1895 / 121 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 21 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

berathung. Die Partei des Interesse des Ringes, sondern das des großen Publikums, welches allein maßgebend sei. Die Abgg. Steinwender und Pacak befürworteten die Dringlichkeit. Der Antrag auf Dringlichkeit wurde abgelehnt, worauf der Antrag selbst nach dem Vorschlage des Abg. Sueß dem Budgetausschuß über⸗ wiesen wurde.

Die „Budapester Korrespondenz“ tritt den Behauptungen über angebliche Verhandlungen zwischen dem Minister⸗ Präsidenten Baron Banffy und dem Minister des Aeußern Grafen Goluchowski über die Interpretierung des Artikels der ungarischen Verfassung, betreffend den Einfluß der ungarischen Regierung auf die äußere Politik, und über eine angebliche Meinungsverschiedenheit in dieser Frage entgegen. Das Blatt stellt fest, daß die Minister der auswärtigen Angelegenheiten seit 1867, einschließlich des Grafen Kälnoky, ausnahmelos nach dem Grundsatz gehandelt hätten, daß die äußere Politik im Einvernehmen mit dem ungarischen Minister⸗Präsidenten zu leiten sei, und weist dies nach, indem es noch im einzelnen betont, daß auch in den letzten Monaten nicht anders gehandelt worden sei, Neuerungen also absolut nicht nothwendig seien.

Dasselbe Blatt meldet, die Regierung beabsichtige, die beiden von dem Oberhause abgeänderten kirchenpolitischen Vorlagen unverändert aufrecht zu halten. Es sei nunmehr zweifellos, daß auch die Majorität der Magnaten die Vor⸗ lagen in ihrer ursprünglichen Fassung annehmen werde. Die Vorlagen, die voraussichtlich von dem Unterhause wieder an⸗ genommen werden würden, würden an das Oberhaus zurück⸗ elangen, welches sich jedoch wegen der im Juni stattfindenden

elegationssitzungen voraussichtlich erst im Herbst damit beschäftigen werde.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Unter⸗ hauses (über den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. unter den nach Schluß der Redaktion ein⸗ gegangen Depeschen berichtet worden) beantwortete der Minister⸗ Präsident Baron Banffy die Interpellationen über die Agliardi⸗Affaire dahin, daß nach der vorhergegangenen Diskussion eine Antwort überflüssig erscheine; doch könne er sagen, daß das Ansehen der ungarischen Regierung keinerlei Abbruch erlitten habe. Die Oppo⸗ sition war über diese Antwort sehr erregt, während die Liberalen sie mit Beifall aufnahmen. Der Interpellant, Abg. Helfy, vermißte einen Aufschluß über den gegenwärtigen Stand der Agliardi⸗Affaire und fragte: „Ist eine Demarche in Rom erfolgt oder nicht?“ Der Interpellant, Abg. Ugron, vermißte ebenfalls eine Auskunft über die beim Vatikan erhobene Beschwerde. Der Minister⸗Präsident Baron Banffy erwiderte, es liege nicht im Interesse des Landes und der fraglichen Angelegenheit, in Details derselben ein⸗ zugehen. Die Majorität nahm sodann die Antwort zur Kenntniß, womit die Angelegenheit im Unterhause erledigt war.

Großbritannien und Irland.

Der Premier⸗Minister Lord Rosebery ist von seinem Ausflug im Kanal La Manche gestern wieder in Portsmouth eingetroffen und hat sich sofort nach London begeben. Sein Befinden scheint sich auf der Reise gebessert zu haben. Die gestern im Parlament verbreiteten Gerüchte, Lord Rosebery wolle seine Demission einreichen, werden von den heutigen Morgenblättern als durchaus unglaubwürdig bezeichnet.

Das schottische Parlamentsmitglied Mac Gregor hat infolge der Weigerung des Schatzkanzlers Sir W. Harcourt, eine endgültige Zusicherung bezüglich der Vorlage uͤber die Unterstützung der schottischen kleinen Grundbesitzer (crofters) zu machen, sein Mandat niedergelegt.

3 Frrankreich.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer be⸗ antragte, wie „W. T. B.“ berichtet, Gérault Richard die Aufhebung der infolge der anarchistischen Attentate im Jahre 1893 und 1894 genehmigten Gesetze und verlangte die Dring⸗ lichkeit, denn diese Gesetze seien gegen die wahren Republikaner gerichtet. Der Justiz⸗Minister Trarieux bekämpfte die Dringlichkeit und wies nach, daß die betreffenden Gesetze keinen Mißbrauch herbeigeführt hätten; sie seien einfach Ge⸗ setze, die zum Schutz der Bürger gegeben seien. Die Dringlichkeit wurde hierauf mit großer Ma⸗ jorität abgelehnt. Im weiteren Verlauf der Sitzung interpellierte Rabier (radikal) über die klerikale Propaganda in der Armee und griff besonders den kommandierenden General des V. Armce⸗Korps an, der seine Mannschaften ver⸗ anlaßt habe, religiösen Zeremonien beizuwohnen. Der Kriegs⸗ Minister, General Zurlinden erwiderte, die von dem Redner angeführten Thatsachen seien übertrieben. Die Soldaten des V. Armee⸗Korps hätten zwar an religiösen Feierlichkeiten theilgenommen, die Feierlichkeiten hätten aber zu Ehren der Jungfrau von Orléans stattgefunden. Der Kriegs⸗Minister lobte am Schlusse seiner Rede den Patriotismus der Armee. Der Minister⸗Präsident Ribot erklärte, die Regierung wolle nicht die Freiheit und das Gewissen antasten; die Vorgesetzten müßten allen Soldaten die Erfüllung ihrer religiösen Pflichten erleichtern, dürften aber keine Pression auf dieselben ausüben; die Soldaten dürften sich keiner Genossenschaft anschließen. Die Regierung werde keine Propaganda in der Armee dulden. Hierauf schlug die Rechte eine einfache Tages⸗ ordnung vor, welche der Minister⸗Präsident ablehnte und die mit 510 gegen 63 Stimmen verworfen wurde. Der Minister⸗Präsident billigte alsdann eine Tagesordnung, worin von den Zusicherungen der Regierung Akt genommen und auf deren Festigkeit gerechnet wird, daß sie in der Armee die Freiheit des Gewissens und die religiöse Neutralität sichern werde. Diese Tagesordnung wurde mit 335 gegen 218 Stimmen genehmigt und sodann die Sitzung geschlossen.

