Deutsches Theater. . “
Sonnabend gelangte das Schauspiel „Drohnen“ Rudolf Stratz zur ersten Aufführung. Der Verfasser der schon in einem früheren Stück seine starke dramatische Begabung bewiesen hat, bringt diesmal ein echt „modernes“ Stück auf die Bühne: modern ist der behandelte Stoff und modern die Art der Drama⸗ tisierung, die sich den wirklichen Erscheinungen des Lebens möglichst zu nähern sucht; aber einen vollen Erfolg hat der Verfasser auch mit einem neuen Schauspiel nicht erzielt, weil das nach franzoͤsischem Wffhr gearbeitete Stück auch in der Charakteristik stark an französisch Typen erinnert und weil die Dramen, in denen Untreue der Frau den Angelpunkt der Handlung bildet, an Interesse auch beim Publikum mit der Zeit wesentlich eingebüßt haben. Scharfe Beobachtung, die sich in der Auffindung feiner menschlicher Absichten kundgiebt, und orgfältige Zeichnung der Charaktere als Ganzes, ein geschickter scenischer Aufbau und ein leicht fließender, von treffenden Bemerkungen gehobener Dialog bilden die Vorzüge der Arbeit, während einige ungenügend begründete Willensakte und das zum theil er⸗
Am
fünstelte Wesen der sich gegenüberstehenden Typen die Wirkung
des Schauspiels beeinträchtigen. Zwei Gestalten aus den nicht roduktiv thätigen Klassen der Gesellschaft lernen wir in dem Grafen Greiff und dem Millionär Witt kennen. Der Reiche verachtet den Adel und ist stolz auf sein Geld; der Graf ver⸗ achtet als Verschwender das Gold und ist stolz auf seinen Adel. Gabriele, die leichtfertige Gattin Witt'’s, die den Grafen liebt, bildet den Gegenstand des Kampfes der Gegner. Der Graf, ein leichtsinniger Spieler, geistreicher Causeur und verführerischer Kavalier, nützt seine sündigen Talente aus, um Gabriele zu gewinnen. Witt entdeckt das hinterlistige Spiel und sucht den Nebenbuhler durch die Macht des Geldes unschädlich zu machen; aber der Graf entgeht schließ⸗ lich den Schwierigkeiten seiner Lage durch eine reiche Heirath. — Die Darstellung der beiden, im Mittelpunkt der Handlung stehenden Männer gelang den Herren Reicher (Graf Greiff) und Nissen (Witt) vortrefflich; beide machten die öde Leere der Seele hinter tem prunkenden Scheine des Glücks in verschiedenen Spielarten anschaulich und fühlbar. Fräulein Lucy Lißl, die an diesem Abend hier zum ersten Mal, und zwar als Gabriele, auftrat, ist, nie es scheint, eine begabte Darstellerin; in dieser Antrittsrolle vermißte man aber die verzehrende Leidenschaft, die der Dichter in diese Gestalt gelegt hat. Die Nebenrollen waren ausnahmslos gut besetzt, sodaß die Ge⸗ sammtdarstellung nur Lob verdient.
Der einaktige Schwank „Er, sie und er“ von Roberto Bracco, mit dem die Vorstellung eröffnet wurde, besitzt keine ber⸗ vorragende literarische Bedeutung. Das von Otto Eisenschitz übersetzte kleine Stück hatte trotz des vortrefflichen Spiels des Fräulein Rosa Bertens und der humorvollen Darstellung der Herren Nissen und Jarno keinen rechten Erfolg, weil es dem Dialog an Geist und Witz gebricht.
Lessing⸗Theater.
Friedrich Haase, der am Sonnabend sein Gastspiel eröffnete, brachte diesmal ein neues Stück, das Schauspiel „Am Spieltisch des Lebens“ von Klaus Arsen, mit nach Berlin. Das Stück erfüllt die Erwartung, die an seine Einreihung in das Haase’sche Repertoire naturgemaß geknüpft werden durfte: es enthält eine große Rolle für den virtuosen Darsteller. Als Graf Stengel auf Rodek kann Friedrich Haase seine ganze Meisterschaft in der Verkörperung solcher vornehmer, ritterlicher Naturen entfalten, die noch in vor⸗ gerücktem Alter sich den Schein der Jugendlichkeit zu geben vermögen, die mit gutmüthiger Liebenswürdigkeit über die eigenen etwas mangelhaften Geistesgaben lächeln und mit Eleganz und Gutherzigkeit Hglich alle Genüsse des Lebens durchkosten. Daß dieser alte Herr einen Fehlgriff „am Spieltisch des Lebens“ thut, indem er eine schöne junge Frau, die Gräfin Eva, heimführt, bereitet dem Lebenskünstler zwar eine schwere Stunde, in der er wirklich altert, aber schon der nächste Tag sieht den Grafen getröstet, der von seiner jungen Gattin niemals Liebe, sondern nur Freundschaft und Achtung vor der Ehre seines Namens gefordert hatte. Aus der Vergangenheit konnte also kein Vorwurf gegen die Gattin hergeleitet werden, und für den Grafen lag kein Grund vor, sich gegenwärtig und zukünftig weniger glücklich in ihrem Besitz zu fühlen. Herr Haase führte die Rolle des Grafen mit glänzender Beherrschung aller seiner künstlerischen Mittel durch; besonders gab ihm die Scene, in der er die Vergangenheit seiner Frau kennen lernt, Gelegenheit zu zeigen,
von
