der knappe und doch mächtige Stoff zu tiefster musikalischer Illustration
heraus. Eigentlich sind es nur zwei große Scenen, die uns vorgeführt werden, zwischen denen 30 Jahre liegen. Zwei Brüder, Johannes
und Mathias, angestellt im Kloster St. Othmar (Nieder⸗Oesterreich),
lieben Martha, die Nichte des Institiars. Diese erwidert die Zu⸗
neigung Mathias' und weist den heuchlerischen Johannes (Bariton:
ulf) energisch ab. Er rächt sich, indem er dem Vorgesetzten Mathias, dem Justitiar, von dem Verhältniß der beiden unde giebt. Zornig kündigt dieser sofort Mathias die
Stellung. Um von seiner Geliebten Abschied nehmen zu können,
bestellt er sie durch ihre Freundin Magdalene (Alt: Frau Goetze)
Nachts um 11 Uhr in eine entlegene Laube. Hier belauscht Johannes
die beiden, und sinnlos vor Grimm, zündet er die nahe Kirche an,
um den Verdacht auf Mathias zu lenken. Durch den Feuerlärm auf⸗
gescheucht, will Mathias fliehen. Bauern ergreifen ihn jedoch, und
da der Justitiar in der Anlegung des Brandes einen Racheakt sieht,
wird Mathias zu zwanzig Jahre schwerer Kerkerhaft verurtheilt.
Martha stürzt sich vor Verzweiflung in das Wasser. — Der zweite Akt spielt 30 Jahre sräter in Wien. Mathias, inzwischen aus der Haft entlassen, findet keine Arbeit und
wandelt, das Evangelium in der Hand, als „Evangelimann“ durch die Stadt. Hier trifft er Magdalena und sieht auch seinen Bruder auf dem Sterbebette wieder. In einer erschütternden Scene, durch die ein Hauch erhabener Religiosität geht, verzeiht Mathias dem Ster⸗
benden, während Kinder vor dem Fenster das ihnen von dem „Evan⸗
gelimann“ eingeübte Lied singen: „Selig sind, die Verfolgung leiden
um der Gerechtigkeit willen; denn ihrer ist das Himmelreich.“
Die musikalische Behandlung dieses Stoffs zeugt von boher Be⸗ gabung. Allerdings fehlt ihr ein eigenes, originelles Gesicht. Das athos der dramatischen Musik hat bei Kienzl nur wenig Nuancen,
wenn diese auch mit zwingender Gewalt das Herz ergreifen, wie die Erzählung des Mathias im zweiten Akt. Die Erfindung von Me⸗
lodien fließt spärlich, und ab und zu verdeckt eine dichte und schwere
Instrumentation nur einen kärglichen Kern, ja einmal — in
dem Liede „O schöne Jugendtage“, das Frau Goetze meister⸗
haft vortrug — nur Trivialitäten. Dafür erhebt sich aber die komische Volksscene im ersten Akt zu einer Höhe, an welche sich keine Einschränkung heranwagen darf. Wie das Schneiderlein Zitterbart (Tenor⸗Buffo: Herr Lieban) der Mittelpunkt allgemeiner Hänselei ist und schließlich in einem prächtigen Liede apostrophiert wird, das war musikalisch eine Leistung ersten Ranges. — Freilich wurde die Oper auch in einer Aufführung dargeboten, die dem König⸗ lichen Opernhause zur Ehre gereicht. Das Orchester dirigierte Herr Dr. Muck mit gewohnter Tüchtigkeit, und die Leistungen der Herren Bulß, Sylva, Lieban und Philipp, desgleichen die der Damen Pierson und Goetze regten das Publikum zu wärmsten Beifallsbezeugungen an. Alles in allem, es war ein Abend, der dem Hause und seinen Traditionen würdig entsprach. ““
Deutsches Theater.
Heinrich von Kleist's Schauspiel „Prinz Friedrich von
8 * ging am Sonnabend neu einstudiert in Secene. Die itelrolle batte. wie früher, Herr Kainz übernommen, der damit, wie in vergangenen Tagen, eine mächtige Wirkung erzielte. Der Darsteller verkörperte den schlafwandelnden jungen 38 der traumverloren und kühn nach Heldenruhm und zartem Liebesglück greift, die ihm aber erst nach einem leidvollen Gange an den tiefen Schatten des Todes vorbei zufallen sollen, mit ebenso feinfühliger wie leiden⸗ schaftlicher Empfindung. Von forgloser Daseinsfreude und ungestümer Liebessehnsucht ganz erfüllt war er in der Scene der Paroleausgabe, welcher er, wie geistesabwesend, nur mechanisch folgt Den höchsten Trumpf spielte der Künstler wieder in der nächtlichen Unterredung mit der Kurfürstin aus, als er zu ihren Füßen verzweifelnd um das Leben fleht, das er durch sein ungestümes Vorgehen in der Schlacht verwirkt hat. Das ursprüngliche, naive Schaudern vor dem Tode, der wilde Schrei des jungen Herzens nach der süßen Gewohnheit des Daseins ist kaum je ergreifender und menschlicher wiedergegeben worden. Neben dieser Leistung des Herrn Kainz konnte sich nur noch die des Herrn Nissen als Kurfürst vollwerthig behaupten. Die einfache, ungesuchte Majestät des Wesens stand in Harmonie mit dem Gefühl der Kraft, Gerechtigkeit und Milde, die aus seinen Worten sprachen. Der alte Kottwitz des Herrn Pittschau reichte bei weitem nicht an die prächtige Figur heran, die Herr Dr. Pohl seiner Zeit aus dem alten Haudegen schuf; es fehlte diesmal die Ursprünglichkeit des Wesens, welche die Vereinigung des bärbeißigen Aeußern mit dem kindlich weichen Gemüth so rührend erscheinen läßt. Frau Schmitt⸗ lein, welche die Kurfürstin gab, strebt stets nach Einfachheit und nach Natur, aber ihr Organ und ihre Begabung weisen sie mehr auf das bürgerliche Element im modernen Stil als auf das klassisch⸗ romantische hin. Fräulein von Lazar vermochte der liebenswürdigen Natalie von Oranien Anmuth, zarte Empfindung und auch Schelmerei
ombur
lichen Hilfsvereins (Vorsitzender: Wirklicher Ober⸗Konsistorial⸗
zu verleihen; aber in dem Zuspruch an ihren Helden, auch dem Tode als Sieger ins Antlitz zu sehen, vermißte man den Ausdruck des tiefen Schmerzes, der ihr in diesem qualvollen Augenblick nicht hätte fremd sein sollen. Auf die Besetzung der kleineren Rollen war nicht genügende Sorgfalt verwendet; es machte sich Unsicherheit und unklares Erfassen der darstellerischen Aufgaben bemerkbar.
