Den Mittelpunkt Ihrer Berathungen bildet die Vorlage über die Landwirthschaftskammer. 1. 89 Je mehr Anlaß besteht, den Werth dieser Organisation des land⸗ mirthschaftlichen Gewerbes vom provinziellen Standpunkt zu keur⸗ theilen, um so schwieriger gestaltet sich die Entscheidung, als es sich um das Weiterbestehen des Zentralvereins westpreußischer Landwirthe handelt, dessen stetig wachsende Thätigkeit immer uneingeschränktere Anerkennung gefunden hat. Eingehender Erwägung wird es dahber bedürfen, ob die Vorzüge der gegenwärtigen Vereins⸗ bildung, unter Erbaltung seiner arbeitsfreudigen Sektionen und der lebensvollen Beziehungen zu den Kreis⸗ und Ortsvereinen, mit den
Vortheilen, welche das Gesetz durch Verleihung einer gesicherten Stellung im öffentlichen Rechtsleben darbietet, in gedeihliche Ver⸗ bindung gebracht werden können. B 1
Der Provinzialausschuß hat sich für die Bejahung dieser Frage entschieden. 3
An seiner Spitze vermissen wir zu unserm lebhaften Bedauern
heute den Mann, welcher fünfzig Jahre lang in Staats⸗ und Pro⸗
vinzialämtern sein Leben dem Wohle Westpreußens gewidmet und mit
Erfolg es verstanden hat, die mit der Schaffung neuer Verhältnisse
stets W“ Schwierigkeiten durch Gerechtigkeit und Milde aus⸗
zugleichen. —
1 In der bewährten hee daß, wie bisher, die Rücksicht auf das Wohl der Provinz Ihre Berathungen leiten wird, und mit dem herzlichen Wunsche, daß Ihre Beschlüsse das Wohl der west⸗ preußischen Heimath fördern mögen, erkläre ich im Allerhöchsten Auf⸗ trage den XVIII. Provinzial⸗Landtag für eröffnet. 1 3
Stettin, 5. März. Der XXI. Provinzial⸗Landtag der Provinz Pommern wurde heute durch den Königlichen Ober⸗Präsidenten, Staats⸗Minister von Puttkamer mit
achstehender Ansprache eröffnet: Hochgeehrte Herren! b Nachdem des Kaisers und Königs Majestät Allergnädigst geruht aben, den XXI. Provinzial⸗Landtag der Provinz Pommern anf heute u berufen, habe ich die Ehre, Sie beim Beginn Ihrer diesmaligen Sitzungen willkommen zu heißen. Seit Ihrer letzten Tagung hat der Tod wiederum schmerzliche ücken in Ihre Mitte gerissen. Das Andenken der verstorbenen Mitglieder wird von Ihnen und von der Provinz, für deren Wohl e in engerem und weiterem Kreise Jahre lang mit Hingebung ewirkt haben, dauernd in Ehren gehalten werden. 8 Den wichtigsten Gegenstand Ihrer diesmaligen Berathungen wird die Ihnen zugegangene Vorlage wegen Errichtung einer Landwirthschafts⸗ ammer für unsere Provinz und die Fassung der Satzungen für diese Kam⸗ mer bilden. Ich empfehle die hochbedeutsame Vorlage Ihrer eingehenden und wohlwollenden Erwägung und bin überzeugt, daß Sie an die Prüfung der Ihnen gemachten Vorschläge mit der vollen Unbefangen⸗ beit herantreten werden, welche dieser auch für das Gedeihen der pommerschen Landwirthschaft wichtige Gegenstand erheischt.
Der Ausbau des Kleinbahnnetzes hat im verflossenen Jahre, dank Ihrer so bereitwillig gewährten Unterstützung und der Opferwilligkeit der zunächst betheiligten Kreise und Gemeinden, einen erfreulichen Fortgang genommen.
Gegen 300 km sind theils dem Betriebe bereits über⸗ geben, theils in der Ausführung begriffen. Schreitet wie zu hoffen, der Ausbau während der nächsten Jahre in der bisherigen Weise fort, so wird bald ein Zustand geschaffen sein, welcher die empfindlichsten Lücken im Netze der Verkehrswege unserer Provinz als ausgefüllt er⸗ scheinen läßt.
Der Provinzial⸗Ausschuß hat sich an die Königliche Staats⸗ regierung mit dem Antrage gewandt, im Wege der Gesetzgebung die Heranziehung von Fabriken, Ziegeleien und anderen industriellen und gewerblichen Anlagen zu Vorausleistungen für die Unter⸗ haltung der Kunst⸗ und Landstraßen möglich zu machen. Diesem Antrage liegt die unzweifelhaft berechtigte Erwägung zu Grunde, daß derartige Anlagen die ausgebauten Straßen über das allgemeine Ver⸗ kehrsbedürfniß hinaus für ihren Sondervortheil in beträchtlicher Weise abnutzen, und daß es daher der Billigkeit entspricht, sie für diese Sondervortheile, durch die der Allgemeinheit unverhältniß⸗ mäßige Kosten entstehen, ein Aequivalent zablen zu lassen. Die zu⸗ ständigen Herren Minister haben sich dahin ausgesprochen, daß egen die Gewährung des Rechts zu der fraglichen Heranziehung owohl an Gemeinden und Gutsbezirke wie auch an die Kreise Bedenken nicht zu erheben sind, ausgenommen jedoch für die Unterhaltung der vormaligen Staatschausseen und derjenigen Kunst⸗ straßen, auf denen Chausseegeld erhoben wird.
Es wird von Ihrer Beschlußfassung abhängen, ob dieser An⸗ gelegenheit weiterer Fortgang zu theil werden soll.
Es hat sich das Bedürfniß der Abänderung einiger Bestimmungen des Provinzial⸗Feuersozietäts⸗Reglements berausgestellt. Eine dies⸗ bezügliche Vorlage wird Ihnen unterbreitet werden. 1 Die infolge Ihbres vorjährigen Beschlusses geschaffene Pflege der in Pommern vorhandenen Kunstdenkmäler ist durch die Wahl eines Provinzial⸗Konservators und Einsetzung einer demselben zur Seite eursde vom Provinzial⸗Ausschuß gewählten Kommission ins Leben getreten.
