1895 / 55 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 Mar 1895 18:00:01 GMT) scan diff

8 Mannigfaltiges. 8 In dem Befinden des kommandierenden Admirals Freiherrn von der Goltz ist, wie die hiesigen Blätter berichten, eine wesent⸗ liche Besserung eingetreten, sodaß die Gefahr für beseitigt gilt.

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe machte am Mitt⸗ woch Abend Herr Architekt Hoffacker Mittheilungen über die Lage⸗ verhältnisse der Berliner Gewerbe⸗Ausstellung 1896. Nach⸗ dem einmal die Entscheidung für den Treptower Park gefallen, galt es als eine zu erfüllende Hauptaufgabe, die Ausstellungs⸗ bauten so zu gruppieren, daß einmal bei den großen Dimensionen des Treptower Parks keine Zersplitterung eintrete, andererseits aber auch Anlehnung an die vorhandenen Parkanlagen ein großes, dekorativ wirksames Gesammtbhild geschaffen werde. An der Hand der ausge⸗ tellten Situationspläne wurde erläutert, wie die Dieeaptthan des Haupt⸗ gebäudes diesen Bedingungen gerecht werden soll, und wie des weiteren die Anlage des Ausstellungsbahnhofs nebst der Zufahrts⸗ wege mit dieser Disposition in Zusammenhang gebracht sei. Die speziell auf die Bedürfnisse der darin ausstellenden Gewerbszweige etroffene Grundrißgestaltung des Hauptgebäudes wurde ein⸗ gehend geschildert und ferner eine Uebersicht gegeben über die weiteren baulichen Anlagen auf dem sogenannten Spieiplatz, die Gebäude sür hemie und verwandte Gewerbe, die Fischereigebäude, die Kolonial⸗ usstellung, Gartenbauausstellung u. s. w. Redner schilderte zum Schluß ie Bestrebungen der einzelnen Gruppen, auf sachgemäßes einhbeitliches rrangement hinzuwirken, und richtete an die Mitglieder die Bitte, diese estrebungen zum Nutzen und Gelingen des Ganzen wirksam zu unter⸗ stützen. An Stelle des erkrankten Herrn Direktors Schwarz gab . Grundner kurze Erläuterungen über die Rotations⸗ Photographie, die es ermögliche, nach einem gegebenen Negativ mittels des elektrischen Lichts 1000 m Papier in einer Breite von 64 cm innerhalb 12 Stunden mit Photographien zu bedrucken. Einige Proben solcher Rotationsdrucke wurden vorgezeigt. Desgleichen waren im Saale einige vorzügliche Farbenlichtdrucke und Glanzlicht⸗ drucke von der Kunstanstalt Albert Frisch ausgestellt.

Im Deutschen Sprachverein Berlin hält: morgen, Dienstag, Abends 8 ½ Uhr (im Gasthof zu den Vier Jahreszeiten, Prinz Albrechtstraße 9), Herr Schulrath Dr. Grabow aus Bromberg einen Vortrag über „Die Aussprache der Lautverbindungen sp, st u. a.“ Gäste sind willkommen.

Für die Hinterbliebenen der mit der „Elbe“ Verunglückten sind bei dem hiesigen Comité bisher eingegangen 103 114,56 Weitere Beiträge werden erbeten. Direktor Lautenburg bat als Ertrag der Wohlthätigkeits⸗Aufführung im Neuen Theater, am 28. Februar, an das Unterstützungs⸗Comité für die Hinterbliebenen der auf der „Elbe“ Verunglückten die Summe von 4450,70 abführen können.

Im Hilfsverein für weibliche Angestellte wird am Mittwoch, Abends 8 ½ Uhr, Herr Professor Dr. Arthur König in der Aula des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums, Georgen⸗ straße 30/31, einen Vortrag über „Bilder aus dem antiken und modernen Rom“ halten.

Schlieben. Am 13. März 1896 werden 40 Jahre verflossen sein, seit der Königliche Kreisphysikus Dr. Friedrich August Wagner das

eitliche segnete. Der Verstorbene hat sich sowohl in verschiedenen der Wissenschaft, wie um seine Heimathstadt große Verdienste erworben. Der berühmte Arzt Hufeland schätzte ihn als einen der thätigsten Mitarbeiter seiner Zeitschrift und rechnete ihn zu denjenigen deutschen Aerzten, die in einer ausgebreiteten Praxis als Landarzt die meisten Kranken behandelt haben. Nicht minder tüchtig war Wagner auf dem Gebiet der Naturwissenschaften. Bei seiner großen Vorliebe für die Natur legte er umfangreiche Sammlungen von Naturalien an, und hierbei wurde er zuerst auf die vorgeschichtlichen Alterthümer aufmerksam, an denen die Schliebener Gegend so reich ist. Im

icht vom 4. März ör Morgens.

Wetter

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¹) Schnee. ²) Gestern öfter Schnee, heute

Rauhfrost. ³) Nachts Schnee. ⁴) Nachts Schnee. Uebersicht der Witterung.

Das Hochdruckgebiet im Westen der Britischen Inseln hat an Höhe wieder erheblich zugenommen, während tiefe Depressionen zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meere sowie jenseits der Alpen lagern. Dementsprechend dürfte eine wesentliche Aenderung in den Witterungsverhältnissen demnächst noch nicht zu erwarten sein. Bei schwacher Luft⸗ bewegung aus vorwiegend westlicher Richtung ist das Wetter in Deutschland vorwiegend trübe und durch⸗ schnittlich kälter, vielfach ist etwas Schnee gefallen. In ganz Deutschland und Umgebung herrscht Frost⸗ wetter, am kältesten, unter minus 10 Grad, ist es in der Pfalz und im nördlichen Bayern.

Deutsche Seewarte.