Italien. Das unter dem Oberbefehl des Herzogs von Genua stehende Geschwader, das an den Feierlichkeiten zur Er⸗ öffnung des Nord-⸗Ostsee⸗Kanals theilnimmt, ist gestern von Spezia ausgelaufen.

Spanien.

Der Herzog von Orléans wird wegen der in Sevilla herrschenden Hitze nach London gebracht werden.

Türkei.

Der Gouverneur von Skutari hat nach einer Mel⸗ dung des „W. T. B.“ aus Cetinje seine Entlassung Lin⸗ gereicht, welche von der Peforse angenommen worden ist. Ucher

seinen Nachfolger ist noch nichts bestimmt.

Redners vertrete nicht das

Der Oberste Gerichtshof hat mit 5 gegen 4 Stimmen ganze Einkommensteuergesetz für verfassungswidrig erklärt.

Der Kreuzer „Columbia“ ist zur Theilnahme an den Kieler Festlichkeiten gestern von New⸗York in See gegangen.

Parlamentarische Nachrichten. Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen

des Reichstags, des Herrenhauses und des

der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Bei age.

In der heutigen (97.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär Dr. Graf von Posadowsky beiwohnte, wurde in zweiter Lesung der Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des Branntweinsteuergesetzes vom 24. Juni 1887, berathen.

Der § 1 der Vorlage wurde ohne Debatte angenommen.

Der § 2 des Gesetzentwurfs verlängert die Dauer der Kontingentierungsperiode von 3 auf 5 Jahre und sieht eine Kürzung der Kontingente derjenigen Brennereien, welche mehr als 150 000 1 Branntwein sährlich produzieren, um ein Fünfundzwanzigstel, jedoch nicht unter den Betrag von 150 I, vor. Die Kommission beantragte, eine Kürzung um ein Zwanzigstel eintreten zu lassen.

Abg. Richter (fr. Volksp.) wandte sich gegen die Verlängerung der Kontingentierungsperiode, welche eine der Konkurrenz bedeute. Gleichzeitig verletze dieselbe ein bavyerisches Reservatrecht, sodaß die Bestimmung nicht ohne Zustimmung des bayerischen Land⸗ tags getroffen werden könne.

Der bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Ministerial⸗ Rath von Geiger trat dieser Behauptung mit dem Bemerken ent⸗ gegen, daß ein baverisches Reservatrecht bezüglich der Dauer der Kon⸗ tingentierungsperiode nicht bestehe.

Abg. Weiß (fr. Volksp.) bekämpfte die von der Kommission beantrogte Kürzung des Kontingents um ein Zwanzigstel. Dieselbe würde die Genossenschaftsbrennereien in Süddeutschland schwer schädigen. Das ganze Gesetz sei auf die Verhältnisse des ostpreußischen Großgrundbesitzes zugeschnitten. Er bitte, es wenigstens bei der in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Kürzung zu belassen. Wenn die Vorlage auch vielleicht dem Wortlaut des baperischen Reservatrechts nicht widerspreche, so widerspreche sie doch dem Geiste desselben.

Der baverische Bevollmächtigte zum Bundesrath, Ministerial⸗Rath von Geiger stellte demgemäß nochmals fest, daß ein bavyerisches Reservatrecht durch die Vorlage nicht verletzt werde.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen (69.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, zu welcher der Finanz⸗Minister Dr. Miquel erschienen war, wurden zunächst die Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer für das Jahr 1893/94 durch Ertheilung der Entlastung erledigt und hierauf die gestern abgebrochene Berathung des Antrags Arendt und Ge⸗ nossen, die internationale Regelung der Währungs⸗ frage betreffend, fortgesetzt.

„Abg. Im Walle (Ztt.): Innerhalb des Kreises meiner politischen Freunde giebt es zahlreiche Anhänger des Antrags; ob aber alle, welche den Antrag unterstützt haben, Anhänger desselben sind, ist eine andere Frage, denn es giebt darunter auch Anhänger der reinen Goldwährung. Ich muß mir hier eine gewisse Reserve auf⸗ erlegen, weil ich mir bisher ein festes Urtheil über die Folgen der Einführung der Doppelwährung nicht habe bilden können. Bis jetzt bin ich der Ansicht, daß die Ein⸗ führung des Bimetallismus nachtheilig ist, aber es ist eine flüssige Frage, deren Beantwortung durch wirthschaftliche Verhält⸗ nisse begründet ist und sich ja ändern kann. Ebenso bin ich auch der unbescheidenen Ansicht, daß ein großer Theil der Abgeordneten die Frage nicht genügend kennt, um sich ein abschließendes Urtheil darüber gebildet zu haben. Darum halte ich es für inopportun, wenn wir jetzt vor die Frage gestellt werden, ob wir unsere bewährte Gold⸗ währung aufgeben und einen Sprung in das Dunkle des Bimetallismus machen sollen. Freiherr von Zedlitz hat gemeint, der Schlußsatz des Arendt’schen Antrags sei überflüssig. Ich halte im Gegentbein den Schlußsatz für die Hauptsache, denn was soll sonst der ganze Antrag bezwecken? Der Herr Reichstanzler hat sich bereits im Reichstag und im Herrenhause zur Ergreifung der nöthigen Schritte behufs internationaler Regelung der Währungsfrage bereit erklärt; wozu also noch, wie der Berliner sagt, das Drängeln? Ohne den Schlußpassus wäre also der Antrag Arendt unverständlich. Nun aber ver⸗ langt er, daß wir uns für den Bimetallismus festlegen sollen. Selbst Frhr. von Zedlitz hat zugegeben, daß im Bimetallismus nicht alles heil ist. Ich bin der Ansicht, daß die Hoffnungen, die auf den Bimetallismus gesetzt werden, in hohem Grade übertrieben sind. Andere Staaten streben nach der Goldwährung. Rußland ist im Begriff, sie einzuführen; es ist eine Thatsache, daß der russische Minister Tag und Nacht Gold prägen läßt. Wenn große Staatsmänner so großer Staaten, wie Rußland und Oesterreich, für die Goldwährung eintreten, sollen wir zum Bimetallismus übergehen? Es ist wohl übrigens kein Zufall, daß der Antrag Arendt in so nahe Beziehung zum Antrag Kanitz gebracht wird; dieser Antrag ist aber bereits zum alten Eisen geworfen. Was von seiten der Herren Bimetallisten angeführt wird, ist doch nicht überzeugend genug, um glauben zu lassen, daß durch dieses Mittel gerade das Hauptübel der Landwirthschaft beseitigt werden würde. Denn dieses Hauptübel besteht darin, daß unsere Landwirthschaft mit anderen Ländern, wie Amerika u. a., nicht konkurrieren kann. Wenn man meint, daß dieses Uebel dadurch beseitigt werden würde, daß die Getreidepreise steigen, so ist doch dagegen anzuführen, daß durch Einführung der Doppelwährung nicht nur das Getreide, sondern alle Waaren im Preise steigen würden, d. h. mit anderen Worten, das Geld entwerthet würde und somit durch die höheren Preise dem Landwirth kein Vortheil erwachsen würde. Sodann ist darauf hinzuweisen, daß die Goldwährung uns einen so niedrigen Zinsfuß gebracht hat, wie er noch nie dagewesen ist. Mit Einführung der Doppelwährung würde der Zinsfuß steigen. Schon jetzt bei der Goldwährung laufen vielfach Petitionen von Beamten um Erhöhung ihrer Gehälter ein, und die Staats⸗ regierung hat anerkannt, daß es wünschenswerth wäre, namentlich die Mittelbeamten besser stellen zu können. Um wieviel würde sich die Lage dieser Beamten durch die Entwerthung des Geldes durch die Doppelwährung nicht noch verschlimmern! Ebenso würden alle andern Leute, deren Einkommen aus Gehältern fließt, mehr oder weniger geschädigt. Wenn sich nun in der That alle Kulturstaaten einschließ⸗ lich Englands zum Uebergang zum Bimetallismus vereinigten, 89 würden ja alle diese Gefahren verringert werden. Wie aber würde es denn werden, wenn ein Krieg ausbräche und dadurch die Vereinbarung illusorisch würde? Ein unendlicher Sturz des Silbers wäre die unmittelbare Folge, eine Entwerthung, die nur diejenigen Staaten aushalten könnten, die Gold genug haben und solch ein Staat ist jetzt noch Deutschland. Das mendement des von Zedlitz ist jedenfalls schon ein Vortheil. Wenn schon, o würden wir für dieses Amendement stimmen; aber ob mit ob ohne

