1895 / 113 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Bebel, als hätte man in der Armee diesen Offizier mit besonderer Vorliebe dem Korps erhalten. Ich will dann nur zum Schluß noch einmal wiederholen, was ich hier im Reichstage schon in früherer Zeit ausgedrückt habe. Die Armee vertritt die Anschauung, daß der Offizier seine Mission am besten erfüllt, wenn er sich tödten läßt für den König, das Vaterland und in Ver⸗ „theidigung der Ehre seiner Fahne. Die Armee steht aber auch durch⸗ aus auf dem Standpunkt, daß man dem Offtzier, der, wenn es noth thut, bexeit ist, für die Vertheidigung der eigenen Ehre das Leben aufs Spiel zu setzen, mildernde Umstände zubilligen muß.

Abg. Gröber (Zentr.): Wir werden einen besonderen Antrag zu § 210 betreffs der Bestrafung der Aufforderung zum Duell einbringen. Ünsere Partei ist stets energisch gegen das Duell eingetreten. Weil wir prinzipielle Gegner desselben sind, sind wir vielfach angegriffen. Wollte man das bestehende Gesetz anders handhaben, so könnte man dem Unwesen bald steuern, namentlich dem studentischen Duell, welches svstematisch oft in frivoler Weise betrieben wird. Das studentische Duell giebt die Vorbildung für die spätere Auffaffung des Duells.

Abg. Dr. Barth (fr. Vg.) hält den Abgg. Spahn und Gröber egenüber seine Behauptungen über das Verhalten des Zentrums zu 8n Antrage aufrecht.

Abg. von Kardorff (Rp.): Der Abg. Bebel hat zumeist längst bekannte Sachen als Neuigkeiten vorgetragen. Ihm und dem Abg. Gröber möchte ich bezüglich der studentischen Verbindungen und der studentischen Mensuren bemerken, daß die letzteren nur ritterliche Waffenübungen sind. Ich kenne die Anschauungen des Abg. Gröber ja auch aus meiner Studentenzeit her. Ich respektiere sie, aber ich wünsche nicht, daß sie bei unseren Studenten Eingang finden.

Abg. Spahn (Zentr.): Die studentischen Schlägermensuren sind nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts als Zweikämpfe mit tödt⸗

lichen Waffen erklärt worden.

Abg. von Kardorff (Rp.): Ich möchte dem Abg. Spahn be⸗ merken, daß mir das betreffende Reichsgerichtserkenntniß wohl bekannt ist, und daß ich dasselbe für ein thörichtes halte.

Deamit schließt die Diskussion.

Nunmehr erfolgt die Abstimmung über den § 111 und

die dazu gestellten Anträge.

unächst wird der Antrag Barth, betreffend die Fassung des § 111, abgelehnt gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der Freisinnigen, eines Theils der Nationalliberalen, der Welfen und Antisemiten. 1

Der Antrag von Levetzomw, betreffend die Fassung des 8 111, wird abgelehnt gegen die Stimmen der Deutsch⸗ onservativen und eines Theils der Nationalliberalen. Von der Reichspartei stimmt dagegen der Abg. Holtz.

Die Aufnahme der §§ 113 und 114 (Antrag von Levetzow) wird abgelehnt gegen die Stimmen der Feere er der Reichspartei und des größeren Theils der Nationalliberalen.

Der Antrag Groeber wird abgelehnt gegen die Stimmen des Zentrums, der Welfen, Polen und vereinzelter Konser⸗ vativer.

Die §8 166/167 werden aus der Kommissionsfassung gegen dieselbe Minderheit gestrichen. Dieser Theil des Antrags von Levetzow ist also angenommen.

Die Bestrafung der Anpreisung des Ehebruchs wird darauf ebenfalls abgelehnt gegen die Stimmen des und einiger Konservativer und Mitglieder der

eichspartei.

Nunmehr werden die Duellparagraphen abgelehnt gegen die Stimmen der Freisinnigen, Sozialdemokraten, einiger

ntisemiten und des konservativen Abg. Hüpeden.

Durch diese Abstimmung ist der § 111 der Kommissions⸗ fassung also dahin abgeändert worden, die §§ 166 und 167 und die Bestrafung der Anpreisung des Ehebruchs gestrichen sind. Ueber diese so veränderte Fassung wird nunmehr ab⸗ gestimmt. Es erhebt sich nur ein Theil des Zentrums dafür, sie ist also abgelehnt.

Nunmehr wird über § 111 der Regierungsvorlage abgestimmt und derselbe gegen die Stimmen der Konservativen abgelehnt.

Darauf vertagt das die weitere Berathung auf Sonnabend 1 Uhr. 8

Schluß 5 ½ Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 64. Sitzung vom Freitag, 10. Mai.

Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

3 Es wurde zunächst die zweite Berathung des Antrags von Schenckendorff, betreffend die Förderung der Jug 859 spiele, des Handfertigkeits⸗ und Wirthschaftsunter⸗ richts, fortgesetzt.

Abg. Engelbrecht (frkons.): Die landwirthschaftliche Arbeit stählt Körper und Geist. Es muß daher nach Möglichkeit dafür gesorgt werden, daß die Schulkinder in der freien Zeit zu solcher ländlichen Arbeit herangezogen werden. Namentlich ist dieses, mehr noch als vom pädagogischen, vom sozialpolitischen Standpunkt aus wünschens⸗ werth. Ich glaube das im Sinne eines großen Kreises von Land⸗ wirthen aussprechen zu dürfen. (Sehr richtig! rechts.) Um so bedauerlicher ist es, daß durch Anordnungen der Königlichen Regierung an manchen Orten die Befreiung vom Sommerunterricht sehr exschaeel s II (kons.): F

Abg. Schall (kons.): Für die körperliche und praktische Aus⸗ bildung der Schulkinder muß mehr geschehen. Die freie Zeit bietet ja auch dazu Gelegenheit durch Einführung von Jugendspielen, durch die zugleich der Langeweile, welcher die ländliche Jugend, namentlich wischen dem 14. bis 18. Lebensjahre, ausgesetzt ist, mit ihren chlimmen Folgen, abgeholfen werden kann. Ebenso ist die weitere

usgestalrung der dfertigkeit zu erstreben. Wer nicht einen Nagel gerade einschlagen kann, scheint mir kein rechter Mann zu sein.