wie unter der äußeren Zurückhaltung die Leidenschaft in seinem Innern tobt und wie unter dem Seelenschmerz der Schein der Jugendlichkeit zusammenbricht. Mit dieser schauspielerisch bervorragenden Leistung ist aber auch das Hauptinteresse an der Dichtung erschöpft. Das Schauspiel bekundet das theatralische Geschick seines Verfassers, aber die handelnden Personen haben wenig oder nichts mit natür⸗ lichen, wirklichen Menschen gemein. Die Motivierung der Vorgänge nicht nur, sondern auch die psvchologische Ent⸗ wicklung der Charaktere ist unzulänglich und oft unklar. Neben dem Grafen Stengel spielt der frühere Geliebte der Gräfin Eva, ein junger, leichtsinniger Offizier Heinz von Rietberg, der soeben eine junge reiche Erbin heimgefahrt at, eine Hauptrolle. Zur Lösung aller Konflikte erscheint im letzten Akt ein ehemaliger Kamerad Rietberg's, der inzwischen in Amerika das Leben eines Abenteurers geführt hat. Herr Prechtler, der den Heinz von Rietberg spielte, fand sich mit dieser Rolle nach Maßgabe seiner schauspielerischen Kraft sehr geschickt ab; [seine naive junge Gattin gab Fräulein Riska mit kindlicher Schwärmerei und zeichnete glaubhaft die rührende Vertrauensseligkeit. Die getäuschte Gräfin Eva spielte Fräulein Reichenbach mit natür⸗ licher Abtönung der Empfindungen und vornehm in der Haltung. 11““ u“ “ Konzerte. ““
s von der hiesigen Musikwelt mit Spannung er Konzert der ausgezeichneten Klaviervirtuosin Frau Teresa d'Albert Carreno hatte am Sonnabend im Saal der Sing⸗Akademie ein zahlreiches Publikum versammelt. Es ist schwer zu entscheiden, ob man beim Anbören der außerordentlichen Leistungen der Künstlerin durch die Kraft und Energie des Anschlags in der D-moll⸗Fuge von Bach⸗Tausig, durch die Tiefe der Auffassung der Beethoven’'schen Sonate op. 57 oder durch die Zartheit des Vortrags in Beethoven’s G-dur-Rondo und in den kleineren Pibcen von Schubert und Chopin mehr zur Bewunderung gezwungen wurde. Die vornehm ruhige Haltung der Konzertgeberin am Klavier und der mäßige Pedal⸗ Lre sind noch 5 zu loben. Glänzend entfaltete sich ihre Virtuosität, welche jede Schwierigkeit leicht überwindet, in den sym⸗ phonischen Etüden von Schumann und in der E-dur-Polonaise von Liszt, der die liebenswürdige Künstlerin nach stürmischem Hervorruf noch die Henselt'sche Etüde „Wenn ich ein Vöglein wär“ hinzufügte.
Die aus der Schule des Herrn Dr. Jedliczka hervorgegangene Pianistin Fräulein Agda Lyséll, welche sich schon früher hier hören licß, gab an demselben Abend im „Römischen Hof“ ein Konzert, das die gute Meinung über ihre künstlerische Begabung bestätigte. Sorgfältig ausgebildete Technik und verständnißvolle, tief empfindende Ausdrucksweise ließen sich sowohl im Vortrag der Sonate (op. 28) von Beethoven wie in dem im Mendelssohn'schen Stil ge⸗ schriebenen Klavier⸗Quartett von L. Norman (1855) er⸗ kennen. Auch in Piècen von Rubinstein, Chopin und Liszt kamen diese Vorzüge trefflich zur Geltung. Die Konzertsängerin Hehcn Marie Jewa unterstützte das Konzert wirksam durch den
ortrag einiger Gesänge von Mozart und Venzano. Außerdem erfreute auch der Königliche Kammermusiker Herr Hehe Ie. der sich mit seinen Kollegen en (Viola) und
üdemann (Cello) bei dem Quartett mit Erfolg betheiligt hatte, noch durch einige wohlgelungene Solovorträge. Sämmtlichen Künstlern wurde wohlverdienter Beifall zu theil.
Im Königlichen Opernhause werden morgen Mascagni's Cavalleria rusticana“ und Lortzing's „Waffenschmied“ gegeben. — In Richard Wagner's „Rienzi“, der am Donnerstag neu einstudiert in Scene geht, befinden sich die Hauptrollen in den Händen des Herrn Sylva und der Damen Goetze und Hiedler. Im Chor der Friedensboten wirken die Damen Herzog, Dietrich, Rothauser, Se Krainz, Deppe, Pohl mit. Die neuen Dekorationen: Platz vor dem Lateran, Saal im Kapitol, Straße, das Forum, Straße vor dem Lateran, Halle im Kapitol, Platz vor dem Kapitol“ sind von dem ofmaler Professor Brückner in Coburg, die neuen Kostüme nach den ntwürfen des Professors A. von Heyden angefertigt. Für die Vorstellung sind folgende Preise festgesetzt: Fremdenloge 12 ℳ, Orchesterloge 10 ℳ, 1. Rang und Parquet 8 ℳ, II. Rang 5 ℳ, III. Rang 3,50 ℳ u. s. w. — Der Kgl. Kammer⸗ sänger Herr Paul Bulß hat auf einer Konzerttoutnée durch ar land mit glänzendem Erfolg in St. Petersburg gesungen. Er beendet morgen seine Kunstreise in Moskau, um alsdann seine Thätig⸗ keit hier wieder aufzunehmen.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen das 2 spiel „Wie die Alten sungen“ mit Frau Schramm als Hökerin * gegeben. 1 nne Im Theater Unter den Linden gelangen morgen und Mittwoch Millöcker's Operette „Der Probekuß“ und ein großn Ballabile, am Donnerstag und Freitag, „Nanon“, Operette in 3 Uihes von Genée, zur Aufführung. 1 en In dem Kammermusikabend mit Kompositionen von Pe Ischalkowski, welchen Professor Leopold Auer morgen im Saal Bechstein veranstaltet, übernimmt an Stelle des plötzlich ehuntes Herrn Boris Kamensky Herr Carl Markees die zweite Violine. *
Mannigfaltiges.
