erheblich gemildert werden wird. Der Marsch von Kuirenga hierber war mit der über 1000 Köpfe zählenden Karawane eben nur möglich, weil er kriegerischer Natur war und die gefundenen Lebensmittel requiriert werden konnten. Jetzt bin ich naturgemäß ausschließlich auf Einkauf angewiesen. Wenn ich auch in Ugogo selbst von den noch ängstlichen Leuten einiges kaufen könnte, so muß ich doch in Rücksicht auf die Station wie das Land selbst mich solchen Einkaufs enthalten und mich an die weiter abliegenden Orte wenden, wo bessere Verhält⸗ nisse vorliegen sollen. Dementsprechend habe ich mit der ganzen weiteren Umgebung — bis Kiwere westlich, bis Irangi östlich — Verbindungen angeknüpft, aber auch diese Quellen versiegen, bezw. müssen noch unbenutzt bleiben. Ich thue, was in Menschenmacht steht; gelingt es mir aber nicht, neue Bezugsquellen in einiger Zeit zu entdecken, dann werde ich mich an Tabora halten müssen.
In Bagamoyo hat am 21. Dezember v. J. die feier⸗ liche Enthüllung des zu Ehren der in den Kämpfen von Ost⸗Afrika gefallenen Mitglieder der früheren Wissmann schen Schutztruppe errichteten Denkmals stattgefunden. Das „D. Kol.⸗Bl.“ meldet darüber:
Die Mittel für die Herstellung des Denkmals sind zum theil von den Kameraden der Gefallenen aufgebracht worden. Als Stand⸗ platz ist die nach der Station führende breite Hauptstraße zwischen dem neuen Bezirksamt und dem Messegebäude gewählt worden. Das Denkmal besteht aus einer von Zement und Bruchsteinen bergestellten
Ppyramide, in deren vier Seiten Bronzeplatten eingelassen worden ind. Als krönender Schmuck ist ein Adler mit ausgebreiteten Schwingen, auf einem Kanonenrohr sitzend, in Aussicht genommen. Der Ent⸗ hüllungsakt verlief in feierlichster Weise in Anwesenheit des Gouver⸗ neurs und der sämmtlichen abkömmlichen Beamten und Offiziere. Ferner nahm eine Anzahl der zum Zwecke der Elfenbeinauktion in Baga⸗ noyo versammelten Kaufleute aus Sansibar und Dar⸗es⸗Salam sowie die ganze Mission du sacré cœeur bei Bagamoyo und die gesammte Bevölkerung des Ortes theil. Der Gouverneur hielt die Festrede,
und unter dem Donner der Geschütze senkte sich die Hülle. Besonders bemerkt bei der Feier wurde die vorzügliche Haltung der französischen Missionare. Die schwarzen Missionskinder sangen in deutscher Sprache vier Lieder, darunter „Heil dir im Siegerkranz“ und „Deutschland über Alles“. Am Abend vereinigte ein Festmahl alle Theilnehmer.
Ueber die Entwicklung des Schutzgebiets Togo (West⸗ Afrika) wird berichtet:
Nach den jetzt vorliegenden amtlichen Abrechnungen haben die Einnahmen des Schutzgebiets im verflossenen Etatsjahr einen er⸗ freulichen Aufschwung genommen. Die ersten zehn Monate haben bereits über 300 000 ℳ eingebracht. Es ist dieses Ergebniß in erster Reihe dem Bau der bequemen Wege nach dem Innern, 8 h der Handel mit dem Binnenlande eine neue Zu⸗
erfahren hat und die Zufuhr von Rohprodukten nach
Küste unausgesetzt steigt, zuzuschreiben. Die Erhöhung der Eingangszölle, welche im vorigen Jahr ins Werk gesetzt wurde, scheint weniger dazu beigetragen zu haben. Infolge der Steigerung des Pulverzolls in Togo auf die Höbe des in der Goldküstenkolonie geltenden hat nämlich die Einfuhr von Handelepulver sehr stark nach⸗ gelassen. Für das neue Etatsjahr ist eine Einnahme von 265 000 ℳ in Anschlag gebracht, welche nach den Erfahrungen des letzten Jahres sicher nicht zu hoch gegriffen ist. Wenn man in Betracht zieht, daß Togo noch im Etatsjahre 1891/92 nur 146 000, in den beiden folgenden je 220 000 ℳ aufzubringen im stande war, wird man nicht leugnen können, daß die Kolonie in erfreulicher Entwicklung begriffen ist. Die Mehbreinnahmen werden zum weitaus größten Theile für den weiteren Bau von Straßen nach dem Innern verwendet werden. Nach den letzten Mittheilungen beabsichtigen verschiedene Handels⸗ häuser, auch in dem wichtigen Platze Kvandu am Volta Faktoreien zu errichten. Alle Sachkenner versprechen sich davon für die Entwicklung des Schutzgebiets reichsten Erfolg. Es wird dann auch nöthig werden, an diesem Ort einige Verwaltungsorgane zu stationieren.
Oesterreich⸗Ungarn.
„Seeine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen begab sich gestern Nachmittag, wie „W. T. B.“ be⸗ richtet, in die Kaisergruft in der Kapuzinerkirche und legte am Sarge des Erzherzogs Albrecht einen Lorbeerkranz nieder. Spaͤter stattete der Prinz der Erzherzogin Maria Immaculata und der Herzogin Adelgunde von Modena sowie den Ministern Graf Kälnoky und von Krieghammer Besuche ab. Abends fand zu Ehren Seiner Königlichen Hoheit bei dem Erzherzog und der Erzherzogin Karl Ludwig ein Diner statt, welchem außer dem Prinzen Albrecht auch die Mitglieder der preußischen Militär⸗Deputation, die Offiziere vom Ehrendienst, der deutsche Botschafter Graf zu Eulenburg nebst Gemahlin und das Botschaftspersonal beiwohnten. Später besuchte der Prinz Albrecht in Begleitung des Kaisers das Hofburg⸗Theater und nahm hierauf mit dem Erzherzog Karl Ludwig den Thee bei dem deutschen Botschafter Grafen zu Eulenburg ein.
