor einigen Jahren das Verlangen nach all⸗ gemeiner Herabsetzung der Tarife, namentlich der Personentarife, und diesem Verlangen konnte dort um so leichter stattgegeben werden, als die großen französischen Eisenbahnen ja Privatunternehmungen sind, der Staat nur insoweit betheiligt ist, als er Garantieverpflichtungen denselben gegenüber hat. Was ist der Erfolg gewesen? Nach allem, was ich über die Sache gelesen habe und zusammengestellt in Sta⸗ tistiken vor mir hatte, ist der Erfolg allerdings im Anfang eine bedeutende Steigerung des Verkehrs gewesen, aber auch in dieser Anfangszeit ein erheblicher Verlust an Ueber⸗ schüssen, weil die Ausgaben in einem viel stärkeren Verhältnisse stiegen als die Einnahmen. Nachher haben aber auch die Mehreinnahmen wieder nachgelassen; die Neuigkeit war von der Sache fort, und die erhoffte bedeutende Steigerung des Verkehrs ist auch nicht eingetreten.

Nun, wenn hier eine große durchgreifende Reform nach ganz neuem System verlangt wird und es scheint doch so; im allgemeinen diskutieren wir ja hier Doktorfragen, weil wir gar kein bestimmtes Programm einer Reform vor uns haben; und wir wissen es eigentlich nicht genau, warum wir diskutieren (Heiterkeit), ich weiß es wenigstens nicht aber wenn wir ein solches bestimmtes Programm hier vor uns hätten, so wäre mir noch zweifelhaft, ob überhaupt in diesem Hause über ein solches Programm, abgesehen selbst von den finanziellen Bedenken, eine Einigung zu erzielen wäre. Die landwirthschaftlichen Interessen werden die Reformen verlangen, die den landwirthschaftlichen Interessen günstig sind. Die Kohleninteressenten werden natürlich die Tarif⸗ herabsetzung für Kohlen verlangen. Aber selbst die Eisenindustrie, sonst verbündet mit den Kohleninteressenten, wird schon das Bedenken haben, welches mir damals, als diese Forderung wegen Herabsetzung der Kohlentarife stark auftrat, sehr gewichtige Herren aus der Eisen⸗ industrie gesagt haben: Ja, das Versenden der Kohle allein aus unseren Revieren auf weite Entfernungen, das ist kein be⸗ sonderes Interesse für uns, denn dadurch würden ja höchstens die Koblenpreise steigen, weil die Nachfrage sich auf eine größere Ent⸗ fernung erstrecken würde. Ich weiß also noch nicht, ob überhaupt irgend ein Reformprogramm auf eine Mehrheit rechnen kann.

Aber, meine Herren, daß ein solches Programm eine Mehrheit dann nicht fände, wenn in keiner Weise sicher stände, welche finanziellen Risiken damit verbunden sind, und wenn dies auch gar nicht einigermaßen klar gemacht werden kann, darüber ist mir nach dieser Diskussion in diesem hohen Hause wohl kein Zweifel. Ich glaube daher, daß die Politik, die bisher die Königliche Staatsregierung in dieser Beziehung befolgt hat: in einer solchen finanziellen Lage; in der wir uns gegenwärtig befinden, die größte Vorsicht auch auf diesem Gebiet gegenüber drohenden Ein⸗ nahmeverlusten oder der Steigerung der Ausgaben anzuwenden, im großen und ganzen auch in diesem Hause gebilligt wird.

Meine Herren, mit dem Herrn Abg. Broemel mit dessen Aus⸗ führungen ich in manchen Beziehungen einverstanden bin, namentlich auch mit seiner Ansicht, daß man in dieser Beziehung vorsichtig vor⸗ gehen müsse, daß man erst Versuche machen müßte, und daß, wenn man nicht zu solchen Versuchen übergeht, es dann allerdings bedenk⸗ lich wäre, vellständig systematische Aenderungen im Tarifwesen herbeizuführen mit dem Herrn Abg. Broemel bin ich auch in dem Punkte einverstanden und ich gehe in dieser Beziehung vielleicht nicht so weit, wie der Herr Graf von Limburg⸗Stirum daß es höchst bedenklich ist, in allzu hohem Maße bei der Deckung der Staatsbedürfnisse auf die Betriebseinnahmen der Eisenbahnen zu rechnen, und daß wir vielleicht jetzt schon an die äußerste Grenze ge⸗ kommen sind, wo es rationell wäre, die Eisenbahnüberschüsse nicht weiter zu den allgemeinen Staatsausgaben zu verwenden. Ich habe es immer bedauert, daß man seit der Verstaatlichung der Eisenbahnen in zu hohem Maße staatliche Ausgaben auf die Ueberschüsse der Eisenbahnen basiert hat. Aber ich sage bier einfach Folgendes: das ist einmal geschehen und ist nicht wieder rückgängig zu machen.

