delste Gegensatz hierzu gelten. „Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide“, ruft Tasso, und bewundernde Andacht folgt diesem Ausdruck des Seelenlebens. Den vornehmen, gemessenen Stil der Goethe'schen Dichtung traf am klarsten und wirksamsten Herr Ludwig in der Rolle des Herzogs von Ferrara; in seinem Vortrage kam jeder Gedanke, jede Silbe zu ihrem vollen Recht und erhielt die rechte Bedeutung. Herr Mat⸗ kowsky enthüllte als Tasso seine große darstellerische Kunst erst in den Scenen schwermüthigen Grollens und anwachsender Leidenschaft. Dem klugen Antonio verlieh Herr Klein einen zu spöttischen, kalt⸗ herzigen Ton und ein zu steifes Wesen, das nicht im Ein⸗ klang stand mit dem Bilde, welches man sich von dem edlen, feinfühligen Fürstenhof von Ferrara zu machen hat, an dem Antonio nicht nur als Staatsmann, sondern auch als Freund eschätzt wird. Fräulein Lindner (Leonore Sanvitale) hätte ihre obl e Weltlust etwas vornehmer gestalten dürfen: eine vollständig zwanglose Natürlichkeit paßt nicht in den Rahmen dieses Goethe'schen Schauspiels. Ganz vorzüglich sprach Fräulein Poppe die Rolle der Leonore von Este; die edle Fürstin und das tief empfindende Weib in ihrem sehnenden Verlangen und ihrer entsagungsvollen Liebe kamen rührend zum Ausdruck.
Konzerte.
Die Altistin Lina Rücker vom Königlichen Theater in Wies⸗ baden gab gestern im Saal Bechstein ihr erstes eigenes Konzert hierselbst. hre Stimme besitzt einen Umfang von mehr als zwei Oktaven und ist in der höheren Lage kraftvoller als in der Tiefe, so⸗ daß sie eigentlich nicht den Eindruck einer Altstimme macht. Die Reinheit der Intonation und die Deutlichkeit der Aussprache lassen nichts
zu wünschen, auch ist die Vortragsweise eine verständnißvolle, oft leiden⸗ schaftlich belebte, wie dies in Schumann’'s „Widmung“, in Dessauer's „Lockung“, in dem „Mignonliede“ von Thomas, in Leßmann's beliebtem Liede Her Lenz“ und in Schubert’'s „Erlkönig“ wirksam hervortrat. Der Königliche Kammervirtuos Herr Felix Meyer unterstützte die Konzertgeberin durch den gediegenen und glänzenden Vortrag einiger Violinstücke von Bohm, Nier und Ernst, die gleich den Leistungen der Sängerin von dem zahlreich erschienenen Publikum mit reichem Beifall aufgenommen wurden.
Im Lessing⸗Theater wird zur Feier des 70. Geburtstages Gustav von Moser's am morgigen Sonnabend zum ersten Mal „Der Hypochonder“ in Scene gehen, und zwar in derselben Besetzung wie s. Z. im Berliner Theater; nur wird die Rolle des Sauerbrei von Herrn Claudius Merten dargestellt werden. Der Schwank vereme Bonivard“ wird am Sonntag, Dienstag und Mittwoch gegeben.
Den Ertrag der morgen im Adolph Ernst⸗Theater statt⸗ findenden Jubiläums⸗Vorstellung hat Direktor Ernst für einen wohl⸗ thätigen Zweck bestimmt. An die Besucher dieser Aufführung ge⸗ 1 als Souvenir die in dem Repertoirestück „Madame Suzette“ vorkommenden beliebtesten Gesangsnummern zur Vertheilung.
Am Mittwoch, den 15. Mai, Abends 7 ½ Uhr, findet in der St. Georgen⸗Kirche am Alexander⸗Platz zum Besten des seit mehreren Jahren erblindeten Familienvaters Hermann Werth ein
eistliches Konzert unter gütiger Mitwirkung der Konzertsängerin Fräulein Helene Jahnke (Sopran), des Herrn C. Frülicher (Baß⸗ Variton), des Königlichen Kammermusikers Herrn J. Nieselt (Violine), des Kapellmeisters Herrn Finsterbusch (Cornet à Piston), des Orga⸗ nisten Herrn A. Friedrich und des aus ca. 100 Personen bestehenden Otto Schmidt'schen gemischten Chors statt. Billets zu 1 und 2 ℳ sind zu haben in der Hof⸗Musikalienhandlung von Bote und Bock, Leipzigerstraße 37, und am Konzertabend am Eingang der Kirche. “ 8 111“;
2 11“ 6
Unter dem Eö Majestät der Kaiserin und Königin fand heute Vormittag im Elisabethsaale des Königlichen Schlosses die siebente Jahresversammlung des Ausschusses des Evan⸗ gelisch⸗kirchlichen Hilfsvereins statt. Nach einleitendem Gebet des General⸗Superintendenten D. Dryander begrüßte der Vorsitzende des Ausschusses, Wirkliche Geheime Rath von Levetzow, Ihre Majestät und die Versammlung. Den Bericht erstattete Graf von
ieten⸗Schwerin. Der Ausschuß hat im Berichtsjahr aus den ihm zur
erfügung gebliebenen Beträgen Bewilligungen gemacht in Höhe von
verwendet 52 102 ℳ Für drei Berliner Kirchen wurde der Ausschuß von Ihrer Majestät der Kaiserin zum Bauherrn bestellt, und zwar für die Erlöserkirche, für die Himmelfahrtskirche und für die Gnaden⸗ kirche. Durch die Hände des Ausschusses gingen auch sonstige Wohlthaten der Kaiserin, so die Stiftung für arme Wöchnerinnen. Demnächst erstatteten Propst D. Freiherr von der Goltz als Vor⸗ sitzender des Berliner Ortsvereins, Superintendent Strantz⸗Koischwitz als Vertreter des schlesischen Zweigvereins, Pfarrer Kayser⸗Frankfurt a. M. für den dortigen Zweigverein kurze Berichte. — Der Sitzung im Schlosse folgte um 11 ½ ÜUhr eine allgemeine Versammlung im Landes⸗ hause der Provinz, in der über die Bedeutung der Lokalvereine für die Belebung des Evangelisch⸗kirchlichen Hilfsvereins und über die Grund⸗ sätze für die Unterstützungsthätigken des Vereins verhandelt wurde. Uesbe⸗ ersteren Punkt sprach Pastor Lenz, über letzteren Professor Dr. eiß. Die Stadtverordneten⸗Versammlung hat sich in ihrer Festrigen Sitzung mit der Aufstellung des Standbildes der „Bero⸗ ina? auf dem Alexanderplatz, sowie des Denkmals für Schulze⸗ Delitzsch auf dem dreieckigen Platz an der Einmündung der Neuen Jakobstraße in die Köpenickerstraße einverstanden erklärt. — Die Vor⸗ lage wegen Vergebung einer Kleinbahnlinie von der Wiener⸗ straße bis zum Ausstellungspark in Treptow wurde einem Ausschuß überwiesen. — Angenommen wurde folgender Magistrats⸗ Antrag: „Die Stadtverordneten⸗Versammlung erklärt sich mit der Betheiligung der Stadtgemeinde an der Berliner Gewerbe⸗ Ausstellung 1896 als Aussteller und der Errichtung eines eigenen Ausstellungsgebäudes einverstanden, genehmigt die Skizze dieses Gebäudes und bewilligt zu diesem Zweck 150 000 ℳ“ — Nach⸗ dem der Umsatz⸗Steuer die Zustimmung der staatlichen Aufsichts⸗ behörde versagt worden ist, legte der Magistrat eine anderweitige Ordnung für die Erhebung einer Gemeindesteuer bei dem Erwerbe von Grundstücken im Bezirk der Stadt Berlin vor. Diese Vorlage wurde von der Versammlung genehmigt.
