1895 / 117 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

116“ Cholera. 1

8 Türkei. In Konstantinopel wurden in den 8 Wochen vom 6. März bis 30. April nachstehende Erkrankungen (Todesfälle) fest⸗ estellt: 36 (22), 26 (16), 18 (13), 6 (5), 8 (4), 14 (14), 4 (4) und

8 (1). Arabien. In Mekka starben vom 23. bis 30. April 100 Personen an Cholera; in Kamaran erfolgte am 24. April

1 Todesfall, am 28. April 1 Erkrankung unter den am 18. April an Bord des Hoseince aus Bombay eingetroffenen Pilgern.

Verschiedene Erkrankungen. 8

Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starben an Diphtherie und Croup (Duvrchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1881/90: 4,49 %) in Bochum und Halle. Erkrankungen wurden gemeldet aus Berlin 84, Hamburg 36, Kopenhagen 23, Paris 79, St. Petersburg 40, Wien 71. Erkrankungen an Masern aus Berlin 38, Breslau 55, aus den Regierungsbezirken Hildesheim 170, Posen 100, aus Edin⸗ burg 110, Kopenhagen 78, St. Petersburg 59, Wien 255, an Scharlach aus Berlin 45, Hamburg 28, Kopenhagen 36, Paris 78, St. Petersburg 48, Wien 94, an Unterleibstyphus aus St. Petersburg 44, Prag 48.

Der Gesundheitsstand in Berlin war auch in der Woche vom „April bis 4. Mai ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berechnet, 15,6 pro M.). Unter den Todesursachen nahmen akute Entzündungen der Athmungsorgane immer noch eine hervorragende Stelle ein, wenn auch die Zahl derselben bedeutend kleiner als in der Vorwoche und der Verlauf ein weit milderer geworden ist. Erkrankungen an Grippe kamen nur in wenigen Fällen und nur ein durch sie bedingter Todesfall zur Anzeige. Erheblich seltener als in der Vor⸗ woche kamen akute Darmkrankheiten zum Vorschein; sie endeten in 24 Fällen (gegen 44 der Vorwoche) tödtlich. Die Theilnahme des Säug⸗ lingsalters an der Sterblichkeit war eine kleinere. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 40 Säuglinge. Von den Infektionskrankheiten blieben Erkrankungen an Unterleibs⸗ typhus selten, an Masern und Scharlach kamen etwas weniger, an Diphtherie etwas mehr Erkrankungen als in der Vorwoche zur Anzeige, und zwar zeigten sich Erkrankungen an Diphtherie in der jenseitigen Luisenstadt, dem Stralauer Viertel und in der Rosenthaler Vorstadt am zahlreichsten, während Erkrankungen an Masern und Scharlach in keinem Stadttheil in nennenswerther Zahl zur Meldung elangten. Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 7 be⸗ hannt; auch eine tödtlich verlaufende Erkrankung an Genickstarre wurde berichtet. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut kamen nur wenig zur ärztlichen Behandlung. Erkrankungen an Keuch⸗ husten, die ihren milden Verlauf beibehielten, wurden seltener beobachtet. Rheumatische Beschwerden der Muskeln sowohl, wie akute Gelenkrheumatismen zeigten keine wesentliche Veränderung in ihrem Vorkommen.

HKandel und Gewerbe.

Am 1. Juni d. J. wird in Sonderburg eine von der Reichsbankstelle in Flensburg abhängige eichsbank⸗ debenstelle mit Kasseneinrichtung und beschränktem Giro⸗ verkehr eröffnet werde

In den portugiesischen Besitzungen in Afrika ist durch ein Königliches Dekret vom 25. April der Einfuhr⸗ zoll für portugiesischen Wein und Weinessig in Fässern auf 10 Reis für das Dekaliter herabgesetzt worden. Dagegen hat in diesen Besitzungen mit Ausnahme von San Thomé der Einfuhrzoll für fremden Wein und Essig in Fässern, sowie für Bier, Apfelwein und sonstige in den Zolltarifen nicht beson⸗ ders benannte gegohrene Getränke eine Erhöhung um 300 Reis per Dekaliter erfahren. Ferner ist in Loanda, Benguella, Mossamedes und Mogambique, sowie auf den Cap⸗Verdischen Inseln und San Thomé der Zoll fuͤr fremden und nationa⸗ lisierten Branntwein aller Art um 50 Prozent erhöht und zu⸗ gleich die Einfuhr aller fremden und nationalisierten Erzeug⸗ nisse, die zur Herstellung von Branntwein dienen, verboten worden. 8

St. Petersburg, 16. Mai. (W. T. B.) Ein Communiqus des „Regierungsboten’ besagt: „Einige ausländische Zeitungen meldeten, das Finanz⸗Ministerium schreite zum Verkauf des eingekauften Roggens und Weizens; das Handels⸗ departement dementiert kategorisch diese Gerüchte als vollständig unbegründet. Das Ministerium hat kein großes Quantum Getreide eingekauft, nur 2 865 000 Pud Roggen, 365 000 Pud Weizen, wovon ein bedeutender Theil bei den Verkäufern gespeichert, ein anderer Theil in den Speichern untergebracht wurde, welche von den Semstwos und den Bevollmächtigten des Ministeriums in den Orten gemiethet wurden, die weit von den großen Märkten entfernt sind. as eingekaufte Ge⸗ treide ist für die Verpflegung des Militärs, die Bedürfnisse der Gefängnißverwaltung und Deckung der Verpflegungsbedürfnisse der Bevölkerung bestimmt, sodaß angesichts der unbedeutenden Menge des angeschafften Vorraths vom Verkauf desselben gegenwärtig keine Rede sein kann.“

Theater und Mufik.