Abg. Freiherr von Heereman Bentr.); Die Worte des Ver⸗ treters der Staatsregierung haben mich in freudiges Erstaunen ver⸗ setzt, da den Gemeinden wenigstens ein gewisser Einfluß zugesprochen wird. Ebenso freue ich mich, daß nicht überall schablonenhaft gleich⸗ mäßig vorgegangen, sondern den örtlichen Bedürfnissen Rechnung ge⸗

tragen werden soll. Auch ich begrüße diese Prrna

Abg. Gerlich (frkons.): freudig und hätte auf das Wort verzichten können, wenn hier nicht die Befürchtung ausgesprochen worden wäre, daß die Jugend zu sehr von Idealen zum materiellen Leben herabgerissen werden könnte. Der Abg. Schall hat nach meiner ee mit seinem Beispiel vom Nagel den Nagel auf den Kopf getroffen. Zu viel Ideale schlagen bald in das Gegentheil um. (Sehr richtig!) Wenn eine Hausfrau weiß, daß Columbus dann und dann Amerika entdeckt hat, oder andere große Begebenheiten, so nützt das nichts, wenn Jacken und Kleider ungeflickt bleiben. In allen anderen Kulturstaaten wird neuerdings auf die Ausbildung der Handfertigkeit großes Gewicht gelegt, und zwar mit großem Erfolg für das Gewerbe. Machen wir es nicht mit, so werden wir konkurrenzunfähig. Sehr zu bedauern ist namentlich, daß die Schullehrer zu wenig praktisch ausgebildet werden

Abänderung des Gesetzes vom 23. Mai 1873, betreffend

lichen Bedürfnisse nicht zu wecken vermögen. Ich h die Staatsregierung die Bitte, danach zu streben, daß die Landschul⸗ lehrer möglichst auf dem Lande ihre Ausbildung erhalten.

Abg. von Jazdzewski (Pole): Ich freue mich gleichfalls, 8 den Gemeinden mehr Freiheiten eingeräumt werden sollen; leider i das namentlich bei uns einstweilen noch sehr weni der Fall. Hoffent⸗ lich kommt es noch, damit die Jugend von der ahr befreit wird, in der starren Schule geistig zu verkrüppeln. Noch eine Gefahr, daß die Kinder geistig verrüpveln, liegt darin, daß sie nun a bei Spielen und Handarbeiten sich nicht werden ihrer ei ves be⸗ gz;⸗ Ich bitte die Regierung, in dieser Beziehung Abhilfe zu schaffen.

Ministerial⸗Direktor Kügler: Niemand wünscht mehr als der Herr Kultus⸗Minister, daß die gedeihliche Entwickelung der Schulen unterstützt wird durch die freie Mitwirkung der Gemeinden. Wenn

ragen auf dem Gebiete der Schulverwaltung zur Verhandlung kommen sollten, werden die Gemeinden die Schulverwaltung auf ihrer

Seite finden.

Abg. Kropatscheck (kons.) erklärte sich gegen den Antrag der Kommission wie des ursprünglichen Antrags des Abg. von ncken⸗ dorff. Es werde dadurch etwas in die Schule getragen, was Sache der Familie sein müßte. Die englischen Schulen, in denen die Jugend⸗ spiele einen Theil des Unterrichts bildeten, seien grundverschieden von unseren Schulen. Es lasse sich das Prinzip dieser aristokratischen Schulen nicht auf unsere demo atischen Schulen übertragen. Das Spiel müsse möglichst frei von der Aufsicht der Lehrer sein. Daß die Gemeinden neue Mittel für Schulzwecke aufwenden würden, sei mehr als E Er bitte um getrennte Abstimmung über die zwei Punkte des Kommissionsbeschlusses.

Abg. von Schenckendorff (nl.) erklärte, er halte den Abg. Kropatscheck in dieser Angelegenheit nicht für informiert, sonst würde derselbe zu anderer Ansicht gelangt sein, wie eine solche ja auch von konservativer Seite vertreten worden sei.

Der Antrag der Kommission wurde in beiden Punkt mit großer Majorität angenommen. ü8

Es folgten Wahlprüfungen.

Die Wahlen der Abgg. Hilgendorff (kons.) und Beleites

(nl.) für Konitz⸗Schlochau⸗Tuchel wurden nach Antrag der Wahl⸗ prüfungskommission für gültig erklärt. 1 Die Wahl des Abg. Durlach (b. k. F.) für Fallingbostel⸗ Soltau beantragte die Wahlprüfungskommission zu beanstanden und Beweis zu erheben, ob ungesetzliche Wahlbeeinflussungen zweier Wahlmänner stattgefunden haben.

Das Haus beschloß nach dem Antrage der Kommission.

Die Wahlen der Abgg. Hobrecht (nl.) und Engler (frkons.) für Berent⸗Dirschau Preußisch⸗Stargardt beantragte die Wahlprüfungs⸗ kommission für gültig zu erklären und die Regierung zu ersuchen, das Landrathsamt Preußisch⸗Stargardt auf die bisherige mangelhafte Prüfung und Feststellung der Abtheilungslisten vaee * zu wollen.

Der Antrag der Kommission wurde angendmmen.

Die Wahlen der Abgg. Wentorp (fr. kons.) für das Herzog⸗ thum Lauenburg und Stöcker (kons.) für Minden⸗Lübbecke wurden für gülticerklärt.

Schluß 2 ½ Uhr. 1.

Nächste Sitzung: Sonnabend 12 Uhr (Jagdscheingesetz; nüüras wegen Aufhebung der Grundsteuerentschädigungs⸗ pflicht’)) ü2

Parlamentarische Nachrichten. Dem Reichstage ist folgender Entwurfeines Gesetzes wegen

die Gründung und Verwaltung des Reichs⸗Invaliden⸗ fonds, zugegangen: Artikel l.

Aus den Mitteln des Reichs⸗Invalidenfonds werden in Grenzen der Zinsen des für die Sicherstellung seiner gesetzlichen Verwendungs⸗ zwecke entbehrlichen Aktivbestandes vom 1. April 1895 ab Beträge zur Vrflcpugs n

ehufs gnadenweiser Bewilligung von Pensionszuschüssen diejenigen Offiziere, Militärärzte, Beamten und Feaauschefte 8 deutschen Heeres und der Kaiserlichen Marine, welche infolge einer im Kriege von 1870/71 erlittenen Verwundung oder sonstigen Dienst⸗ beübigang verhindert waren, an den weiteren Unternehmungen des Feldzugs theilzunehmen und dadurch ein zweites bei der Pensionie⸗ rung zu der wirklichen Dauer der Dienstzeit zuzurechnendes Kriegsjahr zu erdienen; 2) behufs theilweiser Uebernahme der aus dem Dispositionsfonds des Kaisers zu Gnadenbewilligungen aller Art (Kapitel 68 Titel 1 88 eeehs Uusanben 5. E“ bisher be⸗ willigten und fernerhin zu bewilligenden Unterstützungen an nicht an⸗ erkannte Inbfss⸗ des Krieges von 1870/71; gäs⸗ 8 3) behufs Gewährung von Beihilfen an solche Personen des Unteroffizier⸗ und Mannschaftsstandes des Heeres und der Marine, welche an dem Feldzug von 1870/71 oder an den von deutschen Staaten vor 1870 geführten Kriegen ehrenvollen Antheil genommen haben und sich wegen dauernder gänzlicher Erwerbsunfähigkeit in unter⸗ stützungsbedürftiger Lage befinden. 4 Artikel II. für das Etatsjahr 1895/96 wird der Ausgabebedarf des Reichs⸗ Invalidenfonds

