1895 / 100 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 26 Apr 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 76. Sitzung vom Donnerstag, 25. April.

„Das Haus setzt die zweite Berathung der Zolltarif⸗ NKovelle bei der Position Speiseöl fort.

Ueber den Beginn der Verhandlung ist gestern berichtet worden. Nach dem Abg. Dr. Bachem erhält das Wort der

Abg. Richter (fr. Volksp.): Die Margarinefabrikation befindet sich gegenwärtig in einer nichts weniger als günstigen Lage. Der Landwirthschaft aber wird die Vertheuerung der Margarine nichts nützen, weil diejenigen Bevölkerungsklassen, welche dieses Nahrungs⸗ mittel verbrauchen, nicht in der Lage sind, Butter zu kaufen. will nun die Sache so darstellen, als ob das aus dem Auslande kommende Baumwollsamenöl ungesunde Stoffe ent⸗ halte. Das ist dasselbe allgemeine Gerede, mit welchem Fürst Bismarck seiner Zeit das Einfuhrverbot für amerika⸗ nischen Speck und Schinken begründete. Erst seit der Wiederzulassung des amerikanischen Produkts 8-es hat sich die Gefahr für die Gesund⸗ heit der Konsumenten vermindert, denn gerade das Schwein in Deutsch⸗ land ist hauptsächlich trichinös. Daß in den großen Betrieben, welche das Oel herstellen, schlechte Abfallstoffe betrügerisch mit verwandt werden, ist eine kleinkrämerliche Anschauung. Wegen mißverstandener agrarischer Interessen können wir nicht Amerika zu einem Zollkriege herausfordern, der unserer Industrie hunderte von Millionen kosten würde. Profeffor Sorhlet hat klar dargelegt, daß das Sinken der Butterpreise nicht durch die Konkurxenz der Margarine bervorgerufen ist, sondern durch die Zunahme der Butterproduttion. Damit sind auch wir einverstanden, daß den Verfälschungen und den Betrügereien vorgebeugt werde; aber den Maßregeln, die von der agrarischen Seite vorgeschlagen werden, und die im Kleinen dasselbe wollen, was man mit dem Antrage Kanitz im Großen nicht auszuführen wagt, können wir nicht zustimmen.

Abg. von Kardorff (Rp.): Wir hoffen, daß die verbündeten Regierungen sich durch die Vorschläge der Gegner nicht werden be⸗ stimmen lassen, von dem wirthschaftlichen Standpunkte zurückzugehen, den sie mit dieser Vorlage wieder eingenommen haben wenigstens theilweise, denn in einigen Punkten ist die Vorlage auf den richtigen Standpunkt allerdings ja erst durch die Anträge des Abg. Freiherrn von Stumm gestellt worden. Der Vor⸗ redner hat davon gesprochen, daß die „Agrarier“ den Ver⸗ such machten, das amerikanische Cottonöl als gesundheitsgefähr⸗ lich zu verdächtigen. Nun, weshalb haben denn die Amerikaner es durch eine hohe Fabrikationssteuer unmöglich gemacht, daß eine solche Fabrikation in Amerika überhaupt bestehen kann? Das läßt doch wohl annehmen, daß sie auch von der Gesandbeitsgefährlichkeit des Cottonöls eine Ahnung haben. Jedem Landwirth wird die Thatsache bekannt sein, daß in Deutschland in weitem Umfange Baumwollsamen als Viehfutter benutzt wird, und zwar mit dem allerverderblichsten Erfolge. Ich möchte also die verbündeten Regierungen bitten, auch nach Annahme des Antrags Stumm und des Antrags Wenders, für den ich mit meinen poli⸗ tischen Freunden stimmen werde, noch eine sehr ernsthafte Unter⸗ suchung eintreten zu lassen, ob nicht im hygienischen Interesse die Ver⸗ wendung von Baumwollsamenöl zur Speisefettbereitung zu verbieten ist. Wenn sich die Gesundheitsschädlichkeit dieses Oels berausstellen sollte, dann werden ja auch die Herren von der linken Seite gegen jene Konsequenz nichts einzuwenden haben. Der Nähr⸗ werth der Margarine steht nicht entfernt im Verhältniß zu ihrem Preise, namentlich im Vergleich mit dem Preise der Butter. Die Herren, welche das Interesse der Margarinefabrikation unter der Firma verfechten, dem armen Volke ein billiges Fettnahrungsmittel zu erhalten, befördern damit bloß, daß dem Volke ein Nahrungsmittel geboten wird, das nicht preiswerth ist, und sie verhindern, daß andere Nahrungsmittel dem Volke zugeführt werden, mit denen es sich viel besser nähren könnte. Der Abg. Richter hat gemeint, wir kämen durch diesen Zoll in die Gefahr eines Zollkrieges mit Amerika. So leicht entstehen doch Zollkriege nicht, und die Amerikaner, die es bei sich für nützlich halten, zu verhindern, daß Speisefette aus Baum⸗ wollsamen hergestellt werden, werden uns doch nicht mit einem Zoll⸗ kriege überziehen, weil wir ähnliche Maßregeln bei uns ergreifen. Etwas hat der Abg. Richter allerdings auch gesagt, wofür ich ihm dankbar bin; daß nämlich jene Seite des Hauses uns in dem Be⸗ streben unterstützen will, das Verfälschen von Butter und Margarine zu verhindern. Vielleicht werden wir uns, wenn wir uns mit dieser Frage zu beschäftigen haben was, wie ich hoffe, recht bald der Fall sein wird hierüber verständigen.

