1895 / 120 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Deputation schlesischer Damen überbrachte Schrein, für welchen 172 000 Frauen und Mädchen aus der Provinz Schlesien pfennigweise beigetragen haben, ferner die Gaben der Frauen und Jungfrauen aus Westfalen, die mit herrlicher Malerei versehene

dresse der deutschen Ingenieure, die 72 Ehrenbürgerbriefe aus dem Königreich Sachsen u. v. a. Die Ausstellung ist täglich von Morgens 10 Uhr bis Abends 9 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis beträgt 50 ₰, Montags und Donnerstags 1 ℳ%ℳ Der Ueberschuß der Ausstellung ist zum Besten der „Fürst Bismarck⸗Stiftung“ bestimmt. Besucher der Ausstellung können ihre Namen in aufgelegte Listen eintragen, die zu einem Ganzen gesammelt dem Fürst Bismarck⸗Museum in Schön⸗ hausen überwiesen werden sollen.

Die vom Verein „Berliner Presse“ im Festsaale des Rathbauses veranstaltete Gedächtnißfeier für Gustav Freytag, der auch die Wittwe des Dichters beiwohnte, nahm gestern einen sehr würdigen Verlauf. An der hinteren Schmalseite des Saals war ein Bild des Gefeierten aufgestellt; der weite Raum war von Damen und Herren dicht gefüllt Die Feier eröffnete ein von dem Stern'schen Gesang⸗ verein gesungener Hyomnus; dann sprach Fräulein Nuscha Butze den von Ernst von Wildenbruch verfaßten Prolog. Hierauf entwarf Herr Professor Dr. Erich Schmidt in längerer gedankenreicher Rede ein Lebensbild des Heimgegangenen, in welchem Gustav Freytag nicht nur als Schriftsteller, Dichter und Forscher, sondern auch in seinem äußeren Lebensgange und besonders als Mann von echt deutscher und patriotischer Gesinnung geschildert wurde. Zum Schluß der ernsten und erhebenden Feier wurde Mozart's „Ave verum“ vom Stern'’schen Verein vorgetragen.

90

Die Aquarien⸗ und Terrarien⸗Ausstellung, welche der Verein „Triton“ am Sonnabend im Wintergarten des Belvedere an der Jannowitzbrücke eröffnet hat, bietet ein interessantes Bild von der Ausdehnung und der fast wissenschaftlichen Gründlichkeit, mit der die Liebhaberei der Aquarien⸗ und Terrarienpflege z. Z. in Deutschland und besonders in Berlin betrieben wird. Betritt man die geschmackvoll dekorierten Ausstellungsräume, so sieht man rechts an der Fensterwand zunächst die soeben erst aus Amerika importierte Sammlung von Reptilien aller Art, etwa 150 Schlangen, Molche und Echsen, darunter ganz neue Molcharten und Echsen von prachtvoller Färbung, sowie Baumpflanzen aus den Urwäldern Amerikas. An die amerikanische Kollektion schließt sich die Ausstellung des Vereinsvorsitzenden Paul Nitsche. Auch hier findet sich eine Fülle von Seltenheiten, wie echte Silberbarsche, Zahnkarpfen, Hundsfische und in der Schleierschwanzkollektion auch ein schwarzer Teleskopschleier⸗ schwanz. Mit einer interessanten Barschkollektion hat Ehrenwerth⸗Berlin die Schau beschickt, sie umfaßt sämmtliche Süßwasserbarsche, u. a. auch den seltenen Forellenbarsch. Ringel⸗Berlin ist mit einem gut besetzten Seewasser⸗Aquarium erschienen, worin sich auch die schwer zu haltende Dreieckkrabbe befindet. Charakteristisch ist der von

rauste⸗Berlin ausgestellte Durchschnitt eines Tümpels, der die reiche Thierwelt veranschaulicht, die sich in derartigen Tümpeln vorfindet. Prauste führt ferner Insekten⸗Aquarien, Gesellschafts⸗ Aquarien u. dgl. vor, auch lebende Kreuzosttern hat er ausgestellt. Als Pflanzenneuheit bringt er Acorus foliis variegatis aus Japan; sehr selten sind auch die von ihm zur Schau gestellten ungarischen Johannisschleichen. An der gegenüberliegenden Wand des ersten Saales ist die Vereinsausstellung untergebracht. Man sieht hier zunächst auserwählte Objekte aus dem Museum des Vereins, Spirituspräparate, die sich durch vortreffliche Erhaltung der Farbe auszeichnen, Modelle von Apparaten, die von Vereins⸗ mitgliedern erdacht sind, u. dgl. Dann folgen 80 Gläser, in denen der Verein eine vollständige Sammlung aller Thiere und Pflanzen darbietet, die z. Z. von Liebhabern in Aquarien und Terrarien gezogen werden. In der Mitte des Saales sind größere Schaustücke ausgestellt: Spingbrunnenfiguren von A. Castner Nach⸗ folger, ein Aquarium von Ellendt⸗Berlin mit elektrischer Beleuchtung unter Wasser, ein Riesen⸗Zimmeraquarium von Kuhn⸗Berlin u a. Die Rotunde birgt eine Ausstellung von Reichelt⸗Berlin, die alles enthält, was augenblicklich im Handel zu haben ist, von den Alligatoren an bis zu den Wasserinsekten, darunter ein Terrarium mit 10 verschiedenen Arten von Schlangen. Auf der Mitteltafel des zweiten großen Saales interessieren die selbst gezüchteten amerikanischen Barsche, die der frühere Vereinsvorsitzende Hothorn ausgestellt hat. Mit einem hübschen Ter⸗ rarium hat Lenz⸗Berlin eee; beschickt. Am Kopf der Mitteltafel 2 man ein Sumpfaquarium von Nitschke⸗Berlin. Heßdörfer⸗Berlin ührt chinesisches Pfeilkraut in Zimmerkultur vor, Simon⸗Berlin hat einen neu konstruierten Durchlüftungsapparat ausgestellt, der durch Elektrizität betrieben wird. Klatte⸗Südende hat fünf neue Spezies des amerikanischen Sonnenfisches, zwei neue Spezies von Katzenmelsen, Neuheiten in Zandern u. dgl. eingesandt. Von der Jury der Aus⸗ stellung wurden 13 silberne und 12 bronzene Medaillen sowie 10 Diplome vertheilt. Die interessante Ausstellung bleibt bis zum 26. d. M. geöffnet. b

icht vom 20. Mai r Morgens.

r b 8

80 ⁸₰

Am höchsten

über Deutschland hinaus nach Westrußland erstreckt. 1 ist der Luftdruck über dem nor⸗ wegischen Meere.