Am Mittwoch Abend hielt Herr R. Tabbert, dersich mehrere Jahre in Süd⸗Afrika aufgehalten hat, in der Urania in Anlehnung an seine Erlebnisse einen Vortrag unter dem Titel „Die afrikanische Schatzkammer. Schilderungen der Goldfelder Trans⸗ vaals“. Der Vortragende besprach zuerst die Küstenflora Süd⸗ Afrikas, die sich besonders durch harte, mit dichten Haaren besetzte Blätter⸗ bildung auszeichnet, wodurch die Pflanzen befähigt werden, die Feuchtig⸗ keit länger zu halten. Einen reicheren Charakter nimmt der Pflanzen⸗ wuchs erst in Natal, dem Garten Süd⸗Afrikas, an. Die Hafen⸗ Durban, die bedeutendste Stadt Natals, die man auch das üd⸗afrikanische Neapel genannt hat, wurde genauer geschildert. Der Hafen ist weit und groß, aber an vielen Stellen flach, nur durch die heftige Ebbe⸗ und Fluthströmung werden einige Fahrrinnen offen erhalten. Durban, das 20 — 30 000 Einwohner zählt, besitzt 23 Kirchen, was von dem kirchlichen Sinn der Bewohner zeugt, und nur 12 Bars oder Schankstätten. Kein Farbiger erhält in einer Bar geistige Getränke verabreicht, wenn er nicht nachweisen kann, daß es im Auftrage seines weißen Gebieters geschieht. Das Leben in Durban ist wohlfeil, nur die Hausmiethen sind sehr hoch; Fleisch, Gemüse und besonders Obst sind nicht theuer. In den Niederungen gedeiht Thee und besonders Zuckerrohr; im letzten Jahre sind dort 18 000 t Zucker fabriziert worden. Trotz des üppigen Pflanzenwuchses Natals vermißt man eigentliche Wälder, an deren Stelle der niedrige und dicht verwachsene Busch tritt. Das Gebirge, die Drakensberge, steigt in vier Stufen nach Transvaal hinauf; an ihnen zieht sich die Eisenbahn zum theil mit reizvollen Ausblicken auf das Bett des Umgeniflusses mit seinen malerischen Wasserfällen in scharfen Windungen und Schleifen und in starker Steigung empor. An dieser Bahn liegt auch Pieter⸗Maritzburg, der Sitz der Natalregierung. Der Pflanzen⸗ wuchs auf den verschiedenen Stufen des Gebirges ist spärlicher, bietet auf weiten Strecken zumeist Gras und oft steinige schwach be⸗ wachsene Flächen. Von den Berggebilden wurde eingehen⸗ der das berühmte Riesenschloß geschildert und Amajubahill, durch den Kampf zwischen den siegreichen Boeren und den Engländern im Jahre 1881 bekannt geworden. Trotz des üppigen Küstenlandes steht von Natal nur ein Viertel des Landes unter Kultur; den Haupt⸗ werth der Ausfuhr bilden Wolle und Häute; die Einfuhr, welche die
74 266 ℳ, davon für kirchliche Versorgung 8650 ℳ, für Stadtmissionen 49 716 ℳ, für außerordentliche Beihilfen 15 900 ℳ Die Berliner Stadtmission erhielt von diesen Summen 40 000 ℳ, davon 10 000 ℳ zur Deckung eines e2.. Die Nettoeinnahmen in den Provpinzial⸗ und größeren Ortsverbänden betrugen 99 405 ℳ Berlin speziell ver⸗ einnahmte 18 920 ℳ, der Brandenburger Provinzialverein 14 380 ℳ
Kaffern über, welche die Reisende nur mit Postwagen auf höchst beschwerlichen
Ausfuhr um das Doppelte shthtteigt weist viel Holz aus Norwegen auf. Kohlen besitzt Natal selbst, besonders reich in der Nähe von undee. — Der Vertezsfade ging dann auf die Schilderung der
uschmänner, die Ureinwohner, verdrängt aus wird der
Von der Transvaal⸗ und Natalgrenze unebenen
haben.
