1895 / 109 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 07 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Die „Vossische Feitumg⸗ bringt in ihrer Nr. 189 vom

24. v. M. folgende Notiz: „Ober⸗Präsident von Geßler wird demnächst ein Gutachten über

die Errichtung einer großen Papiermachéfabrik erstatten, die für West⸗ preußen von der Regierung in Erwägung gezogen ist. Wie es heißt, soll die Anregung zu diesem Unternehmen vom Kriegs⸗ Ministerium ausgehen, und in der in Aussicht genommenen Fabrik sollen besonders militärische Bedarfsartikel, wie Patronen⸗ taschen und dergl. hergestellt werden.“

An dieser Nachricht ist jedenfalls unrichtig, daß die An⸗ regung zur Errichtung einer derartigen Fabrik vom Kriegs⸗ Wnisterꝛum ausgehen soll; auch erschends es in den that⸗ sächlichen Verhältnissen nicht begründet, daß die Fabrik von vornherein gewissermaßen als ein militärisches Spezial⸗ Etablissement dargestellt wird. Gelingt es der Fabrik, für militärischen Bedarf brauchbare Artikel zu annehmbaren Preisen herzustellen, so wird allerdings die Militär⸗Verwaltung gemct bereit sein, das heimische Unternehmen durch ent⸗ sprechende Bestellungen nach Möglichkeit zu unterstützen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Fürstlich reußische 6i. L.) Staats⸗Minister Dr. Vollert ist hier angekommen.

28 Der zur Zeit als Hilfsarbeiter dem Landrath des Kreises Wohlau zugetheilte Regierungs⸗Assessor Graf York von Wartenburg ist vom 1. Juni d. J. ab mit der kommissari⸗ schen Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Militsch beauftragt worden. ““

8 Nach einer telegraphischen Meldung an das Ober⸗Kom⸗ mando der Marine ist S. M. S. „Loreley“, Kommandant Kapitän⸗Lieutenant Gühler, am 6. Mai in Beiruth ein⸗

getroffen und wird am 10. d. M. wieder von dort in See

gehen. 8

Düsseldorf, 6. Mai. Der rheinische Provinzial⸗ Landtag hat dem „W. T. B.“ zufolge gestern mit 119 gegen 21 Stimmen die Errichtung von Landwirthschafts⸗ kammern abgelehnt. .“ 8

Däeerr.

Der Prinz Ferdinand von Sachsen⸗Coburg ist gestern Nachmittag in München eingetroffen. Heute früh traf auch der bulgarische Minister-Präsident Stoilow aus Wien

Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prin⸗ zessin Johann Georg haben sich vorgestern nach Sibyllenort begeben und werden voraussichtlich am nächsten Donnerstag nach Dresden zurückkehren.

Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin sind gestern von Heidelberg nach Karlsruhe zurückgekehrt.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin ist am Sonntag Abend, Seine Königliche Hoheit der Großherzog gestern Abend von der Wartburg nach Weimar zurückgekehrt.

8 Lippe.

9 Seine Durchlaucht der Prinz⸗Regent und Ihre König⸗ liche Hoheit die Prinzessin Victoria von Schaumburg⸗ Lippe trafen am 4. d. M. kurz nach 11 ½ Uhr Mittags mittels Extrazuges in Detmold ein. Auf dem abgesperrten Bahnhof hatten, wie die „Lippische Landesztg.“ berichtet, die Hof⸗ kavaliere, sowie der Conseil⸗Präsident Steneberg, der Land⸗

gerichts⸗Präsident Hunäus, der Kammer⸗Präsident Ernst, der Oberst Graf Schlieffen und der Bürgermeister Petri Auf⸗ stellung genommen. Nachdem das Prinzliche Paar ausgestiegen war, fand die Begrüßung statt. Hierauf schritten die hohen Herr⸗ schaften unter Vorantritt der Hofkavaliere zum Fürstenzimmer, wo der Prinzessin Victoria verschiedene Damen des Hofes vor⸗ gestellt wurden. An der Bahnhofsstraße spielte die Regiments⸗

musik. Das Prinzliche Paar nahm dann in einem offenen vierspännigen Wagen Platz und fuhr im Schritt unter leb⸗ haften Hochrufen durch die Paulinen⸗ und Bismarckstraße zum Fürstlichen Schlosse. Vor dem Bahnhofsgebäude standen die Offiziere der Garnison und die Beamten. Die Kriegervereine bildeten Spalier bis zur Ehrenpforte der Stadt. Bei letzterer hatten der Magistrat und die Stadtver⸗ ordneten, die Geistlichkeit, der Schützenvorstand, die Bürger⸗ schaft, der Vorstand der höheren Mädchenschule und der der Bürgerschule Plätze angewiesen erhalten. Schüler und Schülerinnen der verschiedenen Schulen und die Seminaristen bildeten von dieser Ehrenpforte bis zu der der Rentkammer Spalier v11““

Der Kaiser hat unter dem gestrigen Datum an den Grafen Kälnoky ein Allerhöchstes Handschreiben gerichtet, worin er unter dem Ausdruck des vollsten Vertrauens die öe der von demselben eingereichten Demission ab⸗ lehnt.

Gestern Mittag empfing der Kaiser den Minister a latere Baron Josika, welcher Allerhöchstdenselben heute nach Pola begleitet, in Audienz.

Ddie ungarischen Fachreferenten trafen gestern Nachmittag in Wien ein behufs Fortsetzung der Verhandlungen über die

Zollbehandlung der italienischen Weine.

Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte gestern die Berathung der Rentensteuer fort. Der Finanz⸗Minister Dr. von Plener erklärte, daß die Prioritäten der Südbahn und Staatsbahn zu der Rentensteuer nicht herangezogen werden könnten, weil sie angesichts der 10 proz. Ein⸗ kommensteuerleistung allzu sehr belastet seien; dagegen werde er bei der Erneuerung des Privilegiums der Oester⸗ reichisch⸗Ungarischen Bank darauf Bedacht nehmen, daß die Hypothekenbriefe der Oesterreichisch⸗Ungarischen Bank der Rentenbesteuerung unterworfen würden, was derzeit im Hin⸗ blick auf die Bestimmungen des Bankstatuts und der Ab⸗ machungen mit Ungarn nicht möglich sei. Die Regierung er⸗

lärte sich weiter bereit, auf administrativem Wege den Lins⸗ der Postsparkassen herabzusetzen. Am Schluß der Sitzung inter⸗

pellierte der Abg. Prinz Aloys Liechtenstein den Minister⸗ Präsidenten Fürsten Win dischgrat, ob die in Budapest ver⸗ lesene Note des Grafen Kälnoky an den Baron Banffy authentisch sei, ob sie mit Wissen und Willen des Grafen Kälnoky veröffentlicht sei, und wenn Ja, was die Regierung zu thun gedenke, um den etlatanten Verstoß 82 die elementarsten Gepflogenheiten des diplomatischen Verkehrs gut⸗ zumachen. Der Abg. Ruß wuͤnschte die Verlesung der Unter⸗ schriften. Dieselben belaufen sich auf 19, hauptsächlich von dem engeren Parteiverbande des Interpellanten angehörenden Abgeordneten. ;

Die gestrige Sitzung des ungarischen Unterhauses begann um 11 ¾ Uhr. Die Couloirs und die Galerien waren überfüllt. Bei dem Betreten des Saals wurde der Minister⸗Präsident Baron Banffy von der Opposition mit ironischen Eljenrufen begrüßt. ach Erledigung der Tages⸗ ordnung erklärte der Minister⸗Präsident auf die Interpellation des Grafen⸗Apponyi, er könne im gegenwärtigen Stadium der Angelegenheit nur im allgemeinen antworten. Der Minister⸗Präsident legte sodann den Notenwechsel zwischen ihm und dem Grafen Kälnoky vor, wozu er von kompetenter Seite ermächtigt worden sei, und verlas die beiden Noten. Die von dem Minister⸗Präsidenten Baron Banffy an den Grafen Kälnoky gerichtete Note ersucht letzteren, seine Ansicht über das Verhalten des Nuntius darzulegen. Der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky antwortete, wie „W. T. B.“ mittheilt, mit folgender, vom 25. April datierten Note:

„Den Brief, mit welchem Eure Excellenz meine Ansichten zu kennen wünschen über eine eventuell zu ertheilende Antwort auf eine die Reise des apostolischen Nuntius Agliardi in Ungarn betreffende Interpellation, habe ich zu erhalten die Ehre gehabt, zugleich aber Freiherrn von Josika auf die Schwierigkeit hingewiesen, sich ein Urtheil über das Maß der Einmischung des Nuntius Agliardi in die inneren Angelegenheiten Ungarns zu bilden, solange man bloß auf Zeitungsnachrichten beschränkt ist. Ich erbat mir daher durch Freiherrn von Josika, der eben nach Budapest abgereist ist, gefälligen Aufschluß über diese Punkte und auch die längeren Unterredungen, welche Eure Excellenz und der Königliche Unterrichts⸗Minister mit Agliardi in Budapest gepflogen haben, und in welchen ohne Zweifel die Bedenken der Königlichen Regierung gegen das Auftreten Agliardi's in Ungarn präziser formuliert worden sind. Das soeben erhaltene Telegramm enthält aber keine dieser von mir erbetenen Informationen, die mich in die Lage versetzt hätten, die Situation auf Grund verläßlicher Daten zu beurtheilen; doch wiederholen Eure Excellenz darin den Wunsch, thunlichst meine Ansicht über die eventuelle Beantwortung einer noch nicht vorliegenden Interpellation über die in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu erhalten. In einer so heiklen An⸗ elegenheit wie die vorliegende muß die Beantwortung einer Fnzerpellation sich nach der Fragestellung richten. Ich bin also nicht in der Lage, mich auf diese Antwort näher einzulassen, bevor die Frage nicht formuliert zu sein scheint. Was nun die beiden noch maßgebenden, bereits genannten Gesichtspunkte betrifft, die Eure Excellenz dahin formuliert haben, daß die Rücksichten, die hier gegen⸗ über dem Heiligen Stuhle zu beobachten seien, ebenso in Betracht kommen sollen, wie die speziellen Verhältnisse und die Wahrung des Rechts, daß wir keiner Macht die Einmischung in innere Angelegen⸗ heiten zugestehen, also auch dem Heiligen Stuhle nicht, so halte ich die Aufstellung dieser beiden Gesichtspunkte für ganz richtig. Zum ersten dieser Gesichtspunkte kann ich nur hervorheben, daß nebf dieser Rück⸗ sicht für den greisen Papst es auch nicht im Interesse Ungarns sein kann, die Beziehungen zum Heiligen Stuhle, mit dem es gelungen war, trotz der langwierigen kirchenpolitischen Aktion Freundschaft zu erhalten, ernstlich zu stören. Wenn es auch hoffnungslos ist, vom Heiligen Stuhl ein Aufgeben seines diplomatischen Standpunkts über die Lösbarkeit der Ehe zu erhoffen, so ist es doch nicht gleichgültig, ob bei Durchführung der in Rede stehenden Gesetze der Vatikan eine schroffere oder tolerantere Haltung annehme. Da ich vom gemeinsamen Standpunkt auch über die Beziehungen des österreichischen Theils der Monarchie zum Heiligen Stuhle zu wachen habe, fo halte ich es für meine Pflicht, diese Seite der Frage ganz besonders zu betonen. Ob dem apostolischen Nuntius einfach die Stellung des Vertreters einer fremden Macht zu⸗ steht und alles, was darüber geht, inkorrekt ist, dies wird zwar nach moderner Auffassung theoretisch behauptet so namentlich in Frank⸗ reich, wo die Gesetzgebung die Beziehungen des Episkopats zum Papste und dessen Vertreter geregelt hat —, läßt sich aber in der Praxis selbst in Frankreich nicht wohl durchführen, weil den apostolischen Nuntien als Vertretern nicht einer weltlichen Macht, sondern der katholischen Kirche im katholischen Staat immer eine von der der anderen Botschafter wesentlich verschiedene Stellung eingeräumt wird. Das liegt in der anerkannten Suprematie des Papstes über die katholische Kirche und über alle Katholiken, allerdings nur in Glaubensfragen. Aber nichts dürfte schwieriger sein, als die Grenze zu ziehen, bis wohin der katholischen Kirche das Recht der Vertheidigung zusteht, und wo dieses aufhört. Einen augenscheinlichen Beweis für die außergewöhnliche Stellung, die ein Nuntius in einem katholischen Staate genießt, können wir in der so⸗ lennen Art sehen, wie Monsignore Agliardi in Ungarn nicht nur vom Episkopate, sondern auch von anderen Schichten der Bevölkerung em⸗ pfangen wurde. Würde je einem fremden Botschafter Aehnliches be⸗ gegnen? Was endlich die Einmischung in innere Angelegenheiten, die nicht Glaubenssachen betreffen, anlangt, so stehen gewiß so genaue Informationen zur Verfügung, daß Eure Egxcellenz besser in der Lage sind, hierüber ein Urtheil zu bilden als ich, da ich auch betreffs der speziellen Verhältnisse in Ungarn keinen Anspruch auf volle Sachkenntniß erheben könnte. Doch scheint mir eine tadelnswerthe Taktlesigkeit seitens des Nuntius dadurch begangen worden zu sein, daß er sich nicht begnügte, nur Besuche bei den Kirchenfürsten zu machen, die ihn eingeladen hatten, sondern im Gegen⸗ satz zu seinen Vorgängern, die bei solchen Anlässen nie öffentlich her⸗ vortraten, Ansprachen hielt, die, wie es schon der Standpunkt des Heiligen Stuhles ist, nicht anders als oppositionell gegen die Re⸗ gierungspolitik ausfallen konnten. Vielleicht trägt hieran auch der demonstrative Empfang Schuld, welcher dem appostolischen Nuntius von seiten des ungarischen Klerus und der katholischen Partei zu theil wurde. Jedenfalls hätte er entweder die Reise als inopportun verschieben oder sich versichern sollen, daß seine Anwesenheit keine politischen Unannehmlichkeiten nach sich ziehen und nicht zu Parteizwecken werde ausgebeutet werden. Auch bin ich, falls die Königlich ungarische Regierung dies für angezeigt erachtet, bereit, durch die Kaiserlich Königliche Botschaft bei dem Heiligen Stuhle gegen dieses in der gegenwärtigen Situation ent⸗ schieden taktlose Auftreten und Eingreifen des Nuntius, welches die Agitation in Ungarn noch mehr anzufachen geeignet ist, Einspruch und Klage zu erheben und auch den Standpunkt zu vertreten, welcher jedes Einmischen des apostolischen Nuntius in die kirchenpolitischen Verhältnisse und Kämpfe ausschließt. (gez.) Kälnoky. Wien, den 25. April 1895.“