1 187 2 * 4 1 Fi n f r deut woch, den 22. d. M., Herr Ernst Flemming, erster Lehrer der Städtischen Webeschule, einen Vortrag halten über Herstellung und Anwendung von Linoleum, Inlaid und Linkrusta. Die Sitzung findet statt im großen Saale des Architektenhauses Uhr Abends.

Vor dem Deutschen Sprachverein Berlin (Gasthof „zu den vier Jahreszeiten“, Prinz⸗Albrechtstr. 9) spricht morgen, Abends 8 ½ Uhr, Herr Oberlehrer Dr. Violet über „Platen als Sprachkünstler“. Gäste sind willkommen.

Ueber neue Erdbeben in Oesterreich. Italien und Griechen⸗ land liegen folgende Nachrichten vor:

Laibach, 18. Mai. Heute früh wurde hier ein schwaches Beben und ein kurzer, mäßig starker Erdstoß verspürt.

Florenz, 19. Mai. Bei einem Erdbeben, welches gestern Abend 11 uihr stattgefunden hat, wurden in der Rue Carmine vier Personen verwundet, davon eine erheblich. Viele Häuser sind hier beschädigt. Die größten Verheerungen aber hat das Erdbeben in den umliegen⸗ den Ortschaften, namentlich in Grassina, San Martino, wo die Kirche eingestürzt ist. Galluzzo und Bandino angerichtet. Vier Personen sind getödtet und mehrere, meistens nur leicht, ver⸗ wundet. Der Prinz von Neapel besuchte, überall von der Beypölkerung auf das lebhafteste begrüßt, die am schwersten geschädigten Orte und sprach den Opfern Trost zu. Nach allen von dem Erdbeben be⸗ troffenen Ortschaften wurde Hilfe entsandt.

Rom, 19. Mai. In Arezzo wurde gestern Abend ein Erdstoß verspürt, der 10 Sekunden dauerte. In Siena wurden zwei, in Pisa und Piacenza leichtere, in Bologna und Parma stärkere Erdstöße bemerkt. Die Erdstöße wurden auf den Beobachtungs⸗ stationen in Rom, Rocca di Papa und Ischia beobachtet.

Athen, 19. Mai. Auf Zante fanden gestern drei neue Erd⸗ stöße und auch heute eine Erderschütterung statt. Schaden wurde nicht angerichtet.

Straßburg i. E., 18. Mai. Heute Mittag fand die Eröffnung der hiesigen Industrie⸗ und Gewerbe⸗Ausstellung für Elsaß⸗Lothringen, Baden und die Pfalz durch den Pro⸗ tektor der Ausstellung, den Kaiserlichen Statthalter Fürsten zu Hohenlohe⸗Langenburg, statt. Gegen 12 Uhr füllten etwa 1400 Eingeladene, darunter 400 Damen, den Festsaal. Anwesend waren der preußische Minister des Innern von Köller, der des Ministeriums des Innern von Eisenlohr, der Regierungs⸗Präsident der Pfalz von Auer und der Ober⸗Bürgermeister Schnetzler aus Karls⸗ ruhe, sowie zahlreiche angesehene Personen aus Baden und der Pfalz. Ferner waren erschienen der Staatssekretär von Puttkamer, die Unter⸗Staatssekretäre von Schraut und Freiherr Zorn von Bulach, viele hohe Beamte, sowie der kommandierende General, General der Infanterie von Blume, der Präsident des Landesausschusses Dr. Schlumberger, die Generalität und höhere Offiziere, zahlreiche Industrielle und sonstige angesehene Personen aus Stadt und Land. Kurz nach 12 Uhr erschien der Statthalter, begleitet von dem Erb⸗ prinzen Ernst zu Hohenlohe⸗Langenburg und dem Erbvprinzen Philipp zu Hohenlohe⸗Schillingsfürst, und wurde von dem Bürger⸗ meister Back und dem Ausstellungscomité empfangen. Die Feier wurde durch Gesang des städtischen Sängerchors eingeleitet, worauf der Bürgermeister in kurzen Worten die Anwesenden begrüßte. Die Fest⸗ rede hielt der Zweite Vorsitzende des Ausstellungscomités, Vize⸗Präsi⸗ dent der Straßburger Handelskammer Schaller; derselbe gab eine Geschichte der Ausstellung und bat zum Schluß den Statthalter, die Ausstellung zu eröffnen. Der Fürst dankte für den freundlichen Empfang und gedachte in seiner Ansprache seines Vorgängers, des jetzigen Reichskanzlers, und dessen besonderer Verdienste um die Aus⸗ stellung. Betreffs der Betheiligung von Baden und der Pfalz sagte der Statthalter nach dem Bericht der „Straßb. Post“: „Ein natürliches Freundschaftsgefühl, begründet in naher Stammesverwandtschaft und Nachbarschaft, darf ich das nennen, was diese so schönen Landstriche, welche durch den Vater Rhein nicht getrennt, sondern geeint sind und welche in jahrtausendelanger Wechsel⸗ 1] Großes zusammen erlebt haben leider nicht immer in demselben Lager hier im friedlichen Wettkampfe der Arbeit zu⸗ sammengeführt hat, um erneute, hoffentlich nie zerreißende Freund⸗ schaftsbande zu knüpfen.“ Der Fürst schloß mit einem dreifachen Hoch auf Seine Majestät den Kaiser. erfolgte ein zwei⸗ stündiger Rundgang durch die ganze Ausstellung. Dieselbe ist von mehr als 1200 Ausstellern beschickt.

Agram, 19. Mai. In Godgics und Opulin fanden heute Heacentta heftige Schneestürme statt, die mehrere Stunden an⸗ ielten.

