113131“
52
SDesterreich⸗Ungarkg. Die amtlichen Blätter in Wien und Budapest veröffent⸗ lichen heute folgendes Handschreiben des Kaisers an den Grafen Kälnoky: 1 ‚Zu meinem Bedauern hat sich die Hoffnung nicht erfüllt, daß die Nichtannahme Ihrer am 2. d. M. gegebenen Demission mir und der Monarchie Ihr weiteres Verbleiben im Amt sichern werde. Die Erneuerung Ihres Gesuchs um Enthebung von der Stelle des Ministers meines Hauses und des Aeußern ist unter Darlegung von Gründen erfolgt, von welchen ich Akt nehme und in deren Würdigung ich mich be⸗ stimmt finde, Ihrer Bitte nunmehr zu willfahren. Indem ich Sie noochmals versichere, daß ich Ihre während der vierzehnjährigen ziel⸗ bewußten und weitreichenden Wirksamkeit geleisteten hervorragenden Dienste in dankbarer Erinnerung bewahren werde, verleihe ich Ihnen als Zeichen meiner besonderen Anerkennung die in Brillanten gefaßten Insignien des Stefans⸗Ordens, dessen Großkreuz Sie auf Grund meines Handschreibens vom 25. Dezember 1883 besitzen.“ Ueber die Beweggründe, welche den 8 Kälnoky zur Erneuerung seines Entlassungsgesuchs veranlaßten, erfährt das „Fremdenblatt“ von wohlinformierter Seite Folgendes: Graf Kälnoky sei bei nochmaliger ruhiger und objektiver Prüfung der Situation sn der Ueberzeugung gelangt, daß die Verhältnisse, so wie sie sich herausgebildet hätten, nicht darnach angethan seien, um dem Minister, trotz des ihm in dem Kaiserlichen Handschreiben vom 6. d. M. ausgedrückten vollsten Vertrauens und trotz des dort ausgesprochenen Wunsches nach Fort⸗ auer seiner Dienste, auf seinem Posten eine weitere ersprieß⸗ iche Thätigkeit für den Monarchen wie für die Monarchie zu rmöglichen. Die gegen den Grafen Kälnoky in den politischen Kreisen Ungarns angefachte Feindseligkeit habe sich etzten Zeit nicht nur gegen seine Person gewandt; die Agitation sei vielmehr auch dahin gerichtet worden, die Amtssphäre des Ministers des Auswärtigen so einzuengen und zu behindern, daß ihm in der Führung seines Ressorts jene Stetigkeit und Selbständigkeit benommen worden wäre, welche die wesent⸗ liche Grundlage des Vertrauens der fremden Kabinete bilde. Nur wenn die dem gemeinsamen Minister des Aus⸗ wärtigen seit dem Bestehen dieser Stelle stets zuerkannte Selbständigkeit intakt erhalten werde, könne derselbe nach der von dem Grafen Kälnoky ausgedrückten Ueberzeugung die Leitung der auswärtigen Politik im Einklang mit den gesetz⸗ lichen Bestimmungen erfolgreich handhaben und für dieselbe volle Verantwortung übernehmen. Da nun diese in der letzten Zeit von Ungarn ausgehenden Angriffe gegen die Stellung des Ministers des Auswärtigen wesentlich als durch Animosität gegen die Person des Ministers hervor⸗ gerufen angesehen werden muͤßten und der zurücktretende linister sich nicht habe verhehlen können, daß das für einen gemeinsamen österreichisch⸗ungarischen Minister nothwendige gegenseitige Vertrauen aller maßgebenden Faktoren der beiden Theile der Monarchie untereinander zur Zeit zwischen ihm und den in Ungarn herrschenden politischen Kreisen ernstlich getrübt sei, habe Graf Kälnoky zu der Erkenntniß gelangen müssen, daß sein Verbleiben im Amt unter solchen Umsländen von keiner Dauer sein und sich von keinem Standpunkte aus empfchlen würde. Die gestern in Budapest erschienenen Blätter beschäftigen sich sämmtlich mit dem Rücktritt des Grafen Kälnoky. Der „Pester Lloyd“ würdigt in sehr warmen Worten die Ver⸗ dienste des Grafen Kälnoky und bedauert lebhaft, daß derselbe bei einem untergeordneten Theile seiner Thätigkeit gestrauchelt sei. — Der „Egyertetes“, der „Magyar Hirlap“, der „Pesti Naplo“ und der „Budapesti Hirlap“ äußern ihre mehr oder minderlebhafte Befriedigung über den Rücktritt des Grafen Kälnoky. — Das „Neue politische Volksblatt“ meldet, die Parole sei gewesen: besser den Grafen Kälnoky opfern als den Ausgleich. — Die „Neuzeit“ erkennt die glänzenden Eigenschaften und Verdienste des Grafen Kälnoky zwar an, bemerkt aber, daß Graf Kälnoky's Einfluß auf die inneren Angelegenheiten des Reichs das Gegengewicht dieser Vorzüge gewesen sei. — Der „Magyar Ujsay“ und das „Budapester Tageblatt“ lassen den Erfolgen und Verdiensten des Grafen Kälnoky volle Gerechtigkeit widerfahren. Das „Neue Pester Journal“ schreibt: Während des Konflikts mußte jeder Ungar zur ungarischen Sache stehen; jetzt kann man aber eingestehen, daß der Rücktritt des Grafen Kälnoky ein großes, vielleicht folgen⸗ schweres Ereigniß ist. — Viele Blätter preisen die Weisheit und den Opfermuth des Kaisers, der von dem Grafen Kälnoky gewiß schweren Herzens aus Gründen politischer Nothwendig⸗ keit geschieden sei.
Der ungarische Minister⸗Präsident Baron Banffy und der Minister a latere Baron Josika empfingen gestern Nach⸗ mittag in Wien den Besuch des Grafen Goluchowski und reisten Abends nach Budapest ab. Der Nuntius Agliardi stattete Nachmittags dem Baron Josika einen halbstündigen Besuch ab. 1
Im österreichischen Abgeordnetenhause legte die Regierung die mit Rumänien abgeschlossene Konvention zur Abänderung der Stipulationen vom 3. Dezember 1866, betreffend die Pruthschiffahrt, vor. Ferner wurden von der Regierung vorgelegt ein Gesetzentwurf, welcher die Re⸗ gierung zur weiteren provisorischen Regelung der Handels⸗ beziehungen mit Spanien ermächtigt, und ein Gesetzentwurf, betreffkend die Ergänzung bezw. Abänderung des Markenschutzgesetzes; durch letzteren Gesetzentwurf wird, ohne eine allgemeine Reform des Markenrechts auszuschließen, die gewordene Registrierbarkeit der Wortmarken ge⸗ regelt.