Der Ihnen zur Prüfung und Genehmigung zugehende Entwurf des Previnzial⸗Haushaltsanschlags für 1895/96 ist mit gewohnter Um⸗ sicht und Sorgfalt unter Anwendung des Grundsatzes bewährter Spar⸗ samfeit aufgestellt, ohne die Befriedigung derjenigen Bedürfnisse, für welche die Provinzial⸗Verwaltung zu sorgen hat, zu beeinträchtigen.
Die Provinzialabgaben brauchen den Betrag des ablaufenden
Etatsjahres nicht zu übersteigen.
„Nach den bisher bekannt ordenen Allerhöchsten Absichten wird unserer Provinz in diesem Ja die hobe Ehre und Freude zu theil werden, Seine Majestät den Kaiser und König mit Seinen Erlauchten Gästen aus Anlaß der Truppenübungen innerhalb ibrer Grenzen zu begrüßen. Es wird dieses freudige Ereigniß der gesammten Bevölke⸗ die Gelegenheit bieten, ihre Anhänglichkeit an die erhabene Person unseres Allergnädigsten Landesherrn und das Hohenzollernhaus aufs neue zu bethätigen.
Indem ich Sie, geehrte Herren, einlade, in Ihre Arbeiten mit gewohntem Eifer einzutreten, erkläre ich im Namen Seiner Majestät Eesfen⸗ und Königs den XXI. Pommerschen Provinzial⸗Landtag ür eröffnet.
Auf die Aufforderung des Alters⸗Präsidenten, Bürger⸗ meisters a. D. Hintze⸗Ueckermünde brachte die Versammlung zunächst ein begeistertes Hoch auf Seine Majenät den Kaiser und König aus und wählte sodann den Wirklichen Geheimen Rath von Köller⸗Cantreck zum Vorsitzenden und den Geheimen Regierungs⸗Rath, Ober⸗Bürgermeister Haken⸗Stettin zum Stellvertreter des Vorsitzenden. Die Gewählten nahmen die Wahl an. Nach der Wahl der Schrifrführer und Fest⸗ stellung der anwesenden Mitgalieder durch Namensaufruf erfolgte die Bildung der Abtheilungen, die Mittheilung des Vorsitzenden über die vorliegenden Geschäftssachen und deren Vertheilung in die Abtheilungen. Sodann wurden Wahl⸗
prüfungen vorgenommen. Posen, 5. März. In der heutigen Sitzung des Pro⸗
vinzial⸗Landtags wurde der Etat uͤber die aus Provinzial⸗ fonds zu leistenden Zahlungen an Beamte der Invaliditäts⸗ und Altersversicherungsanstalt Posen für 1895/96 u. f. J, ferner für das Arbeits⸗ und Landarmenhaus Bojanowo (männ⸗ liche Insassen) für das Arbeits⸗ und Landarmenhaus zu (weibliche Insassen), für das Landarmenhaus zu
chrimm und das gesammie Landarmen⸗ und Korrigenden⸗ wesen und endlich füͤr die Provinzial⸗Erziehungs⸗Anstalten Schubin und Cerekwice in Zerkwitz, sowie für das gesammte Zwangserziehungswesen genehmigt; die zur Verwaltung der
neu errichteten zweiten Irrenanstalt Dziekanka bei Gnesen vom 31. Oktober 1894 bis 31. März 1895 erforderlich gewesenen und noch erforderlich werdenden Mittel wurden bereit gestellt bezw. die bereits erfolgte Verausgabaing nachträglich genehmigt. Der Vorlage des Landeshauptmanns, den vom XXVIII. Pro⸗ vinzial⸗Landtage gefaßten Beschluß über Bildung eines Tilgungs⸗ fonds für die Kursverluste der Provinzial⸗Hilfskasse außer Kraft zu setzen, wurde zugestimmt und zur finanziellen Unter⸗ stützung der im Jahre 1895 in Posen stattfindenden Gewerbe⸗ Ausstellung eine Beihilfe von 10 000 ℳ mit der Maßgabe in Aussicht gchtedlk, daß die Rückzahlung nur dann eintreten solle, wenn das Unternehmen Ueberschüsse ergiebt. Zur Unter⸗ stützung von Fischzuchtbestrebungen in der Provinz Posen wurden 600 ℳ als Beihilfe zur Verfügung des Provinzial⸗Ausschusses und dem Landwirthschaftlichen Provinzialverein zur Unter⸗ haltung der Fischbrutanstalt in Prinzenthal bei Bromberg eine Beihilfe von 400 ℳ für 1895/96 gewährt. Nach der Beschluß⸗ fassung über eventl. Unterstützung von öffentlichen rge. Untersuchungsanstalten wurden die noch der Bestätigung der uständigen Ressort⸗Minister unterliegenden Reglements für die Provinzial⸗Irren⸗Anstalt Dziekanka und die Provinzial⸗Irren⸗Anstalt Owinsk genehmigt. Die von dem Provinzial⸗ Ausschuß in Vorschlag gebrachte Errichtung einer Wiesenbauschule zu Bromberg wurde ut geheißen und die hierzu erforderlichen Mittel für 895 bereit gestellt. Die Versammlung erklärte sich mit der Gewährung höherer Bureauunkosten⸗Entschädigung an die Landes⸗Bauinspektoren und Anstellung sowie Besoldung von Bausekretären an Stelle von Bauschreibern einverstanden, beschloß auch einige Aenderungen bezüglich der Ge⸗ bührengewährung für Auszahlung von Chaussee⸗Unter⸗ haltungskosten. Die der gewerblichen Vorschule zu Posen bisher gewährte Unterstützung von 3000 ℳ jährlich kommt vom 1. Oktober 1895 ab in Fortfall, dafür wird die staatliche Baugewerkschule mit 5000 ℳ jährlich von dem genannten Zeitpunkt ab unterstützt. Von den durch die Ausführung des Gesetzes vom 11. Juli 1891 über außerordentliche Armen⸗ pflege getroffenen Maßnahmen, ebenso von den Ver⸗ waltungsberichten über Bauunfallversicherung und Betriebs⸗ krankenkasse für 1892 und 1893, dem finanziellen Ab⸗ schluß für 1892/93 und 1893/94, welche rund 237 000 ℳ Er⸗ sparniß aufweisen, sowie endlich von der Uebersicht über den Stand der Rechnungslegung für 1892/93 und 1893/94 nahm die wb“ Kenntniß. Nach einer der Vorlage des Provinzial⸗Ausschusses entsprechenden Beschlußfassung über Abaͤnderungen der Besoldungsordnungen für die Direktoren und Vorsteher der Taubstummen⸗Anstalten und der Blinden⸗Anstalten, die Ersten und ordentlichen Lehrer von den genannten Anstalten wurde der Provinzial⸗Ausschuß er⸗ mächtigt, bestimmte kleine Landparzellen zu verkaufen bezw. abzutreten. Schließlich wurde über einige Gesuche von Kor⸗ porationen und Privaten Beschluß gefaßt.