MRME basssesesmxs-aeg2aE,HReRIeEmxer NaAʒMe Kagä veEege eeerae enn Theater⸗Anzeigen. Königliche Schanspiele. Süzüanae Brane

haus. 57. Vorstellung. Die Iustigen Weib von Windsor. Komisch⸗phankaftssche Oper

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Anfang 7 ½ Uhr.

kontrakt.

Laufe der Jahre wurde er auf diesem damals fast noch unbekannten Gebiet der Archäologie und Anthropologie geradezu bahnbrechend, und durch seine umfangreichen Ausgrabungen erzielte er Erfolge, wie es selten einem Alterthumsforscher gelingt: die Museen von Berlin, Leipzig. Dresden und Halle bewahren noch jetzt viele vorgeschichtliche Alterthümer von Wagner. Die Bürgerschaft von Schlieben aber ist dem Verstorbenen dadurch zu bleibendem Dank verpflichtet, daß Wagner auf dem „langen Berge“ aus eigenen Mitteln unter den schwierigsten Bodenverhältnifsen eine Anlage ge⸗ schaffen hatte, die der Stadt zur größten Zierde ferer Zu seinem 40. Todestage will man ihm nun auf der Höhe dieses Berges, an dessen

er zur letzten Ruhe bestattet wurde, ein Denkmal setzen. Der

rundstock dazu ist bereits gelegt, doch fehlt noch viel, um den Plan verwirklichen und damit eine alte Ehrenschuld endlich abtragen zu können. Alle Verehrer des verewigten Dr. Wagner werden daher gebeten, sich an diesem Werke der Dankbarkeit durch Beiträge zu be⸗ theiligen. Beiträge nimmt Herr Apotheker und Stadtverordneten⸗ Vorsteher Legal in Schlieben entgegen.

Hass⸗ 2. März. Soeben erschien eine Zusammenstellung der Preise für unmöblierte Wohnungen, Steuern, die wichtigsten Nahrungsmittel u. dergl., zur Orientierung für pensionierte Ofsiziere, Beamte, Rentner ꝛc., welche ihren Wohnsitz nach Bad Harzburg zu verlegen gedenken. Dieses Verzeichniß wird von dem Schatzmeister des Harzklubs, Zweigverein Harzburg, Herrn Rud. Stolle, Villa Ilse hierselbst, gegen Einsendung des Portos kostenlos versandt.

Münster, 28. Februar. Die biesige Orthopädische Heil⸗ anstalt „Hüffer⸗Stiftung“ hat soeben ihren 7. Jahresbericht für 1894 ausgegeben. Aus demselben ergiebt sich ein stetig fortschreitendes Gedeihen der für Westfalen und die Nachbarprovinzen wohlthätig wirkenden Anstalt. Die Zahl der in der Anstalt ver⸗ pflegten und ärztlich behandelten Kranken, welche an an⸗ geborenen, sowie erworbenen Mißbildungen, wie Klumpfuß, Gelenkleiden, Rückgratsverkrüämmungen und dergleichen, litten, stieg gegen 205 des Vorjahres auf 241; von diesen entfielen auf Westfalen 159, Rheinlande 52, Hannover 19 u. s. w. Zu dieser Zahl der Anstaltskranken kommen hinzu 58 sogenannte poliklinische, d. h. nicht in der Anstalt verpfleate, Kranke. Durch Allerhöchste Kabinets⸗ ordre vom 9. Mai 1894 sind der Anstalt die Rechte einer juristischen Person verliehen, und ist somit die Gewähr gegeben, daß ihre segensreiche Thätigkeit auf die Dauer gesichert ist. Nach einer vom Kuratorium zusammengestellten Uebersicht fanden im ganzen bisher, d. b. in einem Zeitraum von 6 Jahren, einschließlich der poliklinischen Kranken, nahezu 1100 Patienten ärztliche Behand⸗ lung bezw. Aufnahme in der Anstalt: eine Zahl, die für eine Spezial⸗Anstalt gewiß eine bedeutende zu nennen ist. Der Jahres⸗ bericht der „Hüffer⸗Stiftung“ für 1894 wird von dem leitenden Arzt, Herrn Dr. Tenbaum, sowie von dem Kuratorium, an dessen Spitze der Ober.Bürgermeister der Stadt Münster bezw. dessen Stellver⸗ treter steht, unentgeltlich versandt.

Wie die „Rbein.⸗Westf. Ztg.“

Essen a. d. Ruhr, 1. März. mittheilt, beschloß der Vorstandsausschuß des Vereins für die bergbaulichen Interessen im O berbergamtsbezirk Dortmund, zur Ebrung des Fürsten Bismarck anläßlich des 80. Geburtstages desselben am 31. März im Stadtgarten hierselbst eine außerordentliche Hauptversammlung der Vereinsmitglieder und der Mitglieder des Vereins technischer Grubenbeamten abzuhalten. Bergrath Dr. Schulz wird einen Vortrag „öüber die volkswirthschaft⸗ liche Bedeutung Bismarck's“ halten. Der Hauptversammlung folgt ein großes Festmahl der Theilnehmer. .

Leipzig, 2. März. Der Rath der Stadt hat, wie des „Leipziger Tageblatt“ meldet, die mit dem Finanz⸗Ministerium und dem Kriegs⸗Ministerium vereinbarten Verträge, betreffend den An⸗ kauf der Pleißenburg und den Kasernenbau in Möckern, genehmigt und hierfür den Betrag von 4 ½ Millionen Mark bewilligt.

3 Akten von O. Nicolai. Mosenthal, nach Shakespeares gleichnamigem Lust⸗ spiele. Tanz von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister eingart Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. Wolfgang von Goethe. Die zur Handlung gehörende Musik von Anton Fürsten Radziwill und von Peter Joseph von Lind⸗ In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Anfang 7 Uhr.

