der unberechtigter Großmachtdünkel. Nun, es handelt sich hier nicht e. eelheüns um eine Bethätigung desjenigen National⸗ bewußtseins, welches im deutschen Volk leben soll und leben g2 wenn wir darauf bestehen, daß unsere Flotte nicht zurückgehen soll, wie sie thatsächlich in den letzten Jahren Lurfckgegangen zu sein scheint, wenn sie auf dem Stand erhalten werden soll, der vor Jahren schon von der großen Mehrheit dieses Hauses als der nothwendige anerkannt worden ist. Das ist unser Standpunkt zu der Frage. Der Abg. Richter hat den Kreuzer „Ersatz Leipzig“ besonders ange⸗ fochten. Es handelt sich hier nicht um ein Prunkschiff, um ein Schiff zum Renommieren, sondern thatsächlich um ein starkes, kriegstüchtiges Schiff, welches wir in fremden Gewässern deshalb brauchen, weil dort kleinere Staaten mit ihren Schiffen unseren Kreuzern über⸗ legen sind. Wir brauchen solchen kleinen Staaten wie Vene⸗ zuela, Ecuador und den kleinen südamerikanischen Republiken gegenüber, die sich in der Behandlung unserer deutschen Staats⸗ anngehörigen oft grobe Dinge zu schulden kommen lassen, ein starkes Schiff welches den Fahrzeugen dieser Staaten überlegen ist. Auch der Abg. Jebsen, dem auch der Abg. Richter zuerkennen wird, daß er in der Frage sachkundig ist, erkennt heute die Nothwendigkeit eines solchen Schiffs unbedingt an. Ich begnüge mich mit diesen wenigen Worten, da der Referent alles Nöthige bereits vortrefflich auseinander⸗ gesetzt hat. kann nur die dringende Bitte an den Reichstag richten, die sämmtlichen Kreuzer zu bewilligen. b Abg. Rickert (fr. Vg.): Wie der Abg. Richter die ge⸗ forderten Schiffsneubauten mit der Stellung zu der Tabacksteuer in Verbindung bringt, verstehe ich nicht. Auch er will ja unter gewissen Bedingungen für einige der geforderten Schiffe stimmen. Ich werde mit einem Theil politischen Freunde für die Forderungen stimmen. Die deutsche Flotte hat von ihrer Söö noch nichts ingebüßt; legt die Reichsregierung nur den Maßstab der Leistungs⸗ ähigkeit der Forderungen an, so wird sie im stag stets Zustimmung finden. 1 8 Aba br ““ (nl.): Ich freue mich darüber, daß eine roße Mehrheit für die 1. stimmen wird. Auch meine olitischen Freunde werden bis zum letzten dafür eintreten. Wir ver⸗ wahren uns aber gegen den jusammmenzang den der Abg. Richter zwischen der S.e ʒ der Marineforderungen und der Tabacksteuer zu schaffen versuchte. 8 schage Graf Bernstorff⸗Uelzen (b. k. F.): Nach den ven der Reichsregierung abgegebenen Erklärungen werden wir den Forderungen für die Kreuzer zustimmen. Wir betrachten diese Forderung mehr als wirthschaftliche, denn als politische. Ddie darauf folgende Abstimmung über die Bewilligung des Panzerkreuzers „Ersatz Leipzig“, erste Rate 1 Million, ist eine namentliche. Der Titel wird bewilligt mit 145 gegen 77 Stimmen. 1 Auch die drei anderen geforderten Kreuzer werden be⸗ willigt. 5 sdie Forderung eines Torpedodivisions⸗Bootes (1. Rate. 500 000 ℳ) beantragt Abg. Müller⸗Fulda (Zentr.) zu streichen. Abg. Richter (fr. Volksp.) schließt sich diesem Vorschlage an, indem er bemerkt, die deutsche Torpedoflotte stehe bereits an der Spitze aller Torpedoflotten. Sctaatssekretär Hollmann: Meine Herren! Ich bitte Sie, an dem Beschluß Ihrer Kom⸗ mission festzuhalten, der dahin ging, das Torpedo⸗Divisionsboot zu bewilligen. Dieses Boot gehört zu einer bereits im Bau begriffenen Torpedoboot⸗Division, es ist das führende Boot dieser Division, und es würde uns für unsere taktischen Uebungen und für unsere Kriegszwecke außerordentlich fehlen. Wenn der Herr Abg. Richter meint, daß wir hinsichtlich unserer Torpedo⸗ flotte an der Spitze aller seefahrenden Nationen stehen, so kann ich das leider nicht zugeben. Wenn ich auch ohne weiteres darin bei⸗ stimme, daß wir, was die Ausbildung des Torpedowesens betrifft, auf einer sehr hohen’'Stufe stehen, so bleibt doch die Quantität unserer Torpedoflstte gegen diejenige der großen Nationen Frankreich, England und Rußland zurück; darüber kann kein Zweifel sein. Der Titel wird b 8 Hierauf vertagt das Haus nach 5 ½ Uhr die weitere Be rathung auf Sonnabend 1 Uhr.
8
Haus der Abgeordneten. 88 32. Sitzung vom Freitag, 1. März. Die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten wird fortgesetzt.
Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.
Bei der weiteren Berathung des Kapitels „Höhere Mädchenschulen“ nimmt nach dem Abg. von Eynern inl.) das Wort.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Unter den Bemerkungen, die der Herr Abg. von Eynern an die Verfügungen vom 31. Mai v. J. über das höhere Mädchenschulwesen geknüpft hat, sind einige, die ich doch nicht ganz unerwidert lassen kann. Ich glaube zwar, daß die prinzipiellen Aus⸗ stellungen, die Herr von Eynern gemacht hat, im wesentlichen bereits widerlegt sind durch die Begründung, die gestern mein verehrter Herr Kollege Dr. Schneider der ganzen Verfügung gegeben hat; allein Herr von Eynern hat noch einige Einzelheiten angeführt, auf die ich ihm antworten muß.
In der Annahme, daß die weessentliche Bestimmung des Mädchens die Ehe sei, sind wir gewiß alle mit Herrn von Eynern einverstanden; auf der anderen Seite läßt sich aber doch nicht ver⸗ kennen, daß es auch Mädchen giebt, die nicht heirathen oder nicht ge⸗ heirathet werden (Heiterkeit), und für die müssen wir doch auch sorgen.