Württemberg. 8
In der Kammer der Abgeordneten gelangte gestern der Adreßentwurf zur Berathung. Derselbe bezeichnet die Revision der Verfassung für geboten und enthält folgende Wünsche: Ausschluß der Privilegierten aus der Zweiten Kammer, ergänzende Listenwahl, bessere Vertretung der größten Städte im Landtag, Wahlkuverts, unbeschränkte Legitimationsprüfung, unbeschränktes Initiativ⸗ recht, freie Festsetzung der Geschäftsordnung, Regelung der Rech⸗ nungskontrole, Aufhebung der lebenslänglichen Berufung der Orts⸗ vorsteher, Erhaltung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Volksschul⸗ esetz, Steuerreformen in Staat und Gemeinde, Sparsamkeit, ein⸗ heitliche Gesetzesbestimmung über die Beiträge des Staats für Schulen und Vizinalstraßen, kommunale Wander⸗ gewerbesteuern, Uebersicht bezüglich des Eisenbahnbaues, billigere Personen⸗ und Guͤtertarife, billigere Post⸗ tarife im Bezirksverkehr, Revision der Bauordnung und der Feuerlöschordnung, nachdrückliche Abhilfe gegen die landwirthschaftliche Nothlage, direkten Bezug der Proviantämter bei den einheimischen Landwirthen, Regelung des Wildschadens, Bestellung von landwirthschaftlichen Sach⸗ verständigen, Förderung von Kreditinstituten mit unkündbaren Annuitäten, Förderung der Genossenschaften durch Kapitalien, Altersversicherung, Organisation des Kleingewerbes, Einschrän⸗ kung der Konkurrenz der Gefängnißarbeit, Muster der Arbeiter⸗ fürsorge in Staatsbetrieben, Umgestaltung der Gewerbe⸗ inspektion, neue Gesindeordnung. Der Minister⸗Präsident Dr. Freiherr von Mittnacht erklärte den Standpunkt der Regie⸗ rung zur Frage der Verfassungsrevision. Die Regierung rechne mit der Thatsache, daß die Wähler sich für die Volks⸗ kammer ausgesprochen hätten. Sie könne zu der Entfernung der jetzigen Privilegierten aus der Zweiten Kammer Ja sagen, wenn zu den bisherigen gewählten Abgeordneten als Ersatz eine Anzahl von Abgeordneten hinzutrete, die in größeren Kreisen vom Volk durch Listenwahl nach dem Proportionalsystem gewählt würden. Bedingung sei der Fortbestand der Ersten Kammer. Die Regierung hoffe die Revision durchzuführen und werde sich die Leitung derselben nicht aus der Hand nehmen lassen. Die Rede des Ministers fand lebhafteste Zustimmung. Der Abg. Hauß⸗ mann sprach namens der Mehrheit seine Befriedig dieselbe aus. 111““
8
1
I““
Der Landtag hat Berathung des Etats in dritter Lesung beendet. 5
Oesterreich⸗Ungarn.
Der dung des „W. T. B.“ morgen in Wien ein und wird in der Hofburg absteigen.
Der bulgarische Minister⸗Präsident Stoilow, der vor⸗ gestern Abend in Wien angekommen ist, beabsichtigt etwa 14 Tage daselbst zu verweilen.
Im österreichischen Abgeordnetenhause ab gestern bei der Debatte über die Steuerreform der Referent Beer einen geschichtlichen Ueberblick über die Ent⸗ wicklung der Steuergesetzgebung seit der französischen Revo⸗ lution und betonte den epochemachenden Einfluß der sächsischen und preußischen Steuergesetzgebung. Der Redner empfahl auf das wärmste den Abschluß des Werkes, dessen Ver⸗ wirklichung die Tagung zu einer der denkwürdigsten machen werde. Der Abg. Fux (liberal) sprach darauf für, der Abg. Luzzato (Coronini⸗Klub) gegen die Vorlage. Der Abg.
ung über
in seiner vorgestrigen Sitzung die
Herzog von Connaught trifft nach einer Mel⸗
Kaiser (deutschnational) begrüßte die mit Freuden,
weil dadurch endlich mit der progressiven Einkommensteuer
Ernst gemacht werde.
Großbritannien und Irland. Ihre Majestät die Königin hielt gestern Nachmittag im uckingham⸗Palast in Gegenwart Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich, des Herzogs und der Herzogin von Con⸗ . rinzen und der Prinzessin Heinrich von Battenberg, des Herzogs und der Herzogin von 82 und der Herzogin von Albany einen großen pfang ab. Viele Mitglieder des diplomatischen Korps waren dabei zugegen.
Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich besuchte gestern in London das Fröbel⸗Erziehungsinstitut in West⸗Kensington. Die Parlamentsmitglieder Mather und Acland hielten dabei Ansprachen, worin sie die Vorzüge des Fröbel'schen Erziehungs⸗ systems hervorhoben.