Der unter dem Protektorat Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrih stehende Verein „Victoriahaus für Krankenpflege“ bielt gestern unter dem Vorsitz des Staats⸗Ministers Dr. Delbrück im neus Reichstagsgebäude seine Generalversammlung ab. Die Zahl ⸗ Schwestern des Hauses ist im letzten Jahre von 180 auf 200 angt⸗ stiegen. Das Arbeitsgebiet hat sich wieder erweitert: neu übernommen wurde die Pflege in dem von der Alters⸗ und Inpaliditätz. Versiche⸗ rungsanstalt Berlin in Gütergotz eingerichteten Sanatorium. Zeit sind in städtischen Diensten 116 Schwestern thaͤtig (11 mehr als im Vorjahre), 64 wirken im Krankenbause am Friedrichshain, 40 in dem am Urban. In den Universitätz⸗ kliniken waren 8, im Kaiser und Kaiserin Friedrich⸗Krankenhaus 17, i den Breslauer ÜUniversitätskliniken 5, auf sonstigen Stationen 8, in der Armenpflege 5 Schwestern thätig. 14 Schwestern standen für Privatpflege, die an 115 Kranken ausgeübt wurde, zur Verfügung Die Einnahmen des Vereins beliefen sich mit Einschluß des Bestander (22 165 ℳ) auf 152 735 ℳ; verausgabt wurden 124 205 ℳ De bisherige Vorstand wurde wiedergewählt.
Troppau, 17. März. Bei dem (in Nr. 66 d. Bl.) gemeldeten Grubenunglück in dem Hohenegger⸗Schacht sind, wie dem „W. T. B.“ weiter berichtet wird, im ganzen etwa fünfzig Personen umgekommen. Bis jetzt wurden 43 Leichen geborgen, 6 Arbeiter werden noch vermißt, 11 Schwerverwundete befinden sich in Hospital⸗ pflege. Auf “ des Erzherzogs Friedrich wurden den Wittwen der Opfer der Katastrophe sofort je 100 Fl. ausgezahlt. Erzherzog Friedrich hat ferner angeordnet, daß jeder Wittwe und jeder Waise ausden Mnnr des Bergwerks jährlich ein gleicher Betrag, wie die aus der Bruderlade zu bewilligende Pension, ausgezahlt wird. Die Beisetzung der Ver⸗ unglückten erfolgt ebenfalls auf Kosten des Werks. Der Landes⸗ Präsident ist hier eingetroffen und hat den Schacht und die Leichen besichtigt und die Verwundeten besucht. Die Ursache des Unglück war vermutblich die Explosion von Dynamitpatronen in der Tasche des vermißten Patronenmeisters.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
Madrid, 18. März. (W. T. B.) Ueber die Veran⸗ lassung zu der Ministerkrisis wird Folgendes mitgetheikt: Nach dem Militär⸗Strafgesetzbuch gehören Verleumdungse⸗ vergehen, die von der Presse gegen die Armee begangen werden, vor das Kriegsgericht, während das bürgerliche Gesetz sie vor die Geschworenen verweist. Der oberste Gerichtshof hat sich zu Gunsten dieses letzteren Verfahrens ausgesprochen. Als troß⸗ dem der Kriegs⸗Minister, in Uebereinstimmung mit dem Wunsche der Offiziere der Garnison, dem Ministerrath den Erlaß einer Verordnung vorschlug, durch welche die fraglichen Ver⸗ gehen dem Kriegsgericht überwiesen werden, bekämpften die meisten der dem bürgerlichen Element angehörenden Minister diese Forderung, und Sagasta erklärte, es sei ihm unte Uicser Bedingungen nicht möglich, die Regierung weiter zu ühren. — Der Marschall Martinez Campos hat gestern Abend das Kommando über die Madrider Garnison übernommen.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
ͤZͤZͤZͤqͤͤͤZͤZͤZͤͤqͤͤZͤͤͤSͤSͤSͤͤͤqAͤ—õéõe—õ2ñqCͤͤͤͤNͤZͤZͤZͤZͤZͤZͤZͤZͤZͤZͤZͤZͤZsͤͤͤZͤIZIͤͤͤͤ11111141A4A4A4*2“
Wetterbericht vom 18. März 8 Uhr Morgens.
Theater⸗Anzeigen.
Neues Theater. Dienstag: Liebe von Heunt.
Schiffbauerdamm 4a./5.
aus dem Wiener Wald“, Walzer v. Strauß. „Wald⸗ teufeleien“, Potpourri v. Waldteufel. Fantasie
Volksschauspiel in caprice f. d. Violine v. Vieuxtemps (Herr Carnier,
4 0R
Wind. Wetter.
in ° Celsius
5 °C.
Temperatur
Bar. auf 0Gr.] u. d. Meeressp sfred. in Millim
bedeckt heiter Schnee wolkenlos wolkenlos heiter bedeckt bedeckt
halb bed. wolkenlos Nebel wolkenlos wolkig’⸗) bedeckt bedeckt bedeckt
wolkenlos Nebel wolkenl. ²) 2 wolkenlos SW wolkenl. ³) SSW 3 halb bed. WNW 3 bedeckt W 2 bedeckt WNW Zbedeckkt le d'Aix. 2 Zͤ wolkenlos .... O 1 wolkenlos b8s 1swolkenlos
2 ¹) Neblig. ²) Reif. ³) Neblig. 98 AUebersicht der Witterung. G Ein tiefes barometrisches Minimum von etw 740 mm liegt über Lappland, gegenüber einem um⸗ fangreichen Hochdruckgebiet, welches fast die ganze Südwesthälfte Europas überdeckt. Dementsprechend wehen über dem Nord⸗ und Ostseegebiete ziemlich lebhafte, meist westliche und nordwestliche Winde. In Deutschland ist das Wetter ruhig, im Osten vorwiegend trübe und ziemlich mild, im Westen heiter und kalt; meßbare Nieder⸗ schläge werden nicht gemeldet. Im Innern Frank⸗ reichs, größtentheils auch in Süddeutschland, herrscht ter Frost. Neues, ziemlich starkes Fallen des Barometers zeigt sich im Nordwesten der Britischen — und dementsprechend dürfte für unsere
genden mildes tter zu erwarten sein.
Deutsche Seewarte.
Belmullet .. SW Aberdeen .. Christiansund Kopenhagen. Stockholm .
paranda .
t Petersbg.