London, 19. Mai. Wie dem „R. B.“ aus Dscheddah von heute gemeldet wird, ist ein türkisches Schiff mit 700 Pilgern

Anfang 7 ½ Uhr.

sches Kunstgewerbe wird am Mitt⸗

Lessing⸗Theater. Dienstag: Sodoms Ende.

an Bord ungefähr 50 Meilen nördlich von Dscheddah auf ein Riß

aufgelaufen. Alle an Bord befindlichen Personen wurden das Schiff jedoch ist wahrscheinlich gänzlich verloren.

St. Petersburg, 20. Mai. Bei dem großen Brand in Brest⸗Litowski am 17. d. M. (vergl. Nr. 119 d. Bl.) wurden 1500 Häuser vernichtet. Drei Viertel der Stadt sind zerstört. Ueber 50 Leichen sind bereits aus den Trümmern hervorgeholt; die Bewohner lagern auf freiem Felde. Die Hotels und einige größere Geschäfts⸗ häuser wurden gerettet. Der materielle Schaden wird dem „W. T. B.⸗ zufolge auf einige Millionen Rubel geschätzt. Auch die Stadt Kobryn steht in Flammen.

Luzern, 19. Mai. In Kirchbühl bei Sempach stürzte in⸗ folge Lockerung des Zements eine neue Scheune zusammen und begrub 24 Personen unter ihren Trümmern. Eine Person wurde getödtet, eine schwer, die übrigen leichter verletzt.

Antwerpen, 19. Mai. „W. T. B.“ meldet: Heute Nach⸗ mittag fand hier zwischen katholischen und liberalen Ver⸗ einen ein Zusammenstoß statt. Die Polizei trieb die Kämpfenden auseinander und nahm eine Verhaftung vor. Als die Menge den Verhafteten mit Gewalt zu befreien suchte, machte die Polizei von der blanken Waffe Gebrauch; mehrere Personen wurden festgenommen.

gerettet,

Santiago. In Buenos Aires am 18. d. M. eingegangenen Nachrichten zufolge ist das Gebäude deschilenischen Kongresses in Santiago völlig niedergebrannt. Man vermuthet Brandstiftung.

Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Budapest, 20. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses beschwerte sich Graf Apponyi darüber, daß die Entlassung des Grafen Kälnoky ohne Gegenzeichnung erfolgt sei, ferner daß die Regierung über die Motive des Scheidens des Grafen Kälnoky im Narkaege nichts verlautbart habe, zumal es in der Oeffentlichkeit geheißen, daß die Ursache der Differenzzwischen ihm und der ungarischen Regierung, sowohl in dem konkreten Falle als auch im Allgemeinen, in der Einflußnahme der ungarischen Regierung auf die Leitun des Auswärtigen Amts zu suchen sei. Redner verlangte Auf⸗ klärung darüber, ob es wahr sei, daß ein Vorgänger des Barons Banffy das Recht Ungarns auf diese Einfluß⸗ nahme nicht geübt habe, und wer das gewesen sei, ob Tisza, Szapary oder Wekerle. Der Minister⸗Präsident Baron Banffy erwiderte, die Enthebung des Ministers des Auswärtigen sei bisher stets ohne Gegenzeichnung erfolgt. Die Ursachen des Scheidens des Grafen Kälnoky seien viel zu subjektiver Natur, als daß eine öffentliche Besprechung der⸗ selben am Platze sei. Die Einflußnahme Ungarns auf die auswärtigen Angelegenheiten sei seit 28 Jahren stets ohne Versäumniß geübt worden, eine neue Auslegung des Aus⸗ gleichsgesetzes sei nicht am Platze. Die Liberalen nahmen diese Erklärungen mit großem Beifall auf. Der Abgeordnete Ugron setzte darauf die Angriffe gegen die Regierung fort. Derselbe fragte, ob die ungarische Regierung Einfluß auf die Ernennung. des Grafen Goluchowski zum Minister des Aeußern ausgeübt habe, der sich in Bukarest gegen die rumänische Liga nicht bewährt habe und nicht genug Pole sei, um Ungarns wahrer Freund sein zu können. Der Minister⸗Präsident Baron Banffy erwiderte, die ungarische Regierung habe ihre An⸗ sicht bei Ernennung des Grafen Goluchowski geltend gemacht, der die gemeinsamen Interessen im Einvernehmen mit Ungarn wahren werde und den zu kritisieren jetzt ebenso 2 Hs.⸗⸗ wie unpassend sei. Unter lebhaften Zustimmungs⸗Kundgebungen der Liberalen wurde sodann von der Ernennung des Graßen Goluchowski Kenntniß genommen.

Die Regierung hat im Unterhause einen Gesetzentwurf eingebracht, betreffkend die Beendigung der Stromregu⸗ lierung, für welche 56 Millionen Gulden aufgewendet werden 1nn die sich auf 12 Jahre vertheilen. Die Kosten waren im Rahmen des Budgets auf 20 Jahre vertheilt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

Bentral⸗Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Dienstag: Zum 17. Male: Unter artistischer

Stationen.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp. red. in Millim.

Wind. Wetter.

Temperatur in 0 Celsius

50 C. = 40 R.

Belmullet .. Aberdeen.. Christiansund Kopenhagen. Stockholm

Haparanda

St. Petersbg. Moskau ...

761 757 765 754 759 758 762 761

N 3 bedeckt NW bedeckt NO Nebel ONO bedeckt ONO N 6 wolki

Dun OSO

wolkenlos

wolkenlos

Cork, Queens⸗ 11,- Cherbourg. . 89 Sylt . .. amburg.. winemünde Neufahrwasser Memel

759 756 756 755 755 754 755 754

halb bed. bedeckt wolkig bedeckt bedeckt halb bed. bedeckt ¹) wolkig

11 10 11 10

—15

Peieh Münster Karlsruhe .. Wiesbaden München .. Chemnitz .. IEö1“ Wien .. .. Breslau . . .

756 754 755 754 756 754 753 755 755

bedeckt wolkig Regen bedeckt²) Regen) bedeckt heiter bedeckt bedeckt

8 11 10 10

7

8 11

9 11

Ile d-Air.. EEEEö1“ 11A1XX“

756 755 755

1¹) Nachts Regen. ³) Nachts Regen.

Uebersicht der Witterung.

Die Luftdruckvertheilung ist auf dem ganzen Gebiet gleichmäßig und daher die Luftbewegung allenthalben

schwach. Das

MO Z wolkig stil halb bed.

stil swolkig

²) Gestern anhaltend

14 13 18

Regen.