8 zu den Pensionszuschüssen (Art. I 1) auf einhundert Tausend ark,

2) zu den Unterstützungen für nicht anerkannte Invalide (Art. I2 auf verzundert ausena F; 9 . .

zu den Beihilfen für bedürftige ehemalige Kriegstheilnehmer (Art. 1 3) auf eine Million und achthundert Tausend Mark festgesetzt. Für die spätere Zeit müssen die jeweils erforderlichen Bedarfs⸗ summen auf den Reichshaushalts⸗Etat gebracht werden.

Artikel III. 8 2 Beihilfen (Art. I 3) werden nach folgenden Bestimmungen ewilligt. . § 1. Die Beihilfen betragen jährlich 120 und werden monat⸗ lich im voraus bezahlt. Dieselben unterliegen nicht der Beschlagnahme. § 2. Ausgeschlossen sind: 8 a. Personen, welche aus Reichsmitteln gesetzliche Invaliden⸗ pensionen oder entsprechende sonstige Zuwendungen beziehen; „b. Personen, welche nach ihrer Lebensführung der beabsichtigten Fürsorge als unwürdig anzusehen sind; bef 8 Personen, welche sich nicht im Besitz des deutschen Indigenats efinden.

§ 3. Bei gleicher Anwartschaft entscheiden für den Vorzug in

nachstehender Feleichere in der Regel: sfaes a. Auszeichnung vor dem Feinde, b. die frühere Feldzugsperiode, an welcher der Bewerber theil⸗ genommen hat c. das höhere Lebensalter. § 4. Die Zahlung der Beihilfen ist einzustellen, sobald eine der Vornssezunoen veggefanten ist, unter denen die Bewilligung statt⸗ gefunden hat (Artikel 1 3, III § 2). §, 5. Der jährlich festgesetzte Ausgabebedarf wird nach dem im Artikel VI des 8688 vom 8. Juli 1872 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 289) angegebenen Maßstabe der militärischen Leistungen beziehungsweise nach dem im Artikel 3 des Gesetzes vom 2. Juli 1873 (Reichs⸗

und hauptsächlich, daß sie ihre Erziehung in den Städt und daher das Sevaß der Schulkinder auf dem Lande sten srbalten

SH.

Für lsaß⸗Lothr ingen wird ein unter Berücksichti g des that⸗ sächlichen Bedarfs veranschlagter Betrag vorweg au esonde rt. eifat. lothringische Landesangehörige, welche im französischen Heere den Feldzug von 1870/71 mitgemacht haben und in der Folge Deutsche sind, dürfen bei Bemessung des Bedarfs gleichfalls in etracht gezogen werden.

Die künftig nöthigen Aenderungen des Vertheilungsmaßstabs werden durch den Reichshaushalts⸗Etat getroffen.

Die Bewilligung der Pffrecacüsse und Beibil

ve Bewilligung der Pensionszuschüsse und Beihilfen (Art. I

und 3) erfolgt unter Ausschluß des Rechtsweges im

Dem Gesetzentwurf ist die nachstehende Begründung beigegeben: Zu Artikel I 1.

MNNach dem Allerhöchsten Erlaß vom 16. Mai 1871 werden den⸗ Theilnehmern am Kriege von 1870/71, welche in jedem dieser

den Jahre an einer Schlacht, einem Gefecht beziehungsweise einer Belagerung theilgenommen, oder welche je zwei Monate aus dienst⸗

zwei Kriegsjahre in Anrechnung gebracht, während denjenigen, wel diese Behiagungen nur in einem Jahre 1870 oder 1878 vec haben, nur ein Kriegsjahr in Pnrechnung kommt.

„Demgemäß wird auch solchen Kriegstheilnehmern, welche infolge einer Verwundung oder sonstigen Dienstbeschädigung in die Heimath zurückbefördert sind, ehe sie die Bedingungen im Fahre 1871 erfüllt haben, nur ein Kriegsjahr angerechnet.

Hierin liegt, insbesondere gegenüber denjenigen Theilnehmern, welche während der Wiederherstellung ihrer Gesundheit auch im Jahre 1871 zwei Monate lang in belassen worden sind, eine Un⸗ billigkeit. Es ist daher in Aussicht genommen, in den bezeichneten Fällen auf Ansuchen den Pensionsausfall für ein zweites Kriegsjahr durch gnadenweise Gewährung von Zuschüssen auszugleichen.

Zu diesem Zweck würden die erforderlichen, für das Etatsjahr 1895/96 auf 100 000 veranschlagten Geldmittel dem Kaiser durch einen im Etat über den Reichs⸗Invalidenfonds auszubringenden Dis⸗ positionsfonds zur Verfügung zu stellen sein. Sollte dieser Betrag, was nicht ausgeschlossen erscheint, sich als unzureichend ergeben, so würde der Mehrbedarf vorläufig zu Lasten der ordentlichen Mittel außeretatsmäßig zu verrechnen und behufs Erstattung an die letzteren dem aus dem Reichs⸗Invalidenfonds zu deckenden Bedarf für das folgende Jahr hinzuzusetzen sein.

Zu Artikel I 2.

Ferner bedarf es der Bereitstellung von Mitteln, um den nicht anerkannten, d. h. denjenigen Invaliden des Krieges von 1870/71, welchen wegen Ablaufs der gesetzlichen Präklusivfrist ein Rechtsanspruch auf Pension nicht zusteht, in der bisherigen Weise auch weiterhin Unterstützungen gewähren zu können.

Dusrch den Allerhöchsten Erlaß vom 22. Juli 1884 ist bestimmt, daß die Unterstützungsgesuche der bezeichneten Invaliden einer wohl⸗ wollenden Prüfung unterzogen und zur Gnadenbewilligung vor⸗ geschlagen werden sollen, sofern Thatsachen nachgewiesen sind, welche die Ueberzeugung von dem ursächlichen Zusammenhang der Krankheit mit der im Kriege erlittenen inneren Dienst⸗ beschädigung zu begründen vermögen. Die demngemäs Lingetretenen Be⸗ willigungen 18 aus dem Dispositionsfonds des Kaisers bestritten worden, welcher Fonds schon bei seiner Errichtung hauptsächlich die Bestimmung hatte, Lücken und Härten der Pensionsgesetze zu ergänzen und auszugleichen, und bei dem von Jahr zu Jahr wachsenden Bedarf zu Unterstützungen, insbesondere für nicht anerkannte Invalide, von seinem ursprünglichen Etatsbetrage von 900 000 fortschreitend bis auf 3 Millionen Mark erhöht worden ist.