Meine Herren, in den Kommunalverwaltungen sieht man häufig

genau dieselbe Entwickelung. Man schiebt sich um die in einer ge⸗

gebenen Zeit eigentlich finanziell und wirthschaftlich unvermeidliche Erhöhung der Steuern herum; man persucht möglichst die Ausgaben auf die Zukunft abzuwälzen durch Anleihen, und, soweit das auch nicht geht, greift man auf die Betriebsunternehmungen der Gemeinden und steigert sie häufig auch in zu hohem Maße. Diese Politik haben wir verfolgt, und niemand, der damals mitgewirkt hat, kann sich der Verantwortlichkeit entziehen. Wir haben unseren Ausgabe⸗Etat in viel zu hohem Maße erhöht, ohne an die entsprechenden Einnahmeerhöhungen sicherer Natur zu denken, d. h. an Steuererhöhungen. Das ganze Haus hat daran theilgenommen, wenigstens diejenigen Herren, die damals mitwirkten. Ich spreche die Staatsregierung durchaus nicht frei. Meine Vorgänger und die Vor⸗ gänger des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten haben vielleicht wenigstens nicht nach meinen Auffassungen diese bedensliche Entwickelung in genügendem Maße verhindert. Es ist ja immer viel leichter, sich alle möglichen Ausgaben zu erlauben und die Folgen nicht fühlbar zu tragen, sondern diese Ausgaben zu verweisen auf sehr un⸗ sichere Betriebsüberschüsse. Man kommt eher unwillkürlich zu einem solchen System, das allen Menschen angenehm ist. Deswegen bemühe ich mich nach diesen langjährigen Erfahrungen, überall gesetzliche Schranken für die Regierung sowohl wie für die Landtage in Beziehung auf die Finanzpolitik herbeizuführen und nicht alles von den augenblicklichen Stimmungen und Wünschen aller mög⸗ lichen Interessenten oder auch der öffentlichen Meinung und den Anschauungen der jeweiligen Minister abhängig zu machen. Aber wir müssen jetzt mit der vorhandenen Thatsache rechnen. Wir haben unser Schulgeld freigegeben auf die Eisenbahnüberschüsse hin; wir haben die beiden untersten Stufen der Klassensteuer auf⸗ gegeben auf die Eisenbahnüberschüsse; wir haben 18 Millionen Be⸗ amtengehaltserhöhungen eintreten lassen auf die Eisenbahnüberschüsse. Wir haben die Ausgaben für die beiden Kirchen, namentlich die evangelische Kirche, erheblich gesteigert auf die Eisenbahn⸗ überschüsse hin; wir haben die Ausgaben für die Schule um fast 50 Millionen erhöht auf die Eisenbahnüberschüsse hin. Ich könnte diese ganze Litanei noch lange fortsetzen. Meine Herren, können wir diese Ausgaben jetzt wieder los werden? Ich fordere immer auf: zeigt mir die Ausgaben, die erspart werden können. Sie werden mir aber nicht gezeigt; im Gegentheil, es wird hier aus dem Hause noch fortwährend weiter gedrängt auf neue Aus⸗ gaben. Steuern sollen auch nicht bewilligt werden; (Heiterkeit) ja, was bleibt denn anders übrig, als entweder jahraus, jahrein von Anleihen zu leben oder aber auf die Eisenbahnüberschüsse zu rekurrieren? Da ich nun keinen anderen Weg finde, als die Finanz⸗ lage einigermaßen durch Heranziehung der Eisenbahnüberschüsse zu decken, so werden die Herren Abgg. Broemel und Ehlers mir zugeben, daß man denn doch in einer solchen Lage besonders vor⸗ sichtig sein muß, an den vorhandenen Einnahmen zu rütteln. Kann mir eine Reform gezeigt werden, die nothwendig und nützlich ist, und wo es sich um geringere Summen von möglichen Verlusten handelt, oder kann mir eine Reform gezeigt werden, wo das Erhalten der Ueberschüsse wenigstens höchstwahrscheinlich, nach allen Umständen anzunehmen ist, dann wird die Finanzverwaltung keinen Widerspruch erheben. Aber leider, bei den meisten Vorschlägen läuft man ein großes Risiko nicht bloß, sondern geht für eine lange Reihe von Jahren aller Wahrscheinlichkeit nach sehr erheblichen Verlusten entgegen.

Der Herr Abg. Ehlers hat in seiner ganzen Diskussion offenbar die Befürchtung gehabt, daß auch in diesem Falle sich wieder zeigen möchte, wie durch die bisherige Finanzpolitik des Reichs alle großen Bedürfnisse, die in den Einzelstaaten zu befriedigen sind, nicht in vollem Maße ihre Befriedigung finden können. Diese Schlußfolgerung hat der Herr Abgeordnete von sich abweisen wollen aus mir ganz verständlichen Gründen. Aber es muß das Bewußtsein mehr und mehr in das ganze Volk dringen, daß es sich bei diesen Forderungen der verbündeten Regierungen nicht um eine willkürliche fiskalische Politik handelt, sondern daß es sich um eine Nothwendigkeit handelt (sehr wahr! bei den National⸗ liberalen), daß wir sonst allerdings in unseren wirthschaftlichen und sozialen Fortschritten in Rückstand gerathen (sehr richtig! bei den Nationalliberalen), daß es sich also hier um wahrhaft soziale Fragen, von der großen nationalen Frage garnicht zu sprechen, handelt. Es müssen diejenigen, die sich beengt fühlen durch die zurückhaltende Finanzpolitik des Staats auf allen Gebieten, sich klar machen: nicht der jeweilige Finanz⸗Minister hat daran Schuld, sondern die ganze Finanzlage, die ihm nicht zur Last zu legen ist, sondern die durch die bisherige Entwickelung entstanden ist. Stellen Sie heute an meine Stelle einen anderen Finanz⸗Minister, so bin ich überzeugt, er wird genau dieselbe Finanzpolitik führen müssen, soweit ihm nicht ander⸗ weitige Hilfe kommt. (Bravo!)

