i-in ü
verweisen.
streichen.
wollenden Absichten gegenüber die verbündeten Regierungen ablehnend verhalten werden, wenngleich ich nicht glaube, daß finanzielle Mittel in dem Maße zur Verfügung gestellt werden können, um das Ideal der Verpflegung unserer Soldaten, das dem Herrn Kriegs⸗Minister vorzuschweben scheint (Heiterkeit), zu realisieren. Aber die Frage ist eine ziemlich nüchterne Geldfrage. Wenn Sie den Soldaten ein warmes Abendbrot gewähren wollen, so würde das, einschließlich des Betrages der bayerischen Quote, etwa 8 ½ Millionen erfordern (hört, hört!), und die verbündeten Regierungen können sich selbstverständlich nicht darauf einlassen, diese nützliche und wahrscheinlich auch sehr noth⸗ wendige Maßregel zu ergreifen, bevor sie wissen, welche neuen Mittel uns seitens des Reichstags zur Verfügung gestellt werden. (Heiterkeit. Sehr gut!) Bekommen wir keine neuen Mittel, so ist es auch äußerst unwahrscheinlich, daß wir für den nächsten Etatsentwurf, also für den Etat 1896/97, in der Lage sein werden, einem solchen Wunsch entgegenzukommen — mögen die Untersuchungen, die in dieser Beziehung seitens der Kriegsverwaltung angestellt werden, ausfallen, wie sie wollen. Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer General⸗Major Freiherr von emmingen: Was den Antrag des Abg. von Hodbielski angeht, so halte ich den Satz von 80 ₰ zur Beschaffung der nöthigen Lebensmittel für ausreichend. Es würde dem Grundsatze 1 weisen Sparsamkeit nicht entsprechen, darüber erheblich hinaus⸗ zugehen. 8— Abg. Richter (fr. Volksp.): In der Frage der Gewährung des warmen Abendbrotes herrschen in den verschiedenen Parteien gar keine Meinungsverschiedenheiten. Wenn wir trotzdem noch zu keiner Ver⸗ besserung der Verhältnisse in dieser Richtung gekommen sind, so liegt das daran, daß, wenn die Finanzlage sich etwas besserte, sofort eine Erhöhung der Präsenzstärke verlangt wurde. Vor der Bewilligung der acht Millionen schrecken wir nicht zurück, aber woher sollen wir sie nehmen? Gegen eine Erhöhung der Matrikular⸗ beiträage haben sich gerade die beayerischen Abgeordneten unter Führung des bayerischen Finanz⸗Ministers ausgesprochen. Es bleibt also nur die Erhebung neuer Steuern übrig. Man muß unwillkürlich an die Tabacksteuer denken. Der Abg. Dr. Schaedler verlangt 8 Mill. Mark Ausgaben zund empfiehlt gleichzeitig die
Tabacksteuer. Und auch gerade für 1896/97 hat der Schatzsekretär
eine Rechnung aufgemacht, aus der er die Nothwendigkeit jener Steuer herleitete. Auf der anderen Seite fürchte ich, daß durch die Einrichtung des warmen Abendbrotes, das doch zu einer bestimmten Zeit verabfolgt werden müßte, die freie Bewegung des Soldaten, seine Beziehungen zu der Außenwelt eingeschränkt werden würden. Der Antrag des Abg. von Podbielski kostet nur ¾ Millionen.
Auch diesem Antrage stehe ich nicht feindlich gegenüber;
aber ich glaube, es verstößt gegen die parlamentarische Gewohnheit, Ausgaben im Plenum zu bewilligen, bevor deren Berechtigung in der
Budgetkommission einer genauen Prüfung unterworfen worden ist.
Ich beantrage darum, beide Anträge an die Budgetkommission zu
Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer General⸗Major
— von Gemmingen: Die Mannschaften würden durch die
inrichtung des Abendbrotes nicht in ihrer Freiheit beschränkt werden,
denn das Abendbrot würde ihnen, wie es jetzt schon im Winter häufig geschieht, schon um 6 Uhr verabfolgt werden. Im Sommer könnte
man ihnen kaltes Abendbrot reichen, das sie verzehren können, wann
sie wollen. Die Abgg. von Vollmar (Soz.) und Dr. Hammacher (nl.)
empfeblen die Ueberweisung der Anträge an die Kommission.
Abg. Dr. Schaedler (Zentr.): Auch ohne die Tabacksteuer
könnte man die erforderliche Summe aufbringen. Wenn es sich um
das Leben und die Gesundheit der Söhne unseres Landes handelt, sind wir zu allen Bewilliaungen bereit. Um allen Mißdeutungen die Spitze abzubrechen, will ich aus meinem Antrag die Jahreszahl 1896/97
Das Haus beschließt, die Anträge an die Budget⸗
kommission zu überweisen.
Bei dem Kapitel „Unterhaltung der Bekleidung
und Ausrüstung der Truppen“ beantragt die Kom⸗
mission, von der für die Beschaffung des Bedarfs an Tuch
ausgeworfenen Summe 415 145 ℳ zu streichen.
Außerdem beantragt die Kommission, folgende Resolution anzunehmen: ie Militärverwaltung wolle die vg. der Tuche zentralisieren auch einen größeren Kreis von Sub⸗ mittenten zulassen. Abg. Möller (nl.) fragt an, ob und welche Erfahrungen die Militärverwaltung mit der Erlaubniß gemacht habe, daß die Tuche
nicht mehr ausschließlich mit Indigo gefärbt werden.
Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer General⸗Major Frei⸗
herr von Gemmingen: Ob die Färbeart mit Indigo oder mit den im Inlande erzeugten Alizarinfarben vorzuziehen sei, wissen wir noch
nicht. Wir haben jedenfalls die Absicht, beide Arten neben einander
gelten zu lassen. Mit der Erlaubniß, daß die Kleidungsämter Tuch⸗ lieferungen vergeben können, haben wir bis jetzt keine schlechten Er⸗ fahrungen gemacht. Wir werden darum von diesem System nicht ab⸗ gehen. Eine Zulassung eines größeren Kreises von Submittenten würde viele Fabrikanten in starker Weise schädigen. Was die Abstriche
anlangt, so bitte ich Sie im Namen der verbündeten Regierungen, die
im Etat veranschlagte Summe zu bewilligen. Wir haben bereits das
Minimum dessen ausgesetzt, was nöthig ist. 1 Abg. Werner (d. Refp.) bittet, die kleineren Fabrikanten zu den
Tuchlieferungen heranzuziehen.
