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Der am hiesigen E“ Hofe beglaubigte Königlich belgische Gesandte Baron Greind ist nach Berlin zurück⸗ gekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder über⸗ nommen.
Der Regierungs⸗Assessor von Hohenhausen zu Königs⸗ berg ist der Königlichen Regierung daselbst und der Regierungs⸗ Assessor Dr. E“ zu Fulda der Königlichen Regie⸗ rung zu Magdeburg zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden. -
8
Laut telegraphischer Mittheilung an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. S. „Cormoran“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Brinkmann, am 21. Mai von Lorenzo Marquez nach Port Natal (Durban) in See gegangen.
Württemberg.
In der gestrigen Sitzung der Kammerder Abgeordneten erklärte der Kriegs⸗Minister, General⸗Lieutenant Freiherr Schott von Schottenstein auf eine Anfrage, in welchem Stadium die Arbeiten wegen Aufstellung einer Militär⸗ Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich zur Zeit sich befänden: Darüber sei etwas Näheres zur Kenntniß der Re⸗ gierung nicht gekommen. Wie aber die Regierung bisher den Standpunkt vertreten habe, daß bei der in Frage stehenden Gesetzgebungsarbeit ein thunlichster Anschluß an die Grundsätze der bürgerlichen Strafprozeßordnung anzustreben und hierbei insbesondere dem Grundsatz der Mündlichkeit des Verfahrens, der Trennung des Anklageamts von Vertheidigung und Richter⸗ amt, der freien Beweiswuͤrdigung und Gewährung ordentlicher Rechtsmittel Geltung zu verschaffen sei, so gedenke die Regie⸗ rung diesen Standpunkt auch bei den in Aussicht zu nehmenden weiteren Verhandlungen über den Gegenstand festzuhalten. Die Kammer nahm schließlich den Antrag an: die Regierung möge im Bundesrath auf die Reform des Militärstraf⸗ prozesses hinwirken, eventuell aber möge sie bis zur reichs⸗ gesetzlichen mit einer selbständigen Reform vorgehen.
8 Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser traf gestern früh in Bruck a. d. Leitha ein und inspizierte die Truppen der ersten Lagerperiode. Aller⸗ höchstderselbe sprach sich sehr befriedigt uͤber die Besichtigung aus.
Der Minister des Aeußern Graf Goluchowski nahm gestern Vormittag die Vorstellung der Beamten des Ministe⸗ riums des Aeußern entgegen, welche von dem Sektions⸗Chef Freiherrn von Pasetti geführt wurden. Auf die Ansprache des letzteren, welcher den Minister begrüßte und der treuen und eifrigen Pflichterfüllung der Beamten versicherte, erwiderte, wie „W. T. B.“ meldet, Graf Goluchowski: er ergreife das Wort in erster Linie, um der schmerzlichen Empfindung Aus⸗ druck zu verleihen, welche das Scheiden des Grafen Kälnoky bei den Anwesenden hervorgerufen habe. Sie, die unter dessen Leitung gestanden hätten, würden am besten den Verlust er⸗ messen können, den der Rücktritt des hochverdienten, klugen und umsichtigen Staatsmannes gebracht habe. Der Minister fuhr fort: „Mich kennen Sie noch wenig. Wenn ich versichere, daß ich keinen sehnlicheren Wunsch habe, als im Sinne und Geiste meines Amtsvorgängers zu arbeiten, so bin ich überzeugt, daß ich auf Ihre volle Unterstützung rechnen darf.“ Schließlich dankte der Minister dem Sektions⸗Chef Freiherrn von Pasetti und allen Erschienenen aufs wärmste für die ihm erwiesene freundliche Begrüßung.
8 Die feierliche Ueberreichung der Kreditive des russischen
Botschafters Grafen Kapnist wird am 24. d. M. stattfinden.
Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte gestern die Debatte über die Steuerreform fort. Die Verkündi⸗ gung eines von der Opposition angezweifelten Abstimmungs⸗ ergebnisses durch den Präsidenten rief lärmende Kundgebungen hervor, wobei der Abg. Steinwender wegen störender Unter⸗
brechungen zur Ordnung gerufen wurde. Der Präsident verlas sodann Ane Zuschrift des Minister⸗Präsidenten Fürsten Win⸗ dischgrätz über die Amtsenthebung des Grafen Kälnoky und die Ernennung des Grafen Goluchowski zum Minister des Aeußern. Der Abgeordnete Kaizl stellte namens 64 Abgeordneter einen Dringlichkeitsantrag, dem Wahlreform⸗ ausschuß aufzutragen, längstens bis zum 14. Juni Bericht zu erstatten. Der Minister des Innern Marquis de Bacquehem erklärte: hätten die Antragsteller nur noch wenige Tage gewartet, so würde der Antrag, wenigstens theitwesse⸗ z gegenstandslos geworden sein. Er könne mit⸗ theilen, daß das Subcomité seine Aktion abgeschlossen habe und in den allernächsten Tagen mit Berichten und Anträgen vor den Wahlreformausschuß treten werde. Der Minister wies sodann die Angriffe des Abg. Kaizl auf die Regierung zurück, welche keiner Mahnungen bedürfe, um in einer An⸗ gelegenheit, deren hohe Bedeutung sie sich stets vor Augen halte, alles aufzubieten, um das Haus bald in die Lage etzen zu können, sich mit der Wahlreform zu beschäftigen. Der Abg Pernerstorfer trat unter heftigen Angriffen auf die Koalition der Polen für die Dringlichkeit der Berathung ein. Der Abg. Zaleski wies unter lebhaftem an⸗ dauernden Beifall die Angriffe des Abg. Pernerstorfer als ungerechtfertigt zurück. Der Abg. Menger wandte sich gegen das Auftreten der Opposition, welches er unter großem Lärm des Hauses als rücksichtslos und roh bezeichnete. Die Dring⸗ lichkeit wurde abgelehnt. In Beantwortung der Inter⸗ pellation des Abg. Sueß wegen Vorkehrungen gegen das nternationale Petroleum⸗Kartell erklärte der Finanz⸗ Minister Dr. von Plener, er verde sich mit der ungarischen Regierung in dieser Beziehung ins Ein⸗ vernehmen setzen und vielleicht im Budgetausschuß sachliche Erörterungen geben. Der Abg. Kaften richtete eine Interpellation an die Regierung über die Ursachen des Rücktritts des Grafen Kalnoky und wünschte zu wissen, ob der neger raßdeng bei der Be⸗ rufung des Grafen Goluchowski seinen Einfluß geltend gemacht
habe, ob dem Minister⸗Präsidenten die Ernennung des Grafen
Goluchowski durch ein Kaiserliches Handschreiben notifiziert worden sei und, wenn ja, warum dies dem Hause nicht mit⸗ getheilt worden sei. V1
„ Bei den gestern in den städtischen Wahlbezirken Istriens vorgenommenen Landtagswahlen wurden, mit Ausnahme eines Bezirks, die italienischen Kandidaten theils einstimmig, theils mit großen Majoritäten gewählt.
8
Das ungarische Unterhaus hat gestern die Vorlage, betreffend den Nachtragskredit für die Regulierung des Eisernen Thores, unverändert angenommen.