Meine Herren, Herr Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Schneider hat gestern ganz richtig gesagt, daß wir nicht das geringste dagegen haben, wenn auch Haushaltungs⸗ und Kochschulkurse in den wahl⸗ freien Kursen abgehalten werden, die wir an Stelle des zehnten Klassenjahres gesetzt haben. Es wird also Aufgabe der Eltern sein, dafür zu sorgen, daß diese Zeit von den jungen Mädchen richtig benutzt wird.
Wenn nun Herr von Eynern sich darüber beklagt hat, daß wir den Direktoren der höheren Mädchenschulen eine Gehilfin zur Seite gestellt haben, und wenn er mir vorgeworfen hat, ich wäre damit ogar bis auf die mosaische Schöpfungsgeschichte zurückgegangen, o kann ich darauf nur erwidern: dieser Inhalt der mosaischen Schöpfungsgeschichte beruht auf einem Naturgesetz, und die Gehilfin,
ie dort dem Mann gegeben ist, ist dem Mann nicht bei⸗ und auch nicht übergeordnet, sondern schon in dem Ausdruck „Gehilfin“ liegt eine gewisse Unterordnung, und die soll auch hier bei den höheren Töchterschulen darin liegen, daß den Direktoren eine „Gehilfin“ bei⸗ geordnet ist. Ich halte den Ausdruck für einen ganz glücklichen, und ich bin überzeugt, daß sowohl die Direktoren wie die Gehilfinnen, die sie bekommen haben, mit Takt und gutem Willen und dem Interesse,
was sie an den Kindern und an der Schule haben, über jede Schwierig⸗ keit dieses Verhältnisses hinweggehoben werden.
Mieine Herren, die zehnte Klasse haben wir ja freigelassen, wo sie besteht; aber ich glaube, daß der Mißbrauch, der vielfach mit der zehnten Klasse getrieben wird, indem man sie zu einer Fachklasse und Seminarklasse gemacht hat, wohl darauf hingewiesen hat, uns als Regel und als Norm mit neun Klassen zu begnügen. Und das liegt ja ganz auf der Linie, die Herr von Eynern selbst gegeben hat, nämlich die Bildung der Mädchen nicht in einer ungemessenen Weise auf ideale und über ihre praktische Bestimmung hinausliegende Ziele zu richten. Also nach dieser Richtung hin, glaube ich, besteht kein Bedenken. Ich darf nur darauf hinweisen, daß wir 60 Schulen haben, an denen die zehnte Klasse besteht und bestehen bleiben soll.
Im übrigen will ich nur bemerken, daß die ersten Klassen in den zehnklassigen Anstalten überaus schwach besucht sind; wir haben eine Schule mit einer, eine mit 7, zwei mit 6, vier mit 5, eine mit 4 und eine mit 3 Schülerinnen. Ja, meine Herren, das muß ich sagen: dieser Besuch weist doch nicht darauf hin, daß die zehnte Klasse als ein unabweisbares Bedürfniß aufzufassen ist.
Sodann muß ich noch darauf zurückkommen, daß Herr von Eynern gemeint hat, es wäre wohl kein rechtes Bedürfniß für diese ganzen Erlasse dagewesen. Ja, meine Herren, bloß um etwas zu machen, haben wir die Sache gewiß nicht gemacht! Sie ist mit großer Mühe für uns verknüpft gewesen, namentlich für mich; ich bin mir der Verantwortung, in ein solches Gebiet reglementierend einzugreifen, sehr wohl bewußt gewesen, und ich bin es gewesen, der immer wieder darauf gedrungen hat, daß die Betheiligten gehört worden sind. Sie sind gehört und haben uns zugestimmt, nachdem wir dies und jenes unserer ursprünglichen Entwürfe noch geändert hatten. Meine Herren, wir sind von allen Seiten immer und immer wieder angegangen von Städten und von den Lehrer⸗ kollegten, wir möchten doch endlich ihnen den Weg zeigen, auf dem die höheren Mädchenschulen zu entwickeln wären, und diesen Weg, den Lehrgang und die Lehrpläne möchten wir normieren, ihnen eine bestimmte Richtung; ein bestimmtes Ziel geben, worauf man sich beschränken und woran man sich halten könne. Das haben wir wesentlich mit dieser ganzen Ordnung der Dinge erreichen wollen; damit haben wir den Gemeinden, wie ich glaube, einen großen Gefallen gethan; wir haben ganze Bände von Akten, worin uns Vorschläge zu Lehrplänen und Organisationen in dem Sinn, wie wir sie gemacht haben, und auch in viel weitergehendem Sinn vorgelegt worden sind. Also, daß kein Bedürfniß nach dieser Richtung bestanden hätte, kann ich beim besten Willen nicht anerkennen.
Herr von Eynern hat gemeint, wir möchten doch die Gemeinden veran⸗ lassen, mehr städtische, öffentliche höhere Töchterschulen zu begründen. Ja, meine Herren, das würden wir mit Freuden thun, und, wo irgend in einer Gemeinde Lust dazu vorhanden ist, werden wir das gewiß thun; wir können aber zur Zeit, wie die Dinge liegen, die Städte nicht zwingen und die Privatschulen nicht entbehren. Ich will hier aus⸗ drücklich erklären, daß auch die Normativbestimmungen für die äußeren Dinge in den höheren Mädchenschulen keineswegs mit rigoroser Schärfe durchgeführt werden sollen. Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß wir auf die Verhältnisse der Vorsteherinnen und auf die Patro⸗ nate der Privatschulen Rücksicht nehmen müssen, denn sie erfüllen zur Zeit das Bedürfniß, das nun einmal vorhanden ist. Woher sollen die Mittel kommen, die Sache auf einmal zur Staatssache zu machen? Das können wir nicht, wir haben auch kein Mittel, die Städte zu zwingen, namentlich heute nicht, wo eine gewisse Depression vorliegt, aber ich hoffe, wenn wir hier zur inneren Regelung kommen — und der ganze Erlaß vom 31. Mai vorigen Jahres ist ja nur ein Anfang, noch kein defini⸗ tiver Abschluß, eine Grundlage, auf der wir Erfahrungen sammeln wollen —, werden wir auch dahin gelangen, daß allmählich auch die äußeren Verhältnisse mehr und mehr geregelt werden können, und daß den wirklichen Bedürfnissen des Lebens Rechnung getragen werden kann.