Die aus den Schiffen „Maria Theresia“, „Franz Joseph“, „Elisabeth“ und „Trabant“ bestehende Kreuzer⸗ Division unter dem Kommando des Erzherzogs Stephan, ist in der Nacht zu gestern von Pola nach Kiel in See gegangen. 8 2
82
Der britische Gesandte in Tanger Satow ist zum Ge⸗ sandten in Tokio ernannt worden.
Der Herzog von Hamilton ist gestern Vormittag in Algier gestorben.
Frankreich.
Die bei dem Marine⸗Ministerium aus Rochefort einge⸗ laufenen Nachrichten bestätigen, daß bei dem Untergang des Torpedoboots Nr. 20 ein Offizier und 6 Mann ums Leben gekommen sind. Das Wetter war schön und das Meer nur leicht bewegt; das Torpedoboot kam plötzlich quer vor dem Winde zu liegen, kenterte sogleich und sank, den Kiel in der Luft, lothrecht in die Tiefe. Eine Untersuchung der Ursachen des Unfalls, der augenblicklich unerklärbar ist, ist angeordnet worden. 8
Der Oberst⸗Lieutenant Monteil ist gestern Vormittag aus Afrika in Bordeaux eingetroffen. Er ist noch sehr angegriffen und geht an Krücken. Monteil gedenkt die gegen süin⸗ Mission erhobenen Angriffe zu widerlegen; er erklärt, daß er um die Zeit seiner Rückberufung persönlich mit Samory Unterhandlungen gepflogen habe, die vielleicht ein günstiges Ergebniß gehabt haben würden.
Rußland. Der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch ist, wie „W. T. B.“ meldet, zum General⸗Inspektor der Kavallerie ernannt worden.
Italien.
Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ ist die Ver⸗ mählung des Herzogs von Aosta mit der Prinzessin Helene von Orléans auf den 20. Juni festgesetzt. Der Prinz von Neapel wird den Vermählungsfeierlichkeiten beiwohnen. Das neuvermählte Paar wird sich zunächst auf
reisen, wo die Ankunft am 7. Zuli erfolgen wird.
Türkei. 8
Die Veranlassung zu den bereits gemeldeten Unruhen in Sur war nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Beirut ein Streit zwischen einem christlichen Bootsführer aus Sur und einem Muselmann, wodurch eine Schlägerei hervor⸗ gerufen wurde, in deren Verlauf sechs Personen leicht ver⸗ wundet wurden. Die Ordnung wurde wieder hergestellt, nach⸗ dem 20 Verhaftungen vorgenommen worden waren.
Griechenland. Der Großfürst⸗Thronfolger von Rußland reist heute von Athen nach der Krim ab. Trikupis hat sich nach Marienbad begeben.
Schweden und Norwegen. 8 Der Staatshaushaltsvoranschlag für das Jahr 1896 ist am 15. d. M. von beiden Kammern des schwedischen Reichstags nach dem Vorschlag des Staatsausschusses an⸗ genommen worden. Die Einnahmen werden danach berechnet: Ueberschüsse aus den Vorjahren 674000 Kron., ordentliche Ein⸗ nahmen 19070 000 Kron., Bewilligungen: Zölle 36 000 000 Kron., Postwesen 8 500 000 Kron., Abgaben für besondere Ver⸗ günstigungen (Handelsreisende, Künstler ꝛc.) 800 000 Kron., Stempelsteuer 5 300 000 Kron., Branntweinsteuer 14 500 000 Kron., Rübenzuckersteuer 7 000 000 Kron., Grund⸗ und Ein⸗ kommensteuer 6 350 000 Kron. und der Gewinn der Reichs⸗ bank im Jahre 1894 2 340 000 Kron., zusammen 100 534 000 Kron. An Ausgaben sind angesetzt: Königliches Haus und Schloßverwaltung 1 320 000 Kron., Justiz⸗ departement 3 840 800 Kron., Departement des Aeußern 611 250 Kron., Armeedepartement 28 227 900 Kron., Marine⸗ departement 8 736 000 Kron., Departement des Innern 8 095 000 Kron., Finanzdepartement 17 888 150 Kron., Kultusdepartement 14 701 400 Kron., Pensionsdeparte⸗ ment 4656 040 Kron., verschiedene Ausgaben 850 000 Kron., zusammen 88 926 600 Kron., wovon 77 462 524 Kron. ordentliche und 11 464 075 Kron. außer⸗ ordentliche Ausgaben sind. Hierzu kommen die Aus⸗ gaben des Reichsschuldenkomtors: Reichstags⸗ und Revisions⸗ kosten 720 200 Kron., Verzinsung und Amsrtisation der Staats⸗ schulden 12 555 600 Kron. (wovon die eigenen Einnahmen des Reichsschuldenkomtors mit 3 068 400 Kron. abzuziehen sind), als Pension zu refervieren für dauernd Arbeitsunfähige 1 400 000 Kron., zusammen 100 534 000 Kron. Beide Kammern haben gestern in gemeinsamer Abstimmung beschlossen, die beiden besonderen Dispositionsfonds der Regierung für militärische und andere außerordentliche Zwecke von 21 ½ resp. 5 Millionen Kronen auf je 7 ½ Millionen Kronen zu erhöhen.
Amerika. 1 Der Kreuzer „New⸗York“ hat, wie „W. T. B.“ aus
New⸗York berichtet, gestern die Reise nach Kiel angetreten;
der Kreuzer „Colombia“ wird am Montag folgen. 8
Asien. * 8 Aus Tientsin meldet das „Reuter’'sche Bureau“, daß die chinesischen Truppen in Shan⸗Hai⸗Kwan sich in offenem Aufruhr befänden. Die Stadt werde von ihnen ge⸗ plündert, die Einwohner seien geflohen.