Abg. Dr. Paasche (nl.): Eine Reform wäre wohl auch durch⸗ führbar ohne durchgehende Verbilligung der Tarife. Auf einer Seite könnte man die Tarife verbilligen, auf der anderen erhöhen. Personen⸗ und Gütertarife sind verschieden zu beurtheilen. Eine wesent⸗ liche Verbilligung der Personentarife würde ein großes Risiko in sich schließen. Anders steht es mit den Gütertarifen. Die Tarife für Produkte, welche die Landwirthschaft braucht, wie Kainit u. s. w., sind zu hoch. Es müßten die Artikel zur Tarifverbilligung herausgesucht werden, die die meiste Ver⸗ breitunz zum Besten der Landwirthschaft verdienen, dann werden sie auch mehr verbraucht werden, und die Einnahmen werden nicht zurück⸗ gehen. Die Personentarife halte ich für angemessen, würde auch eine Erhöhung nicht für völlig ausgeschlossen halten. Für die Vororts⸗ und Arbeiterzüge dürfte eine Erhöhung allerdings nicht eintreten, andererseits aber dürfen wir nicht Deutschland zu einer großen Stadt machen. Wir wollen den Mittelstand schützen; den Zweck erreichen wir nicht, wenn wir den Zonentarif wie in Ungarn ein⸗ führen. Dort haben die Geschafte in den großen Städten guten Absatz, während sie in den kleinen Städten darniederliegen. Dies würde bei uns in ähnlicher Weise eintreten. Der Herr Minister meinte, man wäre mit dem Bau der Sekundärbahnen nahezu am Ende; gerade in Zeiten der wirthschaftlichen Depression sollte der Staat möglichst viel bauen, auch wären besonders für die Landwirthschaft im Osten weitere Sekundärbahnen von hohem Werth; Kleinbahnen ge⸗ nügen dort nicht.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! In der auf Erfahrung beruhenden Furcht vor Legendenbildung möchte ich wenigstens einer Bemerkung des Herrn Vorredners sofort entgegentreten. Er hat gesagt, ich wäre der Meinung, daß jetzt die Tertiärbahnen an Stelle der Sekundärbahnen treten könnten und daß ein Platz für Sekundär⸗

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bahnen nicht mehr vorhanden sei. Nun habe ich SeS gerade das Gegentheil gesagt; ich habe ausdrücklich betont: wenn sich auch in Zukunft ein wirthschaftliches Bedürfniß herausstellt, welches in anderer Weise wirklich zweckmäßig nicht befriedigt werden kann, wird auch in Zukunft die Finanzverwaltung sich keineswegs dem Bau von Sekundärbahnen widersetzen. Ich habe mich sogar darauf be, rufen, daß an das Haus nächstens eine Anleiheforderung kommen wird, mit welcher Sekundärbahnen gebaut werden sollen. Ob die Sekundärbahnen, die da gefordert werden, der Meinung des Herrn Vorredners genügen, können wir ja später besprechen, und ob die Eisenbahnverwaltung in der Lage gewesen ist, mehr Pro⸗ jekte vorbereitet zu haben, darüber wird der Herr Minister sich selbst

äußern. Aber dabei bleibe ich stehen, daß der Gedanke, daß ein⸗

Reihe von Linien auf dem Wege von Sekundärbahnen nicht zwet.

mäßig ausgebaut werden können, sondern besser auf dem Weze de

Tertiärbahnen, der eben zur Belebung dieses Tertiärbahnbaues geführ

hat und zu dem Erlaß eines besonderen Gesetzes durchaus zutreffend ist. Ich bleibe zweitens dabei stehen, daß das Bedürfniß nach Sekundärbahnen mit dem fortschreitenden Bau derselben naturgemäß abnimmt und gegen die Vergangenheit schon erheblich abgenommen hat.

Was nun das Beispiel betrifft, welches der Herr Vorredner hier entgegengehalten hat, so kann ich es garnicht anders auffassen, als daß gerade in diesem Falle eine Tertiärbahn allein angebracht wäre. Denn wenn eine Zuckerfabrik mit der Hauptlinie verbunden werden sollk, so baut man in den meisten Fällen zweckmäßig, rationell und ökonomisch nicht eine Sekundärbahn, sondern eine Tertiärbahn.

Meine Herren, naturgemäß baut der Staat überhaupt theurer auf allen Gebieten, nicht nur auf dem Eisenbahngebiet. Das hängt mit der ganzen Organisation der Staatsverwaltung, mit der Nor⸗ mierung der Gehälter, der Dominierung von Normalien u. s. w. zusammen. Daraus kann man gar keinen Vorwurf machen, und ich bin der Meinung, daß es gerade ein Vorzug der Tertiärbahnen ist, daß sie von Privaten gebaut werden, und daß nicht überall die Normalbestimmungen der Staatsbahnen auf sie angewandt werden. Ich bleibe daher bei meiner Meinung, daß allerdings in Zukunft die fortschreitende Entwickelung unseres Eisenbahnwesens mehr auf dem Gebiete der kleinen Bahnen liegt und nicht auf dem Gebiete der größeren Verkehrsmittel.

Abg. Schmieding (nl.): Ich habe keineswegs den Herrn Minister zu einer ungesunden Finanzpolitik anregen wollen, sondern nur vor übertriebener Sparsamkeit gewarnt. Wohin soll es kommen, wenn das Reich bei seinem jetzigen Verfahren verharrt? Ich verlange ein Garantiegesetz, in welchem festgelegt wird, welche Summen der Einnahmen zu Eisenbahn⸗ und welche zu allgemeinen Staatszwecken verwandt werden sollen.

