1895 / 113 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

fehl des Oberst⸗Lieutenants Freiherrn von Langermann und Erlencamp, Kommandeurs des genannten Regiments, und der 2. Ab⸗ theilung des 1. Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiments unter Befehl des Majors Freiherrn von Röder⸗Diersburg. Die Truppen hatten wie folgt, Aufstellung genommen: das 2. Garde⸗Regiment zu Fuß in Linie in der Straße Alt⸗Moabit mit dem Rücken nach der Nordseite, das 2. Garde⸗Ulanen⸗Regiment in Linie rechts des 2. Garde⸗Regi⸗ ments zu Fuß, die Artillerie in Kolonne in der Strom⸗ und Perle⸗ bergerstraße mit der Tête an der Thurmstraße. Es waren zur Theil⸗ nahme 5. Allerhöchst befohlen: Abordnungen aller Regimenter des Garde⸗Korps, sowie die kommandierenden Generale des III. und V. Armee⸗ korps mit Abordnungen dieser Korps. Außerdem nahmen u. a. theil, bezw. waren hier eingetroffen: Deputationen des Kriegerverbandes von Berlin und Umgegend, die Vereine ehemaliger Kameraden des 2. Garde⸗Regiments z. F. und des Garde⸗Füsilier⸗Regiments, sowie eine Deputation des Essener Garde⸗Vereins, dessen Protektor der Ver⸗ storbene war, sämmtlich mit Fahnen. Von 3 ½ Uhr an trafen die Deputationen der Offizierkorps, der Generalität und die sonstigen Theilnehmer an der Trauerfeier ein, unter ihnen die sämmtlichen auswärtigen Millitärbevollmächtigten. Die Generale nahmen füdlich des mit einem Doppel⸗Ehrenposten des 2. Garde⸗ Regiments z. F. besetzten Eingangs Stellung, die Offizier⸗ korps nördlich desselben auf dem Bürgersteig, letztere regimenter⸗ weise nach ihrer Anciennetät. Wenige Minuten vor 4 Uhr erschien Seine Majestät der Kaiser und König in der Bniform des 2. Garde⸗ Regiments z. F. mit der Kette des Schwarzen Adler⸗Ordens, begleitet von den 1 des Hauptquartiers. Unter den Anwesenden befanden sich der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Stuats⸗Minister Dr. von Boetticher, die Gene⸗ rale Graf von Waldersee, von Werder, Freiherr von Meerscheidt⸗ Hüllessem, von Mischke, von Rauch, die Staats⸗Minister Graf zu Eulenburg und von Maybach, sowie als Vertreter Seiner Majestät des Königs von Sachsen der General⸗Adjutant, General⸗Lieutenant von Treitschke. Seine Majestät sprach der Wittwe und der einzigen noch lebenden Tochter des General⸗Obersten von Pape Allerhöchstsein Beileid aus. Mit dem Chorgesang: „Jesus meine Zuversicht“ begann die eier. Die Trauerrede pielt der Militär⸗Oberpfarrer, Hof⸗ und rnisonprediger D. Frommel unter Zugrundelegung der Worte: „Schlicht und recht, das behüte mich, denn ich harre Dein.“ Mit em Chorgesang „Laß mich gehen u. s. w.“ schloß die Trauerfeier. Der Sarg wurde hierauf von Unteroffizieren des 2. Garde⸗Regiments z. F. zu dem offenen sechsspännigen Gala⸗Leichenwagen hinabgetragen. Die eichenparade präsentierte und unter den Klängen der Choralweise Jesus meine Zuversicht“ setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Seine Miajestät der Kaiser folgte dem Sarge zu Fuß, dann kamen die Enkel ees Entschlafenen, die Generalität und die übrigen Leidtragenden. Die Bei⸗ etzung erfolgte unter Gebet und Segen des Sefäsgedeges D. Frommel. Auf dem Invalidenkirchhofe fand der entschlafene General⸗Oberst von pe die letzte Ruhe an der Seite seiner im Januar d. J. ver⸗ orbenen Tochter. Vom Grützmacher her donnerte der Kanonensalut über die Gruft.

Am nächsten Mittwoch gelangt im Saal Bechstein Ernst on Wildenbruch's Heldenlied „Vionville 1870“ durch Emil⸗ schirch zum ersten Mal öffentlich zum Vortrag, und zwar zu unsten des Fonds der Kaiser Wilhelm Gedächttfliß⸗ irche. Den Saal Bechstein hat die Direktion Hermann Wolff für

iesen Zweck miethefrei zur Verfügung gestellt.

In der Urania findet morgen, am Donnerstag und Sonn⸗ abend die Vorführung des dekorativen e.sbfenog⸗ „Durch alle Welten“ statt. Am Dienstag wird Herr R. Tabbert seinen Vortrag über „Die Goldfelder Transvaals“ noch einmal halten, am Mittwoch wiederholt Herr P. Spies „Tesla's Licht der Zukunft“, Freitag spricht Herr Dr. P. Schwahn über „Das Laibacher

Erdbeben“.

Im Zoologischen Garten findet morgen großes Militär⸗

oppelkonzert statt, welches um 4 Uhr Nachmittags beginnt und von den Kapellen des 1. Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiments und des 2. Garde⸗Dragoner⸗Regiments ausgeführt wird. Der Eintrittspreis beträgt 50 Pfennig (für Kinder unter zehn Jahren die Hälfte). Von Montag ab finden fortan auch in der Woche täglich Doppelkonzerte statt, die um 4 ½ Uhr Nachmittags ihren Anfang nehmen.