Zentral⸗Theater.
Mit der Operette „Figaro bei Hof“ (⸗Roccocco“) von Bohr⸗ mann⸗Riegen, Musik von A. Müller⸗Norden, wurde unter artistischer Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königlichen Gärtnerplatz⸗Theater in München am Sonnabend Operetten⸗Saison erfolgreich eröffnet. Die Musik des bisher in Berlin unbekannten Werks ist durchweg ansprechend und temperament⸗ voll und genügt — namentlich in dem Uhren⸗, dem Walzer⸗ und dem Mondscheinlied, sowie in dem Harfenquintett — auch höheren Ansprüchen. Die außerordentlich geschmackvollen Dekorationen, die im zweiten Akt einen prächtigen, mit kunstvollen Springbrunnen geschmückten Gesellschaftssaal zeigen, erhöhten die Wirkung des Stücks, während der an die
Memoiren des französischen Dramatikers Beaumarchais anknüpfende
Text ziemlich dürftig ist. Nur durch eine große Zahl, zum theil allerdings guter Witze vermochte es den Zuschauer zu unterhalten und über die — Leere des Inbalts zeitweise hinwegzutäuschen. Recht lobenswerth war die Darstellung, bei welcher in erster Linie Herr Adolf Brakl als Beaumarchais hervortrat. Gut unterstützt wurde er durch die hier bereits bekannte Sängerin Päcfein Welden (als Gattin Beaumarchais') die durch ihren natürlichen Vortrag und ihre schöne Stimme gefiel. Als eine stimmbegabte und gut geschulte Künstlerin erwies sich ferner Fräulein Prossi in der Rolle der Prinzessin Adelaide. Viel An⸗ erkennung fand auch Frau Lechner für ihr humorvolles Spiel als komische Alte. Von den Mitgliedern des Zentral⸗Theaters wirkten die Herren Helmerding und Müller mit. Beiden gelang es durch maßvolles Spiel, die von ihnen dargestellten burlesken Figuren so an⸗ ziehend wie möglich zu gestalten. Das Orchester hielt sich gut, die Chorgesänge waren vortrefflich eingeübt. Darsteller, Komponist, Re⸗ gisseur u. s. w. wurden nach jedem Aktschluß reichlich mit Beifall
bedacht.
Im Königlichen Opernhause gelangt morgen Mozart's „Zauberflöte“ unter Kapellmeister Weingartner’s Leitung zur Auf⸗ führung. Herr Naval vom Frankfurter Opernhause setzt sein Gastspiel als Tamino fort. Die übrigen Rollen sind wie folgt besetzt: Pamina: Fräulein Hiedler, Sarastro: Herr Mödlinger, Königin der Nacht: Frau Herzog, Papageno: Herr Krolop, Papagena: Fräulein Dietrich, Drei Damen: Fräulein Kopka, Fräulein Rothauser, Frau Lammert, Drei Genien: Damen Weitz, Deppe, Goetze, Priester: Herren Fränkel, Philipp, Geharnischte: Herren Krasa, Krüger.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen zum Ge⸗ dächtniß Gustav Freytag's das Lustspiel „Die Journalisten“ gegeben. Die Aufführung wird mit einem von Otto Franz Gensichen gedichteten Prolog (gesprochen von Fräulein Poppe) eingeleitet. Frau Clara Meyer spielt die Adelheid. Die übrigen Hauptrollen werden von folgenden Personen gegeben: Conrad Bolz: Herr Keßler, Oberst Berg: Herr Klein, Ida: von Mavyburg, Piepenbrinck: Herr Oberländer, Lotte: Fr. Schramm, Oldendorf: Herr Nesper, Bellmaus: Herr Hertzer, Schmock: Herr Vollmer.
Herr Intendant Prasch, der neue Leiter des Besliner Theaters, versendet soeben die Abonnementseinladungen für die Spielzeit 1895/96. Eine Reihe von Werken namhafter deutscher Schriftsteller ist zur Aufführung bereits erworben worden. Meldungen zum Abonnement werden an den Wochentagen von 10 bis 2 Bureau des Theaters entgegengenommen.
Mannigfaltiges.
Der Berliner Lokalverein des Evangelisch⸗Kirch⸗ Rath D. Freiherr von der Goltz) hielt am Freitag im Landeshause seine fünfte Generalversammlung ab. Ueber die Thätigkeit des Vereins im letzten Jahre wurde Folgendes berichtet: Nachdem in der Linienstraße eine zwölfte Pflegestation errichtet worden ist, arbeiten in häuslicher Krankenpflege gegenwärtig 81 Diakonissinnen, die 11 ver⸗ schiedenen Mutterhäusern angehören; unterstützt werden sie von dienenden Schwestern des Johanniter⸗Ordens und von nach Bedarf berangezogenen Hilfskräften. Im letzten Jahre wurden in 1887 Familien 17 988 Tages⸗ und 3882 Nachtpflegen geleistet. Unter den Gepflegten waren 1910 Evangelische, 99 Katholiken und 46 Juden. Die Zahl der gepflegten Frauen (1626) übersteigt die der Männer (157) um das Zehnfache. Kinder unter 15 Jahren wurden 272 gepflegt. 688 Bitten um Hilfe konnten wegen Mangels an Kräften nicht befriedigt werden. Die Einnahmen des Vereins betrugen
eine kurze
Se Nℳ, 14 325 ℳ zahlten bezw. überwiesen Ihre Majestäten der aiser
staltung
kirchlicher
Veran⸗
speziell zur sammelte
die Kaiserin, 1000 ℳ 33 616 ℳ
Abendandachten,
die „Frauenhilfe“. Die Ausgabe überstieg bei 86 915 ℳ die Ein⸗
nahmen um 5981 ℳ.
10 000 ℳ wurden zu Beihilfen zu Gottes⸗
diensten, zur Gemeindediakonie und zu Besoldungen von Geistlichen
verwendet, 64 116 ℳ erforderten die Krankenpflegestationen.
Der
Bestand hat sich von 58 804 auf 52 823 ℳ verringert. Gemäß der Bestimmung Ihrer Majestät der Kaiserin hat der Verein außerdem noch Allerhöchste Zuwendungen in Höhe von 4800 ℳ vorgeschriebenen
wecken zugeführt. ewilligt.
Seiner
Für das laufende Jahr hat die Stadt 6000 ℳ
Eisenach, 4. Mai. In Gegenwart Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs, der Großherzogin und des Erbgroßherzogs, sowie
oheit des
Prinzen Bernhard von Sachsen⸗Weimar wurde
heute in feierlichster Weise das Luther⸗Denkmal hierselbst enthüllt, zu dessen Errichtung die Feier des 400 jährigen Geburtstags Dr. Martin
ein
Luther's, am 10. November 1883, den ersten Anstoß gab. Die Stadt geschmückt, nach dem Carlsplatz, auf dem das Denkmal steht. herzoglichen Herrschaften,
prächtiges Festzug hatten sich viele tausend Zuschauer eingefunden.
vom Bahnhof Für die Groß⸗ jubelnd begrüßt wurden, war worden. Zu dem großartigen Nach feier⸗
besonders die Straßen welche
Zelt errichtet
lichem Glockengeläute wurde der Gesang: „Ein' feste Burg ist unser Gott“ angestimmt; Archidiakonus Kieser hielt die Festrede. Nachdem
die der ein
auf
8
Friedenszeichen land bezeichnete.
Großherzogliche Großberzogliche Familie das
ülle gefallen, übernahm Ober⸗Bürgermeister Müller namens radt das Denkmal und gelobte dessen Schutz, indem er es als
und hehres Pfand für ganz Deutsch⸗ Dem mit Begeisterung aufgenommenen Hoch Haus folgte Gesang, worauf die von Donndorf geschaffene Denk⸗
mal in Augenschein nahm. Der Sockel des Monuments trägt
die Inschrift:
„Ein' feste Burg ist unser Gott“, und an dem
granitnen Untersatz ist zu lesen: Errichtet am Erinnerungstage der 9
88
Unkunft Luther's auf der Wartburg, 4. Mai 1895. Sockel stellen den großen Reformator in jüngeren Lebensjahren dar:
Die Reliefs am
als „Junker Jörg“, als Kurrendeschüler bei Frau Cotta, seiner Eisenacher Wohlthäterin, und endlich als Bibelübersetzer. — Nach⸗ mittags fand ein Ausflug nach der Wartburg und Abends in der „Erholung“ ein großes Festmahl statt. .
Laibach, 4. Mai. verliefen ruhig.
Der gestrige Tag und die folgende Nacht Heute früh 4 Uhr 20 Min. erfolgte ein schwacher
Erdstoß mit unterirdischem Geräusch.
Calais, Sangatte
ein Fischerboot umgeschlagen;
4. Maj. Infolge des Sturmes ist gestern bei dabei sind, dem
„W. T. B.“ zufolge, 9 Fischer ertrunken.
New⸗York, 4. Mai. Ein Zyklon verwüstete, laut Meldung des „W. T. B.“, 3 Meilen westlich von Siouxfalls die Gegend
vollständig und richtete auch in der Nähe von Siouxfalls Das Zentrum des Zyklons befand sich 45 Meilen nörd⸗
Schaden an. 3 lich. Man glaubt, daß 50 Personen getödtet seien.
großen
.
Beilegung der Streitfragen geeinigt haben. sche Ministerrath werde heute Vormittag sich endgültig
un
entscheiden und dann werde Baron Banffy bei
Nach Schluß der Redaktion eingegangene
Depeschen. 8
Budapest, 6. Mai. (W. T. B.) Wie das ,‚Ungarische Korrespondenzbureau“ erfährt, soll Baron Banffy gelegentlich seines gestrigen Besuchs bei dem Grafen Kälnokny sich mit diesem über die Art der Allerhöchsten Orts gewünschten gütlichen
gari
Der
der Beant⸗
wortung der Interpellation des Grafen Apponyi die nöthigen
Aufklärungen geben. etersburg, 6. Mai.
St.
(W. T. B.) Das „Journal
de St. Pétersbourg“ veröffentlicht ein Communiqué, nach welchem die Regierung Japans auf die freundschaftlichen Rathschläge Deutschlands, Frankreichs und Rußlands sich ver⸗ pflichtet, auf den definitiven Besitz der Halbinsel Liau⸗ tong zu verzichten.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
Wetterbericht vom 6. Mai 8 Uhr Morgens.
Wetter.
Stationen. V Wind.
in ° Celsius
50 C. = 40 R.
SSO SO
Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp red. in Millim Temperatur
wolkenlos heiter wolkig wolkig wolkenlos wolkenlos wolkenlos
Belmullet .. Aberdeen.. Christiansund SO Kopenhagen. NS Stockholm. aranda. N oskau... NNO Cork, Queens⸗ v . .. NNO Cherbourg. N heiter sver. wolkenlos E1Iö“” 1 wolkenlos Hamburg.. 2 wolkenlos Swinemünde 3 beiter Neufahrwasser 3 wolkenlos Memel.. heiter aris.. bedeckt Münster... wolkenlos Karlsruhe. wolkenlos Wiesbaden halb bed. München 767 heiter Chemnitz .. 772 wolkenlos Berlin... 74 heiter Wien 771 stih wolkenlos Breslau .. 774 1 wolkenlos
Fle d'Aix . 767 NO 5 vedectk ä162 9 4 bedeckt Triest 768 still bedeckt Uebersicht der Witterung.
Der höchste, 779 mm übersteigende Luftdruck liegt über Skandinavien, gegenüber einer Depression unter 760 über dem westlichen Mittelmeer. Dem⸗ entsprechend wehen über Zentral⸗Europa schwache bis frische westliche Winde, unter deren Einfluß die Temperatur meistens gestiegen ist. In Deutschland ist das Wetter warm und nahezu wolkenlos; nennens⸗ werthe Niederschläge werden nicht gemeldet. Fort⸗ dauer der warmen sonnigen Witterung ist wahr⸗
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771 766 768
Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 115. Vorstellung. Die Zauberflöte. Oper in 2 Akten von Wolfgang Amadeus Mozart. Dichtung nach Karl Ludwig Giesecke, von Emanuel Schikaneder. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor Brandt. Dirigent: Kapellmeister Weingartner.
Anfang 7 ½ Uhr. 121. Vorstellung. Zum Ge⸗
Schauspielhaus. dächtniß an Gustav Freytag. Prolog von b e
Franz Gensichen, gesprochen von Frl Poppe. Journalisten. Lustspiel in 4 Aufzügen von Gustav Freytag. Regie: Herr Keßler. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Opernhaus. 116. Vorstellung. Der Evangelimann. Musikalisches Schauspiel in 2 Aufzügen, nach einer von Dr. Leopold Flor. Meißner erzählten wahren Begebenheit, von Wilhelm Kienzl. Anfang 7 ½ Uhr.“
Schauspielhaus. 122. Vorstellung. Der Revisor. Lustspiel in 5 Aufzügen von Nicolay Gogol, deutsch von Elsa von Schabelsky. Anfang 7 ½ Uhr.
Deutsches Theater.
Dienstag: Prinz Friedrich von Homburg. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Das Lumpengesindel. 8 Donnerstag: Die Weber. 8
Berliner Theater. Dienstag: Madame Saus⸗ Gene. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Zum ersten Male: Die Ehre. Schau⸗ spiel in 4 Akten von Hermann Sudermann. Donnerstag: Die Lästerschule.
Lessing⸗Theater. Dienstag: Madame Boni⸗ vard. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Madame Bonivard.
Donnerstag: Der Herr Senator.
Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25/26. Dienstag: Der Obersteiger. Operette in
Kapellmeister Ferron. Ermäßigte Preise der Plätze. Anfang 7 ½ Uhr. v11“
Mittwoch: Der Obersteiger.
Neues Theater. Schiffbauerdamm 4a./5. Dienstag: Im Forsthause. Schauspiel in 4 Akten von Richard Skowronnek. — Vorher: Tausend Küsse. Lustspiel in 1 Akt. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Zum ersten Male: Die zweite Frau. (The second Mrs. Tanqueray.) Schauspiel in 4 Akten von A. Pinero. Deutsch von Carl Lindau. Donnerstag: Die zweite Frau. (The second Mrs. Tanqueray.)
Freitag: Demi⸗Monde.
Sonnabend: Zum ersten Male: Ein Husaren⸗ streich. — Hierauf: Die zweite Frau.
Residenz⸗-Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Dienstag: Fer⸗ nand’s Ehekontrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗ arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch und folgende Tage: Fernand’s Ehekontrakt.
Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. — Dienstag: Mit voll⸗ ständig neuer Ausstattung: Rund um Wien. ent nin 07 Ballet in 9 Bildern von Franz
aul und A. M. Willner. Musik von Josef Beyer. Der choreographische Theil von Josef Haßreiter. Dirigent: Herr Kapellmeister Baldreich. — Vorher: Dorothea. Operette in 1 Akt von Jaques Offen⸗ bach. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Rund um Wien. — Dorothea.
Zentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard Schultz. — Dienstag: Zum vierten Male: Unter artistischer Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königl. Gärtnerplatz⸗Theater in München: Figaro bei Hof. (Roccocco.) Operette in 3 Akten (nach Beaumarchais' Memoiren) von Bohrmann⸗Riegen. Musik von Alfred Müller⸗ Norden. Anfang 7 ½ Uhr.
Adolph Ernst⸗Theater. Letzte Woche. Diens⸗ tag: Madame Suzette. Vaudeville⸗Posse in 3 Akten von Ordonneau. Musik von Edmond Audran. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Madame Suzette. 1 Sonntag Nachmittags 3 Uhr: Bei halben Kassen⸗ preisen: Charley’s Tante.
Verlobt: Olga Gräfin Komaroffskv mit Hrn
Sec.⸗Lieutenant Victor von Pelken (Spandau).
Verehelicht: Hr. Kammer⸗Rath Emil Jonas mit
Frl. Hulda Pulvermacher (Berlin). — Hr. Theo⸗
dor Baron Drachenfels mit Frl. Anna von
Schwerin (Wustrau). — Hr. Sec. Lieutenant Hans
Frhr. von Seydlitz⸗Kurzbach mit Frl. Agnes
Bellair (Ortelsburg).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Georg Frhrn. von Stein (Brieg). — Eine Tochter: Hrn. Prem.⸗Lieutenant Friedrich Karl Frhrn. von Wechmar (Leobschütz). — Hrn. ee.e⸗ von Heinneccius (Berlin). — Hrn. Hauptmann
ranz von Drygalski (Homburg v. d. H.). — rn. Hauptmann Goebel (Berlin).
Gestorben: Hrn. von Waldenburg's Tochter Lenchen (Würben). — Hr. Rechnungs⸗Rath Alexander Niegel (Breslau). — Verw. Fr. Postdirektor Elisabeth Wilscheck, geb. von Foris (Glatz). — Hr. Pastor Heinrich Rudolf Ewald von Zittwitz (Scheidelwitz). — Verw. Fr. Justiz⸗Rath Horst, Pb. Polluge (Breslau). — Hr. Prem.⸗Lieutenant Otto Graf von Westarp (Lugano). — Verw. Fr.
Schulte
General⸗Superintendent Rogge, geb.
(Altenburg).
Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.
Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.
Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. 3 Acht Beilagen
(einschließlich Börsen⸗Beilage), (806 ⅜)
und die Gewinnliste der fünften Prämien⸗ Kollekte 1895 zur Wiederherstellung und
3 Akten von L. Held und M. West. Musik von
scheinlich. Deutsche Seewarte.
Carl Zeller. Regie: Herr Unger. Dirigent: Herr
Mittwoch: Figaro bei Hof.
8 1““
Freilegung
Freiburg in Baden.
Familien⸗Nachrichten.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗
des Freiburger Münsters in
Z
“ den Beginn der Sitzung ist am Sonnabend berichtet worden. 2
Nachdem das Haus in dritter Lesung die drei ersten Paragraphen des Gesetzentwurfs, betreffend die privatrecht⸗ lichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt an⸗ genommen hatte, kam zu § 4, die Haftpflicht der Schiffseigner ö ein Antrag des Abg. Dr. Stephan⸗ Beuthen (Zentr.) zur Berathung, wonach der von der Kom⸗ mission vorgeschlagene Zusa zu dem § 4 der Regierungs⸗ vorlage, daß der Schiffseigner für den durch fehlerhafte Führung des Schiffs entstandenen Schaden ausschließlich mit Schiff und Fracht haftbar ist, es sei denn, daß Böswilligkeit 698 — wieder gestrichen werden soll.
Lb1u6“ bes eüfh beantragt sodann ge⸗ denselben als jeder zuriftischen Lasr embehnm fon Löu“ Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Nieberding: Mieine Herren! Ich bin dem Herrn Abg. Dr. Stephan sehr dankbar für die Ausführungen, die er dem hohen Hause gemacht hat. Ich würde auch ohne diese Anregung Veranlassung genommen haben, nochmals zurückzukommen auf die Bedenken, die ich bereits in der zweiten Lesung die Ehre hatte dem Hause vorzutragen gegenüber der Bestimmung, die die Kommission in § 4 der Vorlage aufgenommen hat. Ich habe aber nicht die Absicht, auf alle die Bedenken, die ich in der zweiten Berathung entwickelt habe, nochmals ein⸗ zugehen. Ich fühle mich nur verpstichtet, um einem Mißverständniß zu begegnen, welches sich ergeben könnte, falls von diesem Tisch aus bei der dritten Berathung geschwiegen würde, das Wort ausdrücklich zu nehmen, und zwar dem Mißverständniß zu begegnen, als wenn die verbündeten Regierungen gegenüber den Beschlüssen des Hauses in der zweiten Lesung geneigt seien, mit ihren Bedenken zurückzutreten; das ist nicht der Fall. Meine Herren, im Gegentheil, ich habe die Verpflichtung, dies ausdrücklich zu konstatieren, und ich komme dabei einem Wunsch aus dem Schoß des Bundesraths nach, daß die verbündeten Regierungen dringend wünschen müssen, daß der in der Kommission in der zweiten Berathung beschlossene Zusatz nach dem Antrage Dr. Stephan nachträglich aus der Vorlage wieder beseitigt werde. Die verbündeten Regierungen können die Ver⸗ antwortung dafür nicht übernehmen, daß mit ihrer Zustimmung in den Verhandlungen bezüglich der Haftung für schuldhaftes Verhalten auf diese Weise auf dem Gebiete des Binnenschiffahrtsrechts ver⸗ schiedene Grundsätze statuiert werden, daß außerdem eine Rechts⸗ ungleichheit geschaffen wird zwischen demjenigen, was im See⸗ verkehr, und demjenigen, was im Flußverkehr gilt, und daß endlich eine ähnliche Rechtsungleichheit geschaffen wird zwischen dem⸗ jenigen, was als Folge eines Verschuldens auf dem Lande und als Folge des Verschuldens innerhalb des Schiffsverkehrs auf den Strömen eintreten soll. Und das, meine Herren, in einer Zeit, in der wir be⸗ müht sind, unser geltendes deutsches Recht von seinen Verschieden⸗ heiten zu befreien und überall Ausgleichung zu schaffen! In dieser Zeit soll dieses hohe Haus die Initiative ergreifen, um neue Verschiedenheiten in unser Recht hineinzu⸗ tragen; das kann ich nicht annehmen. Die verbündeten Regierungen wollen die Verantwortlichkeit hierfür jedenfalls nicht tragen. Ich bitte Sie im Namen der verbündeten Regierungen dingend, nach dem Vorschlag des Herrn Dr. Stephan zu verfahren und den in der zweiten Berathung acceptierten Vorschlag der Kom⸗
mission in der dritten Berathung abzulehnen.
Abg. Placke (nl): Ich bitte, den Kommissionsbeschluß an⸗ zunehmen. Derselbe entspricht den Zwecken des praktischen Lebens, stt auch in der Kommission wohl erwogen worden und ist das Produkt eines in der Kommission geschlossenen Kompromisses.
Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Ich bitte, dem Vorschlage des Abg Dr. Stephan gemäß zu beschließen, da ein entgegengesetzter . eschlus die hce fetun eines allgemein anerkannten Rechtsgrundsatzes edeuten würde.
Abg. Metzger (Soz.): Ich bitte, es bei dem Kommissions⸗ beschluß zu belassen. Wird derselbe gestrichen, so bliebe uns nichts
übrig, als dem Schiffer zu rathen, die Führung des Schiffs irgend
einem mittellosen Mann anzuvertrauen, um so der in der Bestimmung liegenden Ungerechtigkeit zu entgehen.
Abg. Dr. Freiherr von Langen (dkons.): vwerden für den Kommissionsbeschluß stimmen.
Bei der Abstimmung wird darauf zunächst der Zusat der Kommission und sodann mit demselben der S ange⸗ nommen.
Die §§ 5 bis 22 werden ohne Debatte angenommen. — Zu § 23 beantragt der Abg. Gerisch (Soz.), daß den Schiffsarbeitern eine sechsstündige Nachtruhe gewährleistet 1de. und daß an Sonn⸗ und Feiertagen auf den in Fahrt efindlichen Schiffen nicht gearbeitet werden dürfe.
g Abg. Schall (dkons.): Meine Partei ist stets ganz besonders für die Einführung der Sonntagsruhe im Schiffergewerbe eingetreten. Ceden falls hoffen wir, daß der § 23 nicht die Auslegung finden wird, daß ein Schiffer seinen Leuten den Kirchenbesuch am onntag ver⸗ sagen könne.
gag Ahg. Dr. Meyer⸗Halle (fr. Vg.): Nicht nur die Konservativen, endern alle Parteien ohne Ausnahme sind für die Einführung der Fonntagsruhe eingetraten. Man hat das aber bisher aus praktischen
ücksichten nicht durchführen können. Der Antrag Gerisch 128 nicht die nöthige Unterstützung.
Meine Freunde
8 Darauf werden die §§. 23 bis 52 ohne Erörterung na n Vorschlägen der Kommission Fi es sder Zu § 53 wird auf Antrag des Abg. Bassermann (nl.) r Zusatz heschlossen: 8 „Der Frachtführer ist nicht berechtigt, das Liegegeld von mehreren mfängern gleichzeitig an demselben Tage mehrfach zu fordern.“ wie Den ersten Absatz des § 60 beantragt Abg. Gamp (Rp.) efolgt zu fassen: gebi De Zentralbehörde des Bundesstaats oder bei mehrere Bundes⸗ u5 berührenden Wasserstraßen der Bundesrath ist befugt, für ise Güter anzuordnen, daß für ein Mindergewicht oder Minder⸗ dicht vdei losen Gütern und Sackgetreide, das ein Halb vom Hundert seiht übersteigt, der Frachtführer nicht verantwortlich sein soll, es enn, daß ihm ein nachweisbares Verschulden zur Last fällt.
5
Deutschen Reichs⸗Anz
E111““
Erste Beilage
Berlin, Montag, den 6. Mai
Die Abgg. Gamp (Rp.) und Roesicke (b. k. F.)” empfehlen den Antrag mit dem Hinweis, daß er das Interesse 8. Barmvf hin⸗ S Ser
er Abg. Metzger (Sosz.) bekämpft ihn, indem er ausführt, da die Schiffer häufig böswilligen Schädigungen durch bereihreeda6 Manipulationen der Verfrachter ausgesetzt seien.
Der Antrag Gamp wird angenommen. nah Die §§ 61 bis 78 gelangen süen unverändert zur An⸗
me.
Zu § 79 (große Havarie) ist von dem Abg. Geris (Soz.) ein Antrag gestede wonach ein Irrthum in der Mich des nicht als Verschulden gelten solle.
bg. Dr. Hahn (nl.): Ich möchte mit einigen Worten diesen Antrag, der uns von der sozialdemokratischen Partei unterbreitet worden ist, unterstützen. Soviel ich gesehen habe, stützt er sich auf eine Petition, die uns aus Schifferkreisen in Alsleben zugegangen ist. Die Ausführungen dieser Petition, daß es oft seine großen Schwierig⸗ keiten habe, auf den Gewässern des Binnenlandes mit Schiffen zu verkehren und den der Schiffahrt drohenden Gefahren bei aller Sorg⸗ falt immer glücklich zu entgehen, machen durchaus den Eindruck, daß es sich wirklich so verhält, und daß die Lage der Schiffer während der Fahrt manchmal eine außerordentlich schwierige ist. Ich bitte diese Schwierigkeiten zu berücksichtigen und den beantragten Zusatz zu § 79 anzunehmen. 8 Gelheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Hoffmann weist darauf hin, daß der Antrag die Prinzipien der Vorlage hinsichtlich der Haftbarkeit des Schiffseigners durchbreche, worauf der Antrag ab⸗ gelehnt wurde.
Der Antrag Gerisch wird abgelehnt, § 79 unverändert angenommen.
In der Gesammtabstimmung wird darauf das Gesetz an⸗
genommen; desgleichen en bloc das Gesetz über die Flößerei.
Das Haus erledigte demnächst ohne Debatte eine Reihe von Petitionen (Besteuerung des Saccharins, Abänderungen des Vieh⸗ seuchengesetzes und der Arbeiterversicherungsgesetze) den Kommissions⸗ anträgen gemäß theils durch Uebergang zur Tagesordnung, theils durch Ueberweisung als Material. Eine Petition wegen Ausdehnung des Gesetzes über die Gewerbegerichte wird, soweit sie die Hand⸗ Inc ge h fen betrifft, dem Reichskanzler zur Erwägung überwiesen.
Bei der Anberaumung der nächsten Sitzung beantragt Abg. Richter (fr. Volksp.), auch die Prüfung der Wahl des Abg. von Dziembowski noch vor der Berathung der Umstnrzvorlage auf die Tagesordnung zu setzen.
Abg. von Staudy (dkons.) widerspricht diesem Vorschlage. In der Provinz Posen sebe man der Entscheidung über diese Waßl mit dem größten Interesse entgegen, man dürfe diese Angelegenheit nicht kurzer Hand erledigen, ehe alles Material dafür vorhanden sei.
Uebrigens werde voraussichtlich der Antrag der Kommission nicht di Billigung des Hauses finden. g ssion nicht die
Präsident Freiherr von Buol nimmt die Prüf 1 stehenden Wahl gleichwohl in die Cööö “
Abg. v. Staudy (dkons.) beantragt, sie abzusetzen, und erhebt zugleich Zweifel an der Beschlußfähigkeit des Hauses.
Die Auszählung ergiebt die Anwesenheit von 102 Ab⸗ geordneten. Das Haus ist demnach nicht beschlußfähig. Es verbleibt hiernach bei dem Vorschlag des Präsidenten.
Schluß der Sitzung 4 Uhr.
Preußischer Landtag.
Haus der Abgeordneten. 62. Sitzung vom Sonnabend, 4. Mai.
Ueber den Beginn der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.
Es wurde zunächst die erste Berathung des Gesetz⸗ entwurfs wegen Bereitstellung von fünf Millionen Mark für die Herstellung von Arbeiter⸗ und Be⸗ amtenwohnungen in Staatsbetrieben fortgesetzt.
Minister für Handel und Gewerbe Freiherr Berlepsch:
Meine Herren! Ich möchte mir gestatten, mit wenigen Worten das Interesse darzulegen, welches die Königliche Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung an dem vorliegenden Gesetzentwurf hat. Die Wohnungsverhältnisse der fiskalischen Berg⸗ und Hüttenarbeiter sind diesem hohen Hause ja aus den alljährlichen Etatsberathungen ziem⸗ lich geläufig; wir haben uns alljährlich über die Frage der Ge⸗ währung von Darlehen und Prämien für Bauten an Bergarbeiter unterhalten. Auch finden in dem Bericht, der Ihnen all⸗ jährlich von der Bergverwaltung erstattet wird, die Wohnungs⸗ verhältnisee der Arbeiter eine Darstellung, sodaß ich wohl sagen darf, daß in dieser Beziehung eine Lücke in den Motiven des Gesetzentwurfs nicht vorhanden ist. Trotzdem erlaube ich mir hier noch auf einige Punkte, besonders auch mit Rücksicht auf Aeußerungen, die in diesem hohen Hause gefallen sind, einzugehen. Der erste Herr Redner zur Vorlage hat ein ganz besonderes Gewicht darauf gelegt, daß die fiskalischen Arbeiter ein Eigenthum an dem Haus bekommen sollen. Er hat die Vorzüge eines solchen Eigenthums warm geschildert, und ganz gewiß wird niemand in diesem hohen Haufe sein, der die Vorzüge des Eigenbesitzes nicht vollauf anerkennt, der, um mit dem Herrn Abg. Bueck zu sprechen, auch in dieser Beziehung sich nicht ein Ideal machte und am liebsten dieses Ideal verwirklicht sehen möchte. Die Wirklichkeit, meine Herren, gestattet indessen die Ausführung eines solchen idealen Zustandes, wie ich glaube, selbst im Interesse der Arbeiter nicht. Es würde nicht angezeigt sein, unter allen Verhältnissen darauf hinzuwirken, dem Arbeiter ein eigenes Haus an seiner Arbeitsstätte zu schaffen. Denn das kann garnicht verkannt werden, daß mit dem Hausbesitz zu gleicher Zeit eine Gebundenheit eintritt, und für den Fall, daß die Arbeit nicht mehr eine lohnende dort ist, daß die Kunjunkturen sich ver⸗ schlechtern, der Arbeiter genöthigt wird, sich eine andere Arbeitsstätte zu suchen, kann dieses Haus, was ihm als eine Wohlthat zugedacht ist, ihm leicht eine empfindliche Last werden. (Sehr richtig!) Also überall werden wir mit diesem System jedenfalls nicht vorgehen können. Dagegen bin ich allerdings der Meinung, daß an dem System, welches die Bergwerksverwaltung bisher festgehalten hat, für einen Stamm ihrer ständigen Arbeiter eigene Häuser zu schaffen, fernerhin festgehalten werden soll, und der Gesetzentwurf bietet, wie
von
bekannt, auch die Möglichkeit dazu, indem die Summe, die verlangt
eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
1895.
wird, auch verwendet werden soll zur Gewährung von Prämien und Darlehen zu Häuserbauten an die Arbeiter, wie wir das am entwickeltsten bis jetzt im Saarbrücker Bezirk durchgeführt haben. Im Saarbrücker Bezirk sind seit einer längeren Reihe von Jahren im Ganzen 5600 eigene Häuser der Bergleute gebaut worden, und damit ist das Woh nungsbedürfniß von etwa 50 % der in der Nähe der Arbeitsstätten wohnenden Arbeiter befriedigt worden. Meines Erachtens ein recht erheblicher Prozentsatz! 85 Lhe.
Wir werden wohlthun, im Saarbrücker Bezirk mehr dos System der Gewährung von Prämien und Darlehen zu befolgen und mit den Miethshäusern mehr an anderen Stellen, wo das Bedürfniß sich zeigt vorzugehen. In der Bergwerksverwaltung wird ein solches Bedürfniß namentlich in den Salzwerken in Staßfurt zu Tage treten. Dort ist die Seßhaftmachung der Arbeiter mit eigenem Hause außerordentlich erschwert durch die hohen Preise, die für den Grund und Boden ver⸗ langt werden. Wir würden dort kaum mit dem System der Gewährung von Darlehen erhebliche Erfolge erreichen können, und deshalb hat auch die fiskalische Verwaltung bisher sich darauf beschränken müssen, eine Zahl von Wohnhäusern, welche an die Arbeiter vermiethet werden, zu errichten. Es bestehen für die Staßfurter und Schönebecker Belegschaft, die etwa 12⸗ bis 1500 Mann stark ist, bisher nur 60 Wohnungen — gegenüber der starken Belegschaft ein nur kleiner Satz. Wir werden nunmehr in die angenehme Lage kommen, wenn das hohe Haus diesem Gesetzentwurf zustimmt, aus den hier gewährten Mitteln die Miethshäuser
für die Staßfurter und Schönebecker Belegschaft erheblich zu ver⸗ mehren. Es ist eine außerordentliche Nachfrage danach; wir haben also nicht zu fürchten, daß die Häuser leer stehen, und ganz besonders wird ein Bedürfniß sich zeigen, wenn mit der neu geplanten Tiefbau⸗ anlage bei Tarthun, die demnächst in Angriff genommen werden wird, zu gleicher Zeit die Nothwendigkeit sich ergeben wird, neue Arbeiter für diese Anlage zu werben. Dort finden sich Wohnungsgelegenheiten bisher nicht, und es wird der fiskalischen Verwaltung die Aufgabe obliegen, an dieser Stelle eine Anzahl von Wohnungshäusern für Arbeiter zu schaffen.
Auch für Oberschlesien würde es sich empfehlen, eine Reihe solcher an Arbeiter zu vermiethender Häuser zu bauen. Das System der Gewährung von Prämien und Darlehen hat in Oberschlesien bis jetzt leider einen sehr geringen Umfang erreicht. Ich glaube zugeben zu sollen, daß das nicht ganz ohne Schuld der Verwaltungen geschehen ist, die zu scharfe Bedingungen gestellt hat für die be⸗ treffenden Arbeiter, die sich ein eigenes Haus bauen wollten. Wir sind neuerdings von diesen Bedingungen abgegangen, haben sie gemildert, und es hat sich gezeigt, daß dadurch erhöhte Nachfrage nach Darlehen und Prämien eingetreten ist, und darf darauf gerechnet werden, daß das so weiter geht. Die dortigen Verwaltungen haben auch eine Reihe von Häusern zur Vermiethung an Arbeiter bereitgestellt. Diese Häuser aber sind, wenigstens zum größten Theil, nicht zu dem Zweck gebaut, um Alrbeitern Wohnung zu geben, sondern sie haben angekauft werden müssen, weil sie auf Terrain liegen, wo Kohlen gewonnen werden sollten. Diese Häuser haben zum theil durch den Bergbau gelitten, nachher aber ihre Ständigkeit wieder gewonnen. So ist aus diesen für Arbeiter⸗ wohnungen nicht bestimmten Häusern nachträglich eine Reihe von Wohnungen entstanden, die ich nicht zu den rühmlichsten Beispielen der Fürsorge für die Arbeiter rechnen kann. Sowohl bei der Königs⸗ grube mit einer Belegschaft von etwa 3600 Mann wie auch bei der Königin Luisengrube von etwa 8600 Mann wird reichlich Gelegen⸗ heit sein, aus dem Fonds eine Wohlthat für unsere Arbeiter zu erweisen.
Weniger stark wird das Bedürfniß in den übrigen siskalischen Bergbaubetrieben sein am Deister, Osterwal bei Ibbenbüren und im Harz. Dort ist ja, wie bekannt, die arbeitende Bevölkerung größtentheils eigen angesessen; wo das aber nicht der Fall ist, werden wir auch dort nunmehr in der Lage sein, entweder mit dem System der Gewährung von Prämien und Darlehen etwas schärfer vorzugehen wie bisher, oder in geeigneten Fällen — das wird sich z. B. möglicher⸗ weise in der Stadt Klausthal⸗Zellerfeld zeigen — mit der Errichtung von Miethshäusern für die Arbeiter vorzugehen.
Für die Bergverwaltung ist ein ganz besonders dringendes Bedürfniß aber die Schaffung von Wohnungen für die niederen Beamten, die in der That, namentlich in Oberschlesien, mit der Beschaffung ihrer Wohnungen in einer außergewöhnlich schwierigen Lage sind. Auch in Saarbrücken fehlt es für die niederen und mittleren Beamten an geeigneten Dienstwohnungen. In Saarbrücken haben wir nur etwa 54 % unserer Unterbeamten, die jetzt Dienstwohnungen haben, und dort wird es ganz besonders wünschenswerth sein, ihnen die Gelegenhei der Wohnungen in der Nähe ihrer Betriebsstätten zu verschaffen, und so glaube ich denn behaupten zu dürfen, daß auch für die fiska⸗ lische Berg⸗ und Hüttenverwaltung neben dem bisher verfolgten System der Gewährung von Prämien zu eigenen Bauten auch die Errichtung von Miethshäusern für Arbeiter und Beamte einen sehr günstigen Erfolg haben wird.
Von einem der Herren Vorredner ist ein leiser Tadel dahin aus⸗ gesprochen worden, daß die Bedenken hier erst in zweiter Reihe ge⸗ nannt werden, — ich glaube, es war der Herr Redner von der frei⸗ konservativen Partei. Meine Herren, das liegt ganz sicher nicht daran, daß wir etwa der Meinung wären, für unsere Beamten weniger sorgen zu müssen wie für unsere Arbeiter, sondern es findet dies meines Erachtens einen ganz erklärlichen Grund darin, daß das Haupt⸗ bedürfniß, der größte Theil der Summe, für die Arbeiterwohnungen ausgegeben werden wird und nur ein kleiner Theil für die Beamten.
Nun gestatte ich mir, noch auf einige Bemerkungen kurz ein⸗ zugehen, welche die Herren Vorredner zur Vorlage gebracht haben. Es ist unter anderm auch die Besorgniß nicht als maßgebend be⸗ zeichnet, oder doch gestreift worden, daß durch die Errichtung dieser Wohnungen ein erhöhter Zuzug von Arbeitern aus ländlichen Ver⸗ hältnissen in die Städte stattfinden könnte. Das kann meines Er⸗
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achtens in keiner Weise eintreten; das kann wohl der Fall sein,