Abg. Hüpeden (dkons.) wünscht, daß ein Durchschnittspreis
für die Tuche festgesetzt werde, und die kleinen Betriebe und Innungen
zu diesem Durchschnittspreise zu den Lieferungen zugelassen werden. Der Titel wird darauf mit den von der Kommission be⸗
antragten Abstrichen bewilligt.
Beim Kapitel „Garnison⸗Bauwesen“ wünscht Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.) die Anstellung von mehr etatsmäßigen Beamten statt der Hilfsarbeiter.
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von
Posadowsky:
Meine Herren! Es werden in der preußischen Kontingentver⸗ waltung 600 technische Hilfsarbeiter beschäftigt, die überwiegend die
Vorbildung einer Baugewerksschule genossen haben. Von diesen 600 Hilfsarbeitern sind 533 beschäftigt bei den einzelnen Neubauten und werden besoldet, beziehungsweise erhalten ihre Diäten aus den
Bautiteln der einmaligen Ausgaben. Die Thätigkeit dieser
technischen Hilfsarbeiter ist begrenzt durch die Dauer der einzelnen Beauten. Eine zweite Kategorie, der Rest von jenen 600 technischen Hilfsarbeitern, d. h. 77, sind den Garnison⸗Bauinspektoren über⸗ wiesen, und zwar jedem Garnison⸗Bauinspektor je ein derartiger technischer Hilfsarbeiter. Diese letzteren Hilfsarbeiter werden diätarisch besoldet aus dem Unterhaltungskostentitel der militär⸗
fiskalischen Gebäude, d. h. aus Kap. 27, Tit. 8, 11 u. s. w. Beide Kategorien sind nur vertragsmäßig angestellt und können deshalb eine Berechtigung auf Pension nicht erwerben. Was nun diejenigen
Hilfsarbeiter betrifft, deren Kommissorium begrenzt ist durch die Dauer einzelner Bauten, so kann selbstverständlich von einer Anstellung dieser
sogenannten „fliegenden“ Techniker keine Rede sein. Von der zweiten Kategorie dagegen muß man anerkennen, daß sie für die Dienstführung
der Garnisonbaubeamten nothwendig ist. Der Garnisonbaubeamte
hat ein ziemlich großes Bureau, und bedarf eines ständigen tech⸗ nischen Hilfsarbeiters, einerseits für kalkulatorische Arbeiten, anderer⸗ seits für einfachere Veranschlagungsarbeiten, endlich auch zur Be⸗ aufsichtigung der laufenden Unterhaltungsarbeiten. Er wird deshalb durch diesen Hilfsarbeiter entlastet in den wichtigeren Aufgaben seines Dezernats. Je länger solch ein technischer Hilfsarbeiter in seiner Stellung beim Garnison⸗Bauinspektor fungiert, desto mehr arbeitet er sich in die Geschäfte des lokalen Ressorts ein und desto mehr wird er den Garnison⸗Bauinspektor für wichtigere Dienst⸗ zwecke entlasten können. Der Herr Kriegs⸗Minister hat be⸗ reits bei der Vorberathung dieses Etatsentwurfs an die Reichs⸗ finanzverwaltung sich gewandt mit dem Ersuchen, diese zweite Kategorie etatsmäßig und pensionsberechtigt anzustellen. Die Finanz⸗ verwaltung mußte aber ablehnen: einmal weil die Finanzverhältnisse
solche Ausgaben nicht erlauben, indem zur Zeit gleichartige For⸗
derungen auch von anderen Ressorts gestellt waren, und andererseits, indem auch noch dienstpragmatische Bedenken aus den Verhältnissen anderer Ressorts heraus vorlagen. Ich glaube aber, wenn die Finanz⸗ lage sich bessert und die dienstpragmatischen Bedenken seitens der anderen Ressorts fallen gelassen werden, so wird dem Wunsche des Herrn Vorredners Genüge geschehen können, und zwar in der Weise, daß, ähnlich wie in Preußen die Bausekretäre, die den Bau⸗ inspektoren beigegeben sind, ratenweise pensionsberechtigt und etats⸗ mäßig angestellt sind, so auch im Reich je nach den finanziellen Verhältnissen in jedem Jahr eine Quote von den 77 technischen Hilfs⸗ arbeitern der Garnison⸗Bauinspektoren pensionsberechtigt und etats⸗ mäßig anzustellen wäre. Was die technischen Hilfsarbeiter bei den Fortifikationen betrifft, so bemerke ich, daß diese Beamtengattung ausstirbt, indem sie ersetzt wird durch Bauwarte, die pensions⸗ berechtigt angestellt werden.
Beim Kaäpitel „Militär⸗Medizinalwesen“ wünscht der
Abg. von Vollmar (Soz.): Daß der anatomische Atlas, den die Militärverwaltung über die Wirkungen des kleinkalibrigen Ge⸗ wehrs habe anfertigen lassen, allgemein zugänglich gemacht werde.
Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Kriegs⸗ Minister Bronsart von Schellendorff:
Ich bin dem Herrn Abg. v. Vollmar sehr dankbar, daß er einen Gegenstand zur Sprache gebracht hat, der seiner Zeit viel Staub aufgewirbelt hat und in der Presse von einem ganz unrichtigen Ge⸗ sichtspunkt beurtheilt und besprochen ist. Es ist der Vortrag, den ein deutscher Militärarzt im ärztlichen Kongreß zu Rom gehalten hat, lebhaft angegriffen und bemängelt worden, weil die Ergebnisse, die der betreffende Arzt über Versuche mit dem kleinkalibrigen Gewehr vorgetragen hatte, nicht der großen Masse des Publikums zugänglich gemacht worden seien. Es ist namentlich in der sozialdemokratischen Presse mit einem gewissen Behagen Bezug genommen worden auf ein französisches Blatt, welches sich über diese Versuche und das Ergebniß der Versuche sehr ungünstig geäußert hat; die Angaben dieses Blattes waren auch von deutscher Seite alsbald richtig gestellt, zum theil widerlegt worden, es hat mich aber doch außerordentlich verwundert, daß gerade ein deutsches Blatt sich auf die Angaben des Auslandes berief. Der fremde Patriot von dem finde ich es ganz natürlich, daß er von der Wirkung unseres Gewehres wenig befriedigt ist. Wenn der Mann ein richtiger Patriot ist, muß er eigentlich wünschen, daß unsere Flinten überhaupt nicht losgehen. (Heiterkeit. Sehr richtig!)
Nun haben sich die Angriffe, die gegen die Militärverwaltung aus diesem Anlaß gerichtet worden sind, im wesentlichen beschränkt auf 3 Punkte: 1) Warum sind die Versuche überhaupt gemacht? 2) Warum sind sie nicht veröffentlicht? 3) Warum hat man eine Waffe, die so inhuman ist? Sie ist die inhumanste, die man gegenwärtig hat, ist sogar von unserem Gewehr gesagt worden.
