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daß man sofort dazu übergeht, eine Reichsbehörde einzusetzen, welche die Kontrole über den Schiffsbau und die sonstigen zur Sicher⸗ stellung von Leben und Gesundheit der Menschen nöthigen Vor⸗ richtungen üben soll, so geschieht es einfach aus der Betrachtung, die ich heute wiederholen kann, daß ich glaube, wir kommen auf einem einfacheren Wege zum Ziel, und daß der von dem Herrn Abg. Bebel empfohlene Weg immer noch möglich ist, wenn unser einfacherer und billigerer Weg nicht zum Ziele führen sollte. Was nützt denn die Einführung einer Reichs⸗Kontrolbehörde, wenn diese nicht die Organe hat, um das, was sie anordnet oder zu überwachen hat, unter beständige Aufsicht zu nehmen? Wenn Sie sich den Verkehr in unseren großen Häfen vergegenwärtigen, werden Sie leicht erkennen, daß der Umfang dieses Verkehrs ganz außerordentliche Schwierigkeiten der Bestellung einer Kontrolbehörde bietet.
Eine Reichs⸗Kontrolbehörde könnte nach mehreren Richtungen hin thätig werden. Einmal kann sie an der Hand der Fortschritte der Schiffsbautechnik und der Wissenschaft in Bezug auf die Erhaltung
2 und Rettung des Menschenlebens beständig die etwa durch ein Gesetz
oder ein Reglement zu erlassenden Vorschriften für Bau und Aus⸗ rüstung der Schiffe fortbilden. Damit allein wäre aber noch wenig gewonnen, wenn sie nicht zweitens dazu überginge, zu prüfen, ob in jedem einzelnen Fall die von ihr erlassenen Vorschriften auch wirklich zur Ausführung kommen. Denn es ist klar: die Vorschriften allein thun es nicht, sondern erst die Sicherheit darüber, daß sie ausgeführt sind, giebt Gewähr für ihre Wirksamkeit. Eine Organisation, nach dieser Richtung hin ausgebildet, würde einen ganz kolossalen Apparat erfordern, und dieser Apparat würde sich nicht allein auf die deutschen Häfen zu erstrecken haben, sondern würde auch im Auslande seine Wirksamkeit äußern müssen; denn es ist klar, daß die deutschen Schiffe, wenn sie havariert haben und in einem ausländischen Hafen repariert sind, dann von neuem darauf geprüft werden müssen, ob die von Reichswegen erlassenen Vorschriften auch bei dieser Reparatur beobachtet worden sind. Dazu kommt weiter, daß wir jetzt die deutschen Rheder garnicht hindern können, Schiffe im Auslande bauen zu lassen, im Auslande gebaute Schiffe zu kaufen; infolge dessen müßte auch die Kontrole eine sehr weite Verzweigung haben.
Nun ist aber eine solche Kontrole, wie ich neulich anzudeuten mir erlaubte, möglich durch Zuhilfenahme der Organe des „Germanischen Lloyd“. Dieser hat in allen Hafenplätzen seine sach⸗ verständigen Agenten und ist im stande, jedes Schiff, das bei ihm klassiert ist, was seiner Kontrole unterstellt ist, wenn das Ab⸗ kommen, das er mit der See⸗Berufsgenossenschaft getroffen hat, zu stande kommt, nach dieser Richtung hin zu prüfen, ob die erlassenen Bau⸗ und Sicherheitsvorschriften beobachtet worden sind. Da frage ich mich jetzt: sollte nicht wenigstens vorläufig dieser Weg den Vorzug verdienen vor einem Wege, der, wie gesagt, nicht nur mit außer⸗ ordentlichen Kosten — die sind zu überwinden —, aber auch mit der Schwierigkeit zu kämpfen hat, daß es wahrscheinlich an der nöthigen Anzahl von Sachverständigen fehlen wird, die sich dem Reiche zur Verfügung stellen.
Meine Herren, der Herr Vorredner hat sehr mit Recht seine Betrachtung nicht allein auf den Bau der Schiffe gelenkt, sondern auch von ihrer Ausrüstung mit Sicherheitsvorrichtungen gesprochen. Er hat auch einer weiteren Betrachtung die Frage unterzogen, ob wohl überall für eine ausreichende Anzahl von Mannschaften zur Bedienung der Schiffe Sorge getragen und ob nicht eine große Zahl der Schiffs⸗ unfälle darauf zurückzuführen sei, daß die Zahl der zur Bedienung der Schiffe verwendeten menschlichen Kräfte nicht ausreichte. Auch diese Frage hat uns bereits beschäftigt. Die englische Regierung hat neuer⸗ dings eine Untersuchung über die Frage der Bemannung der See⸗ schiffe eingeleitet, und wenn diese Untersuchung beendigt sein wird, wird dies Ergebniß nicht bloß von der englischen Regierung, sondern auch von allen übrigen seefahrttreibenden Nationen dahin fruktifiziert werden können.
Ich habe nach den Verhandlungen über den Unglücksfall mit der „Elbe“ auch den Eindruck, daß derselbe zum theil der ungenügenden Besatzung der „Crathie“ zuzuschreiben ist, und dieser ungenügenden Besatzung gegenüber kommt auch der Vorwurf, der dem anlaufenden Schiff gegenüber gemacht worden ist, weniger in Betracht, es habe die Mannschaft nichts gethan, um die Passagiere und Mannschaften der „Elbe“ zu retten. Nach den mir vorliegenden Berichten war es der „Crathie“ überhaupt nicht möglich gewesen, zu diesem Zweck irgend etwas zu unternehmen, weil sie nicht genügend bemannt war. Die Bemannungsfrage ist also ein Gegenstand, der uns demnächst beschäf⸗ tigen wird, und die der ernstesten Prüfung bedarf.
Der Herr Vorredner ist dann noch einmal auf den Unglücksfall der „Elbe“ näher eingegangen und hat gemeint, die Rhederei treffe der Vorwurf, daß sie nicht einmal ausreichend für Rettungsboote ge⸗ sorgt habe, daß die Schotteneinrichtungen nicht genügend funk⸗ tioniert haben, und daß die auf der „Elbe“ befindliche Mannschaft nicht hinreichend mit Bootsmanövern vertraut gemacht worden sei. Was die Schottenanlage anlangt, und namentlich die Gangbarkeit der Schottenthüren, so liegen mir die Vernehmungsprotokolle vor, in denen sich die geretteten Mannschaften der „Elbe“ über Ursache und Verlauf des Unfalls geäußert haben. Aus diesen Aussagen entnehme ich, daß weder die Rhederei noch den Kapitän in
dieser Beziehung irgend ein Vorwurf trifft. (Hört, hört!) Ich würde
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8 anderen schied, das Verbindungsschott zwischen dem Maschinenraum
allein auf diese Aussagen der geretteten Mannschaft nicht einen ent⸗
Werth legen, wenn nicht gleichzeitig der Bericht des Reichskommissars für das Auswandererwesen eingegangen wäre, welcher sich ausdrücklich auch über diesen Punkt äußert und welcher vor Abgang des Schiffs die Schottenthüren auch auf ihre Gangbarkeit hin geprüft hat.