Abg. Graf von Kanitz (d. kons.): Ich glaube nicht, daß irgend ein von der Landwirthschaft hergestellter Artikel in Preise steigen wird, wenn wir den Zoll erhöhen; wenn aber von jener Seite gesagt wird, wir wollten ein billiges Nahrungsmittel auf Kosten des armen Mannes vertheuern, so enthält diese Behauptung noch einen zweiten Irrthum. Wer ist denn heute der „arme Mann“? Nicht die in der Industrie arbeitende Bevölkerung, sondern in sehr viel höherem B aße die ländliche Bevölkerung, besonders die kleinen Landwirthe, die kleinen Bauern. Man hat ja bei der Berathung meines Antrags die Be⸗ hauptung ausgesprochen, die kleinen Landwirthe hätten am Verkauf von Getreide kein Interesse. Nun, woran haben sie dann ein Interesse, wenn nicht am Verkauf der übrigen landwirthschaftlichen Produkte? Und zu diesen gehört die Butter. Wenn wir diese schützen, so werden Sie also nicht sagen können, dies geschehe auf Kosten des armen Mannes. Der Abg. Dr. Barth hat den Petroleum⸗Trust mit den Bestrebungen der „Agrarier“ in Deutschland verglichen. Dieser Vergleich paßt nicht. Dort handelt es sich um den Vor⸗ theil einer verhältnißmäßig geringen Zahl von Spekulanten, bhier um die Existenz von Millionen, um die Erhaltung eines ganzen Erwerbsstandes, um große wirthschaftliche Maß⸗ regeln von allgemeinster Bedeutung. Die heutige Rede des Abg. Richter machte mir den Eindruck einer gewissen Unsicherheit. Er sagte u. a., der Zoll würde der Landwirthschaft nichts nützen, weil die Leute, welche die Margarine kaufen, doch keine Butter kaufen könnten. Wir denken aber garnicht daran, die Konkurrenz der Kunstbutter überhaupt auszuschließen, wir wollen nur die fraudulose Konk rrenz bekämpfen. Margarine verbrauchen nicht nur die ärmeren Klassen, sondern auch wohlhabende Leute, weil sie getäuscht werden. Wenn der Abg. Richter uns, wie er in Aussicht gestellt hat, bei einem neuen Margarinegesetze nach dieser Richtung unterstützen will, dann wird schon viel erreicht sein.

Hiermit schließt die Diskussion. Persönlich bemerkt Abg. Richter (fr. Volksp.): Statt daß die Abgg. von Kardorff und Graf Kanjtz mich widerlegt haben, haben sie nur meine Worte falsch aulsgelegt. Ich habe gesagt: Wir haben alle ein übereinstimmendes Interesse daran, Verfälschungen und Betrügereien zu verhindern. Ich habe aber weiter gesagt, wir wollen nicht, daß unter diesem Vorgeben die Produktion der Margarine in den Augen der Bevölkerung herab⸗ gesetzt wird. Ich habe mich gegen alle agrarischen Maßnahmen erklärt und ausdrücklich gesagt: Zu diesem Zweck kenne ich nur ein wirksames Mittel, nämlich die Untersuchungsstationen in den Städten zu ver⸗ mehren und überall Techniker anzustellen.

Die 11u“ ergiebt die Annahme des Antrags Wenders. Der 2 ntrag Stumm (Wiederherstellung der Regierungsvorlage) wird ebenfalls angenommen.

Damit ist die zweite Berathung der Zolltarifnovelle erledigt.

Die Kommission hat noch eine Resolution vorgeschlagen, worin der Reichskanzler ersucht wird, baldigst einen Gesetz⸗ entwurf, betreffend Einführung eines Zolles auf e und andere überseeische Gerbstoffe vorzu⸗ legen. Hierzu liegt ein Antrag Bachem⸗Kehler (Zentr.) vor, welcher nur das zur Gerberei, nicht aber das zur Färberei benutzte überseeische Holz versteuern will.

Abg. Koepp (frs. Vg.) bekämpft die Resolution,

8 . 1 namentlich in ihrem zweiten Theil. Die üb eeischen Gerbst

haben eine außer⸗

Man

8 8 8 8 8 8

ordentliche Bedeutung für die Färberei, aber auch für andere sehr

wichtige deutsche Industriezweige. Es giebt keinen überseeischen Gerb⸗ stoff, der für die Färberei nicht Bedeutung hat. 2 Abg. Brökmann (Zentr.) tritt für die Resolution der Kom⸗ mission ein in Verbindung mit dem Antrag Bachem. Ein Zoll auf Quebrachoholz ist eine Lebensbedingung für die heimische Schälwald⸗ industrie, für Tausende von Waldarbeitern und für die kleine Gerberei. Die Interessen der Färberei müssen aber berücksichtigt

werden.