GSFifhorn, 10. Mai. Eine große, durch Blitzschlag verursachte in Waddekath kei Wittingen fünf Ge⸗ bestvund eine Reihe einzelner Häuser. Die Kirche i alls

schädigt. üigata.g Die Kirche 8

1

Marbach. Die in Marbach erscheinende Zeitung „Der Postillon“ berichtet von dort unter dem 9. Mai: Heute früh, als eben die von den Deutschen in Moskau gestiftete Schillerglocke „Konkordia“ zum Gedächtniß des Todestags Schiller's in einstündigem Läuten ihre feierlichen Töne über die Stadt hatte erschallen lassen, versam⸗ melte der Stadtvorstand die bürgerlichen Kollegien und den Schiller⸗ vereins⸗Ausschuß zu einer außerordentlichen Sitzung, in welcher er mittheilte, 5 zum heutigen Tage (Schiller's Todestag und Gedächtniß⸗ feier des 60 jährigen Bestehens des „Schillervereins“) von Seiner Majestät dem König von Württemberg folgendes Allerhöchste Schreiben an ihn eingetroffen sei:

Stuttgart, den 8. Mai 1895. Mein lieber Stadtschultheiß Haffner! Wie seit Jahren von allen Veranstaltungen, mit welchen der Schillerverein in Marbach und die Stadt Marbach bei der Wiederkehr des Jahrestags der Geburt und des Todes unseres Friedrich Schiller das Andenken des Dichters zu feiern pflegen, so haben Sie Mir auch von der Feier Mittheilung gemacht, durch die Marbach den bevorstehenden Todestag Schiller’'s, zugleich das g. häheige Jubiläum des Marbacher Schillervereins zu begehen sich anschi

Es hat Mir stets zu besonderer Genugthuung und Freude gereicht, zu beobachten, wie die Geburtsstadt Schiller's mit unermüdlichem Eifer und ernster Begeisterung das Andenken des großen vaterländischen Dichters zu pflegen bestrebt ist. Auch davon habe Ich aus Ihrem Bericht, wie persönlich durch wiederholte Besuche des Schillerhauses Mich überzeugt, wie von Jahr zu Jahr die Sammlungen des letzteren sich vermehrt und durch Umfang und Inhalt schon heute eine große Be⸗ deutung für die Schillerforschung und die Kenntniß der Lebensverhältnisse des Dichters gewonnen haben. Durch diese Bereicherungen sind nun aber auch die Räumlichkeiten und Einrichtungen des Schillerhauses für die würdige und sichere Unterbringung der schon jetzt vorhandenen Samm⸗ lungen unzureichend geworden und Sie beschaftigen sich daher mit dem Gedanken, Mittel und Wege zu finden, um diesem Mangel ab⸗ zuhelfen und, noch über den nächsten dringenden Zweck hinaus, die Unterbringung eines Schiller⸗Archivs und ⸗Museums in einem selbst⸗ ständigen Bau zu ermöglichen.

Dieser Gedanke hat Meine volle Sympathie, aber Ich verkenne nicht, daß seine Ausführung durch den Marbacher Schillerverein nicht erzielt werden kann. Wie sehr auch die seitherigen Leistungen des Vereins und der Einwohner der Stadt Marbach anzuerkennen sind, zur baulichen Herstellung eines Archivs und Museums, wie zur Ent⸗ wicklung der Sammlungen können die Mittel, welche der Verein in seinem Kreise aufzubringen vermag, nicht hinreichen. Nun erachte Ich es aber für eine Pflicht und Aufgabe des ganzen Landes, das den Ruhm genießt, die Heimath Friedrich Schiller's zu sein, das Werk, welches seine Geburtsstadt begonnen hat, in einer der Bedeutung Schiller’'s entsprechenden Weise weiter zu führen und zu vollenden.

Ich habe Mich daher entschlossen, hierfür Meine Mitwirkung eintreten zu lassen, und in der Ueberzeugung, in solcher Weise den Wünschen und Zielen Ihres Vereins und der Stadt Marbach ent⸗ fordere Ich Sie hiermit auf, das Erforderliche einzu⸗ eiten, daß der Marbacher Schillerverein umgebildet werde zu einem „Schwäbischen Schillerverein“, dessen wesentliche Aufgaben im Vorstehenden angegeben sind, der abex überhaupt alles in den Kreis seiner Bestrebungen ziehe soll, wos die Verbreitung der Kenntniß der Schöpfungen und der Persönlichkeit Schiller's, wie der Wirkungen, die er auf die geistige, sittliche und patriotische Entwicke⸗ lung des deutschen Volks hervorgebracht hat, in irgend einer Weise zu fördern vermag.

Ich darf die Hoffnung hegen, daß eine solche Erweiterung und Neugestaltung des Vereins und die Errichtung eines Schiller⸗Museums und ⸗Archivs in Marbach in allen Kreisen des schwäbischen Volks, ja im ganzen deutschen Vaterlande freudige und werkthätige Theil⸗ nahme finden und daß dem Werke auch die bereitwillige Unterstützung der Literaturfreunde und ⸗Forscher nicht fehlen wird, und sehe nun Ihren Vorschlägen über die Einzelheiten der Umbildung des Vereins und seiner Organe, die nöthige Aenderung der Statuten u. s. w. in der bezeichneten Richtung entgegen, indem Ich Mir vorbehalte, Ihnen diejenigen Persönlichkeiten zu bezeichnen, von denen Ich wünsche, daß sie sich an der Berathung und Mitarbeit der Ihnen nunmehr ge⸗ stellten Aufgabe betheiligen.

Ich wünsche mit der Einzeichnung Meines Namens die Mit⸗ güederhst⸗ des „Schwäbischen Schillervereins⸗ zu eröffnen und be⸗ alte Mir vor, Ihnen wegen Meiner Betheiligung Meine weitere Entschließung kund zu geben.

Es dürfte, gerade in der jetzigen Zeit, für das deutsche Volk von großer Bedeutung sein, die Erbschaft des nationalen Dichters zu pflegen und damit die Erkenntniß von dem höheren Werth des idealen Besitzes unserer Nation zu kräftigen und zu beleben. In solchem Sinne 2. wirken, soll auch die Aufgabe des „Schwäbischen Schiller⸗ vereins“ sein!

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Am 9. Mai 1905, von dem uns nur noch ein Jahrzehnt trennt werden wir die hundertjährige Wiederkehr des Tages begehen, an dem Friedrich Schiller von dieser Erde geschieden ist.