Der Zustand Lord Rosebery's hatte sich gestern in jeder Beziehung gebessert. 1t
Das Unterhaus, dessen Sitzung der Staatssekretär für Indien Fowler und der Staatssekretär für den Krieg Campbell⸗Bannerman krankheitshalber nicht beiwohnen konnten, setzte gestern die Berathung über die erste Lesung der Bill, betreffend die Einigung in Gewerbestreitigkeiten, fort. Gorst erklärte die Vorlage für ungenügend zur Behandlung der Frage. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer Willens seien, zu einer Verständigung zu gelangen, sei ein Dazwischentreten von Parlament und Regierung nicht nöthig, indessen sei eine besondere Behörde nothwendig, die verhindern könne, daß die Streitigkeiten in Arbeitseinstellungen aus⸗ liefen. Mundella erachtete es im Hinblick auf die gedrückte Lage der Industrie, ungeachtet welcher einige bedeutende Ausstände fortbeständen, für wünschenswerth, alles Mögliche zu thun, um einen solchen Kampf abzuwenden. Er erwarte glänzende Ergebnisse von unparteiischen Schieds⸗ und Einigungs⸗ ämtern, zu denen beide streitende Parteien Vertrauen hätten. Der Führer der Unionisten Chamberlain sagte, die Regierung hätte das Einigungsamt mit soviel Autorität und Bedeutung aus⸗ statten können, daß niemand, ohne mit der öffentlichen Meinung in Widerstreit zu gerathen, sich weiern könne, demselben eine Streitsache zu unterbreiten; diese Vorlage indessen sei eine Farce. William Allen und Howell sprachen die Ansicht aus, daß die Bill nicht weit genug gehe. Der Parlaments⸗ Sekretär des Handelsamts Burt trat für die Bill ein, die ein Versuch sei. Die Regierung sei bereit, die Meinung des Hauses darüber zu vernehmen, und wünsche keineswegs streng an irgend einer Bestimmung der Vorlage festzuhalten. Hierauf wurde die erste Lesung der Bill angenommen.
Das Parlamentsmitglied für Bristol (Ost) Sir Joseph D. Weston ist gestern an Influenza gestorben.
Frankreich.
Im Senat stand gestern der Antrag Joseph Fabre s über die Verpflichtung der Parlamentsmitglieder zum Heeres dienst zur Berathung. Der den Hauptinhalt des Antrags bildende Artikel 1, wonach niemand Mitglied des Parlaments sein kann, wenn er den gesetzlichen Vorschriften über den aktiven Heeresdienst nicht genügt hat, wurde ange⸗ nommen und darauf der ganze Antrag genehmigt.
Die Deputirtenkammer setzte gestern die Berathung des Armeebudgets fort. Der Deputirte Graf Trevenet bemängelte den Generalstab, dessen Einrichtung nicht gestatte, von ihm dieselben Dienste wie vom Großen Generalstab in Deutschland zu erwarten. Redner war gegen die Bezeichnung eines Generalissimus, da die Verantwortlichkeit für einen Einzelnen zu groß sei. Er tadelte ferner die Einrichtung der Kriegsschule und verlangte eine Anzahl Reformen für den Generalstab. Zum Schluß erklärte er, die republikanische Re⸗ gierungsform scheine ihm nicht geeignet, eine gute militärische Organisation zu zeitigen. Der Deputirte Clovis Hugues bemerkte, man habe im Jahre 1793 das Gegentheil gefunden. Der Deputirte Faberot rief „Nieder mit dem Königthum! Hoch die soziale Revolution!“ Der Deputirte Berteaux for⸗ derte die Einführung der zweijährigen Dienstzeit. Darauf nahm das Wort der Berichterstatter der Kommission Jules Roche, der Vergleiche über die Streitmacht der verschiedenen Na⸗ tionen anstellte und ausführte, Frankreich habe sich bemüht, anderen Nationen hierin gleichzukommen; aber seit 1887 seien die Ausgaben des Deutschen Reichs für das Militär größer als diejenigen Frankreichs. Deurschland besitze ein Heer, das jederzeit für den Kampf gerüstet sei. Redner trat alsdann für den Vorzug des Offensivsystems cin. Als ein sozialistischer Abgeordneter beleidigend gegen den Redner vorging, er⸗ hob sich ein lebhafter Tumult, sodaß die Sitzung zeit⸗ weilig aufgehoben werden mußte. Nach der Wiederauf⸗ nahme der Berathung wandte sich Jules Roche gegen die Herabsetzung des Effektivbestandes auf dem Budget⸗ wege und führte aus, es sollten 542 000 Mann unter den Fahnen stehen, statt dessen seien es nur 406 000; ferner tadelte er die Maßregel des Generals Mercier, der 37 000 Mann zu früh entlassen habe, und verlangte, daß mit der Organisation der Gefechtskörper ebenso entschieden wie seitens Deutsch⸗ lands vorgegangen werde; eine Ersparung von einigen
Millionen könne zu einer Niederlage führen. Der Redner
schloß mit der Bemerkung: Halten wir alle unsere Hoffnungen
aufrecht, aber nur, wenn wir stark sind! Der Deputirte Cavaignac warf Jules Roche vor, daß er den Ernst der Lage übertreibe. Der Redner betonte die Nothwendigkeit, in Kriegszeiten starke Bestände zu haben, und führte aus, mit Einschluß der Marinetruppen sowie der Truppen in Algier besitze Frankreich nur 50 000 Mann weniger als Deutschland. Die Berathung wurde sodann auf Donnerstag vertagt.
Italien.
Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus San Remo wird das Leichenbegängniß des Großfürsten Alexis Michailowitsch von Rußland mit großem Gepränge vor sich gehen. Der Kriegs⸗Minister hat verfügt, daß außer sechs Kompagnien der Garnison von San Remo auch ein Bataillon Linientruppen mit Fahne und Musik und eine Deputation von Offizieren der Armee unter Führung eines Divisions⸗Generals aus Genua daran theilnehmen sollen. Die zweite Division des aktiven Geschwaders, aus den Schiffen „Sardegna“, „Lauria“ und „Aretusa“ bestehend, ist gestern in San Remo eingetroffen, um der Leichenfeier beizuwohnen. Die Matrosen der russischen Yacht „Roxane“ halten die Todtenwacht. — Sicherm Ver⸗ nehmen nach wird der Prinz von Wales aus Cannes zur Leichenfeier nach San Remo kommen, wo der Militär⸗Attaché der deutschen Botschaft in Rom, Oberst von Engelbrecht bereits eingetroffen ist. “
störung der Forts verlassen.