Was nun die Versprechungen anlangt, die ich den Lehrern ge⸗ geben haben soll, so bemerke ich, daß ich den Herren, die bei mir waren, keineswegs das Versprechen gegeben habe, ich würde nunmehr dafür sorgen, daß sie, die akademischen Lehrer der höheren Mädchen⸗ schulen, jetzt ohne weiteres mittels eines die Patronate und die Vor⸗ stände der höheren Mädchenschulen zwingenden Normal⸗Etats genau so gestellt werden müßten und gestellt werden würden, wie die akademisch gebildeten Lehrer an den Gymnasien und Real⸗Gym⸗ nasien; ein solches Versprechen konnte ich gar nicht geben, ich habe gar nicht die Machtmittel, um es durchzuführen. Ich habe allerdings den Herren gesagt: ein gleichmäßig gebildeter, tüchtiger und in seinem Amt mit Freudigkeit und Erfolg arbeitender Lehrer an einer höheren Mädchenschule ist derselben Achtung und derselben guten Behandlung werth als ein Lehrer an einer höheren Knabenschule, und dieser Meinung bin ich auch heute noch; ich kann aber nicht die Konsequenz ziehen, daß ich auf Grund dieser An⸗ schauung jetzt die Städte, die ohnehin ihre Noth mit dem höheren Schulwesen haben, zwingen sollte, daß sie unter dem Zwang des Staats die akademisch gebildeten Lehrer, die unter sich sehr ver⸗ schieden befähigt und auch in ihren Leistungen sehr verschieden sind, ohne weiteres so stellen, wie die akademisch gebildeten Lehrer der höheren Knabenschulen gesetzlich gestellt worden sind. Das kann ich gar nicht erreichen, das liegt außerhalb der Grenze meiner Macht. Ich bin aber überzeugt, daß die gemäßigten Grund⸗ sätze, von denen der Erlaß vom 31. Mai ausgeht, im großen und ganzen immer mehr, wie es zum großen Theil schon jetzt der Fall ist, in den betheiligten Kreisen mit Dank begrüßt werden, und vor allen Dingen, daß er allmählich dahin führen wird, eine gute und gesunde Ordnung des höheren Mädchenschulwesens ein⸗ zuführen durch den ganzen Staat hindurch und damit auch nach der Seite des höheren Mädchenschulwesens zu dienen unserm Volk und unserer weiblichen Jugend. (Bravo!)
Abg. Pleß (Zentr.) beklagt, daß man in den Zeiten des Kultur⸗ kampfes die von “ geleiteten Schulen durch die Aus⸗ weisung der Schwestern vernichtet habe. Jetzt herrsche Friede und es sei an der Zeit, die alten Wunden vernarben zu lassen. In Mühl⸗ heim sei bereits wieder eine Schule unter Leitung von Ordensschwestern eröffnet worden und habe in kurzer Zeit schon die günstigsten Resultate erzielt. Im Schulwesen solle nicht allein das Staatsmonopol herrschen.
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Bezüglich des höheren venrschen schulwesens stehe ich nicht auf dem Standpunkt des Abg. von Eynern.
ch theile vollkommen die Stellung des Ministers. Als die Erhöhung
des Schulgeldes für die Gymnasien eintrat, wurde von vielen Ge⸗ meinden auch das Schulgeld für die höheren Mädchen⸗
schulen erhöht, dieser Erhöhung aber standen keineswegs
8 . Schulen gegenüber. Daß an öheren Mädchenschulen eine zu weit gehende Bildung erstrebt werde, kann ich nicht anerkennen. Es wird eher zu wenig als zu viel gelehrt. Namentlich vermißfe ich eine Vertiefung des Geschichts⸗ unterrichts an den höheren Mädchenschulen. Da Elemente in den höheren Mädchenschulen zusammenkommen, ist richtig; aber daß daraus schlechte Resultate entständen, wird durch die päda⸗ gogische Erfahrung nicht bestätigt. Die höheren Mädchenschulen müfsen, wie es in Amerika der Fall ist, auf der breitesten Basis errichtet werden, wenn sie überhaupt Nutzen bringen sollen. Abg. Dr. Irmer (kons.): Im Gegensatz zu dem Vorredner kann ich nur davor warnen, die Fäͤcher der Wissenschaften auf den höheren Mädchenschulen noch zu erweitern; das führt zum Mäd engymnasium und zur Emanzipation. Diese Klippe hat die Regierung in ihren letzten Erlassen glücklich vermieden. Auf den Gymnasien kann der Unterricht nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten ertheilt werden, auf
n Töchterschulen, selbst in den obersten Klassen, kaum. Man darf deshalb auch nicht schablonisieren und für die höheren Stellen in den Mädchenschulen durchweg akademisch gebildete Lehrer verlangen. Ein tüchtiger Seminarlehrer wird sehr häufig einen besseren Geschichts⸗ unterricht ertheilen, als ein akademisch gebildeter. Brechen wir doch endlich mit dem Damm der akademischen Bildung, thun wir doch nicht, als ob die akademische Bildung das höchste sei, was wir haben. Vertrauen wir den Frauen doch die vor⸗ nehmste Aufgabe an, unsern Haushalt zu leiten. Akademische Bildung ist hier ebensowenig wie zur Kindererziehung nöthig. Die Umwandlung der Privat⸗Mädchenschulen in öffentliche wäre ein gewagter Schritt, es wäre der allerschlimmste Gewissenszwang; denn viele Väter sträuben sich auch dent schon hier in Berlin, ihre Kinder in die öffentlichen höheren Tö terschulen zu schicken. Meine Herren, erziehen wir nicht Puppen, die mit ihrem Wissen prahlen, sonst mag die ganze Nation mit ihrem Gemüthsleben einpacken.