Daß wir diese Versuche abgehalten haben, ist kein Novum; wir haben sie zu allen Zeiten abgehalten, und wir haben damit den großen Vortheil geschaffen, daß die Aerzte schon im Frieden die Wunden kennen lernten, die sie im Kriege heilen sollten, daß sie nicht uner⸗ warteten Erscheinungen plötzlich im Felde gegenüberstanden. Wir ver⸗ danken diesen Versuchen, daß die konservative Chirurgie in unseren Feldlazarethen die glänzendsten Erfolge zu verzeichnen hat. Uebrigens sind die Versuche nicht öffentlich abgehalten. Wir haben sie — und das muß ich dem Herrn von Vollmar sagen, der auch von einem ausländischen Blatte berichtet zu sein scheint, — nicht an menschlichen Leichen ausgeführt, sondern an todten Pferden und anatomischen, in Leinwand genähten Präparaten. Also auch das Bedenken, das gegen die Versuche vom rein menschlichen Standpunkt erhoben werden könnte, ist hinfällig.
Auch den zweiten Vorwurf, weshalb wir das Ergebniß der Unter⸗ suchung nicht veröffentlicht haben, muß ich zurückweisen. Wir haben die Versuche vor den Sachverständigen von ganz Europa in Rom veröffentlicht und haben uns auch gar nicht gescheut, sie öffentlich ihnen nach allen Richtungen hin zu demonstrieren. Der fragliche Atlas umfaßt 50 bis 60 photographische Darstellungen mit dazugehörigem Text. Er kostet 60 bis 70 ℳ, und ich glaube, daß es sehr wenige Liebhaber giebt, die sich ein solches Werk anschaffen. Nun möchte ich aber die sämmtlichen Herren, die hier anwesend sind, fragen, ob sie es für geschmackvoll gehalten hätten, wenn man das Werk in die Schaufenster gelegt und ostensibel zur Publikation bestimmt hätte. Ich hätte das nicht für richtig ge⸗ halten; ich glaube, es dient der Oeffentlichkeit nicht, ihr photographische Darstellungen aus gynäkologischen Instituten, Kliniken für Haut⸗ krankheiten oder aus dem Anatomiesaal und dergleichen zuzuwenden. Das sind alles nur Dinge für Fachleute. Ich bin fest überzeugt, daß der Atlas, wenn wir ihn publiziert hätten, sofort als Material gegenüber dem sogenannten Militarismus agitatorisch ausgebeutet worden wäre. Er ist schon jetzt kräftig verwerthet worden gegen die Heeresverwaltung, indem man unsere Waffe als die inhumanste der Welt bezeichnet hat. Das ist uns nicht erwünscht. Ich bin ganz anderer Meinnung: ich halte die Waffe für die humanste, die es zur Zeit giebt. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) — Das will ich Ihnen gleich näher auseinandersetzen. Erstens hat niemand von den Herren, die die Waffe für die inhumanste erklärt haben, auf das Shrapnel und die Sprenggranate Bezug genommen. Wer von einem solchen Geschoß getroffen wird, fühlt sich jedenfalls viel unangenehmer berührt, als wenn er von einem kleinkalibrigen Geschoß verwundet wird. (Heiterkeit) Das ist eben Geschmacks⸗ oder vielmehr „Gefühls“⸗Sache.
Dann, meine Kerren, ist es schwer, nicht satirisch zu sprechen. Aepfel in überreifem Zustande, gekochte Kartoffeln und rohe Eier sind entschieden humanere Projektile; aber wenn wir den Feind, der unsere
Grenze überschreitet, damit bombardieren wollten, so würde er bald sehr dreist und übermüthig werden, und wenn er uns dann selbst nur mit Schrotschüssen antworten wollte, würden wir sicher den kürzeren ziehen. Wir wären auch unsererseits genöthigt, zum Schieß⸗ prügel zu greifen; dann aber, bin ich der Meinung, ist es das humanste, wir geben unserem Soldaten die beste Waffe, eine Waffe mit der er, bevor er selbst getroffen wird, zehn Mann außer Gefecht setzen kann; wir geben ihm eine Waffe, mit der er im stande ist, dem Feind so heimzuleuchten, daß er uns 30 Jahre in Ruhe läßt. (Sehr gut! rechts. Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Sie sagen: „Inhuman ist die Waffe!“ (Widerspruch bei den Sozialdemo⸗ kraten.) — Es ist in Ihrer Presse wiederholt gesagt und ausgebeutet worden mit Rücksicht auf die Effekte, die die Waffe an den Versuchsobjekten hervorgerufen hat. Ich muß es bei dieser Gelegenheit aussprechen, sonst habe ich keine Gelegenheit mehr dazu. Darum will ich es Ihnen noch deutlicher auseinandersetzen, wie es sich mit der Humanität verhält. Meine Herren, wenn es gelänge, auf diplomatischem Wege den Gebrauch des Schießpulvers und der Schußwaffe uns ganz abzugewöhnen, was würde die Folge sein? Wir würden wieder zur Streitaxt und zur Keule greifen müssen. Ich möchte wissen, ob das humaner wäre. Es ist zwar eine ganze Zeit her, daß ich den Cäsar übersetzt habe, aber so viel er⸗ innere ich mich doch, daß es in den damaligen Schlachten nicht darauf ankam, den Mann aus dem Felde, sondern ihn einfach todt⸗ zuschlagen. So würde, wenn man auf die, nach Ansicht der Sozial⸗ demokraten, humaneren Waffen zurückgriffe, nur der Barbarismus wieder aufleben. Im übrigen halte ich es mit der Humanität so, wie mit der Wohlthätigkeit: ich fange unter meinen Landsleuten damit zuerst an, indem ich mich bemühe, ihnen die allerbeste Waffe zu schaffen, sodaß sie im stande sind, den Gegner außer Gefecht zu setzen, ehe sie selbst getroffen werden.
Abg. von Vollmar fragt, ob die Bedingungen erleichtert worden seien, unter denen der Atlas jedem Fachmann zugänglich sei.
Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Kriegs⸗ Minister Bronsart von Schellendorff:
Ich kann dem Herrn Abg. von Vollmar nur erwidern, daß wir in keiner Weise das gedachte Werk geheim zu halten wünschen. Die Absicht hat bei uns nie vorgelegen; denn wir haben geglaubt, mit jenen Versuchen ein humanes Werk zu erfüllen; wir haben uns aber nicht sehr angenehm davon berührt gefunden, daß von vornherein die Presse über die Ergebnisse dieser Versuche hergefallen ist, die Art der Abhaltung unrichtig dargestellt hat u. s. w., wie auch Herr Abg. von Vollmar meinte, es wäre dort auf Menschenleichen geschossen worden. Schließlich sind einzelne Beschreibungen über die Beschaffenheit der erschossenen Resultate in die Oeffentlichkeit gebracht, aber wieder in einem für die Armeeverwaltung so gehässigen Sinne, daß wir uns veranlaßt sehen mußten zu verhindern, daß dieses Werk, der Atlas sowohl wie der Text, in unrichtige Hände kommt. Wir haben denen gegenüber, welchen der Atlas zugänglich gemacht wurde, weiter keine Bedingungen gestellt, als daß sie ihn nur zu wissenschaftlichen Zwecken benutzen und verhindern möchten, daß er zu agitatorischen Zwecken gemißbraucht wird.
Wenn also Herr von Vollmar mir einen Mediziner namhaft machen will, der den Atlas wünscht, so werde ich in Erwägung nehmen, in welcher Weise es mir möglich sein wird, ihn in den Besitz des Atlas zu setzen, vorausgesetzt allerdings, daß er erklärt, daß er den Atlas nicht benutzen wolle im Sinne sozialdemokratischer Agitation gegen die Armee und ihre Wafefentechnik.
Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.) spricht seine Befriedi⸗ gung über die neuen Vorschriften für die Benutzung der Krümper⸗ e1XX“ (dkons.) befürwortet namens seiner Fraktion, den Fonds für den Ankauf von Remonten, der in den letzten Jahren regelmäßig stark überschritten werden mußte, im nächsten Etat zu erhöhen.
Zum Kapitel „Reisekosten und Diäten“ nimmt das Wort der 8 .
Abg. Bebel (Soz.): Die wirklichen Ausgaben der Beamten auf ihren Dienstreisen stehen in keinem Verhältniß zu den Vergütungen, welche gewährt werden, und wir halten es für unzulaͤssig, daß auf diese Weise eine Erhöhung der Gehälter herbeigeführt wird. Wir halten es auch für unrecht, daß die Vergütungssätze für den vollen Tag gewährt werden, wenn die Reise nur einen Theil des Tages Hern pel wie wir es auch für absolut ungerechtfertigt erachten, daß für die Eisenbahnfahrt höhere Sätze berechnet werden, als dem Betrag des verwendeten Billets entspricht. Eine Eisenbahnfahrt 1. Klasse nach Köln kostet z. B. nach dem gewöhnlichen Personentarif 71 ℳ; der Beamte er hält aber 153 ℳ vergütet. Alles das beweist, daß eine Regelun der Frage dringend geboten ist.
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf v Posadowsky:
Meine Herren! Das wird zugestanden werden können, daß das jetzige System der Reisekosten nicht zu halten ist; ich glaube aber die Gründe, die dafür sprechen, zu einem System überzugehen, in dem sich die reglementsmäßig zu vergütenden Reisekosten mehr dem wirklich nothwendigen und thatsächlichen Kostenaufwande nähern, liegen viel weniger auf dem finanziellen Gebiet, wie auf einem anderen. Die großen finanziellen Erfolge, die der Herr Vorredner sich hiervon verspricht, und die er glaubt in Millionen ausdrücken zu können, werden nicht erreicht werden. Trotzdem aber hat, entsprechend der Resolution des hohen Reichstags, die Reichs⸗Finanzverwaltung sich an die anderen Ressorts gewandt und diese Frage zum Gegenstand ernster Erwägu gemacht. Seitens eines Ressorts wurde ohne weiteres zugestande daß eine Aenderung nothwendig sei; es wurde indessen an di Zustimmung die Bedingung geknüpft, daß für eine Anzahl vo Kategorien der Funktionäre des Ressorts die Tagegelder höher bemessen würden, weil die jetzigen Tagegeldersät nicht ausreichend seien. Seitens eines anderen Ressorts wurd der Einwand erhoben, daß, selbst wenn man die jetzigen Reise kostensätze prozentual ermäßigte auf die wirklichen Kosten des ein⸗ fachen Billets, doch der empfangende Funktionär immer noch ein Benefizium haben würde dadurch, daß er Abonnementskarten oder Rückfahrkarten oder Rundreisebillets löste.
Meine Herren, ich halte diese Einwände nicht für durchschlagend ich glaube, es wird in der That nichts übrig bleiben, wie prozentugl die jetzigen Reisekostensätze wenigstens soweit zu ermäßigen, daß fr sich einigermaßen den Kosten des gelösten Billets nähern. Jah glaube auch, es wird eine Abhilfe in der Richtung getroffen werde können, daß man Funktionären, die periodisch bestimmte, namentlich kürzere Reisen machen, für jede Reise ein Pauschquantum gewähr. was sowohl die Entschädigung der Reisekosten wie die Entschädigung
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für die Tagegelder zu einem mäßigen, verständigen Satze enthält. Ich kann Ihnen versichern, daß in der Militärverwaltung für einzelne
unktionäre, die derartige periodische Reisen zu machen haben, diese Einrichtung bereits angewendet ist und vollkommen ausreichend funktioniert. Ich erkenne also an, das jetzige System ist nicht haltbar, und ich versichere, daß sehr ernstliche Verhandlungen weiter geführt werden, um dem öffentlichen Bewußtsein, was sich in den Wünschen des Hauses ausdrückt, auch wirklich Rechnung zu tragen. Ich möchte aber das hohe Haus bitten, mit der Frage der Reisekosten nicht die Frage der Diäten zu verkoppeln, denn die Frage der Diäten hängt mit der sozialen Stellung und der Rangstellung der einzelnen Funk⸗ tionäre zusammen; eine Regelung würde hier indeß ebenso schwierig sein und wahrscheinlicherweise ebenso langwierige Verhandlungen er. fordern, wie die Regelung des Dienstalterstufensystems. Wollen also die Herren einen schnellen Erfolg haben, so würde es sich empfehlen, Ihre Wünsche zunächst lediglich auf die angemessene Regelung der Reisekosten zu beschränken. Auch ich erkenne im übrigen an, daß bei den Tagegelderkosten Mißstände vorhanden sind, die demnächst ebenfalls einer Regelzung bedürfen.
Abg. Richter (fr. Volksp.): In der Erklärung des Schatz⸗ sekretärs erkenne ich ein gewisses Entgegenkommen. Die Diätenfrage von der Frage der Reichskosten zu trennen, ist angebracht. Es ist aber gut, nicht auf das Vorgehen in Preußen zu warten, da nach den Erklärungen des Finanz⸗Ministers dort diese Frage erst bei Regelung der allgemeinen Besoldungsfrage verhandelt werden solle.
