wenn Privatindustrien sich neu etablieren oder erheblich ver⸗ größern, dann kann man davon sprechen, daß die Errichtung von guten Wohnungen neben dem größeren Verdienst ein Zu⸗ strömen von Arbeitern veranlasse. Aber die fiskalischen Betriebe müssen an der Stelle sein, wo sie sind, sie vermehren sich nicht beliebig einer Konjunktur zu liebe; die fiskali⸗ schen Betriebe, die hier in Frage stehen, müssen die betreffende Zahl von Arbeitern haben, ob in einer eigenen Wohnung oder nicht, und deshalb kann meines Erachtens der vermehrte Zuzug von Arbeitern in die Städte unmöglich stattfinden, weil diese staatlichen Betriebe für ihre Arbeiter eine bessere Wohnungsgelegenheit geben. 8 Für den Bergbau gar kommt die Frage des Zuzugs in die Städte überhaupt nicht in Betracht. Sie wissen alle, daß unsere Betriebsstätten sehr zerstrrut im Lande liegen, zum theil in einsamer Gegend. Also dieser Gesichtspunkt kann meines Erachtens hier nicht in Frage kommen und keine Besorgniß für die ländlichen Verhältnisse begründen. . 1
Nun ist auch die Frage der Fürsorge für die unverheiratheten Arbeiter gestreift. Der Herr Abg. Büeck hat bereits erwähnt, daß⸗ es große Schwierigkeiten hat, die unverheiratheten Arbeiter in di Kasernen oder Schlafhäuser, wie wir sie nennen, zu bringen, und hat auch zugleich meines Erachtens den richtigen Grund bezeichnet: der jugendliche Arbeiter zieht es vor, sich frei bewegen zu können, sich nicht der Ordnung in den Schlafhäusern unterzuordnen, und deshalb geht er lieber in schlechtere Kost und schlechtere Wohnung als in die gut eingerichteten Schlafhäuser. Ich bedaure das, meine Herren; wenn man auch zugeben muß, daß der unver⸗ heirathete Arbeiter unter Umständen in einer ordentlichen Familie besser wohnt als in einem Schlafhause, weil ihm die Theilnahme am Familienleben gewährt werden kann, so muß man andererseits doch erwägen, daß es leider nicht immer die ordentlichen Familien sind, zu denen die unverheiratheten Arbeiter ihre Zuflucht nehmen, und ich möchte den Gedanken gar nicht abweisen, ob nicht ein gewisser Zwang in dieser Beziehung unter Umständen doch recht wohlthätig wirken könnte. Ich werde diese Frage fortgesetzt im Auge behalten.
Nun hat Herr Bueck darauf hingewiesen, daß er ursprünglich eine gewisse Besorgniß gehabt habe, daß der Staat vielleicht zu luxurios bauen könnte, hat aber bereits zugegeben, daß nach den Er⸗ läuterungen, die hier gegeben worden sind, diese Besorgniß abgeschwächt und geschwunden ist. Ich glaube, diese Besorgniß kann in keiner Weise begründet sein; denn die Absicht, eine Verzinsung, wenn auch nur eine mäßige, aus dem Bau dieser Häuser zu erzielen, hindert es schon absolut, daß man luxuriöse Wohnungen baut; jede Stube mehr vertheuert die Wohnung, und wir würden gar nicht in die Lage kommen, die Miethspreise so hoch zu normieren, daß eine Verzinsung eintritt, wenn wir luxuriös bauen wollten. Die Frage der Kosten für eine Arbeiterwohnung ist ja für die ganze Monarchie nicht leicht zu beantworten. Die verschiedenen Preise von Löhnen, Grund und Boden, Baumaterialien geben verschiedene Faktoren zur Preisberechnung, und so werden die Kosten für den Haus⸗ bau verschieden sein. In der Bergverwaltung hat man berechnet, daß ein Zweifamilienhaus durchschnittlich etwa 10 200 ℳ kostet; es würde also hier die Wohnung für eine Familie 5100 ℳ kosten. Bei einem Vierfamilienhaus sinken diese Kosten bereits pro Wohnung auf 4500 ℳ, und beim Achtfamilienhaus auf 4000 ℳ Es ist also er⸗ sichtlich und auch begreiflich, daß die Wohnungen, je angenehmer sie sind, desto theuerer werden, daß je mehr Familien man in ein Haus bringen kann, desto billiger das Wohnen wird.
Nun wird man ja auch hier das Ideal nicht aus den Augen lassen und, wo die Verhältnisse das gestatten, dem Zweifamilienhaus den Vorzug geben müssen. Es ist nach unserer Erfahrung das voll⸗ kommenste, was wir auf dem Gebiet der Arbeiterwohnungen haben. Es hat alle Vortheile des Einfamilienhauses, weil beide Wohnungen durch eine Mauer querdurch geschieden werden können und jede Woh⸗ nung andererseits einen besonderen Eingang hat. Man vermeidet dabei das Zusammenwohnen zu vieler Haushaltungen in einem Gebäude und die Benutzung der gemeinsamen Einrichtungen durch zu viele Personen. Man wird der Kosten wegen nicht dazu übergehen können, für jede Haushaltung eine besondere Waschküche zu bauen, sondern man wird diese Einrichtung für mehrere Familien gemeinsam machen können. Ueber das Achtfamilienhaus sollte man nicht hinausgehen; da würde mit einem Kostenaufwand von 4000 ℳ pro Wohnung eine sehr günstige Anlage erwirkt werden können. Also vor der Gefahr, daß der Staat zu luxuriös bauen wird, bewahren ihn meines Erachtens seine eigenen Interessen, und ich glaube nicht, daß in dieser Beziehung irgendwelche Befürchtungen zu hegen sind.
Nun hat der Herr Abg. Bueck in der Einleitung seiner Be⸗ merkungen und viele Redner aus dem Hause überhaupt die allgemeine Bedeutung der Wohnungsfrage hervorgehohen, und ich kann nur meiner ganz besonderen Freude Ausdruck geben, daß dieser Krebs⸗ schaden von allen Seiten erkannt wird und die Bereitwilligkeit aus⸗ gesprochen wird, ihr abzuhelfen. Hier im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um eine, wenn ich sie so nennen soll, staats⸗ sozialistissche Maßnahme, sondern es handelt sich ganz einfach um die Verpflichtung des Arbeitgebers seinem Arbeit⸗ nehmer gegenüber, — um die Erfüllung einer Verpflichtung, die namentlich die gut situierte Privatindustrie bisher unzweifelhaft in viel vollkommenerer Weise erfüllt hat wie der Staat seinen Arbeitern gegenüber. Wir haben bisher in einer gewissen Beschränkung gelebt, weil die Ausgaben für die Wohnungen der Arbeiter immer in Ver⸗ bindung gesetzt wurden zu dem finanziellen Resultat der betreffenden Betriebsanlagen. Wenn die Einnahmen aus den betreffenden Betrieben nicht günstig waren, so wurde eingehalten mit den Ausgaben für solche
Wohlfahrtseinrichtungen, — für solche nothwendigen Wohlfahrtseinrich⸗ tungen, wie es der Bau von Arbeiterwohnungen ist. Durch diese Vorlage, meine Herren, werden wir in Zukunft in die Lage versetzt, ohne Rücksicht auf die finanziellen Erträgnisse der einzelnen Werke für jeden fiskalischen Arbeiter in der angegebenen Weise eine Wohnung zu schaffen, und von diesem Gesichtspunkt halte ich die Annahme des Gesetzentwurfs für nöthig, für eine außerordentliche Wohlthat für die Arbeiter der fiskalischen Betriebe. (Bravo!)