Abg. von Eynern (nl.): Die amerikanischen Erfahrungen auf dem Gebiete des Mädchenschulwefens auch bei uns einzuführen, wie der Abg. Friedberg will, davor möchte ich warnen. Ferner möchte ich warnen, auf diesem Gebiete allzuviel zu reglementieren, sonft ist es mit der Selbständigkeit der Privat⸗ und Gemeindeschulen vorbei.
Ministerial⸗Direktor Dr. Schneider: Durch Aufstellung von Normativbestimmungen beabsichtigen wir keine Eingriffe in die Selbst⸗ ständigkeit der Privatanstalten. Wir erkennen die Opfer an, die die Gemeinden auf dem Gebiete des Mädchenschulwesens leisten, und chonen ihre Freiheit nach Möglichkeit.
Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Zentr.): Im allgemeinen stimme ich mit den Ausführungen des Abg. Irmer überein, zum theil auch diesmal mit dem Abg. von Eynern. Ich meine, bei Be⸗ rathung über das Mädchenschulwesen ist steis von allerlei die Rede, nicht aber von dem Recht der Eltern und der Gemeinden. Mögen die Reglements noch so gut sein, weshalb sollen alle Töchterschulen nach einer Schablone eingerichtet werden, während die Bedürfnisse doch verschieden sind? Das ist Bureaukratie, der wir überall ent⸗ gegentreten müssen. Zwei Richtungen machen sich jetzt im all semeinen bemerkbar: die Autorität des Staats zu untergraben, oder alles dem Staat zu übertragen. Auch das letztere ist nicht immer angebracht, und ich möchte bitten, dieses Vorgehen nicht zu unterstützen. Die Art der Pflege der Gelehrsamkeit auf den höheren Töchterschulen scheint mir bedenklich, wo es sich nicht um Ausbildung der Mädchen zu Lehrerinnen u. s. w. handelt. Für die Hausfrauen ist eine zu große Gelehrsamkeit in der Regel cher ein Nachtheil als ein Vortheil.
Es folgt das Kapitel „Elementarschulen“.
Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) bringt Beschwerden über die Behandlung einer Elementarlehrerin in Westfalen vor, der das Führen der Kinder zum katholischen Gottesdienst vom Kreis⸗Schulinspektor zunächst untersagt und später eine Ordnungsstrafe von 5 ℳ für jede Uebertretung angedroht worden sei. 8
Ministerial⸗Direktor Dr. Kuegler erklärt, daß man ohne Kenntniß der thatsächlichen Verhältnisse über den Fall nicht urtheilen tönne. Er könne sich garnicht denken, daß man von Schulaufsichtswegen für eine freiwillige Thätigkeit außerhalb des Berufs der Lehrerin eine Strafe verhängen könne.
Die Titel: zu Beihilfen an Schulverbände wegen Unvermögens für das Stelleneinkommen der Lehrer und Lehrerinnen, behufs Errichtung neuer Schulstellen und zur be⸗ sonderen Förderung des deutschen Volksschulwesens in West⸗ preußen, Posen und im Regierungsbezirk Oppeln, werden in der Debatte vereinigt.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:
Meine Herren! Ihr Herr Berichterstatter hat die Güte gehabt, Ihnen die Erklärungen, die ich auf den von den Abgg. von Buch und Genossen gestellten Antrag in der Budgetkommission abgegeben habe, in vollem Wortlaute mitzutheilen. Ich halte mich für verpflichtet, namens der Regierung mich in vollem Umfange zu dieser Erklärung auch hier, dem hohen Hause gegenüber, zu bekennen, und bitte nur um die Erlaubniß, noch einige Bemerkungen hinzufügen zu dürfen, die unsere Stellung zu dieser Frage einigermaßen durchsichtig
machen werden.
Meine Herren, wir sind durch die veränderten Verhältnisse, durch die Rücksichten auf die wirthschaftliche Lage der Gemeinden, wie sie zur Zeit ist, namentlich auch durch die Veränderungen, die durch die Steuerreform herbeigeführt sind, schon vor der Anregung, die in der Budgetkommission erfolgte, auf die Nothwendigkeit hingewiesen und in die Nothwendigkeit versetzt worden, uns mit den beiden anderen Ressorts, mit dem Ressort der Finanzverwaltung und der Kom⸗ munalverwaltung, mit dem Herrn Finanz⸗Minister und dem Herrn Minister des Innern in Verbindung zu setzen darüber, in wie fern die Grundsätze über die Beurtheilung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden behufs einer gerechten Bemessung und Vertheilung der hier in Rede stehenden Zuschüsse zu Schulzwecken anders als bis⸗ her zu formulieren sein würden, sei es durch Gesetz, sei es es durch Etatsvermerk oder sei es durch eine hier der Landesvertretung gegen⸗ über abzugebende bindende Erklärung.
Es versteht sich ganz von selbst, meine Herren, daß wir, wie ich auch in der Budgetkommission erklärt habe, die Anregungen, die wir durch den von Herrn von Buch und Genossen beabsichtigten Antrag in der Budgetkommission empfangen haben, — daß wir die Anregungen bei diesen Verhandlungen mit den beiden anderen betheiligten Ressorts berücksichtigen müssen, und daß wir sie auf das Eingehendste dabei erörtern werden. In so fern ist also der Zweck des damals in Aussicht genommenen Antrags bereits erreicht, und wenn sich dabei eine wirksame und mit entscheidende Betheiligung der Selbstverwaltungs⸗Korporationen namentlich bei dem Punkt 2 des ursprünglich gestellten Antrags her⸗ beiführen läßt, so würde das bei der Unterrichtsverwaltung in erster Linie mit sehr großer Freude begrüßt werden; denn ihr würde dadurch in jedem einzelnen Falle das Odium der Versagung von Beihilfen wesentlich abgenommen und die erdrückende Last, die uns durch diese sogenannten Dispositionsfonds auf dem Gebiet des Schulwesens auf⸗ erlegt ist, weuigstens einigermaßen erleichtert werden.