Die „Agenzia Stefani“ erklärt die Pariser Meldung, daß Italien den Wunsch geäußert habe, mit Frankreich die Ver⸗ handlungen wegen Abgrenzung der beiderseitigen Einflußsphären in Ost⸗Afrika wieder aufzunehmen, für
rundlos. Die „Agenzia Stefant“ bemerkt, daß die gereffenden Unterhandlungen im Jahre 1891 mit der An⸗ nahme der französischen Vorschläge seitens Italiens ab⸗ geschlossen worden seien und die italienische Regierung sich jetzt darauf beschränkt habe, die Sachlage — Der Papst empfing gestern den preußischen Gesandten von Bülom, der seine Glückwünsche anläßlich des Jahres⸗ tags der Krönung des Papstes aussprach.
Spanien.
Der Marschall Martinez Campos ist aus Wien wieder nach Madrid zurückgekehrt.
Der Gesandte der Vereinigten Staaten Taylor stattete gestern dem Minister⸗Präsidenten Sagasta einen Besuch ab und bot demselben die bedingungslose Unterstützung seiner Regierung in Betreff des Aufstandes auf Cuba an.
Portugal.
Das Panzerschiff „Vasco de Gama“ wird anläßlich der Eröffnung des Nord⸗Ostsee⸗Kanals nach Kiel
Amerika. Aus Cuba ist in Madrid die Nachricht eingetroffen, daß
das dortige Freiwilligenkorps dem General⸗Gouverneur seine Mithilfe zur Bekämpfung der Aufständischen angeboten
habe. Der Rebellenführer Naguey habe sich ergeben. Der Aufstand in Matanzas sei beendet. Die spanischen Truppen schalteten in Guantanamo ungestört, die dortigen wenig zahlreichen Aufständischen vermieden einen Zusammenstoß. Drei Kanonenboote überwachten die Küste bei Santiago Cuba).
Der New⸗Yorker „World“ wird aus Colon gemeldet, die Aufständischen von Columbia rückten auf Colon vor, zahl⸗ reiche unbeschäftigte Arbeiter vom Panamakanal schlössen sich ihnen an. Fünfzig gefangen genommene Aufständische, darunter 16 Offiziere, seien erschossen worden. — Der Konsul der Ver⸗ einigten Staaten in Panama meldet, in Bocos del Toro (Columbia) hätten Unruhen stattgefunden; die Anwesenheit eines Kriegsschiffs sei nöthig.
Asien.
Die vor einiger Zeit in Mascat an der arabischen Küste ausgebrochenen Unruhen dauern, wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Kalkutta berichtet, noch fort. Die Rebellen, in Stärke von 350 Mann, haben die Stadt besetzt, während die Truppen des Sultans sich, obwohl sie 2500 Mann zählen, auf die Forts beschränken müssen. Die britischen Einwohner der Stadt sind in einem großen Kohlenschuppen bei dem Resident⸗ schaftsgebäude untergebracht. Auf einen britischen Mis ionaͤr und den Arzt des Residenten ist gefeuert worden. Die briti⸗ schen Friegsschiffe „Sphinx“ und „Bramble“ sind in Mascat eingetroffen. 1“
Wie der „Times“ aus Peking gemeldet wird, ist Li⸗ Hung⸗Tschang von Peking nach Tientsin abgereist, um sich nach Japan zu begeben. Sein Beglaubigungsschreiben ist von Japan genehmigt worden. Die Unruhen in verschiedenen Theilen Chinas nehmen allgemein zu; in der Provinz Shantung wurde General Who, der die Plünderungen zu unterdrücken versuchte, von seinen Soldaten enthauptet.
Aus Yokohama von gestern wird gemeldet, die in Wei⸗ Hai⸗Wei eroberten chinesischen Kriegsschiffe seien da⸗ selbst angekommen; auch die Aussichten auf Hebung der in zum Sinken gebrachten Schiffe seien günstig. Die Japaner hätten Shantung und Wei⸗Hai⸗Wei nach Zer⸗ Die dritte japanische Di⸗ vision habe Anhongtscheng, auf dem Wege nach Mukden, ohne Widerstand besetzt. 8
I111“
Afrika. X““ Wie dem „Reuter'schen Bureau“ aus dem Camp Sheranni von vorgestern gemeldet wird, wären die Waziri jetzt mit den ihnen auferlegten Bedingungen völlig einverstanden.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten be⸗ finden sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (53.) JE“ s, welcher der Staatssekretär, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Staatssekretär Nieberding beiwohnten, wurde die Be⸗ rathung der auf die jüdische Einwanderung bezüglichen Anträge fortgesetzt. Es sind dies der Antrag der Abgg. Freiherr von Hammerstein und Freiherr von Manteuffel (dkons.) auf Vorlegung eines Gese gentwurfs, nach welchem nicht reichsangehörigen Isreaeliten die Einwanderung untersagt wird, und der von den Abgg. Liebermann von Sonnenberg und Zimmmermann (Refp.) eingebrachte Gesetzentwurf gegen die Einwanderung aus⸗ ländischer Juden. Die heutige Verhandlung wird zugleich ausgedehnt auf den von den Abgg. Dr. Hasse (nl.) und Graf von Arnim (Rp.) gestellten Antrag: “ Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, baldigst einen Ge⸗ setzentwurf zur Abänderung des Gesetzes vom 1. Juni 0 über den Erwerb und Verlust der deutschen Reichs⸗ und Staatsangehörigkeit vorzulegen und in dem⸗ hes die Grundsätze einer ö“ des Verlustes der deutschen eichs, und Staatsangehörigkeit, der durch den Aufenthalt im Aus⸗ lande ne wird, sowie der Erschwerung der Naturalisation der Fremden im Deutschen Reich zur Geltung zu bringen.