Die Kommission hat beantragt, folgende Resolution an⸗
zunehmen: 1“
Den Herrn Reichskanzler aufzufordern, die Aufbesserung des Gehalts der Volksschullehrer bei den Unteroffizier⸗ schulen, den Unteroffizier⸗Vorschulen u. s. w. in Er⸗ wägung zu nehmen.
Das Haus stimmt diesem Antrage zu und bewilligt das Kapitel „Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungswesen, vereinigte Artillerie⸗ und Ingenicurschule“ nach dem Antrage der Kommission, die einige Abstriche vorschlägt.
Ebenso wird der Rest der fortdauernden Ausgaben des Ordinariums nach den Beschlüssen der Kommission genehmigt, die nur bei den „Wohnungsgeldzuschüssen“ einen kleinen Ab⸗ strich vorschlägt.
Die weitere Berathung wird um 5 ½ Uhr auf Sonnabend 1 Uhr vertagt.
““
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 38. Sitzung vom Freitag, 8. März. Fortsetzung der zweiten Berathung des Etats der Bau⸗
verwaltung.
Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.
Abg. Gamp (fr. kons.) bemerkt, der Abg. Gothein habe in der vorhergehenden Sitzung einige Aeußerungen von ihm abfällig kritisiert, die er aber vollständig mißverstanden habe. Er (Redner) habe in der betreffenden Sitzung vom 29. Januar zur Kanalfrage vom land⸗ wirthschaftlichen Standpunkt aus Stellung genommen, und, wie er annehmen könne, im Namen eines großen Theiles seiner politischen Freunde erklärt, daß sie von einem Bau von Kanälen für die Land⸗ wirthschaft keine großen Vortheile sich versprächen, und daß daher eine entsprechende Regelung der Schiffahrtsgebühren, namentlich für den Import auf den Kanälen, empfehlenswerth sei. Und seine Anregung sei auf fruchtbaren Boden gefallen, denn die Folge sei ein Punkt in dem Programm für die Berathungen des Staatsraths. Zur Kanal⸗ frage habe er prinzipiell keine Stellung nehmen wollen. Es müsse doch dem Abg. Gothein bekannt sein, daß die billigen Wassertarife einen großen Einfluß auf die Bildung des Getreidepreises ausübten. Der Abg. Gothein habe den größten Theil seiner Thätigkeit unter der Erde verbracht und werde in der kurzen Zeit seiner anderen Thätigkeit noch nicht so viel Kenntnisse sich angeeignet haben, daß er einen so belehrenden Ton ihm gegenüber annehmen könne — einen Ton, wie er ihm noch niemals vorgekommen sei. Die linksstehende Presse habe auch fortwährend seine amtliche Stellung angegriffen und zu erschüttern gesucht; er habe sich gegen ein solches hreßpiratenthum nur einmal gewehrt, aber wolle nun doch hier er⸗ klären, daß seine amtliche Thätigkeit mit seiner Thätigkeit als Mit⸗ glied des Abgeordnetenhauses und des Reichstags nicht verquickt werden könne; er sei ein unabhängiger Mann, der außerhalb seines Amts seine Meinungen offen und fest vertrete. Nicht einmal die sozial⸗ demokratische Presse habe ihm gegenüber einen so unanständigen Ton angeschlagen, wie die freisinnige Presse.
Abg. Gothein (fr. Vgg.) erwidert, er habe niemals den Import von Getreide auf unseren Wasserstraßen geleugnet, sondern nur den ungünstigen Einfluß der Kanäle auf die Landwirthschaft. Die Aus⸗ führungen des Abg. Gamp über die Binnenschiffahrt zeugten nicht ge⸗ rade von großer Sachkenntniß, er (Redner) habe früher auf dem Gebiete der Binnenschiffahrt gearbeitet und habe sich soviel als möglich zu in⸗ formieren gesucht. Ueber das, was ihm hier zukomme, nehme er keine Belehrung an. Auch er halte die amtliche und private Thätigkeit des
bg. Gamp auseinander. Redner wünscht sodann eine Besserstellung der Wasserbau⸗Techniker.
Abg. Bueck (nl.): Ich glaube, daß der Abg. Gamp im steno⸗ graphischen Bericht über meine Rede keine einzige Stelle finden wird, wo ich von ihm anders, als vom Abg. Gamp, ohne Bezug auf seine amtliche Stellung gesprochen habe. Ich halte den Versuch, den gestern der Abg. von Pappenheim gemacht hat, mir aus meiner Stellung außer dem Hause Interessenvertretung vorzuwerfen, für vollständig verfehlt und unberechtigt. Wenn man außer dem Hause arbeiten muß, um sich und seine Familie durchzubringen, so trifft dies wohl für den größten Theil der Mit⸗ glieder des Hauses zu. Jede Arbeit steht aber mit gewissen Interessen in Verbindung. Dann müßte ja also jeder, der arbeiten muß, von den Berathungen des Hauses aus eschlossen sein. Ich nehme an, daß der Abg. von Pappenheim nicht 5 bar aller Achtung vor der Arbeit ist, daß ihn vielmehr nur die Erregung veranlaßt hat, den ihm jeden⸗ alls angeborenen Edelmuth bei Seite zu setzen.
2 Gamp: Ich freue mich, durch meine Bemerkung dem Abg. Bueck Helegenheit zu der Erklärung gegeben zu haben, daß es nicht seine Absicht gewesen ist, meine amtliche Stellung mit meiner Stellung bier im Hause in Verbindung zu bringen. Es hat mich allerdings shmerzlich berührt, ein Mitglied einer Partei, mit der wir sonst sehr viele Vereinigungspunkte haben, in einer Gesellschaft zu seben, die sich früͤher zu derartigen Angriffen gegen ncch ergegeben hat. Daß aber der Eindruck, den ich gehabt habe, ein vereinzelter gewesen ist, geht aus der scharfen Zurückweisung her⸗ vor zu der sich der Minister für Handel und Gewerbe gegenüber den
usführungen des Herrn Bueck verneal st gesehen hat. „Abg. von Pappenheim (kons.): Aus der Arbeit habe ich niemals Jemandem einen Vorwurf gemacht, auch ich verstehe die rbeit zu würdigen und habe zu arbeiten. Ich habe nur der Ansicht Ausdruck gegeben, daß ein Streit vom Zaun gebrochen worden sei, er besser unterblieben wäre.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (kons.): Aus den Aus⸗
führungen des 8 Gothein ging unzweifelhaft hervor, daß er aus e
arlamentarischen ußerungen eines Beamten Besorgnisse hinsichtlich 18 Stellung der Regierung deduzierte. Das ist unzulässig; wir Cüssen eine solche Methode zurückweisen. Damit wird die ellung der Beamten in diesem Hause unmöglich; die
Beamten sind im Parlament aber sehr nützlich und wichtig. Besonders unrichtig war ein solches Verfahren gegenüber dem Abg. Gamp, einem Manne, der in Roͤßter Unabhängigkeit dasteht und sie stets bewiesen hat. Was den Abg. Bueck anbetrifft, so möchte ich gegen seine Arbeit und die Redlichkeit seiner Arbeit nichts einwenden. Er muß uns aber gestatten, die Richtigkeit und Unparteilichkeit seiner Auffassungen zu kontrolieren, und so scharfe Aeußerungen, wie sie der Abg. Bueck gemacht hat, wären nicht nöthig gewesen.