höhere Leistungen der
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
ungleichartige 1
zum D
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Ich möchte nun diesen Anlaß benutzen, um hier zu wiederholen, was ich bereits in der Budgetkommission gesagt habe. Nachdem wir uns überzeugt hatten, daß die Ausführung des Kommunalsteuergesetzes uns nicht weit genug gediehen ist, um die Wirkungen auf die Gemeinde⸗ haushaltung mit voller Sicherheit übersehen zu können, haben wir eine im vorigen Jahr in der Budgetkommission angeregte und von uns aufgenommene Maßregel bis auf weiteres vertagt, nämlich
die Revision der bis jetzt aus dem Dispositionsfonds gewährten
Schulbeihilfen an die Gemeinden. Es war in weiten Kreisen — auch hier in der Landesvertretung erkannt — worden, daß die Verhältnisse sich mannigfach verändert haben und daß es wünschenswerth wäre, die Bewilligung der Beihilfen aus dem Gesichtspunkt einer gerechteren Vertheilung einer Revision zu unterziehen und festzustellen, ob überall die Leistungsfähigkeit der Gemeinden in dem rechten Maße und aufrichtigen Grundlagen ermittelt und berücksichtigt worden sei, und ich hatte bereits an die Regierungen eine Verfügung erlassen, die ich auch den anderen Ressorts mitgetheilt habe, daß diese Revision vorgenommen werden soll. Indessen, wir können zur Zeit nur deswillen, wie ich glaube, mit sicherem Erfolg diese Revision nicht vornehmen, weil wir ja noch nicht übersehen können, wie die neu⸗ geordneten Kommunalhaushalts⸗Etats sich gestalten werden; wenn erst einmal diese Etats eine Zeit lang geltend gewesen sind, werden wir eine bessere und sicherere Unterlage dafür haben. Ich habe daher an⸗ geordnet, daß bis auf weiteres die bisher gewährten Schulbeihilfen aus diesen Fonds weiter gewährt werden sollen.
Meine Herren, wir wollen die Gemeinden mit Schul⸗ lasten nicht überlasten und können das auch nicht wollen, wir können das am wenigsten wollen in einer Zeit, in der wir selbst die beklagenswerthe Lage der Landwirthschaft und der ländlichen Gemeinden Zerhaupt anerkennen und bestrebt sind, mit allen menschen⸗ möglichen Petteln dieser Nothlage entgegenzutreten. Meine Herren, wir nehmen auch bei unserer Anforderung an die einzelnen Gemeinden in Betreff der Schulbedürfnisse alle nur erdenkliche Rücksicht, und der ganze Vorschlag des im Unterrichts⸗Ministerium ent⸗ worfenen Lehrerbesoldungsgesetzes beruht auf dem Gedanken, daß ein Weg gefunden werden soll, um den nothwendigen und be⸗ scheidenen Lebensunterhalt für die Lehrer sicher zu stellen, ohne damit weder den Gemeinden noch den Gutsbezirken wesentlich neue Lasten aufzulegen.
Ich weiß, meine Herren, daß alle Parteien dieses hohen Hauses ein warmes Interesse für die Schule und auch für die berechtigten Bedürfnisse der Lehrer haben; ich bin tief davon durchdrungen, daß wir auf diesem Gebiet manches bessern können und bessern müssen, und ich habe meine ganze Kraft daran gesetzt, die sachlichen Schwierigkeiten zu überwinden, die uns hier noch zur Zeit entgegenstehen. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß Sie, meine Herren, sich überzeugen werden, wie weit wir davon entfernt sind, neue unmögliche Belastungen zu fordern und etwa übertriebene, unbescheidene, sachlich ungerechtfertigte Ansprüche zu unterstützen. Wenn es mir gelingt, und ich hoffe, daß es mir gelingen wird, diese Ueberzeugung in diesem hohen Hause zu befestigen, dann, hoffe ich, wird es auch gelingen — und das ist mein sehnlichster Wunsch —, das ganze hohe Haus zu einer gemeinsamen fruchtbaren Arbeit zu Heil und Segen der Schule und auch des Lehrerstandes hier zu vereinigen. (Bravo!)
Abg. von Dallwitz (kons.): Ich hoffe, daß die Beschwerden der Gemeinden über zu hohe Schullasten Berücksichtigung finden werden. In schematischer Weise werden Verfügungen für ver⸗ schiedene größere Bezirke getroffen, ohne daß Rücksicht auf die einzelnen Gemeinden genommen wird. In Westpreußen ist generell ein neuer Besoldungsmodus vorgeschrieben worden, der das platte Land stark zu Gunsten der Städte belastet. Wenn die zur Verfügung stehenden Fonds zur Entlastung der nicht leistungsfähigen Gemeinden nicht ausreichen, wird es nothwendig sein, daß die Schul⸗ verwaltung sich in ihren an die Gemeinden gestellten Anforderungen Beschränkungen auferlegt. 8
Abg. Sieg (nl.): Ich hoffe, daß nach den Erklärungen des Ministers den Hesechacten Beschwerden in Westpreußen und speziell im Bezirk Marienwerder abgeholfen werden wird. Es ist dort viel
esündigt worden; ich hoffe, das wird in Zukunft unterbleiben. Die Verthellung von Unterstützungen erfolgte vielfach in unrichtiger Weise und war öfter an Bedingungen geknüpft, die nicht dahin gehörten. In einer Gemeinde, die 250 % der Einkommensteuer, 125 % der Gewerbesteuer erhebt, ist die Nothwendigkeit eines Zuschusses zu den Schullasten für überflüssig erklärt worden. Ich bin der Ueberzeugung, daß das in Zukunft nicht mehr vorkommen wird. 88 beklagen aber ist, daß auch in Bezug auf neue Schulbauten zu hohe Anforderungen gestellt werden. Die Behandlung der Kreisausschüsse in diesen Fragen seitens der Regierung giebt zu Beschwerden nur zu häufig Anlaß. Wenn hier nicht Wandel ge⸗ schaffen wird, wird der Minister auch mit den besten Ab⸗ ichten scheitern. Die Versprechungen, die von einzelnen
Regierungs⸗Assessoren einzelnen Gemeinden in Schulangelegenheiten gemacht werden, können nur selten innegehalten werden. Deshalb wird auf die Personenfrage ein großes Gewicht gelegt werden müssen; mir wenigstens hat ein Landrath gesagt, er gehe nicht auf die Dörfer, wo vorher ein Regierungs⸗Assessor in Bezug auf Unterstützungen für
ulzwecke Versprechungen gemacht habe. Er fürchte von den Be⸗ wo 888 Vorwürfe Feüer daß diese Versprechungen nicht gehalten würden.