Abg. Dr. Hasse: Der Ueberschuß der Einwanderung über die Auswanderung in Deutschland wirke schädlich in nationaler wie in wirthschaftlicher Beziehung. Das Gesetz vom 1. Juni 1870 weise vielfache Mängel auf und bedürfe der Reform in der Richtung, daß grundsä lich so wwensg Personen wie mössch naturalisiert werden. Vorbedingung der Naturalisation müsse neben der Erwerbs⸗ fäbigreit die nationale Gesinnung sein. Andererseits müsse die Bei⸗ behaltung der deutschen Reichs⸗ und Staatsangehörigkeit den Deutschen im Ausland erleichtert werden. Die Bestimmung, daß ein Aufenthalt von jehn Jahren im Auslande den Verlust der Reichs⸗ und Staatsangehörig⸗ keit nach sich ziehe, sei viel zu rigoros. Auch die Erwerbung einer sremden Staatsangehörigkeit solle nicht ohne weiteres diesen Verlust nach sich seben⸗ Die Entscheidung über die Frage der Erwerbung oder des Verlustes der deutschen Reichs⸗ und Staatsangehörigkeit müsse zentralisiert werden im Bundesamt für Heimathswesen. Die
8
Abgeordneten,
daß die Regierun
ganze Frage sei auf eine breitere Grundlage zu stellen im Interesse einer nationalen Politik. 1 “
Abg. Rickert (fr. 99; Die Nothwendigkeit einer Aenderung des Gesetzes vom 1. Juni 1870 erkenne er nicht an. Er richte an den Staatssekretär Dr. von Boetticher die Frage, ob der Antrag der Abgg. von Hammerstein und Gen. nicht mit den Niederlassungs⸗ verträgen.“ die Deutschland mit den ausländischen Staaten abgeschlossen habe, in Widerspruch stehe. Der . sei nur der Anfang der Bestrebungen, den Antisemitismus in die setz⸗ gebung zu tragen; das Ziel sei die Aufhebung des Gesezzes vom 3. Juli 1869, betreffend die Gleichberechtigung der Juden. Man habe zur Begründung dieses Antrags nur die üblichen antisemitischen Volksversammlungs⸗Redensarten vorgebracht, aber den Kern der Sache nicht berührt, nämlich die Frage, ob die jüdische Einwanderung größere Dimensionen angenommen habe. That sächlich sei dies nicht der Fall; die Zahl der jüdischen Be⸗ wohner Deutschlands habe sich seit 1860 fletig relativ vermindert. Der Ausschluß der russischen Juden aus den östlichen e würde das wirthschaftliche Leben derselben — auch die Landwirthschaft — schädigen. Schon gegenwärtig werde diesen Leuten das Leben erschwert.
(Schluß des Blattes.) 8 8
— In der heutigen (36.) Sitzung des Hauses der d welcher der Minister für Handel und Gewerbe, Freiherr von Berlepsch, beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Etats der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung bei dem Kapitel der Preußischen und Braunschweigischen Gemeinschaftswerke am Unterharz fortgesetzt.
Abg. Dr. Arendt (fr. k.): Auch hier handelt es sich um Silberbergwerke, und ich nehme daher Gelegenheit, auf die gestrige Debatte zurückzukommen. Aus der Rede des Abg. Bueck habe ich mit Freuden ersehen, daß die Goldwährungsmänner zum ersten Male mit der Haltung der Regierung unzufrieden sind. Ich hoffe, den Herren noch recht oft Gelegenheit zur Unzufriedenheit nach dieser Richtung geben wird. Der Abg. Bueck hat gestern eine große Entdeckung gemacht: nicht der Werth des Silbers an sich, sondern der Goldpreis des Silbers sei gesunken. Das ist keine Entdeckung, sondern eine Thatsache, die wir immer be⸗ hauptet haben. Wäre der Silberwerth an sich gesunken, so müßte sich das in den Ländern mit Doppelwährung zeigen, dort ist aber das Silber stabil geblieben. Das Silber spielt im Geldverkehr eine solche Rolle, daß man es nicht dauernd zu einem Spekulations⸗ gegenstand benutzen darf. Es ist wahr, daß das Währungsgesetz 1873 ohne Widerspruch angenommen wurde. Damals aber hatte niemand die Tragweite dieses Schritts übersehen. Der Abg. Bueck behauptet ferner, Frankreich wolle sich von Deutschland die Kastanien aus dem Feuer holen lassen; daß es für die enrehe gen sei, sei selbstverständ⸗ lich, da es vier Milliarden Silbervorrath habe. Diese Summe ist etwas zu hoch; es hat allerdings den dreifachen Betrag unserer Silber⸗ vorräthe; wir aber haben auf der anderen Seite noch Silberberg⸗ werke, die die Franzosen, nicht haben. Aber auch dort sind es die wirthschaftlichen Verhältnisse, die zum Bimetallis⸗ mus drängen. Die Frage wird dort aber nicht politisch eenommen, sondern rein wirthschaftlich, wie sie es verdient. Es wird mmer auf die Ueberproduktion an Silber hingewiesen; man vergißt aber, daß auch der Bedarf an Silber sehr groß ist, und wenn auch 10 % der Silberproduktion nicht verbraucht werden sollten, so würde das nicht viel bedeuten. Der Abg. Bueck sagt: wir wollen uns nicht die Selbständigkeit in der Währung durch internationale Ab⸗ machungen rauben lassen. Es ist merkwürdig, daß das gerade immer von denjenigen ins Feld geführt wird, die in der Handels⸗ vertragspolitik unsere Selbständigkeit in der Festsetzung der Zölle aufgegeben haben. Der Bimetallismus ist keineswegs begraben; hat man doch in England nicht gewagt, einen Antrag auf Aufrechterhaltung der Goldwährung einzubringen. In der That vollzieht sich in indu⸗ striellen Kreisen ein Umschwung in der Währungsfrage Die Währungs⸗ frage muß ins Land getragen werden. Alle Fragen, die ihre Entscheidung in den Parlamenten finden, gehören vor die Wähler! Der Abg. Bueck behauptet, daß wir hetzten, daß die Bewegung gegen den Bimetallismus in vornehmerer Art geführt werde, als es von unserer Seite geschehe. Wie von, gegnerischer Seite diese Fr e in die Massen getragen wird, zeigt am besten folgende Stelle aus dem „Reichsblatt“, das dem Abg. Rickert nahestehen soll: „So wurde sie offen proklamiert, die internationale Silberwährung, die freie Genossenschaft zur Ausraubung des lieben Nächsten, die be⸗ stimmt ist, unser ehrliches Gold zu verdrängen, damit die Junker ihre Schulden mit schlechtem Silber bezahlen können. Wenn ein Bauer seinem Nachbar statt eines Goldfuchses einen alten Fliegenschimmel giebt, so ist das kein ehrlicher Bauer, sondern ein Betrüger, ein Bimetallist und schlechter Christ.“ Wenn die Gegner zu solchen Worten ihre Zuflucht nehmen, so sind sie jedenfalls mit ihrem Latein zu Ende. Ich bin überzeugt, wenn das Volk in dieser Frage erst klar sehen wird, wird das ort des Grafen Mirbach sich bewahrheiten, daß die Goldwährung wie Spreu im Winde zerstieben wird. .