Seeeeg reicht auch dieser Etatsbetrag zur Befriedigung der an den Fonds herantretenden Anforderungen nicht mehr hin, da im Jahre 1895/96 zur Bestreitung der Ausgaben infolge bereits ge⸗ schehener Bewilligungen 2 918 500 darunter 1 738 800 allein für die unter den Erlaß vom 22. Juli 1884 fallenden Invaliden und unter Hinzurechnung des für letzteren Zweck ver⸗ anschlagten Mehrbedarfs von 307 000 ℳ, im Ganzen etwa 3 225 500 erforderlich sein werden. Die hiernach erwünschte Entlastung des Dispositionsfonds des Kaisers soll nach dem Entwurf, im Anschluß an den Vorgang des § 3 des Gesetzes vom 30. März 1879 (Reichs⸗ Gesetzbl. S. 119), in der Weise erfolgen, daß von den Unterstützungen für nicht anerkannte Invalide jährlich ein bestimmter Betrag auf den Reichs⸗Invalidenfonds übernommen wird. Für das Jahr 1895/96 wird dieser Betrag, wenn bei dem Dispositionsfonds in mäßigem Umfang Mittel für besondere unvorhergesehene Fälle zur Verfügung bleiben sollen, nicht unter 400 000 bemessen werden können.

Zu Artikel I 3.

In den Reihen der Männer, welche an dem Kriege gegen Frank⸗ reich ehrenvollen Antheil genommen haben, leben manche wegen gänz⸗ licher, mit den höheren Jahren eingetretener Erwerbsunfähigkeit und wegen vollständigen Mangels an eigenen Subsistenzmitteln in hilfs⸗ berst ge Verhältnissen. Solche Peisnen. insbesondere wenn sie sich im Besitze militärischer Ehrenzeichen befinden, auf die Armenpflege zu verweisen, erscheint nicht angemessen.

Mittel, um diesen Kriegstheilnehmern sowie den in gleicher Lage befindlichen Veteranen der von den deutschen Staaten vor 1870 führten Kriege von Reichswegen Unterstützung zu gewähren, ste nicht zur Verfügung. Sie werden, ebenso wie die in erster Reihe zu deckenden, zu Pensionszuschüssen und zu Unterstützungen für nicht an⸗ erkannte Invalide erforderlichen Beträge, aus dem Reichs⸗Invaliden⸗ fonds zu entnehmen sein. Hierbei soll jedoch keinesfalls über die Zinsen des für die Erfüllung seiner gesetzlichen Verwendun szwecke entbehrlichen Aktivbestandes hinausgegangen werden, um den Kapital⸗ bestand selbst als Reserve zu erhalten.

Wwenn die Zahl der mit Beihilfen zu bedenkenden Personen einschließlich der Elsaß⸗Lothringer vorläufig auf 15 000 an⸗ genommen wird, so würde bei dem von 120 jährlich für den Kopf der im Artikel II Ziffer 3 für 1895/96 vorgesehene Betrag von 1 800 000 verfügbar zu machen sein. 1

„Die Ausführung des Gesetzes, insbesondere die Auswahl der mit Beihilfen zu bedenkenden Personen, würden die einzelnen Bundes⸗ regierungen zu übernehmen haben, denen die etatsmäßig bewilligten Mittel nach dem im Artikel III §5 festgesetzten Vertheilun smaßstabe, welcher dem thatsächlichen Bedarf der einzelnen Bundesstaaten am meisten entsprechen dürfte, beim Reichs⸗Invalidenfonds zur Verfügung zu stellen wäre. 1

Für Elsaß⸗Lothringen, auf welches dieser Vertheilungsmaßstab nicht anwendbar erscheint und welches überdies im Kriege von 1870/71 wegen der Occupation in entsprechend Umfange, an den früheren Kriegen überhaupt nicht betheiligt gewesen ist, soll ein zunter Berücksichtigung des thatsächlichen Bedarfs entsprechend ermäßigter Betrag vorweg ausgesondert werden. Dort über die Zahl der be⸗ 188 Kriegstheilnehmer, einschließlich derjenigen, welche in fran⸗ zösischen Diensten gestanden haben, spezielle Ermittelungen anzustellen, dürfte allzugroßen Schwierigkeiten und Weiterungen nicht unterliegen.

Die weiteren Vorschriften unter Artikel IIff. möchten einer be⸗ sonderen Begründung nicht bedürfen.

Gemäß der neuesten, nach dem Stand am 30. Juni 1894 und unter Zugrundelegung einer 3 ½ prozentigen Verzinsung aufgestellten Bilanz übersteigt der Aktivbestand des Reichs⸗Invalidenfonds den Kapitalwerth der demselben obliegenden Verbindlichkeiten um run 83 Millionen Mark. Die Zinsen dieses Betrages bieten für die im Entwurf vorgesehenen Bedarfssummen die erforderlichen Mittel.

Ferner ist dem Reichstage der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ausführung des mit Oesterreich⸗Ungarn abgeschlossenen Zollkartells, nebst Begründung vor⸗ gelegt worden.

Gesetzbl. S. 82 bezeichneten Matrikularfuße den Regierungen der einzelnen Bundesstaaten zur gesetzmäßigen Verwendung überwiesen.

licher Veranlassung in Frankreich zugebracht haben, bei der Pensionierung

Statistik und Volkswirthschaft. Zur preußischen Kriminalstatistik. 3 II. *) Stellt man die Betheiligung der beiden Geschlechter an den sdeliktsgruppen einander gegenüber, s Miebt sich Folgendes: i

o ergi on den am . April v. J. in den preußischen Zuchthäusern ver⸗ bliebenen 18 046 Insassen waren verurtheilt:

; männliche Zucht⸗ I Weiber hausgefangene 1 kamen weibliche

Männer

wegen Verbrechens und Ver⸗ gehens gegen den Staat und die öffentliche Ordnung

wegen Münzverbrechens..

wegen Meineids und Ver⸗ eitung dazu . .

wegen Verbrechens und Ver⸗ gehens gegen die Sittlich⸗ keit

wegen Mordes

wegen Todtschlags

wegen Kindesmordes...