Der Herr Vorredner scheint mir noch insofern in einem that⸗ sächlichen Irrthum sich zu befinden, als er annimmt, daß das Unglück dadurch herbeigeführt sei, daß die Seitenwand, die Backbordwand des Schiffes durchgeschlagen sei und vermöge mangelhaften Schlusses der Schottenthüren, — ich bemerke übrigens zu seiner Unterrichtung, daß Schotten nicht die Zwischenräume zwischen den Wänden heißen, sondern daß diese Wände selbst Schotten, die Zwischenräume Kom⸗
88 8 partimente heißen, — ich sage also, daß das Unglück dadurch herbei⸗ geführt ist, daß außer der Backbordwand des Schiffes auch zugleich
in Schott durchgestoßen ist (sehr richtig!), sodaß also zwei Abtheilungen des Schiffes vollgelaufen sind, außerdem eine dritte Abtheilung um deswillen, weil das Schott, was diese dritte Abtheilung von den
und dem Kessel war, und die Thür, die diese beiden Räume verband,
zum Zwecke der Kahlenbeförderung offengelassen werden mußte. Aber auch sie wurde sofort nach dem Zusammenstoß geschlossen, und es liegt hier die Aussage eines Matrosen vor, der dem Kapitän gemeldet hat, daß unten die sämmtlichen Schottenthüren geschlossen gewesen sind.
Was nun die Boote anlangt, so wird es kaum möglich sein, daß man ein jedes Schiff mit einem Bootsraum versieht, der fähig ist, im Nothfall die ganze Besatzung und den ganzen Passagierbestand des Schiffs aufzunehmen. Die „Elbe“ hat 10 Boote gehabt von verschiedener Größe, aber die größten sind aufnahmefähig für 80 Menschen gewesen. Es würde also, wenn sie alle 80 Menschen hätten aufnehmen können, für 800 Menschen gesorgt gewesen sein; das würde aber nicht die größte Zahl von Passagieren und Mann⸗ schaften zusammengenommen sein, welche mit der „Elbe“ unter Um⸗ ständen befördert werden. Meine Herren, der Werth der Boote ist kein absolut sicherer. Ich habe mir sagen lassen, daß die Boote außerordentlich nützlich sind, wenn der Seeunfall in der Nähe des Landes sich ereignet, daß aber — und darauf deutete auch eine Aeußerung des Herrn Vorredners hin — wenn auf hoher See viele 100 Meilen von der Küste entfernt die Aufnahme in die Boote erfolgen soll — da ist es doch von sehr fragwürdigem Werthe, ob man sich in ein solches Boot begiebt.
Ueber die von dem Herrn Vorredner auf Grund eines Gewährs⸗ mannes, dessen Wahrhaftigkeit ich nicht anzweifeln will, gemachte Mittheilung, daß die Lloydmannschaften nicht geübt würden im Manövrirdienst, kann ich mich nicht äußern, ich weiß es nicht; ich weiß nur soviel, daß aus einem früheren Bericht des Lloyd sich ergab, daß er unterwegs auf der Reise Uebungen machen läßt, welche die Mannschaften nach allen Richtungen in ihren Funktionen unter⸗ richten und präsent halten.
Nun ist der Herr Vorredner zum Schluß auf den sehr be⸗ dauerlichen Vorfall mit dem Rheder Schiff in Elsfleth gekommen. Ich habe mich schon früher darüber geäußert und bin sicher, daß, so wenig hier im Hause irgend jemand sich befindet, der auch nur ein Wort der Entschuldigung für eine solche Aeußerung, wie sie der Schiffsrheder Schiff gebraucht hat, besitzt, daß auch im ganzen Lande eine solche inhumane brutale Aeußerung verurtheilt wird. (Sehr richtig!) Aber dieser Vorgang läßt keinen Schluß zu auf die Ehrenhaftigkeit, auf das Pflichtbewußtsein und die Treue unserer Rhederei im allgemeinen (sehr richtig! Zurufs links) und ich halte mich für verpflichtet es zurückzuweisen, wenn aus diesem Vor⸗ gange irgend ein Schluß gezogen werden könnte, der unserem Handel und unserer Schiffahrt zum Nachtheil gereicht. (Bravo!)
Abg. Jebsen (nl.): Die Darstellung, welche der Abg. Bebel von den Verhältnissen der Schiffsversicherung gegeben hat, ist völli falsch. Früher mögen wie er sie erwähnt hat, möoglich gewesen sein; heute prüfen die Versicherungsgesellschaften durch Sach⸗ verständige erst jedes Schiff, bevor sie es versichern. Durch die ganze Broschüre von Wislicenus geht ein Ton der Gehässigkeit. Ich lehne eine Reichskontrole nicht ab, weil sie finanziell die Rheder be⸗ lasten würde, sondern weil ich sie für überflüssig erachte, zumal an die Spitze der Kontrolbehörden doch wieder Leute berufen werden würden, welche auf einen Kapitän mit einer gewissen Herab⸗ lassung herabsehen, vom Bau und Ausrüstung eines Kauffahrteischiffs keine Ahnung haben. Schon die guten Geschäfte der See⸗Assekuranz⸗ Gesellschaften trotz der stetig herabgesetzten Assekuranz⸗Prämien be⸗ weisen, daß die Sicherheit zur See größer geworden ist. Dafür, daß wir für unsere Seeleute sorgen, ist der Antrag ein Beweis, welcher die Aufnahme der Seeleute in die Unfallversicherung fordert und ver⸗ langt, daß die im Auslande an ansteckenden Krankheiten gestorbenen Seeleute so betrachtet werden sollen, als wären sie an Bord gestorben.
Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Die Ausführungen des Staatssekretärs des Innern haben jeden Verdacht zerstreut, als treffe die „Elbe“ auch nur die geringste Schuld an ihrem Untergang. Wir haben wohl am wenigsten Ursache, Mißtrauen gegen eine Gesellschaft wie der „Nord⸗ deutsche Lloyd“ zu säen, dessen Schiffe seit Jahrzehnten ohne nennens⸗ werthen Unfall außer dem jetzigen Unglück die Meere kreuzen. Daß durch Aufsicht Unglücksfälle nicht verhindert werden können, sehen wir an dem Schicksal des „Großen Kurfürsten“ und der „Brandenburg“. Wenn alle Vorschriften der Serenpfasflenschaft befolgt würden, so würden viele der gerügten Mängel schwinden. Aus der Antwort des Reichskanzlers schöpfe ich die Hoffnung, daß die Regierung auf die Berufsgenossenschaft dahin einwirken wird, daß sie ihre Aufsicht streng führt.
Abg. Dr. Görtz (fr. Vg.): Wenn wir auf der einen Seite verpflichtet sind, hier auf Mängel im Seeschiffahrtsbetriebe aufmerksam zu machen, so sind wir auf der anderen verpflichtet, im Interesse der deutschen Rhederei auch das Lobenswerthe hervorzuheben, daß nämlich unsere Rhederei tüchtige wissenschaftlich gebildete Kapitäne hat und vorzügliches Material besitzt, daß der Prozentsatz der Seeunfälle für uns weitaus günstiger ausfällt als für andere Nationen. Die deutschen Schiffe, welche die Nordsee und den Kanal passieren müssen, sind zudem besonderen ausgesetzt. Die Art und Weise, wie der Unfall der „Elbe“ in ausländischen Zeitungen dargestellt wurde, macht es uns zur Pflicht, mit aller Entschiedenheit dem ent⸗ gegenzutreten, damit von unserer Schiffsmannschaft das Odium ge⸗ nommen werde, als ob sie ihre Pflicht nicht erfüllte. Nichts ist be⸗ denklicher, als daß der Abg. Bebel auf Grund einer Depesche hier Behauptungen aufstellt, die sofort nach England und Frank⸗ reich werden und geeignet sind, unsere See⸗ schiffahrt im ettbewerb zu hemmen. Meine Ansichten über unsere Rhederei werden mich aber nicht abhalten, für die Bildung einer Reichs⸗Aufsichtsbehörde zu stimmen, vorausgesetzt, daß sie zweckmäßig eingerichtet ist und Gewähr dafür bietet, daß ihre Thätigkeit für unsere Seeschiffahrt segenbringend wird. Allerdings wird diese Einrichtung Schwierigkeiten bieten. Man kann den Sach⸗ verständigen der Reichsbehörde unmöglich zumuthen, alle Erfindungen auf technischem Gebiete, die sich bekanntlich überstürzen, sorgfältig zu prüfen. Es liegt eine große Gefahr darin, die Einführung solcher Erfindungen von dem Urtheile weniger Männer abhängig zu machen. Ich mMese nicht, daß eine staatliche Aufsicht allen Anforderungen wird genügen können. 1
bg. Dr. Hahn (b. k. F.): Der Abg. Frese hat bestritten, daß die Arbeitszeit auf den Schiffen des Norddeutschen Lloyd zu lang sei. Ich habe hier eine Mittheilung aus Bremerhaven vom Verein der Seesteuerleute an der Weser erhalten, worin gesagt wird, daß die Offiziere beim Laden oft 48 bis 60 Stunden lang im Dienst bleiben müssen. Eine weitere Ausdehnung der Unfallversicherung wäre sehr wünschenswerth; ebenso wünsche ich, daß der Arbeitsnachweis für die Seeleute, der durch die Heuerbaase erfolge, unter staatliche Kontrole gestellt werde. 3 8
Abg. Bebel (Soz.): Auch der Abg. Görtz hat zugegeben, daß eine Reichs⸗Aufsichtsbehörde, zweckmäßig eingerichtet, wirken könne. Daß damit allen Uebeln abgebolfen werde, behauptet nie⸗ mand. Wir verlangen für die Seeschiffahrt und den Schiffsbau, nur mit der entsprechenden Veränderung, dasselbe, was für die gesammte Industrie besteht. Daß der Schiffsbau dadurch verhindert werde, den technischen Fortschritten zu folgen, kann doch nicht im Ernste be⸗ hauptet werden, die übrige Technik ist ja auch nicht behindert. Die Aufsicht würde auch viel weniger den Neubauten gegenüber wirksam werden, als gegenüber den alten, untüchtigen Schiffen.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von oetticher:
Ich wollte nur dem Herrn Abg. Dr. Hahn auf seine wiederholten
sagen. Die Klagen, die über das Institut der Heuerbaase wie mir scheint, mit Recht geführt find, haben zu einer Canaed Veranlassung gegeben bei den Regierungen der Bundess
und auch im Auslande, in denjenigen Ländern, in denen diese Institute bestehen. Man hofft auf diesem Wege dahinter zu kommen, wel von den Klagen, die vorgebracht find, als begründet anzusehen sind und ob man auf gesetzlichem Wege Veranlassung hat, diesen Klag⸗ Abhilfe zu schaffen. Ich bemerke übrigens dabei, daß das Institet der Heuerbaase, wie freilich auch manche andere Einrichtung, nicht de guten Eigenschaften entbehrt. So liegt mir vor ein Bericht de Handelskammer in Hamburg, welche den Heuerbaasen im allgemeinen ein günstiges Zeugniß ausstellt. Wir werden aber bemüht sein soweit die Klagen begründet sind, ihnen Abhilfe zu schaffen.
Was die letzten Ausführungen des Herrn Abg. Bebel betriß so freue ich mich ja, daß er über die Natur der Schotten nicht in Unklaren gewesen ist. Ich habe dann ein Mißverständniß auf mein Seite zu verzeichnen, aber dieses Mißverständniß ist erklärlich, wen ich ihn daran erinnere — und die Richtigkeit meiner Be⸗ wird sich durch die Einsichtnahme in das Stenogramm ergeben — daß er von Scheidewänden der Schotten gesprochen habe. Schotten haben keine Scheidewände, sondern sind Scheidewände.
Im übrigen kann ich ihm die Zusicherung geben, daß das, was ihm sein Gewährsmann aus Bremerhaven mitgetheilt hat, Gegen⸗ stand einer weiteren Recherche sein soll. Und wenn er sich schließlich gegen die Bemerkung verwahrt hat, daß er die deutsche Rhederei durch seine Worte habe herabsetzen wollen, so mag er es mir zu gute halten, daß ich gerade auf diesen Punkt eingegangen bin. Aber auch da wird er objektiv genug sein, mir zuzugeben, daß seine Aus⸗ führungen in der Hauptsache doch eine recht abfällige Kritik der Zustände innerhalb unserer Rhederei enthielten und daß er sehr wenig Gutes von ihr und von unserer Schiffahrt gesagt hat. Wenn ich danach das Bedürfniß empfunden habe, dem ungünstigen Eindruck, der möglicherweise aus seinen Worten entstehen konnte, durch eine kurze Bemerkung zu begegnen, so wird das jeder Mensch verstehen, der noch ein Herz für unsere Rhederei und unsere Schiffahrt hat. (Bravol]
Das Kapitel wird bewilligt.