Im Königlichen Opernhause wird morgen das Märchen⸗ spiel „Hänsel und Gretel“ (Fräulein Rothauser, Fräulein Dietrich) unter Kapellmeister Weingartner's Leitung gegeben. Hierauf folgt das Ballet „Carneval“ (Damen: dell’'Era, Urbanska). Richard Wagner's Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“ gelangt an folgenden Tagen zur Aufführung: Montag, 20. Mai: „Das Rheingold“; Mittwoch, 22. Mai (Wagner's Geburtstag): „Die Walküre“; Freitag, 24. Mai: „Siegfried“; Montag, 27. Mai: „Die Götterdämmerung“. Die Königliche Kammersängerin Frau Rosa Sucher tritt nach 55 Rückkehr aus Amerika zum ersten Mal wieder in „Rhein⸗ gold“ auf.

Im Königlichen Schauspielhause gelangt morgen Goethe’s „Torquato Tasso“ mit Herrn Matkowsky in der Titelrolle zur Auf⸗ führung. Außerdem treten die Damen Poppe und Lindner, die Herren Ludwig und Klein auf. In dem vaterländischen Schauspiel „Alt⸗ Berlin“, das am Sonntag, 19. d. M., zum ersten Mal in Scene geht, sind die Damen von Hochenburger, Lindner, Seebach, Schramm, die Herren Matkowsky, Molenar, Vollmer, Keßler, Arndt, Purschian, Kahle, Nesper und Eichholz beschäftigt.

Ernst von Wildenbruch hat sein neuestes Drama „Heinrich IV.“ dem zukünftigen Leiter des Berliner Theaters, Herrn Inten⸗ danten Prasch, zur Aufführung überlassen.

Professor Gustav Hollaender, Direktor des Stern'schen Konservatoriums, ist zur Zeit mit der Bildung einer neuen „Streich⸗ quartett⸗Vereinigung“ beschäftigt, welche hier im nächsten Winter in die Oeffentlichkeit treten soll.

Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent von Bayern hat, wie dem „W. T. B.“ unter dem gestrigen Tage aus München ge⸗ meldet wird, den General⸗Direktor Possart zum Intendanten des Hoftheaters ernannt.

Aus Bremen wird geschrieben: Die Proben zu den am 25. Mai beginnenden Aufführungen der geistlichen Oper „Christus“ von Rubinstein (Tert von Bulthaupt) sind nunmehr nach dem Stadttheater, der Stätte der Aufführungen, verlegt worden. Letzterem wird durch eine entsprechende Ausschmückung der Charakter des Theaters gänzlich genommen und so ein dem religiösen Inhalt des Werkes angemessener, würdiger Raum geschaffen werden. In den nächsten Tagen treffen auch sämmtliche Solisten hier ein, um an den Proben theilzunehmen. Der Träger der Hauptrolle, Herr von zur Mühlen, weilt bereits seit einigen Tagen hier; auch der Dirigent des Werkes, Herr Kapellmeister Dr. Muck vom Königlichen Opernhause in Berlin, ist hier eingetroffen.

Im Verlage von Bote und Bock hierselbst erschienen soeben der vollständige Klavierauszug mit Text der so schnell beliebt gewordenen Oper „Der Evangelimann“ von Wilhelm Kienzl sowie ein zweiter, von Bernhard Wolff bearbeiteter Auszug für Klavier allein. Von den ferner vorliegenden Arrangements seien hervorgehoben: zwei Potpourris für zwei und vier Hände, die Kinder⸗ scenen und der „Spottwalzer“, gleichfalls zwei⸗ und vierhändig; sie sind alle leicht ausführbar. Außerdem sind auch noch fünf einzelne Gesangsnummern aus der Oper erschienen. Die Ausstattung ist eine in jeder Beziehung glänzende.

Mannigfaltiges.

Die Einweihung der Auferstehungs Kirche in der findet morgen Vormittag 10 Uhr in Gegenwart Ihrer ajestät der Kaiserin und Königin statt. Seine Majestät der Kaiser und König wird durch Seine Königliche Hoheit den Prinzen Friedrich Leopold vertreten werden.

jetzt fleißig geübt.

Für die bevorstehende Berufs⸗ und Gewerbezählun erläßt der Magistrat Bekanntmachung: „Auf Grund des vom 8. April d. J. wird im Deutschen Reich am 14. Juni d. J. eine Berufs⸗ und Gewerbezählung vorgenommen werden. Das Zählgeschäft wird in ähnlicher Weise, wie bei den Volks. zählungen von 1890 und früher, die städtische Zählungskommission nebst einem Kommissar des Königlichen Polizei⸗Präsidiums unter Mitwirkung von Bürgern unserer Stadt vermittels Zählpapieren ausführen, deren Ausfüllung am Zählungstage den Haushaltungs⸗ vorständen obliegt. Indem wir unseren Mitbürgern schon jett hiervon vorläufige Nachricht geben, bitten wir diejenigen derselben, welche sich an diesem für die Kenntniß der Bevölkerung nach ihren Berufs⸗ und Erwerbsverhältnissen so überaus wichtigen ählgeschäft in gemeinsinniger Weise betheiligen wollen, sich im Statistischen Amt der Stadt, C., Poststraße 16, III, in den Stunden von 9 bis 1 Uhr melden oder ihre Bereitwilligkeit zur Miterfüllung dieser wichtigen Aufgabe dem Herrn Vorsteher ihres Stadtbezirks kundgeben zu wollen. Namentlich aber richten wir an diejenigen unserer Mitbürger, an welche wir uns zu diesem Behufe in der Ueberzeugung von ihrem stets bewährten Gemeinsinn unmittelbar oder durch unsere dazu angewiesenen Organe wenden, die recht dringende Bitte, uns auch bei dieser Zählung die erbetene Mitwirkung freund⸗ lichst zu gewähren.“

Für die Gustav Freytag⸗Gedenkfeier, welche der Verein „Berliner Presse“ am Sonntag im Festsaale des Rathhauses veran⸗ staltet, ist folgendes Programm festgestellt worden: Zur Eröffnung singt der Stern'’sche Gesangverein unter Leitung des Professors Gerns⸗ heim das „Selig sind, die Leid tragen“ aus dem „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms. Hierauf spricht Fräulein Nuscha Butze den von Ernst von Wildenbruch gedichteten Prolog. Sodann hält Pro⸗ fessor Dr. Erich Schmidt die Gedächtnißrede. Zum Schluß singt der Stern'sche Gesangverein das „Ave verum“ von Mozart. Die Feier beginnt pünktlich 12 Uhr Mittags.