Ministerial⸗Direktor Dr. Kuegler: Den Vorwurf, als seien im
egierungsbezirk Marienwerder von Mitgliedern der Regierung Ver⸗ sprechungen gemacht worden, die nicht gehalten worden seien, weise ich zurück. Wir sind aufs ernsteste bemüht, nur Versprechungen zu machen, die gehalten werden können. Am 21. Juni 1894 ist eine Verfügung über eine neue Vertheilung der Schulfonds erlassen worden; die Ver⸗ waltung war dabei von dem Bestreben geleitet, den Gemeinden Sicherheit dafür zu bieten, daß keine Schwankungen in der Höhe der Unterstützungen einträten. Uebrigens unterliegen alle Anschaffungen der Regierung für Schulzwecke der Nachprüfung der Provinzialbehörden. Speziell in Westpreußen ist es schwierig, allen den Beschwerden abzu⸗ helfen, die in Bezug auf ungenügende Schulleistungen erhoben werden. Jedenfalls ist die egierung in Marienwerder weit davon entfernt, sich von einem Uebelwollen gegenüber den Gemeinden leiten zu lassen.
Abg. Knörcke (fr. Vp.): Es ist geklagt worden über zu große Gelehrsamkeit in den verschiedenen Schulen und es wurde so dar⸗ gestellt, als ob darunter die Erziehung leide. Die Erfahrungen anderer Länder beweisen das Gegentheil. Der verstorbene Dr. Windt⸗
Berlin, Sonnabend, den 2. März
horst nahm die Volksschule allein für die Kirche in Anspruch. Das ist aber eine in der Gegenwart nicht mehr berechtigte Forderung. Auch die preußischen Könige betonten von jeher den Einfluß, der dem Staat auf die Voltsschule gebühre. Bei größerem Einfluß der Kirche auf die Volksschule würde sie etwas anders werden, als was sie bei uns nach Recht und Gesetz ist. Diesen Standpunkt nahmen auch die preußischen Minister ein, u. a. der ehemalige Kultus⸗Minister von Puttkamer. Es wird weder einen preußischen Fürsten noch einen Kultus⸗Minister geben, der die Forderungen des Zentrums erfüllt. Je mehr unsere Kinder lernen, desto eher werden auch die zur Zeit der Volksschule noch anhaftenden Mängel verschwinden.
Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.) fordert im Gegensatz zu dem Vorredner mehr Einfluß der Kirche auf die Schule, damit den Kindern eine christliche Erziehung gewährleistet werde.
Abg. Schröder (Pole) beklagt sich über zu große Aufwendungen für Schulbauten in Westpommern.
Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) erwidert dem Abg. Knörcke, daß das Zentrum keineswegs der Volksschule feindlich sei, es verlange nur einen bestimmten, beschränkten Kreis des Wissens und vor allem eine religiöse Erziehung.
Bei dem Titel der Dienstalterszulagen die Abgg. von Strombeck und von der Acht, vom Zentrum, folgenden Vermerk hinzuzufügen:
„Für die Bemessung der Dienstalterszulagen kommt auch die Dienstzeit in Anrechnung, welche Lehrer und Lehrerinnen im Dienste solcher staatlich u“ Privatschulen zugebracht haben, welche von kirchlichen Obern, kirchlichen Vereinen oder Kirchengemeinden errichtet sind und unterhalten werden.“
Abg. Cahensly (Zentr.) empfiehlt den Antrag v. Strombeck. Man müsse die Dienstzeit der Lehrer an solchen Privatschulen mit anrechnen, da diese Schulen denselben Lehrplan hätten wie öffent⸗ liche Schulen.
Ministerial⸗Direktor Dr. Kuegler erwidert, eine Annahme des Antrags von Strombeck würde das allgemeine Prinzip durchbrechen, wonach nur die an öffentlichen Schulen verbrachte Dienstzeit ange⸗ rechnet werde. Eine solche Durchbrechung sei aber bedenklich. Außer⸗ dem würde dadurch eine Mehrausgabe erforderlich sein. Im übrigen gehe die Regierung möglichst wohlwollend und entgegenkommend vor, wenn durch eine Nichtanrechnung der Dienstzeit an privaten Schulen besondere Härten hervorträten.
Abg. von Strombeck (Zentr.) bemerkt, daß solche Härten viel⸗ fach aber nicht ausgeglichen würden, wie die zahlreichen Petitionen von Lehrern bewiesen, und empfiehlt seinen Antrag. Der Unterricht, der an der hier in Betracht kommenden Schule ertheilt werde, sei gleichwerthig dem Unterricht an öffentlichen Schulen und der Lehrplan sei auch derselbe. Diese Schulen seien außerdem nur eingerichtet worden, weil der Staat aus finanziellen Gründen nicht seine verfassungsmäßige Pflicht überall habe erfüllen können und daher konfessionelle Schulen von anderer Seite hätten errichtet werden müssen. Sein Antrag gelte nicht nur für katholische, sondern auch für evangelische Privatschulen. Es brauche nur ein geringer Betrag nach Annahme seines Antrags in den Etat eingestellt zu werden.
Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Dr. Germar bemerkt, daß ganz allgemein der Grundsatz geltend sei, daß nur Dienstalterszulagen für die Dienstzeit gewährt werden könnten, die in derselben Amtskategorie verbracht sei, in der man die Dienstalterszulage bekomme. Man könne nicht einen Dienst in einer beliebigen anderen Thätigkeitskategorie dabei anrechnen. Darum bitte er um Ablehnung des Antrags von Strombeck.
Abg. Dr. Sattler (ul.) meint, man könne die Frage aufwerfen, ob dieser Antrag überhaupt zur Abstimmung kommen könne, da er cine Geldbewilligung enthalte. Jedenfalls bitte er um Ablehnung des Antrags.
Abg. von Strombeck (Zentr.) empfiehlt nochmals seinen An⸗ trag und stellt eine alljährliche Wiederholung des Antrags in Aussicht, solange er abgelehnt werde. .