Mittwoch: Overnhaus. g valleria rusticana (Bauern⸗Ehre.) Oper

gleichnamigen Vo Entführung aus dem Serail. Komische Oper in 3 Akter von Wolfgang Amadeus Mozart. von Betzner. Anfang 7 ½ Uhr.

Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl g 7 ½ Uhr.

Alten f en sungen. 82 Deutsches Theater. Dienstag: Der G'wissens⸗ Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Gespenster. Donnerstag: Der Talisman.

Lessing⸗Theater. Dienstag: Zum ersten Male:

Text von H. S. von

Neues Theater.

L. 71 63. Vorstellung. Fanst von Uhr.

Der Tragsödie erster Theil.

zügen von William Shakespeare. Donnerstag: Abend. Der Erbförster.

58. Vorstellung. Ca⸗-

etro wa Text nach dem ck von G. Verga. Die

Text

gesetzt von Julius Fritzsche. Wie die 8

meister Ferron.

64. Vorstellung. meister Herrn Louis Gundlach.

Bonund (Nach Marocco).

Rentiers.

Anfang 7 ½ Uhr. Musik von Julius Einödshofer.

Schiffbauerdamm 42./5 Dienstag: Gastspiel des K. u. K. Hofburgschau⸗ spielers Bernhard Baumeister. Der Erbförster. Trauerspiel in 5 Akten von Otto Ludwig. Anfang

Mittwoch: Gastspiel des K. u. K. Hofburgschau⸗ spielers Bernhard Baumeister. Vorletzter Abend. König Heinrich der Vierte. Schauspiel in 5 Auf⸗

Baumeister⸗Gastspiel.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Dienstag: Mit neuer Ausstattung: Kapitän Caricceiolo. Ballet in 3 Akten von Hemy Chivot und Alfred Duru. Musik von Edmond Audran. In Scene Lee. Dirigent: Herr Kapell⸗ Die Ballets arrangiert vom Ballet⸗ . Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Kapitän Caricciolo.

Voranzeige: Gastspiel der vollständigen englischen Bourlesque⸗Gesellschaft (50 Mitglieder) Morocco

8

Bentral-Theater. Alge Jakobstraße Direktion: Richard Schultz. Emil Thomas a. G. Dienstag: Zum 18. Male: Novität! Große Posse mit Gesang und Tanz in

Berliner Theater. Dienstag: Zum ersten 4 Akten von Wilhelm Mannstädt und Julius Freund.

Male: Die große Glocke. Mittwoch: Madame Sans⸗Gene. Donnerstag: Die große Glocke.

In vom Direktor Richard Schultz. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Zum 19. Male: Unsere Rentiers.

4 18 Adolph Ernst⸗Theater. Dienstag: Auf⸗ treten der ersten Pirouette⸗ und Courbette⸗Tänzerin Englands Miß Rose Batchelor vom Prince of Wales⸗

Wien, 2. März. In Vollzug der letztwilligen Verfügungen des Erzherzogs Albrecht übergab, wie . . B.“ der Erz Friedrich die Summe von 15 000 Gulden für die Armen von Wien, für die von Budapest 5000 und für die Armen von Baden 2000 Gulden. Zahlreiche Legate sind ferner für die Iün T. 11.- se chebeder Gemeinden in ähren, lien und Ungarn, sowie für verschiedene gemeinnützi Anstalten ausgesetzt. 8

Wien, 3. März. Blättermeldungen zufolge fand in dem Ort Itzkanyp, auf rumänischem Boden, in einer Brennerei eine Kessel⸗ Explosion statt. Die Decke des Kesselhauses barst und viele Arbeiter, welche im ersten Stockwerk schliefen, fielen in den brennenden Heher. Zwölf Arbeiter wurden getödtet, mehrere andere schwer verletzt.

St. Petersburg, 3. März. Heute Nachmittag um 1 Uhr wurde hier die erste altrussische Druckerei⸗Ausstellung er⸗ öffnet. Die Eröffnung vollzog Seine Kaiserliche Hoheit der Groß⸗ fürst Constantin. Der Feierlichkeit wohnten zahlreiche hervor⸗ ragende Persönlichkeiten, Mitglieder der Technischen Gesellschaften und der Presse bei. Die Ausstellung zeigt, nach dem Bericht des „W. T. B.“, ein volles Bild der Fortschritte, welche die Druckerei in Rußland in den letzten 25 Jahren gemacht hat. Auf ergangene Einladung sind auch die Reichsdruckerei in Berlin, die Staatsdruckerei in Wien sowie verschiedene namhafte ausländische Privatfirmen ver⸗ treten. Nach den „Nowosti“ hat nunmehr die Theilung der Hinterlassenschaft Anton Rubinstein's unter die Erben stattgefunden. Die beiden Häuser des Komponisten in St. Peters⸗ burg, welche auf 340 000 Rubel geschätzt werden, erhielten sein Sohn und seine Tochter. Die Wittwe Rubinstein's, welche das Landhaus in Peterhof behält, wurde für ihren Antheil an den Häusern mit Geld abgefunden und genießt außerdem das Autorenhonorar für die verschiedenen Werke des Verstorbenen, mit Ausnahme der Oper „Der Dämon⸗, für welche sämmtliche Rechte der Tochter Rubinstein's, Frau Stabs⸗Rittmeister Rebesow, übertragen sind. Das Autoren⸗ honorar von sämmtlichen Werken Rubinstein’'s wird, dem genannten Blatt zufelge, mäßig gerechnet, auf 10 000 Rubel jährlich taxiert.

MNonm, 2. März. Eine Depesche aus Marsala meldet, daß ein Südsturm den im Hafen verankerten Schiffen beträchtlichen Schaden zugefügt hat. Das Denkmal zur Erinnerung an die Landung der Tausend ist umgestürzt; das Gebäude des Sindaco und viele andere Häuser sind beschädigt.