Das Schülerrudern ist nunmehr auch im Joachimsthal'schen Gymnasium eingeführt worden. Direktor Bardt hat den Schülern der oberen Klassen auf deren Bitte die Bildung eines Rudervereins gestattet, der beim Berliner Ruderklub Unterkunft gefunden und dem dieser Klub auch das Uebungsmaterial zur Verfügung gestellt hat. Auf allen höheren Lehranstalten, die sich an dem Schülerwettrudern um den Preis Seiner Majestät des Kaisers betheiligen wollen, wird

Krefeld, 15. Mai. 22 Kriegervereine, unter Vorsitz des Obersten von Carlowitz, beschlossen einstimmig, hier ein Moltke⸗ Denkmal zu errichten.

Prag, 15. Mai. Heute Vormittag fand hierselbst die feierlich Eröffnung der Böhmisch⸗slavischen ethnographischen Aus⸗ stellung statt. Landtags⸗Abgeordneter Graf Lazansky hielt, wie „W. T. B.“ berichtet, eine Ansprache, in der er alle Kulturvölker, insbesondere die Angehörigen der deutsch⸗böhmischen Landestheile zum Besuch der Ausstellung einlud. Bürgermeister Gregor brachte ein mit stürmischer Begeisterung aufgenommenes „Slava“ auf den Kaiser Franz Joseph aus, worauf ein Huldigungstelegramm an Seine Majestät abgesandt wurde.

1 88 Baku, 16. Mai. In dem Orte Romany, welcher haupt⸗ sächlich Kerosin⸗Industrie betreibt, brannten laut Meldung des „W. T. B.“ zehn Bohrthürme, zwei Reservoirs und ein Speicher it Kerosin⸗Produkten nieder. Der Schaden ist erbeblich. 8

Kasan, 16. Mai. Die niedriger gelegenen Theile der Stadt sind infolge Hochwassers überschwemmt. Ein Unglücksfall ist indeß nicht vorgekommen.

1

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

Temperatur ist

92 928 2 82 02

icht vom 16. Mai r Morgens.

00 = 9₰

Wind. Wetter.

Temp in Südwestdeutschland um 8, in

Sachsen bis 9 Grad niedriger als vor 24 Stunden;

b seit gestern sind vielfach sehr reichliche Regenmengen gefallen, zu Kiel 20, Friedrichshafen 21, zu München

sogar 56 mm; a 1

Breslau fanden Gewitter statt.

m

Anfang 7 ½ Uhr.

ordfuße der Alpen sowie zu

Deutsche Seewarte.

Bar. auf 0 Gr.

u. d. Meeressp. in 0 Celsius

Temperatur [50 C. = 40 R.

fred. in Millim

V NNW Aberdeen . 761 NNW Christiansund 744 WNW Kopenhagen. 742 O Stockholm 747 OSO Herenende G6 oskau 761 Cork, Queens⸗ EI(61667 Cherbourg. 761 NN. Ider 750 NNW u E mburg. 741 NNW winemünde 742 S Neufahrwasser 742 s. Memel N745 NNO S ““ 757 NNW ünster.. 746 W Karlsruhe. 751 SW Wiesbaden 749 NW München . 750 Chemnitz. 747 Berlin... 743 Wien.. 747 Breslau. 746

ne. 762 8 744 T 8 744

¹) Nachts Gewitter. 8 Uebersicht der Witterung.

Das barometrische Minimum, welches gestern über Südskandinavien lag, ist mit zunehmender Tiefe südwärts nach dem nordwestlichen Deutschland fort⸗ geschritten und veranlaßt über der Nordsee vielfach stürmische, nördliche Winde, stellenweise Nordsturm. Auch jenseits der Alpen ist ein Minimum erschienen, welches ostwärts fortzuschreiten scheint. Bei im Westen starken, meist nördlichen bis westlichen, im Osten südlichen und südwestlichen Winden ist das Wetter in Deutschland trübe und regnerisch und außer im äußersten Nordosten kühl; die

fe9. ³

bedeckt bedeckt Regen

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haus.

in 2 Aufzügen

mann.

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Lästerschule.

Theater⸗Anzeigen.

Königliche Schauspiele. 125. Vorstellung. Märchenspiel in 3 Bildern von Engelbert Humper⸗ dinck. Text von Adelheid Wette. vom Ober⸗Regisseur Eegaf. Dekorative Einrichtung vom Ober⸗Inspektor

meister Weingartner. Karneval. Ballet⸗Burleske

Adolf Steinmann. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. studiert: Torquato Tasso. zügen von Wolfgang von Goethe. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube.

Sonnabend: Opernhaus. 126. Vorstellung. Zum ersten Male: Franenlob. Oper in 3 Akten von Reinhold Becker. Text von Franz Koppel⸗Ellfeld. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. (Frauenlob: Herr Kraus, vom Hof⸗ und National⸗ Theater in Mannheim, als Gast.) Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 132. Vorstellung. Der isor. Lustspiel in 5 Aufzügen von Nicolay Gogol, deutsch von Elsa von Schabelsky. Anfang 7 ½¼ Uhr.

Deutsches Theater. Freitag (34. Abonnements⸗ Vorstellung): Neu einstudiert: Der Widerspenstigen Zähmung. Anfang 7 ½ Uhr.