An den Ausschuß abgeliefert wurden 47 303 ℳ, von den Vereinen selbst
Wegen befördert; solch ein Gefährt wird von zehn Pferden gezogen die nach 1 ½ Stunden gewechselt werden. Die Güter befördert man mit Ochsenwagen; 16 Ochsen ziehen dann ungefähr 60 Zentner. Die Goldstadt Transvaals, Johannisburg, die jetzt ungefähr 50 000 Ein⸗ wohner zählt, besteht erst seit acht Jahren; es ist eine große Geschäftsstadt mit eleganten Kaufhäusern und starkem Verkehr. Der Redner beschrieb die Goldgewinnung aus dem goldhaltigen Quarz und fuhr dann fort: Neben Johannisburg ist in Transvaal noch Pretoria mit seinem schönen Parlaments⸗ gebäude sehenswerth. Die Hen in Pretoria ist nach deutschem Muster eingerichtet und mit deutschen Maschinen ausgerüstet. Der portugiesische Hefe an der Delagoabai, der mit den beiden Trans⸗ vaalstädten durch Eisenbahnen in Verbindung steht, wird nach des Redners Ansicht der einzige Hafenplatz sein, über den die deutsche Industrie ihre Handelsverbindungen mit Transvaal pflegen kann; denn alle übrigen bedeutsamen nahen Hafenplätze sind in englischen änden. Von Deutschland sind denn auch zum Bau der Bahn die okomotiven und Schienen bezogen worden.
Der Kaufmännische und gewerbliche Hilfsverein fü weibliche Angestellte in Berlin, Oberwasserstraße 10, gieblün seinem soeben erschienenen fünften Jahresbericht eine Uebersicht der Vereinsthätigkeit im abgelaufenen Geschäftsjahre. Die Mitglieder⸗ zahl ist danach von 5600 auf 6900 gestiegen. Die Gesammt⸗ einnahme betrug 68 600 ℳ, das Vereinsvermögen erhöhte süh auf 44 000 ℳ Sehr stark wurde die Stellenvermittelung in
nspruch genommen, sodaß über 900 Stellungen oder 65 % aller an⸗ gemeldeten Vakanzen besetzt werden konnten. Die im Jahre 1893 neu eingerichtete Lehrlings⸗Stellenvermittelung konnte im Jahre 1894 172 junge Mädchen in guten Geschäften unterbringen. Die Kranken⸗ hilfe des Vereins (ausschließlich Krankenkasse) erforderte einen Aufwand von 2100 ℳ, außerdem wurden 128 in Noth gerathene Mitglieder mit 2800 ℳ unterstützt. Ergänzt wurde die Krankenhilfe durch die Fürsorge des Vereins für eine zweckmäßige Sommererholung seiner Mit⸗ ea durch einen organisierten Nachweis von Sommerfrischen und
inrichtung von Ferienkolonien für Handlungsgehilfinnen. Es konnten durch Beihilfe des Vereins bezw. der Krankenkasse 130 bedürftige Mitglieder auf dem Lande und in Badeorten untergebracht werden; zahlreiche Mitglieder machten außerdem von den getroffenen Ein⸗ richtungen für eigene Kosten Gebrauch. Die Eingeschriebene Freie Hilfskasse des Vereins balanciert in Einnahme und Ausgabe mit 65 ℳ, ihr gesetzlicher Reservefonds beträgt 11 300 ℳ Ein besonders erfreuliches Wachsthum ist bei den vom Magistrat und dem Aeltesten⸗Kollegium der Kaufmannschaft subventionierten Kaufmännischen Bildungsanstalten des Vereins unter der Leitung des Realgymnasial⸗Direktors Professors Dr. B. Schwalbe zu verzeichnen. Die Handelsschule wurde von 369, die Fortbildungsanstalt von 652 Schülerinnen besucht, welche insgesammt 2725 Kurse belegten. Die neu eingerichteten gewerblichen Fortbildungskurse im Fachzeichnen nach der Natur und Schnittmusterzeichnen von Damenkostümen und Wäschegegenständen erfreuten sich eines Besuchs von 81 Schüle⸗ rinnen. Die Schreibmaschinen⸗Schule, welche durch Einführung aller gangbaren Systeme: Barlock, Caligraph, Hammond, Remington er⸗ weitert wurde, bildete 121 Schülerinnen aus. Zur Belehrung der Mitglieder fanden 12 Vorträge statt, für gesellige Vereinigung sorgten 3 Unterhaltungsabende, und diese sowie Theatervorstellungen in hiesigen guten Theatern, eigens für die Mitglieder des Bereins veran⸗ stäaltet, hatten regen Zuspruch. Die Rechtshilfe wurde mehrfach in Anspruch genommen und konnte, dem Zweck der Einrichtung entsprechend, in den meisten Fällen einen gütlichen Vergleich herbeiführen. Die Vereinsräume erfuhren in diesem Jahre eine bedeutende Erweiterung, ebenso auch die Bibliothek des Vereins, welche von den Mitgliedern unentgeltlich benutzt wird und jetzt 1300 Bände besitzt. Bei der Reichs⸗Enquste im Handelsgewerbe wurde der Weefte des Vereins als Auskunftsperson vernommen und unterstützte die Forderungen des Vellins bezüglich einer Besserung der sozialen Lage der Handlungs⸗ gehilfinnen.
Im Zoologischen Garten beginnen mit dem morgi Sonnabend die regelmäßigen Militär⸗Doppel⸗Konzerte. Der chen der Konzerte wird von diesem Tage ab bis auf weiteres für die S eine halbe Stunde später als bisher, also auf 4 ½ Uhr, angesetzt.
Buenos Aires, 9. Mai. Morgen findet in der Argentinische Republik die allgemeine Volkszählung statt. Die Reglerune hat daher für morgen einen öffentlichen Feiertag angeordnet.
ist wahrscheinlich, zu erwarten sind.
sp.
wobei wieder zahlreiche Gewitter Sonntag: Madame Bonivard. 3 Montag: Der Hypochonder. Deutsche Seewarte.
Gr.
beratur
Stationen. Wetter.
in 0 Celsius 50 C. = 40 R.
Temp
Bar. auf 0 u. d. Meeres
8s red. in Millim.
haus. iments. onizetti. Georges. Karneval. Emil Graeb.