Abg. Freiherr von Eckardstein (b.⸗ k. F.) bittet, die Vorsrtzüge von Berlin nach Straußberg durchzuführen und nicht ein Umsteigen in Lichtenberg nöthig zu machen.

Abg. Dr. Enneccerus bringt den Umstand zur Sprache, daß im Rundreiseverkehr nach Italien die dortige I1“ die Bezahlung der auf ihr Gebiet fallenden Strecke in Gold verlange, während man in Italien selbst das Billet mit Papiergeld bezahlen könne. Der Reisende werde dadurch um den Unterschied des Werths zwischen deutschem Gold und italienischem Papier geschädigt.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Ulrich räth, daß die Reisenden Rückfahrtkarten⸗bis zur Grenze lösen und dort für italienisches Papier⸗ geld neue Billets nehmen sollten.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum macht unter der Heiterkeit des Hauses darauf aufmerksam, daß man sich bei der Berathung der FReener eif befinde und hier doch nicht ein Eisenbahn⸗Auskunfts⸗

ureau sei.

Die Abgg. Dr. Eckels und von Eynern (beide nl.) bitten um TC“ der Handhabung und der Lösung von Rundreisebillets.

Abg. von Buch (kons.) räth zur gänzlichen Abschaffung dieser Art von Billets. 1 3 3 8

Graf Moltke (fr. konsv.): Die Stadt Elmshorn sei im letzten Jahre in Bezug auf ihre Verkehrsverhältnisse vernachlässigt worden, da die die Stadt von Norden und Süden passierenden Schnellzüge dort theils gar nicht, theils nur so lange hielten, als eben Zeit zum Ein⸗ und Aussteigen nöthig sei. Elmshorn sei aber der Mittel⸗ punkt eines großen Wirthschaftsgebietes, es vermittele den ganzen Verkehr zwischen Geest und Marsch. Er wolle daher das schon früher im Hause angeregte Bahnprojekt Elmshorn— Oldesloe wieder empfehlen. Von Elmshorn nach Barmstedt würde jetzt die Bahnstrecke von einer Privatgesellschaft ausgebaut. So lange aber nicht die Hauptlinie bis Oldesloe vorhanden sei, bleibe jene nur ein Torso. Für Elmshorn sei es eine Lebensfrage, Mittelpunkt einer Bahn zu werden, die das westliche mit dem östlichen Holstein verbinde.

Die weitere Berathung wird um 3 ³¾ Uhr auf Sonn⸗ abend 11 Uhr vertagt.

Handel und Gewerbe

Mannheim, 8. Februar. (W. T. B.) Wie die „N. Bad. Landesztg.“ meldet, beschloß eine heute Nachmittag stattgehabte Generalversammlung der Portlandzementwerke in Heidel⸗ berg, vormals Schifferdecker, trotz des großen Brandes in den Werken eine sofort zahlbare Dividende von 8 % zu vertheilen und die Werke an dem früheren Platze wieder aufzubauen. Das Gesuch der Stadt, die Werke an einem anderen Platze zu errichten, soll in Erwägung gezogen werden. Da 800 Arbeiter durch den Brand brotlos geworden, verzichtete der Aufsichtsrath auf die Tantièêmen. New⸗York, 8. Februar. (W. T. B.) Die Börse eröffnete träge, schwächte sich im weiteren Verlauf ab und schloß im allgemeinen schwach. Der Umsatz der Aktien betrug 124 000 Stück. 1 Weizen eröffnete fest, stieg einige Zeit nach Eröffnung infolge reger Kauflust und großer Käufe, sowie infolge ungünstiger Wetter⸗ berichte, schwächte sich dann ab und fiel entsprechend der Mattigkeit in Mais. Schluß schwach. Mais anfangs steigend infolge un⸗ bedeutender Ankünfte, sank später auf günstige Wetterberichte aus dem Westen und erwartete Zunahme der Ankünfte. Schluß träge. Waarenbericht. Baumwolle, New⸗York 5 ½, do. New⸗Orleans 5 16, Petroleum behauptet, do. New⸗York 5,95, do. Philadelphia 5,90, do. rohes 6,80, do. Pipe line cert. p. Februar 103, Schmalz West. steam 6,90, do. Rohe & Brothers 7,15, Majs willig, do. p. Februar —, do. p. März —, do. p. Mai 49, Weizen willig, rother Winterweizen 58 ½, do. Weizen p. Februar 57, do. p. März 57 ⅛, do. p. April —, do. p. Mai 58 %, Getreidefracht nach Liverpool 1 ¾, Kaffee fair Rio Nr. 7 16 do. Rio Nr. 7 p. März 14,50, do. do. p. Mai 14,20, Mebl⸗ Spring eclears 2,40, Zucker 211⁄16, Kupfer 10. Süaa es Pütne. Neese. ernüch Zufuhren in allen Unions⸗ häfen 146 000 Ballen, Ausfuhr nach Großbritannien 79 000 Ballen, Ausfuhr nach dem Kontinent 84 000 Ballen, Vorrath 954 000 Baleen. Chicago, 8. Februar. (W. T. B.) Weizen stieg einige Zeit nach Eröffnung infolge schlechten Wetters im Süden und anläßlich ausländischer Käufe, fiel aber später auf Grund ausgedehnter Reali⸗ sierungen und wegen des Mißlingens der Bondsausgabe. Schluß träge. Mais ging infolge fester Kabelberichte anfangs höher, spater trat auf große Verkäufe und Verkaufsordres Reaktion ein. Schluß träge. 3 Weizen pr. Februar 50 ½, pr. Mai 53 ½. Mais pr. Februar 42 ½. Speck short clear nomin. Pork pr. Februar 9,95

zum Deut

der in den deutschen Münzstätten bis Ende J

Zweite Beilage

9. Februar

Uebersicht

en Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi

anuar 1895 vorgenommenen Ausprägungen von Reichsmünzen.