Möge die Feier das Schiller⸗Museum und ⸗Archiv in Marbach zu dessen Ausführung Ich jetzt die Anregung geben wollte, vollender und würdig des Dichters vorfinden zu seiner Ehre und zur Ehre seiner schwäbischen Heimath! 1

Mit der Versicherung Meines fortdauernden Wohlwollens ver⸗ bleibe Ich, Mein lieber Stadtschultheiß Haffner, Ief qühiher König

ilhelm.“

Die Versammelten waren aufs freudigste überrascht von dieser gnädigsten Anerkennung der allerdings nicht erfolglosen Bestrebung welche die Stadt und der „Schillerverein“ in langen Jahren in der Pflege des Andenkens an den größten Sohn des Landes bethätigten und von der idealen und wahrhaft Königlichen Entschließung Seiner Majestät: selbst wirken und den Weg bereiten zu wollen, daß diese Bestrebungen zu einer Sache des ganzen Landes werden. Es wurde beschlossen, das Königliche Schreiben sofort der Einwohnerschaft be⸗ kannt zu geben, die Häuser zu beflaggen, die Schillerglocke wiederholt läuten und mit Böllern schießen zu lassen und folgendes Telegramm an den König abzusenden:

„Eure Königliche Majestät haben mit dem gnädigen Schreiben an unseren Stadtschultheißen und Schiller⸗Vereinsvorstand einen Jubel entzündet, wie solcher in Marbach wohl noch niemals erlebt wurde. In außerordentlicher Sitzung nehmen wir soeben⸗ Kenntniß von dem die Stadt und den Schillerverein hochehrenden und für unsere Bestrebungen überaus wirksamen Inhalt. Wir stimmen den Intentionen Eurer Majestät vollkommen zu, wir danken Eurer Majestät allerunterthänigst für diese wahrhaft König⸗ liche Kundgebung und sind der Ueberzeugung, daß mit uns alle Württemberger, ja alle Schillerverehrer der ganzen Erde diese Ent⸗ schließung mit höchster Freude vernehmen werden. Ehrfurchtsvollst Ftasschultbetz, Gemeinderath, Bürgerausschuß und Schillervereins⸗

usschuß.“

Das Schreiben des Königs übergab der Stadtschultheiß dem Schillerhause; dort wird dasselbe in entsprechender Umrahmung für Jedermann sichtbar verwahrt werden, bis es in gleicher Weise in dem einstigen „Schiller⸗Museum“ ausgelegt werden kann.

Weimar. Für die diesjährige Generalversammlung der Goethe⸗Gesellschaft, welche am 7. und 8. Juni in Weimar abgehalten werden wird, ist folgendes Programm aufgestellt: Freitag, den 7. Juni: Vorstandesitzung im Witthums⸗Palais; Abends geselliges Beisammensein im Saale der „Armbrust⸗Gesellschaft“. Sonnabend, den 8. Juni, im Saale der „Erholungs⸗Gesellschaft“: Festrede des Herrn Friedrich Spielhagen (Berlin) über Goethe's epische Dichtungen; außerdem Berichterstattung über das Goethe⸗Archiv, über das Goethe⸗ Museum und Rechnungsablegung. Nachmittags 3 ½ Uhr: Festmahl ün Abends Festvorstellung im Großherzoglichen Hof⸗

eater. 1

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Lübeck, 11. Mai. (W. T. B.) die Grundsteinlegungsfeier des Elbe⸗Trave⸗ Kanals ist nunmehr wie folgt festgesetzt: Der Empfang der Ehrengäste, darunter der der preußischen Minister, erfolgt am Freitag, den 31. Mai, Mittags 12 und 1 ½ Uhr am Bahnhofe durch Senatsmitglieder. Um 3 Uhr findet der Festakt am Burgthordurchstich statt, bei welchem der präsidierende Bürgermeister und der Vor⸗ sitzende der Kanalbaubehörde Ansprachen halten werden.

ierauf folgt die Zeremonie des Hammerschlages. Um 6 Uhr ist ein Festessen im Rathhause. Die Rückkehr der Gäste erfolgt um 11 Uhr Abends.

Pola, 11. Mai.

Das Programm für

(W. T. B.) Heute früh 8 Uhr lief das Geschwader zu einem Gefechtsmanöver gegen einen supponierten Feind aus. Das Gefecht, welches äußerst länzend verlieff, war um 11 Uhr beendet. Der Kaiser ciche sich sodann unter Salutschüssen der Schiffe sowie unter türmischen Hurrahrufen auf der „Miramar“ ein.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage)

2

22

Wetterbericht vom 11. Mai

r Morgens.

900 Z8 SE

Wetter.

land fanden wieder Gewitter statt, stellenweise mit geringem Niederschlag. D über Deutschland aus Südwest. warmen sonnigen Witterung, jedoch stellenweise Ge⸗ witter, wahrscheinlich.

Die oberen Wolken ziehen

8 Fortdauer der —Montag: Der Lebemann.

Dienstag: Die Ehre. Deutsche Seewarte.

Bar. auf 0Gr. in 0 Celsius

Temperatur

vard. Anfang 7 ½ Uhr.

u. d. Meeressp. red. in Millim 50 C. = 40 R.

L 2

Belmullet.. Aberdeen..

B.S. openhagen. Stocholm. t Pendan, Petersbg. Moskau.. Cork, Queens⸗ towmn.. Ider.. ylt 2 9 2 mburg.. winemünde Neufahrwasser Memel nster...

Karlsruhe .. Wiesbaden. Münche

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Breslau . .. v . 767 O9SO F3 bheiter u.7768 ONO l wolkenlos

¹) Nachts etwas Regen. ²) Nachmittags Gewitter. ) Neas en Genhen 8 UMebersicht der Witterung.

Die gleichmäßige Luftdruckvertheilung besteht auf dem ganzen Gebiete fort und daher auch die schwache Luftbewegung. Eine flache Depression, nordostwärts fortschreitend, liegt an der mittleren norwegischen Küste, mit einem Ausläufer nach dem südlichen

weden. Bei leichter, meist 8s Luftbewe⸗ gung ist das Wetter über Deutschland heiter, trocken und ziemlich warm. In Nord⸗ und Mitteldeutsch⸗

82

Gaul.

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Niemann.

6 Opernhaus.

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Gretel.

in der man si Tasso.

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Sonntag: Opern⸗ 120. Vorstellung. Hänsel und Gretel. Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humper⸗ dinck. Text von Adelheid Wette. vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor meister Weingartner. Die Puppenfee. mimisches Ballet⸗Divertissement von Haßreiter und Musik von Josef Bavyer. vom Balletmeister Emil Graeb. Dirigent: Musik⸗ Direktor Steinmann.