Die für heute angesetzte Parade ist des schlechten Wetters wegen abgesagt worden.
Mit Bezug auf die Mission Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Albrecht von Preußen schreibt das „Fremdenblatt“ von gestern Abend: —
„Heer und Volk Oesterreich⸗Ungarns erblicken in der Sendung der preußischen Militär⸗Deputation einen neuen Beweis jener innigen, bundesfreundlichen Beziehungen, welche zwischen den beiden Herrschern und ihren Reichen bestehen; einen erneuten Beweis jener herzlichen Waffenbrüderschaft, welche die beiden Heere ver⸗ bindet. Indem Kaiser Franz Joseph die Insignien eines preußischen General⸗Feldmarschalls anlegt, welche ihm sein hoher und erlauchter Freund und Verbündeter verliehen, legt er in erbebender Weise Zeugniß von jenem innigen Bundesverhältuiß ab, das allerdings keiner wiederholten Bekräftigung bedarf, da es längst im Herzen beider Völker wurzelt“.
Einen weiteren Artikel widmet das genannte Blatt heute dem in Wien weilenden Prinzen aus dem Hause Hohenzollern, welcher dem Kaiser den Feldmarschallstab üͤberreicht habe als ein Sinnbild, nicht nur der höchsten Militärwürde, sondern auch der innigen, tiefwurzelnden Freundschaft zwischen den Völkern und den Heeren der beiden großen Rachdar⸗ reiche. Die Welt fordere zwar keinen neuen Beweis für diese herzlichen Beziehungen; wenn dieser Beweis aber in so über⸗ zeugender Form dargeboten werde, wie in diesen Tagen, dann begrüße sie ihn mit Genugthuung als ein erneutes Zeugniß der Festigkeit dieses ehernen Bundes, der grundlegend sei für den Frieden Europas.
Der ungarische Minister⸗Präsident Baron Banffy ist heute in Wien eingetroffen und wurde um 1 Uhr vom Kaiser empfangen. 1
Im Budgetausschuß des österreichischen Ab⸗ geordnetenhauses erklärte gestern der Finanz⸗Minister Dr. von Plener: die Regierung habe sich in der Angelegen⸗ heit der Zuckerbonifikationen vertraulich an die deutsche Regierung gewandt; weitere Mittheilungen hierüber zu machen, sei er nicht in der Lage, er habe aber Grund anzunehmen, daß sich die Sache in günstiger Weise ent⸗ wickeln werde. Ein großer Fortschritt würde es sein, wenn in dieser Frage die betheiligten Feeen Oesterreich⸗Ungarn,
Deutschland und Frankreich sich dahin verständigen würden, die Zuckersteuerprͤmien festzulegen und dann mit der Zeit Ermäßigungen eintreten zu lassen.
Das ungarische Oberhaus hat gestern mit 114 gegen 109 Stimmen alle auf die Konfessionslosigkeit bezůg⸗ lichen Bestimmungen des Gesetzes über die freie Religions⸗ übung verworfen. Das Gesetz muß daher abermals an das Abgeordnetenhaus zurückgehen. Bei der Generalberathung über das Gesetz, betreffend die Rezeption der Juden, wurden 107 Stimmen dafür und 107 Stimmen dagegen ab⸗ gegeben. Der Präsident entschied für das Gesetz. Das Haus trat hicrauf in die Spezialdebatte über das Gesetz ein. In derselben wurde § 2, welcher den Uebertritt zum * nthum gestattet, mit 105 gegen 94 Stimmen abgelehnt. —
Großbritannien und Irland.
as Unterhaus nahm gestern mit 218 gegen 189 Stimmen die von Lambert beantragte und von der Regierung unterstützte Landpachtbill an. Der Zweck der Vorlage ist die Feststellung der Entschädigungsansprüche der Pächter für bleibende Meliorationen, für Reparaturen, ferner für die Umwandlung von Ackerland zu ewiger Weide und zu Gartenland, für Besitzstörung sowie von Prämien für gute Bewirthschaftung; auf der anderen Seite wird dem Verpächter ein Entschädigungsanspruch für schlechte Bewirth⸗ schaftung seitens des Pächters zugesprochen.
An Stelle des verstorbenen konservativen Parlaments⸗ mitgliedes für West⸗Dorset Farquharson ist der Unionist Oberst Williams mit großer Majorität gewählt worden.
Frankreich.
Die Budgetkommission hat gestern nach einer Rede des Minister⸗Präsidenten Ribot die Regierungsvorlage über die Reform der Getränkesteuer angenommen. 116““
Rußland.
Der Chef der Asiatischen Abtheilung des Hauptstabes der Armee überreichte, wie „W. T. B.“ berichtet, dem St. Peters⸗ burg verlassenden außerordentlichen Gesandten von Buchara ein Handschreiben des Kaisers an den Emir von Buchara sowie ein dem Emir vom Kaiser Porträt des Kaisers Alexander III.
Italien.
Der „Osservatore Romano“ veröffentlicht ein vom 1. Mai datiertes Schreiben des Papstes an den Kardinal Parocchi, worin den italienischen Katholiken die von der Pönitentiarie unter Pius IX. gegebenen Instruktionen, betreffend Enthaltung von den politischen Wahlen, eingeschärft werden, welche auch unter dem gegenwärtigen Pontifikat in Kraft geblieben seien.
Spanien.
Die Regierung hat, dem „W. T. B. zufolge, Anord⸗ nungen getroffen, um zu verhindern, daß Don Jaime, der Sohn des Don Carlos, welcher sich auf dem Wege nach Marokto befindet, in Spanien lande. v1“
Niederlande.
Die Regierung wird bei den Generalstaaten einen Kredit behufs Einführung des direkten niederländischen Regierungssystems auf Lombok einbringen.