Abg. von Salisch (d. kons.): Nach den Ausführungen des Vorredners und nach dem ausführlichen Kommissions⸗ bericht, den wir unserem Referenten verdanken, bleibt mir nur wenig zu sagen übrig, zumal auch der Gegner des Antrags, der Abg. Koepp, es nicht vermocht hat, wesentliche Gründe gegen denselben anzu⸗ führen; er hat nämlich weniger vom Quebrachozoll als gegen den Schlußsatz der Resolution gesprochen und vorzugsweise sich gegen die Verfretung der anderen überseeischen Gerbstoffe gewendet. Daß denen gegenüber mit einer gewissen Vorsicht vorge⸗ gangen werden müsse, hat aber bereits die Kommission anerkannt, und heute empfingen wir den Antrag der Abgg. Dr. Bachem und von Kehler, welcher die zur Färberei bestimmten gerbsäurehaltigen Stoffe von der Besteuerung ausschließen will. s zum Färben bestimmten Gerbstoffe, sondern darin ist dem Abg. Koepp beizutreten auch andere der chemischen Industrie dienende Gerbstoffe, die wir der Besteuerung nicht unterwerfen wollen. Das ist aber eine ganz besondere technische Frage. Die Kommission hat es vermieden, auf dieselbe näher einzugehen, und ich möchte glauben, daß wir heute im Plenum noch weniger im stande sein werden, uns über solche Aus⸗ nahmen zu verständigen. Die Einzelheiten müssen wir in dieser Be⸗ ziehung den verbündeten Regierungen überlassen. Aus diesem Grunde möchte ich auch bitten, gegen den Antrag Bachem⸗Kehler zu stimmen, obwohl mir seine Tendenz sympathisch ist. Er ist über⸗ flüssig, denn es heißt in der Resolution unter 2: „sowie auch andere überseeische Gerbstoffe“. Diesen Platz, den ich hier nun einmal ein⸗ nehme, darf ich aber nicht verlassen, ohne mit wenigen Worten für unseren deutschen Schälwald einzutreten. Es ist gesagt worden, der Schälwald bedürfe eines Schutzes nicht. Wir lesen auch in vielen Petitionen, der Schälwald sei ohnehin in der Ausdehnung be⸗ griffen, er sei um ganze 3 % der Fläche größer geworden. Diese geringe Vergrößerung ist zum theil zurückzuführen auf die lebhafte Agitation der Gerber, welche vor 25 Jahren sich an die deutschen Forstleute gewendet und uns zugerufen haben: „Es ist geradezu nationale Pflicht, ihr müßt die Größe des Schälwaldes vermehren“ die Regierung hat ähnliche Winke gegeben —, und wenn wir nun demzufolge eine mäßige Erhöhung der Schälwaldfläche haben, da heißt es: „Eure Schälwaldfläche ist ja im Wachsen, da braucht ihr nun keinen Schutz mehr“. Der geringen Ausdehnung der Fläche steht aber andererseits ein Rückgang der Rindengewinnung gegenüber, insofern gröbere Rinde, die nicht aus dem eigentlichen Schälwalde stammt, die nicht Spiegelrinde ist, kaum mehr zur Werbung gelangt. Früher wurde bisweilen auch von älteren Eichen die Rinde geworben; das geschieht nicht mehr, weil es nicht mehr einträglich ist. Die Ver⸗ größerung der Schälwaldfläche würde übrigens trotz aller Agitation kaum eingetreten sein, wenn nicht die gegenwärtige Nolhlage der Grund⸗ besitzer dahin geführt hätte, manchen jungen Eichenbestand zum Schäl⸗ wald zu verwenden, der sonst als Hochwald hätte weiter wachsen dürfen. Also die Thatsache, daß die Schälwaldfläche sich vermehrt hat, dürfen Sie nicht gegen unsere Zollbestrebungen ins Feld führen. Nun ist gesagt worden, die Schälwaldbesitzer sollten nur besser wirth⸗ schaften! Wir haben eine Petition des Vereins deutscher Gerber erhalten, worin den Schälwaldbesitzern die härtesten Vorwürfe gemacht werden. Es wird ihnen vorgeworfen, daß sie die Rinde nicht selbst schälen, sondern den Gerbern zur Schälung überlassen. Letzteres geschieht nun keineswegs immer, sondern nur ausnahmsweise. Unter gewissen Ver⸗ hältnissen ist aber diese Form der Wirthschaft die allein richtige. Wer eine kleine Schälwaldfläche im Gebirge besitzt, muß den Zeitpunkt für die Schälarbeit richtig wählen. Er kann nicht viele Wochen lang schälen, sondern er muß die Arbeit erst vornehmen, wenn die Eichen recht in Saft sind. Im Gebirge treten natürlich die niedrigeren und wärmer gelegenen Hänge früher in Saft als die höher und nördlich gelegenen. Es liegt daher in der Natur der Sache, daß diejenigen Leute, welche im Schälen geübt sind, ihre Arbeitskraft gern an einen Unternehmer ver⸗ miethen und sich nun einige Wochen diesem Erwerb hingeben. Der Gerber pachtet Schläge in verschiedenen Höhenlagen, nimmt eine Anzahl tüchtiger Arbeiter an, und mit diesen beginnt er die Arbeit unten an der warmen Südseite und endet oben an der Nordseite, wogegen der einzelne kleine Besitzer oft gar nicht in der Lage ist, seine kleineren Parzellen mit seiner Kraft zur rechten Zeit zu schälen und alle Ver⸗ richtungen (Trocknen und Abfuhr) zur richtigen Zeit vorzunehmen. Es ist also dies Verfahren nicht nur althergebracht, sondern so zweck⸗ mäßig, daß es im höchsten Grade bedauerlich wäre, wenn daran geruttelt würde. Nun heißt es, die großen Gerbereien, die in der Entwickelung begriffen wären, würden eine Einführung des Quebrachoholzes gar nicht vertragen. Warum fragt man nicht, was die kleinen Gerbereien, die dem Untergang nahe sind, vertragen? Die großen Gerbereien können schon etwas ver⸗ tragen. Von zuverlässiger Seite ist mir geschrieben worden, daß die große Wandsbecker Aktiengerberei im Jahre 1894 16 % Dividende gezahlt hat. Und dann genießen diese Gerbereien einen recht ansehn⸗ lichen Schutzzoll. Daß das Quebrachoholzleder unserem Leder gegen⸗ über erhebliche Nachtheile hat, steht fest. Zunächst ist es schwerer. Von all den Petitionen, die hier vorliegen, hat nicht eine gewagt, diese Thatsache zu bestreiten, und zweitens wird es, wenigstens von unserer Armeeverwaltung, als minder haltbar bezeichnet, und deren Urtheil ist maßgebender als die Anführungen von Interessenten. Bis jetzt muß ich dabei stehen bleiben, daß das Quebrachoholzleder eine so gute Waare wie das andere Leder nicht ist, und ich möchte glauben, daß unsere günstige Stellung auf dem Weltmarkt dadurch erobert worden ist, daß wir viel gute Eichenrinde verwendet haben. Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, alle für die Resolution so zu stimmen, wie sie lautet, aber den Antrag der Abgg. Dr. Bachem und von Kehler abzulehnen.

Abg. Möller (nl.): Die zu Gunsten eines Zolls auf Quebracho⸗ bolz angeführte Behauptung, daß die einheimische Schälkultur zurück⸗ gegangen sei, entspricht nicht den Thatsachen. Durch den Zoll auf Quebrachoholz und andere überseeische Gerbstoffe würde die deutsche Lederindustrie auf das empfindlichste geschädigt werden, ohne daß der einbeimischen Schälwaldkultur geholfen würde; denn es ist nicht die geringste Aussicht vorhanden, dieselbe so auszudehnen, daß sie den Bedarf an Gerbstoffen decken kann. Die Interessen der Schälwaldbesitzer können aber unmöglich konkurrieren mit den großen Interessen unserer Exportindustrie. Den Antrag Bachem halte ich für undurchführbar, weil eine Trennung zwischen reinen Gerbstoffen und solchen, die auch zur Färberei verwendet werden, gar nicht möglich ist. Der von einigen Seiten beanspruchte Zoll auf Quebrachoholz von 10 ℳ, würde einen Werthzoll von 200 % be⸗ deuten, eine Abnormität, die bis jetzt im ganzen Zolltarif nicht zu finden ist. Alle konkurrierenden Länder würden es gewiß mit Freuden sehen, wenn wir unsere Exportindustrie selbst schädigten: die ver⸗ bündeten Regierungen aber sollten sich besinnen, sich auf eine solche Bahn drängen zu lassen.

-Abg. Hirschel (d. Refp.) St ssr die Resolution der Kom⸗ mission ein. Wenn man die Schäl bauern ruiniere, würde die Sozialdemokratie den Vortheil davon haben.