Belmullet.. Aberdeen.. Christiansund 1 wolkenlos Kopenhagen. 3 Regen Stockholm. 2 wolkenlos S e 8 S 2 halb bed. oskau... 1 wolkenlos CVCpork Queens⸗ town.. Cherbourg. heiter “ wolkig öv6. wolkig¹) amburg.. 3 halb bed. ²) winemünde wolkig Neufahrwasser wolkenlos Memel beiter er
öEö1ö1.—“ bedeckt
Künster.. 765 heiter Karlsruhe .. 767 bedeckt) Wiesbaden . 767 heiter*) München 769 wolkenlos Chemnitz 767 heiter
3 bedeckt 1 wolkig
— —
Schauspielhaus. thekar.
heiter
770 und Gretel.
772
von Josef Bayer.
Theater⸗Anzeigen.
Königliche Schanspiele. Sonnabend: Opern⸗ 119. Vorstellung. Komische Oper in 2 Akten von Gastano Text nach dem Französischen des Saint Dirigent: Musik⸗Direktor Wegener. — Ballet⸗Burleske in 2 Aufzügen von Musik von Dirigent: Musikdirektor Steinmann. Anfang 7 ½ Uhr.
Schwank in 4 Aufzügen von G. von Moser. Regie: Herr Plaschke. — Militärfromm. Genrebild in 1 Aufzug von Thilo von Trotha. Regisseur Max Grube.
Sonntag: Opernhaus. 120. Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humperdinck. Text von Adelbeid Wette. Die Puppenfee. Divertissement von Haß
Schauspielhaus. 126. Vorstellung. Der Revisor. Lustspiel in 5 Aufzügen von Nicolay Gogol, deutsch von Elsa von Schabelsky. Anfang 7 ½ übr.
Sonnabend: Der 3 Akten von L. Held und M. Carl Zeller. Regie: Herr Febe. Kapellmeister Dahms. Ermäßigte Anfang 7 ½ Uhr. 1
Die Tochter des Re⸗
Neues Theater.
Sonnabend: Gustav von Moser's:
Adolf Steinmann. 125. Vorstellung. Der Biblio⸗
Moser. — Hierauf: second Mrs. “ von Arthur W. Pinero. Anfang 7 ½ Uhr.
vo G. von Moser und In Scene gesett vom Ober⸗ Pgeng.⸗ t Uhr.
orstellung. Hänsel
àA Dumas. — Abends 7 ½ Uhr: Die antomimisches Ballet. — Vorher: Ein Husarenstreich. reiter und Gaul. Musik Anfang 7 ½ Uhr. ersten Male: Die Wildente. 5 Akten von Henrik Ibsen,
Brausewetter.
—— ——
Friedrich ⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25/26. ,8— 2 ef
Sonntag: Der Obersteiger.
Schiffbauerdamm 4a./5.
Zur Feier des 70. Geburtstages 1 Zum ersten Husarenstreich. Schwank in 1 Akt von G. von Die zweite Frau. Schauspiel in 4 Akten eeutsch von Carl Lindau.
Sonntag, Nachmittag 3 Uhr: Zu halben Preisen: Demi⸗Monde. Sittenbild in 5 Akten von Alexandre
Montag (33. Abonnements⸗Vorstellung): deutsch von Ernst
in 3 Akten (nach Beaumarchais' Memoiren) von Bohrmann⸗Riegen. Musik von Alfred Müller⸗ Norden. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Figaro bei Hof.
Operette in st. Musik von Dirigent: Herr eise der Plätze.
abend: Zum wohlthätigen Zweck. Jubiläums⸗ Vorstellung. Zum 50. Male: Madame Suzette. Vaudeville⸗Posse in 3 Akten von Ordonneau. Musik von Edmond Audran. Anfang 7 ¼ Uhr.
Sonntag Nachmittags 3 Uhr: Bei Kassen⸗ preisen: Charley’s Taute.
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Edith Fülle mit Hrn. Lieutenant Hans Buchholz (Ratibor). 9
Verehelicht: Hr. Lieutenant Ernst von Eickstedt mit Frl. Elisabeth Seidler (Berlin). — Hr. Pastor J. Bamler mit Frl. Anna Garlipp (Osterburg, Altm.) — Hr. Major Max Frhr. Treusch von Buttlar⸗Brandenfels mit Frl. Elsa Raulhausen (Altona).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Marine⸗Zahlmeister Feldmann (Kiel). — Hrn. Oberst⸗Lieutenant von Kleist (Berlin). — Eine Tochter: Hrn. Oberlehrer Dr. Bruncke (Wolfenbüttel). — Hrn. Landrichter Spener (Halberstadt). — Hrn. Land⸗ rath Frhrn. von Rechenberg (Neurode). — Hrn.
Male: Ein
(The
zweite Frau.
Zen Schauspiel in
Adolph Ernst⸗Theater. Letzte Woche. 8
Berlin.. 766 769 770
wolkigs) wolki balb bed.
767 767 767
. 1) Thau. starkem Regen. ³) Gewitter.
ONO
still 3 wollenlos
²) Gestern Nachm. Gewitter Gestern Gewitter. ³) Gestern Gewitter.
wolkenlos heiter
Uebersicht der Witterung.
und gleichmäßig ; daher ist die Luftbewegun shnver und der “ nach örtlichen n
allenthalben
Schwankungen unterworfen. das Wetter warm und vielfach heiter. westlichen und südöstlichen
meist 20 Grad.
heutschland
ebietstheilen
aanzen Gebiet hoch
Fortdauer der warmen Witterung
mit ⁴¹) Gestern M.
ist In den — 1 t ingen zahlreiche Gewitter nieder, meist mit Regenfällen. Die Nachmittagstemperaturen überstiegen gestern
Deutsches Theater. Sonnabend: Weh dem, der lügt! Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Das Lumpengesindel.
Montag: Prinz Friedrich von Homburg.
Berliner Theater. Sonnabend: Fest⸗Vor⸗ stellung zur Feier des 70. Geburtstages Gustav von oser's: Zum ersten Male: Der Lebemann. Lustspiel in 3 Akten von Gustav von Moser. Anfang
„,2 ½ Uhr: Madame Saus⸗Gene. — 7 ½ Uhr: Die Ehre. Montag: Der Lebemann.