Türkei. W
Nach einer Meldung der „Politischen Korrespondenz“ aus Konstantinopel sind die am 11. d. M. im Palais über⸗ reichten armenischen Reformvorschläge der Botschafter Großbritanniens, Frankreichs und Rußlands am Montag der Pforte übermittelt worden.
Griechenland.
Als der frühere Minister⸗Präsident Delyannis sich gestern in das Palais begab, um dem Adjutanten des Groß⸗ fürsten⸗Thronfolgers einen Besuch abzustatten, begegnete er, wie „W. T. B.“ berichtet, im Korridor dem König, welcher ihn in ein Zimmer führte und dort längere Zeit mit ihm sprach. Dieses Zusammentreffen des Königs und Delyannis' ist das erste seit der Krisis von 1892.
Amerika.
In Arizona haben, nach einer dem „W. T. B.“ aus New⸗York zugegangenen Meldung, Indianerbanden ver⸗ schiedene Bergarbeitergesellschaften angegriffen; Kavallerie ist entsandt worden, um die Indianer zu verfolgen. Es wird ein allgemeiner Aufstand befürchtet.
Aus Mexiko meldet das „Reuter'sche Bureau“, die Ratifikationen des Vertrags, durch welchen die Grenze zwischen Mexico und Guatemala festgestellt wird, seien gestern daselbst ausgetauscht worden.
Asien.
Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Simla gemeldet, daß in Chitral der Feind fortfahre, die britische Verbindungs⸗ linie zu belästigen; bei Kambat sei die britische Post angegriffen worden, wobei sieben Kulis getödtet und zwanzig verwundet worden seien; zwischen Mandah und Khar im Swatthal seien die Telegraphendrähte zerschnitten worden. — Nach einem Telegramm aus Waziristan wurde im Tochithal ein britischer Lieutenant von einem Fanatiker ermordet.
Afrika.
Die Unruhen in der Umgebung von Marakesch dauern, nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Tanger, fort. Einem umlaufenden Gerücht zufolge sollen die Aufständischen in Marakesch eingedrungen sein und die zu Hilfe gesandten Truppen des Sultans mit ihnen gemeinschaftliche Sache gemacht haben.
Nach einer in Paris eingetroffenen Meldung aus Majunga ist der General Duchesne von dort abgereist, um die Brigade Metzinger zu inspizieren, die ihren Vormarsch fortsetzt. Zwischen Majunga und Maroway⸗ befinden sich
Mann in Staffelstellungen. Der Gesundheitszustand der Truppen ist nach wie vor ein befriedigender. —
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzun Reichstags und des Herrenhauses befinden basgen 2. Ersten Beilage.
— In der heutigen (94.) Sitzung des Reichstags welcher die Staatssekretäre, Staats⸗Minister Dr. vE Boetticher und Freiherr von Marschall, die Staatssekretäre Hollmann, Nieberding und Dr. Graf von Posadowsky sowie der Kriegs⸗Minister Bronsart von Sch ellendorff und der preußische Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Freiherr von Hammerstein⸗Loxten beiwohnten, wurde zunächst in dritter Berathung der Gesetzentwurf über den Beistand bei Einziehung von Ah. gaben und Vollstreckung von Vermögensstrafen angenommen, nachdem der Abg. Stadthagen (Soz.) kurz den ablehnenden Standpunkt der Sozialdemokraten be⸗ gründet hatte.
8 1 2 8 8
Das Haus trat sodann in die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Personen des Soldaten⸗ standes des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine vom Feldwebel abwärts, ein.
Das Gesetz wurde in der in zweiter Berathung be⸗ schlossenen Fassung ohne Debatte angenommen.
Ebenso wurde in dritter Berathung der Gesetzentwurf betreffend Abänderung des Gesetzes vom 23. Mai 1873 betreffend die Gründung und Verwaltung des Reichs⸗Invalidenfonds, in der in zweiter Berathung beschlossenen Fassung ohne Debatte angenommen. -
Es folgte die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes wegen Feststellung eines zweiten Nachtrags zum Reichs⸗ haushalts⸗Etat für das Etatsjahr 1895/96.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (dkons.) beantragte im Hinblick auf den seiner Meinung nach verschwenderisch aufgestellten Etat für die Verwaltung des Nord⸗Hstsee⸗ kanals, die Vorlage der Budgetkommission zu überweisen. Namentlich trug er Bedenken, den Posten eines Kanal⸗ Präsidenten zu kreieren.
(Schluß des Blattes.)
— Die heutige (14.) Sitzung des Herrenhauses, zu welcher der Präsident des Staats⸗Ministeriums Fürst zu Hohenlohe⸗Schillingsfürst und der Finanz⸗Minister Dr. Miquel erschienen waren, eröffnete der Präsident Fürst zu Stolberg um 12 ½ Uhr mit der Mittheilung, daß vom Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums Dr. von Boet⸗ ticher dem Herrenhause 25 Einladungskarten zur Theilnahme an der Eröffnung des Nord⸗Ostsee⸗Kanals zugestellt worden seien. Außerdem stünden Tribünenkarten für die Feierlich⸗ keiten zur Verfügung.
Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildete der Ge⸗ setzentwurf, betreffend die Vertretung des Gesammt⸗ Synodalverbandes und der Diözesan⸗Synodal⸗ verbände des Konsistorialbezirks Cassel in ver⸗ mögensrechtlichen Angelegenheiten, welchem das Haus entsprechend dem Antrag der Justizkommission die verfassungs⸗ mãßige Zustimmung ertheilte.
Die Kommission für den Staatshaushalts⸗Etat und für Finanz⸗Angelegenheiten (Berichterstatter Graf von Königs⸗ marck) berichtete sodann über die allgemeine Rechnung für 1891/82 und über die Uebersicht der Staats⸗ Einnahmen und⸗Ausgaben von 1893/94.
Gemäß den Anträgen der Kommission wurde beschlossen, die Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben nachträglich zu genehmigen und für 1891/92 die Ent⸗ lastung auszusprechen.