Diese Noten bewiesen, fuhr der Minister⸗Präsident fort, daß zwischen ihm und dem Grafen Kälnoky bezüglich der Tihatsachen volle Uebereinstimmung geherrscht habe. Was die Frage angehe, ob eine 8-v bei der Kurie bereits erfolgt sei, so habe die Regierung, welche auf die vom 25. April datierte Note des Grafen Kälnoky bereits am 27. April geantwortet hatte, am 1. d. M. der An⸗ sicht sein müssen, daß die am 25. April in Aussicht ge⸗ stellte Intervention bereits erfolgt sei. Der Minister⸗ Präsident ertheilte dem Hause die Versicherung, daß er stets die konstitutionellen Rechte des ungarischen Minister⸗Präsidenten vertheidigen und das Prestige dieser Stellung wahren werde.

punkt aufrecht,

halte ihren am 1. Mai eingenommenen Stand⸗

daß niemandem, also auch nicht dem Heiligen Stuhle, eine Einmischung in die inneren Angelegen⸗ heiten des ungarischen Staates gestattet sei. (Lebhafter Bei⸗ fall rechts.) Der Interpellant Graf Apponyi vermißte in der Antwort des Minister⸗Präsidenten den Hinweis darauf, daß die beleidigte Würde des ungarischen Minister⸗Präsidenten Genugthuung erhalten habe. Baron Banffy hätte dem Nun⸗

Die Regierun

tius von der Reise jetzt abrathen müssen, auch sei es inopportun

gewesen, daß der Minister⸗Präsident von dem Konflikt mit der Kurie öffentlich Mittheilung gemacht habe. Die Antwort des Minister⸗Präsidenten wurde darauf zur Kenntniß genommen, und war damit der Zwischenfall erledigt.

Sämmtliche Wiener Blätter melden übereinstimmend, die Verlesung der Note des Grafen Kälnoky im ungarischen Abgeordnetenhaus bilde einen Punkt der zwischen dem Grafen Kälnoky und dem Baron Banffy erzielten Verständi⸗ gung über eine Anbahnung der vom Kaiser gewünschten gütlichen Applanierung, indem beide Theile von der Veröffentlichung dieser Note die Rechtfertigung ihres Ver⸗ fahrens erwarteten. v“

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause erklärte gestern der Parlaments⸗Unter⸗ Sekretär des Kolonialamts Buxton, einem Telegramm vom 29. v. M. zufolge seien zwar in der Kolonie von Hongkong drei sporadische Fälle von Pes vorgekommen, nach einem Telegramm vom 4. Mai aber weitere Fälle nicht zu verzeichnen gewesen. Der Parlaments⸗Sekretär des Auswärtigen Amts Sir E. Grey. erklärte, die südamerikanischen Republiken hätten sich zur Zeit noch nicht bereit erklärt, die Grundsätze der Dresdner Sanitäts⸗ konvention anzunehmen. Die jetzt in Rio de Janeiro tagende Konferenz berathe über die Frage der Einrichtung von Quarantäne⸗Vorkehrungen in Brasilien. Dem Vernehmen nach habe die brasilianische Regierung versprochen, außer

anderen Reformen in den Verordnungen, drei neue Quarantäne⸗

stationen einzurichten.

Rußland.