Schauspielhaus. 126. Vorstellung. Der Revisor. Lustspiel in 5 C-v. von Nicolay Gogol, deutsch von Elsa von Scha Ober⸗Regisseur Max Grube.

Montag: Opernhaus. n Romantische Oper in 3 Akten von Richard

gner. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. Alten sungen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Karl nfang 7 ½ Uhr. 8—2 Dienstag: Der Evangelimann. Mittwoch: Der Barbier von Sevilla. (Rosine: Frau Marcella Sembrich, Königl. Kammersängerin, als Gast.) Slavische Brautwerbung. Donners⸗ tag: Der Evangelimann. Freitag: Hänsel und Karneval. Male: Franenlob. (Frauenlob: Herr Kraus, vom Hof⸗ und National⸗Theater in Mannheim, als Gast.)

Schauspielhaus. Mittwoch: Der Revisor. langweilt. Freitag: Torqnato Sonnabend: Der Revisor.

Dentsches Theater. Sonntag: Das Lumpen⸗ gesindel. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag: Prinz Friedrich von Homburg.

Dienstag: Das Lumpengesindel.

8 Montag: Der Hypochonder.

In Scene gesetzt Sonntag: Der Kapell⸗

Dirigent: Panto⸗

randt. Carl Zeller. Regie: Herr Fredy. Kapellmeister Dahms. derc Anfang 7 ½ Uhr.

Montag: Der Obersteiger.

Neues Theater. Sonntag:

In Scene gesetzt Anfang 7 ½ Uhr. elskyv. In Scene gesetzt vom

Anfang 7 ½ Uhr. 121. Vorstellung. Lohen⸗

Arthur W. Pinero. Vorher: Ein von G. von 7 ½ Uhr.

127. Vorstellung. Wie die

reisen: Demi⸗Mo lexandre Dumas. onta ersten ale: Die Wildente. 5 Akten von Henrik Ibsen, Brausewetter.

Residenz⸗Theater. Direktion: Sigmund Lautenburg.

2 8

Sonnabend: Zum ersten

Dienstag: Torqnato Tasso. onnerstag: Die Welt,

in 3 Akten

Montag und Ehekontrakt.

Direktion: en. Vorher:

Wi Offenbach. Anfang Uhr.

Berliner Theater. Sonntag, 2 ½ Uhr: Ma⸗ dame Saus⸗Géene. 7 ½ Uhr: Die Ehre.

Lessing⸗Theater. Sonntag: Madame Boni⸗ 9.

Dienstag: Madame Bonivard.

Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25/26.

Obersteiger.

3 Akten von L. Held und M. West.

igte Preise der Plätze.

Schiffbauerdamm 4a./5. Die zweite Frau. Mrs. Tanqueray.) Schauspiel in 4 Akten von Deutsch von Carl Lindau. usarenstreich. Schwank in 1 Akt oser und Th. von Trotha.

Sonntag Nachmittag: Letzte Aufführung zu halben ve. Sittenbild in 5 Akten von

Anfang 3 Uhr.

(33. Abonnements⸗Vorstellung): Zum

deutsch von Ernst

8 Blumenstraße Nr. 9. Sonntag: Fer⸗ nand’s Ehekountrakt. (Fil à la patte.) von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗ arbeitung von Benno Jacobson. Anfang

folgende Tage:

Theuter Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. ulius Fritzsche. Sonntag: Rund um ariser Leben. Operette von

Montag: Rund um Wien. Peariser

Leben.

Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 3.. Direktion: Richard Schultz. Sonntag: Zum Male: Unter artistischer Leitung des Hern Adolf Brakl vom Königl. Gärtnerplatz⸗Theater in München: Figaro bei Hof. (Rococo.) Operette in 3 Akten (nach Beaumarchais' Memoiren) von Bohrmann⸗Riegen. Musik von Alfred Müller-. Norden. Anfang 7 ½ Uhr.

Montag: Figaro bei Hof.

Adolph Ernst⸗Theater. Sonntag Nachmittage 3 Uhr: Bei halben Preisen: Charley’s Taute. Abends 7 ½ Uhr: Madame Suzette. Vaudeville⸗

osse in 3 Akten von Ordonneau. Musik von Audran. In Scene gesetzt von Adolph

Irn .

Montag: Zum drittletzten Male: Madame Suzette.

Operette in Musik von Dirigent: Herr

(The second

Familien⸗Nachrichten.

A nfang Lieutenant Bernhard Schimmelfennig von d. Ove

(Sagiewitz).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Oberlehrer Dr. Schulz (Baumgarten). Eine Tochter: Erwin Frhrn. von Arnim (Zernickow). b Hauptmann a. D. Scherbening (Deutsch⸗Lissa).

Gestorben: Fr. Laura von Luck, geb. Boenif (Brieg). Verw. Fr. Bergrath Hermine Kubnt. mann, geb. Schwand (Nicolai). 88 Gener Luise von Seydlitz, geb. von Sybel ( jesbaden).

Schauspiel in

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. 1 Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

8 Sechs Beilagen M (einschließlich Börsen⸗Beilage hy, und die Gewinnliste der Trierer Geld⸗Lotterie⸗

chwank Uhr. ernand’s

Verlobt: Frl. Ella von Bäckmann mit Hrn. Prm⸗

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zum Deutschen Reichs⸗Anz

113.