Abg. von Eynern (nl.): Besonders heftig ist der Abg. Bueck keineswegs gewesen, auch kann niemand gegen sein Temperament. Im übrigen ist die nationalliberale Fraktion nicht für jede Aeußerung der nationalliberalen Presse verantwortlich zu machen. Wir haben die amtliche Stellung eines Abgeordneten nie in Betracht gezogen.
Zum Titel „Wohnungsgeldzuschuüsse für die Be⸗ amten“ bemerkt der Berichterstatter
Abg. von Tiedemann⸗Bomst (fr. kons.), daß Beamte der in⸗ direkten Steuerverwaltung, wie auch solche von der Eisenbahnverwaltung, auf die Bauverwaltung übernommen werden würden; erst nach der for⸗ mellen Uebernahme sei aber festzustellen, ob Ersparnisse zu machen seien, wie die Regierung hoffe. Das werde sich im nächsten Etat zeigen.
Der Titel „Unterhaltung der Seehäfen, See⸗ ufer u. s. w.“ wird verbunden mit dem Titel der außer⸗ ordentlichen Ausgaben „Zur Neubetonnung des Fahr⸗ wassers bei Helgoland“, wofür 55 000 ℳ gefordert werden.
Berichterstatter Abg. von Tiedemann⸗Bomst (fr. kons.): In der Kommission wurde uns die Mittheilung gemacht, daß zwischen der Marine⸗ und ““ Unterhandlungen stattgefunden hätten, um die Seezeichen bei Helgoland so zu gestalten, daß sie auch den Forderungen der Kriegsmarine entsprächen. Es ist hierüber keine Einigung erfolgt, daher soll die Neubetonnung nur für die Handels⸗ marine erfolgen. Wenn aber noch eine nachträgliche Einigung zu stande käme, so halte sich die Regierung für berechtigt, die Mittel so zu verwenden, daß die Zeichen auch für die Kriegsmarine genügten.
Für „Unterhaltung der Binnenhäfen und Binnengewässer“ werden 10 206 835 ℳ gefordert.
Abg. von Woyna (fr. kons.): Es wäre erwünscht, zu erfahren, wieviel von der hohen Summe von 10 Millionen auf einzelne Strom⸗ gebiete und Flußläufe entfällt. Der Zustand einiger Flußläufe läßt erkennen, daß für sie wenig geschieht. Als Beispiel kann ich auf die Leine hinweisen. Das Wehr bei Neustadt ist so versandet, daß es nicht passiert werden kann. Die Stromverwaltung müßte auch für die kleineren Flußläufe Sorge tragen. Bei Rauten an der Leine erhöhen sich der Schiffahrt wegen die Kosten um 30 %, während der Staat nichts thut. Vielleicht wäre es besser, einen Theil der kleinen Flüsse der Land⸗ wirthschaft zur Nutzbarmachung zu überlassen, wenn ich auch zugebe, daß die kleineren Flüsse von Wichtigkeit sind für die Wasserversorgung der größeren Flüsse und der Kanäle.
Geheimer Baurath Schelten bestätigt die Richtigkeit der An⸗ gabe, daß die Leine oberhalb Neustadt nicht schiffbar sei. Unterhalb sei die Schiffahrt keine große, sie sei aber doch zu beachten. Oberhalb des Wehres finde keine Schiffahrt statt, sodaß die Versandung der Weser weder auf die Schiffahrt zurückzuführen sei, noch derselben Schaden bringe. 1 Abg. Dr. Lotichius (nl.) wünscht die Verbesserung des Hafene in Oberlahnstein und zugleich die Herstellung eines Eisenbahn⸗ anschlusses. Eine weitere Korrektion des unteren Rheins in Ueberein⸗ stimmung mit der holländischen Regierung sei sehr wünschenswerth. Jedenfalls müsse bei der Wasserbauverwaltung darauf geachtet werden, daß die Techniker und Ingenieure die nöthige Selbständigkeit besäßen.
Abg. Kirsch (Zentr.) bittet um den Bau einer festen Brücke über den Rhein bei Düsseldorf an Stelle der bestehende Schiffbrücke.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! So sehr ich auch bereit sein würde, eine allge⸗ meine wohlwollende Erklärung bezüglich des ersten, von dem Herrn Abg. Kirsch vorgetragenen Wunsches abzugeben, so muß ich doch sagen, daß, wie auch der Abg. Kirsch selbst anerkannt hat, zur Zeit wenig Aussicht vorhanden ist, bei Düsseldorf eine feste Brücke über den Rhein zu bauen. Der Herr Abg. Kirsch kennt ja die Schwierigkeiten, die namentlich bei Düsseldorf dem Bau einer stehenden Brücke sich entgegenstellen.
Was nun den zweiten Punkt betrifft, so ist da schon mehr Aus⸗ sicht auf Erfolg für ein Eingreifen seitens der Staatsregierung, und ich bin gern bereit, die von ihm genannten Uebelstände daraufhin zu prüfen, ob ihnen abgeholfen werden kann. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß in dieser Beziehung schon eine Abhilfe ge⸗ schaffen ist. Früher besorgte in solchen Fällen nur ein kleines Schiff den Fährdienst, jetzt haben wir schon zwei, und es ist damit der Ver⸗ bindung der beiden Rheinufer ein mesentlicher Fortschritt zu theil geworden. Indessen bin ich, wie gesagt, gern bereit, auch auf die übrigen geäußerten Wünsche eine nähere Prüfung des Thatbestandes eintreten zu lassen.