Der „Budapester Correspondenz“ zufolge wird Alladar Andrassy zum Präsidenten, Koloman Szell zum Vize⸗Präsidenten der ungarischen Delegation ge⸗ wählt werden. “
Großbritannien und Irland. “
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Parlamentssekretär des Auswärtigen Amts Sir E. Grey, er 25 in der Mai⸗Nummer der „Fortnightly Review“ einen
rtikel des britischen Konsuls in Stockholm über die Beziehungen zwischen Schweden und Norwegen gelesen. Die Veröffentlichung eines derartigen Artikels durch einen Konsul über politische Fragen, welche das Land beträfen, in dem er sein Amt aus⸗ üͤbe, sei nicht gebräuchlich und nicht wünschenswerth. Die Regierung könne über die angeblichen Unterhandlungen zwischen der norwegischen liberalen Partei und der russischen Regierung keine Auskunft geben und habe auch keine Kenntniß von dem Bau einer Eisenbahn, die Rußland mit dem Ostrand des Varanger Fjords verbinden solle. Der Konsul werde dahin verständigt werden, daß die Veröffentlichung eines solchen Artikels eine Indiskretion sei, welche nicht wiederholt werden dürfe. Der Schatzkanzler Sir W. Harcourt legte sodann den Ausschußbericht über den Eintritt des Viscount Wolmer in die Peerschaft seines Vaters, des Earl of Selborne, vor. Der Bericht stellt fest, daß Viscount Wolmer die Nachfolge rechtmäßig angetreten habe. Infolge dessen wurde von Anstruther die Ausschreibung einer Neuwahl für West⸗Edinburg beantragt; nach zweistündiger Debatte wurde dieser Antrag angenommen.
Der Staatssekretär für die Kolonien Lord Ripon führte gestern in einer Rede bei einem in London abgehaltenen öffent⸗ lichen Meeting aus: die gegenwärtige liberale Regierung habe im Unterhause nur eine kleine Majorität, aber sie habe sich doch drei Jahre im Amt erhalten; er sehe keinen Grund, weshalb sie sich nicht noch länger am Leben erhalten sollte. Nicht die großen Majoritäten seien am erfolgreichsten gewesen. Gleich⸗ viel ob nun die Amtsdauer der gegenwärtigen Regierung kurz oder lang sein würde, sie werde ihr Programm ausführen, so
lange sie das Vertrauen der liberalen Partei habe.
Frankreich.
Der Ministerrath beschloß in seiner gestrigen Sitzung, einen Kredit zu verlangen, um aus Anlaß der seit dem Kriege von 1870 verflossenen 25 Jahre den für das Vaterland gefallenen Soldaten in Paris ein Denkmal zu errichten.
Der Senat nahm gestern seine Sitzungen wieder auf und vertagte sich alsbald auf nächsten Montag.
Die Bureaux der Deputirtenkammer wählten gestern die Budgetkommission. Die Mehrzahl der Mitglieder der letzteren sind Gegner des von dem Finanz⸗Minister Ribot vor⸗ gelegten Budgetentwurfs und verlangen Ersparnisse an Stelle neuer Steuern; die Radikalen verlangen eine Einkommensteuer. Unter den Mitgliedern der Kommission befinden sich u. a. Lockroy, Pelletan, Sarrien, Cavaignac, Salis, Barthou. Jules Roche und Rouvier wurden nicht wieder gewählt. Die Kommission besteht aus 16 Republikanern, welche Anhänger der Regierung sind, einem Sozialisten und 16 Radikalen. Man nimmt an, daß 17 Mitglieder für die Einkommensteuer stimmen werden. Die Radikalen werden Cavaignac den Vorsitz anbieten.
Der Generalrath des Departements der Seine wies verschiedene Anträge, die sich auf den Flottenbesuch in Kiel bezogen, zurück und nahm eine Tagesordnung an, des Inhalts, daß der Generalrath nicht berufen sei, über diese Frage sich zu äußern.
Rußland.
Die Kaiserin⸗Wittwe ist gestern in Odessa eingetroffen und hat in der vergangenen Nacht mit dem Großfürsten⸗ Thronfolger die Reise zu Schiff nach Batum fortgesetzt.