Deutscher Reichstag. 89. Sitzung vom Freitag, 10. Mai.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden. In der weiteren Verhandlung über das Gesetz, betreffend

Aenderungen und Ergänzungendes eel.gnze,

des Militärstrafgesetzbuchs und des Gesetzes über die Presse, und zwar zu § 111 des Strafgesetzbuchs, nimmt nach dem ersten Redner, dem Ahg. Gröber, das Wort der

Bevollmächtigte zum Bundesrath, preußische Justiz⸗ Minister Schönstedt:⸗

Meine Herren! Im Eingange seiner Rede hat der Herr Abg. Gröber, wenigstens nach den mir gemachten Mittheilungen ich war damals noch nicht im Hause die Andeutung gemacht, als wenn aus den von mir gestern gesprochenen Worten zu entnehmen wäre, es bestehe ein gewisser Gegensatz in der Königlich preußischen Staatsregierung und es handle sich da um eine Art Kontremine gegen die Bestrebungen und Ansichten des Heren Reichskanzlers. Nun, ich glaube, der Herr Abg. Gröber hätte besser gethan, es dem Herrn Reichskanzler zu überlassen, mich zu desavouieren. So lange ein derartiges Desaveu nicht ausgesprochen ist, glaube ich dem Herrn Abg. Gröber nicht die Berechtigung zusprechen zu können und auch nicht die Befähigung (Oho! lebhafter Widerspruch aus der Mitte) auch nicht die Befähigung, über dasjenige, was im Innern des Staats⸗Ministerinms vorgegangen ist, zu urtheilen. (Sehr richtig! rechts.) Der Lärm war also nicht veranlaßt.

Meine Herren, ich habe dann dem Herrn Abg. Gröber zu er⸗ widern, daß mir nichts ferner gelegen hat, als das Zentrum belehren zu wollen, ebenso wenig wie um die Liebe des Zentrums zu werben, was mir gestern der Herr Abg. Bebel zugemuthet hat. Das erste

nicht, weil ich es für aussichtslos halten würde (Heiterkeit rechts),

das zweite nicht, weil es meinen Empfindungen widersprechen würde. (Sehr gut! rechts. Heiterkeit und Bravo! in der Mitte.) Was ich gewollt habe, das war: Klarheit zwischen uns zu schaffen, nichts weiter. Ich liebe klare Verhältnisse, ich bin kein⸗Freund langen Gezappels und deshalb habe ich den Wunsch und habe mich für be⸗ rechtigt gehalten, es auszusprechen, daß möglichst rasch eine Ent⸗ scheidung darüber fallen möge, was vom Reichstag erlangt werden kann oder nicht; und da die Entscheidung hierüber in den Händen derjenigen Partei liegt, die die Mitte des Hauses einnimmt, deshalb habe ich mich an das Zentrum gewendet.

Nun wird der Herr Abg. Bebel jedenfalls wieder sagen: das, was ich eben erklärt habe, sei ebenso wenig diplomatisch gewesen, als was ich gestern gesagt. (Sehr richtig! links. Heiterkeit.)

Auch das gebe ich ihm vollständig zu und erkläre ferner, daß ich

es gar nicht für meinen Beruf, für meine Verpflichtung halte, hier diplomatische Winkelzüge zu machen. (Bravo! rechts.) Ich erkläre klar und bestimmt, was ich will und wie ich darüber denke. (Sehr richtig! rechts.) Was die Belehrungen anlangt, so glaube ich, daß der Ton meiner Rede wenigstens nicht dozierend gewesen ist. Im übrigen können wir immer wechselseitig von einander lernen. Ich erkläre, einer Belehrung keineswegs unzugänglich zu sein. Ich lerne immer wieder gerne, und wenn wir, ohne daß wir uns Einer als Lehrer des Anderen aufspielen wollen, Meinungen aussprechen, Aus⸗ führungen, von denen wir glauben, daß sie vielleicht auf diejenigen, die sie hören, irgend einen Eindruck machen könnten so glaube ich, daß man das nicht gleich unter den Begriff der Schulmeisterei bringen kann.

Nun hat der Herr Abg. Gröber mir scheinbar eine gewisse historische Unwissenheit vorwerfen wollen, indem er sagte, ich müsse wohl auf irgend einer entlegenen Insel mich aufgehalten haben, wenn ich erklärt habe, nicht zu wissen, ob während des Kulturkampfs Ausschreitungen vorgekommen sind, wie sie hier in Frage stehen. Da möchte ich den Herrn Abg. Gröber bitten, doch einmal zu lesen, was ich gesagt habe. Die Rede ist ja jetzt gedruckt zu lesen. Ich habe gesagt, es sei mir nicht bekannt, ob Ausschreitungen seitens der Zentrumspartei, die in thatsächlichem Widerstand gegen die Behörden bestehen, während des Kulturkampfs vorgekommen seien; deshalb und nach der grundsätzlichen Haltung der Partei halte ich die Besorgniß, die in der Kommissionsberathung ausgesprochen sei, daß bei etwaiger Wiederkehr solcher Verhältnisse eine Anreizung seitens der Zentrumspartei zu solchen Handlungen, die unter den Begriff des thatsächlichen Widerstands gegen die rechtmäßige Amtsausübung von Beamten fallen könnten, eine Anpreisung, eine Verherrlichung solcher Handlungen geschehen könne, für gegenstandslos. Nun bekenne ich gleich, daß ich allerdings jetzt von dem Herrn Abg. Gröber belehrt worden bin, wenn er sagte, solche Ausschreitungen, von denen mir nichts bekannt war, seien seitens der Zentrumspartei allerdings vorgekommen, und der müsse geschlafen haben, der davon nichts wisse. Anders habe ich die Bemerkungen nicht verstehen können. Ich wiederhole das eine: die bisherigen Verhandlungen übeg das vorgelegte Gesetz haben einen Gang genommen, daß, wenn die Kommissionsbeschlüsse die Zustimmung dieses hohen Hauses finden, den Regierungen diejenigen Waffen versagt werden, die sie gefordert haben, weil sie es für nothwendig halten, daß man ihnen dafür andere Waffen in die Hand drücken will, die sie nicht verlangt haben und von denen sie keinen Gebrauch machen können. Das ist meine Meinung. (Hört! hört! Bravo!l rechts.)

Abg. Dr. Si 1F): owohl gegen die Regie⸗ rungsvoeiage als 8 8 SIb Herr 8- Savigny hat f. Z. der Gegenwart das Talent abgesprochen, Gesetze hn machen. Das ist nun schon lange her, aber es gilt noch in grö⸗ bereas Naße von unserer Gegenwart. Die Vorlage soll sich gegen - Sozialdemokratie wenden, aber sie richtet sich noch mehr gegen ee Bauernbund, den das entrum bekämpft. Meine Bebumomng⸗ daß in München ein Richter für den Sozialdemokraten gestimmt hat, ist als grobe Unwahrheit bezeichnet worden, aber sie ist doch wahr.

räsident von Buol ruft den Redner zur Sache.) diesem Gesetz wird man nichts ausrichten. Solang noch Sozialdemokraten giebt, die in die Kirche gehen,

es sind e noch nicht so efährli Wenn es aber unter den Sozialdemokraten solche giebt, von der Religion

irgend ein Wort gesagt, welches diese Behauptung rechtfertigte.