Berichterstatter Abg. von Tiedemann⸗Bomst (fr. kons.) ver⸗ weist den Abg. von Woyna auf den vorjährigen Bericht über Bau⸗ ausführungen, worin die Verwendung der ausgeworfenen Summen nachgewiesen ist; die Leine sei darin allerdings nicht enthalten.
Abg. von Woyna wiederholt nochmals seine Bitte. Es würde wohl möglich sein, auf dem Rechtswege für Freihaltung der Schiffahrt auf der oberen Leine zu sorgen. 8
Abg. Dr. Enneccerus tritt nochmals für Vertiefung der Fahr⸗ rinne der Weser zwischen Karlshafen und Münden ein.
Ministerial⸗Direktor Schultz erwidert, daß es nicht möglich sei, über das für alle Ströme aufgestellte Programm hinaus einen Fluß besonders zu berücksichtigen, und daß auf der Weser nicht schlechtere Schiffahrtsverhältnisse beständen als auf anderen Strömen.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum kkons.): Die Frage der Regulierung der Wasserstraßen ist von weittragendster Bedeutung, nicht allein in Bezug auf die Kosten der Regulierung, sondern im 1“ mit dem ganzen wirthschaftlichen Leben und dem
arifwesen. Die einmal bewilligten Mittel werden wir ja weiter gewähren, aber in der Beurtheilung dessen, was für die Wesserftrahen zu geschehen hat, hat eine Auffassung Platz gegriffen, die der auf allen anderen Gebieten widerspricht. Die Inter⸗ essenten verlangen einfach Aufwendungen à fonds perqdu, sie prätendieren ein Recht auf die Benutzung der Wasser⸗ straßen ohne jeden Beitrag. Die in den letzten Jahren aufgewendeten Summen für die Kanäle perzinsen sich gar nicht, das giebt eine Ver⸗ schiebung aller wirthschaftlichen Zustände, und wie kommen unsere Finanzen dabei zurecht? Verlangt man doch auch bei den Eisen⸗ bahnen eine gewisse Garantie für Rentabilität. Wir wünschen nun, daß die Interessenten nicht nur Beiträge zu den Kanalbauten, son⸗ dern auch zu den Korrektionen der Ströme leisten; denn in einzelnen Fällen wird man die Frage aufwerfen müssen, ob der korrigierte Fluß noch den Charakter einer natürlichen Wasserstraße hat. Für die beiden mit dem Auslande in Zusammenhang stehenden Ströme sind wir allerdings durch Verträge gebunden. Diese Frage wird im Zusammenhang mit der der Eisenbahntarife erörtert werden müssen, und es bedarf der rechtlichen Erwägung, ob wir unter Wahrung der Verfassung angemessene Abgaben auch auf den korrigierten natürlichen Wasserstraßen erheben dürfen. Vielleicht wäre das in Form einer angemessenen Gewerbesteuer für inländische und ausländische Schiffer au unseren Strömen möglich. Wir halten die Auffassung, daß die Summen für Kanäle à fonds perdu gezahlt werden müssen, für falsch, und werden deshalb bei Verbesserung der Wasserstraßen außer⸗ ordentlich vorsichtig sein.
Abg. von Eynern (nl.): Wir halten dafür, daß die Wasser⸗ straßen dem allgemeinen Interesse dienen, und daß an den Vortheilen alle Gewerbe, auch die Landwirthschaft, gleichmäßig betheiligt sind.
Bei einem Kanalbau finden sich ja die Interessenten erst, wenn er fertig ist; wie soll da also ein Rentabilitätsnachweis möglich sein, wenn man noch gar keine Interessenten kennt? Auch bei den Eisenbahnen verzichtet man doch vielfach auf einen Rentabilitäts⸗ nachweis; man baut viele Sekundärbahnen, von denen man genau weiß, daß sie sich nicht rentieren werden, und wir werden darin fortfahren, weil sonst die wirthschaftlich schwachen Landestheile ganz ohne Verbindung bleiben würden. Ich bin um so betrübter über die Ausführungen des Vorredners, als der Minister für Landwirthschaft sich als Freund des Kanalbaus erklärt hat, und ich hoffe, daß nicht die ganze konservatipe Partei hinter dem Vorredner steht; bei solcher Auffassung wäre unser Kanalbau todt.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: Obgleich uns im allge⸗ meinen die Person des Ministers für Landwirthschaft sehr sympathisch ist, so stimmen wir doch in dieser Frage nicht mit ihm überein. Das Kanalprojekt, welches uns im vorigen Jahre vorgelegt worden ist, kann doch wahrlich mit dem Bau einer Sekundärbahn nicht ver⸗ glichen werden.
Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Wenn man auch von den Kanälen Gebühren erheben wollte, so darf man das doch nicht von korrigierten Flüssen, deren Verbesserungen in hervorragendem Maße auch der Landwirthschaft zu gute kommen. Das Prinzip der Offenhaltung natürlicher Verkehrsstraßen ohne Gebühr muß aufrecht erhalten werden. Mit der Zahlung von Gebühren für den Eisenbahntransport lassen sich diese Gebühren nicht vergleichen. Dort zahlt man ein Entgelt für die Beförderung, hier handelt es sich um eine bloße Benutzung. Abg. von Eynern (nl): Die Hergabe von Grund und Boden verlangt man auch von den Kanalinteressenten. Wollte man das von der Rechten ausgesprochene Prinzip auch auf die Eisenbahnen anwenden, so würden überhaupt keine solche mehr gebaut werden.
Abg. von Buch (kons.): Wir stehen, wie ich dem Abg. von Eynern erwidere, alle fest geschlossen auf dem Standpunkt des Abg. Grafen Limburg⸗Stirum. Die Vortheile der Landwirthschaft von den Fluß⸗ korrektionen nellen wir in Abrede. Dieselben sind theilweise ohne jede Rücksicht auf die Landwirthschaft gemacht worden, und erst in neuerer Zeit ist darin eine Aenderung eingetreten. Bei Veranstaltungen des Staats, die einzelnen Interessenten zu gute kommen, sollen diese auch zu den Kosten beitragen. Von diesem Standpunkt aus bedauern wir die Aufhebung der Chausseegelder und des Schulgeldes. Die Eisenbahnen bringen uns bedeutende Ueberschüsse, während die Kanäle auch zu den Betriebskosten noch Zuschüsse erfordern. An dem System wird auch nichts geändert, wenn einzelne Bahnen sich nicht rentieren, sie führen doch den großen Strecken den Verkehr zu. Und dann sind doch auch die Kanäle Konkurrenten der Eisenbahn.
Abg. von Eynern (nl.): Die letztere Ansicht bestreite ich. Die Masse der Güter mehrt sich mit der Steigerung der Verkehrsgelegen⸗ heit; das sehen wir am Rhein, wo neben einem großen Strom zwei Eisenbahnen herlaufen, die sich sehr gut rentieren.