“ Italien. Der Fina z⸗Minister Boselli hielt gestern Nachmittag in Savona eine längere Rede, worin er, dem „W. T. B.“ zufolge, zunächst einen Rückblick auf die Thätigkeit der gegenwärtigen Regierung gab, für die Crispi seine ganze Kraft, seinen ganzen Patriotismus und sein hohes Ver⸗ ständniß für nationale Interessen einseze. Der Minister
stellte entschiꝛden in Abrede, daß die Steuern mangelhaft ein⸗
daß die Voranschläge der Regierung nicht er⸗ reicht würden und daß die Steuerkraft des Landes erschöpft sei. Die Einnahmen in den ersten zehn Monaten des Jahres 1894/95 und die genaue Prüfung der verschiedenen Einnahmequellen ließen erkennen, daß unter dem gegenwärtigen Steuerregime eine Mehreinnahme von 14 Millionen Lire über den von den Kammern genehmigten Voranschlag erzielt werde. Ohne die Eingänge aus der Erhöhung der Zinsenabzüge der Staatsrente in Rechnung zu stellen und ohne Berück⸗ sichtigung der Abschaffung der staatlichen Accise auf Mehl habe man in den zehn Monaten des gegenwärtigen Regimes um 24 Millionen größere Einnahmen erzielt als in der gleichen Periode des Jahres 1893/94. Der Minister wies dies an der Hand einer detaillierten üfung der ver⸗ schiedenen Einnahmequellen nach; u. a. hätten die Zoll⸗ einnahmen allein 7 800 000 Lire mehr ergeben. Die neuen Steuern hätten die Produktionskraft des Landes, deren Aufschwung sich deutlich zeige, durchaus nicht erschöpft. Der Minister zählte hierauf die namhaften Ersparnisse auf, die er in seinem Ressort durch Reformen in den verschiedenen Zweigen des Steuerdienstes erzielt habe, und wiederholte, was der Schatz⸗Minister bereits mitgetheilt hatte, daß nach der Durchführung sämmtlicher, von der Regierung vorge⸗ schlagenen Ersparnisse nur noch 27 Millionen zur Herstellung des Budgetgleichgewichts fehlten, wie dies schon am 10. De⸗ zember vorigen Jahres konstatiert sei. Weiterhin vertheidigte der Minister die von ihm vorgeschlagenen finanziellen Maß⸗ regeln, besonders die auf Gas, elektrische Beleuchtung und auf Zündhölzchen gelegte Steuer. Die letztere Steuer werde bereits erhoben, und ihr bisheriges Erträgniß beweise, daß sie einen Ueberschuß über den Voranschlag er⸗ geben werde. Darauf legte der Redner die zwingenden Gründe ar, welche die Regierung veranlaßt hätten, im öffentlichen Interesse die Königlichen Dekrete vom Dezember 1894 durch⸗ zuführen und sie auch nach Auflösung der Kammer aufrecht zu erhalten. Die Regierung berufe sich mit Vertrauen auf das Urtheil des Landes. Indem der Minister für das Gedeihen des Letzteren die besten Aussichten eröffnete, schloß er mit einem Hoch auf den König, dessen hohe Eigenschaften er rühmend hervorhob.
gingen,
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Die Wahlen zu den Generalräthen haben Montag begonnen. Die Opposition hielt sich, wie „W. T. Br berichtet, fern; sämmtliche konservativen Listen drangen durch Die Zahl der für die konservativen Kandidaten abg ebenen Stimmen überstieg bedeutend die Majorität der ingeschrfnen nen Wähler. 8 1X¾qmpp“ 8 “ Der „Politischen Korrespondenz“ wird aus Sofia ge⸗ meldet, die Regierung habe sich geneigt erklärt, Stam⸗ bulow's Ansuchen um einen Reisepa zur Reise na Karlsbad zu entsprechen; die um ihre Ansicht befragten Mitglieder der parlamentarischen Untersuchungs⸗ kommission hätten sich jedoch mit 6 Stimmen gegen 1 Stimme dagegen ausgesprochen, widrigenfalls sie jede Ver⸗ antwortung vor der Sobranje ablehnen würden. Die Ent⸗ scheidung der Regierung sei, obwohl letztere zur Bewilligun neige, ungewiß. Es verlaute, Stambulow wolle seine Reise unbedingt am Freitag antreten.
Amerika.
Der Londoner „Standard“ meldet aus New⸗York von gestern, daß laut einer telegraphischen Nachricht aus Sankt Thomas unter den Negern in Santa Cruz ein Auf⸗ stand ausgebrochen sei. Die weißen Zuckerplantagenbesitzer die infolge des Niederganges der Zuckerindustrie die rüͤck⸗ füandigen Löhne der Neger nicht bezahlen könnten, seien ge⸗ flüchtet.
“ Asien. “
Aus Teheran wird der „Times“ gemeldet, daß es nach
Mittheilungen aus Mesched anfangs Mai in Kuschan zu
ernsten Unruhen gekommen sei; der stellvertretende Gouver⸗
neur und sechs Leute aus seinem Gefolge seien ermordet und ihre Leichen verstümmelt worden.
Aus Yokohama meldet das „Reuter'sche Bureau“ nach einem daselbst eingetroffenen Telegramm aus Söul vom Montag sei die dortige Lage kritisch. Der Premier⸗Minister Kim⸗Hong⸗Jip habe sein. Amt niedergelegt. Der Minister des Innern habe die Vertreter der fremden Mächte um ihre Unterstützung ersucht. Die Residenz Taiwonkun’s, des Vaters des Königs und früheren Regenten, welcher der Führer der Partei sei, die gegen Japan und gegen Reformen ankämpfe, werde von der Polizei scharf bewacht.
Durch einen Erlaß des Kaisers von China sind am Montag alle chinesischen Beamten, sowohl militärische als Zivilbeamte, mit dem Gouverneur an der Spitze von For⸗ mosa zurückberufen worden.
Nach einer im Haag eingetroffenen amtlichen Meldung ist 88 ehemalige Radjah von Lombok in Batavia ge⸗ storben.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen
des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Betlage.
1“
— In der heutigen (98.) Sitzung des Reich stags, welcher der Staatssekretär, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Staatssekretär Dr. Graf von Posa dowsky beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung des Branntweinsteuergesetzes vom 24. Juni 1887, fortgesetzt. b
Die Verhandlung erstreckte sich zunächst auf die beiden ersten Absätze des § 3 im Artikel II. Die Kommission hat hier einen Satz eingefügt, demzufolge für den zur Essig⸗ bereitung verwendeten Branntwein eine Verguüͤtung der Brennsteuer gewährt werden kann.
Nach dem zweiten Absatz des Paragraphen sind die Ver⸗ gütungssätze für das folgende Jahr entsprechend herabzusetzen, wenn die Gesammtsumme der gezahlten Vergütungen im vor⸗ aufgegangenen Jahre größer als die Einnahme an Brennsteuer gewesen ist.
Ein Antrag der Abgg. Gamp, Graf von Mirbach, Müller⸗Fulda, Dr. Paasche u. Gen. ging dahin, den Schluß, wie folgt, zu fassen:
„wenn die Gesammtsumme der gezahlten Vergütungen oder im Falle einer vorherigen Kürzung der Ausfuhrvergütung diejenige Ge⸗ sammtsumme an Vergütungen, welche bei Gewährung der vollen Ausfuhrvergütung gezahlt sein würde, für das abgelaufene Jahr einen Betrag ergiebt, der größer ist als die gleichzeitige Einnahme an Brennsteuer.“
Ein weiterer Antrag der Abgg. Gamp, Graf von Bis⸗ marck⸗Schönhausen, Graf von Mirhach, Dr. Paasche, Spahn u. Gen. bezweckte, die Ausfuhrvergütung auch für diejenigen Fabrikate zu gewähren, zu deren Herstellung Branntwein verwendet worden ist. .
Der Abg. Wurm (Soz.) beantragte, auch bei der Ver⸗ wendung von Branntwein „zu gewerblichen Zwecken oder zu Putz⸗, Heizungs⸗, Koch⸗ oder Fresamehee die Ver⸗ gütung der Brennsteuer eintreten zu lassen.
Der Berichterstatter Abg. Gamp (Rp.) bemerkte: in der Kom⸗ mission sei der Antrag Wurm eingehend berathen und abgelehnt
—
worden, nachdem man die Essigfabrikation durch die Aufnahme eines Zusatzes zur Regierungsvorlage so weit als möglich sichergestellt hatte. Dem Antrage Wurm nachzugeben, hätten finanzielle und praktif Bedenken verhindert.