In St. Petersburg fand gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, seit langen Jahren wieder die erste Truppenschau auf dem Marsfelde statt. Um 11 Uhr erschien der Kaiser in der Uniform eines Obersten des Preobraschenski⸗Regiments zu Pferde auf dem Paradefeld, von den Truppen durch Abspielen der National⸗ hymne, vom Volk mit begeisterten Hurrahrufen begrüßt. Dem Kaiser folgten im vierspännigen Wagen die Kaiserin Alexandra Feodorowna mit den Großfürstinnen Marie Pawlowna und Fenia, sodann zahlreiche Großfürsten und ein glänzendes Gefolge, darunter die fremdländischen Militär⸗Attachées. Nachdem der Kaiser die Front der prä⸗ sentierenden Truppen abgeritten hatte, defilierten die Fußtruppen in Bataillons⸗Kolonne, die Artillerie in Batteriefront, die Kavallerie in Eskadronsfront im Schritt, Trab und Galopp. Nach der Parade sprach der Kaiser dem Großfürsten Wladimir und den übrigen Kom⸗ mandanten seine Anerkennung über den vorzüglichen Verlauf derselben aus. Unter den Klängen der Nationalhymne und brausenden Hurrahrufen verließen der Kaiser und die Kaiserin sodann das Paradefeld. Morgen findet die Parade über den übrigen Theil der Truppen des Militärbezirks statt.

Italien.

Bei den Wahlen zum Provinzialrath von Brescia

siegte die zwischen den Klerikalen und Gemäßigten vereinbarte Liste. Zanardelli, der frühere Präsident des Provinzial⸗ raths, wurde nicht wiedergewählt.

Spanien.

Im Senat richtete Gullon eine Anfrage an die Re⸗ gierung in Betreff der im Auslande verbreiteten Nachricht über den Anschluß Spaniens an die Schritte Deutsch⸗ lands, Frankreichs und Rußlands in der Frage des Friedensvertrags von Simonoseki. Der Minister des Auswärtigen erwiderte, es sei nicht opportun und nicht patriotisch, öffentliche Mittheilungen über die Verhand⸗ lungen der spanischen Regierung mit den befreundeten Mächten zu machen. Der Moment werde kommen, in welchem das Parlament über die Haltung der Regierung, die sich ihrer Verantwortlichkeit nicht entziehen werde, werde urtheilen können.

Die Deputirtenkammer beschloß gestern einstimmig, dem Gouverneur der Philippinen Blanco eine ganz be⸗ sondere Belohnung und der Armee einen Beweis der Zu⸗ friedenheit für den Sieg von Mindanao zu theil werden zu lassen.

Türkei.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Cetinje hat der Gouverneur von Scutari die Häupter der albanesischen Stämme zu einer Zusammenkunft in Scutari eingeladen; die einflußreichsten Führer lehnten es jedoch ab, der Einladung Folge zu leisten. Die Situation gelte für gespannt.

Serbien.

Der König Alexander ist am Sonntag Abend in Begleitung des Ministers des Auswärtigen und des Kriegs⸗ Ministers wieder in Belgrad eingetroffen.

Die Skupschtina nahm gestern einstimmig das Gesetz, betreffend die Apanage für König Milan im Betrage von 360 000 Fr. an, ferner das Gesetz, nach welchem die Eltern des Königs, sowie die Verwandten der direkten Linie unter den gleichen Schutz wie der König gestellt werden.

Betreffs des ablehnenden Beschlusses des Ausschusses der Skupschtina über die durch den früheren Finanz⸗ Minister Petrowic negoziierte Anleihe verlautet dem „W. T. B.“ zufolge aus guter Quelle, der Beschluß habe zu⸗ gleich eine persönliche Spitze gegen Petrowic gehabt, dessen Demission habe herbeigeführt werden sollen; aber die Anleihestipu⸗ lationen seien auch sachlich beanstandet worden. Bald nach der Ernennung des neuen Finanz⸗Ministers sollten Ver⸗ handlungen wegen Abschlusses einer modifizierten Anleihe mit der bisherigen oder einer neuen Bankgruppe beginnen.

Zwölf Nachwahlen zur Skupschtina si 27. Mai a. St. ausgeschrieben.

Bulgarien. 8 Das Regierungsblatt „Mir“ versichert,

daß

11“

14proz. Werthzolls abzuschließenden Handelsvertrags

sind auf den

zwischen Oesterreich⸗Ungarn und Bulgarien ein Einvpernehmen in der Accisenfrage sowie betreffs des auf Grund eines

erzielt sei. Der Minister⸗Präsident Stoilow sei durch Ministerialbeschluß bereits ermächtigt worden, das betreffende Protokoll zu unterzeichnen. Es erübrige dann noch die Ratifikation seitens der Regierungen Oesterreich⸗Ungarns. Demselben Blatt zufolge verbleibe das Accisengesetz zunächst in Kraft; Bulgarien sei berechtigt, Einfuhrartikel, welche mit heimischen Erzeugnissen konkurrierten, einem erhöhten Zoll zu unterwerfen.

In der letzten Sitzung der Stadtvertretung von Sofia bewog Zatschew, der bisher als eifriger Konserva⸗ tiver galt, die Radoslavow'sche Minorität der Stadt⸗ vertretung in Abwesenheit der meisten Mitglieder der Ma⸗ jorität, bei der Stimmenabgabe für die Wahl des Bürger⸗ meisters theils leere Stimmzettel abzugeben, theils für ihn zu stimmen. Die Regizrung weigert sich, die mit 7 Stimmen die Gesammtzahl der Mitglieder der Stadtvertretung ist 16 erfolgte Wahl Zatschew's zu bestätigen, und dürfte erforder⸗ lichen Falls zur Auflösung der Stadtvertretung schreiten.

Schweden und Norwegen. 8

In der gestrigen Sitzung des Storthing wurde der Antrag des Abg. Engelhardt, wonach die im Staatsrath geführten Protokolle über das letzteingereichte Demissionsgesuch der Regierung dem Storthing vorgelegt werden sollen, mit

8

allen gegen eine Stimme angenommen.

Amerika.