Erste Beilage

Berlin, Sonnabend, den 11. Mai

nichts halten, so finden sich ja wohl solche Leute auch bei den anderen Fraktionen. Dagegen kann aber das Umsturzgesetz doch nichts machen. Den Ehebruch werden Sie auch nicht durch ein Umsturzgesetz be⸗ seitigen. Der preußische Minister des Innern von Köller hat gestern Beispiele von bösartigen sozialdemokratischen Aeußerungen angeführt; 11” Sie mir nun auch einige Zitate aus nichtsozialdemokratischen eußerungen wiederzugeben. (Redner verliest einige Gedichte und ähnliches.) Das klingt ja aber alles nur so, die Gesellschaft sollte es nicht gleich so schlimm auffassen. So lange es im Herzen noch nicht so schwarz aussieht, möge man schreiben, drucken, dichten, was man will. Wer dieses Gesetz durchbringen will, das dem ganzen Volk so sehr wider den Strich geht, wird Zorn und Lachen ernten. Das Gesetz hat keine Aussicht durchzugehen, das ist schon ganz klar. Die Komwissionsvorlage wird fallen, ebenso die Regierungsvorlage, wozu also streiten wir uns denn die vielen Tage herum? Wir können doch einer solchen Regierung, wie der preußischen, nicht noch eine neue Waffe in die Hand geben. Noch weniger als der § 111 kann der Militärparagraph durchgehen, weil damit für ganz Deutschland der Militarismus sanktioniert würde. Die Regierung würde gut thun, selbst die Initiative zu ergreifen, um die unglückliche Vorlage aus der Welt zu schaffen. Der preußische Kriegs⸗Minister hat ein wahres Wort gesprochen, als er von der Feuerspritze EPrach, mit der er die Scozialdemokraten bekämpfen wolle. Wollte man diesen Rath von der mFerer erg überall befolgen, dann hätte man so und so viel tausend Sozialdemokraten. weniger Die Regierung kann einer Niederlage nicht entgehen, im ganzen Lande ist man gegen die Vorlage. Man wird die Regierung im anzen Lande preisen, wenn sie ein so unpopuläres Gesetz zurückzieht. r Ausspruch des Staats⸗Ministers von Köller, wonach es den ver⸗ bündeten Regierungen im Großen und Ganzen recht gleichgültig sei, ob das Haus mit den Motiven übereinstimme, welche die Regierung leiteten, hat mich sehr eigenthümlich berührt. In Bayern würde ein Minister nicht so sprechen. Der Staats⸗Minister von Köller kann nicht im Namen der Regierung gesprochen haben, einer Re⸗ gierung, die an ihrer Spitze einen gewiegten Diplomaten hat. Dieser würde solche beleidigenden Aeußerungen nicht thun.

1s2 ng⸗ Freiherr von Buol (unterbricht den Redner): Wenn die Aeußerung des Staats⸗Ministers von Köller beleidigend gewesen wäre, hätte ich sie nicht durchgehen lassen.

Abg. Dr. Sigl (b. k. F.) (fährt fort): Vom Fürsten Bismarck bätte man deele cham hinnehmen können, von dem Minister von Köller nicht.

Die prinzipielle Erörterung des § 111 ist damit be⸗ ender, und das Haus geht zur Besprechung der in diesem Parggraphen aufzuführenden Vergehen über. Zunächst wird die Frage zur Diskussion gestellt, ob die Vergehen der §§ 113 und 114 des Strafgesetzbuchs (nach der Vorlage und dem Antrag von Levetzow) und ob die §§ 166 und 167 (nach den Kommissionzbeschlüssen) aufgenommen werden sollen.

Abg. Dr. Enneccerus (nl.): Gerade die Aufreizung zum Widerstand gegen die Staatsgewalt ist besonders geeignet, die Ord⸗ nung zu untergraben. Das Zentrum spricht in seinem Antrage nur von einem thätlichen Angriff gegen die Beamten. Die Anreizung zur Bedrohung von Beamten mit Gewalt, mag sie auch noch so schwer sein, würde nach dem Antrage des Zentrums straffrei sein. Die Herren vom Zentrum fürchten eine Wiederholung des Kulturkampfs; wir sind nicht gesonnen, zu Gunsten von Bischöfen und Kanzelrednern auf diese Paragraphen zu verzichten. Wir bestehen unter allen Um⸗ ständen auf der Annahme der §§ 113 und 114, die §§ 166, 167 halten wir dagegen für bedeutungslos. Wenn wirklich auf⸗ reizende Reden gegen die Gebräuche einer Konfession erfolgen, so wird davon der Inhalt der Lehre noch nicht getroffen. Unter diese Bveee würden aus der Reformationszeit zahlreiche Aeußerungen

uther's sowohl wie seiner Gegner fallen. Wir bitten also, die §§ 113 und 114 anzunehmen, die §§ 166 und 167 dagegen abzulehnen.

Abg. Dr. von Wolszlegier (Pole): Wir wissen und erkennen an, daß Ordnung im Staat sein muß, wir halten aber die Beamten durch die bestehenden Bestimmungen für genügend geschützt. Ein ruhiger, fleißiger Bürger, der auf der Straße in Konflikt mit der Polizei geräth, kann leicht in die Gefahr kommen, daß er sich hierüber einer Art ausspricht, die ihn in die Gefahr bringt, nach diesem Gesetz bestraft zu werden. Der Unterschied zwischen aktivem und passivem Widerstand ist auch ein sehr unbestimmter. Was fällt nicht auch alles unter den Begriff „Beamter“! Man spricht nicht mit Unrecht bei uns von einem großen Beamtenheer. Nacht⸗ wächter, Feldhüter, Amtsdiener, alle sind Beamte. Da kann jemand sehr leicht in die Gefahr kommen, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt bestraft zu werden. Bedenken Sie ferner die Schul⸗ verhältnisse auf dem Lande. Da müssen die Kinder armer Leute oft mehr als eine Meile weit in die Schule gehen, nichts als ein paar Kartoffeln in der Hand. Wenn nun bei besonders schlechtem Wetter die Eltern die Kinder zu Hause behalten und dafür dann mit Strafe belegt werden, kann man sich dann über ihre Widersetzlichkeit wundern? Wir können also für die §§ 113 und 114 nicht stimmen, ohne die §§ 166 und 167 aber ist die ganze Vorlage e. uns bedeutungslos.