Amendement wir können uns für den Antrag nicht aussprechen.

Abg. Freiherr von Erffa (kons.): Als Vertreter einer Partei welche die Förderung des landwirthschaftlichen Gewerbes in ihr Pre⸗ gramm aufgenommen hat, will ich die vorliegende Frage nur b 88 landwirthschaft lichen Standpunkt aus beleuchten. Dem ü Vom redner möchte ich nur das Eine erwidern, er mit seiner Ansicht Ror⸗ land wolle zur Goldwährung übergehen, au dem Holzwege ist. drß⸗ Broemel meinte, es sei ein Irrthum, daß die minderwerthige Valutn anderer Länder die deutsche Landwirthschaft unrentabel mache. Damit stellt er sich in Widerspruch mit einer unbestrittenen Theorie der Naticnalt ökonomie. In Deutschland kann man für 20 nur 3 Zentn Weizen, in Argentinien 6 bis 7 Zentner kaufen. Und bei dees Preise macht der Argentinier noch ein gutes Geschäft. Wie kann da der deutsche Landwirth, ganz abgesehen von den billigen Frachtsätzen und dem noch sehr kulturfähigen Boden Argentiniens, existieren einer solchen Valutadifferenz 121 Daß Argentinien viel exportieren müsse, um seine Zinsen bezahlen zu können, ist ein werthvolles Ge⸗ ständniß der Manchesterpartei. Auf Kosten der Landwirth⸗ schaft sollen also die deutschen zu ihren Zinsen kommen Weil die Sorglosigkeit der deutschen Regierung alle möglichen An⸗ leihen von ganz ruinierten und wirthschaftlich schlechten Ländern auf den deutschen Weltmarkt geworfen, und weil das Großkapital diese Anleihen mit marktschreierischen Notizen und großartigen Prospekten untergebracht hat, soll die deutsche Landwirthschaft verbluten! Mögen auch kleine Leute an diesen Anleihen betheiligt sein⸗ ich habe mit ihnen kein Mitleid. Warum nehmen sie nicht die sicheren Preußischen Konsols? Die Branntwein⸗ und Zuckerprämien werden als „Liebesgabe“ bezeichnet. Diesen Prämien stebt aber eine Kontingentierung gegenüber, während die Anleihen auf Kosten der Landwirthschaft ohne ontingentierung auf den deutschen Markt geworfen werden. Ist das keine Liebesgabe? Allerdings hängt die Gestaltung der Preise nicht allein von der Währagn ab, sondern auch von der Börse. Herr Broemel hat auf Rußland hingewiesen. Der russische Bauer hat durch sein Paviergeld einen Vorsprung von 50 % vor der deutschen Landwirthschaft. Ist das schon ein großer Vortheil, so möchte ich weiter daran erinnern, daß in jedem Herbst der Rubelpreis sinkt, weil alsdann die neuen Papierrubel ausgegeben werden. In jedem Jahre erneuert sich auf diese Weise die Exportbontfikation für den russischen Händler. Herr Broemel hat ldee eine Aera steigender Getreidepreise prophezeit. Wenn diese Prophezeiung in Erfüllung geht, will ich Herrn Broemel gern als neuen Schutzpatron der Landwirthschaft verehren. Bisher habe ich ihn freilich stets nur sozusagen als nega⸗ tiven Schutzpatron kennen gelernt, ähnlich wie den heiligen Pankratius der im Mai die Nachtfröste bringt. Wenn übrigens Herr Broemel meint, die deutschen Landwirthe legten nicht genug selbst Hand an um ihre Lage zu verbessern, so weise ich diese Behauptung entschieden zurück. Es ist freilich leichter, einen Leitartikel gegen die unersättliche Habgier der Agrarier zu schreiben, als eine Ernte unter Dach und Fach zu bringen. Wir sind gewiß keine Gegner der kleinen Mittel welche zur Linderung der Noth der Landwirthschaft empfohlen werden, aber in unserer gegenwärtigen Lage können nur noch die großen Mittel helfen, und dazu gehört die Regelung der Währungs⸗ frage in unserem Sinne. Es wird behauptet, der Zeitpunkt unseres Antrags sei schlecht gewählt, nachdem der Reichskanzler die bekannte Erklärung im Reichstag abgegeben. Der Abg. Im Walle sprach sogar von einem „Drängeln“ gegen den Reichskanzler. Aber das ist nothwendig, wenn die Enquête überhaupt zu Ende kommen soll. Was den Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz betrifft, so spricht derselbe eigentlich Selbstverständliches aus und wir werden für ihn stimmen.