Darauf folgte der mündliche Kommissionsbericht über den Antrag des Grafen von Mirbach:
die Königliche Staatsregierung aufzufordern, den Herrn Reichs⸗ kanzler zu ersuchen, ungesäumt und nachdrücklich alle die⸗ jenigen Schritte zu thun, welche geeignet sind, zu einer internationalen Regelung der Währungsfrage mit dem Endziel eines internationalen Bimetallismus zu führen.
Die Kommission beantragte, den ändert anzunehmen.
Ober⸗Buͤrgermeister Becker stellte den Antrag, die Worte „mit dem Endziel eines internationalen B metallismus“ zu streichen.
Berichterstatter Herr von Graß: Ihre Kommission steht dem Antrage des Grafen Mirbach freundlich gegenüber. Widerspruch wurde nur von einer Seite erhoben, von der vorgeschlagen wurde, über den Antrag zur Tagesordnung überzugehen, weil die Regierung schon die Initiative zur Regelung der Währungsfrage ergriffen habe. Es bietet Schwierigkeiten, ja erscheint unmöglich, den Rückgang in wirthschaftlichen Verhältnissen nur auf eine Ursache zurückzuführen. In Ihrer Kommission wurde aber der Versuch gemacht, zu beweisen, daß gewisse Vorgänge, die durch die Goldwährung herbeigeführt sind, die Preise haben drücken müssen. Wenn ein so bedeutender Staat wie das Deutsche Reich mit seinem Bedarf an Silber ausgeschieden war, so war vorauszusehen, daß der Preis des Silbers fallen mußte. Der Preisfall des Silbers mußte aber auf den Preis für landwirthschaftliche Produkte Einfluß ausüben. Nehmen wir an, der russische Konkurrent verkauft seinen Roggen bei uns für 100 ℳ, so erhält er dieselben in Goldwährung, nimmt also den Preis in einer fast um die Hälfte werthvolleren Währung mit nach Hause. Für das Goldgeld kauft er Rubel; mit Silber deckt er seine Zinsen, lohnt er seine Arbeiter ab u. s. w. Der deutsche Konkurrent aber produziert nach der Goldwährung. Ihre Kommission war der Ansicht, daß der Niedergang der deutschen Landwirthschaft sehr wesentlich auf diese Zwangslage zurückzuführen sei. Es sei unausbleiblich, daß infolge der zu hohen Produktionskosten wenigstens ein Theil der Landwirthe allmählich ihr Kapitalvermögen verliere. Ich empfehle Ihnen namens der Kommission die unveränderte Annahme des Antrags des Herrn Grafen Mirbach. “
(Schluß des Blattes.) 8 “
— Der von dem Geschlecht von der Schulenburg präsentierte Major a. D., Kammerherr Graf von der Schulenburg auf Emden bei Erxleben ist zum Mitgliede des Herrenhauses auf Lebenszeit Allerhöchst berufen worden.
— Im Hause der Abgeordneten ist von den Abgg. Dr. Arendt, von Kardorff, Graf zu Limburg⸗Stirum und von Ploetz nachstehender Antrag eingebracht worden:.
Das Haus: der Abgeordneten wolle beschließen: Die Königliche Staatsregierung aufzufordern, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, ungesäumt und nachdrücklich alle diejenigen Schritte zu thun, welche geeignet sind, zu einer internationalen Regelung der Währungsfroge mit dem Endziel eines internationalen Bimetallismus zu führen.
Antrag unver⸗
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Telegraphenbeamte oder andere mit der Beaufsichtigung
nd Bedienung einer zu öffentlichen Zwecken dienenden Telegraphen⸗ anstalt betraute Personen, welche die einer Telegraphenanstalt anver⸗ trauten Depeschen verfälschen oder in anderen als in den im Gesete vorgesehenen Fällen eröffnen oder unterdrücken ꝛc, sind nach § 355 des Strafgesetzbuchs mit Gefängniß nicht unter drei Monaten zu be⸗ strafen. Durch diese Strafbestimmung werden, nach einem Urtbeil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 9. November 1894, nicht nur ersonen getroffen, welche mit der Beaufsichtigung und der Bedienung einer Telegraphenanstalt, sondern auch Personen, welche entweder mit der Beaufsichtigung oder mit der Bedienung einer Telegra⸗ pbenanstalt betraut sind. Dagegen erstreckt sich diese Straf⸗ bestimmung nicht auf Personen, beispielsweise auf Postunterbeamte, welche aus Gefälligkeit, ohne in einem dienstlichen Ver⸗ hältniß zu der Telegraphenanstalt selbst zu stehen, der Besorgung eines Telegramms sich unterziehen. — Der zu T. als Aushelfer im Postunterbeamtendienst beschäftigte V. hatte ein sorgfältig verschlossenes Telegramm, welches ihm von dem dortigen Postgebilfen Sch. zur Be⸗ sorgung an den Kommissionär S. übergeben war, absichtlich geöffnet, um sich von dem Inhalt der Depesche Kenntniß zu verschaffen. V. wurde von der Strafkammer, ohne daß diese feststellte, daß dem V. zur Zeit der That von zuständiger Stelle die Besorgung von Tele⸗ grammen übertragen war, wegen Amtsvergehens aus § 355 Str.⸗G.⸗B. verurtheilt. Auf die Revision des Angeklagten hob das Reichsgericht das erste Urtbeil auf, indem es begründend ausführte: „Zur Sicherung des Depeschen⸗ verkehrs eine Strafvorschrift für erforderlich erachtet, welche über die für das Postwesen im § 354 Str.⸗G.