Abg. von Salisch (dkons.): Wir bestehen auf der Annahme der 8 113 und 114. Wenn die Herren im Zentrum dabei an den

zulturkampf denken, so ist dies wohl nicht richtig. Ich habe eine viel zu hohe Meinung von den Herren, die damals mit der Regierung in Konflikt geriethen, als daß ich annehmen könnte, sie hätten der Staats⸗ gewalt auch nur passiven Widerstand entgegengesetzt. Ein Widerstand, auch eine passiver, erfordert stets eine Kraftanstrengung, ohne eine solche ist von einem „Widerstande“ keine Rede. Ich bitte Sie, die §§ 113 und 114 anzunehmen.

Abg. Spahn (Zentr.): Die Ablehnung der 113 und 114 seitens des Zentrums in der Kommission erfolgte nicht mit Bezug⸗ nahme auf den Kulturkampf. Keiner meiner politischen Freunde 15

ir halten die §§ 113 und 114 in ihren Bestimmungen für viel zu vage, als daß wir ihrer Aufnahme in den § 111 zustimmen könnten. Da⸗ eegen erachten wir die Aufnahme der §§ 166 und 167 für unerläß⸗ sh . Nichts liegt uns ferner, als, wie der Abg. Dr. Enneccerus meint, mittels dieser Paragraphen die Vertreibung der Schriften Luther's unmöglich machen zu wollen.

Das Rgee tritt darauf in die Berathung des Antrags Barth (Aufnahme der Duellparagraphen in den § 111 und Streichung des „Ehebruchs“) ein.

Abg. Dr. Barth (fr. Vg.): Da man nicht weiß, was zwij en der zweiten und dritten Lesung, auch wenn die Vorlage jetzt abgelehnt wird, unter geschickten Händen beschcteres als bisher am Werke waren daraus werden ma. so ist es nothwendig, schon jetzt den Versuch zu machen, die Vorlage möglichst ungefährlich zu machen. Mein Antrag auf Einführung des Duellparagraphen ist in der Kommission in erster Lesung vom Zentrum angenommen, in der zweiten Lesung aber abgelehnt. Inzwischen war nämlich das Kompromiß zwischen

eentrum und Konservativen zu stande gekommen. Jetzt ist das ompromiß wieder aufg. eben, und es kann meiner Ansicht nach auch für das Zentrum kein d bestehen, gegen meinen Antrag zu stimmen. Es giebt kaum ein Vergehen, wel⸗ o mit dem Bewußtsein der Gesetzesverletzung begangen wird, wie das Duell. Dagegen vorzu⸗ ehen ist um so nothwendiger, als die Anreizung dazu gerade von den 16“*“

eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger

1895

Abg. Spahn (Zentr.): Was der Abg. Dr. Barth über die Hal tung des Zentrums in der Kommission gesagt hat, entspricht nicht der Wahrheit. Wir wollten ursprünglich eine schärfere Fassung; um aber wenigstens etwas zu erreichen, nahmen wir den Antrag des Vorredner auf Einfügung der Duellparagraphen in den § 111 an. In der zweiten Lesung haben wir ihn aber abgelehnt, weil gerade die Parte des Abg. Dr. Barth unsere Fassung sehr lebhaft bekämpfte und auch die Aufnahme jener Paragraphen in den § 111 zu erheblichen juristi schen Bedenken Anlaß gab.

Abg. von Salisch (dkons.): Ich bin keineswegs ein Freun des Duells; ich stelle es auf eine Stufe mit der Ehescheidung. Aber nach Annahme des Antrags des Abg. Dr. Barth würde auch unter Strafe fallen, daß in Kommersbüchern die Schlägermensuren, die doch ganz ungefährlich sind, gepriesen werden. Das wollen wir nicht.

Abg. Bebel (Soz.): Das Zentrum hat den Anschauungen

welche für die Aufnahme der §§ 201 und 205 geltend gemach wurden, in der ersten Lesung der Kommission zugestimmt. Als aber bei der zweiten Lesung von den Konservativen Einspruch erhoben wurde, ließen sich die vom Zentrum herbei, ihre Stellung zu ändern. Die Duellparagraphen gehören durchaus in den § 111; denn durch nichts werden Religion, Sitte und Ordnung schwerer verletzt, als durch das Duell. Es widerspricht dem christlichen Grundsatze: Du sollst nicht tödten! und verletzt das Gesetz, das die Duellanten mit Festung bedroht. Wo wird mit vollständig klarem Bewußtsein und mit Absicht das Gesetz beständig so verletzt, wie hier von denen, die die Gesellschaft zu stützen vorgeben? Wenn Sie sagen, daß Sie unter einem gesellschaftlichen Zwange handeln, daß Sie durch gesellschaftliche Vorurtheile genöthigt sind, im Widerspruch mit Ihrer ei enen besseren Auffassung zu handeln, dann sollten Sie doch denen dankbar sein, die gesetzliche Bestimmungen aufnehmen wollen, welche Sie künftig von diesem Zwange befreien. Es ist eigenthümlich, dnß sich gerade seit der feit da der Reichstag sich mit der Umsturzvorlage beschäftigt, die Duelle kark gehäuft haben. In einem Zeitraum von 6 Monaten ist die Zahl der Duelle so groß gewesen, wie meines Erinnerns in keiner früheren 5 Dem muß gesteuert werden. Dazu kommt, daß eine ganze Reihe unserer Kollegen, die als Volksvertreter berufen sind, Gesetze zu machen und sie zu respektieren, sich in Widerspruch mit den Gesetzen esetzt haben durch aktive oder passive Betheiligung am Duell. Der