wegen Verbrechens wider das

keimende Leben wegen anderer Verbrechen wider das Leben .... wegen schwerer Körper⸗ verletzung einschließlich Ver⸗

giftung 1b 461 wegen Diebstahls und Unter⸗ L1116“*“ 8170 wegen Raubes und Erpressung 864 32 wegen Begünstigung und hlerei 201 110 wegen Betrugs und Untreue 519 93 wegen Urkundenfälschung 299 18 wegen gemeingefährlicher Ver-⸗ 12 und Vergehen (Brandstiftung ꝛcc.).. 583 66 Es ist bieraus ersichtlich, daß die weibliche Kriminalität im Ver⸗ hältniß zu der männlichen in den Vermögensdelikten und den Ver⸗ brechen wider das Leben ihren Schwerpunkt findet. Nächst diesen Strafthaten zeigen ein hohes Antheilsverhältniß der Frauen: Meineid und Brandstiftung. . 8 Vergleicht man das kriminelle Verhalten der verschiedenen Altersstufen und der Verheiratheten beider Geschlechter mit demjenigen der Unverheiratheten (Ledigen, Verwittweten und Geschiedenen), so ergiebt sich Folgendes: Ven den am Schluß des Etatsjahres in den Zuchthäusern verbliebenen Insassen standen im Alter von I8 bis unter 21 Jahren 854 Ledige (790 Männer und 64 Weiber), 5 Verheirathete (2 Männer und 3 Weiber) und 3 Geschiedene (männlichen Geschlechts), im Alter von 2v1 bis unter 25 Jahren 2139 Ledige (1943 Männer und 196 Weiber), 156 Verheirathete (123 Männer und 33 Weiber), 10 Verwittwete (männlichen Geschlechts) und 6 Geschiedene (3 Männer und 3 Weiber), im Alter von 25 bis unter 30 Jahren 2235 Ledige (1983 Männer und 252 Weiber), 826 Verheirathete (707 Männer und 119 Weiber), 27 Verwittwete (21 Männer und 6 Weiber) und 42 Geschiedene (31 Männer und 11 Weiber), im Alter von 30 bis unter 40 Jahren 2538 Ledige (2259 Männer und 279 Weiber), 2487 Verheirathete (2168 Männer und 319 Weiber), 228 Verwittwete (163 Männer und 5 Weiber) und 214 Geschiedene (170 Männer und 44 Weiber), im Alter von 40 bis unter 50 Jahren 1035 Ledige (945 Männer und 90 Weiber), 1929 Verheirathete (1613 Mänger und 316 Weiber), 448 Verwittwete (294 Männer und 154 Weiber) und 184 Geschiedene (143 Männer und 41 Weiber), im Alter von 50 bis unter 60 Jahren 400 Ledige (357 Männer und 43 Weiber), 999 Verheirathete (828 Männer und 171 Weiber), 411 Verwittwete (245 Männer und 166 Weiber) und 131. Geschiedene (115 Männer und 16 Weiber, im Alter von 60 bis unter 70 Jahren 103 Ledige (87 Männer und 16 Weiber), 254 Verheirathete (223 Männer und 31 Weiber), 194 Verwittwete (133 Männer und 61 Weiber) und 34 Geschiedene (28 Männer und 6 Weiber), endlich im Alter von über 70 Jahren 25 Ledige (21 Männer und 4 Weiber), 83 Verheirathete (41 Männer und 2 Weiber), 47 Verwittwete 66 Männer und 11 Weiber) und 1 Geschiedener.

nur weibliche Verurtheilte 305,26

61,36

1010

Die hiernach hervorragendste kriminelle Betheiligung der im Alter

von 25 bis 40 Jahren Stehenden ist natürlich mit dem in diesem vollkräftigsten Alter am regsten vorhandenen Lebens⸗ und Bethätigungs⸗ drang in Verbindung zu bringen, ebenso wie umgekehrt die geringe Kriminalität des Greisenalters auf die Abnahme der Lebenskräfte und Leidenschaften zurückzuführen sein wird. Es stellt sich aber ferner heraus, daß in allen Altersgruppen die ledigen (einschließlich der ver⸗ wittweten und geschiedenen) Zuchthausgefangenen gegenüber den Ver⸗ heiratheten den Verhältnißzahlen nach überwiegen, und daß von jenen wiederum in allen Altersklassen und bei beiden Geschlechtern die Ver⸗ wittweten und Geschiedenen verhältnißmäßig noch viel stärker kriminell sind als die Ledigen.

Arbeiterwohnungen.

Die Baugesellschaft für Arbeiterwohnungen in Barmen hat nach dem Jahresbericht der dortigen Handelskammer für das Jahr 1894 bis jetzt 296 Häuser mit einem Gesammtwerth von 1 422 225,72 gebaut. Davon sind notariell verkauft 88 Häuser im Werth von 422 170 Die Abzahlungen auf diese Summe be⸗ trugen 391 419,92 ℳ, sodaß Restforderungen verbleiben für 30 750,08 oder rund 350 für das Haus, gegen 500 im Vor⸗ jahre. Die mit Kaufrecht begebenen 164 Häuser stehen zu Buch mit 814 755,72 ℳ, durchschnittlich für das us 4968 ℳ; die Anzah⸗ lungen darauf betrugen 168 422,83 ℳ, durchschnittlich auf das 1027 gegen 1000 im Vorjahre.

Zur Arbeiterbewegung. 3 Aus Solingen wird der „Köln. Ztg.“ zum Ausst ande der Taschen⸗ und Federmesser⸗Ausmacher geschrieben, der abrikantenverein die Vorschläge der beim Landrath Dönhoff am d. M. abgehaltenen Konferenz (vgl. Nr. 112 d. Bl.) angenommen hat, mit Ausnahme der Anrufung des e inigungs⸗ amts, an dessen Stelle man eine eigene Vergleichskammer zu g eichen Theilen aus Arbeitern und Fabrikanten errichten will. Der Aus⸗ macher⸗Verein hat dagegen die Vorschläge in vollem Umfang ein⸗ stimmig angenommen und will die Arbeit dann erst wieder aufnehmen, wenn die Zustimmung des Fabrikantenvereins erfolgt ist. Aus Schmölln wird der „Geraer Ztg.“ berichtet, daß der Ausstand der Steinnußknopfarbeiter nunmehr beendet ist. Die Arbeiter unterschrieben defentzel die ihnen gestellten Be⸗ dingungen. Viele Arbeiter aber blieben ohne Arbeit, manche werden es auch auf die Dauer bleiben. Aus Verviers schreibt man der „Köln. Ztg.“: Der Fadner⸗ and, der fünf Wochen dauerte, ist durch die Bemühungen des ereins der Geschäftsleute beendet. Nur noch zwei Fabriken feiern. Die Lohnfrage wird nachträglich verhandelt werden.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin ed bet de biegen Standesämtern in der Woche vom 951 April bis inkl. 4. Mai cr. zur Anmeldung g

ommen: Elbefbandgeborene, 361 35 Todtgeborene, 546

aus

*) s. Nr. 110 d. Bl.