Sonnabend: Das Lumpengesindel.

Sonntag, 2 ½ Uhr: Die Weber. 7 ½ Uhr: Der Widerspenstigen Zähmung.

Berliner Theater. Freitag (35. Abonnements⸗

Vorstellung): Der Lebemann. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend: Heimath. Sonntag, 2 ½ Uhr: Die Ehre. 7 ½ Uhr: Die

1“ reitag: 8 CTCarl Zeller. Regie: Herr Fredy.

Freitag: Opern⸗ Kapellmeister Ferron. Hänsel und Gretel. Anfang 7 ½ Uhr.

In Scene gesetzt

Neues Theater.

Freitag: Geschlossen wegen bereitungen zu Tata⸗Toto.

randt. Dirigent: Kapell⸗ von Emil Graeb. Musik von

Dirigent: Musikdirektor Stein⸗

Direktors José Ferenczy.

131. Vorstellung. Neu ein⸗ Toto.

Schauspiel in 5 Auf⸗

Antoine Banés. Ferenczu. Dirigent: 7 ½ Uhr.

Anfang 7 ½ Uhr. In Scene

Direktion: Sigmund Lautenburg.

Sonnabend

Ehekontrakt.

Wien. Offenbach. Anfang 7 ¼ Uhr.

ZBentral⸗Theater. Freitag: Zum 14. Male:

Lessing-Theater. Freitag: Der Hypochonder.

Sonnabend: Madame Bonivard. Sonntag: Der Herr Senator.

Friedrich⸗Wilhelmstüdtisches Chausseestraße 25/26.

Der Obersteiger.

3 Akten von L. Held und M. West.

Ermäßigte Preise der Plätze.

Sonnabend: Der Obersteiger.

Schiffbauerdamm 4a./5 scenischer

Sonnabend: Ensemble⸗Gastspiel der Mitglieder des Carl Schultze⸗Theaters (Hamburg) unter Leitung des Zum ersten Male: Tata⸗ Vaudeville in 3 Akten nach Bilhaud und Barré von Victor Léon und F. Zell. Musik von gesetzt von José Kurt Goldmann.

Sonntag und folgende Tage: Tata⸗Toto.

Residenz-Theuter. Blumenstraße Nr. 9. Freitag: nand’s Ehekontrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗ arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.

und folgende Tage:

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Freitag: Rund um Vorher: Dorothea.

Sonnabend: Der Zigeunerbaron.

Alte Jakobstraße Nr. 30. Unter Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königl. Gärtner⸗ platz⸗Theater in München: Figaro bei Hof.

(Rococo.) Operette in 3 Akten (nach Beaumarchais⸗

Memoiren) von Bohrmann⸗Riegen. Musik von

Alfred Müller⸗Norden. Anfang 7 ½ Uhr. Sonnabend: Figaro bei Hof.

8 9

Theater.

Operette in „Musik von Dirigent: Herr

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Marie Mathesius mit Hrn. Re⸗ gierungs⸗Rath Holzbecher (Liegnitz —Kattowitz). Frl. Irene Planck von Planckburg mitz Hrn. Prem.-⸗Lieutenant von Zansen gen. von der Osten (Berlin). Frl. Martha Wichmann mit Hrn. Oberlehrer Dr. P. Glässer (Leipzig).

Verehelicht: Hr. Regierungs⸗Assessor Dr. Schmöl⸗ ders mit Frl. Helene Matthaei (Breslau). Hr. Hauptmann Eggert von Estorff mit Auguste Freiin von Ledebur (Berlin). Hr. Heinrich von Goldenfeldt mit Frl. Frieda Gerlich (Alt⸗Radnicken Ostpr.).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Oberst⸗Lieutenant z. D. von Stieglitz (Tharand). Eine Tochter: Hrn. Rittergutspächter A. Winckler (Schloß Rengersdorf). Hrn. Finanz⸗Assessor Dr. Oesterlen (Stuttgart).

Gestorben: Hr. Geheimer Regierungs⸗Rath Adal⸗ bert Wagner (Breslau). Hr. Bankdirektor a. D. Richard Callenberg (Breslau)h. Verw.

r. Amtsvorsteher Emma Illgner (Breslau). r. Kanzlei⸗Rath a. D. Oetting's Tochter auline (Berlin). Hr. Geheimer Kanzlei⸗Rath Henri Tissot dit Sanfin (Berlin)h. Hr. Divisions⸗ Pfarrer Wilbelm Schmidt (Metz). Hr. Ober⸗

Konsistorial⸗Rath a. D. Karl Niemann (Münster)

Hr. General der Infanterie Wilhelm von

Dresow (Potsdam).

Vor⸗

Anfang

Fer⸗

Feruand’s

Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin.

Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin⸗

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und e Anstalt Berlin SW., Wilhelmsteaße Nr. 32.

Sieben Beilagen

perette von

artistischer

88

chen Reichs⸗Anz

Erste Beilage

Berlin, Donnerstag, den 16. Mai

Deutscher Reichstag. 93. Sitzung vom Mittwoch, 15. Mai.

* Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.

In der ersten Berathung des von den Abgg. Rickert und Genossen (fr. Vgg.) eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend Abänderung des Wahlgesetzes für den Deutschen Reichstag vom 31. Mai 1869 (Sicherung des Wahl⸗ Fseheg) erhält nach dem Abg. Dr. von Buchka das

ort der Abg. Singer (Soz.): Wie lange der Abg. Dr. von Buchka

sich noch beim allgemeinen Wahlrecht wohl befinden wird, ist eine

andere Frage. Die letzten Wahlen in Mecklenburg haben bewiesen, daß auch dort die Sozialdemokratie Fortschritte macht. Die Erklärung des Abg. Dr. von Buchka nimmt sich sonderbar aus gegenüber der

altung der konservativen Presse, gegenüber den Angriffen dieser

resse gegen das einzige Volksrecht, das wir in Deutschland noch haben. Der Bundesrath ist bis heute noch nicht dazu gekommen, zu unserem Beschlusse Stellung zu nehmen. Ich bin der Meinung, daß der Reichstag den Bundesrath zwingen müßte, seinem wiederholt ge⸗ faßten Beschluß nachzukommen. Er kann einen solchen Zwang üben, indem er den Etat nicht bewilligt und die Vorlagen der Regierung ablehnt.