Nach einer Meldung der „Times“ herrscht in⸗ Petschili große Hungersnoth. 8 8
Parlamentarische Nachrichten. Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des
Reichstags und des Herrenhaufes befinden sich in der
Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (16.) Sitzung des Herrenhauses, zu welcher der Minister für ae und Gewerbe Freiherr von Berlepsch und der Justiz⸗Minister Schönstedt erschienen waren, wurde zunächst das Gesetz, betreffend das Grund⸗ buchwesen und die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen in dem Gebiet der vormals freien Stadt Frankfurt, sowie den vormals Großherzoglich hessi⸗ schen und Landgräflich hessischen Gebietstheilen der Provinz Nassau, in nochmaliger Abstimmung in der nach den Beschlüssen des vom 15. Mai festgestellten Fassung angenommen; die zu dem Gesetz ein⸗ geefecen Petitionen wurden infolge dessen für erledigt erklärt. Ebenso ertheilte das Haus ohne Debatte dem Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Ausdehnung verschiedener Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 auf den Stein⸗ und Kalisalzbergbau in der Provinz Hannover, ungeändert seine Zustimmung. Es folgte die einmalige Schlußberathung über Ge⸗ setzentwürfe zur Abänderung und Ergänzung der Gesetze, be⸗ treffend die Kirchenverfassung der evangelischen Kirche in der Provinz Schleswig⸗Holstein, im Amtsbezirke des Konsistoriums zu Wiesbaden, in der Provinz Hannover und im Bezirk des Konsistoriums zu Cassel.
Die Gesetzentwürfe bezwecken, die staatliche Mitwirkung beim Zustandekommen eines Kirchengesetzes für die genannten vier evangelischen Kirchengemeinschaften der neuen Provinzen in
gleicher Weise anderweit zu regeln, wie für die alten Pr vinzen. 1
einige Tage nach England begeben und von dort nach Rom
Berichterstatter Ober⸗Bürgermeister Struckmann bean⸗ tragte einzelne redaktionelle Aenderungen, mit denen die Gesetzentwürfe angenommen wurden. “ 8
(Schluß des Blattes.)
Sö
— In der heutigen (67.) Sitzung des Hauses der
—
Abgeordneten gelangte zunächst der von der Zentrums⸗ partei (Abg. Freiherrn von Heereman und Genossen) ein⸗ gebrachte Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der durch die Gesetze vom 5. April 1873 und 18. Juni 1875 auf⸗ gehobenen Artikel 15, 16 und 18 der Verfassungs⸗ urkunde zur Berathung. 6
Diese Artikel lauten: 1
Art. 15. Die evangelische und die römisch⸗katholische Kirche sowie jede andere Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus⸗, Unterrichts⸗ und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds. Art. 16. Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen ist ungehindert. Die Bekanntmachung kirchlicher Anordnungen ist nur derj nigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen. Art. 18. Das Ernennungs⸗, Vorschlags⸗, Wahl⸗ und Bestätigungsrecht bei Be⸗ setzung kirchlicher Stellen ist, soweit es dem Staat zusteht und nicht auf dem Patronat oder besonderen Rechtstiteln beruht,
aufgehoben.
Auf die Anstellung von Geistlichen beim Militär und an
Zur Begründung des Antrags nahm das Wort Abg. Freiherr von Heereman (SZentr.): Es handelt sich i
öffentlichen Anstalten findet diese Bestimmung keine Anwendung
unserem Antrag um ganz hervorragend wichtige Rechte, die in der Verfassung garantiert waren: um die Rechte der Freiheit und Selb⸗ ständigkeit der christlichen Kirchen. Als man im Jahre 1875 die drei Artikel aufhob, hat man diese Angelegenheit sehr ernst und tief auf⸗ gefaßt. Ich bitte Sie, das auch heute zu thun, frei von aller Er⸗ regung. Bei der ersten Berathung der Aufhebung jener Paragraphen sagte mein Fraktionsgenosse Freiherr von Schorlemer⸗Alst: Wenn diese Freiheiten aufgehoben werden, sind alle anderen Freiheiten werthlos. Die Frage geht die evangelische und die katholische Kirche in gleichem Maße an; für die Evangelischen ist die Freiheit der Kirche ebenso wichtig wie für die Katholiken. Ich werde die Frage ganz ruhig und ohne Parteilichkeit behandeln, ich will niemanden verletzen und möchte gern so erregte Verhandlungen wie die vom Jahre 1875 ver⸗ mieden wissen. Es giebt hier im Hause nur noch wenige Abgeordnete aus jener Zeit; wer aber damals den Debatten nicht beigewohnt hat, würde im höchsten Grade erstaunt sein, wenn jetzt
—
solch eine Erregung Platz greifen würde, wie sie da⸗ mals herrschte. Die Verfaffung ist die Grundlage aller politischen und staatlichen Rechte. Nun giebt es ja wohl ältere, geheiligtere Rechte, als die Verfassung, wie z. B. die grundsätzlichen Rechte der Obrigkeit, der Monarchie, der Religion u. s. w. Dieses sind naturgemäße Rechte, die man nicht nehmen und nicht geben kann. Von ihnen sind die staatlichen und politischen Rechte, welche die Verfassung verleiht, zu trennen. Sie stellt sich als ein festes Boll⸗ werk dar, an dem die Irrthümer und Leidenschaften zerschellen,
lange nicht der vergiftete Kampf über die Auslegung der
Verfassung Platz greift. Man hat die Verfassungsartikel mit großer Schnelligkeit aufgehoben. Das war ein kühnes und unbedachtes Vorgehen. Kurz vorher hatten wir eine große Zeit durchlebt; wir hatten eine große patriotische Begeisterung aufflammen fehen. Alle Unterthanen hatten gleichmäßig die Pflichten erfüllt, welche die große Zeit ihnen auferlegte. Trotzdem brach der Kampf aus gegen die katholische Kirche. Ich will im Interesse einer ruhigen Debatte keine Rekriminationen erheben. Nur eins will ich sagen: Alles, was man den katholischen Unterthanen Schlimmes auf dem Wege der Gesetzgebung und Verordnung anthun konnte, ist gescheben. Die Bischöfe und Geistlichen wurden eingekerkert; rechtliche Ansprüche wurden zerstört, und das alles Unterthanen gegenüber, die nichts Ge⸗ setzwidriges gethan hatten. Dies war eine momentane Verwirrung der Begriffe, gegen welche die Verfassung eigentlich einen Damm bilden sollte. Es wurde weiter gekämpft und weiter protestiert. Daß das ein unerquickliches Verhältni
gegnerischen Seite anerkannt. Wir hatten damals einen großen Staatsmann an der Spitze der Regierung, der zwar wesentlich mit Schuld an dem Kampfe trug, der aber auch bald erkannte, daß er sich auf einer falschen Bahn befand. Sobald er es erkannte, lenkte er auch mit der ihm 7 Far Energie ein und bröckelte den sogenannten Kulturkampf all⸗ mählich ab.
schnell los. Diese Geister sind zum theil noch da; sie zeigen sich be den Beamten und woßl auch noch hier im Hause. Fürst Bismar betrat den Weg zum Frieden. Ich erkenne rückhaltlos an, daß
ein großes Werk war, welches er damit vollbracht, daß er sein wendete. Bei der großen Vorliebe, welche so viele von Ihnen fü den Fürsten Bismarck hegen, sollte es Ihnen doch nicht schwe fallen, seinem Beispiele zu folgen und die grundlegenden Artikel der Verfassung, die er sicher wieder hergestellt haben würde, wieder aufzurichten. Erwägen Sie die praktische Seite dieser An⸗ legenheit! Die Artikel sind vom Jahre 1850 bis 1875 geltendes echt gewesen. Hat sich daraus eine Gefahr für den Staat ent wickelt? Preußen ist in diesen Jahren groß und mächtig geworden erade die ruhigen und gerecht geordneten konfessionellen Verhältniffe aben dazu beigetragen, die Kraft und Sammlung zu ermöglichen, welche 8 nöthig war, um die großen Siege zu erringen. Und wenn ich die Zeit betrachte, in welcher die Verfassungsartikel nicht mehr bestanden, ist da das Bild dasselbe geblieben? Ist der Frieden im Innern gewachsen? Machen sich nicht im Gegentheil mehr und mehr jene Bestrebungen geltend, welche auf den Us i Ordnung abzielen? Sie werden dieser Bestrebungen niemals Herr werden, wenn Sie den christlichen Kirchen nicht die berechtigte Freibeit im Staate gewähren. Wer auf religiösem Boden steht, muß bekennen, daß ein Druck auf die Gewissen die schwerste Irrung ist, welche eine Gesetzgebung begehen kann. Wer aber auf christlichem Boden steht, wer mit uns der Ueberzeugung ist, daß unsere ganze Kultur auf christlichem Boden gewachsen ist, der muß auch verlangen, daß die christlichen Begriffe geschützt werden. Die Autorität der Obrigkeit hängt davon ab, die ganze staatliche Ordnung. Wird den christlichen Ideen dieser Schutz verweigert, so wird es bald zu Bruch und Unglück kommen. Angeblich fürchtet man, die Kirche würde den Staat überwuchern. Wo läßt sich dafür ein Beispiel finden? Dafür aber giebt es Beispiele genug, daß solche Staaten, welche die Freiheit der Kirche antasteten, jämmerlich zu Grunde gegangen sind. Wenn Sie für unsern Antrag stimmen, so werden Sie für das Wohl des Staats wie der Kirche arbeiten. Den Herren auf der Rechten möchte ich zurufen: Zeigen Sie uns Vertrauen, so werden wir auch in manchen Dingen zu Ihnen mehr Vertrauen haben. Den Herren auf der Linken aber bemerke ich: Wenn Sie die bürgerliche Freiheit schützen wollen, so müssen Sie auch die Freiheit der Kirche schützen.
sei, wurde schließlich auch von der
Aber die Geister, die er gerufen, wurde er nicht s
turz aller bestehenden staatlichen und gesellschaftlichen
Abg. Hobrecht (nl.): Mebe politischen Freunde sind der An⸗
sicht, daß die Wiederherstellung der Art. 15, 16 und 18 der Ver⸗ fassung nicht dazu dienen kann, den Frieden auf kirchenpolitischem Gebiete innerhalb der Bevölkerung und zwischen Staat und Kirche zu festigen. Die Aufhebung dieser Artikel erfolgte allerdings zur Zeit und bei Gelegenheit des Kulturkampfes, ründet aber wurde sie ganz unabhängig von irgendwelcher onderen Veranlassung durch eine Erwägung dauernder Natur, die auch heute ihre volle Gültigkeit hat: nämlich, daß das Verhältniß zwischen Staat und Kirche überhaupt mit Erfolg nur durch eine Reibe geeigneter Spezialgesetze geregelt werden kann, daß es nicht gelingt, eine allgemeine Formel für die Regelung dieses Verhältnisses, für die Abgrenzung des staatlichen und kirchlichen Machtgebiets zu finden, welche praktisch brauchbar und dabei der Mißdeutung nicht ausgesh, wäre. Das ist nicht gelungen im ganzen Verlauf der mensch⸗
Geschichte; und daß die Redaktion ußischen Verfassung nicht gelungen ist, liegt doch klar Diese Artikel, auf deren Herstellung der verehrte Vorredner ein so ernstes Gewicht legen zu müssen glaubt, be⸗ zanden, als der Kulturkampf begann. Sie wurden im Jahre 1875
und die wesentlichsten Maigesfetze waren schon
ller Augen.
Verfassungs⸗Paragraphen
über die einzelnen besonderen Differenzen immer noch der Kampf über die Auslegung gewisser Verfassungsbestimmungen hinzutrat, und die Wiederherstellung dieser Artikel könnte keinen anderen Erfolg haben als den, daß zu den speziellen Differenzen, die sich ja immer finden werden, und über die immer Anlaß sein wird zu debattieren, noch hinzutritt über die Auslegung und den Sinn von Verfassungs⸗ bestimmungen. 3
neftiane Zweifel zu denen die Fassung der einzelnen Artikel Anlaß giebt und gegeben hat, ist für uns genügend, um den Antrag auf Wiederherstellung dieser Artikel demselben Sinne, j aothwendigen Erklärungen nicht hinauszugehen, und hoffe, daß es auch mir gelungen ist, nach keiner Seite zu verletzen, wie es der Herr Vor⸗ redner beabsichtigt hat. —
(Schluß des Blattes.)
— Nach amtlicher Ermittelung erhielten bei der am 13. d. M. im 1. Kölner Wahlkreise (Stadt Köln) vorge⸗ nommenen Ersatzwahl zum Reichstag der Landgerichts⸗ Rath Greiß (Zentr.) 10 353, Dr. F. Lütgenau (Soz.) 7366 und Rentner Fritz von Wittgenstein (nl.) 3887 Stimmen. Es ist somit eine Stichwahl zwischen Greiß und Lütgenau erforderlich.
— Dem Herrenhause ist der nachstehende Entwurf eines Ge⸗
setzes, betreffend die Abänderung von Amtsgerichtsbezirken, zugegangen:
7
unannehmbar
1 “ In Abänderung der Verordnung vom 5. Juli 1879 (Gesetz⸗ Samml. S. 393) werden zugelegt: “ 1) die Gemeinden Neukirchen und Studziniec im Kreise Schubin, unter Abtrennung von dem Amtsgericht zu Schubin, dem Amtsgericht
phat und der Gemeindebezirk Kamenzdorf im Kreise Briesen, unter Abtrennung von dem Amtsgericht zu Stras⸗ burg in Westpreußen, dem Amtsgericht zu Gollub;
3) die Gemeinde Schobensee im Kreise Ortelsburg, unter Ab⸗ trennung von dem Amtsgericht zu Ortelsburg, dem Amtsgericht zu Passenheim; 1 1 9
4) die Gemeinden Wachow und Gohlitz im Kreise Westhavel⸗ land, unter Abtrennung von dem Amtsgericht zu Brandenburg, dem Amtsgericht zu Nauen;
5) die Gemeinden Dörnten unter Abtrennung von dem Amtsgericht zu gericht zu Goslar.
Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1895 in Kraft.
2) der Gutsbezirk Jos
im Kreise Goslar, ebenburg, dem Amts⸗
und Bredelem
Entscheidungen des Reichsgerichts.
eines Richters, 6 Schöffen als Zeuge über die Art und Weise des Zustande⸗ kommens des Spruchs, an welchem er betheiligt gewesen, ist, Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 13. No⸗ vember 1894, grundsätzlich unstatthaft.
Vernehmung Geschworenen oder
„In Uebereinstimmung der preußischen Verfassung hat die Gesetzgebung des Reichs im § 1 des G.⸗V.⸗G. ausgesprochen, daß die richterliche Gewalt durch unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Gerichte Die Unabhängigkeit des Richteramts ist damit an der deutschen Rechtspflege anerkannt. Dieser Grundsatz würde einen wesentlichen Theil seines Werthes ver⸗ über richterliche Abstimmungen und deren Gründe Auskunft zu verlangen und solche von den betheiligten Richtern dadurch zu erzwingen, daß dieselben hierüber, sei es in einem Zivil⸗ oder Strafprozeß, als Zeugen angerufen werden. Bewußtsein der bloßen Möglichkeit, einer solchen Anrufung Folge leisten und demgemäß über Berathung und Abstimmung dritten Per⸗ sonen Rede und Antwort stehen zu müssen, kann geeignet sein, die Unbefangenheit des Urtheils und damit die Unabhängigkeit des Richter⸗ pruchs zu gefährden. Der gesetzlichen Gewährleistung dieser Unab⸗ hängigkeit entspricht die Pflicht des Richters zur Amtsverschwiegenheit. Ein besonderer Ausspruch über das Bestehen dieser Pflicht ist im Gerichtsverfassungsgesetze lediglich deshalb unterblieben, weil dieselbe schon aus der amtlichen Stellung des Richters ergiebt. Geschworenen jetzigen § 200 des G.⸗V.⸗G. wiederholt ohr Widerspruch betont, daß die Verpflichtung zur Verschwiegenheit ein „Palladium für die Unabhängigkeit“ bei Ausübung der Rechtsprechung bilde und das Recht gewährleiste, üb Auskunft und Zeugniß zu verweigern. gelten, deren amtliche Stellung der für die Schöffen und Geschworenen getroffenen Bestimmung zum Vorbilde gedient hat. — Ob es Fälle geben kann, in denen der obige Grunds und ob er namentlich bei etwaigen Untersu 2 beugung, bei Regreßprozessen gegen Richter oder dgl. höheren Inter⸗ Rechtsverfolgung oder Rechtsvertheidigung weichen muß, ist E,. da derartige Fälle hier nicht in Frage stehen ...“
mit Art. 86 Abs. 1
erster Stelle als Grundsatz
es zulässig
Schon das
er die Berathung und Abstimmung Dasselbe muß für die Richter
Ausnahmen erleiden, ungen wegen Rechts⸗
— Nach § 141 des Strafgesetzbuchs wird derjenige, welcher einen deutschen Soldaten vorsätzlich zum Desertieren verleitet oder die Desertion desselben vorsätzlich befördert, mit Gefängniß von
Konaten bis zu 3 Jahren bestraft. In Bezug auf diese Bestim⸗ mung hat das Reichsgericht, I. Strafsenat, durch Urtheil vom 15. De⸗ 4 ausgesprochen, daß darunter auch die Beförderung der
eines vorläufig beurlaubten
die Heimath
ahneneid geleistet hat, . . Unter die Mannschaften des Beurlaubtenstandes fallen nach des Militärgesetzes in die Heimath beurlaubten Rekruten, und sie sind nach § 60 daselbst den Bestimmungen im 3. Abschnitt des Militär⸗ und Fahnenflucht Desertion) und den Bestimmungen im 4. Abschnitt desselben Gesetz⸗ chs über Selbstschädigung und Vorschützung von Gebrechen in r Weise wie die Personen des aktiven hieraus folgt, daß
vom 2. Mai
Strafgesetzbuchs Entfernung
ienststandes unterworfen. Heimath beurlaubter
ein vorläufig Entfernung
unerlaubten seiner gesetzlichen Verpflichtung zum Dienst dauernd schuldig macht, wegen Fahnenflucht (Desertion) zu be⸗ Gehören aber diese Rekruten zum Beurlaubtenstande und sie wegen Desertion strafbar, so sind sie als deutsche Soldaten 8 Strafgesetzbuchs zu erachten. ch zählt in § 112 zu den Personen des Soldatenstandes die im aktiven Dienst, als auch die im Beurlaubtenstande Im Sinne des § 141 des Strafgesetzbuchs gehörigen beider Kategorien deutsche
zu entziehen,
Denn das Deutsche
verglichen mit § 112 sind die An
(3653/94.)
Eutscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts. Ebenso wie bei der Veranlagung von Ausländern zur
Staats⸗Einkommensteuer aus preußischem Grundbesitz ꝛc. gemäß § 2 des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891, findet, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, II. Senats, vom 7. November 1894, auch bei der Gemeinde⸗Forensalbesteuerung der § 18 des Einkommensteuergesetzes keine Anwendung; der Forense hat demnach keinen Anspruch auf Steuererleichte⸗ rung mit Rücksicht auf das Vorhandensein I milien⸗ mitgliedern unter vierzehn Jahren. Der angeführte § 18 welcher lautet: Für jedes, nicht nach § 11 selbständig zu veranlagende Familienglied unter vierzehn Jahren wird von dem steuerpflichtigen Einkommen des Haushaltungsvorstandes, sofern dasselbe den Betrag von 3000 ℳ nicht übersteigt, der Betrag von 50 ℳ in Abzug gebracht mit der Maßgabe, daß bei Vorhandensein von drei oder mehr Familiengliedern dieser Art auf jeden Fall eine Ermäßi⸗ gung um eine Stufe stattfindet. geht davon aus, daß die Steuerkraft durch das Vorhandensein von Familiengliedern unter 14 Jahren verringert werde, und will dem Zensiten dafür eine Erleichterung gewähren. Er setzt also eine Be⸗ steuerung voraus, bei welcher sowohl die Stellung des Zensiten als Familienhaupt — Haushaltungsvorstand —, wie seine gesammte wirth⸗ schaftliche Lage in Betracht kommt. Beides ist nicht der Fall bei der Besteuerung einzelner Einnahmequellen. Es steht der § 18 nament⸗ lich in Beziehung mit der Vorschrift im § 11 des Gesetzes, daß bei der Steuerveranlagung dem Einkommen des Haushaltungsvorstands das Einkommen der Angehörigen der Haushaltung zuzurechnen ist. Diese Vorschrift soll aber nach ausdrücklicher Bestimmung im letzten Absatz des § 11 keine Anwendung leiden auf die lediglich nach § 2 des Gesetzes zu veranlagenden Steuerpflichtigen, d. i. diejenigen Personen, welche ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt von ihrem Einkommen aus gewissen Quellen, namentlich aus preußischem Grundbesitz, Steuer zu zahlen haben. Hier ist also die beschränkte Steuerpflicht in einen Gegensatz zur Haushaltungsbesteuerung gebracht. Wie bei der Besteuerung nach § 2 des Gesetzes das Einkommen der Haushaltungsangehörigen des Zensiten nicht mit herangezogen werden kann, so steht diesem andererseits auch kein Anspruch auf eine Er⸗ leichterung zu, welche mit Rücksicht auf das Vorhandensein von Haus⸗ haltungsangehörigen gewährt wird. Diese Grundsätze müssen — wenngleich der Inländer, welcher in einer inländischen Gemeinde der Forensalsteuer unterliegt, nicht in jeder Beziehung ebenso wie der Nichtpreuße gegenüber der staatlichen Besteuerung zu behandeln ist — auch bei der Gemeinde⸗Forensalbesteuerung maßgebend sein, da sie sich aus der Natur des auch hier vorliegenden Verhältnisses, der Be⸗ steuerung des Einkommens aus einer einzelnen Einkommensquelle — eines Theileinkommens —, ergeben.“ (II. 1508.)
— Die Einschätzung zur Staats⸗Einkommensteuer ist, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, II. Senats, vom 7. November 1894, nur dann für die Veranlagung der Gemeinde⸗ Forensalsteuer maßgebend, wenn das beiden Steuern unterliegende Einkommen dasselbe ist. Wo es sich dagegen um “ nur einzelner Theile des der Staats⸗Einkommensteuer unter⸗ liegenden Gesammteinkommens zur Forensalsteuer handelt, hat die Gemeinde dieses Theileinkommen selbständig einzuschätzen, ohne daß sie an das Ergebniß der staatlichen Einschätzung des Gesammt⸗ einkommens gebunden ist. (II. 1508.)
tatistik und Volkswirthscha 8 Zur Arbeiterbewegung. “
In Dresden hat sich, wie das „Dr. Journ.“ berichtet, unter Maurern und Zimmerleuten eine Lohnbewegung entsponnen, deren Tragweite sich noch nicht übersehen läßt. Man will den Lohn auf 40 ₰ für die Stunde erhöhen und gleichzeitig die zehnstündige Arbeitszeit einführen. Hier und da sollen die Forderungen auch ganz oder theilweise bewilligt worden sein. Andererseits ist mehrfach dort, wo die Arbeitgeber sich ablehnend verhalten haben, die Arbeit bereits eingestellt worden.
In Nürnberg sind einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge außer den Maurern und Steinhauern auch die Zimmerer in den Ausstand eingetreten. (Vgl. Nr. 118 d. Bl.)
Aus Kaiserslautern wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert, daß 500 Arbeiter der dortigen Kammgarnspinnerei in einer Ver⸗ sammlung am Donnerstag den Ausstand beschlossen haben; sie ver⸗ langen 20 % Lohnerhöhung.
In Lägerdorf im Regierungsbezirk Schleswig haben, wie dem „Vorwärts“ gemeldet wird, sämmtliche Zementbrenner der Portland⸗ zementfabrik von Eugen Lyon u. Co. am Dienstag die Arbeit eingestellt; die Ausständigen verlangen höheren Lohn. .
In Wien haben nach demselben Blatt 47 Gehilfen der Schuhwaarenfabrik von Albert Gschwind in Mariahilf die Arbeit eingestellt.
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 5. Mai bis inkl. 11. Mai cr. zur Anmeldung gekommen: 869 Lebendgeborene, 348 Eheschließungen, 40 Todtgeborene, 566 Sterbefälle.
18— 8 Handel und Gewerbe.
Die Wochenübersicht der Reichsbank vom 15. Mai zeigt bei einem gesammten Kassenbestand von 1 115 331 000 ℳ der Vorwoche gegenüber eine Zunahme von 13 179 000 ℳ; der Metallbestand allein hat um 1 288 000 ℳ zugenommen. Der Bestand an Wechseln im Betrage von 497 561 000 ℳ erscheint um 5 773 000 ℳ und der Bestand an Lombardforderungen im von 68 084 000 ℳ um 4251 000 ℳ vermindert; auf diesen beiden Anlagekonten er⸗ giebt sich also eine Abnahme von 10 024 000 ℳ. Auf passiver Seite ist der Betrag der umlaufenden Noten um 23 058 000 ℳ auf 1 051 243 000 ℳ zurückgegangen, während die sonstigen täglich fälligen Verbindlichkeiten (Giroguthaben) bei einem Betrage von 520 836 000 ℳ eine Zunahme um 26597 000 ℳ erfahren haben.
an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 17. d. M. gestellt 11 173, nicht recht zeitig gestellt 32 Wagen. 6 In Oberschlesien sind am 16. d. M. gestellt 3618, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 8 “
Zwangs⸗Versteigerungen.
Beim Sn 2gS Amtsgericht I Berlin standen am 17. Mai die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Naunynstraße 66, den Kaufmann Adolf Schönleben gehörig; Nutzungswerth 11 390 ℳ; für das Meistgebot von 166 500 ℳ wurden die Erben der Frau Mathilde Lehmann zu Berlin Ersteher. — Luisen⸗Ufer 8, dem Fabrikanten Richard Roll gehörig; Fläche 6,38 a; Nutzungswerth 13 490 ℳ; Meistbietender blieb mit dem Gebot von 206 000 ℳ der sesfaer Louis Born zu Berlin. — Theilungs halber: Brunnenstraße 134, den Geschwistern Müller gehörig; Nutzungswerth 13 120 ℳ; Meistbietender blieb der Kauf⸗ mann Rudolf Müller, Brunnenstraße 134, für sich und vier Ge⸗ schwister mit dem Gebot von 135 000 ℳ
— Die „Schl. Ztg.“ berichtet vom oberschlesischen Eisen⸗
und Zinkmarkt: Im oberschlesischen Eisengeschäft ist in ver⸗ flossener Berichtswoche eine wesentliche Aenderung nicht eingetreten.
Die Roheisenproduktion ist bereits durch Verhüttung reicherer Erze
“ Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks
und Eisenspathe erhöht worden, und die Abfuhr des frischen Gießerei⸗ wie Puddelroheisens zu den Werken geht schlank vor sich. Der Bau der Hochöfen auf Julienhütte und in Gleiwitz schreitet rüstig fort. In Alt⸗ eisen ist das Geschäft ziemlich rege, und namentlich Gußbruch wird von den Werken gern gekauft. Die Preise für Alteisen richten sich je nach der Qualität und haben gegen die Vormonate bereits eine kleine Aufbesserung erfahren. — Die Lage des Walzeisen⸗ marktes zeigt ebenfalls das Gepräge der Vorwochen. Die Werke sind mit Aufträgen auf mehrere Wochen hinaus gedeckt, und neue Ordres gehen weiter zahlreich ein, sodaß bereits Lieferungsfristen von einigen Wochen beansprucht werden. Bau⸗ und Konstruktions⸗ eisen, sowie mittleres Handelseisen, namentlich aber Träger werden gegenwärtig stark begehrt, doch auch für die übrigen Walleisen⸗ sorten hat sich die Nachfrage gehoben. In Feinblechen ist das Geschäft recht flott, und auch für Grobbleche ist in der letzten Zeit mehr Bedarf zur Anfertigung von Dampffkesseln, Reservoiren sowie zu Schiffsbauten eingetreten. Die Preise für Walzeisen und Bleche sind immer noch verlustbringend, doch scheint ein weiteres Erhöhen die Verkaufsstelle des schlesisch⸗mitteldeutschen Walz⸗ werks⸗Verbandes vorläufig nicht für angezeigt zu halten. Die Stahlwerke sind, nachdem ihnen von den Eisenbahn⸗ verwaltungen wieder größere Aufträge zur Lieferung von Normalschienen zugegangen sind, wieder besser beschäftigt; auch den Maschinen⸗ und Kesselfabriken gingen infolge einiger im Reviere selbst auszu⸗ führenden Maschinen⸗ und Kesselanlagen größere Aufträge zu, sodaß sich auch hier der Beschäftigungsgrad in erfreulicher Weise gebessert hat. Die Röhrenwalzwerke arbeiten regelmäßig weiter, haben aber sowohl hier wie im Auslande durch die Konkurrenz sehr zu leiden. Im Betriebe der Draht⸗ und Nägelwerke hat sich nichts geändert, die Produktion findet gegenwärtig genügenden Absatz. — Die Eisengießereien sind größtentheils gut beschäftigt, doch klagen sie über zu niedrige Preise. Die Röhrengießereien der Gleiwitzer⸗ und Donnersmarckhütte sind flott im Betriebe, auch ist die Anfertigung der Wasserleitungsrohre eine lohnendere. Auf Lieferung von Bauguß sind den Gießereien in der letzten Woche zahl⸗ reiche Aufträge zugegangen. — Das Zinkgeschäft war in der verflossenen Woche hier und in London sehr lebhaft. An letzterem Platze mußten sich die Käufer dazu verstehen, die bereits vor einigen Wochen erreichten, seitdem aber wieder ab⸗ gebröckelten Preise anzulegen. Aber auch zu diesen war kein ent⸗ sprechendes Angebot vorhanden. Der wirklich vorhandene bessere Konsum einerseits und die Ermuthigung andererseits, welche man aus dem auf dem Kupfermarkt eingetretenen Umschwung schöpfte, be⸗ wirkten auch auf dem Zinkmarkt eine energische Aufwärts⸗ bewegung des Preises, die, obwohl heute die Forderung der Produzenten schon um etwa 1,50 ℳ pro 100 kg höher ist als zur Zeit des letzten Berichts, noch nicht als abgeschlossen an⸗ zusehen ist. Die Bestände auf den schlesischen Hütten sind knapp, und die Produktion der nächsten Monate ist größtentheils begeben. Unter 29,50 ℳ per 100 kg Breslau sind heute gute gew. Marken nicht zu kaufen. — Das Bleigeschäft verlief in ruhiger Weise. Bleirohre und Walzblei fanden sehr schlanken Absatz, jedoch sind die Preise dieser Artikel sehr gedrückt.
— Nach dem in der Generalversammlung der Gladbacher Feuerversicherungs⸗Gesellschaft vom 16. d. M. erstatteten Geschäftsbericht für 1894 ist die Brutto⸗Prämieneinnahme um 93 814 ℳ auf 3 139 236 ℳ gestiegen. Die im Berichtsjahre in Kraft gewesene Versicherungssumme betrug 2 069 473 267 ℳ, wovon Ende des Jahres noch 1 883 157 310 ℳ bestanden. Die Schäden betrugen für eigene Rechnung 1 009 156 ℳ (i. V. 1 211 477 ℳ). Die Prämienreserve stellt sich auf 755 590 ℳ (i. V. 711 598 ℳ). Der Effektenbestand ist von 1130 218 ℳ durch Einstellung der Werth⸗ papiere zu ihrem Nominalbetrage von 1 125 000 ℳ um 5218 ℳ und der Hypothekenbestand ist von 934 500 ℳ um 21 000 ℳ auf 913 500 ℳ vermindert. Es ist ein Gewinn von 247 975 ℳ vor⸗ handen, wovon 66 817 ℳ zur Ausstattung der Kapitalreserve, 23 658 ℳ zu Tantiêmen, 7500 ℳ zu Gratifikationen an die Beamten und 150 000 ℳ zur Vertheilung einer Dividende von 12 ½ % = 75 ℳ ür jede Aktie verwandt wird.
— Nach dem in der Generalversammlung der Gladbacher Rückversicherungs⸗Aktien⸗Gesellschaft vom 16. d. M. er⸗ statteten Geschäftsbericht für 1894 betrug die Versicherungssumme 728 299 981 ℳ, wovon am Schluß des Jahres 658 219 871 ℳ in Kraft verblieben. Die Prämieneinnahme betrug 1 822 868 ℳ (i. V. 1 426 381 ℳ). Die Prämienreserve stellt sich auf 465 000 ℳ Die Schäden des Rechnungsjahres erforderten 1 116 882 ℳ, wovon 349 966 ℳ auf die Retrozessionäre entfallen. Die am Jahresschluß schwebenden Schäden betragen 243 507 ℳ, wovon 80 603 ℳ auf die Retrozessionäre entfallen. Es ist ein Ueberschuß von 100 389 ℳ erzielt, wovon 80 000 ℳ zur vollständigen Deckung des noch vorhandenen Kapitalverlustes zu verwenden sind und der Rest mit 20 389 ℳ auf neue Rechnung vorgetragen wird.
Magdeburg, 17. Mai. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exkl., von 92 % —, neue 11,15 — 11,35. Kornzucker exkl., 88 % Rende⸗ ment 10,50 — 10,70, neue 10,60 — 10,75, Nachprodukte exkl., 75 % Rende⸗ ment 7,55 — 8,25. Stetig. Brotraffinade I 23,00, Brotruffinade II 22,75. Gem. Raffinade mit Faß 22,75 — 23,25. Gem. Melis 1 mit Faß 22,25 — 22,50. Stetig. Rohzucker I. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. Mai 10,42 ½ bez., 10,45 Br., pr. Juni 10,52 ½ bez., 10,55 Br., pr. Juli 10,62 ½ Gd., 10,67 ½ Br., pr. August 10,75 bez., 10,77 ½ Br. Fest. — Wochenumsatz im Rohzuckergeschäft 250 000 Ztr.
Leipzig, 17. Mai. (W. T. B.) Kammzug Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Mai 2,90 ℳ, pr. Juni 2,90 ℳ, pr. Juli 2,92 ½ ℳ, pr. August 2,95 ℳ, pr. September 2,95 ℳ, pr. Oktober 2,97 ½ ℳ, pr. November 3,00 ℳ, pr. Dezember 3,02 ½ ℳ, pr. Januar 3,02 ½ ℳ, pr. Februar 3,02 ½ ℳ, pr. März 3,02 ½ ℳ, pr. April 3,02 ½ ℳ Umsatz: 140 000 kg. ”
Bremen, 17. Mai. (W. T. B.) (Börsen⸗SSchlußbericht.) Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum⸗Börse.) Stetig. Loko 7,0 Br. — Baumwolle. Steigend. Upland middl. loko 35 4. — Schmalz. Fester. Wilcox 36 ₰, Armour shield 35 ¼ ₰, Cudahy 36 ½ ₰, Fairbanks 30 ₰. —, Speck. Ruhig. Short clear middling loko 31. — Wolle. Umsatz: 165 Ballen. Taback. Umsatz: 17 Faß Kentuckv.
Hamburg, 17. Mai. (W. T. B.) Kaffee. (Nachmitttags⸗ bericht.) Good average Santos pr. Mai 77, pr. September 75 ¼, pr. Dezember 73 ¼, pr. März 72 ½. Schleppend. — Zuckermarkt. (Schlußbericht.) Rüben⸗Rohzucker I. Produkt Basis 88 % Rendement neue Usance, frei an Bord Hamburg vr. Mai 10,42 ½, pr. Juni 10,57 ½, pr. August 10,80, vr. Oktober 10,87 ½. Stetig. “
Wien, 17. Mai. (W. T. B.) Der Rechnungsabschluß der Südbahn für 1894 ergiebt an Gesammteinnahmen 21 493 568 Fl., an Gesammtlasten 18 672 110 Fl., somit Ueberschuß 2 821 458 Fl. Die Beschlußfassung über die Dividende erfolgt später.
Der Großindustrielle Wilbelm Ritter von Gutmann, Be⸗ gründer der Kohlen⸗Großhandlung Gebrüder Gutmann, ist heute gestorben. 1
London, 17. Mai. (W. T. B.) Wollauktion. Preise fest. unverändert.
An der Küste 4 Weizenladungen angeboten.
96 % Javazucker loko 12 ½ fest, Rüben⸗Rohzucker loko 10 ¾ fest. Zentrifugal 11 b,. — Chile⸗Kupfer 42 3⁄6, pr. 3 Monat 42¹11⁄16.
Liverpool, 17. Mai. (W. T. B.) Baumwollen⸗ Wochenbericht. egenwärtige Woche 48 000 (vorige Woche 46 000), do. von amerikanischen 47 000 (42 000), vo. für Speku⸗ lation 1000 (4000), do. für Export 2000 (3000), do. für wirklichen Konsum 44 000 (35 000), do. unmittelb. ex. Schiff 58 000 (66 000), wirklicher Export 7000 (50000), Import der Woche 66 000 (75 000), davon amerikanische 57 000 (69 000), Vorrath 1 681 000 (1 680 000), davon amerikanische 1 570 000 (1 572 000), schwimmend nach Großbritannien 104 000 (118 000), davon amerikanische 88 000 110 000).
— Manchester, 17. Mai. (W. T. B.) 121r Water Taylor 5, 30r Water Taylor 6 ½, 20r Water Leigh 5 ¾, 30r Water Clayton 6 ⁄,