Minimum, welches gestern an der

belgischen Grenze lag, ist übergegangen in eine flache

Depression,

welche

sich von Frankreich

ostwärts

8

2 N In Deutschland ist das Wetter trübe, vielfach regnerisch und, außer im äußersten Nordosten, kühl; in Süddeutschland sind ziemlich reichliche Regenmengen gefallen. Zunächst noch Fort⸗ dauer der bestehenden Witterungserscheinungen wahr⸗ scheinlich. Sb 8 1

* Deutsche Seewarte.

Theater⸗Anzeigen..

Königliche Schanspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 129. Vorstellung. Frauenlob. Oper in 3 Akten von Reinhold Becker. Text von Franz Koppel⸗Ellfeld. In Scene gesetzt vom Ober⸗ Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Wein⸗ gartner. Anfang 7 ½ Uhr.

Schauspielhaus. 135. Vorstellung. Der Revisor. Lustspiel in 5 Isee. von Nicolay Gogol, deutsch von Elsa von Schabelsky. In Scene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang 7 ¼ Uhr.

Mittwoch: Opernhaus. 130. Vorstellung. Der Ring des Nibelungen. Bühnenfestspiel von Richard Wagner. Erster Abend: Die Walküre. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 136. Vorstellung. König Ottokars Glück und Ende. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Franz Grillparzer. Anfang 7 ½ Uhr.

Deutsches Theater. Dienstag: Das Lumpen⸗ segeen 81nns .5 nn ittwoch: Der Wie penstigen Zähmung. Donnerstag: Weh dem, der 20

Berliner Theater. Dienstag: Saus⸗Géene. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Heimath.

Donnerstag, 2 ½ Uhr: Minna von Barnhelm. 7 ½ Uhr: Madame Saus⸗Gene.

Madame

Mittwoch: Niobe. Vorher: Unter vier Angen. Donnerstag: Der Herr Senator. 8

Friedrich⸗Wilhelmstödtisches Theater. Chausseestraße 25/26.

Dienstag: Der Obersteiger. Operette in 3 Akten von L. Held und M. West. Musik von Carl Zeller. Regie: Herr Fredy. Dirigent: Herr Kapellmeister Dahms. Ermäßigte Preise der Plätze. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch: Der Obersteiger.

Schluß der Saison am 31. Mairt.

Neues Theater. Schiffbauerdamm 42./5.

Dienstag: Ensemble⸗Gastspiel der Mitglieder des Carl Schultze⸗Theaters (Hamburg) unter Leitung des Direktors José Ferenczy. Tata⸗Toto. Vaudeville in 3 Akten nach Bilhaud und Barré von Victor Léon und F. Zell. Musik von Antoine Banés. In Scene gesetzt von José Ferenczy. Dirigent: Kurt Goldmann. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch und folgende Tage: Tata⸗Toto.

Restdenz-Theater. Blumenstraße Nr. 9. Direktion: Sigmund Lautenburg. Dienstag: Fer⸗ nand’s Ehekontrakt. (Fil à la patte.) Schwank in 3 Akten von Georges Feydeau, in deutscher Be⸗ arbeitung von Benno Jacobson. Anfang 7 ½ Uhr.

Mittwoch und folgende, Tage: Fernand’s Ehekontrakt.

Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Dienstag: Neu einstudiert: Der Zigennerbaron. Operette in 3 Akten nach einer Erzählung M. Jokai'’s von J. Schnitzer. Musik von Johann Strauß. In Scene gesetzt von Julius Fritzsche. Dirigent: Herr Kapellmeister Ferron. Anfang 7 ¼ Uhr.

Mittwoch: Der Zigennerbaron. 8

8

Leitung des Herrn Adolf Brakl vom Königl. Gärtner⸗

platz⸗Theater in München: Figaro bei Hof.

(Rococo.) Operette in 3 Akten (nach Beaumarchais

Memoiren) von Bohrmann⸗Riegen. Musik von

Alfred Müller⸗Norden. Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Figaro bei Hof.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Ella von Hagen mit Hrn. Sec.⸗ Lieutenant Ernst von Schöning (Thorn). Frl. Margarete Merkel mit Hrn. Lieutenant Georg Weishaupt (Trebnitz).

Verehelicht: Hr. Hauptmann Alfred Ziethen mit Frl. Frida Schering (Berlin). Hr. Haupt⸗ Steueramts⸗Assistent, Prem.⸗Lieutenant d. R. Paul Schröter mit Frl. Hedwig Titz (Breslau).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Ober⸗Regierungs⸗ Rath Müller (Breslau). Eine Tochter⸗ Hrn. Staatsanwalt Lehmann (Breslau). Hrn. Rittergutsbesitzer Jörs (Mahnau). Hrn. Regi⸗ ments⸗Arzt Dr. Bodek (Lemberg). Hrn. Au von Bernuth (Philadelphia).

Gestorben: Hr. Thierarzt und Roßarzt d. R. E. Meirich (Wilschkowitz). Hr. emer. Dr. phil. Carl Kraft (Charlottenburg). Pr. Rittergutsbesitzer und Rittmeister a. D. Adolp Bieler (

Merbitz). Hr. Rittergutsbesitzer und Prem.⸗ d. L. Karl Nobbe⸗Libbehne (Alt⸗Libbehne). Hr. Major a. D. Ottoma⸗ Gottwald (Nieder⸗Schönhausen). Ir. Maig Thekla von Meier, geb. Freiin von Kettler (Liegnitz)⸗ 2 Gebeimer Rechnungs⸗Rath und

Hr. 1 8 Lieutenant a. D. Ludwig Hüter (Kleinburg

Breslau). Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Berlag der Erpedition (Scho lz) in Berlin. Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagt⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

ESechs Beilagen

ischen Reichs⸗

* *

*

Herrenhaus. 16. Sitzung vom Sonnabend, 18. Mai.

Ueber den Beginn der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.