⸗B. gegebene Straf⸗ bestimmung insofern hinausgeht, als sie nicht nur Beamte, sondern auch andere mit dem Telegraphenwesen befaßte Personen treffen soll. Der Gesetzgeber beabsichtigt hiernach, den Kreis der strafrechtlich ver⸗ antwortlichen Personen zu erweitern und so einen umfassenderen und wirksameren Schutz des Depeschenverkehrs herbeizuführen. Diese Absicht würde nicht erreicht werden, wenn man im § 355 die Worte „Beaufsichtigung und Bedienung“ dahin verstehen wollte, daß das Zusammentreffen beider Funktionen bei derselben Person ver⸗ langt werde. Augenscheinlich liegt hier nur eine inkorrekte Fassung des Gesetzes vor, und es muß deasselbe dahin ausgelegt werden, daß das Vorhandensein einer jener Funktionen zur Anwendung des § 355 genügt. Erfordert wird sedoch im § 355 eine mit der Beaufsichtigung oder Bedienung einer Telegraphenanstalt betraute Person, und hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, daß durch die Strafvorschrift nur Diejenigen getroffen erden sollen, welche in einem dienstlichen Verhältniß zu der Telegraphenanstalt selbst stehen. Dauernd braucht das Verhältniß allerdings nicht zu sein, wie ja auch die Beamteneigen⸗ schaft im Sinne des § 359 Str.⸗G.⸗B. von der Dauer der Amts⸗ übertragung nicht abhängig ist. Dagegen wird ein solches Verhältniß zu der Telegraphenanstalt auch nicht ohne weiteres dadurch hergestellt, daß ein Telegraphenbeamter durch eine beliebige Person Verrichtungen vor⸗ nehmen läßt, welche der Anstalt obliegen. Hierzu gehört vielmehr, daß die Person durch einen dazu Berufenen, wenn auch nur vorübergehend,
mit der Wahrnehmung der betreffenden Funktion bei der Anstalt be⸗ traut worden ist. Ist das nicht geschehen, hat ein Telegraphen⸗ beamter für Verrichtungen, die nach der Dienstordnung von ihm selbst oder von einem anderen hierzu Berufenen vorzunehmen waren, unbe⸗ fugt der Thätigkeit eines Dritten sich bedient, so wird letzterer hier⸗ durch nicht eine mit der Bedienung der Telegraphenanstalt betraute Person, und es kann gegen ihn nicht die Strafvorschrift des § 355, sondern unter Umständen nur die Bestimmung des § 299 Str.⸗G.⸗B. (betr. unbefugte Eröffnung einer verschlossenen Urkunde) zur Anwendung gebracht werden.“ (2941/94.)
— In Bezug auf § 330 des Strafgesetzbuchs, wonach derjenige, welcher bei der Leitung oder Ausführung eines Baues wider di allgemein anerkannten Regeln der Baukunst dergestalt handelt, daß hieraus für andere Gefahr entsteht, mit Geldstrafe oder Gefängniß zu bestrafen ist, — hat das Reichsgericht, IV. Strafsenat, durch Urtheil vom 16. November 1894 ausgesprochen, daß dadurch, daß ein Berufsgenosse des Angeklagten neben diesem die Allgemein⸗ gültigkeit der Regel, gegen welche zuwidergehandelt ist, in Abrede stellt, die in sonstiger Weise festgestellte Allgemeingültigkeit nicht in Frage gestellt werden kann. „Begrifflich erfordert das Gesetz nicht und kann es nicht erfordern, daß die Regeln von allen Bauhandwerkern aus⸗ nahmslos anerkannt sein müßten. Ob eine dem entsprechende Fest⸗ stellung im Bereiche der Möglichkeit läge, wäre in Zweifel zu ziehen. Demnach liegt auch die Feststellung, in wie weit der Widerspruch eines oder des anderen die Annahme der Allgemeingültigkeit ausschließt, auf thatsächlichem Gebiet.“ (3425/94.)
wird 26148
8 Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Ein wenn auch noch so erheblicher Zweifel an der zu⸗ künftigen Zuverlässigkeit des Wirthschafts⸗Konzes⸗ sionsinhabers hinsichtlich des Mißbrauchs des Gewerbes zur Förderung der Völlerei, des verbotenen Spiels, der Hehlerei oder der Unsittlichkeit genügt, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, III. Senats, vom 5. November 1894, nicht zur Konzessionsent⸗ ziehung, sondern der Richter muß, um diese aussprechen zu können, die volle Ueberzeugung gewonnen haben, daß jener künftig der Völlerei ꝛc. in seinem Gewerbebetriebe Vorschub leisten werde. — Ein Schankwirth hatte zwei unsittliche Handlungen begangen und eine grobe unsittliche Aeußerung gethan, ferner einmal an ein schulpflichtiges Kind Schnaps verkauft, die Polizeistunde über⸗ schritten und einem Ackerwirth netst einem jungen Mädchen in seiner Wirthschaft eine Privatstube angewiesen, wo⸗ selbst beide Wein oder Bier tranken. Die Polizeibehörde klagte auf onzessionsentziehung. Diese Klage wurde in zweiter Instanz vom ZBezirks⸗Ausschuß abgewiesen, der bei einem der Unsittlichkeits⸗ fälle, welcher zu einer Bestrafung des Schankwirths geführt hat, ne von der Annahme des Strafrichters abweichende geststellung traf, im übrigen aber für nicht feststehend erachtete, daß der Beklagte nicht mehr die erforderlichen Garantien für die Zu⸗ kunft biete, vielmehr in der Persönlichk⸗it der Ehefrau des Be⸗ klagten eine Garantie dafür erblickte, daß die Führung der Wirth⸗ schaft auch in der Zukunft eine ordentliche sein werde. — Die Re⸗ vision der Klägerin wurde vom Ober⸗Verwaltungsgericht verworfen, indem es den oben hervorgehobenen Rechtssatz aussprach und im übrigen die Ausführungen des Berufungsgerichts für rechtlich un⸗ anfechtbar erachtete. (III. 1207.)