Das Haus beschloß hierauf, die Vorlage einer Kom⸗ mission von 14 Mitgliedern zu überweisen.
Es folgte die erste Berathung des Gesetzentwurfs über die Verpflegungsstationen.
Zur Begründung der Vorlage nahm das Wort
Geheimer Regierungs⸗Rath Trott zu Solz:
Auch die Gegner
der Verpflegungsstationen erkennen an, daß diese eine große sozial⸗ politische e haben. Das Landstreicherthum hat in den letzten Jahren einen großen Umfang angenommen, und mit dem. Strafgesetz allein, mit Polizeimaßregeln ist der Sache nicht bei⸗ zukommen. Eine nicht geringe Anzahl der Arbeitslosen, welche auf der Landstraße zu treffen sind, sind aus wirklicher Noth hinausgetrieben. Es kommt darauf an, diese gefährdeten Exi⸗ stenzen vor dem Untergang zu retten. Dazu dienen die Ver⸗ pflegungsstationen, welche zugleich als Arbeitsnachweisstellen dienen
sollen. Die bisherigen Erfahrungen mit den Verpflegungsstationen Leider sind die Stationen, welche aus
sind sehr günstig gewesen. 1 1 freiwilligen Beiträgen erhalten wurden, in Gefahr, einzugehen. Dies zu verhindern und gleichzeitig eine Verbesserung in der ganzen Organisation durchzuführen, bezweckt die gegenwärtige Vorlage. Durch eine Verbindung der einzelnen Stationen mit einander hoffen wir den Arbeitsnachweis auf eine Höhe zu bringen, welche der Arbeitslosigkeit einen erheblichen Abbruch thäte. Wenn die mittellos Wandernden die Einrichtungen der Stationen benutzen können, wird der Richter den Arbeitsuchenden leichter von dem Bettler trennen können. Ich glaube, 8 die Bestimmungen, in denen festgelegt ist, aus welchen Gründen Arbeitslosen die Aufnahme in die Verpflegungsstationen ver⸗ weigert werden kann, sehr gute Erfolge haben werden. Der Vorwurf des Bureaukratismus kann der Vorlage nicht gemacht werden. Sie stellt nur die allgemeinen Grundzüge fest, die einzelne Ausführung kann verschieden geregelt werden. Wir hoffen auch, daß die Männer, die bisher freundlich der Sache sich unterzogen haben, weiter helfen werden. Den verschiedenartigen Verhältnissen kann bei Einrichtung der Stationen reichlich Rechnung getragen werden. Das Bedürfniß nach Verpflegungsstationen ist ja auch außerordentlich verschieden: im Westen ist eine viel größere Zahl derselben nöthig als im Osten. Deshalb ist in dem Entwurf die Entscheidung über Einrichtung von Stationen in die Hand des Provinzialraths gelegt. Die Kosten glaubten wir am richtigsten durch Theilung zwischen den Kreisen und aufbringen zu sollen. Die Kosten sind nach genau ange⸗ tellten Ermittelungen auf ungefähr zwei Millionen zu berechnen. Als übermäßig sind sie nicht zu bezeichnen, wenn man bedenkt, auf wie viel Kreise und Provinzen sie sich vertheilen und wie viel Millionen alljährlich an Vagabunden und Bettler durch die Privatwohlthätigkeit weggegeben werden. Es besteht zur Zeit allerdings eine große Abneigung dagegen, neue Gesetze zu machen. Hier handelt es sich aber nicht um Einfüh⸗ rung einer neuen Organisation vom grünen Tisch aus, es handelt sich darum, eine schon bestehende Organisation zu erhalten. Die Wander⸗ bettelei und Vagabondage wird auch mit diesem Gesetze nicht aus der Welt geschafft werden, aber eingeschränkt wird sie werden, was auch der Beachtung wohl werth ist.
Abg. Brütt (fr. kons.): Bislang sind die Kosten der Ver⸗ pflegungsstationen von der Freiwilligkeit getragen worden. Wenn die Kreistage die Uebernahme abgelehnt haben, so geschah es nicht aus übelangebrachter Sparsamkeit, sondern weil sie der Anschauung sind, daß die Stationen nicht den Segen bringen, von dem die Ver⸗ pflegungsstations⸗Enthusiasten sprechen. Diese Abneigung ist hervor⸗ gegangen aus unmittelbarer Anschauung, die mehr werth. ist als unkontrolierbare Statistiken. Es ist unmöglich, es dem Einzelnen anzusehen, wie die Bestimmung des § 1 lautet, ob er mittellos, arbeitslos und geneigt ist, sich außerhalb seines Wohnorts eine Arbeitsstelle zu suchen. Wenn die Vagabunden nicht einbegriffen werden, so wird der Zweck, das Landstreicherthum einzuschränken, nicht erreicht werden. Bedenken erregt auch die Bestimmung, daß derjenige mit Haft bestraft werden soll, der sich weigert, eine Arbeit zu übernehmen. Wie will man das ausführen? Welches Personal gehört zur Kontrole? Daß niemand ohne Papiere aufgenommen werden darf, schützt guch nicht vor dem Eindringen unberufener Elemente; denn falsche Papiere sind scheffel⸗ weise zu bekommen. Meine politischen Freunde werden unter keinen Umständen für die §§ 1, 9 und 10 stimmen, und wir sind auch mit einzelnen Ausnahmen dagegen, daß das Verpflegungsstationswesen staͤatlich geregelt wird. Das Gesetz benachtheiligt sowohl die ansässigen Arbeiter durch das größere Angebot, wie auch die Arbeitgeber, weil der Arbeiter sich jederzeit auf die Verpflegungsstation zurückziehen kann. Anstatt dieses Gesetzes wäre eine Erweiterung der Dotationen an die Provinzen zu empfehlen, die dann die Aufgaben der Verpfle⸗ gungsstationen in die Hand zu nehmen hätten. Ich beantrage Ueber⸗ weisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern.