Der Abg. Wurm (Soz.) trat für seinen Antrag ein. Der von der Kommission angenommene Kompromißantrag gewähre zwar der Essigfabrikation Hilfe, aber nicht den anderen Industrien, welche Spiritus verwendeten. So würde namentlich die Möbel⸗ und Spielwaaren⸗Industrie, die als Hausindustrie besonders für kleine Leute wichtig sei, geschädigt. Auch die Ver⸗ wendung des Spiritus zu Beleuchtungszwecken würde durch das Gesetz erschwert, und das sollte man gerade jetzt, wo Versuche in die er Richtung gemacht würden, vermeiden.
Darauf nahm der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky das Wort.
(Schluß des Blattes.)
118 — In der heutigen (70.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, in welcher der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen zugegen waren, erfolgte zunächst die zweite Berathung
des Gesetzentwurfs, betreffend die Bewilligung von Staats⸗ mitteln zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von Arbeitern, die in staatlichen Betrieben be⸗ schäftigt sind, und von gering besoldeten Staats⸗ beamten
Der Mittgliederbeitrag beträgt jährli
und dur
richtet: Bergarbeitergruben, in denen kürzlich ein Ausstand ausgebrochen ist, 12
Einigung. Gruben überzugehen.
Die Kommission, welcher der Entwurf zur Vorprüfung
überwiesen war, beantragte, § 3 dahin abzuändern, daß nicht
eine zangemessene Verzinsung“, sondern eine „m öglichst an⸗ gemessene Verzinsung“ die Voraussetzung des Baues sein soll, im übrigen aber den Entwurf unverändert anzune hmen.
Vom Abg. von Kölichen (kons.) wurde dagegen der Antrag auf Zurückverweisung des Entwurfs an die
Kommission gestellt. 8 Abg. Gothein (frs. Vg.): Meine Partei hat stets der Ver⸗ rbeiter volle Sympathie
besserung der Wohnungsverhältnisse der le entgegengebracht, daher würden wir auch der Vorlage zustimmen, wenn uns nicht einige Bedenken aufgestiegen wären. Wir halten die Verwendung staatlicher Mittel für diese Aufgabe nicht für zweckentsprechend, jedenfalls nicht als Anleihe. Durch die Vorlage wäre der r Finanz⸗Minister in die Lage versetzt, wie das Mädchen aus der Fremde seine Gaben nach Belieben bald diesem, bald jenem auszutheilen. Es erscheint wünschenswerth, die Entscheidung der Sache, da sie nicht so dringend erscheint, daß nicht bis zur nächsten Etatsaufstellung gewartet werden könnte, bis dahin zu verschieben, zumal ja in diesem Jahre sowieso
nicht mehr viel wird geschehen können.
(Schluß des Blattes.)
— Die XI. Kommission des Herrenhauses für die eventuelle Vorberathung des Entwurfs eines Stempelsteuer⸗ gesetzes hat sich konstituiert. Vorsitzender ist der Landes⸗Direktor Dr. von Lepetzow, dessen Stellvertreter Freiherr von Man⸗ teuffel; Schriftführer sind die Herren Dr. Giese und von
Klitzing.
“ Statistik und Volkswirthschaft.