Moskau... Cork, Queens⸗ 1“ Cherbourg . VEEb15 111I“”; mburg.. winemünde Neufahrwasser Memel... ☛ ünster.. Karlsruhe. Wiesbaden München Chemnitz
Berlin...
2 Breslau.
—, bo & SSe 8,—2DObonee
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InCwgserccchcch†eSbeSboeedeehe—neee
— —y —— AUlpnigliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗
Fürsten Radziwill und von Peter Joseph von Lind⸗
haus. 70. Vorstellung. Cavalleria rusti- cana (Bauern⸗Ehre.) Oper in 1 Aufzug don etro Mascagni. Text nach dem gleichaamigen olksstück von G. Verga. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Wegener. — Der Waffenschmied. Komische Oper in 3 Akten von Albert Lortzing. Dirigent: Musikdirektor Wegener. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 76. Vorstellung. Wie die Alten sungen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl Nie⸗ mann. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Opernhaus. 71. Vorstellung. Hänsel und Gretel. Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humperdinck. Text von Adelheid Wette. — Die Puppenfee. Pantomimisches Ballei⸗ Divertissement von Haßreiter und Gaul. Musik von Josef Bayer. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 77. Vorstellung. Fauft von Wolfgang von Goethe. Der Tragödie erster Theil. Die zur Handlung gehörende Musik von Anton painter. Anfang 7 Uhr. 8
Deutsches Theater. Dienstag: Drohnen. — Dann: Blau. Anfang 7 ½ Uhr. 8
Mittwoch: Der Talismanu.
Donnerstag: Weh dem, der lügt!
1“ ö
Berliner Theater. Dienstag: Der Hypo⸗ chonder. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Madame Saus⸗Gene.
Donnerstag: Der Hypochonder. 1“
Lessing⸗Theater. Dienstag: Gastspiel von 58 825 Am Spieltisch des Lebens. Anfang r.
Mittwoch: Gastsviel von Fr. Haase. Der Königslientnant. — Hierauf: Eine Partie Piquet.
Donnerstag: Gastspiel von Fr. Haase. Am Spiel⸗ tisch des Lebens.
Friedrich⸗-Wilhelmstüdtisches Theater. 1 Chausseestraße 25 /26.
Dienstag: Der Obersteiger. Operette in 3 Akten von L. Held und M. West. Musik von Carl Zeller. Regie: Herr Fredv. Dirigent: Herr Kapellmeister Baldreich. Ermäßigte Preise der Plätze Anfang 7 ½¼ Uhr.
Mittwoch: Der Obersteiger.
4 Akten von Robert Misch. — Vorher: Unsere Backsische. Schwank in 1 Akt. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Haus der Träumer. Lustspiel in 3 Akten von Hermann Faber.
Residenz⸗Theuter. Blugmenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Dienstag: Fer⸗ nand’s Ehekontrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗ arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch und folgende Tage: Fernand’s Ehe⸗ kontrakt.
Theater Unter den Linden. Bebrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. — Dienstag: Der Probekuß. Operette in 3 Akten von Hugo Witt⸗ mann und Julius Bauer. Musik von Carl Millöcker. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. — Hierauf: Grand Ballabile, ausgeführt vom ganzen Ballet personal. Anfang 7 ½ Uhr. v“
Mittwoch: Der Probekukxs.
Zentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard Schultz. — Emil Thomas a. G.
Dienstag: Zum 32. Male: Novität! Unsere Rentiers. Große Poffe mit Gesang und Tanz in 4 Akten von Wilhelm Mannstädt und Julius Freund. Musik von Julius Einödshofer. In Scene gesetzt vom Direktor Richard Schultz. Anfang 7 ½ ubr
Mittwoch: Zum 33. Male: Unsere Rentiers.
Adolph Ernn Theater. Dienstag: Auf⸗
treten der ersten Pirouette⸗ und Courbette⸗Tänzerin Englands Miß Rose Batchelor vom Prince of Wales⸗
heater in don. Zum vorletzten Male: Ein fideles Corps. Sref⸗ Gesangsposse mit Tanz. Nach dem englischen Original „A Gaietw Girl“ von Jonas Sidney frei bearbeitet von Eduard Jacobson und Jean Kren. — Vorher: Gesindeball. Schwank in 1 Akt von Ed. Jacobson und Jean Kren. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Zum letzten Male: Dieselbe Vorstellung.
Sonnabend, den 23. März: Zum ersten Male: Madame Suzette. Vaudeville in 3 Akten von Ordonneau. usik von Edmond Audran. (Novität.)
Konzerte. Konzert-Haus. Dienstag: Karl Mender⸗
Konzert. Ouv. „Marco Spada“, Auber. „Mari⸗ milian Robespierre“, Litolff. „Preciosa“, Weber. Phantasie a. „Lohengrin“ v. Wagner. „Geschichten!
„Singvögelchen a. d. thür. Wald“ f. Piston v. Hoch (Herr Werner).
111141444“
Familien⸗Nachrichten.
[76175] Statt jeder besonderen Mittheiluug. Heute Morgen entschlief sanft und ruhig Bankdirektor Christian Jörgensen in einem Alter von 58 Jahren. Sonderburg, den 15. März 1895. Sonderburger Bank. Der stellvertretende Direktor: F. N. Möller.
Verlobt: Frl. Else Senftleben mit Hm. Lieutenant n von
(Breslau). — Frl. Alice von Rathenow mit Hn. Botschafts⸗Rath z. D. von Mutzenbecher (Stabel⸗ witz). — Frl. Olguita Quaetk⸗faslem mit Hmn. Lieutenant Georg Oberdieck (Hannover). Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hans Heinrich von Scheliba (Jeschütz). — Hrn. Hauptmann der Rel von Woedtke (Breitenberg). 8 Gestorben: Fr. Oberst Elise von Thümen, get. Matke (Meran und Görlitz). — Hr. Lieutenant a. D., Geheimer Kämmerer Seiner Heiligkeit des apstes Alphons Graf Ballestrem (Luzern).— r. General⸗Major z. D. Arthur von vnter eerg und Proschlitz (Berlin). — Hr. F. ng Lieutenant z. D. Feodor von Winckler auf DOber und Nieder⸗Stübendorf i. Schl. — Hr. Obergandes gerichts⸗Rath, Geheimer Justiz⸗Rath von Hamne (Breslau). — Verw. Fr. Staatsrath, Profes von Flor, geb. Protz (Breslau). — Hr. Maje⸗ a. D. Hermann Gentzen (Königsberg i. Pr.). 5 Fr. Adele Gräfin von Schmettow, geb. 82 Üfedom (Berlin). — Hr. Geheimer Regierung⸗ Rath Wilhelm von i.. (Berlin). — Kammerherr, Rittmeister z. D. Theodor Fre 5 von Rochow auf Strauch und Merzdorf. vche⸗ Anna von Eschwege, geb. von Roemer (Metne sachsen). — Fr. Gräfin Hedwig Strachwitz, ge. Graͤfin Matuschka (Breslau).
—
Verantwortlicher Redakteur: S iemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin⸗
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei 22 8
Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße N Acht Beilagen
einschließlich Börsen⸗Beilage) 0h
Ferentheil und Gruppenbeng
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger
67.
Er st und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. 1895.
Berlin, Montag, den 18. März
No.
Ee“ Deutscher Reichstag.
62. Sitzung vom Sonnabend, 16. März.
Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits vorgestern be⸗
richtet worden.
Die Berathung des Post⸗Etats wird bei den außer⸗ ordentlichen Ausgaben fortgesetzt.
Die am Sonnabend schon kurz erwähnte Antwort des Staatssekretärs des Reichs⸗Postamts Dr. von Stephan auf die Ausführungen des Abg. Grafen Schlieffen⸗Schlieffen⸗ berg (d. kons.), der eine Berücksichtigung der heimischen Arbeiter bei den Postbauten empfahl, hatte folgenden Wortlaut: 1
Ich freue mich, aussprechen zu können, daß die Anregungen, die der geehrte Herr Vorredner hier gegeben hat, sich vollkommen decken mit den eigenen Wünschen der Verwaltung. Die Postverwaltung st überall davon ausgegangen, möglichst das lokale Handwerk bei ihren Bauten zu begünstigen. Es sind nach der Richtung hin verschiedene Vorschriften erlassen worden, und wir haben von vielen Seiten an⸗ ekkennende Zuschriften und Dankesbezeugungen empfangen für diese Bestrebungen, welche die nützlichsten Früchte ergeben haben nicht allein für den Wohlstand und den augenblicklichen Verdienst der Handwerker, sondern auch für ihre Ausbildung, Gewöhnung an bessere, feinere Arbeit, Anschaffung von besserem Handwerkszeug und besseren Gehilfen. Ich kann also nur bestätigen, daß es uns sehr freuen wird, auch bei dem Bau in Güstrow auf diese Verhältnisse Rücksicht zu nehmen, und daß da nichts entgegensteht, der Ober⸗ Postdirektion in Güstrow noch besonders zu empfehlen, diesen Gesichtepunkt zu berücksichtigen. Das stimmt ganz mit unseren An⸗ schauungen überein. (Bravo!)
Die Forderung von 233 300 ℳ (1. Rate) zur Herstellung eines neuen Dienstgebäudes in E beantragt der Abg. Dr. Lingens (Zentr.) an die Budgetkommission zurück⸗ zuverweisen. ndeeferent Abg. Möller (nl.): Die Budgetkommission hat keinen Anstand genommen, die Ferderung zu bewilligen. Inzwischen sind aus Magdeburg verschiedene Petitionen eingegangen, welche um die Ab⸗ jehnung der vorgelegten Baupläne bitten, weil bei derselben ein in kunsthistorischer Beziehung höchst interessanter Bau, das Roch'sche Haus, dem neuen Postgebäude zum Opfer fallen müsse.
Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Zentr.): Von fach⸗ und
kunstverständiger Seite ist mir die Angelegenheit in einer Weise dar⸗ estellt worden, welche die Wünsche der Petenten als berechtigt er⸗ ee läßt. Bei der Durchführung der jetzigen Baupläne müßte ein schönes, alterthümliches Haus niedergerissen werden. Die Kon⸗ servirrung der Denkmäler der Baukunst früherer Jahrhunderte ist eine beille Frage, und häufig geräth das Verkehrsinteresse mit dem Wunsche, diese Denkmäler zu erhalten, in Widerspruch. Im vor⸗ liegenden Fall ist aber jedenfalls eine erneute Prüfung angezeigt; ich werde deshalb für den Antrag Lingens stimmen.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts Dr. von Stephan
Meine Herren! Die Angelegenheit ist, nachdem der Antrag des Hem Abg. Dr. Lingens gestellt ist, lediglich eine Sache des Geschäfts⸗ gang des Hauses, in den wir uns grundsätzlich nicht mischen. Was ich sagen will, soll auch nur zur Abkürzung der Diskussion dienen. Das ist nämlich das, daß von unserer Seite kein Bedenken dagegen besteht, diese Angelegenheit in die Budgetkommission zurückzuverweisen, und daß wir dort bereit sind, in eine volle Diskussion und meritorische Erwägung aller der Gründe für und wider einzutreten, damit wir dann dem hohen Hause einen nach jeder Seite geprüften Vorschlag zu unterbreiten im stande sind.
Abg. Klees (Soz.): Wir bestreiten die Nothwendigkeit des Neu⸗ baues nicht, aber das Haus, das niedergerissen werden soll, hat einen hohen künstlerischen und historischen Werth. Auch wir haben Sinn für Kunst und önheit und theilen durchaus nicht den Standpunkt des Abg. Schmidt⸗Warburg, der einen Kasernenstil in die Postbauten einführen will. Allerdings darf der Kunst⸗ und Schönheitssinn nicht befriedgt werden auf Kosten der Beamten und des Verkehrs. Wir werden für die Zurückverweisung an die Kommission stimmen, weil wir hoffen, daß das alte historische Haus doch noch erhalten bleiben könne. Ich bin überzeugt, daß sich andere Grundstückskomplexe finden sacsen die für den Verkehr noch günstiger liegen, als das in Rede
ehende.
Abg. Schmidt⸗Sachsen (Soz.): Ich für meine Person bin gegen die Rückverweisung an die Kommission. Ein neues Postgebäude ist in Magdeburg so dringend nöthig, daß auf keinen Fall eine Ver⸗ zögerung eintreten darf.
Die Position wird darauf an die Budgetkommission zuruͤckverwiesen.
Bei dem Titel: zur Herstellung eines Dienstgebäudes in Oels, bemängelt Abg. Schmidt⸗Warburg abermals die Höhe der 8 Steinmetzarbeiten veranschlagten Summe.
Der Titel wird bewilligt.
Der Antrag der Kommission: die erste Rate für die Her⸗ stellung eines neuen Dienstgebäudes in Schwiebus in Höhe von 62 000 ℳ zu streichen, weil das Bedürfniß für ein neues
äude nicht dringend sei, wird angenommen.
Zur Erwerbung eines Bauplatzes für die Ferfelung eines neuen Dienstgebäudes in Metz wird als erste Rate die Summe von 310 800 ℳ verlangt.
„Die Kommission beantragt, die Position zu hecen weil ö Summe für den Bauplatz zu hoch sei und sich gegen die
ahl gerade dieses Platzes ein Sturm von Petitionen er⸗ — habe.
Bevollmächtigter zum Bundesrath, Direktor im Reichspostamt, Wirtlicher Geheimer Rath Dr. Fischer: Alle Plätze, auf die in 8 Budgetkommission verwiesen wurde, haben sich als ungeeignet 8 Püsgestellt Es war be banan kein Bauplatz unter 1 ½ bis *† illonen Mark zu erhalten. er ganze Widerstand kommt bloß
er, daß die Deutschen in Metz das ihnen lieb gewordene Kasino . ania nicht missen wollen. a. Ubg. Dr. Lieber (Zentr.): Ich bedauere, daß nach den ein⸗ verwaden Erörterungen in der Budgetkommission die Reichs⸗Post⸗ netwaltung hier nochmals den Versuch macht, die Forderung zu 8 n. Die Gründe, welche der Direktor Dr. Fischer dafür an ecahrt dort 8 sämmtlich auch in der Budgetkommission vorgebracht und verwalt nicht durchschlagend bezeichnet worden. Die Reichs⸗Post⸗ iür H ung sollte national genug gesinnt sein, den Deutschen in Metz
IHeim zu erhalten; wir ker im Reichstag werden diesen
der Ausführung
“ Gesichtspunkt nicht vernachlässigen und gegen die Forderung immen.
Der Antrag der Budgetkommission wird darauf an⸗ genommen.
Bei dem Einnahme⸗Kapitel hat die Budgetkommission den Antrag gestellt: Die Einnahmen aus Porto⸗ und Tele g. um 1 830 000 ℳ höher anzusetzen.
eferent Abg. Möller(nl.): Nach dem Durchschnitt der Einnahmen der letzten drei Jahre rechtfertigte sich eine Erhöhung des Voranschlags der Einnahmen um etwa 1 ½ Millionen Mark. Der Budgetkommission lagen aber auch die Einnahmezahlen aus den letzten Monaten, inkl. Januar d. J., vor, und diese sind so, daß eine weitergehende Er⸗ höhung angezeigt war, und zwar um 1 830 000 ℳ In der Budget⸗ kommission wurde von einer Seite gewünscht, die Summe noch höher zu greifen, aber die Mehrheit der Kommission war der Ansicht, bcß eine möglichst vorsichtige Schätzung geboten sei, und man einigte si auf die Summe von 1 830 000 ℳ
Der Antrag der Kommission wird angenommen.
Die Kommission beantragt ferner eine Resolution dahin,
daß in Zukunft bei der Aufstellung der Einnahmen die Einnahmen aus dem Fern⸗ sprechverkehr im Etat getrennt aufgeführt werden.
Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.) beantragt:
den Reichskanzler zu ersuchen, jährlich bei Aufstellung des Etats in den Erläuterungen zu Titel 1 der Einnahmen des Reichs⸗Post⸗ Etats nachzuweisen, wie sich in der vorhergehenden Zeit die Ein⸗ nahmen 1) aus Porto, 2) aus Telegraphengebühren, 3) aus Telephongebühren gestellt haben.
Referent 88 Möller: In der Budgetkommission hat die Reichs⸗Postverwaltung erklärt, daß es unmöglich sei, im Etat eine ge⸗ naue Trennung der Einnahmen aus den Haupteinnahmegquellen durch⸗ zuführen. Bezüglich der Einnahmen aus Porto und Telegraphen⸗ gebühren hat die Budgetkommission in ihrer Mehrheit dieser Ansicht zugestimmt; indessen hielt sie es wohl für möglich, die Einnahmen aus dem Fernsprechverkehr getrennt aufzuführen, und dementsprechend hat sie die vorliegende Resolution beantragt.
Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.): Die Ausführungen der Vertreter des Reichs⸗Postamts in der Budgetkommission sind für mich nicht überzeugend gewesen. Ich halte es für dringend geboten, daß die Hauptposten der Einnahmen getrennt aufgeführt werden —
wenn nicht im Etat selbst, so doch in einer Erläuterung zu demselben.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts Dr. von Stephan: Meine Herren! Nur zu einer kurzen Erklärung! Ich glaube, es wird keinen besonderen Bedenken unterliegen, wenn der Herr Ab⸗ geordnete nicht auf genaue Zahlen Werth legt; die können wir ihm nicht geben, weil die Telegramme zum theil mit Freimarken frankiert werden. Aber approximative Zahlen, die sich der Wirklichkeit nähern, können wir angeben. 3 Abz. Dr. Hammacher (nl.): Der Antrag der Kommission geht auf eine Trennung der Einnahmeposten im Etat selbst, während der Antrag Müller nur eine Kelche Trennung in der Erläuterung zum Etat verlangt. Nach dieser Klarstellung und nach der Erklärung des Staatssekretärs mache ich daher den Vorschlag, von dem Antrag der Budgetkommission Abstand zu nehmen und uns auf den Antrag Müller zu vereinigen.
Der Antrag Müller wird darauf angenommen, wodurch der Antrag der Budgetkommission erledigt ist.
Dem Antrage der Budgetkommission: statt der im Etat eingestellten Summe von 681 210 ℳ als Erlös für verkaufte Grundstücke u. s. w. die Summe von 680 734 ℳ zu setzen, stimmt das Haus ohne Debatte zu.
Damit ist der Etat der Post⸗ und Telegraphenverwaltung bis auf die an die Budgetkommission zurückzuverweisenden Tite erledigt.
Inzwischen ist folgender, von Mitgliedern aller Fraktionen unterzeichneter schleuniger Antrag eingegangen:
1) den Abg. Spahn zu ermächtigen, in Verhinderung des Prüdengen von Levetzow den letzteren in der Führung des Präsidiums ür die Zeit der Behinderung der Herren Vize⸗Präsidenten Freiherrn von Buol⸗Berenberg und Dr. Bürklin zu vertreten; 2) an den Abg. Spahn die Bitte um Annahme dieser Vertretung zu richten.
räsident von Levetzow bemerkt, der Antrag könne, da er nicht aeschoktsordmngegemäß sei, nur zur Abstimmung gebracht werden, wenn niemand im Hause widerspreche.
Der Antrag wird einstimmig angenommen.
Präsident von Levetzow dankt dem Hause für die Erleichterung seiner Geschäftsführung und richtet an den Abg. Spahn die Anfrage, ob er das ihm übertragene Amt annehme.
Abg. Spahn (Zentr.) erklärt sich dazu bereit.
Das Haus geht sodann zur Berathung des Etats der
Reichsdruckerei über. kritisiert die Behandlung der
Abg. Herbert (Soz.) 1 u Arbeiter in der Reichedruckerei. Die Arbeiter seien überlastet, während zahlreiche Aufseher fast ohne jede vean seien. Auch die Entlassungen von Arbeitern geben zu zahlreichen Beschwerden Anlaß. Ein Arbeiter, der schon zwanzig Jahre in der Reichs⸗ druckerei thätig war, sei trotzdem entlassen worden. Wie schwer müßte es einem solchen Manne werden, neue Arbeit zu finden; denn man sei nur zu leicht geneigt, wenn jemand nach zwanzig Jahren aus seiner Arbeit in der Reichsdruckerei entlassen werde, zu glauben, es müßte etwas sehr Schlimmes vorgefallen sein. Auch beeh die Be⸗ stimmung, nur unverschuldete, gesunde Arbeiter in der Reichsdruckerei zu beschäftigen. Die Beschäftigung der Setzer führe aber häufig zu Lungenkrankheiten und der krank gewordene Arbeiter würde dann gemäß der Arbeitsordnung entlassen. . 1
Bevollmächtigter zum Bundesrath, Direktor im Reichs⸗Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fischer: In der Kommission ist von sozialdemokratischer Seite mit keinem Worte darauf hingewiesen worden, daß von seiten des Arbeiterpersonals der Reichsdruckerei über Uebel⸗ stände geklagt werde. Ich bin darum nicht darauf gefaßt gewesen, daß hier einzelne Beschwerden heute zur Sprache gebracht werden würden, und ich kann deshalb auch nicht auf die einzelnen Fälle eingehen. Die Beamten der Reichsdruckerei muß ich aber auf das nachdrücklichste
egen die heute erhobenen Beschwerden in Schutz nehmen.
ie Reichsdruckerei ist eine gewerbliche Musteranstalt. Der Vorredner, der die Räume in der Reichsdruckerei mit Kasernen und Gefängnissen verglichen hat, if dgviß „noch niemals in diesen Räumen gewesen. Von unerträglichen Mißständen kann man auf keinen Fall reden. Ich konstatiere ferner, dcß in unserem Per⸗ sonal von 1800 Arbeitern und Arbeiterinnen Entlassungen außerordent⸗ lich selten vorkommen und daß die Arbeitsordnung erlassen ist nach Anhörung des Arbeiterausschusses. Es giebt keine Druckerei in Deutsch⸗ land, in der die Arbeiter so lange hintereinander Peschaftigt sind, wie in der Reichsdruckerei. Ich hoffe, daß die Rede des Abg. Herbert ihren Zweck, Unzufriedenheit unter den Arbeitern der Rei sdruckerei zu erregen, nicht erreichen wird.
Abg. Herbert (Soz.) weist darauf hin, daß infolge der Erfahrung mit dem Beschwerdewege die Arbeiter mit ihren Klagen sich nicht direkt an die Verwaltung wenden.
Der Etat der Reichsdruckerei wird genehmigt.
Es folgt demnächst die Berathung des Etats für das
Auswärtige Amt. Abg. Dr. Hasse (nl.): Die Veröffentlichung eines Aktenstücks
über die Zustände in Venezuela im italienischen Grünbuche hat bekanntlich zu einem Konflikt zwischen Frankreich und Belgien einer⸗ seits und Venezuela andererseits geführt. Da für uns große wirth⸗ schaftliche Interessen in Venezuela auf dem Spiele stehen, wäre es er⸗ wünscht, wenn wir hier Mittheilung darüber bekämen, ob und in welchem Maße der Vertreter des Deutschen Reichs in jenen Konflikt mit hineingezogen worden ist.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr von Marschall:
Die Sachlage, auf die sich die Anfrage des Herrn Vorredners bezieht, ist folgende. Im Frühjahr 1893 sind die Vertreter von Deutschland, Spanien, Frankreich und Belgien in Caracas zusammen⸗ getreten, um sich darüber schlüssig zu machen, auf welchem Wege am wirksamsten die Reklamationen verschiedener europäischer Staaten aus Anlaß des vorhergegangenen Bürgerkrieges in Venezuela zur Geltung gebracht werden könnten. Es war das ein Schritt, den die vier Vertreter aus eigenster Initiative unternahmen, und sie legten in einem Protokoll vom 8. April 1893 ihre Ansichten nieder, die dahin gingen, daß im Wege der einzelnen Reklamationen ein Ergebniß nicht zu erreichen sei, daß es wünschenswerth sei, daß die vier Staaten gemeinsam bei der Regierung von Venezuela vorstellig würden.
Dieses Dokument, das lediglich zur Information der betreffenden einheimischen Regierungen bestimmt war, übt eine sehr scharfe Kritik an dem Verhalten der venezuelischen Regierung und ist in Ausdrücken abgefaßt, die selbstverständlich nicht gebraucht worden wären, wenn es sich um ein für die Oeffentlichkeit bestimmtes Aktenstück gehandelt hätte. Von diesem Aktenstück ist auch dem dortigen italienischen Ver⸗ treter Kenntniß gegeben worden, und offenbar durch ein Versehen ist dieses von den vier Vertretern unterschriebene Aktenstück in das vor einigen Wochen veröffentlichte italienische Grünbuch gelangt. Die Kenntniß von dem Inhalt dieses Schriftstücks hat nun bei der Be⸗ völkerung von Venezuela eine sehr große Erregung hervorgerufen, und nach den telegraphischen Mittheilungen, die ich habe, glaubte die dortige Regierung kein anderes Mittel zu haben, um die dortige Erregung zu besänftigen, als dem französischen und belgischen Ver⸗ treter, die dort noch anwesend sind und diese Schriftstücke unter⸗ schrieben hatten, ihre Pässe zu ertheilen. Das hat die französische Regierung inzwischen damit erwidert, daß sie dem Vertreter von Venezuela in Paris seine Pässe zugestellt hat.
Das ist das, was ich von dem ganzen Sachverhalt aus Mit⸗ theilungen unseres Vertreters in Caracas weiß.
Wenn in der Presse davon die Rede war, daß die Abreise unseres früheren Minister⸗Residenten in Caracas mit diesen Vor⸗ gängen in Beziehung stehe, so ist das nicht zutreffend. Der frühere Minister⸗Resident Graf Kleist hat schon im Mai des vorigen Jahres Caracas im Urlaub verlassen, also viele Monate vor der Veröffentlichung des Grünbuchs. Seitdem ist ein Geschäftsträger in Caracas geblieben und in keiner Weise behelligt worden. Ich habe bisher keinen Grund anzunehmen, daß die deutsche Regierung irgend⸗ wie einen Anlaß zum Eingreifen finden werde.
Ich hoffe, daß ich damit die Anfrage des Herrn Vorredners in genügender Weise beantwortet habe.
Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.): Ich möchte den Staats⸗ sekretär fragen, welche Schritte das Auswärtige Amt gethan hat, um den deutschen Gläubigern Griechenlands zu ihrem Recht zu ver⸗ helfen. Ich selbst besitze keine auswärtigen Werthpapiere, ich habe aber zahlreiche Zuschriften aus meinem Wahlkreise erhalten, daß die deutschen Gläubiger über alles Maß von Griechenland aus⸗ gebeutet worden. Den erregten Ton des Schreibens des Schutzcomités für die deutschen Gläubiger Griechenlands an das Auswärtige Amt will ich nicht billigen, es ist aber doch viel Wahres darin. Es wird wohl wahr sein, daß Griechenland seine inländischen Gläubiger voll befriedigt, die ausländischen aber um 70 % herunter⸗ drückt. Viele arme Leute, auch Wittwen, haben ihr Geld in riechischen Papieren des höheren Zinsfußes wegen angelegt. Die Prospekte an der Börse versprechen leider viel Schönes, ohne daß es gehalten wird.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister Freiherr von Marschall:
Ich will sehr gern die Frage des Herrn Vorredners: welche Maß⸗ nahmen das Auswärtige Amt zum Schutze der nothleidenden Gläu⸗ biger des griechischen Staats unternommen hat, sofort beantworten. Es ist ja leider nicht der erste Fall, ich fürchte, es wird auch nicht der letzte sein; denn nicht alle sind so vorsichtig, wie der geehrte Herr Vorredner (Heiterkeit), nicht alles zu glauben, was in dem gedruckten Prospektus bei der Ausgabe von neuen Anleihen steht. Das Aus⸗ wärtige Amt ist auch in dieser Frage von dem Grundsatz ausgegangen, daß, wenn Deutsche im erheblichen Umfang ihr Geld in fremden Staatsfonds anlegen und diese letzteren nothleiden, es dann in erster Reihe Sache der Gläubiger selbst ist, ihre Interessen wahr⸗ zunehmen, Comités zu bilden, eventuell mit den Comités anderer Staaten sich zu verbinden und mit dem schuldenden Staat eine billige Verständigung anzubahnen, und daß die Aufgabeder diesseitigen Regierung vornehmlich darin liegt, diesen Interessen in wirksamer Weise den⸗ jenigen Schutz und diejenige Unterstützung angedeihen zu lassen, auf welche jeder Deutsche Anspruch hat, der im Auslande Recht sucht. Welche diplomatischen Mittel dabei anzuwenden sind, wie weit man in der Pression auf den anderen Staat gehen will, hängt wesentlich von der Natur des einzelnen Falles ab, und ich kann mir denken, daß die Aktion dann eine etwas schärfere Gestalt gewinnen muß, wenn der Rechtsbruch ein besonders schwerer war und in besonders flagranter Weise die Grundsätze von Recht und Billigkeit und von Treu und Glauben verletzt worden sind. Aufsder anderen Seite kann ich aber nicht anerkennen, daß derjenige, welcher sein Geld in ausländischen Staats⸗ fonds angelegt hat, weil er das Vertrauen hegt, daß der auswärtige Staat
ihm einen höheren Zins 1he. leisten könne, als der inländische das zu