Abg. von Tzschoppe (fr. kons.): Man findet unter denen, welche die Verpflegungsstationen aufsuchen, die ganze Stufenleiter von Arbeits⸗ losen vertreten, von dem jungen Handwerksgesellen, dem zum ersten Mal die Arbeit gekündigt worden ist, bis zum verdorbenen Vagabunden, der sich der Arbeit ganz entzogen hat. Die Behauptung, daß die ge⸗ werbsmäßigen Vagabunden das Hauptkontingent zu den Gästen der Verpflegungsstationen stellen, ist durchaus unrichtig. Nach zehnjährigen Erfahrungen kann ich bestätigen, daß die Verpflegungsstationen das richtige Mittel sind, den Würdigen zu helfen, den Unwürdigen mit Strenge entgegenzutreten; aber nur, wenn sie richtig eingerichtet sind. Die Organisation der Verpflegungsstationen ist eine verschiedenartige und weicht häufig in Hauptgrundsätzen voneinander ab. Die Ver⸗ pflegungsstationen sind das geeignete Mittel, das Landstreicherthum zu bekämpfen. Eine Unterstützung der mittellosen Wanderer ist nach der bisherigen Gesetzgebung ausgeschlossen. Wenn das Verpflegungs⸗ stationswesen gesetzlich eingeführt wird, dann kann auch eine Ver⸗ schärfung der Bestrafung von Bettlern und Vagabunden eintreten. Die Vorlage bildet eine geeignete Basis zur Verständigung. Die Verpflegungsstationen müßten möglichst mit Arbeitsnachweis verbunden werden. Wie wichtig das ist, beweist die Thatsache, daß die Sozial⸗ demokraten, die in den Fachvereinen einen Arbeitsnachweis haben, am schnellsten Arbeit finden. Gerade in der heutigen Zeit würde es ein Unrecht sein, ein Werk sozialer Hilfe scheitern zu lassen in einem Augenblick, wo die wirthschaftlich ungünstige Lage so viele Arbeitslose geschaffen hat. 1 —
Abg. Seyffardt⸗Magdeburg (nl.): Haben wir gleich einige Bedenken bezüglich der Vorlage und wünschen deshalb eingehende Prüfung in der Kommission, so ist uns der Gedanke derselben doch sympathisch, und die Sache scheint mir so wichtig, daß wir die ein⸗ zelnen Bedenken mit in den Kauf nehmen wollen. Schon seit einer ganzen Reihe von Jahren hat sich eine Bewegung geltend gemacht, die darauf ausgeht, den wandernden Leuten Hilfe und Verpflegung zu schaffen. Diese Wanderer sind aber nicht mit Vagabunden identisch, wie eine veraltete de g annimmt, obgleich die Vagabunden mit inbegriffen sind.é Die Zahl solcher Wanderer wurde für ganz Deutschland vor 15 Jahren auf ca. 200 000 geschätzt. Im allgemeinen giebt es zwei Kategorien von solchen Wanderern. Die erste, die sich aus allen Berufsarten rekrutiert, umfaßt Leute, die noch nicht verdorben sind, aber nicht Energie genug besitzen, an einem Orte dauernd zu arbeiten, bei denen dann as. die Lust zum Wandern oder die Hoffnung auf bessere Erfolge anderwärts hinzukommen. Die zweite Kategorie umfaßt Leute, die allmählich heruntergekommen sind. Beide Kategorien verdienen die Beachtung aller christlich und human Denkenden. Der Zweck der Vorlage ist es ja nun gerade, die ihnen zu gewährende Hilfe zu organisieren. Für die erste Kategorie genügt eine vorüber⸗
ehende Verpflegung, während die zweite Kategorie in guten Anstalten
Feit finden muß, sich auf sich selbst zu besinnen und sich zu bessern. Somit bleiben, wenn auch nach der Vorlage die Landstreicher und des Landstreichens Verdächtige ausgeschlossen sind, doch noch viele übrig, die der Hilfe bedürfen. Die Erfahrung lehrt, daß da, wo Männer mit dem Herzen auf dem rechten Fleck an der Spitze standen, die Verpflegungsstationen unendlich viel Segen gebracht haben. Nur wo sie etwa den Polizeidienern überlassen oder bureau⸗ kratisch verwaltet wurden, ging es nicht gut. Jetzt ist der Moment da, wo eine Aenderung von Grund aus geschaffen werden kann. Der Entwurf bedeutet eine hochwichtige Phase der Entwicklung des Ver⸗ pflegungswesens. Er fordert, daß die Verpflegungsanstalten der Zu⸗ kunft bessere seien als die der Vergangenheit. Auf die einzelnen Punkte der Vorlage schon jetzt näher einzugehen, halte ich für über⸗ flüssig, da wir für die Ueberweisung an eine Kommission sind.
Abg. Schilling Ceaba Ich bin mit einem großen Theile meiner Fraktion in Uebereinstimmung, indem ich der Ansicht bin, daß
legenheiten nichts zu schaffen haben.
die Vorlage uns einen Rahmen zur weiteren Ausgestaltung des Verpflegungswesens giebt. Es fragt sich nur, wie solches am zweck⸗ mäßigsten anzufangen ist. In einzelnen Gegenden, wo die alten Verpflegungsstationen bestehen, hat die Bettelei that⸗ sächlich abgenommen; aber so geht es nicht weiter, denn die Stationen funktionieren ungleich, und viele können sich überhaupt nicht mehr halten. In zwei Jahren sind 152 Stationen eingegangen. Darum müßten wir der Regierung für den Versuch danken, die Sache neu zu regeln, wenn die Vorlage, wie gesagt, auch zunächst nur einen Rahmen bildet. Die Bettelei auf dem Lande hat in den letzten Jahren wesentlich zugenommen; daher haben wir keine Zeit, die Sache aufzuschieben. Der Staat hat die Pflicht, den unverschuldet in Noth Gerathenen zu helfen. Der Hauptgrundsatz der Vorlage ist nach § 1 der, daß in den Verpflegungs⸗ stationen die Gewährung nur gegen Arbeitsleistung erfolge. Aber wie denkt man sich das, und welche Arbeiten sollen die Leute verrichten? In den Städten mag es ja, wenn auch nicht immer ganz leicht, so doch möglich sein, stets Arbeit zu schaffen, auf dem Lande ist das aber rein unmöglich. —
Abg. von Waldow kkons.): Die bisherigen Verpflegungs⸗ stationen haben, wie behauptet wird, in einzelnen Gegenden die Va⸗ gabondage verdrängt, in anderen groß gezogen. Ich möchte sagen, die Vagabondage ist durch sie zentralisiert worden. Diejenigen Stationen, in denen Legitimationen verlangt werden, werden von den Vaga⸗ bunden sorgfältig umgangen, die anderen dafür überschwemmt. Von den praktischen Schwierigkeiten ist die wichtigste die Besetzung des Stationsvorsteherpostens, weil davon das Gedeihen der Stationen abhängig ist. Die zweite Schwierigkeit liegt in der Be⸗ schaffung der Arbeit. Die bisherigen Stationen machen keinen Unter⸗ schied zwischen Vagabunden und sonstigen Bedürftigen; das neue Gesetz schließt Erstere aus, das ist ein richtiger Gedanke von sozialer Bedeu⸗ tung. Ich habe aber Bedenken, ob dann solche Stationen überhaupt in Preußen nöthig sind. Auf dem Lande erfolgt die Arbeitsentlassung
nicht ohne Verschulden und überhaupt nicht in großem Maße. Dieses
ist nur bei der städtischen Industrie der Fall, und wir auf dem Lande, die wir solche Leute überhaupt gar nicht bei uns haben wollen, müssen sie noch verpflegen und unterstützen! Die unverschuldeten Armen werden durch die Armenverwaltung versorgt, nur die durch eigenes Verschulden kommen zu uns. Wenn sie nun gute Verpflegung erhalten, wird sich ihre Zahl bedeutend vermehren. Was aber wird in Zukunft aus den Vagabunden? Sie werden die neuen Stationen natürlich umgehen und trotz der Gendarmen eine furchtbare Landplage werden. Wir stimmen gleichfalls für Kommissionsberathung.