Abg. Bueck (nl.): Ich habe nicht im Namen der national⸗ liberalen Partei gesprochen, wohl aber im Namen meiner parla⸗ mentarischen Freunde, die für die Goldwährung eintreten.
Abg. von Eynern (nl.): Wenn der Abg. Arendt verlangt, das Volk solle über die bimetallistische Frage aufgeklärt werden, so glaube ich, daß diese Aufklärung schon jetzt vorhanden ist, mit Ausnahme jener Kreise, welche den Anschauungen des Abg. Arendt huldigen. Ich schließe das auch aus der Stellungnahme des Freiherrn von Erffa, der in der letzten Sitzung des Deutschen Landwirthschaftsraths erklärt hat, er erwarte von einer internationalen Währungskommission nicht viel, nachdem der englische Schatzsekretär sich gegen das Aufgeben der Gold⸗ währung in England ausgesprochen habe.
Abg. Dr. Arendt (fr. kons.): Der Freiherr von Erffa stand bei seiner Erklärung wohl unter dem Eindruck der Berichte der Goldwährungs⸗ blätter über die Verhandlungen im englischen Unterhause. Diese Berichte sind natürlich völlig falsch. Im übrigen zeigt das Auftreten des Abg. von Eynern, daß derselbe mit seinem Latein zu Ende ist.
Eine Petition der mittleren Werksbeamten 1. Klasse der Staatswerke Königin Luise und Feeiotgeate in Zabee⸗ und Königs⸗ hütte in Oberschlesien um Gehaltsaufbesserung beantragt der Abg. Gothein (fr. Vgg.) der Königlichen Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen, während die Budgetkommission Uebergang zur Tages⸗ ordnung beantragt. Der Antrag Gothein wird abgelehnt und der Beschluß der Budgetkommission genehmigt.
Eine Petition der Rechnungs⸗ und Bureaubeamten im Saar⸗ brücker Revier um Gehaltsaufbesserung wird der Königlichen Staats⸗ regierung überwiesen. 8
Der Abg. Wellstein (Zentr.) befürwortet eine Aufbesserung der Bergrevierbeamten.
Minister für . und Gewerbe Freiherr von Berleps erklärt, miste Wünschen wohlwollend TE“ es sei jedoc zu heachten, daß man mit besonderen Wünschen bis zu der Möglichkeit einer allgemeinen Gehaltsaufbesserung der Beamten zurückhalten müsse.
Abg. Gothein (fr. Vgg.) bittet, den Bergrevierbeamten, die zum theil schon ältere Herren seien, die Kesselrevisionen abzunehmen. Auch sei eine Aenderung der Eintheilung der Reviere nothwendig, da ein⸗ zelne davon eine zu große Ausdehnung hätten. S G“
(Schluß des Blattes.)
— Im der Abgeordneten ist von den Abgg. Motty
azdzewski
und Dr. nachstehender Antrag eingebracht worden:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen: die baldthunliche Aufhebung des Ge⸗
von
8 1“
sebes vom 26. 82 — betreffend 2 W““ nsiedelungen in rrovinzen Westpreußen und Posen, durch eine entsprechende Vorlage in die Wege zu leiten. 8
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Nr. 9 des der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium deröffentlichen Arbeiten, vom 2. März, hat folgenden Inhalt: Die Gedächtnißkirche und die Kapelle bei Borki (Rußland). — Die Anwendung des Stücklohns bei der Bahnunterhaltung. — Wettbewerb für eine feste Rheinbrücke bei Bonn. VII. (Fortsetzung.) — Ueber den Werth von Baum⸗ pflanzungen für den — Vermischtes: Heeee für ein Ludwig Richter⸗Denkmal in Dresden. — ettbewerb um Entwürfe für die 1897 in Leipzig stattfindende sächsisch⸗thüringische Industrie⸗ und Gewerbe⸗Ausstellung. — Ausstellung von mittelalter⸗ lichen Malereien im Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum in Berlin. — Eisenbahnfachwissenschaftliche Vorlesungen. — Meli thales und die Insel Philae. — Bücherschau.
Kunst und Wissenschaft.
Die Ausstellung des künstlerischen Nachlasses des Malers Bruno Piglhein in der Königlichen National⸗Galerie wird am Sonntag, den 10. d. M., geschlossen werden.
— Am Montag Abend verstarb hierselbst Professor Dr. theol. et phil. Friedrich Hofmann, der frühere Direktor des Gym⸗ nasiums zum Grauen Kloster. Er war am 1. Mai 1820 zu Landsberg bei Halle geboren, studierte in Halle und Berlin, wo Böckh, Ranke, Raumer und Zumpt zu seinen Lehrern gehörten. Nach langjähriger Wirksamkeit als Lehrer am Grauen Kloster wurde Hofmann Stadt⸗Schulrath in Berlin, kehrte dann aber im Jahre 1875 als Nachfolger des Direktors Bonitz wieder an dieses Gymnasium zurück, welches bis zum vorigen Jahre seiner Leitung unterstand. Der Verstorbene ist auch literarisch auf den Ge⸗ bieten der Philologie und Geschichte thätig gewesen.