Literatuͤr.

Rechts⸗ und Staatgwissenschafft. „Im Verlage von Otts Harrassowitz in Leipzig sind soeben Broschüren erschienen, die sich mit den Zwistigkeiten und Miß⸗ elligkeiten zwischen Schweden und Norwegen, welche durch die gegen⸗ wärtig bestehende Union beider Reiche hervorgerufen sind und in erster Linie mit der Frage der besonderen Vertretung Norwegens im Auslande vom spezifisch schwedischen Standpunkt aus befassen. Die eine, mit dem Titel ISHAAe. Union und ihre staatsrechtliche Grundlage“, ist die Verdeutschung einer Reihe von Artikeln, die in der Stockholmer Zeitung Nya Dagligt Allehanda“ erschienen sind; die zweite betitelt sich „Zur auswärtigen Ministerfrage in Schweden⸗Norwegen“ und ist von einem Mitglied des schwedischen Reichstags verfaßt. In beiden wird auf Grund des Kieler Vertrags vom 14. Januar 1814 und des norwegischen Grundgesetzes vom 4. November 1814 der Nachweis geführt, daß Norwezen niemals als ein souveränes Reich anerkannt worden sei, die Verbindung mit Schweden daher auch keine bloße Personalunion, sondern vielmehr eine Realunion sei, mit einem Königthum, einer Diplomatie und einem Konsulats⸗ wesen, die in dem Unionskontrakt als unionelle In⸗ stitutionen gesetzlich festgelegt seien. Die Forderung eines eigenen auswärtigen Ministeriums und eigener Konsulate für Norwegen wird daher auch a limine zurückgewiesen. Dagegen wird die Verwand⸗ lung des Postens des Ministers des Auswärtigen von einem schwedi⸗

schen in einen unionellen als eine gewissermaßen berechtigte Forderung angesehen, aber daran die Forderung geknüpft, daß die konstitutionelle Verantwortlichkeit, sowohl die auswärtigen Aücgicg h so

politische wie die juridische, der Leitung der geordnet werde, daß die Kontrole ausschließli von einer den beiden Ländern gemeinsamen Institution künftig ausgeübt würde, somit weder dem schwedischen Reichstag noch dem Storthing irgend welches Recht zustände, Protokolle und Dokumente, betreffend die auswärtigen Angelegenheiten, zur Prüfung einzufordern. Auch würde das dem Storthing zustehende Recht, in Staatssachen einen Jeden zum Erscheinen vor seinem Forum auffordern zu können, weder bei unionellen Beamten noch bei Mitgliedern des unionellen Conseils für auswärtige An⸗ gelegenheiten zur Anwendung gebracht werden dürfen. Hierzu würde vor allen Dingen eine Aenderung der §§ 75 Abs. b und 86 des norwegischen Grundgesetzes nöthig sein. Daneben werden aber noch als unerläßliche Vorbedingungen aufgestellt: einmal, daß in das norwegische . b eine Bestimmung eingeführt werde, wodurch dem König das absolute Veto in Grundgesetzfragen bestimmt ein⸗ geräumt und ihm das Recht ertheilt werde, das Storthing auf⸗ zulösen und Neuwahlen anzuordnen. Ferner müsse Norwegen eine unzweideutige Verpflichtung übernehmen, im Verhältniß zu seiner Volksmenge zur Vertheidigung der Union beizu⸗ tragen. Daß zur Feit keine Aussicht dafür vorhanden ist, es werde noorrwegischerseits auf eine dieser Bedingungen, geschweige denn auf alle zusammen eingegangen werden, wird in beiden Schriften anerkannt, dem gegenüber aber als geboten b net, daß Schweden zwar einerseits seine sofortige Bereitwilligkeit bekunde, auf Grundlage der erwähnten Bedingungen in Unterhandlungen zu treten, andererseits aber energisch jeden Versuch der norwegischen Parteien zreückweise, der Union unter dem Vorwande einer einseitig unter⸗ nommenen Reform Gewalt anzuthun. 8

Patriotisches. b

„Ohne Kaiser kein Reich“, Festrede zu Kaisers Geburtstag 1895, gehalten von Oberlehrer, Professor Dr. E. Schnippel. Oldenburg und Leipzig. Schulze'sche Hofbuchhandlung. Das Wort „‚DOhne Kaiser kein Reich“, welches Fürst Bismarck einst zu Anton von Werner aussprach, als dieser ihn um eine kurze Unterschrift für eines seiner Bilder bat, bildet die Grundlage der vorliegenden, auf vielfachen Wunsch herausgegebenen Festrede, die wegen ihres von be⸗ geisterter Vaterlandsliebe zeugenden Inhalts auch in weiteren Kreisen bekannt zu werden verdient.

Militärisches.

Die Generale der Köni 888 preußischen Armee, zweite Folge, zusammengestellt von Pelar von Kleist, Oberst z. D. Leipzig 1895, Verlag von Zuckschwerdt und Möschke (früher Helwing'scher Militärverlag). Preis 3,50 Das Buch enthält kurze biographische Notizen über sämmtliche Generale der preußischen Armee, die in den Jahren 1893 und 1894 zu General⸗Majors ernannt worden sind, und bildet die zweite Ergänzung zu der im Jahre 1890 gleichfalls von dem Obersten von Kleist herausgegebenen Zusammenstellung „Die Generale der Königlich preußischen Armee von 1840 bis 1890“‧, die ihrerseits wieder eine Fortführung der Jubelschrift „Die Generale der Churbrandenburgischen und Königlich preußischen Armee von 1640 bis 1840“ von Kurt Wolfgang von Schöning ist. Das mit großer Sorgfalt bearbeitete, Seiner Majestät dem Kaiser gewidmete Werk bietet ein willkommenes Hilfsmittel für die Anfertigung von Biogra⸗ phien, Nekrologen u. s. w. ““

Der einjährig⸗freiwillige Militärdienst, heraus⸗

egeben von Franz Heckmanns. Sechste vermehrte und verbesserte Ruflage. Frankfurt a. M. Jäger'sche Verlagsbuchhandlung. Preis 80,2. Diefes kleine Werk bildet einen brauchbaren Wegweiser für alle diejenigen, welche die Berechtigung zum ein dbrg.ewenä⸗ Dienst erlangen, bezw. ihrer Militärpflicht als Einjährig⸗Freiwillige im stehenden Heer oder in der Kaiserlichen Marine mit der Waffe oder als Arzt, Apotheker, Roßarzt u. s. w. genügen wollen, und giebt auf jede diese Angelegenheit betreffende Frage kurzen und zuverlässigen Bescheid. Die neue Marine⸗Ordnung vom 12. November 1894 ist bereits mitberücksichtigt worden. Als eine willkommene Ergänzung ist die bei der Neubearbeitung am Schlu hinzugefügte Zusammen⸗ stellung der dienstlichen und unumgänglichen Kosten für Einjährig⸗ Freiwillige anzusehen. 1. 8.