Beim Kapitel: Statistisches Amt, tritt
Abg. Werner (d. Rfp.) für die diätarischen Beamten des Statistischen Amts ein und befürwortet eine Erhöhung des Maximal⸗ gehalts derselben, wozu keine erheblichen Mehrausgaben nothwendig sein würden. Besonders müßte ihnen bei definitiver Anstellung ie diätarische Dienstzeit angerechnet werden.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Wermuth erwidert, daß än Gehaltsverbesserung zum theil erfolgt sei. Man werde auf diesen Wege sypstematisch fortschreiten.
Das Kapitel „Statistisches Amt“ wird genehmigt und darauf die weitere Berathung vertagt.
Schluß 5 ½ Uhr.
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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 20. Sitzung vom Donnerstag, 14. Februar.
Im weiteren Verlauf der fortgesetzten zweiten Berathung des Etats der Justizverwaltung (s. den Anfangsbericht in der gestrigen Nummer d. Bl.) wünscht
Abg. Jansen (Zentr.) eine Statistik der ländlichen Kredit⸗ und Grundschuldverhältnisse.
Gebeimer Ober⸗Justiz⸗Raͤth Vierhaus sagt eine sorg⸗ fältige Erwägung dieses Wunsches zu, dessen Erfüllung jedoch das Bedenken gegenüberstehe, daß eine Statistik, die sich nicht auf unan⸗ -- Fn. Grundlagen aufbaue, eher schädlich als nützlich wirte
uf diesem Gebiete werde dem suͤbjektiven Urtheil der mit der Aufstellung der Statistik betrauten Beamten ein weiter Spielraum bleiben. Ein ferneres Bedenken sei, daß die Justiz verwaltung im hohen Grade mit statistischen Arbeiten überhäuft sei
Abg. Kirsch (Zentr.) hält die Zahl der Richter im Landgerichts⸗ bezirk Düsseldorf für ungenügend und tadelt, daß durch die Ueber⸗ nahme von Nebenämtern seitens einzelner Richter die anderen Richter mit Arbeit überlastet würden. 2 Abg. Gamp (fr. kons.): Die Verhältnisse in den Amtsbezirke Jastrow und Deutsch⸗Krone machen eine anderweite Abgrenzung diese Bezirke dringend nothwendig. Meiner Information zufolge sind e Verwaltungsbehörden dieser Aenderung günstig gesinnt; die Erfülm, der Wünsche wird aber dadurch gehindert, daß im Justiz⸗Ministeriun 8 weichende Ansichten herrschen. Ich hoffe, daß ein Ausweg gefunden wi der keine erheblichen Ausgaben verursacht. Ein solcher Ausweg mi es, wenn man für gewisse Zeiten und Arbeiten einen zweiten Richte von Deutsch⸗Krone nach Jastrow delegieren würde. Ich möchte noc einen anderen Punkt berühren: die Beschäftigung der Straf⸗ gefangenen mit landwirthschaftlichen Arbeiten. In erster Linie kann ich in dieser Beziehung nur die Wünsche wiederholen, welche ich heim Etat des Landwirthschafts⸗Ministeriums vorgebracht habe. werden die zu landwirthschaftlichen rbeiten herangezogenen Strafgefangenen besser behandelt, als die freien Arbeiter. Nach der bestehenden Verfügung kann ein Strafgefangener nur bis zu 10 Stunde im Tage beschäftigt werden, während die freien Arbeiter oft 131 14 Stunden zu arbeiten haben. Auch bezüglich der Zeit der E ziehung der zu Freibeitsstrafen verurtheilten Arbeiter zur Straf⸗ vollstreckung würde sich eine größere Berücksichtigung der Interessen der Landwirthschaft empfehlen. Mit Zuratheziehung von Sa⸗ kundigen ließe sich in dieser Beziehung mancher schwerde abhelfen. Endlich möchte ich die Justizverwaltu mehr für die entlassenen Strafgefangenen interessieren. 2 Geheime Ober⸗Justiz⸗Rath Starke nimmt sich der Angelegenheit mit Wärme an, aber die Aufgabe ist eine so wichtige geworden, sie das Zusammenwirken aller Faktoren im Staatsleben nothwend macht. Die staatlichen Behörden selbst müssen mit gutem Beisp vorangehen, um denen, die ihre Strafe verbüßt haben, wieder die langung einer bürgerlichen Existenz zu ermöglichen.
Geheimer Justiz⸗Rath Skonietzki: Die Justizverwaltu kann ein zu anderweiter Abgrenzung der Amtsbezir Jastrow und Deutsch⸗Krone nicht anerkennen. An die Einstellung eines zweiten Richters beim Amtsgericht in Jastrow ist bei einer Finanzlage wie die gegenwärtige nicht zu denken.
seiner Besprechung der Frage der Beschäftigung von Strafgefangenen den Gesichtspunkt ganz außer Acht gelassen, daß kein Strafgefangen gegen seinen Willen außerhalb der Anstalt beschäftigt werden kann. Ei
weitere Einschränkung der verfügbaren Zahl von Strafgefangenen 1 durch die Bestimmung gegeben, daß Zuchthausgefangene erst nach einen Aufenthalt von einem Jahr und, wenn sonst keine Bedenken nas liegen, außerhalb der Anstalt beschäftigt werden dürfen. Anders kies⸗ die Sache ja bei den übrigen Strafgefangenen. Jedoch hier besten⸗ die weitaus größte Zahl der Gefangenen aus solchen, die eine 2— unter ¼ Jahr zu verbüßen haben. Die Landwirthschaft refl 1e, aber nicht auf Arbeiter, die nur kurze Zeit bleiben, — 2 solche, deren Beschäftigung eine mehr dauernde ist. Ferner ist 2e Sommer, wenn Arbeiter verlangt werden, die Zahl der Str⸗ gefangenen erfahrungsgemäß weit geringer als im Winter, d. ben einer Zeit, wo kein Arbeitermangel in der Landwirthschaft herrscht. Pv2
vom Abg. Gamp empfohlene Regelung der Strafvollstreckung
Anregungen in Bezug auf die Herehesse ein Wort der Hernhigen
Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Starke! Der Abg. Gamp hat bei
der Rechtspflege, die eine schnelle ie Frage der Fürsorge für die entlassenen stets behalten. Nur sollte uns cheft in diesem Streben besser unterstützen. welcher se die Behörden die Sache zu fördern im
stande sind, schweben zur Zeit Verhandlungen. Abg. Hauptmann (Zentr.) tadelt, daß den Richtern der Bei⸗ tritt zu geheimen Gesellschaften gestattet sei, wo sie unbedingten Ge⸗ am geloben müßten, namentlich sei aber der Beitritt zu inter⸗ nationalen geheimen Gesellschaften verwerflich, weil sich dies nicht mit der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richterstands vertrage.