Abg. Dr. Arendt (frkons.): Schon in meinen einleitenden Worten habe ich bemerkt, daß ich dem Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz zustimmen werde. Nach Rücksprache mit den übrigen Herren Antragstellern nehme ich den Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz in meinen Antrag auf.

Abg. van Vleuten (Zentr.): Schon häufig ist aus den Reihen unserer Fraktion für den Bimetallis mus gesprochen worden. In der Fraktion sind aber die Ansichten getheilt. Ich zweifle nicht, daß die Einführung des Bimetallismus einen gewissen Nutzen für die Land⸗

wirthschaft haben würde, glaube aber, daß so bedeutende Nachtheile

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für das ganze Inland damit verbunden wären, daß wir besser von

der Doppelwährung absehen. 8 8

(Schluß des Blattes.) 8

Die Kommission des Reichstags für den Reichshaus⸗ halts⸗Etat hat die Verhandlungen über die derselben zur Vorberathung überwiesenen Entwürfe eines Gesetzes, betreffend die Feststellung a. eines zweiten Rachtrags zum Reichshaushalts⸗Ekat für das Etatsjahr 1895/96 und b. eines Nachtrags zum Haushalts⸗ Etat für die Schutzgebiete auf das Etatsjahr 1895,96, beendigt und folgenden Antrag gestellt: „Der Reichstag wolle beschließen: den Vorlagen der verbündeten Regierungen in allen ihren Theilen unverändert die verfassungsmäßige Genehmigung zu ertheilen.“

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Nach § 4 Z. 1 des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 unterliegt der Gewerbesteuer nicht der Gartenbau mit Ausnahme der Kunst⸗ und Handelsgärtnerei einschließlich des Absatzes der selbstgewonnenen Erzeugnisse in rohem Zustande oder nach einer im Bereich dieses Erwerbszweigs (des Gartenbaues) liegenden Ver⸗ arbeitung. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Ver⸗ waltungsgericht, VI. Senat, 1. Kammer, durch Entscheidung vom 6. Dezemder 1894 folgende Sätze ausgesprochen:

1) Auch der berufsmäßige Gartenbau zum Zwecke der Gewinnerzielung ist regelmäßig steuerfrei, und Sache der Steuerbehörde ist es, diejenigen thatsächlichen Merkmale des Be⸗ triebes, welche die Steuerpflicht als Ausnahme von der Regel be⸗ gründen, festzustellen. Bezeichnet sich aber ein Gärtner als Kunst⸗ und Handelsgärtner, so kann ihm, falls er der Steuerbehörde gegenüber behauptet, eine Kunst⸗ und Handelsgärtnerei im Sinne des Gesetzes nicht zu betreiben, die Begründung dieser Behauptung im Rechtsmittelwege überlassen werden. 8 2) Die Kunst⸗ und Handelsgärtnerei, gleichviel ob sie von einem berufsmäßigen Gärtner oder von einer Person betrieben wird, welche den Gartenbau nur als Nebenerwerb pflegt, ist steuerpflichtig.

3) In zweifelhaften Fällen, in denen die Zugehörigkeit eines Betriebes zur „Kunst⸗ und Handelsgärtnerei“ nicht mit Sicherheit bestimmt und die Entscheidung nur nach subjektivem Er⸗ messen getroffen werden kann, wird es sich empfehlen, eher die Regel der Steuerfreiheit als die Ausnahmebestimmung der Steuerpflicht zur Anwendung zu bringen. ööe6“

4) Unter „Kunst⸗ und Handelsgärtnerei“ im Sinne des Gesetzes ist eine Gärtnerei zu verstehen, welche sowohl Kunst⸗, als auch Handelsgärtnerei ist. Bestimmte Merkmale, welche je für sich behufs Entscheidung der Frage über die Zugehörigkeit eines Betriebes zur Kunst⸗ und Handelsgärtnerei mit Sicherheit den Ausschlag geben könnten, lassen sich nicht bezeichnen; jedoch können als Merkmale der Kunst⸗ und Handels gärtnerei erachtet werden: Technische Vorbildung des Betriebsinhabers, seiner Angestellten oder Gehilfen, vamentiich in Verbindung mit der Za der nicht technischen Arbeitskräfte, künstliche Anlagen von nich untergeordneter Bedeutung wie z. B. eine ungewöhnlich große Zahl von Frühbeeten, größere Gewächshäuser und Kreibhausanlagen, größere maschinelle Vorrichtungen u. dgl. —, kaufmännische Betriebs⸗ formen u. s. w.

„5) Die bloße Thatsache, daß ein Gärtner Treibhäuser unter⸗

hält, macht ihn noch nicht zu einem Kunst⸗ und Handelsgärtner. 8 Ein Gärtner war, weil er Treibhäuser (von w Art dels⸗

Beschaffenheit, ist nicht ersichtlich) unterhält, als Kunst⸗ und Hande

gärtner zur Gewerbesteuer herangezogen, und auf seinen Einspruch und seine Berufung war diese Heranziehung vom und von der Bezirksregierung aufrecht erhalten worden. „Auf die Beschwerde des Gärtners hob das Ober⸗Verwaltungsgericht die entscheidung auf, indem es die oben erwähnten Sätze aussprach. Aus der Begründung entnehmen wir noch folgende Sätze:

„Die große Masse derjenigen, welche den Gartenbau mit der Ab⸗ sicht der Gewinnerzielung ausüben, soll steuerfrei sein; eine besonders gualifizierte Minderzahl soll der Steuerypflicht unterliegen. Diese Minderzahl setzt sich außer den hier nicht weiter interessierenden, stets gewerbesteuerpflichtigen Betrieben, welche ihren Absatz nicht auf eigene Erzeugnisse heschränken oder die letzteren einer nicht im Be⸗ reiche des Gartenbaues liegenden Verarbeitung unterziehen aus den⸗ jenigen Betrieben zusammen, welche sich als „Kunst⸗ und Han⸗ delsgärtnerei“ darstellen. Das Ges unterscheidet also bei Bestimmung der Steuerfreiheit als eger nicht zwischen selchen Gartenbauern, welche diesen Erwerbszweig als ein⸗ jigen Beruf oder als Hauptberuf verfolgen (berufs⸗ mäßige Gärtner), und denjenigen, welche den Gartenbau nur als Nebenerwerb betreiben. Auch für die berufsmäßigen Gärtner gilt als Regel die Steuerfreiheit, und es muß deshalb, damit nicht bei der praktischen Handhabung des Gesetzes, seiner Absicht zu⸗ wider, die Regel zur Ausnahme wird, der für den Umfang der Aus⸗ nahme maßgebende Ausdruck „Kunst⸗ und Handelsgärtnerei“ eher in einem eee als in einem ausdehnenden Sinne ausgelegt werden. Die Bezeichnung „Kunst⸗ und Handelsgärtnerei“ war bis⸗ her kein feststehender Begriff. Man wird nicht fehlgehen in der An⸗ nahme, daß die Bezeichnung „Kunst⸗ und Handelsgärtner“ zunächst im Kreise der berufsmäßigen Gärtner entstanden und von einem Theil der⸗ selben gebraucht worden ist, um dem Publikum kund zu geben, daß die Betriebe der sich so bezeichnenden Gärtner sich über die kleineren und gewöhnlichen, sozusagen handwerksmäßigen Gartenbaubetriebe erhöben, mehr und besseres böten als diese. Daneben mag dieselbe Bezeichnung auch von manchen sich nur wenig über den laienhaften Gartenbau erhebenden berufsmäßigen Gärtnern gewählt sein, sei es, um ihren Gärtnerberuf anzudeuten, sei es zu Reklamezwecken u. dgl. Aus den Kreisen der berufsmäßigen Gärtner ist dann die Bezeichnung „Kunst⸗ und Handelsgärtner“ oder „Kunst⸗ und Handelsgärtnerei“ in das Publikum übergegangen, und so hat sich ein Sprachgebrauch gebildet, der je nach den lokalen Gewohnheiten und Anschauungen eine bald weitere, bald engere Bedeutung hat. In großen Städten und deren Umgebung, wo der berufsmäßige Garten⸗ bau eine bedeutende Ausdehnung gewonnen hat, pflegt jener Bezeich⸗ nung eine engere Bedeutung beigelegt zu werden, während in kleinen Ortschaften schon mancher Gärtner sich „Kunst⸗ und Handelsgärtner“ nennt oder so genannt wird, dessen Betrieb in keiner Beziehung auf einer höheren Stufe des Gartenbaues steht. Wegen dieses schwanken⸗ den Sprachgebrauchs darf aus der bisherigen Bezeichnung als „Kunst⸗ und Handelsgärtner“ kein entscheidender Grund für die Bestimmung der Steuerpflicht entnommen werden; hiermit würde die Einheitlich“ keit der Besteuerung in hohem Grade gefährdet sein. Dagegen mag, wenn sich ein Gärtner unter der Herrschaft des neuen Gewerbesteuer⸗

gesetzes selbst als „Kunst⸗ und Handelsgärtner“ bezeichnet, hieraus ein Anerkenntniß der Voraussetzungen der Steuerpflicht für seinen Betrieb entnommen werden, sodaß ihm die Darlegung des Gegentheils im Rechtsmittelwege überlassen werden kann. Um die Merkmale der „Kunst⸗ und Handelsgärtnerei“ richtig zu erkennen, ist davon auszugehen, daß das Gesetz hiermit einen einheitlichen Begriff bezeichnen will. Andernfalls hätte es aus sprachlichen Gründen die Fassung gebrauchen müssen „mit Ausnahme der Kunst⸗ und der Handelsgärtnerei“. Die grammatische Interpretation muß den Ausschlag geben, da sich nicht der geringste Anhalt dafür findet, daß das Gesetz mit seiner Fassung „Kunst und Handelsgärtnerei“ einen doppelten Begriff habe aus⸗ drücken wollen. Auch der Sprachgebrauch würde einer solchen An⸗ nahme entgegenstehen. Denn wenn man auch von „Kunstgärtnerei“ und von E je für sich redet, so versteht man doch unter dem zusammenfassenden Ausdruck „Kunst⸗ und Handelsgärtnerei“ regel⸗ mäßig einen einheitlichen Betrieb. Hiernach würde es nicht statt⸗ baft sein, einen „Handels gärtner“, der nur eigene Erzeugnisse ver⸗ kauft, aber nicht zugleich „Kunstgärtner“ ist, zur Besteuerung heranzu⸗ Hehen.. .. (17 G 290.) 8

Statistik und Volkswirthschaft.

Deutschlands Roheisenproduktion.

Niach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen⸗ und Stahlindustrieller belief sich die Roheisenproduktion des Deutschen Reichs (einschließlich Luxemburgs) im Monat April 1895 auf 470 420 t; darunter Puddelroheisen und Spiegeleisen 120 763 t, Bessemerroheisen 51 236 t, Thomasroheisen 227 891 t, Gießereiroheisen 70 530 t. Die Produktion im April 1894 betrug 438 056 t, im März 1895 481 144 t. Vom 1. Januar bis 30. April 1895 wurden produziert 1 875 843 t gegen 1 708 168 t im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Thätigkeit der General⸗Kommissionen.

Am Ende des Jahres 1894 blieben bei den acht Königlichen General⸗ Kommissionen in Breslau, Bromberg, Düsseldorf, Frankfurt a. O., Hannover, Cassel, Merseburg, Münster i. W. anhängig im Haupt⸗ verfahren 4420 Sachen, und zwar 37 Regulierungen, 1571 Ablösungen, 2103 Gemeinheitstheilungen und 709 Rentengutssachen, ferner im Prozeßverfahren 561 Sachen und an Sachen, in denen nach der Regreßbestätigung noch eine Regulierung von Nebenpunkten noth⸗ wendig ist, 109 Ablösungen und 541 Gemeinheitstheilungen. Ende 1894 wurden beschäftigt bei den genannten acht General⸗Kom⸗ missionen 129 Spezialkommissare und 570 Vermessungsbeamte. An Rentengutssachen wurden im Ganzen anhängig bei den General⸗Kommissionen in Breslau, Bromberg, Frank⸗ furt a. O., Hannover, Cassel, Merseburg und Münster i. W. im Jahre 1891 196, 1892 689, 1893 420 und 1894 314, zusammen 1619. Davon wurden bis Ende 1894 erledigt 910. Im Kalenderjahre 1894 wurden in den von den General-⸗Kommifficgen ausgeführten Ab⸗ befnger und Gemeinheitstheilungen folgende Resultate erzielt: Bei den Ablösungen wurden befreit 17 629 Besitzer. Aufgehoben wurden 144 Spann⸗ und 1312 Handdiensttage. Als Entschädigung wurden festgestellt an Kapital 949 338 ℳ, an Geldrente 84 517 ℳ, an Roggenrente 467 Bei den Gemeinheitstheilungen waren betheiligt 14 903 Besitzer mit 64 327 ha. Neu vermessen wurden 38 119 ha.

Zur Arbeiterbewegung. ..““

In Dresden haben, wie der „Voss. Ztg.“ berichtet wird, 120 Maurer, die bei der städtischen Ausstellungshalle beschäftigt waren, am Sonnabend die Arbeit eingestellt. (Vgl. Nr. 119 d. Bl.) In Leipzig verhandelte, wie die „Lpz. Ztg.“ mittheilt, eine von etwa 100 Personen besuchte Versammlung der Metallarbeiter um letzten Freitag über den Ausstand der Monteure in der Motorenfahrit von Grob u. Co. in Eutritzsch. Von den 15 aus⸗ ständigen Arbeitern wurden 6 anderweit untergebracht, 9 sind noch zu sen. Weitere Arbeitseinstellungen sollen in dieser Fabrik ehen. v. In Mainz haben die Dachdeckergehilfen, wie im Vorwärts⸗ mitgeiheilt wird, ihren Meistern ein Zirkular zugesandt, Forin folgende Forderungen gestellt werden: 1) Eine allgemeine

dohnerhöhung von 30 %; 2) Abschaffung aller Accordarbeiten und

Ueberstunden; Ueberstunden, die unbedingt nothwendi sind, sollen mit

il mehr für die Stunde bezahlt werden; 3) Elnführ ung einer

sttagspanse von 8 Stunden unter Beibehaltung der gegenwärtigen r

Arbeitszeit von 6 U Morgens bis 6 Uhr Abends.

Aus Meerane schreibt man der „Geraer Ztg.”: Der Aus⸗ stand der Weber bei Gebr. Bochmann ist beendet. Die Firma bewilligte die Forderungen der Arbeiter, soweit sie zu verwirklichen waren. (VPgl. Nr. 116 d. Bl.) b 8

In Budapest sind, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, 800 Spengler und Installateure in den Ausstand eingetreten. Aus New⸗York wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert: Infolge einer Lohnerhöhung, welche die Arbeiter der Carnegie'schen Eisen⸗ werke in Pittsburg und Homestead aus eigenem Antrieb der Arbeitgeber erhalten haben, verlangten die Bergleute in den Kohlengruben ebenfalls eine sofortige Erhöhung, weil es sich um einen Aufschwung im Geschäft handele. Die Grubenverwaltungen schlugen diese Forderung ab, worauf die Führer der Gewerkvereine Befehl gaben, sofort die Arbeit in dem ganzen ittsburger Schiefer⸗ kohlenfeld einzustellen. Es sind etwa 20 000 Mann in diesen Berg⸗ werken beschäftigt.