HFer Gendarmerie⸗Dienst, Hilfsbuch für die Vorbildung auf denselben und für die Probedienstzeit, von Winkelm ann, weiland Oberft⸗Lieutenant. Berlin 1895. E. S. Mittler und Sohn. Preis 1 Das kleine, im Jahre 1879 in erster Auflage erschienene Werk hat seinen Zweck, den Unteroffizieren der Armee, welche zur Gendarmerie übertreten wollen, dabei anleitend die Hand zu bieten, so gut erfüllt, daß jetzt bereits die Herausgabe der vorliegenden vierten Auflage erforderlich geworden ist. G

Geologie.

Erdgeschichte. Von Prof. Dr. Melchior Neumagyr. weite, neubearbeitete Auflage von Prof. Dr. V. Uhlig. Erster and. Mit 372 Abbildungen im Text und 18 Tafeln in Holzschnitt

und Farbendruck sowie 2 Karten. Preis in Halbleder gebunden 16 Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien. Der leider zu früh verstorbene Wiener Gelehrte Professor Dr. Melchior Neumayr, eine anerkannte Autorität auf geologischem Wissensgebiet, hat es verstanden, den spröden Stoff, den die Geschichte der Ent⸗ wickelung der Erdrinde dem Verständniß darbietet, so lichtvoll und anziehend zu verarbeiten, daß sich sein Werk im Fluge die Gunst des Fachmannes wie die der Laienwelt erworben hat. Um das Werk auf der Höhe der heutigen Forschung zu erhalten, sah sich die Verlags⸗ handlung veranlaßt, eine zweite Auflage zu veranstalten, deren erster Band jetzt vorliegt. Die Bearbeitung der neuen Auflage hat Frose or Dr. Uhlig besorgt, der als Schüler Neumayr's die beste Bürgschaft für die Lösung der Aufgabe bot. Ein besonderer Vorzug des Buchs i

der Umstand, daß es dem Leser den jetzigen Stand der geologischen Wissenschaft vorführt, ohne daß er gezwungen wäare, schwierige und verwickelte Kontroversen mit anzuhören und sich mit ungelösten Fragen abzugeben. Bei gediegener Wissenschaftlichkeit ist es peinlich vermieden worden, den gebildeten Laien alle die Mühen durchkosten zu lassen, die der Gelehrte übernehmen mußte, wollte er zu gesicherten Resultaten gelangen. Hat also Professor Dr. Uhlig den Inhalt des Buchs nach dem neuesten Stande der orschung eingehend gesichtet und ergänzt, so ist doch die innere Gliederung des zweibändigen Werks im Großen und Ganzen dieselbe geblieben, wie die der ersten

1“ 8

e. Nach einer kurzen Erörterung des Begriffs „Geologie“ Löe wir di de in ihrem Verhältniß zu anderen Himmelskörpern

und nach ihren innersten Eigenschaften kennen. Dann führt uns der Verfasser in das Gebiet der Naturkräfte ein,⸗die so gewaltigen Einfluß auf die Gestaltung des Erdkörpers hatten und noch h : das Wesen der Vulkane, der Erdbeben wird besprochen, die Gebirgsbildung wird nach den neuesten grundlegenden Forschungen eingehend erörtert, auch was Wasser und Luft bewirken, wird klar geschildert. Der erste Band schließt mit dem interessanten Abschnitt über Gesteinsbildung. Die Schilderung ist von einer Fülle der besten Abbildungen begleitet. Außer 372 Textbildern zieren den ersten Band von Neumapr's „Erd⸗ geschichte“ 6 Tafeln in Holzschnitt und 12 in Farbendruck sowie zwei vorzüglich gestochene und sauber ausgeführte Karten. Außerordentlich gut gelungen sind die Farbendrucktafeln: „Mikroskopische Vergröße⸗ rung von Dünnschliffen“, „Der Kilimandscharo“, „Spektralanalyse“, nicht minder die Schwarzdrucktafeln: „Der Gipfel des Popocatepetl“, „Sinterterrassen des Tetarata⸗Sprudels auf Neuseeland. Es ist nach alledem nicht zu bezweifeln, daß Neumayr’s „Erdgeschichte“ auch in ihrer neuen Auflage allen Freunden der sologis Wissenschaft, denen es dieselbe so bequem in nuce darbietet, will⸗ kommen sein wird.

Karten. 82 Karte von Ostasien (Japan, Korea, Ost⸗China und der süd⸗ östliche Theil des asiatischen Rußland, ,— 1:4 500 000) mit folgenden Nebenkarten: 1) Golf von Pe⸗tschi⸗li und weitere Um⸗ gebung von Peking (Maßstab 1:2 250 000); 2) Umgegend von Söul (Maßstab 1:1 666 666); 3) Umgegend von Tokio (Maßstab 1: 1 000 000) von A. Herrich. Glogau, Verlag von Carl Flemming. Unmittelbar nach dem Ausbruch des japanisch⸗ chinesischen Krieges veröffentlichte die Verlagsanstalt von Carl lemming in Glogau eine von A. Herrich bearbeitete Neue pezialkarte von Korea, Nordost⸗China und Süd⸗Japan“, die dem allgemeinen Bedürfniß nach einem genauen und zuverlässigen Kartenwerk über den Schauplatz der Kriegsoperationen jener ostasiatif Mächte so sehr entsprach, daß in kurzer Zeit sechzehn Auflagen noth⸗ wendig wurden. Inzwischen war durch den Fortgang des Krieges und die Friedensverhandlungen das Interesse auf Gebiete ausgedehnt worden, welche über den eigentlichen Kriegsschauplatz hinausreichen. Das Erscheinen eines diesen veränderten Umständen entsprechend er⸗ weiterten Kartenwerks war daher sehr erwünscht. Die nun vor⸗ liegende neue Herrich'sche Karte von Ostasien wird in wissenschaftlicher und technischer Beziehung hohen Anforderungen gerecht; sie beruht auf sorgfältigen Studien des einschlägigen Materials einschließlich der Kriegsberichte.

Unterhaltung.