Staatssekretär des Innern, Boetticher:

Ich habe nicht die Absicht, mich materiell über den vorliegenden Antrag zu äußern, würde auch namens der verbündeten Regierungen eine Erklärung über den Antrag abzugeben außer stande sein, da, wie den Herren ja bekannt ist, der Bundesrath bisher einen Beschluß über den im Vorjahre vom Reichstag beantragten Gesetzentwurf noch

Staats⸗Minister Dr. von

nicht gefaßt hat.

Ich habe mich nur zum Wort gemeldet, um die Auffassung des Herrn Vorredners zu berichtigen, als ob der Bundesrath mit souveräner Verachtung auf den Reichstag herniederschaue. Daraus, daß Beschlüsse des Reichstags die Zustimmung des Bundesraths nicht finden, oder daraus, daß der Bundesrath sich Zeit läßt, um zu einem Beschlusse des Reichstags Stellung zu nehmen, wird der Herr Vorredner, wenn er anders logisch verfahren will, doch schwerlich den Schluß ziehen können, daß in einem solchen Verfahren eine Verachtung des Reichstags liege. Meine Herren, ich könnte mit dem⸗ selben Recht sagen, daß, wenn der Reichstag über Vorlagen der verbündeten Regierungen einen Beschluß nicht faßt oder die Beschlußfassung hinausschiebt und das ist auch schon dagewesen und zwar mehrfach dagewesen —, der Reichstag den Bundesrath mit souveräner Verachtung behandele. So weit versteige ich mich aber nicht, weil ich das, wie gesagt, für durchaus unlogisch halte, und weil ich von dem Grundsatz ausgehe, daß in einem Staats⸗ wesen, in welchem an der Gesetzgebung mehrere Faktoren mit⸗ zuwirken haben, jedem Faktor auch die volle Freiheit seiner Ent⸗ schließungen belassen werden muß, und daß kein Faktor zu einem Tadel berechtigt ist, wenn der andere Faktor nicht sofort auf seine Seite tritt. (Sehr gut! rechts.)

Also, meine Herren, überlassen Sie dem Bundesrath die Freiheit seiner Entschließung und überlassen Sie ihm vor allen Dingen, sich die Sache zu überlegen, in welcher Beziehung nach Maßgabe der vor⸗ jährigen und der vielleicht jetzt bevorstehenden Beschlüsse des Reichs⸗ tags eine Korrektur unseres Wahlgesetzes einzutreten haben möchte.

Inzwischen, meine Herren, war ich sehr begierig, von dem Herrn Abgeordneten, der mit großer Embphase seinerseits eine Haupt⸗ und Staatsaktion von seiten des Reichstags empfahl, zu hören, worin denn nun die Mittel bestehen sollten, um den Bundes⸗ rath, wie er sich ausdrückte, zu zwingen, den Beschlüssen des Reichs⸗ tages nachzugeben, und da habe ich denn zu meinem Erstaunen weiter nichts vernommen, als daß der Herr Abgeordnete dazu aufforderte, den Etat zu verweigern und die Vorlagen der verbündeten Re⸗ gierungen abzulehnen. Ja, meine Herren, glaubt denn der Herr Vor⸗ redner, daß er damit den verbündeten Regierungen ein Leid anthun würde? (Sehr gut! rechts.) Machen denn die Regierungen den Etat und ihre Vorlagen in ihrem Interesse? Nein, sie machen sie im Interesse des Reichs. (Sehr richtig! rechts und aus der Mitte.) Und wenn der Reichstag aus irgend welcher Empfindlichkeit oder aus irgend welcher übelwollenden Gesinnung, oder aus dem Bedürfniß des Zwanges gegenüber den Regierungen sich auf den Standpunkt stellen wollte, die Regierungsvorlagen abzulehnen oder den Etat zu verweigern: habeat sibi, den Regierungen erwächst daraus kein Kummer, das Reich aber wird geschädigt. (Bravo! rechts und aus der Mitte.) 1b

Abg. von Czarlinski (Pole): Wir halten unbedingt fest am gleichen, allgemeinen und geheimen Wahlrecht, und werden auch ang. für den Gesetzentwurf stimmen, wie wir es früher gethan aben.

Abg. Dr. Förster (d. Refp.): Ich stimme vollkommen mit jenen Vorrednern überein, welche das Reichstagswahlrecht als eine Art Heiligthum betrachten, welches nicht angetastet werden darf. Was der Staatssekretär gegen den Abg. Singer angeführt hat, läßt sich ja im allgemeinen nicht bestreiten, aber ich meine, daß der Bundesrath recht wohl mehr Entgegenkommen gegenüber dem Reichstag bekunden könnte. Ich bin auch der Ansicht, daß die Rechte des Reichstags in mancher Beziehung einer Ausdehnung bedürfen. So ist es ein Uebel⸗ stand, daß der Reichstag auch gegen seinen Willen heimgeschickt werden kann, bevor die wichtigsten aus seiner Mitte gestellten Anträge erledigt ind. Dem vorliegenden Gesetzentwurf stimmen wir durchaus zu. üßerdem möchten wir eine anderweite Abgrenzung der Wahlbezirke empfehlen und die Einführung einer Bestimmung, welche auf die Be⸗ schleunigung der Wahlprüfungen abzieltt.