8 Arbeitsnachweis. 3 8 Die Zentralanstalt für Arbeitsnachweis in Posen hat sich, wie das „Pos. Tagebl.“ schreibt, seit ihrem Bestehen in recht erfreulicher Weise entwickelt Nach den Bekanntmachungen über die zu besetzenden und die freien Stellen wird die Anstalt sowohl von den Stellung⸗ suchenden, als von den Arbeitgebern fleißig in Anspruch genommen. Es ist deshalb im Ihtberes einer prompten Abfertigung schon eine Vermeh⸗ rung des angestellten Personals nothwendig geworden. Die Vermittelung erfolgt für Einheimische unentgeltlich. Von Auswärtigen werden bis auf weiteres mäßige Gebühren erhoben, und zwar bei einem jährlichen Einkommen der Stelle bis zu 500 ℳ 0,60 ℳ, bis zu 800 ℳ 0,90 ℳ, bis zu 1000 ℳ 1,20 ℳ, bei höherem Einkommen 2 ℳ, für eine Lehrstelle 1 ℳ Arbeitgeber zahlen die vollen obigen Sätze, Arbeitsuchende nur die Hälfte. Abonnements⸗ karten werden für Auswärtige verabfolgt. Die Anstalt wird, da die I“ für Einheimische unentgeltlich erfolgt, die Inanspruchnahme seitens Auswärtiger zur Zeit aber nur verhältnißmäßig gering ist, fast ausschließlich aus Mitteln des zu diesem Zweck gegründeten Vereins unterhalten. mindestens 2,50 ℳ, für Vereine und juristische Personen mindestens 10 ℳ Seitens der Stadt Posen wird der Verein subventioniert mit einem Jahresbeitrag von 1000 ℳ widerrufliche miethfreie Hergabe der Räume für die Ge⸗
Zur Arbeiterbewegung Aus Köln wird der „Voss. Ztg.“ unter dem 18. d. M. be⸗ Die mit der Direktion der im Sülzthale belegenen bel⸗
1] ö“
gepflogenen Unterhandlungen führten zu keiner Der Ausstand dauert fort und droht auch auf andere (Vgl. Nr. 102 d. Bl.)
In Kaiserslautern ist, wie die „Köln. Ztg.“ mittheilt, der
Ausstand in der Kammgarnspinnerei durch Nachgeben der Arbeiter beendet worden.
(Vgl. Nr. 120 d. Bl.) 1 In Fürth befinden sich nach einer Mittheilung des „Vorwärts“ Arbeiter der Hosenträgerfabrik von Heimann im Ausstande. Aus Philadelphia wird der Londoner „A. K.“ geschrieben:
Die Stahlwerke in Bellaire, Ohio, eröffnen am Montag den
Betrieb wieder. Die 500 Ausständigen erhalten eine Lohnaufbesserung
on 15 %. Der Ausstand der Kohlengrubenarbeiter bei Pitts⸗
urg ist mißglückt, und die Arbeiter kehren freiwillig an die Arbeit urück. (Vgl. Nr. 121 d. Bl.)
88'
Auust und Wissenschastt. Große Berliner Kunstausstellung. IV. *)
Frankreich: Champs Elysées. 1 1b L. K. Der sogenannte „alte Salon“ vermag sich mit
der Ausstellung der Société nationale des beaux-arts, was das künstlerische Niveau der hier vereinigten Leistungen an⸗ langt, kaum zu messen: Mittelmäßigkeit und öde Routine überwiegen.
birgt auch der Saal 40 einen Platz im Ehrensaal mit größerem Rechte beanspruchen könnten als die mächtige Leinwand von Ferdinand Roybet, deren Umfang kaum im Verhältniß zu ihrer künstlerischen Bedeutung steht. Sie stellt das Blutbad dar, das Herzog Karl der Kühne von Burgund 1472 in der Kirche zu Nesle anrichtete. Die Brutalität der Erfindung verletzt ebenso sehr, wie die theatralische Pose und die zur Schau gestellte antiquarische Gelehrsamkeit den feinfühligen Kunstfreund. Dazu kommt ein unerträglich schweres Kolorit, das dem Ganzen jeden malerischen Reiz nimmt. Viel erfreulicher wirkt Roybet’s kleineres Bild, das in Anlehnung an Frans Hals in breiter Manier einen mit einer Soldatendirne tändelnden Kavalier darstellt (3461). Die Behandlung des Carnats mit ihrer saftigen Frische steht in schroffem Gegensatz zu der Härte und Undurchsichtigkeit der Farbengebung in dem obengenannten größeren Bilde. Freilich vermag es nicht jene fascinierende Wirkung auszuüben, die Jean Boldini's Porträt der Gräfin