7 ½ Ubr.
Lessing⸗-Theater. Sonnabend: Fest⸗Vor⸗
stellung zur Feier des 70. Geburtstages Gustav von Moser's: Der Hypochonder. Lustspiel in 4 Akten von Gustav von Moser. Anfang 7 ½ Uhr.
91
Residenz-Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Sonnabend: Fer⸗ nand’s Ehekontrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗ arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag und folgende Tage: Fernand’8 Ehekontrakt.
Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. — Sonnabend: Rund um Wien. — Vorher: Pariser Leben. Operette von Offenbach. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Rund um Wien. Pariser Leben. 8
Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direktion: Richard Schultz. — Sonnabend: Zum 8. Male: Unter artistischer Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königl. Gärtnerplatz⸗Theater in München: Figaro bei Hof. (Rococo.) Operette
Landrath Hassenkamp (Aschendorf). — Hrn. Berg⸗ werks⸗Direktor Gloger (Birtultau bei Chernip). Gestorben: Hr. Geh. Regierungs⸗Rath und Land⸗ rath a. D. Hermann Ferno (Berlin) — Hr. Dr. Felir Schütte (Tanga, Ost⸗Afrika). — Verw. Fr. egiments⸗Arzt Dr. Hügel, geb. Borchardt (Pase⸗ walk). — Hr. Hauptmann a. D. Albrecht von Neindorff (Kösen). — Hr. Zahlmeister Christian Stech (Berlin). — Hr. Amtsgerichts⸗Rath Dencker
(Göttingen).
Em
Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.
Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗
Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
zum Deutschen
- Ersft e Be ilage — eichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staa
8
Berlin, Freitag, den 10. Mai
112.
Deutscher Reichstag. 88. Sitzung vom Donnerstag, 9. Mai.
Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Berathung des Gesetzes, be⸗ treffed Aenderungen und Ergänzungen des Straf⸗ esetzbuchs, des Prilitarstrafgesetzbuchs und des Fefetzes über die Presse, fort.
u den im gestrigen Bericht erwähnten Anträgen Levetzow und Barth zu § 111 ist inzwischen ein neuer Antrag vom Abg. Gröber (Zentr.) eingebracht worden, wonach die Anprei⸗ sung oder Rechtfertigung eines thätlichen Angriffs gegen einen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung seines Amts unter Strafe gestellt werden soll.
Das Wort nimmt zunächst der Bevollmächtigte zum Bundesrath, preußische Justi⸗ Mmister Schönstedt:
Meine Herren! Zu dem Antrage der Herren Abgg. von Levetzow und Genossen auf Wiedereinfügung der Paragraphen 113 und 114 in § 111 der Vorlage möchte ich mir einige Worte gestatten.
Ich erkläre namens der Reichsregierung, daß dieselbe auf die Wiedereinfügung dieser beiden Paragraphen in die Vorlage das aller⸗ größte Gewicht legt, und bemerke, daß es sich hierbei um einen derjenigen Punkte handelt, von deren Entscheidung voraussichtlich das endgültige Schicksal der Vorlage abhängen wird. Meine Herren, zu begründen, weshalb die Reichsregierung gerade auf diese beiden Paragraphen Gewicht legt, könnte beinahe überflüssig erscheinen; ich brauche nur auf den Inhalt der beiden Paragraphen hinzu⸗ weisen: Dieselben bedrohen mit Strafe den gewaltsamen Wider⸗ stand gegen die zur Vollstreckung von Gesetzen, Befehlen und Anordnungen der Behörden berufenen, in der recht⸗ mäßigen Ausübung ihres Amts begriffenen Beamten und ebenso die gewaltsame Bedrohung von Beamten zu dem Zweck, um die⸗ selben zur Vornahme oder Unterlassung von Amtshandlungen zu nöthigen. Die Paragraphen bewegen sich also auf demjenigen Gebiete, auf welchem nach den Wahrnehmungen der verbündeten Regierungen die Gefahr von Ausschreitungen am lebhaftesten hervorgetreten ist, wo die verbündeten Regierungen am dringendsten das Bedürfniß einer Stärkung der Staatsgewalt empfinden, um solchen Ausschrei⸗ tungen entgegenzutreten, die von verhetzten oder irregeleiteten Massen unternommen werden könnten. Die Reichsregierung ist der Ansicht, daß es ihre unabweisbare Pflicht sei, dem Umsichgreifen des Geistes, der zu solchen Handlungen, wie sie im § 113 und 114 mit Strafe bedroht sind, führt, im Keime entgegenzutreten, daß sie nicht abwarten solle, bis es zu derartigen Ausschreitungen gekommen ist, sondern daß auch diejenigen mit Strafe zu treffen sind, die darauf ausgehen, in der in dem Gesetz bezeichneten Weise, also durch gefährliche Auf⸗ reizung, zur Begehung von derartigen Handlungen anzureizen.
Nun, meine Herren, die Richtigkeit dieser Auffassung der verbündeten Regierungen ist in der ersten Lesung eigentlich von der überwiegen⸗ den Mehrheit des Hauses anerkannt worden; maßgebende Führer derjenigen Parteien, die sich heute einer großen Zurückhaltung be⸗ fleißigen, sind für diesen Gedanken eingetreten. Nach dem Verlaufe der gestrigen Verhandlung glaube ich nicht zweifeln zu dürfen, daß sowohl die nationalliberale Partei wie die freikonservative sich für den Antrag von Levetzow entscheiden und insoweit der Anforderung der Regierung entgegenkommen werden. Die Reichsregierung giebt aber auch die Hoffnung nicht auf, daß sich auch das Zentrum mit auf denselben Boden stellen wird (hört! hört! links), und glaubt, des⸗ halb an dieser Hoffnung festhalten zu müssen, weil nach ihrer Mei⸗ nung das Zentrum sich mit sich selbst in Widerspruch setzen würde, wenn es das nicht thäte. Meine Herren, der Kommissionsbericht enthält ja Andeutungen darüber, welche Erwägungen für die ab⸗ lehnende Haltung des Zentrums maßgebend gewesen sind, und ich kann mich dabei des Eindrucks nicht erwehren, daß es Kulturkampf⸗ erinnerungen gewesen sind, die den sonst so klaren Blick der Herren einigermaßen getrübt haben. (Heiterkeit.) Die Beispiele, auf die dort hingewiesen ist, die Möglichkeit, daß es durch die Abwehr von Gefahren, die ihnen ungerecht erscheinen, zu einem gewaltsamen Widerstand kommen möge, ist es gewesen, die die Abstimmung der Zentrumsmitglieder bestimmt hat.