Bedeutende Menschen. Porträtskizzen, Lebens⸗ erinnerungen und Novellen, von Elise Polko. (Breslau, Schlesische Buchdruckerei, Kunst⸗ und Verlags⸗Anstalt von S. Schott⸗ laender.) Geheftet 5 ℳ, gebunden 6 Aus dem eigenen Leben hat die bekannte Verfasserin den Stoff zu dem vorliegenden Buch geschöpft; Rückschau auf die verflossene Zeit haltend, hat sie die ihr zunächst ins Auge fallenden hellsten Lichtpunkte festgehalten: die Be⸗ egnungen mit durch Geist und Charakter hervorragenden Persönlich⸗ eiten. Diese mit dem „Silberstift der Erinnerung“ gezeichneten Porträts sind mehr als bloße Photographien; sie sind die Porträts einer Künstlerhand, die auf mehr als äußere Aehnlichkeit hinzielt und in das Antlitz des Dargestellten zugleich seine seelische Eigenart hinein⸗ zuarbeiten weiß; in gleicher Weise gestalsen sie vbei Eltfe Polko die dargestellten Ereignisse aus ihrem Leben wie von selbst zu künstlerisch abgerundeten Novelletten und Stimmungsbildern.

Mozart⸗Novellen. Von Carola Belmonte. Verlag von Hugo Schildberger in Berlin. Diese Sammlung zart empfundener Erzählungen in gewandter Sprache ist eingeleitet durch ein Vorwort von Gustav Karpeles und gewidmet dem Obmann des Wiener Mozart⸗Denkmals, Nikolaus Dumba. Von den Kinderjahren bis zum eigenen Requiem wird Mozart als liebenswürdiger, lebensfrohe Mensch und ruhmgekrönter Musiker durch die kleinen Lebens bilder geschildert. Es naht die Zeit der Sommer⸗ und Badereisen für die ein unterhaltendes Buch zur Begleitung ausge wählt werden soll. Hierzu seien die Mozartnovellen empfohlen. Wer die selben anschafft, macht sich eine Freude und wird zugleich zum Wohl thäter, da der Ertrag den durch die Erdbeben in Italien Heimge

suchten zugewiesen ist. Verschiedenes.

Von der zum 1. Avril erschienenen Bismarck⸗Festnummer der illustrierten jagdlichen Unterhaltungsblätter „Das Waidwerk in Wort und Bild“, die ganz ausschließlich (der mit vielen guten Abbildungen geschmückten) Schilderung des Fürsten Bismarck als Jäger gewidmet war, ist vielfachen Wünschen zufolge eine billig Sonderausgabe veranstaltet worden, die für alle deutschen Jäger und Freunde des Waidwerks eine willkommene Erinnerung bilden wird. Die einzelne Nummer kostet 30 ₰, 10 Stück 2,70 ℳ, 100 Stück 22 ℳ; bei 500 Stück und mehr beträgt der Preis einer Nummer 18 BS.

Die bekannte kartographische Anstalt von G. Freytag u. Berndt, Wien VII, ließ soeben erscheinen: Professor L. Hickmann’s Neueste Münzenkunde aller Siaaten der Erde.“ (Preis 2 ℳ) Das handliche kleine Werk. bietet auf 42 Tafeln die wirklich keitsgetreu in Metallfarbendruck wiedergegebenen Abbildungen vo 400 der gangbarsten Gold⸗ und Silbermünzen ee Staate der Erde. Veigefügt ist ferner eine Erdkarte mit Angabe de Währungsverhältnisse aller Länder sowie eine Umrechnungstabelle Das kleine, gefällig ausgestattete Werk wird namentlich dels schülern lehrreich sein, aber auch in Bankhäusern und Wech elstub wegen der schnellen Orientierung über ausländische Münzen, die durch deren unmittelbare Veranschaulichung so bequem ermöglich sich als ein nützliches Hilfsbuch bewähren.

Zeitschriften. 1

Der Gerichtssaal. Zeitschrift für Strafrecht, Stra prozeß, gerichtliche Medizin, Gefängnißkunde und die gesammte Strafrechtsliteratur. Herausgegeben von Dr. M. Stenglein Reichsgerichts⸗Rath zu Leipzig. Sve Ferdinand Enke, 1895 Bd. LI, Heft 1 bringt folgende Abhandlungen: Wille und Willen macht. Von Dr. jur. A. Horn in Freiburg i. Breisgau. Das moralische Irresein (moral insanity), eine eee⸗ zu § 51 des Strafgesetzbuchs. Von Dr. jur. Paul Ledig. Bemerkungen zu der Abhandlung von Dr. jur. Gustav Müller in München: Kausalitätsproblem im Strafrecht, Gerichtssaal 1894, S. 241 340. Von v. Buri. Es folgen Literarische Anzeigen. 8

„Die landwirthschaftlichen Bersuchs⸗Stationen“, Organ für naturwissenschaftliche Forschungen auf dem Gebiete der Landwirthschaft, herausgegeben unter Mitwirkung sämmtlicher deutscher Versuchs⸗Stationen von Dr. Friedrich Nobbe, Geheimer Hofrath, Professor an der Königlichen Akademie und Vorstand der physiolo⸗ gischen Versuchs⸗ und Samenkontrol⸗Station zu Tharand (Verlag von Paul Parey, Berlin) haben in dem Doppelheft V und VI fol⸗ enden Inhalt: Verhandlungen der VII. Hauptversammlung des Verbandes landwirthschaftli Versuchs⸗Stationen im Deutschen Reich in der Aula der Polytechnischen Hochschule in Dresden am 21. und 22. September 1894. Ueber sogenanntes doppeltgesiebtes Baumwollsaatmehl von Dr. von obeneck. Landwirthschaftlich⸗ - Probleme von Ritterguts⸗ besitzer A. Caron Ellenbach. ersuche zur Bestimmung des freien Eisenoxyds im Boden von Robert Sachße und Arthur Becker. Die e v - auf Alkaliboden von E. W. Hilgard. Unter⸗ uchungen aus dem agrikultur⸗chemischen Laboratorium der Universität Tokio, mitgetheilt von Professor Dr. O. Loew. Weitere Beiträge zur Kenntniß der Tabackpflanze von Dr. J. Behrens. Mittheilungen aus dem Botanischen Laboratorium mit Samen prüfungs⸗Anstalt zu Hamburg: III. Weitere Unkrautsamen aus fremd ländischen, insbeson⸗ dere nordamerikanischen Kleesaaten und ihre Darstellung vermittels Photographie von Dr. Oscar Burchard. 8 4

Das „Centralblatt der allgemeinen Gesundbeits⸗ pflege“, herausgegeben von Dr. Fieceln gaeg⸗ Professor an der Universität zu Bonn, Dr. Lent, Sanitäts⸗Rath in Köln,

und Dr. Wolffberg, Kreisphysikus in Tilsit (Verlag von Emil Strauß, Bonn), hat im dritten und vierten Heft folgenden Inhalt: