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Theater und Musik. Residenz⸗Theater.
Dem Fevyvdeau 'schen k „Fernand's Ehekontrakt“ wurde bei der gestrigen hundertsten Aufführung eine von Benno Jacobson, dem Uebersetzer und Bearbeiter des Schwanks verfaßte Prolog⸗Soloscene vorangeschickt, die den Titel führt „Ein Pariser Kind“. Mit dem Jubiläumsschwank steht dieser Prolog nur in losem Zusammenhang. Das „Pariser Kind“, das Fräulein Brock in einem leichten Phantasiekostüm anmuthig darstellte, soll die Pariser Lustigkeit in ihrem pikanten Ueber⸗ muth, in ihrer Gutherzigkeit und Leichtlebigkeit verkörpern und bietet, indem es sich selbst schildert, eine treffende Charakter⸗ diagnose der großen Zahl der französischen Schwänke in ihrer Ge⸗ sammtheit und des Feydeau'schen Schwanks im besonderen dar. In einem Korbe führte das Pariser Kind die großen Erfolge des Hauses, unter denen der letzte auch der andauerndste und bedeutendste ist, bei sich. Alles das wurde dem Publikum durch launige, mit französischen Brocken untermischte Redewendungen unterhaltend klargemacht und erläutert, sodaß die Soloscene eine sehr beifällige Aufnahme fand. — Die dann folgende hundertste Aufführung von „Fernand’'s Ehe⸗ kontrakt“ ging mit Frische und Lustigkeit von statten; die Darsteller fanden die gewohnte lebhafte Anerkennung, die diesmal auch in Fo zahlreicher kostbarer Blumenspenden Ausdruck gewann.
Konzerte. “
Der Philharmonische Chor gab am Montag unter der Leitung des Herrn Siegfried Ochs in der Garnison⸗Kirche sein drittes Vereins⸗Konzert in dieser Saison. Nachdem er in den beiden ersten (in der Philharmonie) vorzügliche Aufführungen des Berlioz'schen imposanten „Requiem“ dargeboten, hatte er für das dritte eine nicht minder gewaltige Aufgabe gewählt, nämlich die hohe Messe in H-moll von Johann Sebastian Bach. Im Gegensatz zu der Sing⸗Akademie, die Bach'’s Oratorien im strengen, alterthümlichen Stil aufführt, war Herr Ochs bestrebt, das Werk dem modernen Empfinden näber zu bringen, indem er pathetische und sentimentale Nuancen im Vortrag anwandte und große Mannigfaltig⸗ keit im Tempo und der Dynamik walten ließ. Dadurch wurde frei⸗ lich, weil der fugierte Chorgesang nun einmal vor allem Festigkeit ver⸗ langt, gleich der erste Cborsatz, das Kyrie eleison, zum theil unklar. Sehr wirkungsvoll erschien dagegen in dieser, den Stimmungsgehalt durch kontrastierende dynamische Behandlung dem Hörer verständlicher machenden Auffassung das jubelnde Gloria, das der Dirigent bei dem folgenden in terra pax zum sanftesten pianissimo abschwellen ließ. Ebenso erklang im zweiten Theil das Et incarnatus est in dieser zarten Schattierung in ganz eigenartiger, eindrucks⸗ voller Weise. Besonders effekwoll war der Gegensatz der die tiefste Betrübniß über die Leiden und den Tod des Heilands athmenden Worte passus et sepultus in dem Crucifixus-⸗Satze, die, in düsterem decrescendo gesungen, plötzlich durch das laut frohlockende, in rascherem Tempo einsetzende Et resurrexit abgelöst wurden, um so den festen Glauben an die Auferstehung auch durch Festigkeit in der Rhythmik zu kennzeichnen. Zwar gelang keineswegs alles gleich gut, vielmehr mußte der Dirigent bei dem Sanctus im Anfang des dritten Theils wegen einer zu bedenklichen Schwankung, in die der ganze Musikkörper gerieth, abklopfen und von vorn beginnen lassen, aber im Ganzen ebüͤhrt dem jungen Verein wie seinem Dirigenten dennoch, zumal in Anbetracht der Riesenaufgabe, die er sich gestellt hatte, volles Lob. Leider standen den Leistungen des Chors die der Solisten nicht in allen Theilen gleich: die Sopranistin Fräulein Emma Plüddemann war der schwierigen Aufgabe nicht gewachsen; die Altistin Fräulein Anna Stephan hatte bei der Ausführung der Duette wohl mit unter der Unzulänglichkeit ihrer Partnerin zu leiden, denn in ihren Arien bewährte sie sich besser, obgleich ihr auch da in einem Fall das Gedächtniß ausging. Die Herren Dierich (Tenor) und Sistermans (Baß) waren dagegen recht lobenswerth. Den instrumentalen Theil führte das Pbil⸗ harmonische Orchester aus, und die Instrumentalsoli waren den Herren
Im Köhniglichen Opernhause wird morgen Lortzing's „Zar und Zimmermann“ mit Herrn Bulß als Peter der F. geben. Iübeßt⸗ zum In die Mrerie i übrigen een sind wie fo setzt: er now: Lieban, van Bett: t-2 Krolop, Chateauneuf: Herr Philipp, Syvndham: Mödlinger, Lefort: Herr Krasa, Wittwe Brown: Frau mmert. Musik⸗Direktor Wegener dirigiert.
Im Königlichen Schauspielbhause gelangt morgen Pailleron’'s Lustspiel „Die Welt, in der man sich langweilt“ zur Aufführung.
räulein von Mayburg spielt zum ersten Mal die Suzanne, Herr
urschian den Roger. — In Gogol's Lustspiel. isor“, welches am
onnabend zum ersten Mal in einer neuen Uebersetzung von Elsa von Schabelsky in Scene geht, sind die Hauptrollen den 8 en Klein und Vollmer übertragen. Außerdem treten darin die Damen Schramm, Abich, Stollberg, Plan und die Herren Blencke, Ober⸗ länder, Keßler, Hartmann, Heine, Plaschke auf. „Der Revisor“ wurde zum ersten Mal im Jahre 1836 am St. Petersburger Hoftheater ge⸗ und hat sich bis heute daselbst ununterbrochen im Repertoire erhalten.
Friedrich Haase eröffnet am Donnerstag sein nur vier Abende umfassendes Gastspiel im erliner Theater mit dem Grafen Thorane in Karl Gutzkow's Lustspiel „Der Königslieutenant“ und dem Cbevalier von Rocheferrier in der einaktigen Bluette „Eine Partie Piquet“. Die Rolle des Wolfgang Goethe im „Königs⸗ kieutenant“ wird auch auf dieser Bühne von Jenny Groß dargestellt
werden.
Im Adolph Ernst⸗Theater findet am Sonntag, den 5. Mai, Nachmittags 3 Uhr, zum Besten der Nothleidenden in Laibach eine Wohlthätigkeits⸗Vorstellung statt, bei welcher „Charley’s Tante“ zur einmaligen Aufführung gelangt; Billetbestellungen dazu werden bereits von heute ab an der Kasse entgegengenommen.
Im Verlage von Georg Plothow hierselbst erschienen soeben drei Lieder für eine Singstimme von Woldemar Sacks, welche Musikfreunden willkommen sein dürften. Den Titeln „Waldnacht“, „Des klaren Himmels Sterngefunkel“ und „Abendständchen“ ent⸗ sprechend, weht durch die melodiös gehaltenen, harmonisch interessanten und leicht ausführbaren Gesänge ein Hauch reiner Poesie, der von den vielen, dem Weltschmerz und Liebesleid geweihten Liedern er⸗ freulich abweicht. Die glänzende Ausstattung wie der mäßige Preis der Lieder (f1 ℳ bis 1 ℳ 20 ₰) werden ihrer Verbreitung
förderlich sein.
Mannigfaltiges. In den letzten Tagen hat unsere Vegetation, begünstigt durch
einen warmen Regen, ungemein große Fortschritte gemacht. Während
vor wenigen Tagen die Parkanlage des Botanischen Gartens noch keine Spur des kommenden Frühlings erkennen ließ, prangt nun schon ein großer Theil der hier vertretenen Bäume in zartem Grün, und viele haben schon ihre Blüthen entfaltet oder rüsten sich wenig⸗ stens zum Blühen. Früher als die Bäume sind aber schon die Stauden und Kräuter aus dem Winterschlaf erwacht, und so finden wir denn auch eine große Zahl jener lieblichen Frühlingsblüher in schönster Entwicke⸗ lung, welche uns Jahr für Jahr in gleicher Weise durch ihre schönen Formen und Farben und auch besonders deshalb erfreuen, weil sie Erstlinge der Flora sind und schon über den Boden treten, während sonst noch alles braun und dürr erscheint. Besonders eine Abtheilung des Botanischen Gartens, das „Monokotylenstück“ in der Nähe der Chamissolaube ist überreich an solchen Frühlingsblühern. Wir finden hier Narcissen und Hyvacinthen in allen möglichen Formen, die prächtigen „Schachbretthlumen“ (Fritillaria), unter diesen auch die „Kaiserkrone“ (Fritillaria imperialis), Tulpen in zahlreichen Arten, von den größten bis zu den kleinsten Formen, gelb oder roth blühend; ganze Beete sind förmlich übersät mit den weißen, bläulichen oder tief dunkelblauen, reizenden Träubchen der Muskari⸗Arten oder anderer
geben sollen, zeigen schon sehr zahlreiche blühende Arten. Meist sind
dieselben durch den charakteristischen Wuchs der Gebirgspflanzen aus⸗
gelkichnet, indem sie dichte Rasen mit kleinen oder winzigen Blättern
1 Die Blüthen stehen auf nur sehr kurzen Stielen, treten aber in solchen Mengen hervor und besitzen meist eine so * 1 daß der Stock dann eine förmliche Blüthenhalbkugel bildet. In dieser Weise treffen wir auf der Alpenanlage jetzt blühende schöne Primeln, mehrere Steinbrecharten (Saxifraga), gelbe oder weiße „Hungerblümchen“ (Draba) u. a. m. Einen beson⸗ deren Schmuck bilden jetzt gerade die zahlreichen dichten und großen Büsche der Haide (Erica carnea), welche vollständig durch ihre unzähligen, zierli rosafarbenen Blüthchen bedeckt sind und so den Felsen, an die sich mit Vorliebe een, eine von der Ferne gesehen schwachrothe arbe verleihen. er Nähe des „Alpinums“ ist eine kleine Terrasse aufgerichtet worden, auf welcher immer die schönsten der gerade blühenden Alpenpflanzen Auf⸗ stellung finden und so dem Publikum bequem zugänglich sind. — Aber nicht nur das Freiland zeigt sich jetzt in dem vollen Glanz des Früh⸗ lings, auch die Häuser des Gartens haben ihren vollsten Flor entwickelt. Das Kamelienhaus, welches jeden Montag und Donnerstag von 4 ½ bis 7 Uhr geöffnet ist, rist Ehr wunderbare Blüthenpracht, die Orchideen haben zum großen Theil ihre auffallenden Blüthen entfaltet und lassen sich am Orchideenhaus bequem überblicken, das Palmen⸗ haus endlich wirkt nicht durch Schönheit oder Farbenpracht von Blüthen, sondern durch die Größe und die majestätischen Formen der dunkelgrünen Blätter, ihre elegante Fiederung und Zusammenstellung an den ungetheilten, säulenartigen Stämmen.
Auf das von dem „Verein deutscher Gartenkünstler⸗ hierselbst erlassene Preisausschreiben zur Erlangung von Ent⸗ würfen für die gärtnerische Umgestaltung des Königs⸗ platzes in Beziehung zu dem neuen Reichstagsgebäude sind 14 Arbeiten eingereicht worden. Der erste Preis konnte nicht zur Vertheilung gelangen; den zweiten hat der Entwurf Nr. 3 mit dem Motto „Deutsche Gartenkunst“, Verfasser Stadt⸗Obergärtner Weiß, Berlin, Bremerstraße 66, erhalten. Die Pläne sollen dem⸗ nächst in Berlin ausgestellt werden, während die Veröffentlichung derselben in dem Vereinsorgan, der „Zeitschrift für Gartenbau und Gartenkunst“, stattfindet.
In der Urania wird, wie bereits gemeldet, morgen Abend Herr Dr. R. Neuhauß seine Photographien in natürlichen Farben und verschiedene andere wissenschaftliche Aufnahmen vorführen.
Kreisau. Seine Majestät der Kaiser und König ließ heute, als am Todestage des General⸗Feldmarschalls Grafen von Moltke, durch den Flügel⸗Adjutanten, Oberst⸗Lieutenant von Moltke in dem hiesigen Mausoleum einen Kranz niederlegen.
Göttingen. Dem Dichter Gottfried August Bürger, welcher auf dem hiesigen Kirchhofe begraben liegt. soll in diesem Jahre in der Nähe des Kirchhofes ein schlichtes Denkmal gesetzt werden.
Wien, 23. April. Nach Meldungen hiesiger Blätter aus Laibach wurden heute früh dort zwei neue heftige Erd⸗ erschütterungen verspürt.
Wien, 23. April. Die „Politische Korrespondenz“ erfährt von berufener Seite, daß die Meldung der Zeitungen, nach welchen die Explosion in der ärarischen Pulverfabrik zu Blumau (vergl. Nr. 96 d. Bl. unter Leobersdorf) bei der Fabrikation von Kriegspulver stattgefunden habe, vollkommen unzutreffend ist. Die Explosion wurde vielmehr durch ein versuchsweise hergestelltes Prä⸗ parat für Exerzier⸗ und Manöverzwecke hervorgerufen.
Stationen.
Konzertmeister Witek (Violine), Quensel (Flöte), Grimmig (Oboe d'amore) und Meffert (Horn) anvertraut; Orchester wie Solisten waren präzis bei der Sache, auch die fast das ganze Werk begleitende Orgelmusik war in den Händen des Herrn Dr. Reimann vortrefflich aufgehoben. Die Aufführung war zahlreich besucht und hat hoffentlich dem Baufonds der Kaiser Wilhelm⸗Gedächtnißkirche, zu dessen Bestem sie bestimmt
war, einen ansehnlichen Beitrag geliefert.
Der Lieder⸗Abend des Baritonisten Ernst Otto Nodnagel, welcher gestern im Saal Bechstein zum Besten der Unterstützungs⸗
kasse des Vereins der Musiklehrer und ⸗Lehrerinnen
guten Zuspruch. Das Programm enthielt viel Neues, und zwar
Kompositionen von R. Strauß, M. Schillings, M.
Arnold Mendelssohn, Hugo Wolf, F. Weingartner, odnagel und anderen. Die im ganzen 25 Lieder trug der Sänger mann durch die Menge seines mit klangvoller, gut geschulter Stimme und mit schwungvoll belebtem zierliche Form Windröschen Ausdruck vor. Ihm sowohl, wie seiner trefflichen Begleiterin, der rosa). — Auch die pflanzengeographischen Anlagen, welche
Frau Henriette Bielenberg, wurde reicher Beifall zu theil. uns ein Bild von den charakteristischsten Pflanzen der Hochgebirge
bekannte
diesen nahestehender Formen, und von ganz besonderer Schönheit er⸗ scheinen endlich die aus dem Mittelmeergebiet stammenden Erythro⸗ nium⸗Arten, welche sowohl ihrer schönen, gefleckten Blattrosetten wegen wie infolge ihrer großen, weißen oder zart rosa gefärbten, nickenden Blätter auffallen. — Aber auch schon im Waldgebiet blüht es überall, denn hier treffen wir Arten, welche meist herdenweise wachsen und, da sie gleich⸗ zeitig aufblühen, zu ihrer Zeit den sonst kahlen Boden prächtig schmücken. Besonders fallen uns auf der Lerchensporn (Coridalis solida) mit seinen zart rosa gefärbten Blüthen, das Lungenkraut (Pulmonaria stattfand, hatte officinalis und angustifolia), welches durch seine erst roth, dann später blau gefärbten Blüthen merkwürdig ist, ferner der „Aronstab“ Marschalk, E. (Arum maculatum) mit seinen charakteristischen pfeilförmigen Blättern und den auffallenden Blüthenständen, und endlich das jeder⸗
Auftretens und die schöne (Anemone nemo-
Nach Schluß der Redaktion eingegangene
8
Depeschen.
Tokio, 23. April. (W. T. B.) Heute haben die Ver⸗ treter von Rußland, Deutschland und Frankreich in Tokio die Vorstellungen dieser Mächte gegen den
Friedensartikel, welcher die Einverleibung festländischen chinesischen Besitzes in das japanische Reich stipuliert, zum Ausdruck gebracht. Die Erklärung ward durch den stellver⸗ tretenden japanischen Minister der auswärtigen Angelegen⸗ heiten entgegengenommen. 8
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten
Beilage.)
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Wetterbericht vom 24. April 8 Uhr Morgens.
Temperatur in 0 Celsius 50 C. = 40 R
1. d. Meeressp red. in Millim.
nur schwach auftritt, über West⸗Europa fort. In Deutschland ist das Wetter ruhig, warm, im Nordwesten und Nordosten vielfach heiter, im übrigen vorwiegend trübe; an den meisten Stationen fanden Regenfälle, stellenweise auch Gewitter, statt; Friedrichshafen meldet 24 mm Regen.
Deutsche Seewarte.
Belmullet .. Aberdeen.. Christiansund Kopenhagen. Stockholm aranda . oskau...
Cork, Queens⸗ town.. 3 balb bed. Cherbourg 3 Dunst “ 4 halb bed. 1ö1““ 1 bedeckt Hamburg. Swinemünde Neufahrwasser Memel.. Iö“ Nünster.. Karlsruhe.. Wiesbaden. München .. Chemnitz Berlin.. Breslau..
Ile d'Aix..
Pzza .
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1 wolkenlos
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2
3 Nebel 1 Nebel stil bedeckt
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9
¹) Nachts Regen. ²) Nachts Regen. ³) Abends Regen. ⁴) Gestern Gewitter. ⁵) Gestern Gewitter. 8) Nachts Regen.
Uebersicht der Witterung.
Die Wetterlage bhat sich seit gestern im allge⸗ meinen wenig verändert; am höchsten ist der Luftdruck über Rußland, am niedrigsten auf dem Ozean, westlich von den Britischen Inseln. Dementsprechend dauert
5
die südliche Luftströmung, welche allenthalben
11111.“ Theater⸗Anzeigen. Königliche Schauspiele. Donnerstag: Opern⸗
haus. 103. Vorstellung. Zar und Zimmermann. Komische Oper in 3 Akten von Albert Lortzing. Dirigent: Musikdirektor Wegener. Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus. 109. Vorstellung. Die Welt, in der man sich langweilt. Lustspiel in 3 Aufzügen von Edouard Pailleron, übersetzt von Emerich von Bukovics. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 ½ Uhr. Freitag: Opernhaus. 104. Vorstellung. Oberon. Romantische Oper in 3 Aufzügen. Musik von Carl Maria von Weber. Die Recitative von Franz Wüllner. Ballet von Emil Graeb. Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus. 110. Vorstellung. Der neue Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von Wildenbruch. Anfang 7 ½ Uhr.
Deutsches Theater. Donnerstag: Die Weber. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag (31. Abonnements⸗Vorstellung): Das Lumpengesindel.
Sonnabend: Weh dem, der lügt!
Berliner Theater. Donnerstag: Gastspiel von Fr. Haase. Der Königsleutnant. — Eine Partie Piquet. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag: Der Probepfeil.
Sonnabend: Gastspiel von Fr. Haase. Am Spieltisch des Lebens.
eeae 2 ½ Uhr: Der Herr Senator. — 7 ½ Ubr: Gastspiel von Fr. Haase. Die beiden Klingsberg. — Vorher: Im Vorzimmer Sr. Excellenz.
Lessing-Theater. Donnerstag: Zwei Wappen. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag: Niobe. — Vorher: Die Geueralin.
Sonnabend: Ein Erfolg.
Sonntag: Niobe. — Vorher: Die Generalin.
Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25/26.
Donnerstag: Der Obersteiger. Operette in 3 Akten von L. Held und M. West. Musik von Carl Zeller. Regie: Herr Unger. Dirigent: Herr Kapellmeister Ferron. Ermäßigte Preise der Plätze. Anfang 7 ½ Uhr. 5
Freitag: Der Obersteiger.
Neues Theater. Schiffbauerdamm 42./5
Donnerstag: Ferréol. Sittenbild in 4 Akten von Victorien Sardou. — Vorher: Wiener in Paris. Lebensbild in 1 Akt von Carl von Holtei. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag: Demi⸗Monde. Sittenbild in 5 Akten von Alexandre Dumas. Sonnabend: Zum ersten Male: Die Nervösen. Schwank in 3 ten von Victorien Sardou. — Vorher: Die Massagekur. Luftspiel in 1 Akt von Robert Misch.
Residenz-Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Donnerstag: Fer⸗ nand’s Ehekontrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Fepdeau, in deutscher Be⸗ arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag und folgende Tage: Fernand’s Ehekontrakt. “
Theater Unter den Linden. Bebrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. — Donnerstag: Mit voll⸗ ständig neuer Ausstattung: Rund um Wien. Ballet in 9 Bildern von Franz
ul und A. M. Willner. Musik von Josef — Der choreographische Theil von Josef Haßreiter. Dirigent: Herr Kapellmeister . — b Dorothea. Operette in 1 Akt von Jaques Offen⸗ bach. fang 7 ½ Uhr.
Freitag: Rund um Wien. — Dorothea.
Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard Schultz. — Letzte Woche. Emil Thomas a. G. Donnerstag: Unsere Rentiers. Große Posse mit Gesang und Tanz in 4 Akten von Wilhelm Mannstädt und Julius Freund. Musik von Julius Einödshofer. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag: Benesiz für Kapellmeister Julins Einödshofer. Unsere Rentiers.
Adolph Ernst⸗Theater. Donnerstag: Madame Snzette. Vauderille⸗Posse in 3 Akten von Ordonnenn. Musik von Edmond Audran. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.
Freitag: Dieselbe Vorstellung.
Konzerte.
Konzert-Haus. Donnerstag: Karl Meyder⸗ Konzert. Letzter Gesellschafts⸗Abend. Schluß der 28. Konzert⸗Saison am 28. April.
1114A1A“*“ Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Katharina Hoth mit Hrn. Prem⸗ Lieutenant Georg von Katte (Berlin).
Verehelicht: Hr. Major a. D. Arwed t. von Richthofen mit Frida Freiin Grote (
dorf).
Geboren: Eine Tochter: Hrn. Major don Reuß (Schwedt a. O.) — Hrn. H. von Ehrenberg (Koblenz). 8
Gestorben: Frau Ritterguts Schlarbaum (Groß⸗Lagiewnik O.⸗S.). — Hr. Ober⸗Justit. Rath Edmund Frhr. von Ow (Stuttgart). — Frl. Marie von Larisch (Frankfurt a. O.).
Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.
Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. Druck der Norddeutschen ruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., aße Nr. 32.
.“ Sieben Beilagen einschließlich Börsen⸗Beilage)
8.
74. Sitzung vom Dienstag, 23. April.
Der Sitzung wohnen bei die Staatssekretäre und Staats⸗ Minister Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall sowie der Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky.
Zur zweiten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Zolltarifs, hat die Kom⸗ mission beantragt, die von den Abg. von Salisch (dkons.) und Dr. Hammacher (nl.) vorgeschlagene Resolution in nachstehender Fassung anzunehmen:
Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage schleunigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen in Er⸗ gänzung der Vorschriften des § 6 des Zolltarifgesetzes vom 15. Juli 1879 auch zollfreie Waaren unter der dort vorgesehenen Voraus⸗ setzung mit Zöllen belegt und die Zölle für zollpflichtige Waaren bis auf das Doppelte erhöht werden können.
Die Abgg. Freiherr von Stumm⸗Halberg (Rp.) und Möller (nl.) beantragen, diese Resolution abzulehnen und zu beschließen:
An die Stelle des ersten und zweiten n- des § 6 des durch die Bekanntmachung vom 24. Mai 1885 ffentlichten Zolltarif⸗ gesetzes treten folgende Bestimmungen: 8
ollpflichtige Waaren, welche aus Staaten herstammen, welche deutsche Schiffe oder deutsche Waaren ungünstiger behandeln als diejenigen anderer Staaten, können, soweit nicht Vertragsbestimmungen enkgegenstehen, mit einem Zuschlage bis zu 100 % des Betrags der t äßigen Eingangsabgabe belegt werden. Tarifmäßig zollfreie Waaren können unter der gleichen Voraussetzung der Entrichtung eines Zolls unterwo werden. Die Erhebung eines solchen Zu⸗ schlags beziehungsweise Zolls wird nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths durch Kaiserliche Verordnung angeordnet.
Das Wort erhält der
Abg. Dr. Barth (fr. Vg.); er beantragt, den Antrag der Abgg. Freiherr von Stumm und Möller von der Tagesordnung abzusetzen und an die Geschäftsordnungskommission zu verweisen. 8
Abg. Gamp (Rp.): Der Zolltarif steht mit dem Zolltarifgesetz in engem Zusammenhang; man kann diese beiden Materien nicht trennen. Der Reichstag hat wiederholt eine derartige Praxis be⸗ obachtet. Ich erinnere nur an das Gesetz über den Unterstützungs⸗ wohnsitz, wo verschiedene Materien mit Zustimmung der linken Seite zugleich verhandelt wurden. In allen Fällen, wo ein vollständiger Konnex der Materien vorliegt, ist eine derartige Verbindung zuläfsig. Hier ist sie es unbedingt.
Nachdem sich auch die Abgg. Dr. Hammacher und
von Salisch gegen, Abg. Richter für den Vorschlag des
Abg. Dr. Barth ausgesprochen, wird dieser Vorschlag abgelehnt, und das Haus tritt in die Berathung der vorliegenden An⸗ träge ein.
Abg. Möller (nl.): Sofort nach der ersten Berathung des Antrags der Abgg. Dr. Hammacher und von Salisch wurde angeregt, anstatt der Resolution eine gesetzliche Bestimmung zu beantragen. Dieser Anregung folgend, haben der Abg. Freiherr von Stumm und ich unseren Antrag eingebracht. Nun haben sich aber erhebliche Be⸗ denken gegen diesen Antrag geltend gemacht. Man will vor allem der Regierung die Verantwortung für eine gesetzliche Regelung über⸗ lassen. Wären mir diese Bedenken vorher zu Ohren gekommen, so würde ich den Antrag nicht in dieser Form eingebracht haben. Ich ersuche darum das Haus, sich darauf zu beschränken, die von der Kom⸗ mission beantragte Resolution anzunehmen.
von Salisch (dkons.): Wollte man sich nur auf die Resolution beschränken, so würde das im Auslande g den Anschein erwecken, als wollte man überhaupt von der Sache abstehen. Auch würde ein sehr großer Zeitverlust dadurch hervorgerufen.
Abg. Gamp (Rp.): Wer mit der Resolution einverstanden ist, kann auch für den Antrag m⸗Möller stimmen, denn sie ent⸗ halten materiell dasselbe. Daß der Antrag formell bedenklich sei, kann nicht behauptet werden. Giebt man dem Bundesrath die Voll⸗ macht, die Zölle zu erhöhen, *½ kann man ihm auch die Vollmacht Pben⸗ Zölle auf zollfreie aren zu legen. Wir bringen dem
desrath das Vertrauen entgegen, daß er diese Vollmacht nicht mißbrauchen wird.
Abg. Dr. Hammacher (nl).): Der Bundesrath hat sich zum vee ef Abg. Freil von Stumm noch nicht geäußert. Wenn er im Fall der Annahme dieses Antrags anderer Ansicht wäre als der Reichstag, was würde dann geschehen?
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky:
Meine Herren! Die Vertreter der nationalliberalen Partei haben ihre Stellung gegenüber dem Antrage Stumm⸗Möller wesent⸗ lich geändert. Trotzdem vermag ich die Erklärung namens der ver⸗ bündeten Regierungen abzugeben, daß dieselben keine formellen Be⸗ denken dagegen haben, wenn in die Tarifnovelle eine derartige materielle Bestimmung, wie sie der Antrag Stumm⸗Möller vorsieht, aufgenommen wird. (Hört, hört! rechts.) Dieser Antrag ist zwar in keiner Weise von den verbündeten Regierungen inspiriert; da der⸗ selbe indeß nichts enthält, wie eine Vollmacht für dieselben, so glaube ich die Erklärung namens der verbündeten Regierungen abgeben zu können, daß im Falle der Annahme des Antrages derselbe auch ihre Zustimmung erhalten würde. (Hört, hört! rechts.)
Meine Herren, ich gebe aber diese Erklärung namens der ver⸗ bündeten Regierungen unter zwei Einschränkungen ab: erstens mit der Einschränkung, daß diese meine Erklärung keinerlei Ursache in irgend einem bestehenden aktuellen Verhältniß findet, und zweitens, daß, wenn das hohe Haus den Antrag Stumm⸗Möller annehmen
sollte, selbstverständlich die verbündeten Regierungen die Verpflichtung haben würden, abzuwägen, in welchem Umfange sie von dieser Voll⸗ macht Gebrauch machen können. (Sehr gut! rechts.)
Es ist notorisch, daß diejenigen Gegenstände, die in unserem Zolltarif zollfrei gelassen sind, überwiegend Rohprodukte sind, die frei⸗ gelassen sind vom Zoll im Interefse unserer heimischen Industrie. Die verbündeten Regierungen würden, selbst wenn sie in Zukunft in einen weiteren Zollkrieg verwickelt werden sollten, die Frage sich vorlegen müssen: in wie weit können bisher zollfreie Gegenstände mit Zoll belegt werden ohne schwere Schädigung unserer heimischen Industrie? auf welcher Seite ist der größere Schaden?
es werthvoller, von scharfen Kampfmitteln Gebrauch zu machen, um Handelsverträge durchzusetzen, oder liegt der größere Werth in der Erhaltung der heimischen Industrie in ihrem bisherigen Pro⸗
pprenshege der auf der zollfreien Ei br gewisser Rohprodurte
“
in Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. Berlin, Mittwoch, den 24. April
Ich meine also, mich dahin resümiren zu können: die ver⸗ bündeten Regierungen haben keine Veranlassung, eine Erweiterung ihrer Vollmacht, die ihnen das hohe Haus ertheilen will, abzulehnen, und sie werden im Falle der Annahme einen selbstverständlich vor⸗ sichtigen Gebrauch von dieser Vertrauensvollmacht machen. (Bravo! rechts.)
Abg. Dr. Barth (fr. Bg.): Wenn der Regierung viel daran gelegen ist, erweiterte Vollmacht zu erhalten, so hätte sie im Laufe der Jahre Mittel und e gefunden, sie vom Reichstag zu erhalten. Joükeiegsmahnahmen schädigen meist das eigene Land, denn sie regen nur den Chauvinismus an.
Dr. von Bennigsen (nl.): Die Argumentation des Vorredners wendet sich im Grunde gegen jede Retorsionsmaßregel, und das ist auch sein wirklicher Standpunkt. Er ist gexen die Zu⸗ schläge ebenso wie gegen die Einführung eines Zolls für Artikel, die bislang mit Zöllen belegt worden sind. Nun steht die Sache so: die Regi „ der Reichstag haben einen derartigen 50 prozentigen Zoll für er., 2,er. gehalten. Wenn andere Länder uns ungünstiger behandeln als andere Staaten, dann wünschen wir damit ein Mittel zu gewinnen, um auf die Entschließungen dieser Länder in unserem Sinne einwirken zu können. Nun hat sich herausgestellt, daß gerade bei den Ländern, mit denen man unter Umständen in einen der⸗ artigen Zollkrieg gelangt, die Erhöhung um 50 % von den vorhandenens Zöllen nicht die Wirkung hat, sondern daß in den Fällen eine Erhöhung oder Einführung eines Zolles auf Artikel, die bislang nicht zu verzollen sind, eine entschiedenere Wirkung haben wird. Diese Lücke auszufüllen, ist man jetzt bemüht gewesen. Nun muß ich mich, was die Behandlung der Sache anlangt, so wie die Dinge sich bis zum Beginn der Sitzung befanden, auch auf den Standpunkt des Abg. Dr. Hammacher stellen. Das war durchaus begründet nach der früheren Erklärung des Staatssekretärs, wonach er nur persönlich die Zulässigkeit einer solchen gesetzlichen Bestimmung anerkannt hat; heute ist aber seine Erklärung eine wesentlich andere gewesen, und ich glaube, daß, wenn diese Erklärung vorgelegen hätte, als der Abg. Dr. Hammacher das Wort nahm, er seine Behandlung der Sache etwas anders gestaltet habe würde. Wenn die Sache so liegt, so sind wir heute schon in der Lage, uns in
orm eines Gesetzes über die Sache aussprechen zu können. Aber ich
ürworte, daß wir bis zur dritten Lesung eine ganz bestimmte, noch formellere Erklärung seitens der Regierungen haben müssen. Liegt dann die Erklärung des Bundesraths vor, daß er beschlossen hat, sich mit dieser Bestimmung einverstanden zu erklären, so steht nichts im Wege, daß man bei der dritten Lesung diesen Beschluß wiederholt. Kommt dann zum Vorschein, daß der Bundesrath nicht sicher ist, ob er die Bestimmung annehmen will, dann werden wir gut thun, uns in der dritten Lesung auf die Resolution zurückzuziehen.
Staatssekretär des Reichs⸗ Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky:
Um die Situation vollkommen klar zu legen, namentlich den Ausführungen des Herrn von Bennigsen gegenüber, erkläre ich hier⸗ mit, daß, wenn der Antrag Stumm⸗Möller die Majorität des Hauses findet, der Bundesrath denselben annehmen wird.
Abg. Dr. Meyer⸗Halle (fr. Vg.): Es handelt sich nicht darum, ob der Bundesrath das Gesetz in dieser Form sich gefallen lassen kann, sondern ob er es gebrauchen kann; darüber aber hat man keine Erklärung erhalten. Die Befugniß des Reichstags wird durch die Vollmacht, welche dem Bundesrath hinsichtlich der Verzollung zollfreier Waaren ertheilt werden soll, in nnerefe Weise eingeschränkt.
Abg. Richter (fr. Volksp.): Der Antrag ist nicht Produkt des praktischen Bedürfnisses, sondern einer zollkriegerischen Stimmung. Wir leiden schon jetzt darunter, daß ganz plötzlich durch Regierungs⸗ maßnahmen die Grundlagen der einzelnen Erwerbszweige in Frage ge⸗ stellt werden. Wenn Sie der Regierung jetzt eine solche Vollmacht übergeben, so wird in die Industrie schädigend eingegriffen werden.
Abg. Dr. Hammacher (nl.): Ich weiß mich frei von zoll⸗ kriegerischer Stimmung, ich muß aber sagen, daß die deutschen Inter⸗ essen von anderen Ländern nicht immer loyal behandelt werden. Der frühere Abg. Bamberger hat diesen grundsätzlich negierenden Stand⸗ punkt nicht eingenommen. Einem Staat, dessen Regierung kräftige Mittel zu Gebote stehen, die Einfuhr anderer Länder einzuschränken, werden die anderen Staaten rücksichtsvoll entgegenkommen. Man verzichte entweder auf die Anwendung von Kampfmitteln oder man wende sie gründlich an. Allerdings bedarf die Befugniß, zollfreie Waaren mit einem Retorsionszoll zu belegen, einer Einschränkung durch Festlegung einer Marximalgrenze für diesen Zoll. Einen Antrag in diesem Sinne behalte ich mir für die dritte Lesung vor. Heute werde ich für den Antrag Stumm⸗Möller stimmen.
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky:
Ich halte mich verpflichtet, dem Herrn Abg. Dr. Hammacher gegenüber eine Aufklärung zu geben. Er hat ausgeführt, seine Er⸗ klärung würde anders gelautet haben, wenn ich die Erklärung, die ich namens der verbündeten Regierungen abgegeben habe, dem Hause früher mitgetheilt hätte. Ich gestatte mir, den Herrn Abg. Dr. Hammacher darauf aufmerksam zu machen, daß er seine entscheidende Erklärung innerhalb der Geschäftsordnungsdebatte abgegeben hat, und ich hielt es als Mitglied der Regierung nicht für angemessen, in einer Geschäftsordnungsdebatte, die lediglich zur Kompetenz des Hauses gehört, das Wort zu ergreifen.
Der Herr Abg. Dr. Hammacher hat weiter noch den Ge⸗ danken ausgesprochen, die Bestimmung des Antrages Stumm, wonach auch zollfreie Artikel mit Zoll belegt werden können, in der Rich⸗ tung zu beschränken und damit gleichzeitig auch den Interessenten eine gewisse Beruhigung zu gewähren, daß die Höhe des auf⸗ zuerlegenden Zolls im Gesetz limitiert werde. In dieser Beziehung bin ich nicht in der Lage, eine bindende Erklärung namens der verbündeten Regierungen abzugeben; ich glaube aber, daß, wenn eine solche Beschränkung seitens des hohen Hauses in Form eines Amendements zum Antrag Stumm beschlossen werden sollte, auch hierin kein Hinderniß für die verbündeten Regierungen liegen würde, diesen Antrag anzunehmen.
Abg. Dr. Barth bringt einen Abänderungsantrag ein, der aus dem Antrage Stumm⸗Möller den auf die Be⸗ legung zollfreier Waaren mit Zöllen bezüglichen Satz freicht b 1
In der nunmehr folgenden Abstimmung wird dieser Antrag abgelehnt und der Antrag des Abg. Freiherrn von Stumm⸗Halberg unverändert angenommen. 8
In der Vorlage selbst, in deren Berathung demnächst ein⸗ getreten wird, hat die Kommission den oll für alkohol⸗ oder ätherhaltige Parfumerien auf 200 ℳ erhöhtt.
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1895.
Ibg. Werner (d. Refp.) beantragt die Erhöhung dieses Satzes au ℳ Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath im Reichs⸗Schatzamt Henle erklärt, daß die verbündeten ierungen den Vorschlag der Kom⸗ mission in wohlwollende Erwägung nehmen werden.