Nun, meine Herren, ich weiß nicht, ob derartige Ausschreitungen, auf welche hier von den Mitgliedern der Kommission exempliftziert ist, während des Kulturkampfes thatsächlich vorgekommen sind; das eine aber weiß ich bestimmt, daß der grundsätzliche Standpunkt des Zentrums immer ein anderer gewesen ist, daß nämlich das Zentrum die Meinung vertreten hat, es würde auch den Gesetzen, von deren Gerechtigkeit es nicht überzeugt war, einen thätlichen Widerstand nicht entgegensetzen dürfen, sondern nur einen passiven. (Sehr richtig! in der Mitte.)
Nun, meine Herren, ich weiß nicht, ob ein Kulturkampf, wie wir ihn durchgemacht haben, jemals wiederkehren wird; ich selbst glaube es nicht, ich wünsche es nicht: er hat niemand genutzt und nur die Gemüther gegen einander verbittert. (Hört, hört! links. — Sehr richtig! in der Mitte.) Das eine, meine Herren, glaube ich aber annehmen zu können auch von den Mitgliedern des Zentrums und von denen, die hinter ihm stehen, daß, wenn es trotz alledem zu einem neuen Kulturkampf kommen würde, sie auch dann den grundsätzlichen Standpunkt nicht verlassen würden, von dem sie früher sich haben leiten lassen, und damit verliert die Gefahr, die zur Ablehnung des Antrags seitens der Kommissionsmitglieder geführt hat, ihre Bedeutung.
Nun, meine Herren, glaube ich, werden Sie sich doch darüber gar keiner Täuschung hingeben können, daß, wenn Sie auf Ihrer ablehnenden Haltung beharren, Sie dann die Geschäfte der Sozial⸗ demokratie besorgen. (Unruhe.) Wenn Zweifel hierüber noch hätten bestehen können, so sind dieselben durch die gestrige Rede des Herrn Abg. Auer beseitigt. Meine Herren, die Palme des gestrigen Tages
gebührt ja, abgesehen von dem Herrn Kriegs⸗Minister (große Heiter⸗ keit), dem Herrn Abg. Auer, mindestens in rhetorischer Beziehung
Sie würde ihm auch in sachlicher Beziehung gebühren, wenn seine Rede den Erfolg hätte, daß sie das Zentrum zum Beharren bei seiner bisherigen Haltung veranlaßte. (Zuruf.) Nun, meine Herren, die Taktik der Herren von der sozialdemokratischen Partei war ja nicht un⸗ geschickt, aber auch recht durchsichtig. Was wollen diese Herren und was war der eigentliche Zweck der gestrigen Rede des Herrn Abg. Auer? Es war der, das Zentrum festzunageln auf der unhaltbaren Position (sehr richtig!), auf die es sich durch seine Ab⸗ änderungsanträge begeben hat. Meine Herren, wenn das den Sozialdemokraten gelingt, dann ist ihrer der Sieg. Das Zentrum wird sich des Erfolgs nicht rühmen können; es wird das Opfer sein. Aber die gestern von dem Herrn Abg. Reindl verlesene Erklärung hat erkennen lassen, daß das Zentrum das letzte Wort in der Sache noch nicht gesprochen hat. Es hat sich die Entscheidung noch vor⸗ behalten wollen bis zur dritten Lesung. Demgegenüber möchte ich mir aber gestatten, darauf hinzuweisen, daß es heute viel leichter ist, den bisherigen Standpunkt zu verlassen, als bei der dritten Lesung. (Sehr wahr!) Sie würden heute nur die Mitglieder der Kom⸗ mission desavouieren, die nicht auf Grund einer bestimmten Instruk⸗ tion ihre Stimme abgegeben haben; halten Sie aber heute den Stand⸗ punkt der Kommission aufrecht, dann setzen Sie sich in der dritten Lesung mit sich selbst in Widerspruch. Wenn Sie deshalb der Regierung das geben wollen, was sie fordert und was sie fordern muß, falls sie in dem Gefühle ihrer verantwortlichen Stellung die Ordnung aufrechterhalten soll im Lande, wenn Sie überhaupt etwas geben wollen: dann, meine Herren, rufe ich Ihnen zu: bis dat qui cito dat! (Bravo! rechts.)
Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Es zeugt nicht von besonderer Stärke der Regierung, daß sie sich zunächst von äußeren Einflüssen zu einer Vorlage drängen läßt, und daß sie jetzt um einer Kleinigkeit willen, weil ihr in einer untergeordneten Frage nicht der Wille gethan wird, die Vorlage aufgiebt. Der Abg. Dr. von Bennigsen hat bei der ersten Lesunf der Vorlage gesagt: Es muß etwas geschehen! Was ist denn vorgefallen, daß alle Rechtsgrundsätze auf den Kopf gestellt werden sollen? Im vorigen Sommer hat ein Mordbube den Präsi⸗ denten der Französischen Republik ermordet. Bei uns hat man von derartigen Schandthaten nichts gehört. Thatsächlich begründet man denn auch die Nothwendigkeit der Vorlage nur mit einem Hinweis auf die allgemeine Weltlage, auf die Gefahr einer allgemeinen sozialen Revolution. Wir glauben nicht an diese Gefahr. Und wenn sie wirklich drohen würde, so wäre diese Vorlage die ungeeignetste zur Bekämpfung derselben. Die Strafverschärfung, welche der § 111 betreffs der Aufforderung zu einem Verbrechen oder Vergehen vorschlägt, ist keineswegs so harmlos, wie sie mehrfach auf⸗ gefaßt wird. Die Verschärfung der Strafen beträgt 200 %. Zu einer solchen Verschärfung liegt nicht der geringste Anlaß vor. Es ist kein einziger Fall nachgewiesen, wo die bisherige Maxi⸗ malstrafe bei der Aburtheilung wegen Aufforderung zu einem Verbrechen erreicht wurde. Wozu da eine Verschärfung? Zu welchen Konsequenzen die Annahme des § 111 führen würde, ist bereits mehrfach dargethan worden. Ich will nur Eines erwähnen. Nach den bestehenden S ist ein Staatsanwalt, der Kenntniß von einem Verbrechen erhält, verpflichtet, den Thäter zu verfolgen. Nun kann ich mir denken, daß ein Staatsanwalt, der — wie ja vor⸗ gekommen ist — von der Aufforderung zu einem Duell Kenntniß er⸗ bälr eine Verfolgung aus politischen oder anderen Gründen nicht einleitet. Wenn jemand das entschuldigen wollte, so würde er sich nach der Umsturzvorlage strafbar machen. Die Fassung des § 111 nach der Kommission ist unmöglich. Der Antrag Barth ver⸗ dient vor dem der Konservativen den Vorzug. Er will prophylaktisch wirken, der Antrag der Konservativen wird nur eine pädagogische Wirkung haben. Zur Ausübung einer solchen sind die Gerichte aber nicht da. Man braucht kein Mißtrauen gegen die Fähigkeit der Richter zu haben, und auch ich habe keins, aber ich meine doch, daß man sie nicht der Gefahr aussetzen muß, solche Kautschukparagraphen anwenden zu müssen. Der Begriff „Umsturz“ hat bis jetzt sogar auch nicht von den ausgezeichneten achtundzwanzig Juristen der Kommission festgestellt werden können. Ich warne Sie mit aller Entschiedenheit vor diesem Gesetz. Dem § 111, welcher zugleich das Schicksal der
anzen Vorlage bedeutet, können wir nicht freudig gegenüberstehen. ch hoffe aber, die verbündeten Regierungen werden uns, wenn dieses Schicksal entschieden ist, nicht zwingen, uns mit dieser Vorlage noch weitere vierzehn Tage zu befassen. Die Vorlage, so heißt es, soll die Achtung vor der Staatsgewalt wahren helfen; nun, diese Achtung kann nur durch solche Gesetze geschützt werden, die sich innerhalb der Grenzen des wirklichen Bedürfnisses halten. Hier aber liegt ein polizeiliches Ausnahmegesetz vor, wie bisher noch keins dagewesen ist, und zwar nicht etwa als Ausnahmegesetz, sondern als ganz regelmäßig anzuwendendes Gesetz. 8
Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Minister des Innern von Köller:
Wie der Herr Abg. Lenzmann dieses Gesetz bezeichnen will, das ist seine Sache. (Heiterkeit links.) Ich will ihm auch auf die staatsrechtlichen Ausführungen, die er im letzten Theile seiner Rede machte, nicht folgen; denn ich hätte so viel zu widerlegen, daß ich mich genieren müßte, Ihre Zeit so in Anspruch zu nehmen. Ein Wort nur will ich sagen zu den letzten Ausführungen.
Wenn der Herr Abg. Lenzmann sagte, die Regierung trüge die Verantwortung für diese Vorlage, und gewissermaßen den Re⸗ gierungen damit hat einen Vorwurf machen wollen, so will ich ihm darauf erwidern, daß die verbündeten Regierungen jeder Zeit die Verantwortung für ihre Handlungen tragen werden, und ob Sie die Gründe richtig finden, welche die verbündeten Regierungen leiten, oder nicht, das wird den verbündeten Regierungen im Großen und Ganzen ziemlich gleichgültig sein. (Lebhafter Widerspruch und große
Unruhe links.)
Meine Herren, wir bedürfen Ihrer nur soweit, als Sie den Gesetzen zuzustimmen haben, die vorgelegt werden, oder die Gelder zu bewilligen haben. Sie mögen Ihre Zustimmung zu Gesetzen verweigern, — dann werden es keine Gesetze; ob die verbündeten Regierungen aber überhaupt Gesetzentwürfe vorlegen oder nicht, haben diese zu ermessen.
Meine Herren, ich habe mich hauptsächlich zum Wort gemeldet, um andere Ausführungen zu beantworten, die der Herr Abg. Lenz⸗ mann zwar nicht in seinen staatsrechtlichen Auseinandersetzungen zum Schlusse, sondern im Anfange seiner Rede gemacht hat. Der Herr Abg. Lenzmann warf der Regierung vor, sie habe ja eigentlich gar keinen Grund angegeben, welcher die Vorlegung eines solchen exorbi⸗
tanten Gesetzentwurfs rechtfertigen könnte; man müsse doch der Sozial⸗
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demokratie glauben; allerdings schaltet er dabei ein, er sei ein gut⸗ müthiger Mensch, woraus ich entnehmen zu dürfen glaube, daß er einen Charakter bezeichnen will, der redlich und ehrlich glaubt, was ihm seiner Ansicht nach redlich und ehrlich gesagt wird; und ich habe den Herrn Abg. Lenzmann in der langen Zeit, seit ich ihn kenne, auch nie anders kennen gelernt, ich habe immer gern mit ihm diskutiert. Aus seinem Appell an die verbündeten Regierungen, daß er uns nicht Glauben zu schenken vermöge gegenüber den Versicherungen der Sozial⸗ demokratie, das sei eine harmlose (Widerspruch bei den Sozial⸗ demokraten), ruhige Bürgerpartei, — aus diesem Appell⸗an die ver⸗ bündeten Regierungen entnehme ich die Verpflichtung, Ihnen noch einige Gründe für die Vorlage mitzutheilen, die vielleicht bisher nicht so in der Oeffentlichkeit besprochen worden sind.