Zu dem Antrage von Bethmann⸗Hollweg, nach welchem die §§ 18 bis 27 des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 aufgehoben und die auf Grund dieser Paragraphen erfolgten Rückzahlungen der Grundsteuer⸗Entschädigung an den Staat aus der Staatskasse zurückerstattet werden sollen, schlug die Kommission für den Staatshaushalts⸗Etat und für Finanz⸗ angelegenheiten vor:

in Erwägung, daß nach der Erklärung der Königlichen Staats⸗ regierung das zur Begründung des vorgelegten Gesetzentwurfs er⸗ forderliche Material noch nicht vorhanden ist, über den vorgelegten Gesetzentwurf zur Tagesordnung überzugehen; dagegen die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, mit Rücksicht auf die Noth⸗ lage der durch die §§ 18 bis 27 des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 betroffenen Landwirthe und die Schwierigkeiten der Durchführung dieser Bestimmungen ein dem vorgelegten Gesetzentwurf entsprechendes Gesetz vorzulegen. 8 1

Der Berichterstatter der Kommission Herr von Pfuel theilte mit, daß die Kommission die beiden Paragraphen des Antrags im einzelnen einstimmig angenommen, den Gesetzentwurf im Ganzen aber infolge eines Kompromisses abgelehnt und statt dessen beschlossen habe, dem Hause die Annahme der obigen Resolution vorzuschlagen.

Herr von Bethmann⸗Hollweg: Gegen das Gesetz vom 14. Juli 1893 in der Regierungsfassung wäre nichts einzuwenden, wohl aber gegen die ungerecht wirkenden Ausnahmen, die in Bezug auf die Pflicht der Rückzahlung der Grundsteuer⸗Entschädigung in das Gesetz hineingebracht worden sind. Gegen die Rückerstattung der seiner Zeit gezahlten Grundsteuer⸗Entschädigung an den Staat spricht an sich ebenso der Umstand, daß die Entschädigung damals nicht in voller Höhe gewährt wurde, wie auch der Umstand, daß die Last der Grundsteuer nicht aufgehoben ist, die staatliche Grundsteuer vielmehr nur außer Hebung gesetzt ist, die Grundsteuer aber als Kommunal⸗ steuer forterhoben wird. Deshalb sind in das Gesetz eben die mildernden Bestimmungen aufgenommen worden, die eine gerechte Vertheilung der Rückzahlung unerreichbar erscheinen lassen. Die Be⸗ lastung wird auf andere Schultern gewälzt, als seiner Zeit angenommen wurde. Nicht der leistungsfähige Großgrundbesitzer, sondern der kleine Grundbesitz wird am meisten betroffen. Ich habe mir durch Nachfrage in einzelnen Kreisen Zahlen verschafft, die dies beweisen. (Redner verlas statistische Angaben über die Vertheilung der Rückzahlung in einzelnen Kreisen auf Groß⸗ und Kleingrund⸗ besitz) In vielen Fällen sind große Härten nachweisbar, bei einem großen Theil der Kleingrundbesitzer handelt es sich zudem bei der in erschreckendem Maße gestiegenen Noth⸗ lage der Landwirthschaft um die Evxistenzfrage. Es ist nicht zu verwundern, wenn die Aufregung immer weiter um sich greift und der Kleingrundbesitzer nur in extremen Mitteln Hilfe sieht. Sollte es deshalb nicht auch für die Königliche Staatsregierung richtig sein, dem Kleingrundbesitz entgegenzukommen? 50 60 000 Grundbesitzer würden bei Annahme meines Gesetzes von einer Belastung befreit werden. Ebenso wichtig ist aber auch die Aufhebung der Rückzahlun für die Städte, in denen die Handwerker, der kleine Bürgerstand si ebenso in bedrängter Lage befinden. Ich möchte bitten, meinen Antrag

it möglichst großer Majorität anzunehmen, und richte die Bitte an die Königliche Staatsregierung, diesem Votum mit Wohlwollen gegenüber zu treten.

Ober⸗Bürgermeister Zelle: Von Ungerechtigkeit kann meiner Ansicht nach in dem Gesetz vom 14. Juli 1893 keine Rede sein. Vor 30 Jahren hat der Staat die Grundsteuer⸗Entschädigung gezahlt; nachdem die Grundsteuer gefallen ist, müssen die Entschädigungen zurückgezahlt werden. Wenn ein Landwirth bis zum 1. April 100 Grundsteuer gezahlt hat und von jetzt ab eine Amortisationsrente von 36 für eine Reihe von Jahren zu zahlen hat, so sehe ich nicht ein, wie man da von Ungerechtigkeit sprechen kann. Zuschläge zur Grundsteuer zu erheben, war den Kommunen ja auch früber schon erlaubt. Herr von Bethmann hat anderes Material vorgelegt, als seiner Zeit von der Regierung dem Abgeordnetenhause und seiner Kommission vorgelegt worden ist. Ich meine aber, für einen Privatmann ist es außerordentlich schwer, bei derartigen Material⸗Sammlungen alle Täuschungen, die unbewußt aus den Quellen fließen, zu vermeiden. Wenn ein Gesetzentwurf ausgearbeitet werden soll, so ist doch wohl amtliches Material nöthig. Man geht vielfach von der Ansicht aus, die 10 Millionen, um die es sich bei den Rückzahlungen handelt, seien der vielen Schreiberei garnicht werth. Man kann aber auch umgekehrt fragen: warum wird soviel Lärm um die 300 000 gemacht, die jährlich zurückgezahlt werden sollen und sich auf Tausende von Personen vertheilen? Noch eins ist aber zu bedenken. In meiner Jugend kannte man noch die Autorität vor dem Gesetz. Die Schnelligkeit, mit der die Gesetzesmaschine arbeitet, mag diese Autorität abgeschwächt haben. Nichts aber ist schlimmer, als wenn in den Kreisen des Volks Ehrfurcht und Glauben an das Gesetz verloren gehen. Es giebt kaum ein Gesetz, das in den letzten 20 Jahren nicht geändert worden ist. Ein Gesetz, das seine Wirksamkeit noch garnicht recht entfaltet, jetzt schon wieder abzuändern, würde nicht sehr schmeichelhaft für die Gesetz⸗ eber sein. Was würde das Volk, was die ganze Presse dazu sagen? Ein konservatives Mitglied dieses Hauses hat vor zwei Jahren, als über die Rückzahlung der Entschädigung berathen wurde, hervorgehoben, daß die Rückzahlung dem Rechtsbewußtsein entspreche und ein Erlaß der Rückzahlungspflicht ein Agitationsmittel auf Menschenalter abgeben würde.

„Graf von Zieten⸗Schwerin: In der Kommission wurde über den Antrag, die Resolution und die Petitionen in verschiedenen Sitzungen und bei verschiedener Betheiligung der Mitglieder an den Sitzungen abgestimmt. So war es möglich, daß der Antrag des in von Bethmann abgelehnt wurde, die Petitionen aber, die das⸗ selbe wollen wie der Antrag, der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen werden sollen. Ich glaube, da ist es richtiger, auch für den ntrag selbst zu stimmen. Die jährlichen Rückzahlungen werden von den Besitzern sicher als Steuern empfunden. Anders wäre es, wenn die gesammte gezahlte Grundsteuer⸗Entschädigung auch zur Rück⸗ zahlung käme. Daß Ausnahmen von der Rückzahlung stattfinden, läßt die Maßregel nicht als besonders rechtliche erscheinen. Die Stadt Berlin z. B., die große Güter erworben hat, ist von ier Rückhablungepflicht befreit, der Kleingrundbesitzer dagegen muß

sie leisten. Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Wallach: Der Herr Finanz⸗ Minister ist leider durch eine Konferenz am Erscheinen verhindert. as Königliche Staats⸗Ministerium hat noch keine Stellung zu dem Antra enommen, ich bin also nicht in der Lage, in seinem Namen eine ärung abzugeben. Daß die Verpflichtung zur Rückzahlung der Frundsteuer⸗Entschädigung einen integrierenden Bestandtheil des 1893 schlossenen Reformwerks bildet, ist nicht bestreitbar. Bei Berathung Angelegenheit traten erhebliche Meinungsverschiedenheiten zu die Grüͤ f ie Rückzahlung sind reichlich er⸗

Berlin, Montag, den 20. Mai

wogen worden, und seitens der Staatsregierung ist kein Zweifel darüber gelassen worden, daß die Maßregel nicht nur den Großgrundbesitz, sondern auch den Kleingrundbesitz treffen würde. Auch darüber war kein Zweifel, daß man eine Rückzahlung von denen nicht fordern konnte, die von der Grundsteuer⸗Entschädigung keinen Nutzen gehabt hatten, wie dies bei Besitzwechsel der Fall ist. Die Ausnahmen sind nicht willkürlich, sondern nach festen Rechtsgrundsätzen festgestellt worden. Es ist nicht wohl angezeigt, nach so kurzer Zeit eine Aenderung des Gesetzes vorzunehmen. Die vom Herrn Antragsteller mitgetheilten Zahlen habe ich nicht prüfen können, ich glaube aber nicht, daß etwas Neues vorliegt. Darin, daß in Form einer Grundsteuerrente ein Theil der früheren Grundsteuer für eine Reihe von Jahren gezahlt wird, liegt keine neue Belastung. Die Kommunen waren auch bisher schon be⸗ rechtigt, den Grundbesitz mit realen Abgaben zu belasten. Man kann also nicht sagen, die jetzige kommunale Grundsteuer sei an Stelle der früheren Grundsteuer getreten. Zur Zeit sind die Verhältnisse noch aacht 5 übersehen, sodaß ich bitte, jetzt von einer Gesetzesänderung abzusehen.

Ober⸗Bürgermeister Becker: Ich stehe diesem Antrage freund⸗ licher gegenüber als mein Kollege Herr Zelle. Ich habe seiner Zeit für die Detailfassung der einzelnen Bestimmungen gestimmt, aber gegen das ganze Gesetz. Sobald aber ein Landesgesetz zu stande ge⸗ kommen ist, ist es absolut gültig und muß ausgeführt werden. (Sehr richtig!) Nur aus den zwingendsten Gründen darf eine Abänderung vorgenommen werden. Das ist der Standpunkt, den man bei dem größten Wohlwollen für den Antrag meines Erachtens einnehmen muß. Liegen hier nun zwingende Gründe vor? Der Grund, daß die allgemeine Lage der Landwirthschaft seit Erlaß dieses Gesetzes un⸗ endlich schlechter geworden ist, ist für mich noch nicht genügend. Die Behauptung, daß das Gesetz zu große Härten mit sich führe, die man nicht vorausgesehen habe, muß erst bewiesen werden. Das statistische Material, das Herr von Bethmann⸗Hollweg vorgebracht hat, ist unvollständig. Wir müssen abwarten, bis das Material gesammelt ist. Ich schlage darum vor:

in Erwägung, daß nach der Erklärung der Staatsregierun das zur Begründung des Gesetzentwurfs erforderliche Material no nicht vorhanden ist, die Abstimmung über den Gesetzentwurf bis zur Vorlage dieses Materials zu vertagen und die ö“ zur möglichst baldigen Vorlage des Materials zu ersuchen.

Geheimer Justiz⸗Rath Dernburg: Das Gesetz ist eine Ver⸗ letzung des materiellen Rechts Der Richter muß es natürlich aus⸗ führen, aber nur so lange, als es nicht aufgehoben ist. Der Staat hat nicht das Recht, die Entschädigungen, die er gezahlt hat, zurück⸗ zufordern, weil er von seinem Rechte, die Grundsteuer zu erheben, nun keinen Gebrauch machen will. Mit demselben Rechte könnte der Käufer eines Pferdes plötzlich den Kaufpreis zurückfordern mit der Begründung, daß er jetzt nur noch Veloziped fahre. (Heiterkeit.) Es war damals ein zweiseitiges Geschäft zwischen dem Staat und den Grundsteuerprivilegierten. Ob der Staat von seinem Rechte Gebrauch machen will oder nicht, ist seine Sache, kann aber niemals ein Grund zur Rückforderung der Entschädigung sein. Hier ist eine 1“ gesetzlich fixiert. Ich bitte Sie, dem materiellen Recht gebührende Würdigung zu gewähren und dem Antrage des Herrn von Bethmann⸗Hollweg zuzustimmen.

Bürgermeister Hammer trat für den Antrag des Ober⸗Bürger⸗ meisters Becker ein. . 8

Herr von Klitzing: Ich bitte Sie, den Antrag des Herrn von Bethmann⸗Hollweg anzunehmen, den Kommissionsantrag und den Antrag des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Becker abzulehnen. Bis dat, qui cito dat. Das Gesetz hat in die Kreise des Grundbesitzes eine Unrube getragen, von der die Herren in Berlin keine Ahnung haben. 1600 Personen haben sich schriftlich und mündlich an mich um Rath ewendet. Sie beklagen sich, daß nicht nur das Privileg, das sie von Friedrich II. erhalten hätten, nun weg wäre, sondern daß sie auch die Entschädigungen zurückzahlen und außerdem noch Steuern entrichten müßten. Die Leute sehen mit klarem Verstande ein, daß sie mehr bezahlen sollen als andere, trotzdem sie durch einen unserer Könige privilegiert waren. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Es wird eine große Aufregung in die Bevölkerung getragen, die man gerade unter den heutigen Verhältnissen vermeiden müßte.

Graf von Klinckowstroem: Ein großer Theil derjenigen, die seiner Zeit für die Rückzahlung der Entschädigung stimmten, that dies nur, um die Steuerreform nicht zu gefährden. Herr von Bethmann⸗ Hollweg hat bereits darauf hingewiesen, daß wir zugestimmt haben, weil wir glaubten, die Hauptbelastung werde auf den Großgrundbesitz fallen. Nachdem sich berausgestellt hat, daß besonders der kleine Grundbesitz unter der Maßregel leidet, halten wir es für unsere Pflicht, den damals begangenen Fehler zu reparieren. Das Material des Herrn von Bethmann⸗Hollweg kann ich in Bezug auf Ostpreußen ergänzen, wo bis auf wenige Ausnahmen die Privilegierten Klein⸗ grundbesitzer sind. Dazu kommen die kolossalen Schwierigkeiten, die sich der Durchführung der Maßregel entgegenstellen. Meist ist es absolut unmöglich festzustellen, ob ein Verkauf im Sinne des Gesetzes vor⸗ liegt oder nicht. Was die prinzipielle Seite der Frage anlangt, so muß festgestellt werden, daß die staatliche Grundsteuer garnicht auf⸗ gehoben ist. Und in diesen Zeiten der Noth und des Elends in der Landwirthschaft müssen wir uns doch fragen: lohnt es sich denn überhaupt für den Staat, für die 300 000 ℳ, die hierbei in Frage stehen, all die Schreibereien, die Prozesse, die Erregung von Unzufrieden⸗ heit in Kauf zu nehmen? Wenn Herr Zelle fragt: was wird das Volk, was die Presse dazu sagen? so meine ich: das Urtheil des Volkes können wir in Ruhe erwarten, und der Dank eines einzigen Bauern ist mir mehr werth, als das Urtheil der ganzen Presse.

Herr von bemerkte, er habe sich seiner Zeit für die Rückzahlungspflicht ausgesprochen. Nachdem sich aber ergeben habe, daß davon vorwiegend der kleine Grundbesitz betroffen wird, während in der Zwischenzeit die Lage der Landwirthschaft eine so überaus kritische geworden sei, stimme er dem Antrage des Herrn von Bethmann⸗Hollweg zu. Das Bedenken des Regierungsvertreters theile er nicht, daß man an einem Gesetze, das erst zwei Jahre in Kraft sei, nicht ändern sollte. Die Regierung habe ja selbst eine Aenderung des Kommunalsteuergesetzes vorgeschlagen.

Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Wallach erwiderte, das Bedenken richte sich dagegen, daß hier ein wesentlicher Punkt aus dem Organismus des ganzen Gesetzes herausgenommen werden solle, bevor sich die Wirkung der bezüglichen Bestimmung völlig übersehen lasse.

Graf von Zieten⸗Schwerin machte darauf aufmerksam, daß der Antrag des Ober⸗Bürgermeisters Becker seinen Zweck nicht erreiche, wenn nicht der Termin für die Abgabe der Erklärungen hinausgeschoben werde.

Freiherr von Solemacher erklärte sich für den Antrag des Herrn von Bethmann⸗Hollweg. 8

Der Antrag des Herrn von Bethmann⸗Hollweg wurde mit großer Mehrheit angenommen.

Dem Gesetzentwurf, betreffend die Ergänzung des § 98 der Hinterlegungsordnung, stimmte das Haus in ein⸗ maliger Schlußberathung ohne Debatte zu, ebenso dem Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Aufhebung des in dem vormaligen Fürstbisthum Fulda für die Einwilligung von Ehefrauen in Bürgschaften und Expromissionen der Ehemänner bestehenden Erfordernisses der gerichtlichen Form.

e2s folgte noch der Bericht der Kommission für Agrarverhält⸗

nisse über eine Petition des Dr. Stolp in Charlottenburg, betreffend die genossenschaftliche Organisation des landwirthschaftlichen Berufsstandes und Vorbeugung vor des landwirthschaftlichen Lenedeefihen

Die Kommission beantragte, den ersten Theil der Petition der Staatsregierung als Material und den zweiten Theil als Material und zur Erwägung zu überweisen.

Das Haus trat diesem Vorschlage bei.

Damit war die Tagesordnung um 3 ¾ Uhr erledigt.

Freiherr von Manteuffel fragte den Präsidenten, ob er Nach⸗ richt erhalten habe, wann der Landwirthschafts⸗Minister die Inter⸗ pellation des Herrn von Hertzberg⸗Lottin zu beantworten bereit sei. (Dieselbe enthält die Frage, wann die Regierung mit den „kleinen Mitteln“ zur Hebung der Landwirthschaft vorgehen wolle.)

Präsident Fürst zu Stolberg erwiderte, daß er offizielle Nach⸗ richt noch nicht erhalten habe; ihm sei jedoch mitgetheilt worden, daß der Sen Landwirthschafts⸗Minister am Montag nicht anwesend sein werde.

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Sachße theilte mit, daß der Landwirthschafts-Minister am Montag und Dienstag sich auf amt⸗ lichen Reisen befinden werde.

Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. Vollagen 8 8

Kleine

(Petitionen,

Haus der Abgeordneten.

Ueber den Beginn der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.