. Abg. Rickert (fr. Vgg.): Von keiner Seite des Hauses, auch nücht von dem Abg. Singer, ist die Freiheit der Entschließungen des daundesraths angetastet worden. Der Sh Singer hat nur verlangt,

s der Bundesrath überhaupt seine Entschließungen kundgiebt. Die

ache, die uns hier beschäftigt, ist wiederholt verhandelt worden, und voch immer steht die Stellungnahme des Bundesraths aus. Wenn ds bg. Dr. von Buchka leugnet, daß seine Partei die Abschaffung

allgemeinen Wahlrechts anstrebe, so erinnere ich ihn an die

Worte, die der Abg. Graf Mirbach im Herrenhause ge⸗

hat. Es wäre sehr zu wünschen, daß der Abg. Graf Mir⸗ Ausführungen hier wiederholte. Er hat im Herrenhause

n gesagt: In allen Landestheilen würde man es mit Freuden egrüßen, wenn die deutschen Fürsten sich entschlössen, einen neuen Reichstag auf der Basis eines neuen Wahlgesetzes ins Leben treten zu lassen, und zwar unverzüglich! Der Abg. Graf Mirbach verglich diese Aufgabe mit der That Alexander's des Großen, der seine Auf⸗ gabe schnell mit dem Schwert gelöst habe. Graf von Frankenberg, auch Einer von der Rechten, hat dem Abg. Grafen Mirbach in einer späteren Sitzung des Herrenhauses vorgeworfen, er habe an das Schwert appelliert. Im übrigen gab auch Graf von Frankenberg der Meinung Ausdruck, daß man den Reichstag nach Hause schicken sollte. Auf die Dauer sei mit ihm doch nicht auszukommen. Ich be⸗ tone nochmals, es wäre gut, wenn der Abg. Graf Mirbach seine Aus⸗ führungen hier wiederholen und eventuell interpretieren würde. Sie (zur Rechten) verlangen vom Volk immer Achtung vor dem Gesetz und der Verfassung. Woher soll diese Achtung kommen, wenn Sie die Verfassung in der Weise angreifen, wie Sie es thun? Das ist der Umsturz von oben!

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (dkons.—): Der Abg. Rickert behauptet, der Abg. Graf Mirbach hätte durch seine Rede im Herren⸗ hause eine verfassungswidrige Aenderung des jetzigen Reichstagswahlrechts empfohlen. Das ist einfach nicht richtig. Der Abg. Rickert hat diesen Sinn in die Rede nur hineininterpretiert. Der Abg. Graf Mirbach hat ausgesprochen, er wäre mit dem Reichstagswahlrecht nicht zufrieden und wünschte ein anderes. Er hat aber nicht gesagt, daß er wünsche, es sollte auf verfassungswidrigem Wege geändert werden. Das war nicht der Sinn der Worte des Abg. Grafen Mirbach, der augenblicklich im Herrenhause beschäftigt ist. Der Abg. Singer hat der konservativen Partei vorgeworfen, sie wolle die Abschaffung des allgemeinen direkten Wahlrechts. Er entnimmt das Preßartikeln, aber in authentischer Weise hat die konservative Partei nicht gesagt, daß sie das allgemeine direkte Wahlrecht abschaffen will. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß ich kein Wahlrecht für voll⸗ kommen halte, auch nicht das preußische. Die faktischen Angriffe gegen das Reichstagswahlrecht gehen nicht von von unserer, sondern von Ihrer (zur Linken) Seite aus. Das Wahlrecht, wie es gestaltet ist, ist ein Ganzes, und wenn Sie es in einzelnen Punkten, die Ihnen nicht gefallen, ändern wollen, dann muß die Revision im Ganzen auf die Tagesordnung kommen; einer einseitigen Abänderung werden wir nicht zustimmen. Der Abg. Singer machte den Vorschlag, auf den Bundesrath durch Ablehnung des Etats und der Regierungsvorlagen einen Zwang aus⸗ zuüben. Uns werfen Sie vor, das Wahlrecht beseitigen zu wollen, und Sie gerade steuern auf einen Konflikt los. Aber ich warne Sie: Stellen Sie nicht die Machtfrage! Ich bin überzeugt, der Ausgang wird nicht der sein, den Sie wünschen!

Abg. Dr. von Buchka (dkons.): Sie (links) beklagen sich immer über die Wahlbeeinflussungen durch die Landräthe. Da möchte ich Sie doch darauf aufmerksam machen, daß von sieben Abgeordneten