““ 6““

veranlaßte und herausgegebene „Beschreibung der Skulpturen aus Pergamon“ liegt jetzt in ihrem ersten Theil vor. Derselbe enthält die Schilderung der „Gigantomachie“ und ist von O. Puchstein verfaßt. (Berlin, Verlag von W. Spemann; Pr. 1 ℳ) Sie ist ausgearbeitet mit Benutzung der seit 1881 mehrmals gedruckten „Beschreibung der pergamenischen Bildwerke“, deren erster Entwurf von A. Conze herrührt, und auf Grund der beiden in den Sitzungsberichten der Königlichen Akademie der Wissenschaften 1888 und 1889 veröffent⸗ lichten Abhandlungen, durch welche Puchstein selbst die Anordnung der die Gigantomachie bildenden Reliefplatten und in allen wesentlichen Theilen die Deutung endgültig festgestellt hat. Die kleinen Bruchstücke, deren Einfügung bisher noch nicht gelungen ist, sind dabei fürs erste unberücksichtigt geblieben. Vorangeschickt sind erläuternde Angaben über die Lage des einst mit der Gigantomachie eschmückten Altars und über dessen architektonische Wieder⸗ Die Vorlagen für die der Beschreibung beigefügten Abbildungen, deren Veröffentlichung einem vielfach geäußerten Wunsch entspricht, sind mit Hilfe photographischer Aufnahmen von M. Lübke unter Aufsicht der Herren Dr. Puchstein und Dr. Winter hergestellt. Sie geben von dem gewaltigen Kunstwerk und seinen einzelnen, mit großem Scharfsinn und in langjährigen Mühen zusammengesetzten Gruppen eine vortrefflich klare Anschauung. Demselben Zwecke dienen zwei Uebersichtstafeln. Auf Tafel III und IV sind die auf die Gigantomachie bezüglichen Inschriften aus Band VIII der „Alterthümer von Pergamon“ wiederholt und dabei soweit als möglich so angeordnet worden, wie sie der Reihe nach sich auf dem Fries folgten. Die beschriebenen Reliefplatten sind zum theil in der Rotunde des Alten Museums aufgestellt, zum größeren Theil aber liegen sie in dem langen östlichen Saal am Boden. Die Raumnoth, unter der die Skulpturengalerie der König⸗ lichen Museen noch immer leidet, hat nicht gestattet, die zusammengehörigen Platten der Südseite ohne Unter⸗ brechung zusammenzulegen; außer den großen Gruppen der Ostseite haben daher auch einzelne Theile der Südseite in der Rotunde auf⸗ gestellt werden müssen. 1 Die altehrwürdige Peterskirche in Görlitz hat durch die vor kurzem in den Seitenapsiden neben dem Altar eingesetzten ge⸗ malten Fenster einen schönen und kostbaren Schmuck erhalten. Die Fenster sind, wie der „Schles. Ztg.“ berichtet wird, von den Ständen des Markgrafthums Oberlausitz und dem Magistrat der Stadt gestiftet als ein Denkmal der Anwesenheit Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm II. am 18. Mai 1893 und stellen diejenigen Fürsten dar, welche für die Geschichte der Oberlausitz von besonderer Bedeutung geworden sind. Es sind, wenn man mit dem von den Ständen geslifteten Fenster beginnt: Markgraf Otto III. von Branden⸗ burg, der erste brandenburgische Fürst, welcher in den Jahren 1250 1267 die Oberlausitz besessen hat; der Herzog Johann von Görlitz, der jüngste Sohn Kaiser Karl's IV.; Kurfürst Johann Georg von Sachsen, unter welchem die Oberlausitz, nachdem sie schon seit 1621 ihm verpfändet war, im Jahre 1635 in sächsischen Besitz überging; König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, unter welchem Görlitz preußisch wurde. Das von dem Magistrat gestiftete Fenster stellt die vier letzten Könige resp. Kaiser aus dem Hause Hohenzollern dar: Friedrich Wilhelm IV., Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II., welche sämmtlich die Kirche besucht haben. Die Mittelfelder zwischen diesen Fürstenbildern zeigen je eine Darstellung aus der evangelischen Kirche. Die Fenster sind in der Mayer'schen Hof⸗Kunstanstalt in München hergestellt. Bei einer Aufgrabung im Gebiet des früheren Münster⸗ weihers in Mainz wurde ein kleiner römischer Altar aus sehr feinem Kalkstein gefunden, der wahrscheinlich aus den von den Römern bereits ausgebeuteten Steinbrüchen von Mastricht stammt. Die zum theil erhaltene Inschrift besagt: Q. Atilius habe den Nymphen sein Gelübde gelöst (vielleicht jenen des Münster⸗ weihers). Der Altar stammt aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Ein weiterer Altar sowie Bruchstücke römischer Grab⸗ steine wurden der „Köln. Z.“ zufolge in der Nähe der heutigen Peterskirche zu Tage gefördert. Die Inschrift dieses Altars meldet, daß den aufanischen Göttinnen und dem Schußtgeist des Ortes für sein und all der Seinigen Heil und Rettung Lucius Majorius Cogitatus, konsularischer Benefiziarier, sein Gelübde erfüllt habe, gern, freudig, nach Verdienst am 15. Juli unter dem Konsulat des Gentianus und Bassus (im Jahre 211 n. Chr.). Die Deae aufaniae, welchen der Altar geweiht ist, gehörten zu den gallisch⸗germanischen Gottheiten, die als segenspendende Mütter gedacht waren. Der Name kam bisher nur auf am Niederrhein gefundenen Steinen vor; in Obergermanien war er bis dahin unbekannt. Interessant ist auch die Verzierung des Steines und die ungewöhnlich genaue Angabe der Zeit seiner Er⸗ richtung. Eine Grabplatte ist den Schattengöttern gewidmet; ein Grabstein besagt, daß Gajulus aus Virunum (Zollfeld bei Klagenfurt in Kärnten), Soldat der 22. Legion, der erstgeworbenen, 55 Jahre alt, 30 Jahre im Dienst, dort eebs lag. Schließlich wurde dem Mainzer Museum ein gut erhaltenes römisches Relief zugeführt, welches vier Männer und eine Frau bei einem Gastmahl darstellt.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Getreideernte Rußlands im Jahre 1894.

Der von dem russischen statistischen Zentral⸗Comité veröffent⸗ lichten Uebersicht über die Ernte des Jahres 1894 in Rußland entnehmen wir folgende Angaben:

Die Aussaatfläche betrug in den päischen Rußlands (einschließlich der Weichsel⸗Gouvernements):

63 767 751 Dessjätinen gegen 64 260 662 8 im Jahre 1893. Davon standen unter Wintergetreide: 1894: 28 041 728 Dessjätinen 1893: 27 280 821 8 unter Sommergetreide: 1894: 35 726 023 Dessjätinen 1893: 36 976 811

Trotz der geringeren Anbaufläche war doch die im Jahre 1894 eerntete Getreidemenge größer als in den vorbergehenden Jahren. E. betrug nämlich die Ernte in Tschetwert: .

im Durchschnitt

1893 der Jahre 1889/93 403 189 100 302 974 000

146 592 700 122 473 800 129 654 900 108 783 600 16 937 500 13 690 200 255 549 400 180 500 200 8 1 503 700

1894

Getreide überhaupt

(außer Fberhoeht) 403 913 600 Wintergetreide 172 962 700

Winterroggen. 152 206 800

Winterweizen 20 755 900 Sommergetreide. 230 950 900

Sommerroggen 1 442 600

Sommerweizen 43 440 600

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W11ö1ö11““

60 Gouvernements des euro⸗

„Die hiernach quantitativ gute Getreideernte des vorigen Jahres läßt in Bezug auf die Qualität viel zu wünschen übrig. Das Korn hat in einzelnen Gegenden durch Frost, in anderen durch Dürre, fast überall aber durch Regen gelitten. Insbesondere hat die schlechte Witterung während der Erntezeit das Einbringen des Getreides viel⸗ fach wesentlich verzögert. Infolge dessen ist letzteres dort, wo die Mittel zum Trocknen fehlten, in feuchtem Zustande oder erst nach Eintritt des Frostes gedroschen worden. In vielen Gouvernements war das Getreide überdies nur leicht ausgefallen. Diese ungünstigen Umstände zeigen sich denn auch in dem Gewicht des Getreides.

Ein Tschetwert hat gewogen: 1 Durchschnitt 1881/93: Pud Pfund 1 24

8 ½ 34 25 17.

1893: Pud Pfund Winterweizen.. 18 ½ Sommerweizen..

Maßregeln.

„Montreal, 20. Mai. Unter dem zur Ausfuhr nach Englan bestimmten Vieh ist, dem „W. T. B.“ zufolge, eine gefaͤhrliche an⸗ steckende Krankheit ausgebrochen. Di von befallenen Thiere wurden geschlachtet. 9

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 20. d. M. gestellt 11 148, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 18. d. M gestellt 2540, nicht recht zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs⸗Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 20. Mai die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung Thurnevsserstraße 5, dem Zimmermeister Carl Hoppe gehörig; Fläche 5,40 a; für das Meistgebot von 100 700 wurde der Zimmer meister C. Galuschki, Badstraße 35, Ersteher. Kreuzberg⸗ straße 45, der Frau Tischlermeister Elisabeth Nadler gehörig; Fläche 10,62 a; das geringste Gebot wurde auf 268 600 festgesetzt; mit diesem blieb der Kaufmann Georg Gottling, Bayreutherstraße 17, Meistbietender. Theilung halber: Neu Wilhelmstraße 5, dem Baumeister Eugen Kornfeld und dem Kaufmann Joseph Munk gehörig; Fläche 7,06 a; Nutzungswerth 20 050 ℳ: Meistbietender blieb der Kaufmann Joseph Munk, 56.