Uebrigens will ich von vornherein bemerken, daß die Behauptung, es sei in der Kommission wenig oder nichts mitgetheilt worden, auf einem Irrthum, vielleicht auf einer Vergeßlichkeit beruht. Den Protokollen der Kommission sind 26 Aktenstücke beigelegt worden, und aus jedem einzelnen sind die allergefährlichsten und allerschlimmsten Erzeugnisse der Presse und der Reden in Volksversammlungen ab⸗ geschrieben und abgedruckt worden (Zuruf — Heiterkeit), welche neuer⸗ dings in der Presse und in den Schriften derjenigen Parteien, die sich eben der staatlichen Ordnung nicht fügen wollen, enthalten sind. Daß wir diese 26 Schriftstücke nicht vollständig in dem Bericht haben abdrucken lassen, das kam, glaube ich, aus dem berechtigten Gefühle, welches die Mitglieder der Kommission in ihrer Mehrheit hatten, daß man derartige Sachen wirklich besser nicht in die Oeffentlichkeit bringt (Heiterkeit links), und daß man sie namentlich nicht durch den Druck verbreitet, womit man den Sozialdemokraten ihre Geschäfte besorgen würde. (Zurufe links.)
Also den Vorwurf des Herrn Abg. Lenzmann, es sei in der Kommission nichts vorgelegt, weise ich zurück mit der Behauptung, daß den Protokollen der Kommission 26 sehr bedenkliche (große Heiterkeit links) Aktenstücke beigelegt sind.
Meine Herren, weiter sagte der Herr Abg. Lenzmann: die Sozial⸗ demokraten sind ja harmlose, ruhige Bürgersleute, die immer erklären, sie wollten garnicht den gewaltsamen Umsturz, sie wollten gar keine Revo⸗ lution, das wären alles Phantasien — der Herr Abg. Lenzmann wandtz sich speziell an mich — den Herrn von Köller, der behauptete, das sei alles der Fall; er glaube aber den Sozialdemokraten mehr als den Behaup⸗ tungen der verbündeten Regierungen — das war ungefähr der Sinn, Herr Abg. Lenzmann, der in Ihren Worten lag. Nun glaube ich, der Herr Abg. Lenzmann hat sein Studium über die stillen und theil⸗ weise verstohlen lautwerdenden Gedanken der Sozialdemokratie doch nur nach einer Seite hin gemacht; ich habe beinahe die Empfindung, daß der Herr Abg. Lenzmann seine Wissenschaft aus einem Volks⸗ kalender gesogen hat (Heiterkeit) —, welcher, der „Schlesische Land⸗ bote“ betitelt, in Schlesien durch die Sozialdemokratie emsig ver⸗ breitet wird. Darin steht nämlich zum Schluß nach vielen sehr hübschen und schönen Ausführungen folgende Kritik:
Die Sozialdemokratie ist die Liebe, die Sozialdemokratie ist der Fleiß, der Wohlstand, die Gesundheit, das Leben und das Ge⸗ deihen aller, die in fleißiger Arbeit sich abmühen.
(Große Heiterkeit und Sehr richtig! links.) Meine Herren, Sie rufen anfangs: „Sehr richtig!“ darüber, aber Sie überzeugen sich doch, daß in der großen Mehrheit dieses Hauses und, ich glaube, in ganz Deutschland Hohngelächter entstehen würde, wenn man mit solcher Kritik an die Leute im Lande herantritt und denen weis machen will, was Sie, die Sozialdemokraten, für harmlose unschul⸗ dige Leute sind. Meine Herren, ich will nicht behaupten, daß der Herr Abg. Lenzmann nichts Anderes über die Sozialdemokratie ge⸗ lesen hat; aber ich glaube, dieser Passus, wenn er ihn gelesen, hat ihm zu viel Eindruck gemacht, und ich würde es auf den offenen, ehrlichen Charakter des Herrn Abg. Lenzmann zurückführen, wenn er solchen Worten Glauben schenkt. Ich glaube das den Sozial⸗ demokraten nicht, sondern behaupte, daß es eine infame Lüge in diesem Kalender ist. Meine Herren, machen wir einmal eine kleine Rundschau. Ich kann Ihnen ein außerordentliches Material von Sachen vortragen, die theils in Volksversammlungen geäußert sind, theils in Ihrer unübertrefflichen Presse dem Volke öffentlich und, meiner Meinung nach, in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise geboten sind.
Da hat neulich in einer Versammlung, die in der Provinz Schleswig⸗Holstein stattgefunden hat, jemand gesagt: der Anarchist erlaube und entschuldige alles, was der Mensch zur Selbsterhaltung begehe. Bei der an diese Auslassung sich knüpfenden Diskussion sagte ein Herr Brendel, er sei Individualist, er habe nur sein eigenes Ich im Auge, er kämpfe für sein eigenes Fortkommen, er würde aber vor keinerlei Verbrechen zurückschrecken, auch wenn er den Revolver oder Dolch dazu gebrauchen müsse, falls ihm jemand in seinem Kampfe hinderlich entgegentreten solle.
Das ist die Ansicht von Herrn Brendel — die Sozialdemokratie ist die Liebe!
Weiter: In einer anderen Versammlung sagte ein Herr Will⸗ mann zu jemandem, der ausführte, er wäre ja eigentlich auch geneigt, alles Mögliche zu thun, könne aber kein Blut sehen — Folgendes in öffentlicher Versammlung: er rathe ihm, seine Hände mit Lappen zu umwickeln, damit er sich nicht in den Finger steche; denn wer das Blut anderer nicht fließen sehen könne, könne sein eigenes erst recht nicht sehen. Er sei jeden Tag bereit, mit dem Revolver oder Dolch in der Hand zu kämpfen und solchen Bourgeois das Lebenslicht auszublasen, welche durch ihre Produktionsweise die Arbeiter langsam hinmorden. — Ja, die Sozialdemokratie ist die Liebe!
In Aachen — wir kommen durch das ganze Deutsche Reich — (Zurufe.) — Ja, Sie haben immer die Gewohnheit, wenn man Namen nennt, zu rufen: Der ist Anarchist! Ob Sie oder Ihre Brüder es sind, bleibt sich ganz gleich! (Heiterkeit.) — In Aachen sagte ein Herr Krehwinkel, als darüber diskutiert wurde, ob
man Leute wegen ehrloser Handlungen aus der Sozialdemokratie aus⸗ EE11öö1““ 8 5