Abg. Stöcker (kons.): Die alten Verpflegungsstationen sind aus dem Geiste persönlicher, christlicher Liebe heraus gegründet worden; es erscheint bedenklich, sie jetzt in bureaufratische Institute umzu⸗ wandeln. (Sehr richtig!) Es geht schon jetzt mit ihnen abwärts. Viele werden bankerott, weil das Netz dieser Stationen ein zu engmaschiges ist. Man hat versucht, den Uebelstand des Wanderns zu organisieren; Uebelstände aber lassen sich nicht organisieren. Es ist den Leuten zu leicht gemacht, dem Wandertriebe, der uns Deutschen schon seit der Völkerwanderung inne wohnt, zu folgen. Dennoch haben die alten Verpflegungs⸗ stationen vermocht, das Vagabondieren einzuschränken und wirklich Bedürftigen Hilfe zu bringen. Nun soll diese persönliche christliche Barmherzigkeit verstaatlicht werden. Die Arbeitslosigkeit stammt, wie der Herr Vorredner richtig hervorhob, aus den Städten. Es wäre un⸗ gerecht, Berlin von der Leistung für die Arbeitslosen zu befreien, es wird aber hoffentlich angehen, in der Kommission Mittel zu finden, es zu Leistungen heranzuziehen. Zwischen den Arbeiterkolonien, die das erste Er⸗ forderniß sind, um der Arbeitslosigkeit zu steuern, müßten kleine Zwischenstationen liegen, die dem Wanderer kleine Erfrischungen bieten, damit sie ihre Wanderung fortsetzen können. Der Arbeits⸗ nachweis lag bisher zumeist in den Händen Privater, jetzt haben ja auch manche Kommunen einen Arbeitsnachweis eingerichtet. Den stärksten Arbeitsnachweis hat die sozialdemokratische Partei in den Gewerkschaften, die ihn dazu benutzt, nur Genossen in Arbeit zu bringen und andere zu verdrängen. Nun sollen die Stationen mit einem Arbeitsnachweis verbunden werden. Ich sehe noch nicht ein, wie das gemacht werden soll. Jedenfalls aber handelt es sich um eine soziale Frage von Wichtigkeit. Wenn der Staat für die Wandernden einen Arbeitsnachweis einrichtet, ist es nicht möglich, das denen zu versagen, die am Ort bleiben, sie sind der Theilnahme noch mehr würdig. Je mehr wir aber in der sozialen Entwicklung fortschreiten, desto weniger Leute werden gezwungen sein, zu wandern, um sich Arbeit zu suchen. Jedenfalls ist in der Vorlage sehr viel Nützliches enthalten, darum bitte ich um Kommissions⸗ berathung.
Abg. Freiherr von “] (Zentr.): Die Ideen des Ge⸗ setzes sind Fin und sehr schön. Man will denen Schutz bieten, die Arbeit suchen, und zugleich die Bevölkerung vor Vagabunden schützen. Es fragt sich aber, ob dies durch das Gesetz in entsprechender Weise erreicht wird. Da muß ich sagen: Nein. Herr Stöcker sprach schon von einer Verstaatlichung der christlichen Liebe. Der Ausdruck hat mir sehr gefallen. Durch die Fürsorge der christlichen Liebe sind zahlreiche Anstalten entstanden, die sich der der Fürsorge Bedürfenden annehmen und auch für ihre religiösen Bedürfnisse sorgen. Das ist von evangelischer wie katholischer Seite eschehen. Allerdings sind die Anstalten nicht so zahlreich, daß die
anderer in einem Tage von einer Anstalt zur anderen wandern können. Deshalb hielt man Perofe . für notbwendig. Die Erfahrungen, die man mit denselben gemacht hat, sind sehr verschieden. Schon die Leitung einer solchen Station ist sehr schwierig; es giebt wenig Leute, die die dazu nothwendigen Eigen⸗ schaften in sich vereinigen. Auf den Stationen soll der Aufent⸗ halt durch Arbeit verdient werden. Bei kleinen Stationen wird es sehr schwierig sein, geeignete Arbeitsgelegenheit zu finden. Be⸗ trunkene sollen nach dem Gesetzentwurf von den Stationen ausge⸗ schlossen werden, trotzdem es doch für solche gerade gut wäre, wenn sie die Nacht ordentlich zubrächten. Noch verschiedene Bedenken habe ich gegen die Vorlage. Könnte man die Verpflegungsstationen mit den Arbeiter⸗ kolonien verbinden, dann könnte man etwas leisten. Jedenfalls müßte man die Einrichtung der Stationen den Provinzen überlassen. Die
rovinzialverwaltungen sind viel besser im stande, die Sache zu über⸗ ehen und zu überwachen als der Staat. Eine gewisse Oberaufsicht des Staats könnte dabei auch stattfinden. Wir wollen sehen, ob wir nicht in der Kommission statt eines Heeinggeiehe der christlichen Liebe aus der Vorlage ein vernünftiges praktisches Gesetz machen können.
Abg. e von Erffa (kons.): Ich gebe zu, daß die Ver⸗ hältnisse im Osten und Westen sehr verschieden sind, glaube aber, daß dort, wo die Verpflegungsstationen gut geleitet wurden, sie auch gute Erfolge aufzuweisen haben. Wir sind in unserm Kreise seit Beginn der wirthschaftlichen Depression nach dem Milliardenschwindel von arbeitslosen Wanderern überschwemmt worden, haben deshalb sehr bald Verpflegungsstationen eingerichtet. ee ist, daß alle Auf⸗ genommenen Arbeiten leisten müssen. Und wir haben immer Arbeits⸗ gelegenheit gehabt, vor allem haben wir die Leute mit Holz⸗Sägen und „Zerkleinern beschäftigt. Den Arbeitslosen Arbeit zu geben, ist barmherziger, als ihnen Almosen zu geben. Das Haupterforderniß der Stationen ist ein guter und intelligenter Stationsvorsteher, derk den Bummler von dem wirklichen Arbeitsuchenden unterscheidet. Eine Verschärfung der Strafen für Vagabundage ist unter allen Umständen nützlich. Aber ich bin in dieser Beziehung Pessimist, seitdem selbst der früher Minister von Puttkamer die Einführung einer mäßigen Prügel⸗ strafe gegen renitente Korrigenden in den Besserungsanstalte⸗ als nicht mehr zeitgemäß abgelehnt hat. Sollte dar Gesetz nicht zu stande kommen, 5 würde mein heimathlicher Kreis, und ich glaube auch die ganze Provinz Sachsen, die Ver⸗ pflegungsstationen weiter erhalten. Zu den Kosten der Verpflegungsk⸗ stationen müßten die großen Städte, namentlich Berlin, herangezogen werden. Berlin müßte vor allem den Ukas zurücknehmen, daß im Winter nur die einheimischen Arbeiter Arbeit bekommen sollen, aber nicht die Zuwanderer. Das wäre zweckmäßiger als sich mit po⸗ litischen Fragen zu beschäftigen, die eigentlich mit kommunalen Ange⸗ (Heiterkeit rechts.) Ich hoffe,
(78912]
daß der Entwurf in der Kommission die Verbesserungen erfährt, die nöthig sind. Ich bitte Sie, ihn nicht unter den Tisch fallen zu lassen.