Der „New⸗York Herald“ veröffentlicht ein Telegramm aus Guayaquil, wonach die hauptsächlichsten dortigen Zei⸗ tungen unterdrückt und die Redakteure und Verleger ausge⸗ wiesen worden seien. Mehrere Regimenter hätten sich den Revolutionären angeschlossen. Der Kriegs⸗Minister, General Savasti solle getödtet worden sein. Die Revolution greife

Die Flotten der fremden Mächte sind, wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Chefoo von gestern meldet, dort versammelt. Das russische Geschwader besteht aus 8 Schiffen einschließlich dreier Torpedoboote. Es werden noch mehr russische Schiffe erwartet, ebenso noch ein englisches, ein amerikanisches, ein französisches und zwei deutsche Schiffe.

Graf Ito Miyoji ist in Arthur angekommen und sofort nach Chefoo weitergereist. Die Gesandten Wuting⸗ fang und Lienfung reisten vorgestern Nacht von Taku ebendahin ab.

Das japanische Kabinet in Kioto hält häufig Sitzungen ab, denen alle Minister beiwvohnen. Wie dem „Reuter'schen Bureau“ aus Nokohama gemeldet wird, sind die Geheimen Räthe und obersten Beamten für heute zu einer Versammlung nach dem Hauptquartier in Kioto berufen word

Afrika.

gyptische Minister⸗Präsident Nubar Pascha, der sich gestern nach Triest einschiffen wollte, um eine Kur in Karlsbad zu gebrauchen, hat nach einer Meldung des

„Reuter'schen Bureaus“ seine Abreise verschoben.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstags befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (86.) Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, die Staats⸗ sekretäre, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und Freiherr von Marschall, der Staatssekretär Nieberding und die Staats⸗Minister von Köller und Schönstedt bei⸗ wohnten, wurde zunächst ohne Debatte in dritter Berathung der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshaushalts⸗Etat für das Etats⸗ jahr 1895/96 (betreffks Eröffnung des Nord⸗Ostsee⸗ Kanals), angenommen. 1

Bei dem folgenden Punkte der Tagesordnung: Abstim⸗ mung über den Antrag der Wahlprüfungs⸗Kommission, die Wahl des Abg. Dr. Böttcher⸗Waldeck (nl.) für ungültig zu erklären, nahm

der Abg. Dr. von Marquardsen (nl.) das Wort zur Ge⸗ schäftsordnung, um das Haus um die Wiederaufnahme der Diskussion über diesen Gegenstand zu bitten. Er habe die Absicht gehabt, das Heegt zu ergreifen; es sei aber infolge eines Mißverständnisses unter⸗

eben.

Der Abg. Dr. Enneccerus (nl.) stellte den formellen, Antrag auf Wiedereröffnung der Diskussion.

Dem Antrage wurde seitens der Abgg. Brandenburg (Zentr.), Dr. Bachem (Zentr.), Liebermann von Sonnenberg (d. Refp.) widersprochen, während der Abg. Dr. Barth (fr. Vg.) aus Billig⸗ keitsgründen der Wiedereröffnung der Diskussion zustimmen wollte.

Der Präsident Freiherr von Buol erklärte den Antrag des Abg. Dr. Enneccerus für erledigt, weil Widerspruch gegen die Wiedereröffnung der Diskussion erhoben worden sei.

Der Abg. Gamp (Rp.) verlangte Abstimmung darüber.

Die Abgg. Richter (fr. Volksp.), Singer (Soz.), Dr. Lieber (Zentr.), Dr. von Bennigsen (nl.) und Freiherr von Manteuffel (dkons.) schlossen sich indeß der Auffassung des Präsidenten an, worauf das us in namentliche Abstimmung über die Gültigkeit der Wahl des Abg. Dr. Böttcher unmittelbar eintrat.

Die Wahl wurde mit 214 gegen 93 Stimmen für ungültig erklärt.

(Schluß des Blattes.)

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die Fälschung der von der Verwaltung des Tota⸗ lisators ausgegebenen Tickets, welche die Thatsache be⸗ scheinigen, daß der Nehmer eine bestimmte Geldsumme als Spiel⸗ einsatz an die Verwaltung des Totalisators eingezahlt habe, und das Gebrauchmachen von den Falsifikaten zum Zweck der Täuschung ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 10. De⸗ zember 1894, als urkunden glschung zu bestrafen. Wenn auch das Partikularrecht derartige Wettgeschäfte nicht ausdrücklich für erlaubt und rechtsgültig erklärt haben sollte, wenn also für die recht⸗ liche Beurtheilung dieser Wettgeschäfte die Vorschriften des gemeinen deutschen Rechts (die inkriminierte That ist in Hannover verübt worden) maßgebend erscheinen müßten und demgemaͤß die fraglichen Wetten als nicht erlaubte oder sogar verbotene Spielverträge aufzufassen wären, würde die Rechtserheblichkeit der Tickets anzuerkennen sein. Diese Tickets beurkunden, dem übereinstimmenden Willen ihres Ausstellers der Verwaltung des Totalisators und des Nehmers sengs die Thatsache, daß der Nehmer eine bestimmte Geldsumme als Spiel⸗ einsatz an die Verwaltung des Totalisators eingezahlt hat. Die