„. — Hat eine minderjährige Person mit Genehmigung des Vormundes einen Gesindedienst angetreten, so ist dieselbe, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, I. Senats, vom 16. No⸗ dember 1894, für Rechtsstreitigkenen aus ihrem Gesindedienst drozeßfähig. „Nach § 50 der Zivilprozeßordnung bestimmt sich die Fäbigteit einer Person, vor Gericht zu stehen, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen veevacas Bestimmungen enthalten. Im § 51 a. a. O. heißt es ann: „Eine Person ist in so weit prozeßfähig, als sie sich durch Ver⸗ IM träge verpflichten kann⸗ — b b 85 bierzu bemerken die bei Struckmann u. Koch mitgetbeilten Motive: nlichcemnach ist eine Person, welche sich nur ausnahmsweise ver⸗ Vor en kann, sei es für Verträge gewisser Art oder unter gewissen graussetzungen, nur für diejenigen Rechtsstreitigkeiten prozeßfähig, Haus solchen Verträgen entstanden sind.“ 8 Ver flonnach ttritt bei ausnahmsweise verhandener rechtsgeschäftlicher erp ichtungsfähigkeit einer im allgemeinen verpflichtungs⸗ und des⸗ maondrozeßunfähigen Person, wie in den Fällen des § 6 der See⸗ unsordnung vom 27. Dezember 1872 oder der §§ 5 und 6 des
9
Gesetzes vom 12. Juli 1875, betreffend die Geschäftsfähigkeit Minder⸗ jähriger, ausnahmsweise die entsprechend beschränkte Prozeßfähigkeit ein. — Da nach § 6 des Gesetzes vom 12. Juli 1875 der Minder⸗ jährige, wenn er vom Vormund die Genehmigung dazu erhalten hat, in Dienst oder Arbeit zu treten, selbständig Dienst⸗ oder Arbeits⸗ verhältnisse der genehmigten Art eingeben und auflösen darf, so wäre Klägerin, wenn der Vormund jene Genehmigung ertbeilt hätte, für den vorliegenden Fall prozeßfähig gewesen.“ (I 1339.)
Kunst und Wissenschaft.
Große Berliner Kunstausstellung. III. *) Frankreich: Champ de Mars.
J1“ Der große Vortheil, den das französische Kunst⸗ leben vor dem anderer Staaten hat und der die schnelle und reiche Entwickelung desselben zum theil erklärt, besteht darin, daß sich in Paris alle Kunstkräfte und⸗Interessen wie in einem Brennpunkt vereinigen. Dadurch wird die Auslese der künstlerischen Produktion wesentlich erleichtert, mittelmäßig Talente vermögen sich in der Nachbarschaft großer Rivalen nicht zu behaupten. Gleichwohl wäre es verfehlt zu glauben, daß den Grenzkordon der Pariser Salons nur Meisterwerke ersten Ranges passieren. Eine Scheidung zwischen alter akademischer Ueberlieferung und jugendlich vorstürmendem Fortschritt hat in Paris 1890 zur Trennung des Großen Salons in zwei gesonderte Ausstellungsstätten geführt, von denen der Salon des Marsfeldes die Société nationale des Beaux-Arts beherbergt, die auch auf unserer diesjährigen Ausstellung als geschlossene Genossenschaft erschienen ist. Der Präsident der Gesellschaft Pierre Puvis de Chavannes, der Führer des französischen Neuidealismus, tritt freilich in diesem Rahmen bescheiden zurück; von der monumentalen Kraft seiner Kunst geben die beiden kleineren Studien le sommeil“ und der Rückenakt einer Frau (1386) nur einen unzulänglichen Begriff, während die Roethelstudie (2010) uns wenigstens die klassische Reinheit und Durch⸗ bildung seiner Liniensprache ahnen läßt. Andere wichtige Führer der Genossenschaft, wie Dagnan⸗Bouveret, Roll, L'hermitte, Carolus Duran und Aman⸗Jean fehlen ganz in Berlin. Sie hätten für die geleckte, seelenlose Beziertheit eines Dubufe (380, 381) und Gervex, wie auch für das unerfreuliche Gemisch von süßlicher Mache und sensationslüsterner Brutalität des Motivs, das Béraud's Kreuztragung entstellt, willkommenen Ersatz geboten. Gleich⸗ wohl bleibt in dem der Société nationale eingeräumten Saal V noch genug des Bewunderungswürdigen und Anregenden übrig. Den lebhaftesten Eindruck machen Besnard's marokkanische Rosse am Meer mit ihrem überkühnen Impressionismus der Farbenreflexe, ihrer kraftvollen Bewegung und Frische des Temperaments. Es klingt dem Beschauer aus diesem überraschenden Bilde etwas wie jubelnder Uebermuth der Schaffensfreude entgegen, der auch den anfangs Stutzenden mit sich fortreißt. Genial ist auch die Unmittelbarkeit zu nennen, mit der uns Besnard in seinem Gruppenporträt (117) einen Blick in das Familienglück thun läßt. Frohsinn und Licht erfüllt das Ganze; die ungezwungene Haltung der Kinder, das fein modellierte, von Licht umflossene Profil der Mutter, der Blick durch die geöffnete Thür in die lachende Berglandschaft — alles stimmt auf das glücklichste zu⸗ sammen. Das Bild steht unter den Bildnissen der diesjährigen Ausstellung mit den Leistungen Sargent's, Boldini's und Leibl's in erster Reihe. Den geistreichen Naturalisten Jean Françgois Raffaëlli lernen wir diesmal in einer ansehnlichen Reihe fesselnder Arbeiten kennen. R. bezeichnet seinen Stil