Abg. Buddeberg (fr. Volksp.): Die deutsche Lederindustrie nimmt eine führende Stellung ein, man darf sie nicht durch Zölle beeinträchtigen. Die Herren von jener Seite, die von industriellen Fragen nicht viel verstehen, machen sich die Sache leicht und sagen, es kommen hier nur großkapitalistische Interessen in Frage. Sie berücksichti⸗

en nicht, daß z. B. aus dem von ihnen als gering hingestellten Export nach Argentinien 40 000 Arbeiter ihren Lebensunterhalt finden. Die deutsche Lederindustrie würde dem Ruin entgegengehen, sie würde Millionen mehr zahlen müssen, viel mehr, als der Nutzen für die Schälwald⸗ besitzer betrüge. Die letzteren gehören doch nicht zu den Nothleidenden, selbst der Fisku itzt Eichenschälwaldungen. Durch eine rationelle

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Bewirthschaftung würde den Schälwaldbesitzern am besten geholfen werden können.

Abg. von Kardorff (Rp.): Wenn der Abg. Buddeberg meint der hier empfohlene Weg werde zum Ruin der deutschen Lederindustrie führen, so übersieht er vollkommen, daß ein großer Theil des deutschen Leders noch in der alten Weise mit Gerblohe hergestellt wird. Er sagt weiter, wir stellten den Lederexport nach Argentinien als gering bin, während doch dieser geringe Export 40 000 Arbeiter treffe die darunter zu leiden haben würden, wenn der Exvport sich ver. minderte. Als wir aber darauf aufmerksam machten, daß durch die Goldwährung der Export nach den Silberländern leide, da sagten die

erren: das ist nur ein unbedeutender Theil unserer deutschen Industrieprodukte, der überhaupt nach den Silberländern aus⸗ eführt wird. Eine große Zahl, namentlich der kleineren

rbereien in Deutschland haben sich in ihren Petitionen durchaus mit dem Antrage des Abg. Freiherrn von Stumm einverstanden erklärt. Das deutsche Publikum hat ein Interesse daran, statt eines Leders, welches sehr schön aussieht, in kurzer Zeit aber rissig wird, gutes haltbares Leder zu erhalten. Ich bitte Sie darum, der von der Kommission angenommenen Resolution des Abg. Freiherrn von Stumm zuzustimmen, im Interesse des deutschen Konfumenten; dazu gehört jeder, kis auf den Aermsten hinunter. 1 8 1

Gegen 5 ½ Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag 1 Uhr vertagt.

21 88 Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 58. Sitzung vom Donnerstag, 25. April. . gestern berichtet

Ueber den Beginn der worden.

Auf der Tagesordnung stand die dritte Berathung der Entwürfe eines preußischen Gerichtskostengesetzes und einer Gebührenordnung für Notare.

Nachdem der Abg. Knebel (nl.), auf dessen Antrag die Generaldiskussionen über beide Gesetzesvorlagen mit einander verbunden wurden, insbesondere die finanzielle Seite derselben betont und die Rückverweisung an die Kommission beantragt hatte, nahm das Wort .

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Moin Gorron! Meine H erren!

Sitzung ist

88

ne H Ich hatte erwartet, es würde diesem Antrag aus der Mitte des Hauses widersprochen werden. das scheinbar nicht der Fall ist, so glaube ich, es doch nicht auf eine Abstimmung über den Antrag ankommen lassen zu dürfen, ohne den Widerspruch zu wiederholen, den ich schon in der zweiten Lesung einem damals gestellten gleich⸗ artigen Antrag gegenüber erhoben habe. Der Antrag auf Rückver⸗ weisung in die Kommission ist von dem Herrn Abg. Knebel wiederum begründet worden von spezifisch rheinischen Gesichtspunkten aus. Diese Gesichtspunkte sind schon bei der zweiten Lesung vorgebracht vorden, sie haben aber nicht die Anerkennung des hohen Hauses ge⸗ funden, und ich glaube hoffen zu dürfen, daß das heutige Ergebniß kein anderes sein wird.

Ich muß gegenüber dem Ausgangspunkte der Ausführungen des Herrn Abg. Knebel hervorheben, daß darüber ja ein Zweifel nicht besteht, daß die Ermäßigungen, die der Entwurf beabsichtigt, bei Objekten von 6000 nicht mehr zutreffen, und nur solche Beispiele hat er uns vorgeführt. Es ist zum vollen Bewußtsein des Hauses gekommen durch die Kommissions⸗ und die Plenarberathungen, daß Ermäßigungen nur beabsichtigt aber auch erreicht sind bis zu Objekten von 5400 ℳ, während von da ah die zum Ausgleich durchaus gebotenen Erhöhungen eintreten. Es ist auch statistisch festgestellt und hat keinen Widerspruch gefunden, daß diese Objekte bis zu 5400 etwa 80 % sämmtlicher in Frage stehen⸗ der Geschäfte umfassen und daher die Erhöhungen nur einen ver⸗ hältnißmäßig kleinen Bruchtheil betrefkfen. Ob die Berechnungen des Herrn Abg. Knebel im einzelnen richtig sind, läßt sich hier nicht verfolgen; es würde das einer genaueren Prüfung bedürfen; ich glaube aber bemerken zu müssen, daß eine Berechnung, die Herr Abg. Knebel in der zweiten Lesung vorgebracht hat, um damals seinen Antrag zu begründen, die Nachprüfung meiner Herren Kommissarien nicht bestanden hat, da bezüglich einer Position in derselben ein nicht un⸗ erheblicher Fehler enthalten war, daß nämlich dort 24 Kosten ein⸗ gestellt waren, die in Wirklichkeit nach dem Gesetz nicht zur Erhebung gelangen würden.

Meine Herren, der Widerspruch oder die gegensätzliche Auffassung des Herrn Abg. Knebel und der übrigen Herren aus der Rhein⸗ provinz, die seinem Antrag beitreten, scheint mir einiger⸗ maßen zu liegen in dem Begriff des „kleinen Mannes“. Dieser Begriff deckt sich ja allerdings nicht überall. Für den über⸗ wiegend größeren Umfang der Monarchie ist angenommen, daß Leute, die über ein Vermögen von 6000 zu verfügen haben, nicht mehr zu den kleinen Leuten gehören, und wenn die Rheinprovinz in der glücklichen Lage ist, daß sie auch solche Leute noch zu den kleinen Leuten rechnen darf, ist sie insoweit bevorzugt vor den anderen; daraus mag sich allerdings die Folge ergeben, daß dort Leute in mittleren Besitzverhältnissen unter Umständen häufiger zu höheren Kosten und Gebührenlasten herangezogen werden, als das in anderen Provinzen der Fall sein mag. Ich kann nur dringend bitten, dem Antrag auf Rückverweisung in die Kommission nicht stattgeben zu wollen; denn bei der jetzigen Geschäftslage ist, glaube ich, ein solcher An⸗ trag gleichbedeutend mit der Beseitigung der Vorlage für die laufende Session, und es würde damit der Zustand länger aufrecht erhalten werden, dessen vielfache Mängel und Unzuträglichkeiten allseitig anerkannt werden, und dessen Beseitigung allseitig als Bedürfniß angesehen wird.

Ich darf mir wohl erlauben, einen kleinen Rückblick auf den bisherigen Gang der Verhandlungen zu werfen, um zu beweisen, daß die Königliche Staatsregierung sich in keiner Weise ablehnend verhalten hat gegenüber berechtigten Wünschen, die aus der Mitte des Hauses vorgebracht sind, auf noch weitergehende Ermäßigungen. Ich hebe in dieser Beziehung hervor, daß in der Kommission, von kleineren Punkten abgesehen, bereits in einigen sehr erheblichen Punkten recht wesentliche Herabsetzungen der Gebührensätze beschlossen sind. Es ist unter anderem beschlossen worden, daß für Eintragung des Eigenthums von Abkömmlingen im Grundbuch die im Entwurf vorgesehene Gebühr auf die Hälfte er⸗ mäßigt werden soll; die Gebühren für Hypothekenbriefe und be⸗ glaubigte Abschriften aus dem Grundbuch sind von ⁄10 auf 4/10 bezw. 3/10 herabgesetzt worden. Die Staatsregierung hat diesen Ermäßi⸗

gungen trotz ihrer finanziellen Tragweite nicht widersprochen, weil sie

hat zugeben müssen, daß die Anträge auf diese Ermäßigungen der

a, ründung nicht entbehrten. Sie ist aber dabei von der Voraussetzung zsgegangen, daß es dabei im wesentlichen verbleiben, und daß der Plenarberathung nicht wiederum recht weitgehende Ermäßigungen zeschlossen würden. Sie glaubte auch, von solcher Voraussetzung zusgehen zu dürfen nach dem Verlauf der ersten Berathung, indem ach meiner Erinnerung sich darin ein Einverständniß wischen der Staatsregierung und dem hohen Hause ergab, das. zu weitgehende Ermäßigungen der Gebühren mit Rücksicht auf de bestehende Finanzlage und auch mit Rücksicht auf die Interessen der Justizverwaltung ausgeschlossen sein würden. Es ist hervor⸗ eboben worden und dem wird man kaum widersprechen können —, daß jede Ermäßigung der Gerichtsgebühren eine Mehrbelastung der Steuerzahler, die nicht besondere Gegenleistungen dafür erhalten aben, zur nothwendigen Folge haben muß —, es ist hervorgehoben vorden, daß die Justiz schon jetzt mit erheblichen Zuschüssen zu mbeiten hat und die Höhe dieser Zuschüsse vielfach sich als 22 Hinderniß erweist für Erfüllung der berechtigten Wünsche, üu im vom Standpunkt der Justizverwaltung restellt werden und gestellt werden müssen in Bezug auf die Ver⸗ mehrung der Richter⸗ und Staatsanwaltstellen u. s. w. und in ge⸗ wissem Umfang auch auf die Verbesserung der Gehälter der Beamten. Daß, wenn eine weitere Verminderung der Einnahmen des Justiz⸗ Ftats und damit eine weitere Erhöhung der Zuschüsse aus allgemeinen Staatsmitteln zur Bestreitung der Kosten der Justizverwaltung er⸗ kolgen sollte, neue Schwierigkeiten für die Erfüllung aller Anträge der von mir erwähnten Richtung sich ergeben würden, darüber be⸗ sebt wohl kein Zweifel.

Nun, meine Herren, sind Sie in der zweiten Berathung aber noch viel weiter gegangen als die Kommission. Abgesehen von ver⸗ schiedenen wenig erheblichen Punkten, ist eine Herabsetzung der Ge⸗ bühren insbesondere beschlossen worden in Nachlaßsachen bei Ertheilung bon Erbbescheinigungen, für welche der Entwurf nur vorgesehen hatte ie Zulässigkeit des Abzuges der Hälfte der Schulden. Dem vollen Schuldenabzug, meine Herren, ist von hier aus ohne Erfolg widerspocher erden. Ich will diesen Widerspruch im Einverständniß mit dem Herrn Finanz⸗Minister nicht weiter aufrechterhalten, weil ich anerkenne, daß ir diese Beschlüsse innere Gründe und insbesondere die Aufrecht⸗ gbaltung der Harmonie mit den entsprechenden Bestimmungen für estamente sich anführen lassen; es ist aber noch weiter gegangen

aden. Es ist beschlossen, daß nun bei vollem Abzug der zulden von der vorhandenen aktiven Masse nicht, wie 2 Vorlage wollte, der doppelte Satz erhoben werden soll, miern nur der einfache Satz des § 56 B; dieser weiteren tief ein⸗ risenden Ermäßigung der Gebühren kann zu meinem Bedauern die

übrigen

ruch dagegen auch heute noch aufrecht erhalten, und möchte denjenigen

en, die den Wunsch haben, daß das Gesetz in dieser Session zu ende kommt, dringend empfehlen, an der Aufrechterhaltung dieser Febührenermäßigung nicht festzuhalten.

Meine Herren, es sind doch alles recht wesentliche Punkte, die den kerwurf nicht gerechtfertigt erscheinen lassen, daß die Königliche btaatsregierung die Interessen des betheiligten Publikums nicht nügend berücksichtigt habe.

Der Herr Abg. Knebel hat sich ja nun darauf berufen, daß rschiedene rheinische Richter, mit denen er sich während der rlamentarischen Ferien in Verbindung gesetzt hat, und ebenso

Verein der rheinischen Notare die Vorlage als gänzlich annehmbar erklärt haben. Demgegenüber glaube ich dech worheben zu müssen, daß der Entwurf, bevor er einge⸗ acht ist, selbstverständlich der Begutachtung der rheinischen estizbehörden unterlegen hat, und daß diese sich im wesentlichen mit

e Entwurf einverstanden erklärt haben. Die Wünsche der Herren ctare, die ja auch zum großen Theil zur Kenntniß der Justiz⸗

waltung gekommen sind, haben auch bereits eine weitgehende Berück⸗

ung gefunden, und es würde nicht ausgeschlossen sein, ihnen im

ee der heutigen Verhandlung noch eine weitere Berücksichtigung weil werden zu lassen. Der Umstand, daß die Gebühren vielfach

efür das Gefühl, für die Empfindung der Herren Notare un⸗ wemessene Höhe erreichen könnten diese Empfindung kann man weilen; ich weiß nicht, ob Ihnen irgend ein Weg vorgeschlagen

d, diese Empfindungen zu schonen, ob vielleicht ein gewisser rrimaler Betrag aufgestellt werden soll, über den hinauszugehen bt zulässig ist. Ich habe, bisher grundsätzlich den Gesichtspunkt

nreten, daß die Gleichstellung der Gebühren für Notare und trichte aufrecht erhalten werden muß. Es ist aber ein

schluß nach diesem Grundsatz schon in der zweiten Lesung gefaßt, und

lwäre nicht unmöglich, daß man in dieser Beziehung weiter geht; würde anheimstellen, solche Anträge aus der Mitte des Hauses stellen.

Im übrigen meine ich, daß das, was in anderen Provinzen erträglich beint, auch für die Rheinprovinz erträglich sein muß. (Sehr richtig!)

glaube, daß eine genaue Vergleichung der Tarifsätze für die Objekte iu 5400 ergeben wird, daß nirgendwo anders die Wohlthaten

Gesetzes so groß sein werden als gerade in der Rheinprovinz. e zahlenmäßige Aufstellung, falls sie gewünscht wird, werden meine

en Kommissare zu geben in der Lage sein.

Wenn immer auf die Zersplitterung des Grundbesitzes in der Feinprovinz hingewiesen wird, so glaube ich demgegenüber nerken zu dürfen, daß die Rheinprovinz es nicht allein ist, wo he Zustände bestehen, sondern auch Sachsen (sehr richtig!), das de Eichsfeld, wo die Gebührensätze, die den jetzt vorgeschlagenen srrechen, niemals Grund zu Beschwerden gegeben haben. Auch in im großen Theil der Rheinprovinz, namentlich im östlichen Theil

Regierungsbezirks Koblenz mit seiner außerordentlich großen Zer⸗ merung des Grundbesitzes, befinden sich dieselben Grundsätze seit gen Jahren in Geltung, ohne daß, soweit mir wenigstens bekannt

rden, darüber Klagen laut wurden. allen diesen Gesichtspunkten glaube ich von meinem Stand⸗ tt aus Sie dringend bitten zu müssen, den Antrag auf Zurück⸗ fisung in die Kommission abzulehnen. (Bravo!)

ahg. Willebrand (Zentr.): Eine Zurückverweisung des Ent⸗

em die Kommission jetzt in letzter Stunde könnte nur den Er⸗ ünhe. daß er in der jetzigen Form wieder zurückkehrte. Es den nur die in zweiter Lesung erreichten Erleichterungen der Ge⸗

—n gefährdet werden. Wir werden deshalb gegen eine Zurück⸗

ung stimmen.

Gecasderusalem (Zentr.): Abg. Knebel hat zwei „Arten erausgenommen, um nachzuweisen, daß die Gebühren annahme des Entwurfs höhere sein würden als jetzt. Ich

möchte nur darauf aufmerksam machen, daß bei Erbschaften in der Rbeinprovinz kein Pauschquantum besteht, wie Abg. Knebel ein solches angenommen hat. Bei Versteigerungen sind bei geringeren Objekten die Gebühren herabgesetzt, was hauptsächlich wünschenswerth war. Auch 4 bicte. von einer Zurückverweisung des Entwurfs an die Kommission

u

Abg. Schettler (kons.): Wenn eine Zurückverweisung an die Kommission ein anderes Resultat als das vorliegende haben sollte, müßte doch auch anderes Material vorhanden sein. Da dies nicht der Fall ist, sind doch auch keine anderen Beschlüsse denkbar als die jetzt gefaßten. Ich bitte daher, den Antrag auf Zurückverweisung abzulehnen.

Abg. Knebel: Zu meinem Bedauern sehe ich, daß mein Antrag keine Aussicht auf Annabme hat. Es kam mir aber darauf an, die Wirkungen zu konstatieren, die das Gesetz haben wird. Das ist geschehen, ich ziebe nunmehr meinen Antrag zurück, werde aber selbst⸗ verständlich gegen beide Entwürfe stimmen.

Damit schloß die Generaldebatte. Das Haus trat in die Einzelberathung des Entwurfs eines preußischen Ge richtskostengesetzes ein und nahm die §S§ 1 bis 29 oh Debatte an.

Im § 30 wird festgesetzt, daß Stempelabgaben, die neben den Gerichtsgebühren zu erheben sind, als Gerichts⸗ kosten einzuziehen sind. Die Rückerstattung von Stempelgebühren anzuordnen, steht dem Justiz⸗Minister zu.

Abg. Kirsch (Zentr.) stellte hierzu den Antrag, in den Para⸗ graphen (hinter „Stempelgebühren“) die Worte „oder die Abstand⸗ nahme von der Einziehung derselben“ einzufügen.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Der hier vorgeschlagenen Erweiterung der Zu⸗ ständigkeit des Justiz⸗Ministers wird weder seitens des Herrn Finanz⸗ Ministers noch meinerseits widersprochen.

Der Antrag Kirsch fand hierauf die Zustimmung des Hauses.

Nach § 42 in der Fassung der zweiten Lesung sollen für Anerkennung und Beglaubigung von Unter⸗

chriften drei Zehntel der vollen Gebühr erhoben werden. Die Regierungsvorlage hatte fünf Zehntel festgesetzt. Ein Antrag Dr. Hartmann (kons.) wollte diesen Satz von fünf Zehnteln wieder für die Anerkennung und Beglaubigung von zweiseitigen Verträgen einführen, dagegen für einseitige Rechts⸗ geschäfte es bei dem Satz von drei Zehnteln belassen. Schönstedt:

Meine Herren! Ich gestatte mir, diesen Antrag zur Annahme zu mpfehlen; einmal aus dem von dem Herrn Abg. Dr. Hartmann vor⸗ gebrachten Grunde, daß immerhin die Beglaubigung mehrerer Unter⸗ schriften eine größere Leistung ist als die Beglaubigung einer einzigen Unterschrift, zweitens aber noch aus einem anderen sachlichen Gesichts⸗ punkte. Es ergiebt sich nämlich aus dem Beschluß der zweiten Lesung die Inkongruenz, wenn ich so sagen darf, daß bei zweiseitigen Verträgen die Gebühren für Aufstellung eines Entwurfs und für die demnächstige Beglaubigung der Unterschriften zurückbleiben hinter der Gebühr für die gerichtliche oder notarielle Beurkundung des zwei⸗ seitigen Vertrags. Es würde damit eine im allgemeinen Interesse nicht wünschenswerthe Begünstigung der Aufnahme von Privaturkunden bezw. der Benutzung von Entwürfen gegeben, die, glaube ich, vielfach nicht im Interesse der Betheiligten liegt. Um diesen Widerspruch und um den Anreiz, die gerichtliche oder notarielle Beurkundung zwei⸗ seitiger Verträge zu vermeiden, zu beseitigen, empfiehlt es sich, für die Beglaubigung der Unterschriften unter zweiseitigen Verträgen eine höhere Gebühr anzusetzen, um den Erfolg zu vermeiden, der im anderen Fall eintreten würde.

Abg. Stephan (Zentr.) erkannte diese Begründung durch den Justiz⸗Minister als durchaus zutreffend an und amendierte den Antrag Hartmann dahin, daß für die Beurkundung und Beglaubigung zwei⸗ seitiger Urkunden ein Tarif von 410 gilt.

Der Antrag Hartmann wurde mit dem Amendement Stephan angenommen, und so § 42 modiftziert.

Nach § 45 der Regierungsvorlage soll für die Er⸗ richtung von Familienfideikommissen, Familienstiftungen und Familienschlüssen das Zweifache der vollen Gebühr erhoben werden. In der zweiten Lesung war statt der zweifachen die dreifache Gebühr beschlossen worden.

Ein Antrag Hartmann wollte die wiederherstellen.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Es ist aus dem Schweigen der Staatsregierung bei der zweiten Lesung über den gleichen Antrag geschlossen worden, daß die Regie⸗ rung möglicherweise gegen diesen Antrag etwas zu erinnern haben möchte. Diese Auffassung würde nicht zutreffend sein. Es ist selbst⸗ verständlich, daß die Regierung von ihrem Standvunkt aus nicht Werth darauf legt, daß die von ihr verlangten Gebührensätze noch erhöht werden. Ich wollte das hiermit nur klargestellt haben und bemerke, daß die Diskussion in der zweiten Lesung einen so raschen Verlauf genommen hat, daß für die Vertreter der Regierung kaum die Möglichkeit gegeben war, sich noch zur Sache zu äußern.

Der Antrag Hartmann wurde sodann angenommen und die Regierungsvorlage in § 45

§ 48 ordnet die Erhebung der Gebühr bei Verloosungen, Beurkundungen der Beschlüsse der Generalversammlungen von Aktiengesellschaften und so weiter. Die Kommission hat dem Paragraphen eine Bestimmung zugefügt nach der die Gebühr in keinem Fall mehr als 300 betragen soll. .“

Abg. Hartmann beantragte, diesen Zusatz zu streichen.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Ich bitte, mir ein paar Worte zu § 48 zu ge⸗ statten. Zunächst muß ich erklären, daß ich in der zweiten Berathung insoweit den Antrag Oswalt nicht ganz richtig aufgefaßt habe, als ich geglaubt habe, dies Amendement solle sich auf den ganzen § 48 beziehen; erst aus dem Abdruck der Beschlüsse ersehe ich, daß der Satz ein Theil des letzten Satzes geworden ist, und zwar dadurch, daß man den letzten Satz des Entwurfs nicht mit einem Punkt, sondern mit einem Semikolon hat ab⸗ schließen lassen. So bezieht sich das Amendement nur auf Beschlüsse von Generalversammlungen, Aufsichtsräthen u. s. w. Ich hebe das nur deshalb hervor, weil, wenn man jetzt den Entwurf liest, das nicht mehr ganz verständlich ist, was ich in der zweiten Lesung erklärt habe, indem ich damals sagte, es könne der Fall auch für den Staat, für kommunale und sonstige Korporationen von erheblicher Bedeutung sein bei Ausloosung größerer Summen. Das trifft also jetzt nicht mehr zu.

Im übrigen will ich zu dem Paragraphen noch Folgendes be⸗ merken. Zu meinem großen Erstaunen ist mir in der „Kreuz⸗Zeitung“ der Vorwurf gemacht worden, daß ich durch meine Zustimmung zu dem Antrag Oswalt mich in den Dienst des Großkapitals gestellt

Justiz⸗Minister

Regierungsvorlage

treten und erklären, daß ich im Dienste keiner Partei stehe und stehen werde, weder in politischer noch wirthschaftlicher Beziehung in meiner amtlichen Stellung als Justiz⸗Minister, und daß ich immer bestrebt und bemüht sein werde, mich lediglich von sachlichen Gesichtspunkten und nicht anderen leiten zu lassen. (Bravo!) 8

Zur Sache selbst möchte ich hervorheben, daß es sich in der That nur darum gehandelt hat, zu verhindern, daß für die Notare, die allein in Frage kommen, ganz unverhältnißmäßig hohe Gebühren für relativ geringe Dienstleistungen zum Ansatz gebracht werden. Abg. Dr. Oswalt hat für einzelne, nicht seltene Fälle solche Gebühren im Be⸗ trage von 8000 und unter Umständen bei in kurzen Fristen sich wieder⸗ holenden Generalversammlungen in der doppelten Höhe dieses Betrages berechnet. Das halte ich für ganz ungerechtfertigt, solche Gebühren den Notaren zu bewilligen; und der Gesichtspunkt, der mir entgegengestellt wurde in dem erwähnten Zeitungsartikel, daß, wenn der Immobiliar⸗ besitzwechsel mit so erheblichen Gerichtskosten belastet sei, es dann sich auch rechtfertige, den Mobiliarverkehr in der hier vor⸗ liegenden Frage mit so hohen Sätzen zu belasten, ist denn doch meines Erachtens ein schiefer Gesichtspunkt, eil der Staat bei dieser letzteren Gebühr absolut nicht Petheiligt ist. Es ist ganz richtig hervorgehoben, daß diese Generalversammlungen wohl fast niemals wenigstens wenn es sich um große Gesellschaften handelt, ihre Verhandlungen beurkunden lassen werden durch Gerichtspersonen, daß diese Beurkundungen vielmehr lediglich den Notaren zufallen und zwar nicht den kleinen Notaren, für die eine Verbesserung ihrer finanziellen Lage unter Umständen erwünscht sein 8 könnte, sondern den großen, stark beschäftigten Notaren, die regelmäßig die Justitiare dieser großen Gesellschaften sind. Deshalb ist der Schluß, der gegen meine Haltung in dieser Sache gezogen war, in Bezug auf die Belastung des Immobiliarbesitzes, ebenso verfehlt, als wenn man sagen wollte: weil für den Großgrundbesitz ganz erhebliche Kosten ent. stehen bei eintretendem Besitzwechsel, so empfiehlt es sich, die Maklergebühren bei der Börse zu erhöhen. Das würde sachlich das⸗ selbe sein, aber eine Berechtigung zu einer solchen Begründung kann meines Erachtens nicht anerkannt werden. (Bravo!)