Toronto, 4. März. Dem „R. B.“ wird gemeldet, daß in der Nacht zum Sonntag dort ein Feuer zum Ausbruch kam, durch welches eine große Anzahl der bedeutendsten Magazine und die König⸗ liche Bank zerstört wurden. Vorläufig sei es unmöglich, den Schaden zu schätzen. Man nehme an, daß das Feuer auf Brandstiftung zurück⸗

zuführen sei.

Konstantinopel, 3. März. „W. T. B.“ meldet: Der Hamburger Schnelldampfer „Augusta Victoria“ traf gestern, von Athen kommend, wohlbehalten hier ein und unternahm zunächst bei herrlichstem Wetter eine Fahrt durch den Bosporus. Nachdem das Schiff in den Hafen gekommen, ließ der Sultan die Passagiere durch seinen Adjutanten begrüßen und lud sie zur Besichtigung seines Palastes und seiner Gärten ein. . 8

Alesund (Norwegen), 2. März Zwei Fischerboote kenterten wie dem „W. T. B.“ gemeldet wird, infolge Schneesturms. Zwölf Personen ertranken, nur eine Person wurde gerettet.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Dienstag, Abends 7 ½ Uhr: Wiederholung der am Sonnabend, den 2., mit so großem Beifall auf⸗ senommenen Parade⸗Gala⸗Vorstellung zum Benefiz ür den Dresseur und Schulreiter Herrn R. Renz und die Schulreiterin Frau Renz⸗Stark. 6 Tra⸗ kehner Rapphengste, vorgeführt von Herrn R. Renz. Die doppelte hohbe Schule mit den Schulpferden Liberator und Mikado, geritten von Herrn R. Renz und Frau Renz⸗Stark. Masstoso, ostpr. Hengst, in allen Gangarten der hohen Schule geritten von Frau Renz⸗Stark. Die Post mit 12 Pferden, geritten von Herrn Gustav Renz. Auftreten der weltbe⸗ rühmten Bonhair⸗Truppe. Io Ni En. (Beim Jahreswechsel in Peking). Neue Musik⸗Einlagen.

Mittwoch: Vorletzte Vorstellung. Auf vielseitiges Verlangen: Wiederholung der Benesiz⸗Vorstellung von dem beliebten Clown und „August“ Mr. Lavater TLio Ni En.

Letzter

Operette mit

KMgKeNNenRKeʒxer RsAESMAkEmxmeexaaTeireerrerere. Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Johanna Gobbin mit Hrn. Hütten⸗ meister und Prem.⸗Lieutenant der Landwehr Lothar Markendorf (Königshütte Lipine). Frl. Wanda von Schwerin mit Hrn. Kammerjunker und Assessor Gustav von Oertzen (Neustrelitz). Frl.

Unsere Eva Promnitz mit Hrn. Forst⸗Assessor Karl

Fink (Breslau Kattowitz).

Verebelicht: Hr. Gottlieb von Haeseler mit Frl. Martha Willrath (Kritzow bei Rabenstein⸗ eld i. Meckl.). 8

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Korvetten⸗Kapitän Stiege. Hrn. Major von Knoblauch zu ve Hrn. Hauptmann Edler von der Planitz (Dresden). Zwei Töchter: Hrn. Regierungs⸗Assessor

ans Dietrich von Ditfurth (Rittergut Dankersen ei Rinteln). Eine Tochter: Hrn. von

Nr. 30.

Scene gesetzt

Dirigent: Herr K. 7 ¼ Uhr. Mittwoch: Ein armes Mädel.

Nesidenz Weber.

Direktion: Sigmund Lautenburg. E 92 à la 84 en von Georges arbeitung von Benno A Mittwoch und folgende Tage:

Mittwoch: Sodoms Ende. Donnerstag: Das Examen.

Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Dienstag: Ein armes Mädel. mit Gesang in 3 Akten Krenn und Carl Lindau. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Herrn Binder.

se 25/26.

Das Examen. Lustspiel in 5 Akten von H. Lee.

Wiener Posse

6 Bildern) von Leopold iik von Leopold Kuhn.

ister Federmann. Anfang

Blumenstraße Nr. 9. v 2— atte.

Be⸗

deutscher

Anfang 7 ½ Uhr.

Theater in London. Ein fideles Corps. Große Ge⸗

sangsposse mit Tanz. Nach dem englischen Original

„A. Gaietv Girl“ von Jonas Sidney frei be⸗

arbeitet von Eduard Jacobson und Jean Kren.

Vorher: Gesindeball. Schwank in 1 Akt von Ed.

Jacobson und Jean Kren. Anfang 7 ½¼ Uhr. Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.

Konzerte.

Konzert-Hans. Dienstag: Karl Meyder⸗

onzert. Ouv. Die lustigen Weiber von Windsor“, Nicolai. „Die Schweizerhütte“, Adam. Pbantasie a. v v. Verdi. Troubadour⸗Phantasie f. d. Violine v. Alard (Herr Carnier). „An Alexis“ f. Piston v. Hartmann (Herr Werner).

Saal Bechstein. Linkstraße 42. Dienstag, Anfang 7 ½ Uhr: des Komponisten und Pianisten Guido Peters aus Wien.

Birkus Reunz (Karlstraße). Donnerstag, den

H eiaküxaärrt letzte Vorstellung (Schluß

Koschützki (Brynnek, Oberschl.).

Gestorben: Hr. Rittergutsbesitzer Albrecht von Kessel auf Ober⸗Glauche. Hr. Geheime Sanitäts⸗Rath Dr. Ludwig Güterbock (Berlin). Hr. General⸗Lieutenant z. D. Hermann Florian von Seydlitz (Wiesbaden). Hr. General⸗ Major Stürmer (Wiesbaden). Verw. Frau Kommerzien⸗Rath Marie Borchert, geb. Zobel, verw. Buggenhagen (Berlin). Fr. Präsident Marie von Zschock, geb. von Arnim (Münster i. W.). Fr. Generalin Bertha von Kleist, geb. von Ostrau (Potsdam). Hr. Major a. D.. Otto Tepler (Königsberg).