1) Im Monat Januar —— Goldmünzen

Silbermünzen

rmünzen

Nickelmüͤnzen

Halbe Kronen

1895 sind geprägt Doppel⸗

worden in: kronen

Kronen

Hiervon auf

Privat⸗

rechnung

Fünf⸗ Zwei⸗ Ein⸗ Fünfzig⸗ Zwanzig⸗ markstücke markstücke markstücke pfennigstuͤcke pfenrigstüce

Zwanzig⸗ pfennigstück

Zehn⸗ Fünf⸗ Zwei⸗ Ein⸗ pfennigstücke pfennigstücke pfennigstücke pfennigstücke

11“ ebu 34 1 N;

3 615 840 2 263 000 2 021 160

EEE1111“X“” München ... Muldner Hütte Stuttgart Karlsruhe Hamburg

3 615 * 550 000 2 263 000 2 021 160

401 530

28 495 66 2 766 78 1840—

12 000—- 1500,— 4 938 75

4 000— 10 000

Summe 1. 7 900 000

8 NN oo * Vorher waren geprägt⸗).2 329 700 360537 402 79027 969 925,1572310060 84 372 480,111 966 266,184 992 554

951 53 71 486 552

5 005 860*8

v0505— 6 213 207 ,44

5252119

8

1 35 000— 8 b

V 6 447 536 ,38

b 31 261 8 16 164 417 55

3) Gesammt⸗Ausprägung 2 337 600 3508537 702 790 27 960 925 1580570060 85 527 0108117 965 560 184 992 554

4) Hiervon sind wieder eingezogen 5) Bleiben

1 434 100% ꝑ2 190 680 10 575 2 336 166 260[535 212 110[27 959 350 2 899 337720

.*) Vergleiche den „Reichs⸗Anzeiger“ Berlin, den 8. Februar 1895. 1

m 11. Januar 1895, Nr. 9.

10 065 11 3766 11 894 4 572 50

289 552 2'855

5 299 077 57 40/84 3784

005 880 80 15 2213 55

39

31 261 081 80 6 213 207,44

1 795

85 313 9451111 954 8901184 980 660

71 881 979 50 22558 5 005 8280

[ES EE

476 445 059,30

Hauptbuchhalterei des Reichs⸗Schatzamts. Biester.

52 477 945,35 12 712 206,33

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Die preußische Hauptverwaltung der Staatsschulden. *) III.