mecklenburgischen Heimath sechs auf der rechten Seite dieses Hauses sitzen, trotzdem wir keine Landräthe haben. Wenn der Abg. Singer die Glaubwürdigkeit des Ausspruchs meiner politischen Freunde, daß wir eine verfassungswidrige Aenderung des Reichstagswahlrechts nicht wollen, bezweifelt, so muß ich doch für uns in Anspruch nehmen, daß er uns denselben Glauben schenke, den wir auch seinen Worten schenken.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Die Ausführungen des Abg. Singer haben den unleugbaren Vortheil gehabt, daß sie zu den Erklärungen der Abgg. Dr. von Buchka und Graf zu Limburg⸗Stirum Veran⸗ lassung gegeben haben, daß die konservative Partei des Reichstags das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht nicht antasten will. Ich freue mich, daß diese Erklärungen hier abgegeben sind. Dem Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum gegenüber möchte ich doch bemerken, daß seine Interpretation der Auslassungen des Abg. Grafen Mirbach im Herrenhause mir keine authentische zu sein scheint. Der Abg. Singer wird wohl selbst nicht erwartet haben, daß wir seinen Vorschlag bezüglich Steuerverweigerung als ein genügendes Mittel ansehen werden, um die verbündeten Regierungen den Beschlüssen des Reichstags geneigt zu machen. So lebhaft wir wünschen, daß die Beschlüsse des Reichs⸗ tags häufiger die Zustimmung des Bundesraths finden, so haben wir doch jederzeit daran festzuhalten, daß wir uns hier als die Vertreter des ganzen Volks fühlen und als solche zu den Vorlagen der verbündeten Regierungen Stellung nehmen müssen. Von dieser Auffassung unserer Pflicht werden wir auch in Zukunft nicht abgehen. Wir werden fort⸗ fahren, die Regierung zu unterstützen, wo wir sie unterstützen können, und wir werden sie bekämpfen, wo wir sie bekämpfen müssen. Wir erwarten, daß die Regierung uns die gleiche sachliche Behandlung an⸗ gedeihen läßt.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (d. Refp.): Dem vom Abg. Singer gemachten Vorschlag eines Reichstagsstrikes können wir nicht beistimmen. In dem beantragten Gesetzentwurf erkennen wir eine geringe Verbesserung des bestehenden Wahlrechts an. Von Wahlbeeinflussungen der Regierungen habe ich übrigens noch niemals viel wahrgenommen, wohl aber von Wahlbeeinflussungen von seiten der Parteien der Linken. Eine zwangsweise Heranführung von Wählern an die Urne, wie sie die Sozialdemokraten beispielsweise in Eschwege⸗Schmalkalden geübt haben, ist noch garnicht da⸗ ewesen. Ich hoffe, daß das Gesetz, wenn es zu stande ommt, den Herren zum Nachtheil gereichen wird; und deswegen stimme ich dafür. Auch in der freisinnigen Partei wird die Wahlbeeinflussung der einflußreichen Juden eine Einschrän⸗ kung erleiden. Ueber das allgemeine direkte Wahlrecht mag man denken, wie man will; nachdem es einmal eingeführt ist, kann man es nicht wieder abschaffen. Als Ergänzung aber erfordert dieses Wahlrecht die allgemeine Wahlpflicht. Diejenigen, welche jetzt nicht wählen, sind nicht Sozialdemokraten oder Juden, sondern Leute, welche meinen, Gott und der König würden die Sache schon machen. In dem Augenblick, in welchem die Wahlpflicht eingeführt wird, werden die Sozialdemokraten hier bis auf zwei verschwinden, denn

nur in Glauchau⸗Meerane und Leipzig⸗Land haben sie mehr als 50 %

der Wähler für sich. ““

Abg. Bindewald (d. Refp.) führt zum Beweise dafür, daß die konservative Partei gegen das allgemeine Wahlrecht Angriffe richte, ein Flugblatt aus der letzten Wahlbewegung im Wahlkreise Eisenach an.

Abg. Singer (Soz.): Wenn es gilt, slegen die Sozial⸗ demokraten Stimmung zu machen, dann werden alle möglichen Preß⸗ auslassungen gegen uns ins Feld geführt; wenn es sich aber um die konservative Partei handelt, so leugnet man einfach alle unbequemen Aeußerungen der konservativen Parteipresse Der Versuch des Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum, die Auslassungen des Abg. Grafen Mirbach im Herrenhause von der konservativen Partei abzuschütteln, ist mißlungen. Bezeichnend ist es, daß der Abg. Graf Mirbach es nicht gewagt hat, seine Angriffe hier zu wiederholen. Die Behauptungen des Abg. Liebermann von Sonnenberg über den angeblichen Terrorismus der Sozialdemokratie sind erfunden. Was die Wahlpflicht betrifft, so ist diese Forderung längst ein Inventarstück meiner Partei. Wenn man die Wahlpflicht einführt, so darf man aber auch die Wahlpflicht der Frauen nicht vergessen. Wir werden, wenn man auf die Versuche, Jemanden an der Erfüllung der Wahlpflicht zu hindern, scharfe Strafen setzt, ohne Zweifel in stärkerer Zahl hier erscheinen, als wir jetzt hier vertreten sind. 1

Abg. Liebermann von Sonnenberg (d. Refp.): Der Abg. Singer wird vergeblich die Wahlbeeinflussung bestreiten, welche von

eiger und Königlich Preußischen

““

Staats⸗Anzeiger. 1sos.

den Sozial emokraten geübt wird. Wissen wir doch von dem Abg. Bebel, daß die Sozialdemokratie eine eigene Polizei unterhält. Der Hoffnung, daß die Sozialdemokratie bei dem Bestehen der Wahlpflicht im Reichstag noch stärker als jetzt vertreten sein würde, widerspricht die Statistik.

Abg. Träger (fr. Volksp.): Der vorliegende Antrag ist stets von uns unterstützt worden und wird von uns auch jetzt unterstützt. Ich bewundere die Kühnheit des Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum, welcher so zu sagen den Spieß umgekehrt hat, indem er uns beschuldigte, das Reichstagswahlrecht anzugreifen. Alle unsere Anträge zielen ja nur auf den Schutz dieses Wahlrechts ab. Auch die Inter⸗ pretation der Auslassungen des Abg. Grafen Mirbach durch den —— Rickert ist vom Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum nicht widerlegt worden.