Abg. Schmidt⸗ Warburg (Zentr.) wünscht, daß im neuen Bürgerlichen Gesetzbuch die Kostenfestsetzung bei Prozessen den ordent⸗ lichen Richtern abgenommen und auf die Gerichtsschreiber übertragen werden möge.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
In dem Arbeitsprogramm, welches die Kommission zu der theil⸗ weisen Revision der Zivilprozeßordnung befassen soll, ist auch eine Vereinfachung des Kostenfestsetzungs⸗Verfahrens für die Amtsgerichte und zwar an erster Stelle vorgesehen. Ob aber eine solche Ver⸗ einfachung in der Richtung erstrebt werden kann, wie sie der Herr Abg. Schmidt soeben in Vorschlag gebracht hat, das unterliegt doch einigem Zweifel. Ich gebe vollkommen zu, daß diese Be⸗ schäftigung zu der am wenigsten angenehmen und beliebten für die Richter gehört und daß, wie, ich glaube, schon gestern erwähnt worden ist, sie zum theil mechanischer Art ist. Aber diese Kostenfestsetzung hat doch mancherlei Schwierigkeiten, und sie ist für die Parteien selbst leider häufig von noch größerer Bedeu⸗ tung als das Urtheil in der Sache selbst. Es sind da allerlei materielle Fragen zu entscheiden: der Umfang der Erstattungs⸗ pflicht, die Zweckmäßigkeit der aufzuwendenden Auslagen; so⸗ dann nach dem Spstem unserer Kostengesetzgebung der häufige Wechsel des Objekts im Laufe der Instanz; die Frage, in welchem Umfange der Gegenstand des gesammten Rechtsstreits zugleich Gegenstand des streitigen Verfahrens und der Beweisaufnahme gewesen ist. Alle diese Dinge lassen sich unmöglich ohne Schädigung der Parteien durch den Gerichtsschreiber entscheiden. Ich gebe zu, daß ein Theil dieser Arbeiten ohne Schaden für die Sache auf die Gerichtsschreiberei übertragen werden könnte, aber in der Hauptsache werden sie doch wohl, so unangenehm es sein mag für die Richter, bei diesen verbleiben müssen und die Verantwortlichkeit dafür werden sie niemals ablehnen können.
Endlich möchte ich noch bemerken: daß diese Kostenfestsetzung nicht etwa eine Neuerung der neuen Zivilprozeßordnung ist, sondern, wenigstens in Altpreußen, auch schon früher zu den Aufgaben des Richters bei der Prüfung der Exekutionsgesuche gehört hat.
Auf eine Entgegnung des Abg. Schmidt⸗Warburg nimmt zu derselben Frage noch einmal das Wort der
Justiz⸗Minister Schönstedt: Meine Herren! Daß die Kosten⸗ und Gebührenberechnung durch
pricht nicht den Grundsä
Stafvollstreckung fordert. 1
Strafgefangenen werden wir stets im Aug
die Bürgerliche Ges über
die neue Gesetzgebung schwieriger geworden ist, als sie es früher war,
habe ich bereits selbst zugegeben und daran gerade die Folgerung ge⸗ knüpft, daß die Prüfung bei der Kostenfestsetzung nicht ohne weiteres dem Richter entzogen und den Gerichtsschreibern übertragen werden
Wenn im übrigen der Herr Abg. Schmidt meint, daß
ich den Zustand vor 1879 in den alten Provinzen unrichtig dargestellt habe, so kann ich ihm darin nicht beistimmen.
Wenn damals die Praxis bestanden haben sollte, auf einem derartigen Antrag zu verfügen „mandatum ad monendum“, so hatte doch nach dem damals geltenden Offizialprinzip der Richter die Verpflichtung, jeden Antrag nach seiner Berechtigung zunächst von Amtswegen u prüfen. Der Erlaß eines solchen Mandats hatte somit die Prüfung des Antrags zur Voraussetzung, und wenn etwa ein ein⸗ zelner Richter sich in der Praxis darüber hinweggesetzt haben mag, so würde er doch nicht haben behaupten können, daß ein solches Verfahren sch mit dem Gesetz in Einklang befinde.
Abg. Jacobs (kons.) ersucht um Einrichtung eines Amtsgerichts in Vietz, zwischen Landsberg und Küstrin.
Abg. Dr. Langerhans (fr. Volksp.) tritt dem Abg. Hauptmann gegenüber für die Richter ein, welche Freimaurer⸗Orden angehören. Von unbedingtem Gehorsam könne in diesen Orden nicht die Rede sein, sonst würde die Regierung schon gegen dieselben eingeschritten sein.
Abg. Dr. Lotichius (nl.) ersucht um moöglichste Berück⸗ sichtigung der Justizaktuare nach der Richtung, daß dieselben schneller zu einer etatsmäßigen Anstellung gelangen als bisher.
Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Vierhaus: Die Lage der Aktuare, d. h. der bereits geprüften, aber noch nicht festangestellten Anwärter, bildet den Gegenstand fortgesetzter Erwägungen und Verhandlungen zwischen Justiz⸗ und Finanzverwaltung, die ihrem Abschluß nahe sind. Die Maßnahmen, die geplant sind, sollen vor allem die Ungleichheiten, die in Bezug auf die diätarisch beschäftigten Aktuare in den ver⸗ schiedenen Landgerichtsbezirken herrschen, ausgleichen. Es ist zu hoffen, daß die Wünsche der Aktuare, soweit sie berechtigt sind, werden erfüllt werden können.
Abg. Dr. Dziorobek (Pole) regt eine pekuniäre Besserstellung der Dolmetscher in der Provinz Posen an, da unter den jetzigen Ver⸗ hältnissen die Gefahr vorliege, daß ungenügend geschulte Dolmetscher die Lage der Angeklagten verschlimmerten.
Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Vierhaus erwidert, die vorgebrachten
Klagen gehörten nun schon zum eisernen Inventar jeder Etatsberathung. Es seien Umfragen bei den Justizbehörden gehalten worden, ob durch Ungenauigkeiten die Gerichtsverhandlungen litten und ob die Dolmetscher durch ihre Unentbehrlichkeit in ihren alten Stellungen im Aufrücken in besser dotierte Stellungen gehindert würden. Aus den Antworten habe sich ergeben, daß im Ober⸗Landesgericht Posen die meisten Dolmetscher nur drei, der meistbeschäftigte am Landgericht zu Posen sechs Stunden als “ zu thun habe. Die Klagen der polnischen Abgeordneten beträfen öchstens einzelne Fälle, und würden von ihnen generalisiert. ngenauigkeiten in einzelnen Fällen seien auch durch die höchste Be⸗ soldung nicht zu hindern. Im Einzelfalle würde bei Beschwerden Ab⸗ hilfe durch Abberufung eines unbefähigten Dolmetschers gern geschaffen werden. Nicht darüber werde geklagt, daß die Dolmetscher schlecht polnisch sprächen, wohl aber, daß sie schlecht deutsch
prächen oder einzelne polnische Dialekte nicht verstehen könnten.
Daß die Dolmetscher mit anderer Thätigkeit belastet würden, werde
88 den betheiligten Justizbehörden bestritten. Die Dolmetscher ständen n anderen Beamten nicht nach, sondern würden auch bei Beför⸗ Blungen noch bevorzugt. An die polnischen Abgeordneten richte er die . itte, nicht durch generalisierte Vorwürfe in diesem Hause das Ver⸗ rauen in die Gerichtsbarkeit in den verschiedenartigen Provinzen zu
erschüttern.
1 Abg. Dr. Mizerski (Pole) führt als Beispiel des Gewissenszwanges in, daß ein Dolmetscher durch Androhung verschiedentlicher, nicht Enau bekannter Maßregeln gezwungen worden sei, statt des polnischen
8 namens bei der polnischen Uebersetzung die deutsche Bezeichnung Beone a. Br. anzuwenden. Jede Sprache sei ein lebendiger verganismus, der keinen mechanischen Eindruck von außen her ’ benso gut wie Ortsnamen könnten dann auch andere 88 sche Worte als berechtigt anerkannt werden. Als Tiberius
Senat ein bis dahin ungebräuchliches Wort angewendet, hat
— Marcellus, als man sagte, dies Wort sei von nun an
„gerufen: Der Kaiser könne zwar Menschen, aber nicht Worten das Bürgerrecht verleihen. Das Wort habe noch jetzt Geltung. Er hoffe, daß, wenigstens soweit Uebersetzung deutscher Ortsnamen ins Polnische vorkäme, der Justiz⸗Minister Anordnungen treffen werde, in der That die polnischen Namen daneben angewandt
Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Vierhaus erwidert, daß die Ver⸗ ordnung, die polnischen Ortsnamen betreffend, im venree n im Abgeordnetenhaus vom damaligen Justiz⸗Minister vorgelesen worden sei, ohne Widerspruch zu finden. nach sei für die namen die deutsche Bezeichnung zu wählen. Mit der polnischen Grammatik be⸗ schäftige sich die Verordnung nicht. Was den Spezialfall anbetreffe, ir v5 1A —3 so hätte er,
n er si urch die Ordnungsstrafen geschädigt glaubte, den Be⸗ e. “ sollen. Seet en a
2 . Dr. von Jazdzewski (Pole) erklärt, daß seines Wissens au Richter sich über Inkorrektheiten 2 den Uebersetzungen beklagt — Im Interesse einer richtigen Aufnahme notarieller Handlungen, so z. B. von Testamenten, würde auch die Bestallung polnischer Notare erwünscht sein.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Ich stehe deg polnischen Verhältnissen bis jetzt sehr fremd gegenüber; ich habe bis jetzt noch keinen Anlaß und keine Gelegenheit gehabt, mich damit vertraut zu machen. Wenn in der That begründete Beschwerden aus der Provinz Posen vorkämen, die die Justizverwaltung beträfen, würde ich dieselben einer Prüfung unter⸗ ziehen und, falls ein genügender Anlaß dazu vorliegt, für Abhilfe sorgen. Möglicher Weise würde die von dem letzten Herrn Vorredner angeregte Beschaffung von Uebersetzungen der Testamente von Amts⸗ wegen zu einer solchen Abhilfe Anlaß bieten.
Im übrigen möchte ich zu dem Vortrage des vorangegangenen polnischen Herr Redners bemerken, daß nach meiner Auffassung die Bestimmungen über die Einführung deutscher Ortsnamen in Posen den Zweck haben, die polnischen Namen überhaupt zu beseitigen, und daß die deutschen Namen fortan ausschließlich und allein Geltung haben sollen in der Provinz. Ich möchte deshalb die Auffassung nicht für ausgeschlossen halten — vorbehaltlich besserer Belehrung —, daß eine Rückübersetzung dieser von zuständiger Seite eingeführten deutschen Namen in die alten polnischen Namen überhaupt ausgeschlossen ist. Damit würde sich die Beschwerde er⸗ ledigen, die von dem Herrn Abg. Mizerski vorhin vorgebracht ist.
Abg. Letocha (Zentr.) erkennt die Beschwerden der Abgg. Dziorobek und von Jazdzewski als berechtigt an und hebt hervor, daß auch in Oberschlesien zahlreiche ähnliche Beschwerden laut würden.
Abg. Nadbyl (Zentr.) spricht ebenfalls von der polnischen Be⸗
völkerung Oberschlesiens und ihrem Recht, gleich gut wie die Deutschen behandelt zu werden. „Ein Mangel an guten Dolmetschern bestehe aber in Oberschlesien jedenfalls. Er behaupte, die Oberschlesier seien brare Preußen gewesen und würden es bleiben, sie hätten aber das Recht, zu beanspruchen, in ihrer Muttersprache gehört und verstanden zu werden. Dazu bedürfe es aber guter Dolmetscher. Ein Ange⸗ klagter habe mehrmals fruchtlos gegen einen ihm zugesandten Dol⸗ metscher protestiert, von dem später festgestellt worden sei, daß er falsch übersetzt habe; der Dolmetscher habe nur Mährisch nicht Polnisch verstanden. Derartiges schade der Justizverwaltung. Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Vierhaus erwidert, daß der ober⸗ schlesische Dieehc besonderer Kenntnisse der Dolmetscher bedürfe. Wenn der angeführte Dolmetscher nur mährisch gesprochen habe, so sei seine Heranziehung nicht gerechtfertigt gewesen. Die Justizverwal⸗ tung würde für Mittheilung solcher 71 e immer dankbar sein und unverzüglich eine Prüfung eintreten lassen.