Der Antrag des Abg. Hartmann wurde darauf mit großer Majorität abgelehnt.

§ 57 Absatz 2 bestimmt, daß für die Eintragung des 8 Eigenthums von Abkömmlingen des bisherigen Eigenthümers, sofern sie auf Grund einer Erbfolge oder eines Uebertrags⸗ vertrages erfolgt, nur die Hälfte der sonst üblichen Gebühren gezahlt werden solle.

Abg. Klasing (kons.) beantragte, statt „Uebertragsverträge“ „Ver trag“ zu setzen, und begründete seinen Antrag damit, daß der Begriff Uebertragsvertrag für die Praxis zu wenig feststehend und deshalb unbrauchbar sei. Es sei außerdem zu wünschen, daß jene Erleichterung allen Verträgen zu gute komme, durch welche Eigenthum an Grund⸗ besitz von Ascendenten auf Descendenten übertragen wird. Sein An⸗ trag sei von großer Bedeutung für die bäuerliche Erbf

Justiz⸗Minister Schönstedt: 8

Meine Herren! Ich bedaure diesem Antrag auch heute wider⸗ sprechen zu müssen. Ich habe an erster Stelle auf die finanzielle Tragweite dieses Antrags hinzuweisen. Ich schätze dieselbe ganz er⸗ erheblich höher als der Herr Abg. Klasing. Denn wenn an Stelle des Worts „Uebergangsverträge“ ganz allgemein „Verträge zwischen Eltern und Abkömmlingen“ gesetzt wird, so umfaßt das, wie ich schon in der zweiten Lesung auseinander⸗ zusetzen mir erlaubt habe, die sämmtlichen derartigen Veräußerungs⸗ verträge, wie sie namentlich im städtischen Verkehr sehr häufig vorkommen und in gar keinem Zusammenhang stehen mit dem Familienverhältniß und der künftigen Erbfolge. Ich glaube, daß es deshalb trotz der Andeutung, die der Herr Abg. Klasing soeben gegeben hat, auch in Zukunft nicht vorkommen würde in städtischen Verhältnissen, daß man derartigen Verträgen, Kauf⸗ verträgen im gewöhnlichen Sinne des Wortes, eine Form geben würde, die sie äußerlich als Uebertragsverträge erscheinen ließe; eintretenden Falls würde aber immer noch zu prüfen sein, ob diese Form nicht lediglich zum Zwecke der Umgehung des Gesetzes gegeben wäre, um der Wohlthat der hier fraglichen Be⸗ stimmung theilhaftig zu werden. Die Bedenken, die der Herr Abg. Klasing in Bezug auf die Definition des Begriffs „Uebertrags⸗ verträge“ vorgebracht hat, sind meines Erachtens nicht von so erheb⸗ licher Bedeutung. Der Herr Abg. Klasing hat in zweiter Lesung selbst wörtlich gesagt:

„Es sei das ein Begriff des täglichen juristischen Lebens.“ Was darunter verstanden wird im gewöhnlichen Leben, das werden unsere Richter auch wohl zu erkennen vermögen. Nun findet sich aber eine Definition des Begriffs in dem Gesetz vom 1†¾ April 1860 über das eheliche Güterrecht in der Provinz Westfalen und den be⸗ nachbarten rheinischen Kreisen. Da lautet der § 3 Absatz 3: „Verträge, durch welche das gemeinschaftliche Vermögen ganz oder theilweise schon bei Lebzeiten der Eheleute in Rücksicht auf eine künftige Erbfolge abgetreten wird (Uebertragsverträge), können nur von beiden Eheleuten gemeinschaftlich geschlossen werden.“ Das ist eine Definition, die freilich nur in einem Spezialgesetz Auf⸗ nahme gefunden hat, die aber wohl auch für den Geltungsbereich des gegenwärtigen Gesetzes als maßgebend angesehen werden kann.

Wenn nun bei der Anwendung des Gesetzes von 1860 hier und da Zweifel entstanden sein mögen darüber, ob im einzelnen Falle ein Vertrag als Uebertragsvertrag anzusehen sei oder nicht, so sind diese Zweifel doch auch gelöst und durch die Gerichte entschieden worden. Wie die Schwierigkeiten dort überwunden sind, werden sie sich auch überwinden lassen, wenn es sich um die Anwendung des § 57 unseres Gesetzes handelt.

Aus diesem Gesichtspunkt, aber insbesondere auch mit Rücksicht auf die finanzielle Tragweite, der Sie doch ein etwas erheblicheres Gewicht beilegen wollen, als es bei den bisherigen Verhandlungen der Fall gewesen ist, möchte ich Sie dringend bitten, dem Antrage der Herren Klasing und Herold nicht zuzustimmen.

Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons.) war der Ansicht, daß die Ermäßigung sich nur bei dem Uebertragsvertrag rechtfertigen lasse. Er stimme mit der Regierung darin überein, daß nicht zu niedrige Gebühren erhoben werden dürfen; denn sonst müßte man die Steuer⸗ zahler heranziehen für die Ausfälle, welche dadurch entstehen.

Der Antrag des Abg. Klasing wurde darauf abgelehnt.

§ 63 der Vorlage bestimmt, daß Grundstücke, welche Ehe⸗ leuten gehören, als Grundstücke eines Eigenthümers zu betrachten und deshalb die Eintragungs⸗ und Löschungs⸗