selbst treffend als „caractérisme“. Er hat sich eine stenographische Art des malerischen und zeichnerischen Vortrags angeeignet, die manchmal ins Chargierte verfällt, von Japanismen nicht frei ist und doch stets geistreich, ausdrucksvoll und liebens⸗ würdig bleibt. Wunderbar ist die Stimmung in seinen Land⸗ schaften und Straßenbildern (1392 bis 98) mit ganz unschein⸗ baren, fast ärmlichen Mitteln gegeben. Graziöser als die Mehrzahl unserer deutschen Naturalisten, unter denen Lieber⸗ mann am ehesten an ihn crinnert, macht er doch dem verzärtelten Geschmack unseres Publikums keine Zugeständnisse. Wie fein⸗ gebildeten Geschmack verräth nicht sein Stillleben (1393), das sich in zartester Stimmung und ganz dünnem Farbenauftrag gefällt! Welch eine Fülle witziger Einfälle und humoristischer Beobachtungsgabe steckt in seinen zum theil farbigen Radierungen (2011 — 19) und Zeichnungen! Gerade auf diesem Gebiet hat R. von den Japanern das Beste gelernt, ohne doch je in ge⸗ dankenlose Nachahmung zu verfallen. Es wäre zu wünschen, daß von diesen kleinen Meisterwerken einige dauernd Berlin erhalten blieben, als Quell der Anregung für unsere Künstler und Kunstfreunde. Um die nervöse Feinfühligkeit Raffasllis zu würdigen, bedarf es nur eines Vergleichs seiner Arbeiten mit den benachbart aus⸗ gestellten, weit derberen, nicht selten etwas hölzernen Studien Fernand Piet's, der bei allem zur Schau gestellten Naturalismus die Wahrheit der Luftstimmung, wie sie die Werke unserer deutschen Bauernmaler auszeichnet, nicht erreicht. Auch Deschamps Bildern, dessen flockiger Farbenvortrag an Rembrandt erinnert, fehlt jede Wärme und Saftigkeit des Kolorits, während der Farbenasket Griveau mit seinen ganz dunkel gehaltenen Bildern gar einen Ribot zu übertrumpfen versucht. Muenier und Duez zählen zu den Naturalisten, denen zur vollen Wirkung Ueberzeugung und Temperament fehlen. Ein Luminist im Sinne Besnard's ist Gaston Latouche, der den Raum mit geheimnißvollen Reflexen durchleuchtet und damit in seiner „Christlichen Nächstenliebe“ (976) eine stim⸗ mungsvolle Wirkung erzielt; auch Rosset⸗Granger bewegt sich in diesen Bahnen, die vielfach auch von unseren deutschen Malern — ich erinnere an Skarbina und Schlittgen — mit Glück beschritten sind. Bis zur Manier steigert sich in Carrieére’ s Bildern und dem künstlerisch geringeren Familien⸗ bild Lerolle's (1038) die Sucht, in nebelhaft bleichen Tönen zarteste Stimmungen festzuhalten, während Carriére dabei immer noch ausdrucksvoll in den feinmodellierten Köpfen bleibt, obwohl der Beschauer sich vergeblich die Frage vorlegt, welche Umstände eine solche an Kellerlicht gemahnende Dämmerung hervorrufen können. Lerolle motiviert zwar die fahlen Farbenstimmungen durch Frühlings⸗ nebel am Seinequai, aber vermag dadurch doch die Leichenblässe seiner Köpfe nicht naturwahr erscheinen ;“ 8
*) S. Nr. 104 und 111 d. Bl.
zu lassen. Diese Arbeiten übertreiben Whistler's aristokratische Feinfühligkeit für atmosphärische Stimmungen, die auch in den Arbeiten Tournès', Biessy's und Rachou's durch⸗ klingt. Am glücklichsten bewegt sich wohl Jacques Emile Blanche auf diesem nur vornehm organisierten Künstler⸗ naturen zugänglichen Gebiet, während Billotte und Emile Baran mehr den Vorbildern der schottischen Landschafter nachstreben.
Sehr äußerlich wirkt die präraphaelitische „Wahrheit“ Mangeant's (1116), während A. Renan's „Scylla“ mit ihrer an Böcklin erinnernden Phantasie des Vorwurfs und schwungvollen malerischen Behandlung einen tieferen Eindruck hinterläßt. Ebenso muß Agache’'s „Vanitas“ zu den geist⸗ reichen Schöpfungen einer phantasievollen Künstlernatur ge⸗ zählt werden.
Gering ist die Ausbeute auf dem Gebiet französischer Plastik; nur ein Vollblutplastiker ist auf unserer Ausstellung erschienen: Jean Ringel⸗d'Illzach, der seinem Namen nach zu urtheilen kein Franzose von Geburt sein dürfte. Sehr zier lich und mit Geschick archaisierend sind die Holzjku Carabin, während die Bronzeplaketten von 8 Peter un Vernier nicht an Roty'’s Meisterleistungen auf diesem Ge biet der Kleinkunst heranreichen. Die plastischen Studien vo Charlotte Besnard zeigen die liebenswürdige Frische eine gewissermaßen in das Formengebiet übertragenen Im pressionismus.
Ueber den Fortgang der Arbeiten zur künst rischen Aussch G des Kaiserhauses in Goslar wird berichtet: Professor Wislicenus ist zur Zeit an dem letzten der größeren Gemälde der Westwand des Kaisersaales „Der Reichstag zu Worms“ mit dem Maler Weinock beschäftigt. Die beiden vom Bildhauer Toberentz in Berlir modellierten Reiter⸗Standbilder Kaiser Wilhelm I. und Barbarossa die vor dem Kaiserhause Aufstellung finden sollen, sind inzwischen in Guß gegeben worden.