18

8 Verantwortlicher Redakteur: FJ. V.: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen leinschließlich Börsen 88

(3823)

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. ℳ.) 55.

Berlin, Montag, den 4. März

Deutscher Reichstag. 0. Sitzung vom Sonnabend, 2. März. 8

Das Haus setzt zunächst die zweite Berathung des Etats der Verwaltung der Kaiserlichen Marine fort.

Ueber den Beginn der Verhandlung ist bereits vorgestern

berichtet worden.

Zum außerordentlichen Etat liegt der Antrag Müller⸗Fulda (Zentr.) vor, den rE zu den einmaligen Ausgaben im ordentlichen Etat auf 3 355 800 festzusetzen. Die Budgetkommission will den Zuschuß nur auf 2 144 950 bemessen.

Abg. Dr. Hammacher (nl.): Die Uebernahme einer so großen Summe auf die Anleihe widerspricht den Prinzipien jeder gesunden Finanzwirthschaft. Nur die am Freitag abgegebene Erklärung des Reichs⸗ Schatzsekretärs, daß in Zukunft nach den bisherigen Grundsätzen ver⸗ fahren werden soll, kann mein Bedenken beruhigen.

Abg. Rickert (fr. Vgg.) tritt den Ausführungen des Abg. Dr. Hammacher entgegen. Die Vertheilung des Extraordinariums des vorliegenden Etats auf die ordentlichen Mittel und die Anleihe sei in tendenziöser Weise erfolgt, um die Finanzlage möglichst un⸗ günstig erscheinen zu lassen.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky: 1—

Herr Abg. Rickert hat erklärt, er wolle zwar der Finanzverwal⸗ tung nicht den Vorwurf machen, daß sie bei der Theilung der ein⸗ maligen Ausgaben zwischen dem Ordinarium und dem Extraordinarium tendenziös verfahren sei, aber die Vermuthung könne doch immerhin nahe liegen. Ich muß demgegenüber erklären, daß bei der Theilung zwischen Ordinarium und Extraordinarium auch in dem vorliegenden Etatsentwurf für 1895/96 nach ganz denselben Grundsätzen ver⸗ fahren ist wie bisher. Ich möchte aber hinzufügen, daß, wenn nicht auf irgend einen? Wege der Reichstag uns die Mittel bieten sollte, zu einer planmäßigen Tilgung zu gelangen, es im Interesse einer soliden Finanzwirthschaft unbedingt nothwendig ist, die bisherigen Grundsätze zu ändern, d. h. in stärkerem Maße noch als bisher das Ordinarium sowie die Steuerkraft der lebenden Generation zu belasten und damit die kommenden Generationen und dementsprechend den Schuldentitel zu entlasten.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Grundsätze sind nicht mehr dieselben wie früher. Jetzt werden nicht nur Kasernenbauten, sondern auch die Beschaffung von Kriegsvorräthen aus den ordentlichen Mitteln bestritten. Noch niemals ist die Summe so hoch gewesen, welche aus den laufenden Mitteln gedeckt wird, wie in diesem Jahre. Ein Uebereinkommen ist über diese nicht getroffen worden. Ich habe es für selbstverständlich gehalten, daß man nicht die laufenden Mittel besonders belastet, wenn man nicht den Etat für neue Steuern zurecht machen will. 8

Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky:

Meine Herren! Ich halte es nicht für rathsam, auf diese Debatte, betreffend den Antrag Müller, weiter einzugehen. Die Finanz⸗ verwaltung hat bei dieser Gelegenheit der Noth gehorcht, nicht dem eigenen Triebe. Ihr schien die Bewilligung der Kreuzer so wichtig zu sein, daß sie sich im maritimen und politischen Interesse dem Wunsche des Hauses gefügt hat, ohne ihr Prinzip bezüglich der Be⸗ rechnung der Kosten für die Erhaltung der Flotte aufzugeben. Ich möchte auch nicht auf die Details der Frage weiter eingehen, ob diesmal die Theilung der einmaligen Ausgaben zwischen Ordinarium und Extraordinarium abweichend von den bisherigen Grundsätzen ge⸗ schehen ist. Ich glaube, das ist eine Debatte, die sich nur für die Kommission eignet; wir müßten alle Posten einzeln durchgehen, um einen Beweis nach der einen oder anderen Seite zu führen.

Wenn der Herr Abg. Richter gesagt hat, es wäre das Ordi⸗ narium diesmal besonders dadurch angeschwellt, daß entgegen dem bisherigen Verfahren einmalige Ausgaben für Kriegsmaterial in das Ordinarium eingesetzt wären, so muß ich das als unrichtig be⸗ streiten. Ich habe hier eine Nachweisung vor mir, die aus den verschiedenen Etats seit dem Jahr 1886/87 20 verschiedene Posten enthält, die aus dem Ordinarium für Beschaffung von Kriegs⸗ material verausgabt sind. Ich will die Herren nicht mit der Ver⸗ lesung ermüden und nur drei Posten hervorheben; so sind z. B. 1886/87 für Munitionsausrüstung der Artillerie 1 183 200 ℳ, für 1890/91 zur Beschaffung der neuen Ausrüstung der Kavallerie 1 353 420 ℳ, für 1891/92 zur Beschaffung von Feldbahn⸗Material 1 211 000 Kap. 5 des ordentlichen Etats ausgeworfen. Es sind also ähnliche Posten wie im vorliegenden Etatsentwurfe auch in früheren Jahren in das Ordinarium eingestellt.