Abg. von Bockelberg (kons.) sprach sich gegen die Vorlage aus. In den Verpflegungsstatiöonen sei die Arbeitsleistung in den Hinter⸗, die Verpflegung aber in den Vordergrund getreten. Er halte es für das Zweckmäßigste, die Arbeiterkolonien zu vermehren, und dorthin alle Wanderer zu dirigieren. Er hoffe, daß sich aus der Vorlage etwas Gedeihliches, wenn auch nicht in diesem Jahre, so doch in den nächsten Jahren, entwickeln werde.
Abg. Freiherr von Zedlitz (fr. kons.) hielt den Zeitpunkt noch nicht für gekommen, in die Verpflegungsstationen von Staatswegen generalisierend und schablonisierend einzugreifen. Auf diesem Gebiet müsse möglichst spezialisiert werden. Es dürfe nicht reglementiert werden, auch dürfe der Staat nicht die Aufsicht führen. Die Provinz solle die Regie über die ganzen Verpflegungsstationen übernehmen. Wenn man zugleich eine mäßige Erhöhung der Provinzialdotationen eintreten lasse, dann werde die Provinz in der Lage sein, nach Be⸗ dürfniß Verpflegungsstationen einzurichten. Der Entwurf müsse in dieser Richtung geändert werden. 3
Die Debatte wurde nunmehr und der Entwurf
weine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.
Damit war die Tagesordnung erschöpft.
Schluß gegen 3 ½ Uhr. “
Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr (Antrag Letocha wegen
Ermäßigung der Frachten für oberschlesische Montanprodukte; Petitionen). 1“
Statistik und Volkswirthschaft.
Analphabeten unter den Eheschließenden in Preußen. (Stat. Korr.) Im Jahre 1893 befanden sich unter den 248 348 männlichen bezw. weiblichen Personen, welche im preußischen Staate die Ehe schlossen, 9800, und zwar 3764 männliche und 6036 weibliche Analphabeten. Diese vertheilten sich auf 8072 (= 32,5 v. T. aller) Eheschließungen derart, c in 1728 Fällen (= 7,0 v. T.) beide Eheschließende, in 2036 Fällen (= 8,2 v. T.) nur der Mann und in 4308 Fällen (= 17,3 v. T.) nur die Frau die Heirathsurkunde mangels Schulbildung nicht durch ihre Namensunterschrift zu voll⸗ ziehen vermochten. Vom Tausend der Neuvermählten desselben eligionsbekenntnisses waren Analphabeten von den unter den Männern Evangelischen 11,4 öö 49,7 sonstigen Christen .. D““ 5,1 6,6 Bei allen Bekenntnissen kommen hiernach unter den neuvermählten Frauen Analphabeten häufiger vor als unter den Männern, doch ist der Unterschied bei den Juden verhältnißmäßig geringfügig, bei den ‚sonstigen“ Christen d. h. den Herrnhutern, Baptisten, Mennoniten, Apostolisch⸗Katholischen u. s. w. dagegen etwas größer als bei den Evangelischen. Auffallend ist die hohe Analphabetenziffer der Katholiken. Unter 1000 in die Ehe getretenen Männern waren durchschnittlich 15,2, unter 1000 Frauen 24,3 Analphabeten. Gruppiert man die Neuvermählten nach ihrem Alter, so waren unter je Tausend Analphabeten 4 im Alter von unter 20 Jahren.. 20o bis 30 4 30 „ 40 9 60 550 . 89 69 „ 11.““ 412,3 Wenn auch manche der in höherem Lebensalter stehenden Analphabeten einst schreiben gelernt, diese Fertigkeit aber späterhin eingebüßt haben mögen, so zeigen die vorstehenden Zahlen doch den großen Fortschritt, der auf dem Gebiet der Volksschule eingetreten ist. Bei den vorzeitigen Eheschließungen von Männern unter 20 Jahren allein ist die Analphabetenziffer erheblich größer als die der nächsten beiden Altersgruppen, sogar höher als die der in gleichem Alter stehenden Frauen. 8
unter den Frauen
— 2. unter den Männern 26,2 191 12,5 35,4
82,8
unter den Frauen
— 5
Zur Arbeiterbewegung.
In Breslau befinden sich die Lederzurichter der Firma Johann Harf im Ausstand; als Grund wird im „Vorwärts“ an⸗ zegeben, daß die Forderungen der Arbeiter: zehnstündige Arbeitszeit und eine kleine Lohnerhöhung, nicht bewilligt worden seien. Ferner sind die Weißgerber der Firma Hasenstein in Breslau ausständig.
Aus Stettin wird demselben Blatt berichtet, daß der Aus⸗ stand der dortigen Steinsetzer nach einer Dauer von 13 Monaten nunmehr beendigt ist. Die Arbeiter sollen alle ihre Forderungen durchgesetzt haben; namentlich wurden der frühere Lohnsatz und ein Zuschlag von 25 % für Ueberstunden bewilligt.
In Harburg stellten sämmtliche am Tage beschäftigten Arbeiter der Oelfabrik von Heins u. Asbeck (Aktiengesellschaft) die Arbeit ein. Sie fordern, wie der „Vorwärts“ mittheilt, Erhöhung des täg⸗ lichen Lohns von 2,45 ℳ auf 2,85 ℳ für die auf dem Hofe be⸗ schäftigten Arbeiter und Erhöhung des Lohns von 2,85 ℳ auf 3,15 ℳ für die an den Pressen Arbeitenden.
Aus Verviers schreibt man der „Köln. Ztg.“ unter dem 4. d. M.: Der staatliche Arbeits⸗ und Gewerberath veranlaßte die Bildung eines aus Arbeitgebern und Fadnern bestehenden Einigungs⸗ ausschusses. Wenn -. Einigung bis Montag nicht zu stande kommt, wollen auch die Arbeiter sämmtlicher Kammgarnspinnereien den Ausstand be
Aus Charleroi meldet „W. T. B.“: Der Anfang April aus⸗ gebrochene Theilausstand der Glasarbeiter ist im Abnehmen. Eine rößere Zahl der Ausständigen hat die Arbeit wieder aufgenommen.
an erwartet, daß der Ausstand in 14 Tagen beendet sein wird.
In Amsterdam ist der Ausstand der dortigen Diamant⸗ arbeiter, der über ein halbes Jahr gedauert hatte, am letzten Donnerstag zu Ende gegangen. Die Arbeit wurde, wie der „Köln. Ztg.“ berichtet wird, am Freitag in allen Diamantfabriken wieder aufgenommen.
Aus Bilbao wird dem „Wolff'schen Bureau“ weiter gemeldet, daß der Ausstand der Bergarbeiter in Arboleda beendet und die Ordnung vollkommen wiederhergestellt ist. (Vgl. Nr. 107 d. Bl.) Die Mitglieder des sozialistischen Comités, die in Bilbao verhaftet worden waren, sind wieder in Freiheit gesetzt worden.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks 8 — 8 8 öö EET 8
An der Ruhr sind am 4. d. M. gestellt 10 870, eitig aee⸗ n8 . g nicht recht erschlesien sind am 3. d. M. gestellt 3918, ni . zeitig gestellt keine Wagen. “
““
— Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis 30. April d. J. 18 784 5000 ℳ 3 ½ %, 21 567 300 2 4 %, 45 699 900 ℳ 4 ½ %, 9 707 100 ℳ 5 % alte Pfandbriefe und 8 015 900 ℳ 3 ½ % neue, zusammen 103 774 700 ℳ Pfandbriefe aus⸗ gegeben worden, wovon noch 15 788 400 ℳ 3 ½ %, 11 721 600 ℳ 4 %, 12 247 500 ℳ 4 ½ % und 2 137 800 ℳ 5 % alte Pfandbriefe und 8, 015 900 ℳ 3 ½ % neue, zusammen 49 911 200 ℳ Pfandbriefe von den Grundstückseigenthümern zu verzinsen sind. Angemeldet zur Be⸗ leihung in Neuen Berliner Pfandbriefen sind bis 30. April d. J. 65 Grundstücke mit einem Feuerversicherungswerthe von 11 590 600 ℳ Zugesichert, aber noch nicht abgehoben sind 7 809 300 ℳ
— In der Generalversammlung der Aktionäre der Berlinischen Lebens⸗Versicherungs⸗Gesellschaft vom 4. d. M. wurde der wegen Ablaufs seiner Amtsperiode ausscheidende Direktor E. Has⸗ linger wiedergewählt. Die Gewinn⸗ und Verlustrechnung sowie das Bilanz⸗Konto wurden genehmigt und die Direktion entlastet. Der Antrag auf Abänderung der Verfassungsartikel 11, 21, 22, 35 und 39, sowie auf Abänderung des Theils II des Geschäftsplans wurde Enn flchtsrath .
— Der Aufsichtsrath der Frankfurter Lebens⸗Versicherungs⸗ Gesellschaft hat veücfesßn der auf den 22. Mai d. J. ö Generalversammlung der Aktionäre die Vertheilung einer Dividende von 10 ½ % der Einzahlung, gleich 9 ℳ für jede Aktie für das Jahr
1894 vorzuschlagen; im Vorjahre kam der gleiche Betrag zur Ver⸗
theilung. 8
— In der Generalversammlung der Westdeutschen Ver⸗
sicherungs⸗Aktien⸗Bank in Essen vom 4. d. M. wurde der Geschäftsbericht erstattet. Der Geschäftsumfang ist wieder gestiegen und die Brandschäden haben einen geringeren Betrag erfordert, sodaß sich ein verfügbarer Ueberschuß von 200 259 ℳ ergiebt. Die am Jahresschlusse in Kraft befindliche Versicherungssumme betrug 1 475 179 249 ℳ, die Prämien⸗Einnahme 2 253 418 ℳ, die erstere ist also gegen das Vorjahr um 75 562 710 ℳ, die letztere um 96 439 ℳ gestiegen. Die Brandschäden erforderten für eigene Rechnung den Betrag von 547 374 ℳ gegen 717 224 ℳ im Jahre 1893 und 747 865 ℳ im Jahre 1892. Die Anträge der Verwaltung auf Genehmigung des Abschlusses, Verwendung des Ueberschusses und Ertheilung der Ent⸗ lastung wurden angenommen und die Dividende von 10 % = 60 ℳ auf die Aktie sofort zahlbar gestellt.
Nach dem Rechenschaftsbericht der Aktien⸗Gesellschaft für Spinnerei und Weberei an der hohen Mark bei Oberursel beträgt der Ueberschuß des Jahres 1894 52 502 ℳ (im Vorjahre 43 036 ℳ Verlust). „Nach Abzug der statutarischen Ab⸗ schreibung von 21 830 ℳ (im Vorjahre 41 149 ℳ) verbleiben 30 671 ℳ, welche von dem Verlustsaldo des Vorjahres von 224 894 ℳ abzusetzen sind; es verbleibt dann ein Verlustrest von 194 222 ℳ; laut Beschluß der außerordentlichen Generalversammlung vom 12. De⸗ zember 1894 tatt hinzu. eine besondere Abschreibung von 429 142 ℳ, sodaß der Gesammtverlust⸗Vortrag 623 364 ℳ beträgt. — Gesponnen wurden 2 533 548 Pfund englisches Garn Nr. 17,25 (im Vorjahre 2 287 872 Pfd. Nr. 16,81). Der Ueberschuß betrug auf Waaren⸗ Konto 446 063 ℳ (im Vorjahre 338 515 ℳ) und auf Logis⸗Konto 2006 ℳ, denen die Betriebsspesen mit 395 566 ℳ (im Vorjahre 383 190 ℳ) gegenüberstanden.
— Der Frkf. Ztg.“ wird aus Basel gemeldet: die Jahres⸗ rechnung der Schweizerischen Zentralbahn ergiebt, nach Ein⸗ lage von 150 000 Fr. (gegen 140 000 Fr. im Jahre 1893) in den Reservefond, einen Reingewinn von 3 005 642 Fr. (1893 2 717 534 Fr.), wovon 2 750 000 Fr. als Dividende von an- gleich 27,5 Fr. für jede Aktie (1893 5 %) vertheilt werden, während der Gewinnvortrag von 217 534 Fr. auf 255 642 Fr. erhöht wurde. rath ermächtigte die Direktion, die Herabsetzun zuführen, wenn die Unübertragbarkeit der Retburd reglement anerkannt wird.
Magdeburg, 4. Mai. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exkl., von 92 % —, neue 10,50 — 10,75. Kornzucker exkl. 88 % Rende⸗ ment —, neue 10 00 — 10,25, Nachprodukte exkl. 75 % Rendement 6,90 — 7,75. Fest. Brotraffinade 1 22,25. Brotraffinade II 22,00. Gem. Raffinade mit Faß 22,00 — 22,50. Gem. Melis I mit Faß 21,75. Fest. Rohzucker I. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. Mai 9,80 bez., 9,82 ½ Br., pr. Juni 9,97 ½ bez., 10,00 Br., pr. Juli 10,07 ½ bez., 10,10 Br., pr. August 10,20 bez. und Br. Ruhig.
2 Sonderburg, 4. Mai. (W. T. B.) Die Aufsichtsraths⸗ mitglieder der Sonderburger Bank wurden heute von dem Unter⸗ suchungsrichter wieder aus der Haft entlassen, nachdem sie ihr Ehrenwort abgegeben hatten, sich nicht aus der Stadt zu entfernen.
(Vergl. Nr. 107 d. Bl.)
Leipzig, 4. Mai. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Mai 2,85 ℳ, pr. Juni 2,87 ½ ℳ, pr. Juli 2,87 ½ ℳ, pr. August 2,90 ℳ, pr. September 2,90 ℳ, pr. Oktober 2,90 ℳ, pr. November 2,92 ½ %, pr. Dezember 2,95 ℳ, pr. Januar 2,95 ℳ, pr. Februar 2,97 ℳ, pr. März 3,00 ℳ, pr. April 3,00 ℳ Umsatz: 105 000 kg.
Mannheim, 4. ai. (W. T. B.) Produktenmarkt. Weizen pr. Mai 15,25, pr. Juli 15,20, pr. November 15,65. Roggen pr. Mai 13,70, pr. Juli 13,80, pr. November 14,00. Hafer pr. Mai 12,60, pr. Juli 12,90, pr. November 13,20. Mais pr. Mai 12,05, pr. Juli 11,75, pr. November 11,50.
Bremen, 4. Mai (W. T. B.) (Börsen⸗Schlußbericht.) Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Ferelean zene) Weichend. Loko 7,50 Br. — Baumwolle.
ester. Upland middl. loko 34 ½ 4. — Schmalz. Matt. Wilcor 36 ½ ₰, Armour shield 35 ¾ ₰, Cudahy 36 ¾ ₰, Fairbanks 30 ₰. — Speck. Ruhig. Short clear middling loko 31 ½, extra long 32 ½. — Taback. Umsatz: 25 Faß Kentucky.
Hamburg, 4. Mai. (W. T. B.) Kaffee. (Nachmittags⸗ bericht) Good average Santos pr. Mai 77, pr. September 76, pr. Dezember 74, pr. März 72 ¾. Ruhig. — Zuckermarkt. 8 Rüben⸗Rohzucker I. Produkt Basis 88 % Rendement neue Usance, frei an Bord Hamburg pr. Mai 9,80, pr. Juni 9,97 ½, pr. August 10,17 ½, pr. Oktober 10,30. Ruhig.
Der Verwaltungs⸗ der Taxen durch⸗ illete im Transport⸗
Wien, 4. Mai. (W. T. B.) Ausweis der 5 ichisch⸗ ungarischen Staatsbahn Eéöösterreichisches E sc⸗
30. April 1 993 648 Fl., Mindereinnahme d t 5
Zeitraum des vorigen Jahres 35 204 Fl⸗ ““ Pest, 4. Mai. (W. T. B.) Produktenmarkt. Weizen
fester, pr. Herbst 7,40 Gd., 7,41 Br., pr. Mai⸗Juni 7,44 Gd.,
7,46 Br. Roggen ö 6,58 Gd., 6,60 Br. Hafer pr. Herbst
829 S8. 6ö 1 Nte hna 7,05 Gd., 7,07 Br., pr. uli⸗Aug. 7, r. 1 S
1ee e. 0 Se ohlraps pr. August⸗September
London, 4. Mai. (W. T. B.) Wollauktion. Preise be⸗ hauptet. .
An der Küste 3 Weizenladungen angeboten.
28 c95 % Javazucker loko 11 8 fest, Rüben⸗Rohzucker lok est.
— 6. Mai. (W. T. B.) Die Getreidezufuhren be⸗ trugen in der Woche vom 27. April bis 3. Mai: Engl. Weizen 2410, Fü 89 8 F 1989. keeee 8 38811b elgerf.
— „ fremde —, engl. er 1072, fremder 58 249 Orts., engl. 20 373, fremdes 30 414 Sack und 1200 Faß. “ 8
Glasgow, 5. Mai. (W. T. B.) er Eisenmarkt bleibt am 6. d. M. geschlossen.
St. Petersburg, 4. Mai. (W. T. B.) Der Finanz⸗
Minister hat die Internationale Handelsbank zur Ausgabe von 5 Millionen Rubel neuer Aktien ermächtigt mit der Maß⸗ gabe, daß fünf neue Aktien gleich dreizehn alten sein sollen. Die neuen Aktien lauten auf 490 Rbl., 25. Mai (6. Juni) und 240 Rbl. bis sind. Die neuen Aktien nehmen für 1895 an der Dividende theil, soweit sie 6 % übersteigt. 8 Rom, 4. Mai. (W. B. B.) Die Banca di gestioni e Liquidazioni hat nunmehr die ursprünglich geplante Vermeh⸗ rung des Kapitals von 2 auf 4 Millionen Lire beschlossen.
Amsterdam, 4. Mai. (W. T. B.) Java⸗Kaffee good ordinary 52 ½. — Bancazinn 39 ¾¼.
Luxemburg, 4. Mai. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Prince Henri⸗Bahn hat die Dividende anf 20 Fr. festgesetzt. Aus den von dem Verwaltungsrath gegebenen Aufschlüssen Adekt. daß die Kündigung der Tarife durch Elsaß⸗Lothringen eine vollendete Thatsache ist. Die Brutto⸗Einnahmen der Attert⸗Linie gehen von 21 Fr. pro Waggon auf 10 Fr. herab, was, für das Vorjahr aus⸗ für die Bruttoeinnahmen einen Ausfall von 900 000 Fr. ür das Gesammtnetz ergeben würde, oder nach Abzug von 25 % Betriebskosten für den Gewinn einen Ausfall von 675 000 Fr. Die der mehrere Berliner Banquiers beiwohnten, dauerte nahezu zwei Stunden.
Brüssel, 4. Mai. (W. T. B.) Die Einnahmen der Prinz Heinrich⸗Bahn betrugen in der drittten April⸗Dekade: Aus dem Bahnbetriebe 113 728 Fr., aus den Minen 9612 Fr., Gesammteinnahmen 123 341 Fr., ehreinnahmen gegen die provi⸗ sorischen Einnahmen im entsprechenden Zeitraum des vorigen Jahres
1666 Fr. (W. T. 2S” Die Börse eröffnete
New⸗York, 4. Mai. fest und lebhaft, im weiteren Verlauf trat Reaktion und Abschwächung Der Umsatz der Aktien betrug
ein. Der Schluß war träge. Stück. f 8 1 eizen eröffnete stetig, stieg dann einige Zeit infolge fester Kabelberichte und reger Nauftust später trat auf Fira glolge fester New⸗York und günstiges Wetter im Westen Abschwächung ein. Schluß mnüen eenh Zeit stejgemn nach Eröffnung infolge geringer Ankünfte, später Reaktion un wächung entsprechend der Mattigkeit des Weizens. Schluß träge. 8eb 1 Waarenbericht. Baumwolle⸗Preis in New⸗York 6 16, do. in New.Orleans 6 ⁄16. Petroleum Stand. white in New⸗York 8,00, do. in Philadelphio 7,95, do. rohes nom., do. Pipe line cert. p. Juni 157 ½ nom. Schmalz West. steam 6,85, do. Rohe & Brothers 7,10, Maie pr. Mai 54 ¼, do. pr. Juli 54 ¼, pr. September 55 ½. Rother Winterweizen 69 ⅜, do. Weizen pr. Mai 68 ½, do. pr. Jult 68 ⅞, do. pr. September 69 ½, do. pr. Dezember 71 ⅛, Getreidefracht nach Liver⸗ pool 2, Kaffee fair Rio Nr. 7 16, do. Rio Nr. 7 pr. Mai 14,15, do. do. pr. August 14.50. Mehl, Spring Wheat clears 2,80, e 2¹3/⁄16, Kupfer 9,90. Nachbörse: Weizen 8½ c., Mais niedriger. Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 9 212 248 Doll. gegen 9 649 441 Dou. 5 der Vorwoche, davon für Stoffe 2 224 183 Doll. gegen 2 583 762 Doll. in der Vorwoche. CChicago, 4. Mai. (W. T. B.) Weizen anfangs steigend infolge großer Käufe und reger Kauflust, sowie auf 18 ausländische Märkte, später auf reichliche Ankünfte und günstiges Wetter Ab⸗ schw chung. Schluß schwach. — Mais allgemein fest während des ganzen Börsenverlaufs, da die Exportnachfrage zunimmt und die Baissiers decken. Schluß träge. Weizen pr. Mai 63, pr. Juli 64. Mais pr. Mai 49;⁄4, Speck short clear nomin. Pork pr. Mai 11,80. G“
Verkehrs⸗Anstalten.
Laut Telegramm aus Herbesthal ist die erste eng⸗
lische Post über Ostende vom 4. Mai ausgeblieben. Grund: unbekannt.
Bremen, 5. Mai. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Werra“ hat am 3. Mai Abends die Reise von Neapel nach New⸗York fortgesetzt. Der Postdampfer „Pfalz“ ist am 3. Mai in Montevideo angekommen. Der Postdampfer „Braunschweig“ ist am 4. Mai Morgens auf der Weser an⸗ ekommen. Der Postdampfer „Straßburg“ ist am 3. Mai von Santos nach Bahia abgegangen. Der Reichs⸗Postdampfer „Bavern:“ ist am 3. Mai Nachts in Genua angekommen. Der Reichs⸗Postdampfer „Prinz Heinrich“ hat am 3. Mai Abends “ S. M
Hamburg, 4. Mai. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanifche⸗ Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Schnelldampfer „Columbia' ist gestern Nachmittag in New⸗York eingetroffen. Triest, 4. Mai. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Poseidon“ ist heute Nachmittag hier eingetroffen.
London, 4. Mai. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Dunottar Castle“ ist heute auf der Ausreise von London ab⸗ gegangen. Der Castle⸗Dampfer 11“ Castle“ hat Donners⸗ tag auf der Ausreise die Canarischen Inseln passiert.
1. Untersuchungs⸗Sachen.
2. Nusgtbote Zustellungen u. dergl. 8 3. Unfall⸗ und Invaliditäts⸗ ꝛc. Versicherung. 4. — Verpachtungen, Verdingungen ꝛc. 5. Verloosung ꝛc. von Werthpapieren. 8
Oeffentlicher Anzeiger.
6. Kommandit⸗Gesellschaften auf Aktien u. Aktien⸗Gesellsch. 7. Erwerbs⸗ und Wirthschafts⸗Genossenschaften.
8. Niederlassung ꝛc. von Rechtsanwälten. 9. “
10. Verschiedene Bekanntmachungen.
8
0) Untersuchungs⸗Sachen.
Oeffentliche Ladung. 6 ü . 8 fe 1 8 „Nachbenannte militärpflichtige Personen: 1) der Kutscher Reinhold Georg Paul Schneider, Phren am 27. Juni 1872 zu Schöneberg im Kreise 2) der Heymann Krickstein, e g 8 8. dc ne 8 d. 3) der Bäcker Hugo Albert Zeugner, geboren am 13. Juli 1871 zu Kempen, Zeng 8 8 4) der Klempnergeselle Moritz Abraham Gra⸗ owski, geboren am 23. Juli 1868 zu Kempen,
Reichen
Sternberg, geboren am 22. No⸗
5) der Friedrich Wilhelm Golz, geboren am 6. Dezember 1871 zu Schwerin a. d. W.,
6) der Karl Wilhelm Robert Blaser, geboren am 26. Mai 1871 zu Niederlangseifersdorf, Kreis
7) der Schuhmacher Hermann Hubert Wilhelm Korn, geboren am 27. März 1874 zu Pyritz,
8) der Johannes Gustav Emil Goßmann, ge⸗ boren am 3. Oktober 1872 zu Reppen, Kreis West⸗
9) der Franz Ferdinand Knoblauch, geboren am W., 17. Dezember 1871 zu Braunsberg,
10) der Hermann Gürtner, geboren am 8. April 23. 1870 zu Reiskirchen, Kreis Gressin,
11) der Konditor Johann Sezymaniak, am 12. Januar 1870 zu Schroda,
Prignitz,
22. Juli 1868 zu Oberkaufungen
hof, Kreis Cassel,
est⸗Sternberg, 16) der Erns
Sachsen⸗Altenburg, geboren
12) der Karl Otto Rudolf Schroeder, geboren am 21. August 1872 zu Pritzwalk,
13) der Schneider Andreas Schmidt, geboren am 8 Kreis Cassel, 14) der ehemalige Postbote Wilhelm Dethardt,
Sandtrock, geboren am 9. Oktober 1869 zu Mönche⸗
15) der Maschinenbauer Karl Ernst Gottschlag, eboren am 15. Mai 1871 zu Hildesheim, Kreis
st Richard Teichmann, geboren am ezember 1868 zu Schnitzsch im Herzogthum
17) der Gymnastiker Johann Ernst Ewald Wal⸗ dowski, geboren am 12. Juni 1870 zu Berlin,
18) der Arbeiter Karl Wilhelm Franz Wennrich, geboren am 7. November 1870 zu Berlin,
19) der Arbeiter Wilhelm Friedrich Georg Teß⸗ mann, geboren am 16. Oktober 1871 zu Berlin,
20) der Gustav Adolf Julius Viertel, geboren am 24. März 1871 zu Berlin, x21) der Kaufmann Max Waltzick, geboren am 20. Dezember 1871 zu Berlin,
22) der Hans Gustav Adolf Piotorsky, geboren am 15. Februar 1872 zu Berlin,
23) der Gustav Max Georg Poggensee, geboren am 9. August 1872 zu Berlin,
24) der Reinhold Max Alexander Paipals, ge⸗ boren am 17. Februar 1872 zu Berlin,
25) der Reinhold August Paul Tamm, geboren
am 7. April 1872 zu Berlin,
Kreis Ost⸗
von denen 250 Rbl. bis zum zum 15./27. August zahlbar