Beim öniglichen Amtsgericht II Berlin standen am 16. Mai die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Das im Grundbuch von Deutsch⸗Wilmersdorf Band 36 Blatt Nr. 1089 auf den Namen des Restaurateurs Hermann Hänsch zu Wilmersdorf, Uhlandstraße 125, eingetragene, zu Deutsch⸗Wilmersdorf, Uhlandstraße 125, belegene Grund⸗ b stück; Fläche 9,47 a; Mindestgebot 1229 ℳ, für welches die Deutsche Grundschuld⸗Bank zu Berlin, Dorotheenstr. 95, Er⸗ steherin wurde. Das im Grundbuche von Steglitz Band 37 Blatt Nr. 1131 auf den Namen des Bauunternehmers Johann Gehrke zu Berlin, Münchebergerstraße 27, eingetragene, z Steglitz, Marksteinstraße 13, belegene Grundstück; Mindestgebot 450 ℳ; für das Meistgebot von 48 600 wurde die verehelichte Klempner⸗ meister M. Baudach zu Steglitz Ersteherin. Das im Grundbuche von Deutsch⸗Wilmersdorf Band 36 Blatt Nr. 10991 auf den Namen des Bauunternehmers Gustav Zingelmann zu Berlin eingetragene, zu Wilmersdorf angeblich Uhlandstr. 33 belegene Grundstück; Fläche 9,85 a; Mindestgebot 1400 ℳ; für das Meistgebot von 181 000 wurde der Hofschlächtermeister Carl Maaß zu Charlottenburg, Barbarossastr. 80, Ersteher.

Beim Königlichen Amtsgericht zu Charlottenburg. Das Verfahren der Zwangsversteigerung des im Grundbuche von der 8 Stadt Charlottenburg Band 54 Blatt Nr. 2266 auf den Namen des Baumeisters Franz Piater zu Berlin eingetragenen, zu 8 Charlottenburg, Kleiststraße 41, belegenen Grundstücks ist auf⸗ gehoben.

Essen a. d. Ruhr, 20. Mai. (W. T. B.) Der „Rhein. Westf. Ztg.“ zufolge billigte die heutige Beirathsversammlung des rheinisch⸗westfälischen Kohlensyndikats einstimmig den von der Kommission zur Feststellung der Betheiligungsziffer gefaßten Beschluß, daß keinem Doppelschacht auf Grund der Ausnahmebestim⸗ mungen für neue Schächte mehr als 800 t tägliche Förderung zuzubilligen sei, auch wenn die Förderung eines Fördertrums schon früher mehr als 400 t betragen habe. Die Fördereinschränkung betrug im April 12,87 % gegen die beschlossenen 15 %. Die nächste ordentliche Zechenbesitzerversammlung wird am 30. Mai mit der gewöhn⸗ lichen Tagesordnung in Essen stattfinden, im Anschluß an die außer⸗ ordentliche Versammlung zur Berathung des neuen Vertragsentwurfs.

Hamburg, 20. Mai. (W. T. B.) Kaffee. (Nachmittags⸗ bericht.) Good average Santos pr. Mai 77 ½, pr. September 76 ⅛, pr. Dezember 74 ¼, pr. März 73 ¼. Ruhig. Zuckermartt.

neue Usance, frei an Bord Hamburg pr. Mai 10,45,

pr. Juni 10,57 ½, Ar 10,80, pr. Oktober 10,90.

Stetig. 88

Verdingungen im Auslande.

Italien.

28. Mai, 12 Uhr. Direz. Costruz. Navali 30 Dipart. Maritt. in Venedig; Lieferung von 50 000 kg Kupfer in Böcken zum Schmelzen. Voranschlag 75 000 Fr., Kaution 7500 Fr., Kosten 800 Fr. Endgültiger Zuschlag 18 Juni, 12 Uhr.

panien.

11. Juni, 1 Uhr. Generalverwaltung der öffentlichen Arbeiten in Madrid: Ertheilung der Konzession für eine Pferde. Eisenbahn, Verlängerung der städtischen Bahn in Alicante. Kaution 388 Peseten. Auskunft bei der genannten Verwaltung.

26. Juni, 1 Uhr (Zuschlagstermin). Direcciön General de Obras půúblicas in Madrid: Lieferung des vom 1. Juli 1895 bis 30. Juli 1896 für die spanischen Leuchtthürme erforderlichen Paraffins. Voranschlag 148 873 Pesetas 35 Cts. Bedingungen und nähere Aufstellungen Einsicht bei der ausschreibenden Behörde. Angebote in spanischer e. auf Stempelpapier 12. Klasse mit Nachweis über erfolgte Kautionshinterlegung im Betrage von 1489 Pesetas sind bis 21. Juni an die ausschreibende Behörde oder eines der Zivil⸗ Sera. der lbinsel zu richten. Angebotsformulare in panischer Sprache beim „Reichs⸗Anzeiger“.

Portugal. 5. Juni, 12 Uhr. Königlich portugiesische Eisenbahn⸗Gesell⸗ schaft in Lissabon: Lieferung von 65 000 kg Eisen für Rost⸗ stäbe. Auskunft in den Bureaux der Gesellschaft in Paris, 28 Rue Chateaudun.

Schweiz.

1. Juni. Direktion der Schweizerischen Nordostbahn (Thalweil Jug in Zürich: Ausführung der Unterbau⸗Arbeiten des 3. Looses Baar Zug (Länge 6795 m) einschließlich eines Viadukts von 360 m. Voranschlag 1 187 100 Fr.; Bedingungen und Pläne einzusehen im Baubureau der Nordostbahn in Zürich, Glürnischstraße 35.

Niederlande.

Der Kapitein eerstaanwezend ingenieur in Arnhem wird vermittels Einschreibung verdingen: Die Erneuerung von hölzernen und steinernen Fluren in den Militärgebäuden zu Arnhem. Schätzung

4500 Fl. Angebote sind bis spätestens 24. Mai 3 Uhr an den

(Schlußbericht) RubenRohzucker 1. Produt Basis 88 % Rendement