Ein besonderer Abschnitt der Gedenkschrift beschäftigt sich mit der Stellung der Staatsschuldenkommission. Ueber das Anwachsen der Staatsschuld und die Entwickelung zu ihren heutigen Formen werden, da hierüber erschöpfende Darstellungen in der Literatur bereits vor⸗ handen sind, nur diejenigen Vorgänge und Maßregeln angeführt, durch die der Geschäftsumfang der Hauptverwaltung der Staatsschulden und ihr Beamtenpersonal nach und nach auf den heutigen Stand gebracht worden sind. Die Vorgänge, die vom Jahre 1850 ab fort und fort den Geschäftsumfang der Behörde vermehrt haben, sind folgende: Im Jahre 1852 wurde die Staatsdruckerei unter die Leitung der Hauptverwaltung der Staatsschulden gestellt; dieses Verhältniß be⸗ stand bis zum Jahre 1866. In der Zeit von 1848 bis 1869 wurden 19 einzelne Anleihen zum Gesammtbetrage von rund 315 Millionen Thaler aufgenommen und der Hauptverwaltung der Staats⸗ schulden zur Verwaltung überwiesen. Durch Gesetz vom 29. Februar 1868 wurden die Schuͤlden der 1866 neu er⸗ worbenen Landestheile als Schulden der Monarchie übernommen; ihr Bestand belief sich in 72 einzelnen Schuldposten auf rund 78 765 000 Thlr.; zugleich wurde die Zuständigkeit der Hauptverwal⸗ tung der Staatsschulden zur Feststellung noch illiquider Provinzial⸗ Staatsschulden auch auf die neuen Landestheile ausgedehnt. Die als Staatsschulden anerkannten Schulden der vormals Freien Stadt Frankfurt wurden der Hauptverwaltung der Staatsschulden durch das Gesetz vom 5. März 1869 zur Verwaltung übertragen; es handelt sich hier um sechs verschiedene Anleihen, die sich Ende 1869 ins⸗ gesammt noch auf 13 569 800 Fl. = rund 7 754 171 Thlr. beliefen. Für die hannoverschen Schulden wurde durch das Gesetz vom 11. Fe⸗ bruar 1869 als Tilgungsmodus die Verloosung und Rückzahlung zum Nennwerth festgesett. Der im Jahre 1873 veröffentlichte Bericht des Finanz⸗Ministers an Seine Majestät den Kaiser und König über die Finanzverwaltung Preußens in den Jahren 1870 bis 1872 gipfelte in dem Nachweis, daß das preußische Staatsschuldenwesen nach zwei Seiten hin einer Reform fähig und bedürftig sei: 1) nach der Seite der Unifikation, 2) nach der Richtung hin, daß dem Staat in Bezug auf die Schuldentilgung eine freiere Bewegung ermöglicht werde, derart, daß die Höhe der in jedem Jahr zur Schuldentilgung zu verwendenden Summen nach der jeweiligen Finanzlage und nach dem Maße der dazu verfügbaren Mirtel bestimmt werden kann. Diese Erwägungen führten zum Erlaß des Gesetzes, betreffend die Konsoli⸗ dation preußischer Staats⸗Anleihen, vom 19. Dezember 1869, durch welches für 17 theils 4 ½, theils 4 % Staats⸗Anleihen, die sich noch insgesammt auf 223 407 125 Thlr. beliefen, die Um⸗ wandlung in eine einheitliche konsolidierte 4 ½ % Staats⸗Anleihe angebahnt wurde. Für die neue Anleihe wurde der Cha⸗ rakter als Rentenschuld festgestellt und eine Verpflichtung zur Tilgung den Gläubigern gegenüber nicht eingegangen. Die Durchführung der damit eingeleiteten umfangreichen Finanz⸗ Operation hat sich durch mehr als zwei Jahrzehnte hingezogen. Das Gesetz von 1869 bestimmte in § 7, daß spätere Anleihen mit der konsolidierten Anleihe vereinigt werden könnten; in der That sind seit jener Zeit neue Anleihen ausschließlich in der Form der Emission von Schuldverschreibungen der konsolidierten Anleihe realisiert worden. Nach Gründung des Deutschen Reichs wurden für die preu⸗ ßische Staatskasse erhebliche außerordentliche Geldmittel verfügbar, von denen in den Jahren 1872 bis 1874 rund 254 599 000 zur außerordentlichen Tilgung von verzinslichen Staatsschulden verwendet wurden; hierdurch wurde eine erhebliche Verein⸗ fachung der Staatsschulden⸗Verwaltung herbeigeführt, indem außer Resten älterer preußischer Anleihen eine große Anzahl von einzelnen Schuldtiteln, die mit den neuen Provinzen über⸗ nommen waren, beseitigt wurden. Ueber die mit dem Erwerb der rivateisenbahnen seit den 1870 er Jahren nothwendig verbundene Er⸗ öhung der Staatsschuld wird angeführt: Wenn auch nebenher noch zu verschiedenen anderen Zwecken Anleihen aufgenommen wurden, so wurde doch wesentlich durch den Erwerb der Privatbahnen und durch den Ausbau zahlreicher neuer Eisenbahnlinien als Staatsbahnen das Anwachsen der preußischen Staatsschuld bedingt, die am 31. Dezember 1875 noch sich auf nur 889 061 164 belief und bis zum 31. März 1891 auf 5 662 918 793 gestiegen war. Nach Beendigung des rieges von 1870/71 trat ein ziemlich stetiges Sinken des insfußes ein, welches bei der Ausgabe neuer Konsols in etracht kam; es wurden von 1876 ab mit 4 % verzinsliche, vom Sommer 1885 ab mit 3 ½ % verzinsliche und seit dem Herbst 1890 mit 3 % verzinsliche Konsols emittiert. Die 4 ½ % Konsols wurden durch Gesetz vom 4. März 1885 in 4 % konvertiert. eiter wird der neuen Aufgaben gedacht, die der Hauptverwaltung der Staatsschulden aus der Hinterlegungs⸗Ordnung vom 14. März 9 und durch die Einrichtung des Staatsschuldbuchs auf Grund des Gesetzes vom 20. Juli 1883 erwachsen sind. Einen weiteren sehr erheblichen Zuwachs von Geschäften hat die Hauptverwaltung der Staatsschulden dadurch erhalten, daß ihr durch Bundesgesetz vom Juni 1868 auch die Verwaltung einer damals aufzunehmenden Zundes⸗Anleihe übertragen wurde wie es im § 1 des Gesetzes heißt „bis zum Erlaß eines definitiven Gesetzes en- die Bundesschulden⸗Verwaltung“. Ein weiteres orga⸗

Vergl. Nr. 34, Erste Beilage und Nr. 35, Zweite Beilage.