Abg. Dr. Gerlich (fr. kons.): Die oberschlesischen Verhältnisse kenne ich nur oberflächlich. Die Ausführungen des Herrn Nadbyl haben mich aber davon überzeugt, daß es das Richtigste wäre, wenn Dolmetscher überhaupt nicht existierten. Ich kann selbst etwas Polnisch und habe bei zahlreichen Verhandlungen Ge⸗ legenheit gehabt, mich davon zu überzeugen, daß die Dol⸗
netscher die Uebersetzungen in etwas subjektiv gefärbter Weise vor⸗ nehmen. Seit dem Jahre 1876 weiß jeder preußische Unterthan, daß er sich der deutschen Sprache als Rechtssprache zu bedienen hat. Seit derselben Zeit existieren aber auch überall Schulen, sodaß jeder in der Lage ist, Deutsch zu lernen. Die im Jahre 1870 eesee sind 1876 schulpflichtig geworden und haben bis zum vierzehnten Jahre die Schule besuchen müssen. Diejenigen, die jetzt 25 Jahre alt sind, müßten also jeden Dolmetschers entbehren können. Wenn sie nicht Deutsch können, so ist das ihre eigene Schuld; dann sollten ihnen aber nicht auf Staatskosten Dolmetscher gestellt werden. Die Zahl derer, welche nicht in der Lage waren, Deutsch zu lernen, nimmt immer mehr ab. Für die vor 1870 Geborenen halte ich die Stellung von Dolmetschern für berechtigt. Ich möchte auch darüber klagen, daß Polen, die Deutsch können, es nicht verstehen wollen. Mir ist es ein paar Mal begegnet, daß Leute den Dolmetschern bei ihren Uebersetzungen dazwischenredeten und bemerkten, so sei die Sache nicht — ein Zeichen, daß sie sehr gut Deutsch konnten, es nur nicht ver⸗ stehen wollten. Es wandern auch viele Polen nach Sachsen, Westfalen u. s. w. Diese Leute bekommen dort auch mit den Gerichten zu thun. Sollen nun deshalb überall Dolmetscher angestellt werden? Das geht doch nicht. Mir ist es vielfach begegnet, daß Kinder, denen ihr Lehrer ein ganz gutes Zeugniß im Deutschen gegeben hat, erklärten, sie könnten nicht deutsch. Was nun die Orts⸗ namen anbetrifft, so kann doch Herr Dr. Mizerski Seiner Majestät nicht das Recht bestreiten, Ortsnamen als solche zu deklarieren oder umzüändern. Wie anspruchsvoll die Polen sind, Orts⸗ namen nach ihrem Modus umzuändern, dafür kenne ich ein bezeich⸗ nendes Beispiel. In meiner Gegend liegt eine im Jahre 1819 ge⸗ gründete Ortschaft, die zur Erinnerung an den Minister „Hardenberg“ genannt wurde. Wenn man in dieser Gegend einen Polen nach Hardenberg fragt, so schüttelt er den Kopf. Er kennt nur „twarda gorra“, das heißt „harter Berg“. Wenn der Herr Minister gebeten worden ist, den Fonds für die Dolmetscher im nächsten Etat wenn möglich zu erhöhen, so möchte ich den Minister dagegen bitten, den Fonds, wenn irgend möglich, von Jahr zu Jahr immer mehr zu verringern.
Abg. Dr. Mizerski (Pole) erwidert, daß, wenn die polnische Jugend nicht Deutsch lerne, dies an der falschen Unterrichtsmethode liege. Daß man sich deutsche Ortsnamen in vollständig polnischen Gegenden polonisiere, zeige eben, wie falsch es sei, deutsche Ortsnamen in diesen Gegenden anzuwenden.
Abg. von Unruh⸗Bromberg (fr. kons.): Der Herr Vorredner be⸗ findet sich bezüglich des Namens Koronowo im Irrthum. Der Name ist zur polnischen Zeit aus einem anderen polnischen Namen in Ko⸗ ronowo geändert worden, weil dort ein Piast die Nachricht von seiner Wahl erhielt. Wir haben also mit unserer Aenderung nichts weiter ethan als das, was die Polen schon früher gethan haben. Zu dem Bedürfniß nach Dolmetschern mag folgender Fall als Illustration dienen: Ein Zeuge, der anfangs durchaus nach einem Dolmetscher verlangte, kam nach beendeter Verhandlung wieder in den Saal, um im reinsten Deutsch zu sagen: „Ach, ich wollte nur meine Zeugengebühren fordern!“ Ein ferneres Beispiel: In einer Stadt der Provinz Posen verlangten die Polen eine Uebersetzung des Sparkassenstatuts in ihre Mutter⸗ sprache. Als diese Uebersetzung in vielen Tausenden von Exemplaren gedruckt worden war, wurden innerhalb acht Jahren nur drei Exemplare abgesetzt. Wenn man die Nothwendigkeit der Anwendung des Pol⸗ nischen auf die nothwendigen Fälle zurückführen würde, so würde sich das Bedürfniß als nicht oder doch nur in geringem Umfang vorhanden
herausstellen. Damit wird dieser Gegenstand verlassen.
Abg. von Werdeck (kons.) bi bauliche 2 beim Lase7s gniß — 8 “
Vonp Regierungstisch wird erwidert, daß der Umbau auf es. SMier fete foße. ihn jedoch 8-2 Auge behalten —
. ons.) bie wrichas 2 e. um bessere Unterbringung des Amts⸗
Beim Extraordinarium, Kapitel „Bezirk des Ober⸗ Eu“ “ bemängelt
Abg. Lückho ikons.) die Zustän i zu Reichenbach⸗ ic hen 9800, T“ an den Justiz⸗Minister zu wenden. Durch das Ober⸗Landesgericht zu Breslau Ks eine Prüfung erfolgt, die ergeben habe, daß eine ge⸗ nügende Abänderung nur durch einen Neubau zu ermöglichen sei. ge gleich sei betont worden, daß bei der jetzigen Finanzlage an die nehmigung eines Neubaues nicht zu 122 sei. Es fei nun neuerdings wieder in dieser Angelegenheit eine Petition an den Justiz⸗Minister eendt worden. Auch Redner möchte den Minister ersuchen, die
ee noch einmal selbst zu prüfen; er hoffe, daß dann doch bald ein Neubau in Aussicht genommen werden würde.