Abg. Bebel (Soz.): Der Abg. Liebermann von Sonnenberg weiß, daß unsere sozialdemokratische Polizei nur als Gegengewicht gegen die Thätigkeit der Lockspitzel dient. Ich habe in der Umsturz⸗ Kommission eine ganze Reihe von Thatsachen angeführt, die den Herren sehr überraschend waren. Wir sind viel besser informiert, als Sie glauben. Der Abg. Liebermann von Sonnenberg hat ferner ge⸗ sagt, es hätten von den sozialdemokratischen Mitgliedern dieses Hauses nur zwei 50 % der Wähler ihres Bezirks auf sich zu vereinigen ver⸗ mocht. Er sehe aber doch nach, wie es mit den Abgeordneten seiner Partei steht; ich behaupte, daß dort auch nicht einer 50 % der Wähler für sich hat. Wir streben aber auch noch das Proportional⸗ Wahlsystem an, dann werden wir den 1 700 000 Wählern entsprechend stark hier erscheinen. Es war eine gewisse Nothlage, welche den Fürsten Bismarck dazu zwang, das allgemeine Wahlrecht zuzugestehen. Die Konservativen warten nur auf die Gelegenheit, es aus der Welt zu schaffen. Im Abgeordnetenhause und im Herrenhause haben Sie sich entschieden gegen das allgemeine Wahlrecht ausgesprochen. Sie warten nur auf den Tag, wo die Regierung das Odium auf sich nehmen will, um dann bereitwillig das Ihrige dazu beizutragen.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (d. Refp.): Wenn die Sozialdemokratie eine Polizei hat, die hinter den Lockspitzeln und hinter Geheimnissen her ist, so wird diese Polizei ja wohl auch bei den Wahlen Einfluß zu üben vermögen. Wenn der Abg. Bebel sagt, daß in unserer Partei kein Abgeordneter 50 % der Wähler für sich hat, so stimmt das wohl; allein ich rechne, daß bei den Stichwahlen die vereinigten alten Parteien, die auf dem Staatsboden stehen, gegen die Sozialdemokraten stimmen werden, und diese sind denn doch viel stärker. Von dreizehn Wählern sind nur drei Sozialdemokraten. Das Frauenstimmrecht erscheint uns als eine Verkennung der sozialen Stellung der Frau, es genügt schon, daß die Männer sich zerfleischen. Ich bin gewohnt zu fragen, nicht: was nützt etwas mir? sondern: was nützt es dem Vaterlande?

Abg. Rickert (fr. Vg.): Ich verlange von dem Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum, daß er in zweiter Berathung eine Erklärung darüber abgiebt, ob er zu seiner heute gegebenen Interpretation der Auslassungen des Abg. Grafen von Mirbach von diesem selbst autorisiert worden ist. Falls eine solche Erklärung nicht erfolgt, werde ich annehmen, daß meine Auffassung die richtige ist. Es ist eine recht auffällige Wandlung, die sich bei der konservativen Partei vollzogen hat, da die Herren sich heute so eifrig bestrebt zeigen, sich von den Angriffen gegen das allgemeine Wahlrecht abzulösen.

Es wird hierauf in die zweite Berathung des An⸗ trags eingetreten.

Bei der Abstimmung über § 1 des Antrags wünscht der Abg. von Kardorff (Rp.) das Wort zur Geschäfts⸗ ordnung, um Zweifel an der Beschlußfähigkeit des Hauses zu erheben. 8

Vize⸗Präsident Schmidt ertheilt es ihm nicht.

Der Paragraph wird angenommen. 8

Abg. von Kardorff (Rp.) beantragt, die Berathung zu vertagen. 1““

Dieser Antrag erhält indeß nicht die erforderliche Unter⸗ stützung.

Nunmehr erhebt der Abg. von Kardorff vor der Ab⸗ stimmung über § 7 den Zweifel an der Beschlußfähigkeit. Der infolge dessen vorgenommene Namensaufruf ergiebt die An⸗ wesenheit von nur 161 Mitgliedern.

Das Haus ist mithin nicht beschlußfähig.

Schluß 4 Uhr.

Preußischer Landtag. 8 Herrenhaus. 13. Sitzung vom Mittwoch, 15

Ueber den Beginn der Sitzung ist worden.

Nach Erledigung des Berichts der Kommission für Handels⸗ und Gewerbe⸗Angelegenheiten über die Nachrichten von der Verwaltung der preußischen Staatsbergwerke, Hütten und Salinen während des Etatsjahres 1893/94 folgte der Bericht der verstärkten Justiz⸗Kommission über den Gesetzentwurf, be⸗ treffend das Grundbuchwesen und die Zwangsvoll⸗ streckung in das unbewegliche Vermögen in den der Grund⸗ buchordnung vom 5. Mai 1872 bisher nicht unterworfenen Theilen der Provinz Hessen⸗Nassau.

Der Gesetzentwurf bezweckt, für die Gebiete des vormaligen Herzogthums Nassau und der vormaligen freien Stadt Frank⸗ furt, fowie für die vormals Großherzoglich hessischen Gebiets⸗ theile und den vormals Landgräflich hessischen Amtsbezirk Homburg die in den anderen Landestheilen Preußens geltende Grundbuchordnung einzuführen.

Die Herren Ober⸗Bürgermeister von Ibell (Wiesbaden) und Ober⸗Bürgermeister Westerburg (Cassel) beantragten, das Gebiet des ehemaligen Herzogthums Nassau von diesem Gesetz auszuschließen.

Berichterstatter Geheimer Justiz⸗Rath Dernburg erklärte, die Mehrheit der Kommission habe beschlossen, den Entwurf zur Annahme zu empfehlen, da ein einheitliches Recht in Grundbuchsachen für ganz Preußen von Wichtigkeit sei und die nassauischen Urkunden an Zu⸗ verlässigkeit hinter den preußischen Grundbüchern zurückständen. Er selbst gehöre zur Minorität der Kommission, die die Erhaltung des bisherigen Zustandes für wünschenswerth erachtet habe, für die auch die nassauischen Landwirthe in zahlreichen Petitionen mit über 25 000 Unterschriften eingetreten seien. Man solle Unzufriedenheit nicht künstlich züchten. Er schlage vor, gleich nach Schluß der Generaldiskussion über den Antrag des Herrn von Ibell abzustimmen.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Ich habe zunächst der Justizkommission dieses hohen Hauses meine Anerkennung auszusprechen für die sachliche, sorg⸗ fältige Berathung des Gesetzentwurfs, dem Herrn Referenten für die gewissenhafte, schriftliche Berichterstattung und für die heutige loyale

gestern berichtet