Abg. Pleß (Zentr.): Bei der Korrektion der Ströme ist auf die Natur derselben Ruͤcksicht zu nehmen. Ohne die nöthigen Korrektionen würden die großen Ströme versanden, und ich glaube, daß das auch im Interesse der Landwirthschaft nicht zu wünschen ist. Am Rhein giebt es ganze Dörfer, die vom Obstbau leben, und dieses Obst wird auf dem Rhein nach England exportiert. Ebenso findet der Frachtverkehr mit Kartoffeln zumeist auf dem Wasserwege statt. Trotz⸗ dem bestehen die am Rhein bestehenden Eisenbahnen nicht nur gut, ich behaupte sogar, daß der Verkehr ohne die Schiffahrt auf dem Rhein auf den Bahnen nicht ein so starker wäre.
Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) bittet, die Fähre über die Weser zwischen Burgas und Herstedt, die nach altem Recht den Ein⸗ wohnern unentgeltlich zur Verfügung steht, nicht, wie in Aussicht ge⸗ nommen, eingehen zu laffen, sondern sie auf Kosten des Fiskus fort⸗ bestehen zu lassen.
Abg. von Pappenheim (kons.): Wir verlangen nicht, daß der Standpunkt der Denkschrift von 1879 in Bezug auf Verbesserung der Wasserstraßen verlassen wird. Es handelt sich nur darum, ob die Einnahmen aus diesen Wasserstraßen nicht erhöht werden können. Für die Korrektion des Rheins sind seit 1879 22 Millionen ver⸗ ausgabt worden. Allerdings sind auch Erfolge erzielt. Der Mann⸗ heimer Getreidemarkt, der maßgebend für den Westen ist, hat darunter gelitten. Selbst der Bericht der Mannheimer Handelskammer für 1894 weist darauf hin, daß durch die Schiffahrtsverhältnisse das Gegteide aus Argentinien und Amerika das deutsche Getreide verdränge. Wir leiden aber nicht weniger Noth als die Landwirthe des Ostens. Bald werden wir kein Getreide mehr produzieren können da die Produktionskosten nicht gedeckt werden. Daran ist die Rhein schiffahrt mit schuld. Wir wollen nichts gegen dieselbe sagen, ver langen aber gleiches Recht und gleiche Sonne. Die 22 Millionen für die Rheinkorrektion kommen zum großen Theil auch der holländi schen Schiffahrt zu gute. Eine gründliche Revision der Schiffahrts akte wäre erforderlich. Die Mannheimer Handelskammer fügt in ihrem Bericht hinzu, der Einkauf von Getreide erfolge jetzt dort, wo er am vortheilhaftesten sei, also im Auslande. Was würde die Industrie sagen, wenn der Eisenbahn⸗Minister die Schwellen nur kaufte, wo sie am billigsten zu haben sind! Wenn wir etwas verlangen wird stets von den begehrlichen Agrariern gesprochen. Die ausländische Konkurrenz vernichtet unseren Stand und damit die Hälfte unseres Vaterlandes.
Abg. Gothein (fr. Vg.): Die Exportfähigkeit des Mann⸗ heimer Markts nach der Schweiz würde ohne die Rheinschiffahrt stark geschädigt sein. Daß das argentinische Getreide bevorzugt wird, hängt mit seinem hohen Klebergehalt zusammen.
Abg. Knebel (nl.): Der Verkehr auf dem Rhein hat sich in zwanzig Jahren von 1 800 000 auf 6 200 000 t gesteigert. Trotzdem hat auch der Verkehr auf den Eisenbahnen in der E wenn auch nicht in gleich hohem Grade — zugenommen, wie sich ein solches Verhältniß in ganz Deutschland zeigt. Eine bedeutsame Frage bildet die weitere Vertiefung des Rheins von Köln ab bis zur See, um die Seeschiffahrt bis Köln zu ermöglichen und Köln zu einem Seehafen zu machen. Darüber ist man allerdings einig, daß die Kosten hierfür von den Betheiligten aufzu⸗ bringen sein würden. Es wäre bei einer solchen Vertiefung auch möglich, der Beherrschung der See durch das Ausland entgegen⸗ zutreten. Das Bestreben, das Inland mehr dem Seeverkehr zu er⸗ schließen, tritt zur Zeit auch in anderen Ländern hervor. Für die Rheinvertiefung liegen Vorarbeiten vor, nach denen eine Vertiefung bis fünf Meter wohl möglich erscheint. Schon jetzt trifft eine größere Anzahl von Seebooten in Köln ein; die Verttefung würde den See⸗ verkehr auf dem Rhein ungemein heben, und wir hätten hier eine werthvolle Eroberung auf friedlichem Wege zu verzeichnen.
Abg von Eynern (nl.): Die Rede des Abg. von Pappenheim gäbe zu stundenlangen Erörterungen Anlaß. Aus seinen Aeußerungen geht hervor, daß er den Frachtenverkehr auf dem Rhein vermindern will, um den Westen dem ostpreußischen Getreide zu erschließen.
Abg. von Pappenheim (kons.): Der Export von Mannheim hat in den letzten 7 Jahren kolossal abgenommen und betrug im letzten Jahr nur 130 000 Doppel⸗Zentner. Dabei möchte ich eine Aeußerung von früher richtig stellen. Wer sagt, daß nicht mehr importiert wird, als wir brauchen, sehe sich nur die Lager am Rhein an, und er muß vom Gegentheil überzeugt sein. Klebergehalt hat der Weizen des südwestlichen Deutschlands fast genau so viel als der argentinische. Das Wort Ostpreußen habe ich nicht in den Mund genommen. Es handelt sich im Gegentheil darum, daß der Weizen am Erzeugungsort nicht mehr abgesetzt werden kann, und daran trägt die Rheinschiffahrt Schuld.
Abg. Freiherr von Plettenberg⸗Mehrum kkons.): Daß der Transport von Obst auf dem Rhein wichtig ist, gebe ich zu. onst aber vermehrt die Rheinschiffahrt die Konkurrenz des Auslands. Amerika hat nun gar noch das Projekt, das kanadische Getreide ohne Umladung bis Köln zu befördern; das würde, wenn Köln Seehafen wäre, die Konkurrenz ins Unendliche vermehren.
Abg. von Eynern inl.): Die Absatzfähigkeit des inländischen Getreides wäre durch andere Eisenbahntarife zu heben, an der Kon⸗ Berrer; des ausländischen Getreides trägt die Rheinschiffahrt keine
uld.