bg. Freiherr von Stumm erscheint sogar als Rückfälliger. Eine Reihe von Kollegen sind als Sekundanten thätig gewesen. Ich nenne nur die Abgs. Dr. Hahn, Liebermann von Sonnenberg, den Chef⸗Redakteur der Kreuzzeitung. In der Kommission hat der Vertreter der Armee⸗ verwaltung erklärt, es seien in den Jahren 1890/94 nur 68 Fäke von Duell zu verzeichnen gewesen. Im letzten Jahre funß aber auf Grund des § 112 des Strafgesetzbuchs nur vier Verurtheilungen er⸗ folgt. Dabei kommt die gesammte männliche Bevölkerung über 18 Jahre in Betracht, es geben also 68 Fälle bei der Armee in vier e immerhin zu denken. Bekannt ist, daß in den sechziger ahren die drei Grafen Schmising⸗Kerssenbrock ihren .S. zu nehmen genöthigt waren, weil sie das Duell als mit ihren Religions⸗ begriffen unvereinbar erklärten. Wenn ein solcher Zwang aus⸗ eübt wird, hat die Volksvertretung um so mehr Ursache, ss damit zu beschäftigen, besonders da dabei Dinge vor⸗ ommen, die geradezu empörend sind. Ich könnte eine ganze Reihe von Duellen anführen, der schlimmste Fall ist der Fall Kote. Er erregte besondere Entrüstung, weil das Duell an einem der Christen⸗ heit besonders Tage stattfand. Eine derartige Nichtachtung von Sitte und Gesetz mußte Entrüstung erregen. Die „Kölnif Volkszeitung“ wie der „Reichsbote“ haben darauf in besonderen Artikeln hingewiesen. Die Duelle stehen auch mit anderen Bestimmungen des Strafgesetzbuchs in Widerspruch. Wer es sie angelegen sein läßt, Duelle zu fördern, begeht eine fortgeseßte nreizung zur Be⸗ 8 von Verbrechen. Das ist nach § 129 des Strafgesetzbuchs strafber. Was soll man zu Vereinigungen sagen, wie dem Kösener S. C., der diese Aufreizung systematisch treibt? Staatsanwalte, Richter, Mitglieder dieses Hauses sind Mitglieder des Kösener S. C. und dürfen nach den Satzungen sich Forderungen nicht entziehen. Minister und Staatsanwalte fördern also die Anreizung zum Verbrechen. Da der Ehebruch mit zur Debatte steht, möchte ich auch darauf eingehen. Es ist wunderbar, daß Sie die Anreizung zu einer Handlung bestrafen wollen, die unter Umständen straflos ist. Nehmen wir an, durch ein Schau⸗ spiel, ein Lustspiel, eine Posse wird jemand zum Ehebruch verführt der Richter würde in Verlegenheit kommen, wie er entscheiden soll, zumal der Ehebruch noch unter die verschiedenen Landesgesetzgebungen fällt, nicht unter die Reichsgesetze. Bei der Dehnbarkeit des Begriffes „Anreizung“ sind auch die widersprechendsten Urtheile gerade in dieser Beziehung zu erwarten. Hiervon wird in höchstem Maße die Literatur etroffen, die besonders von unseren Bfrh. her auch den bürger⸗ ichen Damen gern gelesen wird. ehmen die Staatsanwalte ihre Aufgabe ernst viele Theater könnten nicht mehr bestehen, die jetzt mit Vorliebe von der besten bürgerlichen Gesellschaft aufgesucht werden. Eine ganze Reihe von Romanen, die nicht als bedenklich an⸗ zusehen sind, wäre unmöglich. Für Verleger, Dichter und Künstler würden die verhängnißvollsten Folgen entstehen, die sozialdemokratische Partei aber würde davon nicht betroffen. Die Konservativen hatten, als sie den Antrag vnersgn wohl keine Ahnung davon, daß sie etwas thaten, was im Widerspruch mit den Lehren des großen Reformators Luther steht. In einem Traktat vom Jahre 1522 erklärt dieser unter gewissen Verhältnissen den Ehebruch für legitim, erlaubt. Die drei Reformatoren Luther, Melanchthon und Hutten haben auf Anfrage des Landgrafen Philipp von Hessen, der eine zweite Frau nehmen wollte, dieses aber von dem Ausspruch der genannten Reformatoren abhängig gemacht hatte, ausdrücklich erklärt, baß in der Heiligen Schrift nirgends eine Stelle enthalten ist, welche besagt, man nur eine Frau haben darf. Wenn Sie die Sitten⸗ reinheit erhalten wollen, so sorgen Sie in erster Linie dafür, daß sie in denjenigen Kreisen herrsche, die maßgebend auf die Gesellschaft wirken. Nach dieser Richtung hin sollte im Interesse der höhern Gesellschaft Schutz geschaffen werden.

Bevollmächtigter zum Bundesrath, preußischer Kriegs⸗ Minister Bronsart von Schellendorff:

Meine Herren! Ich weiß nicht, ob das hohe Haus gewillt ist, jetzt in eine Duelldebatte einzutreten (Zustimmung rechts, Widerspruch links); sonst ich wäre dazu bereit. Ich verzichte aber mit ganz besonderem Vergnügen darauf, mich mit dem Abg. Bebel über diesen Gegenstand auseinanderzusetzen. Ich verzichte aber namentlich umdeswillen darauf, weil ich ganz fest davon überzeugt bin, daß er mich absolut nicht verstehen würde, wenn ich mich bemühen wollte, ihn, die Auf⸗ fassung, die im Offizierkorps über das Duell besteht, klar zu machen. Meine Herren, ich erkläre hier nur das Eine: in der Armee besteht der Grundsatz, Ehrenhändel, wenn es irgend möglich ist, auf fried⸗ lichem Wege zu begleichen. Ist es nicht möglich, so liegen tragische Konflikte vor, für die Sie die Mittel zur Lösung auch nicht finden werden. Ein solch tragischer Konflikt lag in dem Falle vor, den Herr Bebel hier zur Sprache brachte. Der betreffende Offizier erhielt längeren Festungsstrafe und wurde aus dem Dienst entlassen. Ich muß also

namentlich protestieren gegen die etwa bestehende Annahme des Abg