Gebeimer Ober⸗Finanz⸗Rath Dr. Germar wiederholt nochmals, daß S Annahme aus allgemein prinzipiellen Gründen nicht empfehlens⸗ werth sei.
Darauf wird der Antrag von Strombeck abgelehnt und der Abschnitt „Elementarf chulwesen“ angenommen, ebenso der Rest des Kapitels und das Kapitel Kunst und Wissenschaft.
Die weitere Berathung wird darauf vertagt.
Schluß 4 ½ Uhr.
beantragen unterstuͤtzt
Dem
Entwurf zu einem Gesetz, betreffend ugegangen: g 8 Artikel 1.
In dem durch die Bekanntmachung Unseres Finanz⸗Ministers vom 24. Mai 1891 veröffentlichten Text des Gesetzes, betreffend die Erbschaftssteuer (Gesetz⸗Samml. 1891 S. 78), treten folgende Aende⸗ rungen ein:
1) Dem § 10 treten als zweiter Absatz die Worte hinzu:
Hatte der Erblasser bei seinem Ableben keinen Wohnsitz, so unterliegt das Vermögen der diesseitigen Erbschaftssteuer, in⸗ soweit es bei seinem Ableben in Preußen sich befindet.
2) Im § 15 tritt an die Stelle des Worts „Zwanzigfache“ das Wort „Fünfundzwanzigfache“.
3) Im Tarif erhalten:
a. die Vorschrift unter 2 g der „Befreiungen“ in ihrem zweiten Satze folgende Fassung: “ “ 1.“
ferner öffentliche Waisenhäuser, vom Staate genehmigte Hospi⸗ täler und andere Versorgungsanstalten, sowie Stiftungen, welche als milde ausdrücklich anerkannt sind,
b. die Vorschrift unter 2h der „Befreiungen“ folgende Fassung: öffentliche Schulen und Universitäten, öffentliche Sammlungen für Kunst und Wissenschaft, sowie die vom Staate genehmigten Vereine für die Kleinkinder⸗Bewahranstalten.
c. hinter 2 k der „Befreiungen“ treten in einem weiteren Absatz
folgende Worte hinzurn 8 In den Fällen zu f, g und h erstreckt sich die Befreiung nur auf inländische Anstalten, Stiftungen, Vereine u. s. w., kann jedoch auch ausländischen Anstalten, Stiftungen, Vereinen u. s. w. gewährt werden, wenn der auswärtige Staat Preußen gegen⸗ über die gleiche Rücksicht übt. Artikel 2.
Dieses Gesetz tritt mit dem
Artikel 8.
Der Finanz⸗Minister ist mit der Ausführung dieses Gesetzes be⸗
auftragt. In der heißt es: 1 Der dem Landtage vorgelegte Entwurf zu einem Stempelsteuer⸗ gesetz enthält mehrere Bestimmungen, die von den entsprechenden Vor⸗
in Kraft.
dem Entwurf beigegebenen Begründung
schriften des Gesetzes über die E bschaftssteuer in der durch die Be⸗
Hause der Abgeordneten ist der nachstehende die Erbschaftssteuer,
Anzeiger und Königlich Preußischen S
kanntmachung des Finanz⸗Ministers vom 24. Mai 1891 veröffent⸗ lichten Fassung (Gesetz⸗Samml. 1891 S. 78) abweichen. Es erscheint wünschenswerth diese Verschiedenheit durch Abänderung des Gesetzes über die Erbschaftssteuer auszugleichen und gleichzeitig durch einen Zusatz zu § 10 dieses Gesetzes eine nach den bisherigen Erfahrungen fühlbar gewordene Lücke auszufüllen.
8 . den einzelnen Bestimmungen des Entwurfs wird Folgendes emerkt: *
Zu Art. 11. Nach § 10 des Gesetzes über die Erbschaftssteuer unterliegt der preußischen Erbschaftssteuer das bewegliche (d. h. das nicht in Grundstücken oder Grundgerechtigkeiten bestehende) Vermögen derjenigen Personen, die bei ihrem Ableben ihren Wohnsitz in
reußen hatten. Dagegen ist das bewegliche Vermögen derjenigen ersonen, die bei ihrem Ableben ihren Wohnsitz außerhalb Preußens atten, einer preußischen Erbschaftssteuer nicht unterworfen, selbst wenn es ganz oder theilweise in Preußen sich befinden sollte, indem die Gesetzgebung von der Annahme ausgeht, daß in diesem Fall dem betreffenden ausländischen Staat die Besteuerung des anzen beweglichen Nachlaßvermögens zu überlassen sei. Diese ück⸗ sicht auf einen fremden Staat fällt weg, wenn der Erblasser einen “ überall nicht gehabt hat. ür solche Fälle kann daher unbedenklich bestimmt werden, daß der Nachlaß, soweit er in Preußen sich befindet, der preußischen Erbschaftssteuer zu unterwerfen sei. Daß ein vermögender Mann keinen Wohnsitz habe, ist allerdings eine große Seltenheit; es sind indeß vereinzelte Fälle vorgekommen, in denen aus überseeischen Ländern zurückgekehrte wohlhabende Leute längere deit in Deutschland sich aufgehalten und ohne Begründung eines Wohnsitzes an verschiedenen Orten in Hotels gewohnt haben, und es liegt kein Anlaß vor, ihren Nachlaß gänzlich unversteuert zu lassen.
u Artikel 12: Nach § 15 des Gesetzes über die Erbschafts⸗ steuer wird bei immerwährenden Nutzungen und Leistungen das Zwanzigfache ihres einjährigen Betrags als Kapitalwerth angenommen. In Uebereinstimmung mit § 6 Abs. 9 des Entwurfs zum Stempel⸗ steuergesetz wird diese Bestimmung dahin zu ändern sein, daß das Fünfundzwanzigfache des einjährigen Betrags als Werth der Nutzung oder Leistung anzusehen ist. 8 8
u Artikel 18a. Nach der Befreiungsvorschrift 2 g im Tarif zum Erbschaftssteuergesetz sind Waisenhäuser von der Erbschaftssteuer befreit. Im Entwurf wird vorgeschlagen, dem Wort „Waisenhäuser“ in Uebereinstimmung mit § 5 d des Entwurfs zum Stempelsteuer⸗ gesetz das Wort „öffentliche“ voranzustellen. Sachlich ist diese Aenderung nicht von großer Bedeutung, da private Anstalten zur Aufnahme von Waisen schwerlich vorkommen werden und auch wohl kaum unter den Begriff von „Waisenhäusern“ fallen würden.