erfolgte Einzahlung dieser Geldsumme, und zwar als eines Spiel⸗ 8

bleibt aber unter allen Umständen, also selbst wenn der⸗ artige Spiele nicht erlaubt oder sogar verboten wären, eine rechts⸗ erhebliche Thatsache, da sie geeignet ist unter Umständen in Ver⸗ bindung mit anderen Thatsachen —, die Entstehung oder Aufrechterhaltung eines dem Rechtsgebiete angehörenden Verhältnisses zu begründen und darzulegen. Denn mag man nun davon ausgehen, daß der, welcher den Spieleinsatz gemacht hat, ein unbedingtes Ruͤckforderungsrecht gegen die Verwaltung des Totalisators habe, oder 8 ihm ein solches Kondiktions⸗ recht mindestens für den Fall zuzugestehen sei, daß es aus irgend einem Grunde zu der Ausführung des einzelnen in Frage stehenden Rennens nicht gekommen sei, oder mag man annehmen, daß ein solches Rückforderungsrecht des Einsetzenden unter keinen Umständen bestehe, und daß die Verwaltung des Totalisators den Spieleinsatz auf alle Fälle behalten dürfe, oder möchte endlich durch besondere Vorschrift des Partikularrechts der Spieleinsatz dem Fiskus oder irgend einem gemeinnützigen oder mildthätigen Institut für verfallen erklärt sein in allen diesen Fällen erscheint die Thatsache, daß eine gewisse Geld⸗ summe als Spieleinsatz gezahlt worden ist, sei es nun für die rechtliche Entwindung des in dem Besitz dieser Geldsumme enthaltenen Vermögensbestandtheils oder für das unanfechtbare Behalten dieses Vermögensobjekts, von wesentlicher und zwar rechtlicher Bedeutung, und muß auch den diese rechtserhebliche Thatsache ver⸗ briefenden Tickets die Eigenschaft rechtserheblicher Privat⸗ 88 2 im Sinne des § 267 Str.⸗G.⸗B. zugesprochen werden.“

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts. Nach der Bekanntmachung des Bundesraths vom 16. Juli 1888 zu § 16 der Reichs⸗Gewerbeordnung ist für Anstalten zum Einsalzen ungegerbter Thierfelle die Genehmigung der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde erforderlich. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, III. Senat, durch Urtheil vom 5. November 1894 ausgesprochen, daß nicht ledig⸗ lich das Einsalzen, sondern auch die Aufbewahrung der Felle bis zu ihrer Zurichtung für den Verkauf an die vesgenfig⸗ Genehmigung gebunden ist. „Das gewerbsmäßige Einsalzen ungegerbter Thierfelle ist ausweislich der egründung zu der Verordnung vom 16. Juli 1888 an die vorgängige Genehmigung um deswillen gebunden, weil bei derartigem Betrieb die auf der Außenseite mit Salz bestreuten und übereinander gelegten Felle einer mehrtägigen Pökelung unterworfen und demnächst einzeln zusammengerollt meist längere Zeit aufbewahrt würden, wobei der Nachbarschaft zur erheblichen Belästigung gereichende Gerüche und Ausdünstungen sich entwickelten und in den Abgängen an austretendem Blutwasser, Salzlauge und sonstigen flüssigen Zer⸗ see H ein günstiger Nährboden für Infektionskeime gegeben sei. anach ist offenbar nicht lediglich die Thatsache des Einsalzens, sondern auch der zufolge der Einsalzung bedingte weitere Betrieb und die Aufbewahrung der Felle bis zu ihrer Zurichtung für den Verkauf an die vorgängige Genehmigung gebunden, um prüfen zu können, ob die hierfür vorgesehenen Anstalten nach ihrer Lage und Beschaffenheit zugelassen werden durften . . .“ (III 1205.)

Enthält eine wegepolizeiliche Verfügung zwei selbständige und von einander unabhängige Anordnungen und wird der Einspruch gegen die Verfügung derartig beschränkt, daß er nur auf eine dieser Anordnungen bezogen werden kann, so kann, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, IV. Senats, vom 1. De⸗ zember 1894, im Verwaltungsstreitverfahren die Klage nicht hinterher auch auf die zweite Anordnung ausgedehnt werden. Der Kläger erklärt in der Einspruchsschrift ausdrücklich, daß er der polizeilichen Anordnung bezüglich des Zauns durch Beseitigung desselben nachkommen werde, 5 er sich aber weigere, den Steinhaufen, wie ihm aufgegeben, weg⸗ zuschaffen, und er schließt mit dem Antrage, die Verfügung „betr. das Lagern der Steine aufzuheben“. Er beschränkt also seing Ein⸗ spruch ersichtlich auf denjenigen Theil der wegepolizeilichen Anordnung, welcher sich auf die Wegschaffung des Steinhaufens bezieht. Nun ist es zwar richtig, daß die zur Begründung eines Einspruchs auf⸗ hhen thatsächlichen Behauptungen keineswegs die Grenzen

ilden, innerhalb deren sich die Begründung der nachfolgenden Klage zu halten hätte; der Gerichtshof hat vielmehr bereits früber anerkannt, daß das Gesetz nach dieser Richtung hin dem Kläger keine Schranken gezogen hat. Aber daraus folgt nicht, daß es zulässig wäre, eine wegepolizeiliche Anordnung, gegen welche der Einspruch nicht gerichtet worden ist, im Wege der Klage anzugreifen. Enthält daher eine Verfügung der Wegepolizei zwei selbftändige und von einander unabhängige Anordnungen, und ist der Einspruch derartig beschränkt worden, daß er nur auf eine dieser Anordnungen bezogen werden konn, so kann nicht hinterher die Klage auch auf die zweite Anordnung ausgedehnt werden. War aber hier⸗ nach die Klage, soweit sie sich gegen die Anordnung des Beklagten richtet, den Zaun zu beseitigen, von vornherein unbegründet, weil gegen diese Anordnung der Kläger keinen Einspruch erhoben hatte, so⸗ entfällt für ihn auch die rechtliche Möglichkeit, die Vorentscheidung deshalb anzugreifen, weil ihm die Beseitigung des Zauns in be⸗ stimmter Breite nämlich in der Breite von 2 m aufgegeben worden sei und die Vorinstanzen eine hierauf bezügliche Feststellung unterlassen hätten.“ (IV. 1489.)

Kunst und Wissenschaft.

Der am 11. Dezember v. J. in Bern verstorbene Gründer und Erste Direktor des pharmazeutischen Instituts der Kaiser⸗ Wilhelms⸗Universität in Straßburg, Professor Dr. Flückiger, hat durch letztwillige Verfügung bezüglich seiner hinterlassenen Bücher bestimmt, daß die Kaiserliche Universitäts⸗ und Landesbibliothek in Straßburg alle wissenschaftlichen Druckschriften erhalten soll, deren Besitz ihr wünschenswerth erscheine. Namentlich sollen ihr auch die gesammelten Aufsätze und Abhandlungen des Verstorbenen (ungefähr 300 Nummern in 7 Bänden) übergeben werden. Durch diese Schen⸗ kung hat die Bibliothek eine sehr willkommene Bereicherung er⸗ halten, welche das Andenken an den hervorragenden Gelehrten dauernd erhalten wird.

Banten.

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In dem Wettbewerb um ein Hallen⸗Schwimmbad in Breslau sind 44 Arbeiten kingegangen. Der erste Preis von 2000 wurde, wie das „Zentr.⸗Bl. d. Bauv.“ berichtet, dem Regierungs⸗Baumeister Werdelmann in Leipzig, der zweite von 1000 dem Architekten Münzenberger in Groß⸗Lichterfelde und die beiden dritten von je 500 den Architekten Reinhardt u. Süssen⸗ guth in Berlin und dem Architekten Hagberg in Berlin zuertheilt.

Handel und Gewerbe.

Am 1. Juni d. J. wird in Geestemünde eine von der Reichsbankhauptstelle in Bremen abhängige Reichsbank⸗ nebenstelle mit Kasseneinrichtung nd beschränktem Giro⸗ verkehr eröffnet werden. 6

Nach Inhalt einer Verordnung des stellvertretenden Gouverneurs von Süd⸗Australien, vom 1. März d. J., ist die Einfuhr von Fruchtbäumen nach der gedachten Kolonie nur durch Vermittelung des Direktors des Botanischen Gartens in Adelaide gestattet. 8

Die Firma Charles Seitz (Holzgeschäft) in Marseille, welche eine Zweigniederlassung in Berlin besitzt, hat die Zahlungen eingestellt. Aeußerem Vernehmen nach betragen die Passiva ca. 164 000 Fr., die Aktiva ca. 110 000 Fr.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 6. d. M. gestellt 10 595, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 4. d. M. gestellt 3046, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.

Berlin, 4. Mai. Wochenbericht für Stärke, Stärke⸗ fabrikate und Hülsenfrüchte von Max Saberskrv. Ia. Kartoffelmehl 17 ¼ 17 ¼ ℳ, Ia. Kartoffelstärke 17 ¼ 17 ¾ ℳ, IIa. Kartoffelmehl 13 16 ℳ, feuchte Kartoffelstärke Fracht⸗ parität Berlin 9,40 ℳ, Frankfurter Syrup⸗Fabriken zahlen nach Werkmeister's Bericht fr. Fabrik 9,00 ℳ, gelber Syrup 20 20 ½ ℳ, Kap.⸗Syrup 21 ½ 22 ℳ, Kap.⸗Export 22 22 ½ ℳ, Kartoffelzucker Fee 20 20 ½ ℳ, do. Kap. 22 22 ½ ℳ, Rum⸗Kuleur 33 34 ℳ, Bier⸗Kuleur 332 34 ℳ, Dextrin, gelb und weiß, Ia. 23 24 ℳ, 20 22 ℳ%ℳ, Weizenstärke (kleinst.) 25 26 ℳ, (großst.) 35 36 ℳ, Reisstärke (Strahlen) 49— 50 ℳ, do. (Stüͤcken) 47 48 ℳ, Maisstärke 31 32 ℳ, Schabestärke 32 33 ℳ, Hallesche und Schlesische 35 37 ℳ, Viktoria⸗Erbsen 15 19 ℳ, Kocherbsen 14 19 % grüne Erbsen 14 19 ℳ, Futtererbsen 12 ½ 13 ½ ℳ, inländische weiße Bohnen 22 24 ℳ, weiße Flachbohnen 23 25 ℳ, ungaris Bohnen 19 21 ℳ, galizische und russische Bohnen 17 19 ℳ, große Linsen 30 40 ℳ, mittel Linsen 18 30 ℳ, kleine Linsen 14 18 ℳ, Mohn, blauer nom. 28 40 ℳ, do. weißer nom. 44 60 ℳ, Hirse, weiße 18 20 ℳ, gelber Senf 16 24 ℳ, Hanfkörner 22 bis 23 ℳ, Buchweizen 15 15 ½ ℳ, Wicken 12 13 ℳ, Pferdebohnen 12 12 ½ ℳ, Leinsaat 22 22 ½ ℳ, Mais loko 13 ½ 14 ½ ℳ, Kümmel 54 60 ℳ, Leinkuchen 14 16 ℳ, Rapskuchen 11 ½⅛ 12 ½ ℳ, pa. marseill. Erdnußkuchen 12 ½ 14 ½ ℳ, pa. doppelt gesiebtes Baum⸗ wollensamenmehl 58 % 12 ½ 13 ½ ℳ, pa. helle getr. Biertreber 28 bis 30 % 9 ¾ 10 ¾ ℳ, pa. getr. Getreideschlempe 31 34 % 11 ½ 12 ½ ℳ, pa. getr. Mais⸗Weizenschlempe 35 40 % 12 13 ¼½ ℳ, pa. getr. Maisschlempe 40 42 % 12 12 ¾ ℳ, Malzkeime 7 ¾˖ —9 ℳ, Roggen⸗ kleie —9 ½ ℳ, Weizenkleie 9 —9 ½ (alles per 100 kg ab Bahn Berlin bei Partien von mindestens 10 000 kg).

do. sekunda Weizenstärke

Zum 25jährigen Dienstjubiläum des Staatssekretärs Dr. von Stephan hat, wie der „Nat.⸗Ztg.“ berichtet wird, der Ausschuß des Deutschen Handelstags folgende Adresse überreicht: „Eure Excellenz an dem Tage, an welchem Sie vor 25 Jahren in Ihre jetzige Stellung als Reichs Postmeister eintraten, die herzlichsten Glückwuünsche ehrerbietigst darzubringen, ist für den Aus⸗ schuß des Deutschen Handelstags eine angenehme und gern ausgeführte Pflicht. Wir halten uns nicht für berufen, unsererseits ausdrücklich die großen Verdienste anzuerkennen, welche Eure Excellenz um unser deutsches Vaterland durch die vorzügliche Leitung der Post⸗ und Tele⸗ graphenverwaltung, um den Weltyerkehr durch die Schaffung und durch den inneren Ausbau des Welgpostvereins sich erworben haben. Diese segensreiche Thätigkeit Eurer Excellenz wird im Reich ohne Widerspruch gewürdigt und die Anerkennung dafür ist Ihnen oft und von der maßgebendsten Stelle in Deutschland ausgesprochen worden. Wohl aber glauben wir berechtigt zu sein, namens der er⸗ werbenden Berufsstände, welche wir zu vertreten die Ehre haben, Eurer Excellenz unseren wärmsten Dank für Ihre dem Handel und der Industrie in erster Linie zu gute kommende mühevolle Wirksam⸗ keit auszudrücken. Wir hoffen zu Gott, daß es Eurer Excellenz noch recht lange vergönnt sein möge, in Ihrer Stellung zum Wohle des Vaterlandes zu verbleiben,* und wir verbinden damit die ehrerbietigste Bitte, dem Deutschen Handelstage das bisher bewiesene Wohlwollen auch in der Zukunft zu erhalten. Wir verbleiben Eurer Excellenz ge⸗ horsamster Der Ausschuß des Deutschen Handelstags. Adolf Frentzel. Emil Russell. Adolph Woermann.“

Ueber das Rheinisch⸗Westfälische Kohlensyndikat berichtet die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“”: In der am Sonnabend Vormittag in Essen abgehaltenen Beirathssitzung wurde die zweite Lesung des Entwurfs für die ö Syndikatsvertrags erledigt und, nachdem auf eine dritte Lesung allseitig verzichtet war, beschlossen, den Vertrag nunmehr einer auf Donnerstag, den 30. d. M., ein⸗ zuberufenden Versammlung der Zechenbesitzer mit dem Antrag auf Genehmigung vorzulegen. Nach Vollziehung des neuen Ver⸗ trags durch die jetzigen Syndikatsmitglieder sollen sodann die jetzt noch ausstehenden Zechen Langenbrahm, Meidericher Stein⸗ kohlenbergwerk (Westende), Roland, Wiesche, Friedlicher Nachbar und Richradt ebenfalls zum Eintritt in das Kohlensyndikat auf⸗ gefordert und, falls diese Zechen sich weigern, soll eine neue Versamm⸗ lung einberufen werden, in welcher darüber Beschluß zu fassen ist, ob unter diesen Umständen das Kohlensyndikat bestehen bleiben soll oder nicht. Namentlich wird von den Magerkohlenzechen dem Beitritt der Zechen Langenbrahm, Wiesche, Richradt und Roland ent⸗ scheidende Bedeutung beigelegt. In der 22. Versammlung der Zechenbesitzer am Sonnabend waren von 3808 berechtigten Stimmen 3150 vertreten. Nach dem Bericht des Vorstandes betrug im Monat. März 1895 der Absatz 2 943 697 t gegen 2 723 071 t im Feruar 8. F. mithin 220 626 ; t mehr. Die Betheiligungsziffer stellt sich im März auf 3 230 354 t gegen 2 949 398 t, mithin 280 956 v mehr. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Arbeitstage im März und Februar ergiebt sich aus vorstehenden Zahlen eine Steigerung der Betheiligungsziffer um 0,94 %, dahingegen ein Fallen des Absatzes um 0,33 %, sodaß sich das Verhältniß zwischen Antheil und Absatz gegen den Vormonat zu Ungunsten des letzteren um 1,32 % verschoben hat. Der Minderabsatz gegen die .eHeugaene. Betheiligungsziffer betrug im März 286 657 t gleich 8,87 %, gegen 226 327 t Sle 7,67 % im Februar. Der Versand für Rechnung des Syndikats betrug nach veh des Selbstverbrauchs im März d. J. 89,97 % gegen 89,05 % im Februar. Verglichen mit dem März des Vorjahres, ergiebt sich eine Steigerung der Betheiligungsziffer um 199 408 t gleich 6,58 %, dahingegen des Absatzes nur um 4022 t gleich 0,14 %. Die arbeitstägliche Be⸗ theiligung betrug im März 1893 116 011 t, 1894 126 681 t, 1895 126 681 t, der arbeitstägliche Absatz in den gleichen Monaten 115 377, 117 587, 115 439 t und nach Abzug des Selbst⸗ verbrauchs der Versand 89 740, 89 781, 87 254 t. Es ist bei einer Vergleichung dieser Ziffern zu berücksichtigen, daß sie nicht nur durch die verschiedene Lage der kohlenverbrauchenden Industrien, sondern auch durch den je nach der Witterung wechselnden Verbrauch für Hausbrandzwecke wesentlich beeinflußt werden. Im ersten Quartal 1895 betrug die Betheiligungsziffer 9 472 855 t, der Absatz 8 584 793 t und der Versand 6 427 356 t. Verglichen mit dem ersten Quartal des Vorjahres, ergiebt sich eine Steigerung der Be⸗ theiligungsziffer um 605 435 t oder 6,83 %, während sich der Absatz um 124 109 t oder 1,45 % niedriger stellt. Der Minderabsatz gegen die rechnungsmäßige Betheiligung betrug im ersten Quartal 1895 888 062 t oder 9,37 %, blieb also hinter der beschlossenen Einschränkung von 10 % um 0,43 % zurück. Das Verkaufsgeschäft nimmt seinen regelmäßigen Fortgang. In dem n Bericht dbeeben Monat April 1895 wurden verkauft fürs Inland 4 944 365 t, zur Ausfuhr 1 434 166 t, zusammen 6 378 531 t. Die Gesammtverkäufe in diesem Jahre erreichen damit eine Höhe von 17 384 849 t, von denen 14 459 831 t fürs Inland und 2 925 018 t zur Aus’uhr eeinschließlich der deutschen Nordküste bestimmt sind. Die Absatzverhältnisse im Monat März sind also im weesentlichen denen des Februars gleich gewesen. Für April d. J. liegen abschließende Zahlen nicht vor, es ist jedoch anzunehmen, daß die Resultate von denen der Vormonate nicht abweichen werden. Hervorzuheben ist auch jetzt wieder, daß die Lage der Fettkohlenzechen im allgemeinen günstiger ist als die⸗ jenige der Flamm⸗ und Magerkohlenzechen, insbesondere der minder⸗