Die Finanzverwaltung hält daran fest, daß, so lange nicht eine geordnete Schuldentilgung besteht, es ihre Pflicht ist, möglichst den Etat der ordentlichen Ausgaben zu belasten und die Schuldentitel zu verringern. Eine solche fortgesetzte Schuldenvermeh⸗ rung, wie wir sie haben, steht bei dem Mangel jeder Schuldentilgung, und da es sich überwiegend um nicht verzins⸗ liche Anlagen handelt, finanzpolitisch wohl einzig da. Die Finanz⸗ verwaltung darf deshalb nichts unversucht lassen, auf eine Ver⸗ minderung unserer wachsenden Schuldenlast hinzuwirken.

Abg. von Leipziger (dkons.): Meine Partei steht im Prinzip auf dem Standpunkte des Abg. Dr. Hammacher; nach den beruhigenden Erklärungen des Staatssekretärs hat sie aber keine Bedenken, dem Antrage zuzustimmen.

Der Antrag Müller wird darauf mit großer Mehrheit angenommen.

Damit ist die zweite Berathung des Marine⸗Etats beendet.

Das Haus geht sodann zur Berathung des Militär⸗ Etats über.

Zum Ausgabetitel „Gehalt des Kriegs⸗Ministers“ liegt folgender Antrag der Abgg.Auer und Genossen (Soz.) vor:

Der Reichstag wolle beschließen, die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Fe einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch

welchen die Erziehung der Jugend zur Wehrhaftigkeit und die Um⸗ wandlung der jetzigen Heeresorganisation in eine Miliz⸗Wehr⸗

ordnung angebahnt wird. Abg. Liebknecht (Soz.): Unser Antrag will den alten Satz, daß das Heer das Volk in Waffen sein müsse, wahr machen. Der

Uebergang zum Milizsystem soll einstweilen nur angebahnt werden

unter Berücksichtigung der europäischen Verhältnisse. Der Gedanke der Abrüstung in diesem Sinne ist auch in Frankreich schon stark verbreitet. Wir wissen, daß der Antrag abgelehnt werden wird, weil das heutige militärische System organisch verwachsen ist mit dem Kapitalismus; aber wir werden immer wieder damit kommen. Ich habe die Ueberzeugung, daß wir neun Zehntel der zweijährigen Dienstzeit sparen könnten, wenn wir einen militäͤrischen Jugendunterricht einführten. Die Schweiz hat zu allen Zeiten naufterhafte Soldaten gehabt; ihre militärische Ausbildung steht auf der Höhe der Zeit, ihre Marschleistungen sind erstaunlich. Die Heere, die von sogenanntem militärischen Geiste, der mit unbedingtem blinden Gehorsam verknüpft ist, beseelt sind, sind fast immer besiegt worden. Das Volksheer Napoleon's hat das stehende Heer aus der Schule Friedrich's des Großen geschlagen. Auch der Befreiungskrieg war ein Volkskrieg. Ich brauche e. nur an die Reformen Scharnhorst's zu erinnern. Das Volksheer Gambetta's hat Frankreich viel besser vertheidigt als das stehende Heer Napoleon’'s; das erkennt auch das Generalstabswerk unumwunden an. Die Kraft und Wucht des Volksheeres konnte man auch in den amerikanischen Freiheitskämpfen bewundern. Wir würden jetzt statt Hasses Frieden mit Frankreich haben, wenn wir ihm 1871 die Verpflichtung auferlegt hätten, sein stehendes Heer in ein Milizheer umzuwandeln. Denn das Milizheer ist niemals ein Angriffs⸗, sondern immer nur ein Vertheidigungsheer. Es kann niemals zum Werkzeug des Chauvinismus oder des Ehrgeizes gemacht werden. Die Sorgen und Lasten, die das heutige Heeres⸗ system dem Volk auferlegt, sind furchtbar. Es giebt kaum einen Soldaten, der von dem leben kann, was er bekommt. Neben dem offiziellen Budget giebt es noch ein privates; der Soldat muß von seinen Angehörigen, Verwandten oder von Köchinnen unterstützt werden. Der Deutsche wird durch die Dienstzeit aus seinem Beruf herausgerissen; der Schweizer nicht, denn er hat stets nur kurze Zeit zu dienen, Der Schweizer geht auch freudig zur Armee. Die Armee wird bei uns als der einzige Schutz des Bürgerthums gegen die Sozial⸗ demokratie gepriesen. Wer aber mit der Möglichkeit rechnet, daß er die Armee gegen das Volk gebrauchen könne, muß dahin streben, die Armee immer mehr von dem Volke loszulösen. Das ist der Weg zum Prätorianerthum. Unser Antrag will dem entgegenwirken und ner die Interessen des Volkes im Auge hat, muß für unsern Antrag immen.

Abg. Baumbach (Rp.): Ich werde nur ganz kurz auf den Grundgedanken des Abg. Liebknecht eingehen. Die ganzen Bestrebungen der Sozialdemokratie behufs Einführung eines Volksheeres sind nur darauf gerichtet, mit einem solchen Volksheer die politische Macht zu erlangen. Ich habe 1848 solch ein Volksheer kennen gelernt. In Jena hatten sich 10⸗ bis 12 000 Menschen zusammengethan, bewaffnet mit Gewehren, Aexten und Sensen. Als die Sache ernst wurde und es zum Schießen kam, ergriffen sie die Flucht. Ein Volks⸗ heer wirksam zu organisieren, dazu gehört die ganze Schöpferkraft eines Gambetta. Sonst ist ein solches Heer nicht zusammenzuhalten. In der französischen Kommune wurden die Leute schließlich Räuber und Plünderer. Der Abg. Liebknecht hat auf die Schweiz und Amerika bingewiesen. Wie kann er Deutschland mit jenen Ländern vergleichen? Die Schweiz ist durch unübersteigliche Berge, Amerika durch das Meer geschüötzt. Wir geben doch lieber etwas mehr Geld aus für eine Armee, welche das Vaterland unter allen Umständen schützt, als daß wir ein Volksheer schaffen, dessen Wirksamkeit zweifelhaft ist. In Deutschland wird der Turnunterricht schon jetzt genügend gepflegt, das können Sie auf den kleinsten Dorfschulen beobachten. Scharn⸗ horst war durchaus nicht derjenige Mann, zu dem Sie ihn machen wollen. Er wollte stets ein stehendes Heer haben. Ich schließe mit dem Wunsche, daß unser deutsches Heer immer so bleibe, wie es