Geheimer Ober⸗Justizrath Dr. Starke erwidert, daß am 9. Januar eine Petition des Magistrats zu Reichenbach eingegangen sei. Dieselbe sei am 15. Januar zur Prüfung an das Ober⸗Landes⸗ gericht zu Breslau gesandt worden, von wo bis jetzt noch kein Bericht eingegangen sei.
„Abg. Weibezahn (nl.) befürwortet den Neubau eines Gerichts⸗ gebäudes in Harburg. 8 “
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Ich bin mit den Verhältnissen in Harburg genau bekannt und erkenne die Unzulänglichkeit der dortigen Geschäfts⸗ lokalitäten sowie das Unbefriedigende des jetzigen Uebergangszustandes, der als ein Nothstand anzusehen ist, in vollstem Umfang an. Die Justizverwaltung hat das lebhafteste Interesse daran, daß diesen Uebelständen sobald wie möglich abgeholfen wird. Es ist ein Ein⸗ verständniß zwischen dem Herrn Arbeits⸗Minister und dem Justiz⸗ Ministerium dahin erreicht worden, daß ein Neubau errichtet werden soll auf dem vorhandenen Bauplatz. Der Herr Regierungs⸗Präsident in Lüneburg ist bereits ersucht worden, das zuständige Bauamt mit der Aufstellung der Baupläne zu beauftragen, sodaß also diesseits alles geschehen ist, was zur Förderung der Sache geschehen konnte. Das Bauprogramm wird durch die Vorstandsbeamten des Ober⸗ Landesgerichts dem Herrn Regierungs⸗Präsidenten mitgetheilt sein und die Sache nach Möglichkeit weiter gefördert werden. Allerdings wird dann noch die Zustimmung des Herrn Finanz⸗Ministers zur Aus⸗ führung des Baues zu erwirken sein.
„Abg. Dr. von Woyna (fr. kons.) bittet um eine bessere Unter⸗ bringung des Amtsgerichts zu Neustadt am Rübenberge.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Dem Herrn Vorredner kann ich erwidern, daß mir auch die Zu⸗ stände in Neustadt aus eigener Anschauung bekannt sind, daß ich sie aber doch nicht für so verbesserungsbedürftig halte, wie bei vielen anderen Amtsgerichten. Ich glaube, sie werden sich noch einige Zeit er⸗ tragen lassen, und mit Rücksicht auf die Finanzlage kann ich meiner⸗ seits kaum in Aussicht stellen, daß ein Neubau für Neustadt am Rübenberge in baldige Erwägung genommen werden wird. Nach meiner Erinnerung lbefindet sich ein Warteraum auf einem Vorplatz, der sich an das Treppenhaus anschließt. Im übrigen werden er⸗ fahrungsmäßig die Warteräume und Zeugenräume vom Publikum sehr selten benutzt, das vielmehr allgemein die Neigung hat, sich in dem Korridor möglichst in der Nähe derjenigen Zimmer aufzuhalten, in denen die Vernehmung bevorsteht; es sind vielfach solche Warte⸗ räume angelegt worden, ohne daß sie nachher entsprechende Benutzung gefunden haben.
Aehnliche Auskünfte werden über Neubauten von Ge⸗ richtsgebäuden in Harburg und Rendsburg gegeben.
Abg. Freiherr von Erffa bittet um Herstellung eines Dienst⸗ wohngebäudes für den Amtsrichter in Ranis (Thüringen).
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Ich weiß nicht, ob die ausländische Stadt, in der der Amtsrichter von Ranis wohnt, eine Meile von Ranis entfernt ist; aber wenn es auch weniger ist, wie ich annehmen möchte (Zuruf des Abg. Freiherrn von Erffa: 8 kml!), so halte ich es immerhin für sehr bedauerlich, daß ein derartiger Zustand besteht, und würde, soweit es an mir liegt, alles thun, was dahin führen kann, für eine angemessene Wohnung des Amtsrichters in Ranis zu sorgen. Es ist mir von früher her be⸗ kannt, daß der letzte Amtsrichter dringend seine Versetzung beantragte, weil in Ranis keine Wohnung vorhanden war, und daß er diese Ver⸗ setzung auch erreicht hat. Ich stehe überhaupt auf dem Standpunkt, daß es in hohem Maße wünschenswerth ist, die Amtsrichter in solchen Orten, wo es an einer geeigneten Wohnungs⸗ gelegenheit fehlt, durch Errichtung von Dienstwohnungen zu fesseln. Aber die Ausführung der Absichten hat ja immer zu rechnen mit den finanziellen Schwierigkeiten. Ich glaube jedoch, sagen zu müssen, daß auch der Herr Finanz⸗Minister dieser Frage durchaus wohlwollend gegenübersteht und selbst die Nothwendigkeit anerkennt, dafür zu sorgen, daß die Amtsrichter so gebettet werden an ihren Amtssitzen, daß das Bedürfniß nach einem Wechsel nicht zu rasch und nicht zu lebhaft bei ihnen hervortritt. Es ist gewiß im Interesse der Sache und im Interesse der Gerichtseingesessenen, wenn die Amtsrichter in ihrem Gerichtsbezirk möglichst lange bleiben und mit den Verhält⸗ nissen und der Bevölkerung vertraut werden.
Wie im übrigen die Sache in Ranis liegt, weiß ich nicht, und der Herr Kommissar wird die Güte haben, darüber Auskunft zu geben. Abg. vom Rath (nl.) vermißt unter den Neubauten den eines Gefängnisses in Frankfurt a. M.,
Abg. von Eynern (nl) einen eeg Bau für Barmen. Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Starke sagt auch diesen Wünschen baldmöglichste Berücksichtigung zu.
ist die zweite Berathung des Justiz⸗Etats eendet.
Schluß 4 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr. (Etat des Ministeriums des Innern.)
Zu dem Bericht über die Mittwochs⸗Sitzung des Hauses der Abgeordneten (s. Nr. 40, Zweite Beilage) ist noch folgende Rede des Justiz⸗Ministers nachzutragen, mit welcher -; dem Abg. Nadbyl (Zentr.) antwortter. G Justiz⸗Minister Schönstedt: Eine Anordnung in der soeben vom Herrn Abg. Nadbyl an⸗ gedeuteten Richtung, daß die Direktoren Zeugnisse auszustellen hätten über die Qualifikation der ihnen zugewiesenen Gerichts⸗Assessoren besteht nicht. Dabei ist allerdings nicht ausgeschlossen, daß, wenn die Landgerichts⸗Präsidenten sich über die Qualifikation der Gerichts⸗
Assessoren zu äußern haben, sie sich mit deren unmittel⸗
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