nisches Gesetz über die Bundes⸗(Reichs⸗) Schulden⸗Verwaltung ist bis jetzt nicht erlassen worden. Es wurde vielmehr in allen folgen⸗ den Anleihegesetzen des Bundes, demnächst des Reichs, bestimmt, daß die Anleihen von der Preußischen Hauptverwaltung der Staats⸗ schulden nach den Vorschriften des Gesetzes von 1868 zu verwalten seien. Durch das Reichsgeset vom 30. April 1874 wurde der Be⸗ hörde die Ausfertigung der Reichskassenscheine unter der Benennung „Reichsschulden⸗Verwaltung“ übertragen. Die Hauptverwaltung der Staatsschulden bedient sich bei der Verwaltung der Reichsschuld durchweg der Firma „Reichsschulden⸗Verwaltung“’. Durch Gesetz vom 31. Mai 1891 wurde auch ein Reichsschuldbuch errichtet. Die Bewegungen der preußischen Staatsschuld und der Schuld des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs werden in einer Tabelle dargestellt, die für Preußen bis 1848 zurückreicht. Die preußische Staatsschuld belief sich am 31. März 1894 auf 6 368 098 953 ℳ; am 30. September 1894 waren ins Staatsschuld⸗ buch eingetragen 973 262 900 auf 16 690 Konten. Die Schuld des Deutschen Reichs betrug am 31. März 1894 2 035 714 500 ℳ; am 30. September 1894 waren in das Rei sschuldbuch eingetragen 176 961 100 auf 1949 Konten. m Jahre 1884 wurde die Zahl der Mitglieder der Hauptverwaltung der Staatsschulden nach Aenderung des Gesetzes von 1850 auf 5 erhöht. Nach ihrer Errichtung im Jahre 1820 hatte die Hauptver⸗ waltung der Staatsschulden ihre Geschäftsräume, wie schon erwähnt, zunächst im Seehandlungsgebäude an der Ecke der Jäger⸗ und Markgrafenstraße in Berlin. Als diese Räume sich zu eng erwiesen, wurden anliegende Grundstücke in der Markgrafenstraße und Taubenstraße erworben und für die Zwecke der Bebörde umgebaut. Dort verblieb die Hauptverwaltung der Staatsschulden, bis 1851 in Ver⸗ bindung mit der Errichtung der Staatsdruckerei ein neues Dienstgebäude für diese Behörde in der Oranienstraße Nr. 92 94 zu erbauen beschlossen wurde; hierbin siedelte sie im Jahre 1854 über und hat dort noch heute ihre Geschäftsräume. Als nämlich im Jahre 1879 die Staats⸗ druckerei und der ganze Grundstückskomplex in der Oranienstraße in das Eigenthum des Reichs überging, wurde vertragsmäßig festgestellt, daß die Königlich preußische Haupiverwaltung der Staatsschulden in der unentgeltlichen Benutzung ihrer Dienst⸗ und Dienstwohnungsräume verbleibt, solange die Königlich preußische Staatsregierung dies für angemessen erachtet. Ein weiterer besonderer Abschnitt ist der Thätig⸗ keit der Staatsschulden⸗Kommission gewidmet. In welcher Weise die Staatsschulden⸗Kommission ihre regelmäßige, fortlaufende Thätig⸗ keit ausgeübt hat, wird durch ihren neuesten Bericht vom 5. März 1894 gekennzeichnet; auch werden die besonderen Fragen, welche die Kommission in ihren Berichten an die Häuser des Landtags erörtert, und die Bemerkungen, die sie im Sinne des § 14 des Gesetzes vom 24. Februar 1850 gemacht hat, im einzelnen dargestellt. Dieser § 14 bestimmt in seinem zweiten Theile: „Die Staatsschulden⸗ Kommission ist befugt, über alles, was den Bestand, die Verzinsung und Tilgung der Staatsschuld sowie die Verwaltung der der Hauptverwaltung überwiesenen Fonds betrifft, von der letzteren Auskunft zu erfordern und derselben ihre Bemerkungen und Ansichten zur Beschlußnahme mitzutheilen.“ Der letzte Abschnitt der Schrift handelt von dem Personal der Hauptverwaltung der Staatsschulden, von der Geschäftsvertheilung und den Verwaltungs⸗ kosten. Der nach dem ersten Präsidenten von Rother an die Spitze der Hauptverwaltung der Staatsschulden tretende Direktor Natan verblieb bis zu seinem Tode am 19. Januar 1861 im Amt. Sein Nachfolger wurde der Regierungs⸗Präsident von Wedel, der das Amt gleichfalls bis zu seinem Tode am 24. Mai 1874 verwaltete. Ihm folgte der Regierungs⸗Präsident Graf zu Eulenburg in Marienwerder; auch er starb im Amt am 17. April 1879. Sein Nachfolger, der Unter⸗Staatssekretär im Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegen⸗ heiten Dr. Sydow, erhielt den Amtscharakter als Präsident; er trat am 1. April 1892 in den Ruhestand. Am 18. Januar 1892 wurde der Regierungs⸗Präsident von Hoffmann zu Aachen der Verfasser der dieser Darstellung zu Grunde gelegten, nach dem urkundlichen Material mit großer Gründlichkeit bearbeiteten Gedenkschrift mit dem Amtscharakter als Präsident und dem Rang eines Raths erster Klasse an die Spitze der Hauptverwaltung der Staatsschulden gestellt, die seiner Leitung noch gegenwärtig untersteht. Das Kollegium der Hauptverwaltung der Staats⸗ schulden besteht aus einem Präsidenten und fünf Mitgliedern, von welchen drei voll besoldet sind und ausschließlich der Haupt⸗ verwaltung angehören, eines nebenamtlich fungiert und eines, der Appellationsgerichts⸗Rath a. D., Geheime Justiz⸗Rath und Ordentliche Honorar⸗Professor an der Universität Berlin Dr. von Cuny, seine Stelle als unbesoldetes Ehrenamt be⸗ kleidet. Die Zahl der Bureau⸗, Kassen⸗ und Unterbeamten ist im Laufe der Jahrzehnte erheblich angewachsen. Im Jahre 1851 waren beschäftigt 45 Bureau⸗ und Kassenbeamte und 13 Unterbeamte, 1871 72 Bureau⸗ und Kassenbeamte und 18 Unterbeamte, 1894 140 Bureau⸗ und Kassenbeamte und 28 Unterbeamte. Die Geschäfte der Hauptverwaltung der Staatsschulden sind gegenwärtig im allgemeinen nach folgenden Gesichtspunkten vertheilt: 1) Die Kontrole der Staatspapiere bearbeitet unter Leitung und nach den Anweisungen der Hauptverwaltung alles, was sich auf die Herstellung und Ausfertigung der Schuldurkunden des

Staats und des Reichs, ferner ihre Ausreichung, die Kontrolierung in ihrem Umlauf, die Aufbewahrung und demnächst die Vernichtung

Staats⸗

eingelöster Schuldverschreibungen bezieht. 2) Die .8 esetze,

schulden⸗Tilgungskasse hat alle durch die die Etats und besondere Anweisungen zur Verzinsung und Tilgung der Schulden des Staats und des Reichs bestimmten Einnahmen einzuziehen und die Ausgaben zu leisten, . .. auch die Zinsen für die Schuldbuchforderungen nach den im Schuld⸗ buchbureau aufgestellten Listen zu zahlen und gekündigte Obli ationen an den Auszahlungsterminen einzulösen. 3) Das Schuldbuch⸗ bureau besorgt alle Bureau⸗ und Kassengeschäfte, die bei der Ver⸗ waltung des Schuldbuchs des Staats und des Reichs vorkommen mit Ausnahme der in das Gebiet der beiden ersten Abtheilungen fallenden Obliegenheiten. Der Verwaltungskosten⸗Etat der Behörde warf au im Jabre 1851 179 250 ℳ, 1871 338 775 ℳ, 1894 1 057 452 Der Betriebsfonds der Hauptverwaltung der Staatsschulden beläuf 8 sich nach dem Stande am 1. Oktober 1893 auf 4 603 180 ℳ; der Depositalfonds wies gleichzeitig einen Bestand von 33 58 i Effekten auf.

Statistik und Volkswirthschaft.

8. Zur Arbeiterbewegung.

Aus Leipzig berichtet die „Lpz. Ztg.“”: Der Deutsche Metallarbeiterverband in Stuttgart hat im Laufe der letzten Jahre unter seinen Leipziger Einzelmitgliedern eine Bezirksverwaltung geschaffen, die aus fünf untereinander zusammenhängenden weig⸗ vereinen bestand. Das hiesige Polizeiamt hat diese dem Vereins⸗ gesetz zuwiderlaufende sozialdemokratische Organisation aufgelöst und eine für den gestrigen Abend einberufene Versammlung, die sich mit der bevorstehenden Generalversammlung des Vercbandes beschäf⸗ tigen sollte, verboten.

Die Abrechnung über den Ausstand der Holzarbeiter in

der Mecklenburgischen Waggonfabrik in Güstrow bamgx.

16. August bis 24. November 1894, die in der „Holzarb.⸗Ztg.“ mit⸗ getheilt wird, ergiebt, daß der Einnahme von 4693 eind Ausgabe von 4599 gegenübersteht. 4000 der Einnahmen kamen aus dem Zentral⸗Ausstandsfonds in Stuttgart; an Wochenunterstützung wurden 3382 ausgezahlt, während die Agitation, Reisen, Gerichts⸗ kosten u. s. w. beinahe 800 beanspruchten.

Hier in Berlin fand am 3. d. M. eine stark besuchte Maurerversammlung statt, in der über den für die Osterwoche d. J. nach Halberstadt einberufenen Kongreß (vgl. Nr. 33 d. Bl.) verhandelt wurde. Die Versammlung lehnte, wie der „Vor⸗ wärts“ berichtet, die Beschickung des Kongresses ab. Die der Zentral⸗ organisation angehörigen Berliner Maurer gedenken trotzdem Ab⸗ gesandte nach Halberstadt zu entsenden.

In Preßhurg hat nach einer Mittheilung desselben Blattes die Tarifkommission der Buchdrucker über die Kampfmüller sche Buchdruckerei die Sperre verhängt.

Aus Amsterdam theilt der „Vorwärts“ mit, daß der Aus⸗ stand der Diamantschleifer beendet ist, ohne daß die For⸗ derungen der Arbeiter bewilligt wurden.

Aus Roanne wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 7. d. M. ge⸗ meldet, daß die ausständigen Weber (vgl. Nr. 301 u. flgde. d. Bl.) in einer Versammlung beschlossen haben, den Ausstand fort⸗ zusetzen.

In Bukarest haben der „Köln. Ztg.“ zufolge die Gehilfen mehrerer Zeitungsdruckereien die Arbeit eingestellt; ein allge⸗ meiner Bäckerausstand wurde nur durch Nachgiebigkeit der Arbeit⸗ geber verhindert. 2

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Wo vom 27. Januar bis inkl. 2. Februar er. zur Anmeldung gekommen: 970 Lebendgeborene, 242 Eheschließungen, 32 Todtgeborene, 525 Sterbefälle.

Handel und Gewerbe. Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien.

An der Ruhr sind am 8. d. M. gestellt 10 745, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. 1

In Oberschlesien sind am 7. d. M. gestellt 4534, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs⸗Versteigerungen. Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 8. Februar die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Sieberstraße 17, dem Spediteur H. gen. Fritz Mufold ge⸗ hörig; Nutzungswerth 1360 Mit dem Gebot von 17 600 blieb der Kaufmann Louis Süngese ahe Breslau Meistbietender. Spreestraße 6, den Geschwistern Nygrin gehörig; Nutzungswerth 4100 ℳ; für das Meistgebot von 43 100 wurde der Zimmer⸗ meister F. Nutsche, hier, Ersteher. .

Die Einnahmen der Marienburg⸗Mlawkaer Eisenbahn betrugen im Monat Januar 1895 nach vorläufiger Feststellung 142 000 gegen 158 800 nach vorläufiger Feststellung im Januar 1894, mithin weniger 16 800