Das Haus stimmt dem Zollsatz von 200 ℳ zu. 8
Zur Position „Bau⸗ und Nutzholz“ will die Regierungsvorlage die ““; nur für den häͤuslichen oder handwerksmäßigen Bedarf der Bewohner der Grenzbezirke
estatten. — Die Kommission schlägt dagegen vor, die bis⸗ Zollfreiheit auch für die Industrie des e-n vn noch bis zum 1. Juli 1901 zuzulassen unter Einschränkung auf die im Jahre 1895 vorhandenen industriellen Betriebe und deren durchschnittlichen Holzbezug aus dem Aaslande. Der Abg. Buddeberg (fr. Volksp.) beantragt, diese Zollfreiheit bis zum 31. Dezember 1903, d. h. für die Geltungsdauer der Handelsverträge, zuzulassen in den Grenzen des im Jahre 1894 für die vorhandenen industriellen Betriebe zugelassenen Quantums. 1
Abg. Buddeberg (fr. Volksp.): In den Grenzbezirken herrschen exceptionelle Verhältnisse. Die Schutzzollpolitik, die die Aufgabe hat, den Verkehr zu erschweren, wird gerade in den Grenzbezirken schwer empfunden und trifft nicht bloß die Industriellen, sondern auch die Tagelöhner. Gerade die kleinen Betriebe leiden am schwersten. Er⸗ leichtert man diesen den Bezug ihrer Hilfsstoffe, so leidet der Fiskus kaum Schaden, während diesen Leuten großer Vortheil ge⸗ währt wird. Einzelne Uebelstände, die sich bei dem jetzigen Zustand herausgestellt haben, sind nicht so schlimm, daß deswegen den Gewerbe⸗ treibenden der Grenzbezirke eine Freiheit genommen werden dürfte, die sie für ihre Eristenz nothwendig haben. Ich bin in der Lage gewesen, aus eigener Erfahrung nachzuweisen, daß die Kontrole für die Ein⸗ führung von Holz an der sächsisch⸗böhmischen Grenze eine so scharfe ist, daß Hinterziehungen gar nicht vorkommen können. Ich bitte daher, meinen Antrag anzunehmen.
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky:
Meine Herren! Ich kann nur dringend bitten, den Entwurf in der Fassung der Kommission anzunehmen. Nach der Regierungs⸗ vorlage sollte für die Grenzindustrie der Vortheil, zollfreies Holz ein⸗ zuführen, sofort aufgehoben werden und nur für den Hausgebrauch die Zollfreiheit weiter bestehen. Es ist in der That geradezu eine zoll⸗ technische Anomalie, daß man für die industriellen Betriebe zollfreies Holz ins Land hereinläßt. Dadurch sparen die Grenzbewohner einen Zollbetrag von über 806 000 ℳ jährlich (Hört! hört! rechts) während sie ganz unzweifelhaft für ihre Schnittwaare denselben Einheitspreis fordern wie die Konkurrenten im Lande, die verzolltes Holz kaufen müssen. Man kann diesen Fall nicht parallelisieren mit der Zollfreiheit im kleinen Grenzverkehr; denn es handelt sich hier nicht um eine handwerksmäßige Verwendung, sondern um wirkliche Industrien, die sich an der Grenze etabliert haben. Die verbündeten Regierungen haben sich indeß den Erwägungen, die seitens des Herr Vorredners und eines bayerischen Herrn Abgeordneten vorgetrage wurden, nicht verschlossen, daß die plötzliche Aufhebung dieses Privi legiums eine gewisse Härte für die Betheiligten mit sich bringen würde; die kleinen Sägemühlen an der Grenze haben sich auf das zollfreie Holz eingerichtet, und man wird ihnen deshalb noch eine gewisse Uebergangsfrist gewähren
können, um sich mit den neuen Verhältnissen abzufinden, die ihnen
die Zollpflicht für ihr Rundholz in Zukunft auferlegt. Aber da Motiv, welches Herr Abg. Buddeberg anführt, um die Uebergangsfr um zwei Jahre zu verlängern, d. h. bis zum Ablauf der Handels⸗ verträge, bestimmt gerade die verbündeten Regierungen, Sie zu bitten, an dem Kommissionsbeschluß festzuhalten. Die Konzession, welche die verbündeten Regierungen in der Kommission bereits gemacht haben, ist ihnen nicht leicht gefallen, namentlich gegenüber den Be⸗ schwerden derjenigen Sägemüller, die jetzt schon zollpflichtiges Holz verschneiden müssen; aber gerade der Umstand, daß im Jahre 1903 die Handelsverträge erlöschen, spricht dafür, dieses Privilegium der Grenzsägewerke früher aufhören zu lassen, um nicht durch dieses Privilegium einen Anknüpfungspunkt für weitergehende Forderungen beim Abschluß neuer Handelsverträge zu bieten. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß, wenn wir neue Handelsverträge ab⸗ schließen, sie so gestaltet sein werden, daß der deutsche Wald mindestens denselben Zollschutz genießen wird wie bisher. (Bravo! rechts.)
Abg. Kröber (südd. Volksp.): Nicht allein an der russischen Grenze, sondern auch in allen anderen Grenzbezirken wird der Wunsch geäußert, daß die bestehenden Verhältnisse bezüglich der Holzeinfuhr aufrecht erhalten bleiben. Die in der Vorlage beantragte Aenderung würde die gesammte Bevölkerung schädigen, nicht nur die großen In⸗ dustriellen, sondern auch die ärmere Bevölkerung, die VWalbbaugrn, welche jetzt ihren Unterhalt durch die Holzzufuhr erwerben.
Abg. Buddeberg (fr. Volksp.) bemerkt, daß der Ausfall für den Fiüskus, der aus der Verlängerung der Frist um 2 Jahre ent⸗ stehen würde, sich auf höchstens 150 000 ℳ belaufen werde.
Der Antrag der Kommission wird angenommen. Die weitere “ vertagt das Haus darauf um
Haus der Abgeordneten.
56. Sitzung vom Dienstag, 23. April.
Ke. den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.
Auf der Tagesordnung stand die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Errichtung einer General⸗ Kommission für die Provinz Ostpreußen.
Die General⸗Kommission cha in Königsberg errichtet werden; dem Geschäftsbezirk derselben können indeß auch Theile der Propinz Westpreußen zugelegt werden.
ach er Annahme des Entwurfs seitens
des Berichterstatters der Kommission, Abg. Conrad⸗Flatow tons ergriff das Wort
ba. Dr. Gerlich (fr. kons.): Die General⸗Kommissionen haben
Pußg nicht lebensfähige Rentengüter geschaffen und sogar bäuerliche
tzungen zerschlagen, während es doch darauf ankommt, möglichst