8 sächsische Residenz verdankt bekanntlich ih
auliches Aussehen in der Hauptsache dem Kunstsint August's des Starken von Sachsen und Polen und seines Nachfolgers die nicht nur Beide hervorragende Bauten errichtet, die be⸗ rühmtesten Bilder der Gemälde⸗Galerie erworben und die große Königliche Bibliothek begründet und bereichert haben, sondern auch durch ihr Beispiel auf den Adel und das Bürgerthum anregend in künstlerischen Dingen einwirkten. Dresden galt lange Zeit nach Semper's Ausspruch als die Heimath des Kococostils,
und wenn man von dieser Ansicht auch zurückgekommen ist, so birgt
es doch in seinen Mauern und in seiner Umgebung mannigfache, inter⸗ essante Zeugnisse dieses letzten großen selbständigen Stils vor der Epoche der Nachahmung in den Künsten; es sei nur erinnert an den groß⸗ artigen, prachtvoll geschmückten Festsaal im Brühl'schen Palais, der jetzt das Kupferstichkabinet der Königlich sächsischen Secundogenitur birgt, die Gärten in Groß⸗Sedlitz und Moritzburg und an das Kurlander Palais. Das letztere ist jetzt zu neuem Glanze erstanden, sodaß Dresden eine weitere Sehenswürdigkeit ersten Ranges erhalten hat. Das Palais wurde 1726 — 29 — also unter August dem Starken — für den Grafen von Wackerbarth, wahrscheinlich nach Plänen des Dresdner Architekten Longuelune, erbaut. Es ging später in den Besitz des Herzogs Karl von Kurland über, von dessen Tochter es König Friedrich August der Gerechte erkaufte. Bis 1813 war es Wohnung des russischen Gouverneurs, dann diente es 1813 — 14 als Lazareth für verwundete Offiziere weiter wurde es der chirurgisch⸗medizinischen Akademie über⸗ wiesen, und eine Zeitlang benutzte die Kunstakademie verschiedene Säle für ihre Zwecke. Jetzt hat das Königlich sächsische Landes⸗Medizinal⸗ Kollegium dort seinen Sitz. Der Präsident dieses Kollegiums, Ge⸗ heime Rath Dr. Günther hat nun dafür gesorgt, daß wenigstens zwei Säle in ihrem alten Glanze wiederhergestellt worden sind: der große
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stsaal, der an 250 Personen faßt, und ein anstoßendes Zimmer, das t Gobelins nach Teniers d. J. geschmückt ist. Der große stsaal ist in Weiß mit goldenen Rocaille⸗Ornamenten an D Wund den Wänden verziert, bronzene Wand⸗ ndelaber, die geschnitzten Thüren und Wandgemälde von Louis Silvestre treten binzu, um dem Raum ein äußerst vornehmes und prächtiges Gepräge zu geben. Für den Eintretenden bestimmt die große monumentale Treppe, ebenso wie im Brühl'schen Palais, den ersten Eindruck, der vermöge der sinnreichen Raumanordnung und der zierlichen Durchbildung aller Einzelheiten im ganzen Gebäude anhält. — Mehrere andere Denkmäler Dresdens aus der Periode des Rococostils sind leider dem Untergang geweiht: die beiden Brunnen⸗ häuschen von Longuelune auf der § straß durch die Ver⸗
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Hauptstraße, die Wasserleitung überfluüssig geworden waren, sind bereits gefallen. möge ihrer sparsamen feinen Dekorationen waren sie treffliche Bei⸗ spiele jener jetzt so seltenen Kunst, bloßen Nutzbauten ohne großen Aufwand einen künstlerischen Reiz zu verleihen. Auch die Tage des von Borberg'schen Palais (Waäisenhausstr. 6) sind gezählt; es ist ein zierlicher Bau aus dem vorigen Jahrhundert, der von dem Architekten J. G. Panse, einem Schüler des Krubsacius, herrührt und 1745 errichtet wurde. Im Innern ist das kleine Palais verändert, erhalten aber hat sich der Gartensaal, den Goethe'’s Leipziger Lehrer Adam Friedrich Oeser mit Wand⸗ und Deckenmalereien geschmückt hat. Der Saal bietet ein höchst interessantes Beispiel des Uebergangs vom Rococo zum klassizistischen Stil, der damals stattfand und dem sich auch Oeser nicht entziehen konnte. Die Decke ist noch in Wolken aufgelöst und zeigt allegorische Gruppen, aber die Auflösung der Hohlkehle in perspektivische Galerien und Balustraden, welche vorher den Uebergang von der Wand zu der offe en Decke zu ver⸗ mitteln pflegte, sucht man vergebens: die Himmelsdecke liegt flach auf den Gesimsen auf Ein Spiegelkamin, plastische Enblemenbündel über den Thüren, Oefen in plumpen antiken Formen, gekuppelte Wandpfeiler in Weiß und Gold, bunte Marmorfelder, vorzellanartig geknitterte Bänder, dürre Kränze, Medaillons, müde herabhängende Ranken und endlich mothologische Wandbilder von Oeser: das alles giebt dem verhältnißmäßig kleinen Raum ein höchst seltsames Aus⸗ sehen. Freunde der Kunst des 18. Jahrbunderts sollten nicht ver⸗ säumen, diese eigenartige Schöpfung Oeser's sich anzusehen, bevor sie verschwinde 8
Land⸗ und Forstwirthschaft.
8 Saatenstand in Rußland. 8 Ueber den Stand der Wintersaaten im zentralen und östlichen Rußland gehen uns noch folgende Nachrichten zu (vergl. „Reichs⸗ Anzeiger“ Nr. 113 vom 11. d. M.): Die reichliche Schneedecke ist größtentheils bei schwachen Nachtfrosten und kräftigem Sonnenschein am Tage allmählich fortgethaut. Trotz der außergewöhnlich großen Schneemassen des vergangenen Winters sind daher, zumal es seit vielen Wochen nicht geregnet hat, die befürchteten ernsteren Ueberschwemmungen nicht eingetreten. Die Saaten selbst sind in diesen Gegenden anscheinend gut durch den Winter gekommen. Ungünstiger lauten die Nachrichten aus dem Südosten, wo starke Regengüsse, verbunden mit Nachtfrösten, stattgefunden haben.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Malta.
Zufolge Verordnung der Lokalbehörde in Malta vom 4. d. M. sind die s. Z. gegen Reisende von der afrikanischen Küste zwischen Algier und Tunis angeordneten Maßnahmen aufgehoben worden. (Vergl. „R.⸗Anz.“ Nr. 46 vom 21. Februar d. J.)