— Der bekannte Archäologe Sir Henry Rawlinson ist, wie „W. T. B.“ unter dem gestrigen Tage aus London meldet, an Influenza gestorben. Er war im Jahre 1810 zu Chadlington in Orfordshire geboren und erhielt seine Erziehung zu Ealing in Middlesexr. Im Jahre 1826 trat er in den Militärdienst der Englisch⸗ Ostindischen Kompagnie und 1833 als Major in persischen Kriegs⸗ dienst, ward 1840 zum politischen Agenten zu Kandahar in Afghanistan, 1813 zum Agenten in Arabien, 1844 zum britischen Konsul in Bagdad berufen und in dieser Eigenschaft 1851 zum General⸗Konsul und Oberst⸗Lieutenant ernannt. Rawlinson benutzte diese Stellung u archäologischen 59h. S. und erwarb sich zunächst ein 1 Vervdienst durch die genaue Kopierung der hoch oben an einem isolierten elsen angebrachten Keilinschrift von Bisutun (Behistan) in Persien.
hhne die inzwischen in Deutschland gemachten Fortschritte in der Keilschriftentzifferung zu kennen, bestimmte er den Lautwerth der alt persischen Keilzeichen bis auf ein Zeichen genau so wie Lassen in Bonn. Ein noch größeres Feld für seine Thätigkeit fand er aber auf den Trümmerfeldern von Ninive und Babplon, wo er eine außerordentlich große Anzahl assyrisch⸗babylonischer Keilschriften entdeckte und in Gemeinschaft mit anderen englischen Archäologen entzifferte. Ein bleibendes Monument hat er sich er⸗ richtet durch das große Werk, das er im Auftrage des Britischen Museums und mit Beihilfe von Norris und G. Smith vollendete The cuneiform inscriptions of Western Asia“ (1861—1870). Sir Rawlinson war ordentliches auswärtiges Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. v AXAXX“
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Handel und Gewerbe.
Heute Vormittag 11 Uhr fand in dem großen Sitzungs saale der Reichsbank die jährliche Generalversammlung unter Vorsitz des Reichsbank⸗Präͤsidenten, Wirklichen Geheimen Raths Dr. Koch in Behinderung des Reichskanzlers statt. Der Vorsitzende eröffnete die Versammlung mit einem Rückblick auf die Thätigkeit der Reichsbank während des Jahres 1894 unter Hervorhebung der wesent lichen Punkte des gedruckten Verwaltungsberichts und erklärte den Betrag der Dividende. Sodann wurden die mäßig ausscheidenden Mitglieder des Z w gewählt. “
Theater und Berliner Theater.
Gestern ging Oskar Blumenthal’'s Lustspiel „Die große Glocke“ unter dem gleichen Beifall auf dieser Bühne in Scene, den es früher schon im Deutschen und Lessing⸗Theater gefunden hat. Es wurde im ganzen flott gespielt, wenn auch nicht alle Einzelheiten des launigen Dialogs voll zu ihrem Recht kamen. Der gesunde Grund⸗ gedanke des Lustspiels und die treffliche Darstellung der Hauptrollen verhalfen auch der gestrigen Aufführung zu Phran ungetheilten Erfolge. Unter den Darstellern sind Fräulein Reisenhofer (Pe oaks Solden), Fräulein Marie Meyer (Constanze), Frau von Pöllnitz
(Mathilde), und die Herren EEE12 Ferdinand Suske und Gustav Kober mit besonderer Anerkennung zu nennen.
Lessing⸗Theater.
Die erste Aufführung des Lustspiels „Das Examen“ von Heinrich Lee fand gestern Abend eine sehr freundliche Aufnahme. Die Zuschauer hatten ihre Freude an den Wort⸗ und Situations⸗ witzen, welche die Hauptwirkung des Lustspiels ausmachen, und schöpften Behagen aus der gemachlich und ohne tiefere Erregung sich abwickelnden Handlung, deren Motive in dem studentischen Leben und Treiben an der Universität Königsberg zur Zeit Immanuel Kant's wurzeln. Der schon bejahrte große Denker wird in eine Art Herzenskonflikt verwickelt 82g das kecke und liebenswürdig begehrliche Entgegenkommen eines jungen sächsischen Professorentöchterleins, das aber mit einem im Examen stehenden Kandidaten, Ulrich Cuntius, verlobt ist. Der junge 1“ weist in der J in so warmer, fast leidenschaftlicher Rede auf das von Kankt selbst dargelegte Sitten⸗ gesetz, auf den kategorischen Imperativ hin, dcß e dadurch den alten Gelehrten zur Pflicht zurückführt und für sich einen
länzenden Examensabschluß gewinnt. — Eine sonderlich starke Gabe sr Charakterzeichnung und psychologische a hat der Ver⸗ asser in diesem Lustspiel nicht bewiesen. Immanuel Kant erscheint wie ein friedlicher, freundlicher alter Herr gewöhnlichen Schlages; von dem großen Denker hat er kaum mehr als den Namen und einige äußerliche Redewendungen. Die Professorentochter Christel tritt burschikos und derb wie eine kecke Dorfschöne auf, und dem jungen Liebhaber mangelt es überhaupt an Eigenart. — Am meisten harakteristisch ist ein rauf⸗ und trinklustiger Student Leine⸗ weber gezeichnet, der als völliger Ignorant mit kühner Entschlossen⸗ heit ins Examen geht und mit Würde durchfällt. Neben den lustigen Scherzen, die das Bemerkenwertheste an dem Stück sind, erzielten studentische Aufzüge, Liedervorträge und Reden im vierten Akt großen
Erfolg. .
1b gie Darstellung war von einem fröhlichen Geist getragen; leb⸗ hafte Heiterkeit weckte Herr Waldow in der Rolle des Studiosus Leineweber, den er mit breitem Humor schilderte. Herr Horn pielte den alten, geistigen Getränken sehr geneigten Diener des rofessors mit zurückhaltender, aber desto wirksamerer Komik, und Frau Walther⸗Trost trug als alte Schließerin ihre volksthüͤmlichen Reden mit kräftiger Ungeniertheit vor. Die Christel wurde von Fräulein Jenny Groß geschickt dargestellt; sie fand sich ungekünstelt