Auf der Tagesordnung stand zunächst die Berathung des von den Abgg. Freiherrn von Heereman (Zentr.) u. Gen. eingebrachten Gesetzentwurfs zur Wiederherstellung de durch die Gesetze vom 5. April 1873 und 18. Jun 1875 aufgehobenen Artikel 15, 16 und 18 der Ver⸗ fassungsurkunde.

Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum kkons.): Ich habe namen meiner politischen Freunde nur eine Erklärung abzugeben: konservative Partei steht nach wie vor auf dem Boden, die Selb ständigkeit beider Kirchen, der katholischen und evangelischen, na ihrer Individualität zu pflegen und zu fördern. Wir erachten abe den Antrag, den die Herren vom Zentrum gestellt haben, nicht den geeigneten Weg, dieses Ziel zu erreichen, weil die Annahme dieses Antrags eine nicht zu übersehende Unsicherheit des Rechtszustandes herbeiführen würde. Wir werden deshalb gegen den Antrag stimme und gedenken, uns ferner an der Diskussion nicht zu betheiligen.

Abg. Langerhans (fr. Vp.): Im Namen meiner politischen Freunde habe ich folgende Erklärung abzugeben: Einen Ausbau der Verfassung zur Erweiterung und Festigung der kirchlichen Freiheit und Gleichheit in religiösen Dingen halten auch wir für gebsten. Aber diese Ergänzung hat sich unseres Erachtens nicht zu beschränken auf den Bereich der aufgehobenen Verfassungsartikel, sondern sie muß auch die Abstellung der Beschwerden sichern, welche andere Religions⸗ gesellschaften als die beiden privilegierten Kirchen namentlich in Bezug auf die Artikel 12, 13 und 14 in berechtigter Weise erhoben. Jede Bevorrechtung von Religionsgesellschaften durch den Staat ist 4 zu beseitigen. Die einfache Wiederherstellung der Artikel 15, 16 und 18 entspricht daher nicht unseren Ansichten, und wir können des halb dem Antrage des Zentrums nicht zustimmen.

Abg. Motty (Pole): Angesichts der Ausführungen des Freiherrn von Heereman kann ich mich kurz auf allgemeine Gesichtspunkte be schränken. Auch wir erachten den vorliegenden Antrag nicht für einen konfessionellen und werden ihn auch von diesem Gesichtspunkte aus behandeln. Der Abg. Hobrecht sagt, der Antrag sei deshalb unannehm bar, weil das Verhältniß zwischen Staat und Kirche nur durch Spezial esetze geregelt werden könne, nicht durch allgemeine Bestimmungen bülen diese Artikel haben lange Jahre bestanden, und es hat sich herausgestellt, daß auf Grund dieser Paragraphen das Verhältniß zwischen Staat und Kirche fortbestehen und sich entwickeln kann. Die kirchenpolitischen Gesetze sind Ausnahmegesetze, sie bedeuten den Kampf der materiellen gegen die geistige Diese Gesetze sind nicht bloß ein Unrecht, sondern auch ein großer politischer Fehler Das hat sich bereits herausgestellt, und die maßgebenden Kreise haben erkannt, daß man mit solchen Waffen den Kulturkampf nicht fort führen kann. Der Staat hat einen theilweisen Rückzug angetreten. Der endliche Sieg der geistigen über die materielle Macht ist mir un zweifelhaft. Vorläufig handelt es sich darum, diesem Siege Bahn z brechen. Fehler zu machen, ist menschlich; auf ihnen zu beharren, is bedenklich; sie gut zu machen, weise. Tritt man gegen die Kirche auf so tritt man auch auf gegen die Religion. Religion und Kirche sin aber die festesten Schilde gegen den Umsturz. Ich bitte Sie, für de Antrag zu stimmen. b 8

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Mein politischen Freunde werden gegen den Antrag des Abg. Freiherrn vo Heereman stimmen. Wir halten es weder unter dem allgemein poli⸗ tischen Gesichtspunkt, noch insbesondere im Interesse des Friedens zwischen Staat und Kirche und des gedeihlichen Zusammenwirkens beider für ersprießlich, heute in eine Erörterung des Verhältnisse von Staat und Kirche näher einzugehen und werden daher auch au die sachlichen Ausführungen des Herrn Freiherrn von Heereman nicht erwidern. Wir halten es auch gerade im Interesse des Friedens zwischen Staat und Kirche nicht für wünschenswerth, den seit 20 Jahren beschrittenen Weg der Regelung des Verhältnisses zwischen beiden durch Spezialgesetze jetzt wieder aufzugeben und zu dem Zustande zurück⸗ zukehren, wie er vor 1875 war. Deshalb werden wir gegen den An trag des Freiherrn von Heereman stimmen. 1

Abg. Schabnasjan (fr. Vg.): Im Namen meiner politischen Freunde habe ich zu erklären, daß wir gegen den Antrag des Zen⸗ trums, wie er gestellt ist, stimmen werden.

Abg. Bachem (Zentr.): Die ablehnende Haltung der anderen Parteien hat uns betrübt —, wir hatten gedacht, daß die Erfahrungen des Kulturkampfes, der ja nun, Gott sei Dank, weit hinter uns liegt, Sie dazu bewegen würden, uns die Hand zu bieten. Ich kann nicht umhin, Ihnen für die ruhige Art meinen Dank auszusprechen, mi der die Sache heute hier verhandelt wurde. Aber daß Sie sich so kurz erklärt haben, müssen wir umsomehr bedauern, als uns bei Ein bringung des Antrags nicht sowohl an einer bloßen Ab stimmung, als gerade an einer ruhigen Diskussion über das gegenseitige Verhältniß von Kirche und Staat gelegen war. Denn wir haben die feste Ueberzeugung, daß Sie, wenn Sie sich auf die Sache einlassen, zu unserer Ansicht kommen werden. möchte zu den Ausführungen des Abg. Freiherrn von Heereman zwei Fragen hinzufügen. Und zwar erstens: was hat es dem Staat geschadet, daß vom Jahre 1850 bis zum Jahre 1873 resp. 1875 die dann aufgehobenen Paragraphen der Verfassung bestanden haben? Niemand kann behaupten, daß sie einen Schaden angerichtet hätten. Und zweitens: Was hat es dem Staat genützt, daß im Jahre 1873 bezw. im Jahre 1875 die beregten Artikel aus der Verfassung gestrichen worden sind? Das liegt doch wohl auf d

8