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Ich wäre den Sozialdemokraten sehr dankbar, wenn sie uns einmal klar und deutlich ihre Absicht darlegen wollten. Der Abg. Liebknecht hat uns nichts Positives, keinen Plan vor⸗ gelegt. Wenn er der Ansicht ist, daß bei dem Bestehen von Milizheeren Kriege seltener seien, so möchte ich dem ent⸗ schieden widersprechen. Kabinetskriege giebt es heute nicht mehr. Aber es steht doch fest: in Frankreich wollen die Parteien von der Rechten bis zur Linken, vielleicht mit Ausnahme der Sozialdemokratie, den Revanchekrieg gegen Deutschland in dem Augen⸗ blick, wo man sicher zu sein glaubt, daß Deutschland der schwächere Theil sei. Was die Ausgaben der Schweiz für das Heer betrifft, so sind dieselben verhältnißmäßig höher als bei uns. Die Urtheile von angesehenen Militärs in der Schweiz über die schweizerische Miliz gehen dahin, daß die letztere nicht feldtüchtig sei, weil es ihr an Disziplin fehle. Und dabei klagt man in der Schweiz ebenso wie bei uns über Militarismus und Säbelrasselei; auch die Klagen über Soldatenmißhandlungen sind dort ebenso lebhaft wie bei uns. Niemals werde ich einer Militärorganisation zustimmen, wie sie der Abg. Liebknecht anstrebt. Denn im Ernstfalle kann uns nur eine in sich festgeschlossene kräftige Armee schützen.

Abg. von Podbielski (dkonf): Der Zukunftsstaat, wie die Zukunftsarmee der Sozialdemokraten liegt meiner Ansicht nach noch in weiter Ferne. Wenn die Massen erst erfahren, wohin die Pläne der Sozialdemokraten gehen, so werden ihnen die Augen aufgehen. Wollte man dem Antrag Liebknecht ge⸗ mäß handeln, so würde es sich sehr bald zeigen, daß die Steuerschraube noch weit mehr angezogen werden muß, als es jetzt der

all ist. Das Idealbild des schweizerischen Wehrmanns, wie es der Abg. Liebknecht entwirft, ist in Wirklichkeit nirgends zu finden. Was die Soldatenmißhandlungen betrifft, so beweisen die Tagesbefehle in der schweizerischen Miliz, daß es in diesem Punkt in der Schweiz nicht besser bestellt ist als anderswo. Jeder Pfennig wäre weggeworfen, den wir für ein Milizheer nach diesem Muster ausgeben würden. Sie (zu den Sozialdemokraten) bieten uns ein stumpfes Messer; wir aber wollen das scharfe Schwert behalten, das wir besitzen zum Schutze unseres Vaterlandes.

Die weitere Berathung wird darauf um 5 Uhr vertagt.

3 8 Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten

33. Sitzung vom Sonnabend, 2. März.

Die zweite Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten wird bei dem Kapitel der technischen Unterrichtsanstalten fortgesetzt.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden. Wir tragen hier nur die Rede des Ministers der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse über die Errichtung elektrotechnischer Laboratorien an den Technischen Hochschulen im Wortlaut nach.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Die anerkennenden freundlichen Worte des Herrn Vorredners für die Unterrichtsverwaltung und das, was sie auf dem Gebiete der Elektrochemie gethan hat, kann ich nur mit dem wärmsten Danke begrüßen. An Interesse für die Sache wird es uns nicht fehlen. Es wäre die elendeste Philistrosität gewesen, wenn wir dem Aufschwung

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1895.

gegenüber, den diese Wissenschaft genommen hat, uns einfach hätten ab⸗ lehnend verhalten wollen. Ich mache aber kein Hehl daraus, daß zwar nicht die großen Zukunftsbilder, die dieser neue Aufschwung der Elektochemie vor uns entrollt, uns Angst machen, wohl aber könnte man vom Standpunkt einer vorsichtigen Finanzverwaltung recht bange werden, wenn alle die Dinge, an die wir große Summen wenden, so schnell überholt werden von neuen Erfindungen. Indeß, wenn das sich belohnt macht durch das, was für unser Volk, für die Menschheit und für die Wissenschaft geschieht, so werden sich auch die Miktel finden.

Ich habe das Wort nur zu dem Zweck ergriffen, um von mir das wesentliche Verdienst auf diesem Gebiete abzulenken. Ich habe nur gethan, was meine Schuldigkeit war. Das wesentliche Verdienst gebührt dem Entgegenkommen des Herrn Finanz⸗Ministers, der die Bedeutung der Sache sofort mit klarem Blick vollkommen erkannt und mit großer Bereitwilligkeit die Mittel zur Verfügung gestellt hat, sodaß wir jetzt schon am Werke sind und schon vor dem Beginn des neuen Semesters haben anfangen können. (Bravo!)