Der Entwurf schlägt ferner vor, die Schlußworte der Befreiungs⸗ Fosfeheift 2g im Tarif zum Erbschaftssteuergesetz, welche gegenwärtig auten:
„andere milde Stiftungen, welche vom Staat als solche aus⸗
drücklich oder durch Verleihung der Rechter juristischer Personen
anerkannt sind“ in Uebereinstimmung mit § 5d des Entwurfs zum Stempelsteuer⸗ gesetz durch die Worte zu ersetzen:
„Stiftungen, welche als milde ausdrücklich anerkannt sind.“
Wie von dem Reichsgericht in einer Entscheidung vom 22. No⸗ vember 1881 (Justiz. Ministerialblatt 1882, 315) anerkannt worden, ist nicht in jeder Verleihung der Rechte juristischer Persönlichkeit die still⸗ schweigende Anerkennung einer Stiftung als milde Stiftung zu finden, vielmehr immer nach den Umständen des Einzelfalls festzustellen, ob die Annahme gerechtfertigt erscheint, daß die Stiftung durch Ver⸗ leihung jener Rechte stillschweigend als milde anerkannt sei. Unter diesen Umständen muß die jetzt vorgeschlagene Fassung als die angemessenere angesehen werden; sie würde sich überdies, ebenso wie die Einschiebung des Worts „öffentliche“ vor „Waisenhäuser“, aus dem formellen Grunde empfehlen, um auch äußerlich Uebereinstimmung zwischen dem Stempelsteuer⸗ und dem Erbschaftssteuergesetz herbeizufüͤhren.
Zu Artikel 13 b. Vom Staat genehmigte Vereine für Klein⸗ kinder⸗Bewahranstalten genießen schon gegenwärtig auf Grund der Kabinetsordres vom 21. April 1841 und 3. Juli 1842 (Ministeral⸗ blatt für die gesammte innere Verwaltung 1841 S. 140 und 1842 S. 342) in Verbindung mit der Befreiungsvorschrift 2Lk im Ta zum Erbschaftssteuergesetz Befreiung von der Erbschaftssteuer. Wenn desungeachtet vorgeschlagen wird, die genannten Vereine in der Be⸗ freiungsvorschrift 2h. ausdrücklich namhaft zu machen, so ist hierbei — neben der Rücksicht auf eine möglichst genaue Uebereinstimmung des Wortlauts des Stempelsteuer⸗ und des Erbschaftssteuergesetzes — auch noch der Grund bestimmend gewesen, daß die unter 1 3⸗ des Ent⸗ wurfs vorgeschlagene Bestimmung auch auf diese Vereine sich be⸗ ziehen soll, was nur dann klargestellt ist, wenn die Vereine vorher
ausdrücklich genannt sind.
Zu Artikel 18c. Diese Bestimmung findet sich wörtlich gleich⸗ lautend im § 5 des Entwurfs zum Stempelsteuergesetz. Sie ent⸗ spricht dem bisherigen Verfahren der Verwaltungsbehörden. Zur Klarstellung der Sache erscheint es indeß erwünscht, sie in das Gesetz aufzunehmen.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Die heimliche und eigenmächtige Entwendung eines Spar⸗ kassenbuchs aus fremdem Gewahrsam, um aus der Sparkassenein⸗ lage einen Theilbetrag abzuheben und sodann das Buch in den Gewahrsam des Eigenthümers zurückzuschaffen, ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 29. Oktober 1894, als Diebstahl zu bestrafen. „Während die einfache Rechtsüberzeugung des Laien keinen Augenblick darüber im Zweifel sein wird, denjenigen, der ein fremdes Sparkassenbuch aus fremdem Gewahrsam eigenmaͤchtig und heimlich entwendet, um sich der Spareinlagen ganz oder theil⸗ weise zu bemächtigen, als Dieb zu verfolgen, sind es ausschließlich die sich an den vieldeutigen Begriff der „Zueignung“ und an die eigenthümliche Natur des Sparkassenbuchs als „Be⸗
weisurkunde“ klammernden doktrinär ⸗ juristischen Zweifel, welche hier Schwierigkeiten hervorrufen. Man will sich der offenkundigen Thatsache verschließen, daß Verkehrsanschauung und Verkehrsbedürfniß die Sparkassenbücher thatsächlich den Inhaber⸗ papieren außerordentlich genähert hat: obwohl sie sich äußerlich und formell als bloße Beweisurkunden über einen gewissen verzinslich ein⸗ gezahlten Geldbetrag geben, hat die Befreiung der Sparkassen von jeder Prüfungspflicht hinsichtlich der Legitimation des Inhabers be⸗ wirkt, daß sie thatsächlich wie Inhaberpapiere von Hand zu Hand wandern, im täglichen Handel und Wandel verkauft, versetzt, ver⸗ schenkt, vererbt oder sonst übertragen werden. Es ist nichts als ein Spiel mit Worten von demjenigen, der ein Sparkassenbuch entwendet, der den ganzen Sparkassenbetrag bis auf vielleicht 1 ℳ für sich er⸗ hoben, das Buch demnächst aber heimlich wieder in den Besitz des berechtigten Inhabers zurückgeschafft hat, zu sagen, er habe das in seiner Substanz unversehrte Papier nur eigenmächtig gebraucht. Für den Eigenthümer besteht offenkundig rechtlich wie ökonomisch der Verkehrswerth eines solchen Sparkassenbuchs absolut nicht in dem Substanzwerth des Papiers, auf dem es gedruckt und geschrieben ist, sondern einzig und allein jn der durch den Besitz der Urkunde ge⸗
währleisteten Befugniß, über die durch die Urkunde bezeugten Geld⸗ beträge bezw. F rechte jederzeit verfügen zu können. Ob der
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