Im weiteren Verlauf der Berathung nimmt nach dem Abg. von Eynern (nl.), dessen Rede bereits gestern wieder⸗ gegeben worden ist, das Wort

Minister der geistlichen ꝛec. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ja, meine Herren, auf die Ausführungen des Herrn Abg. von Eynern einige Worte zu erwidern, darf ich mir, wie die Dinge nun einmal liegen, doch nicht versagen. Wenn er im Eingang seiner Rede den Wunsch ausgesprochen hat, daß wir für die Lehrstühle der Nationalökonomie an den Technischen Hochschulen mehr Mittel als bisher flüssig machen möchten und, wo möglich, etatsmäßige Professoren dafür zu erlangen suchen, so kann ich Ihnen versichern daß ich es meinerseits an Bemühungen in dieser Beziehung nicht werde fehlen lassen, um dieses Ziel zu erreichen.

Aber, meine Herren, Herr Abg. von Eynern ist bei seinen Aus⸗ führungen über diese praktischen Ziele, die hier mit unserer Berathung in unmittelbarem Zusammenhange stehen, doch weit hinausgegangen. Er hat uns Ausführungen gemacht über den Kathedersozialismus und hat dabei auch die Verhältnisse der Universitäten mit berührt. Ich will das dahingestellt sein lassen und will diese Ausführungen über den Kathedersozialismus auch gelten lassen für die Bestrebungen, die wir bei der Besetzung der nationalökonomischen Dozentenstellen an den Technischen Hochschulen zur Geltung bringen. 8

Meine Herren, ich beanstande zunächst den Ausdruck „Katheder⸗ sozialismus“. So allgemein er auch ist, ich frage jeden einzelnen der Herren hier im hohen Hause, ob er einen bestimmten Begriff mit dem Ausdruck „Kathedersozialismus“ verbinden kann. Es ist ein ganz verschwommener und unbestimmter Begriff. Wieder im weitesten Sinne genommen, so bin ich garnicht sicher, ob nicht Herr von Eynern in Gefahr käme, daß dieser oder jener auch ihn selbst für einen Katheder⸗ sozialisten hält. Also, meine Herren, mit einer solchen Bezeichnung läßt sich überhaupt nicht operieren und am wenigsten gegenüber der Entwicklung unserer Wissenschaft. Wie sollen wir es wohl machen, zu hindern, daß die wissenschaftliche Nationalökonomie sich nach der Seite hin entwickelt, die man jetzt Kathedersozialismus zu nennen beliebt? Will denn Herr von Eynern wirklich, daß die Unterrichtsverwaltung hier eingreifen soll, daß sie Maßregeln ergreifen soll, um die Freiheit der Forschung zu beschränken? Ich kann mir das unmöglich vorstellen. Deshalb will ich auch auf die ganze Frage hier nicht näher eingehen, sondern mich nur darauf beschränken, auf die Besorgniß, die Herr von Eynern ausgesprochen hat, daß wir bei der Besetzung der staatswissenschaftlichen Lehrstühle zu einseitig vor⸗ gingen, einige Worte zu erwidern. 8

Meine Herren, das ist thatsächlich vollkommen unrichtig. Alle Richtungen sind auf den Universitäten und auch auf Technischen Hoch⸗ schulen, soweit wir dort nationalökonomische Dozenten haben, ver⸗ treten, keineswegs bloß der sogenannte Kathedersozialismus. Ich darf nur daran erinnern, daß wir z. B. in Halle die Herren Dr. Conrad, Dr. Friedberg und Dr. Diehl haben, in Göttingen die Professoren Dr. Cohn und Dr. Lexis, in Münster die Herren Dr. Birmer und Dr. Hitze und so noch viele andere auf den ver⸗ schiedenen Hochschulen. Meine Herren, es werden alle Richtungen möglichst gleichmäßig bei uns bei der Besetzung der Lehrstühle heran⸗ gezogen unter der einen aber sehr streng festgehaltenen Bedingung, daß sie sich wissenschaftlich legitimieren können und legitimiert haben. (Bravol) Unter dieser Voraussetzung wird die Regierung auch künftig sehr gern Männer berufen, die der Richtung angehören, die Herrn von Eynern vorzuschweben scheint. Der Standpunkt der Unterrichtsverwaltung ist in dieser Beziehung nicht bloß bei dieser Wissenschaft, auch auf andern Gebieten der gewesen, daß wir eine iustitia distributiva üben, daß wir die verschiedenen wissenschaftlich legitimierten Richtungen an unseren Hochschulen möglichst gleichmäßig vertreten sein lassen. An diesem Prinzip gedenke ich auch ferner unter allen Umständen festzuhalten. Was sollte aus der Wahrheit und aus der wissenschaft⸗ lichen Forschung werden, wenn wir diesen Grundsatz aufgeben würden? (Lebhafter Beifall.)

Abg. Stöcker (kons.): Soviel ich weiß, ist es das erste Mal, daß ein Liberaler wie der Abg. von Eynern hier eine solche Forde⸗ rung stellt, und zwar dann, wenn es sich um eine mögliche Gefähr⸗ dung des Kapitalismus handelt. Das ist nicht liberal und auch nicht ve Gegen Gotteslästerung und Angriffe auf die Kirche ha die Liberalen niemals protestiert. Uns aber stehen Religion, Kirche und Nation höher als der Geldsack. Der Abg. von Eynern hat gesagt, ein hervorragender Mann habe an Professoren der National⸗ ökonomie berechtigte Kritik geübt. Er begann damit, die Professoren hätten sich in die sozialdemokratischen Wirrnisse eingemengt. Das ist nicht richtig; ebenso wenig ist es richtig, daß der Rektor der Univer⸗ sität die Professoren habe rektifizieren müssen. Wenn man keine Ahnung von diesen Sachen hat, ist es falsch, derartiges von der Tribüne des Parlaments aus zu behaupten. Wer den Professoren nachsagt, daß sie mit der Sozialdemokratie kokettieren, kennt sie nicht und hat ihre Bücher nicht gelesen. Sowohl gegenüber Pro⸗ fessor Schmoller wie gegenüber Professor Wagner ist diese Behauptung falsch. Falsch ist auch die Behauptung, daß die