Poniatowska zu einem unvergleichlichen Meisterwerk erhebt. Mund und Auge der schwarzhaarigen Schönheit sprühen Leben und Koketterie; es ist, als hätte der Maler in nervöser Hast nur den glücklichsten Augen⸗ blick in Bewegung und Ausdruck festhalten wollen, und jeder Pinselstrich war ein Treffer. Kaum weniger unmittelbar wirkt das Familienbildniß des englischen Malers John Lewis Brown, der in v5 Laune ein Lied trällernd mit Frau und Tochter über den Boulevard schwankt. Man glaubt, die vorausgegangene und folgende Bewegung des Schreitenden wahrnehmen zu können, und gewinnt damit den Eindruck über⸗ zeugender Lebenswahrheit. Nur das Antlitz der Gattin des ver⸗ gnügten Malers hat etwas von photographischer Starrheit an sich. Mit feinem Geschmack hat Boldini es verstanden, den heraus⸗ fordernden Charakter des Motivs durch eine vornehme, an Whistler gemahnende Farbengebung zu mildern. Den Gipfel geistreicher Grazie erreicht der französierte Italiener aber in dem kleinen Bildchen, das uns einen Einblick in das Atelier einer beim Aktmalen beschäftigten Künstlerin gewährt. Mit wenigen Pinselstrichen ist das Ganze hingesetzt wie eine Improvisation, und doch verräth sich in der An⸗
Gleichwohl einige Perlen, die
ordnung des Bildes das Raffinement eines künstlerischen
—q—V
*) S. Nrn. 104, 111 und 117 d. Bl.
Gourmets. Wie fade und unwahr erscheinen neben solchen Gaben die füßlich glatten Frauengestalten eines Bouguereau Wenker, Lhiriou und Deloppe mit ihrer akademischen ose und dem rosig harten Fleischton! Etwas mehr Zuge⸗ ständnisse machen rilette und Bourgonnier der modernen Maltechnik, ohne doch über gespreizte Mittel⸗ mäßigkeit hinauszukommen. Ganz kalt läßt den Beschauer das große Spektakelstück von Le Quesne, der einen Wasserfall mit einer Schaar nackter Nymphen be⸗ völkert, deren harte Körperlichkeit jeden Gedanken an die beabsichtigte Symbolik der Sturzbachgeister ausschließt. Wie ein römisches Stipendiatenbild muthet uns Danger s „Ueber⸗ tretung von Christi Gebot“ (330) an, ohne innerliches Leben und Tiefe der Empfindung, die das religiöse Motiv fordert.
Diesen wenig erfreulichen Leistungen, denen man auch Munkäesy's trübfarbige Pußtaschenke zuzählen muß, steht eine Reihe von Bildern gegenüber, die für den hochent⸗ wickelten Geschmack ihrer Aussteller Zeugniß ablegen. Da sind die Landschaften Pierre Lagarde's mit ihrer zarten Poesie der Abenddämmerung (965) und der feinen Luft⸗ stimmung eines schwülen Erntetages (964), Arbeiten von großem Ernst und Tiefe malerischen Empfindens, die Park⸗ scene Gorguet s (598), eine Variation des englischen Praeraphaelitengeschmacks in modernem Kostüm, St. Ger⸗ mier's pikante Farbenstudien aus Venedig und Sevilla (1470 — 72), Bréauté's mit allen Mitteln moderner Technik ge⸗ malter weiblicher Akt in fein abgestimmtem Innenlicht, Chigot's breit und sicher gemalte Veduten aus Etaples (266—68) und die in zartestem Pleinair gemalten Dämmerlichtstudien von Ernest Baillet. Sie beweisen, daß auch im „alten Salon“ die Errungenschaften der jüngeren französischen Kunst anerkannt werden, wie denn die Scheidung der Pariser Künstlergemeinde mehr in persönlichen Verhältnissen als in Verschiedenheit der künstlerischen Anerkennung ihren Grund hat.
Unter den plastischen Arbeiten dieser Abtheilung verdienen Aufmerksamkeit Jules Clément Chaplain's Medaillen und Plaquetten, die trotz ihres Kleinkunstcharakters einen größeren Stil haben als die glatten und kleinlichen Marmor⸗ büsten von Marquet de Vasselot.
Jedenfalls wird Frankreich für die große Kunstausstellung des nächsten Jahres eine Reihe neuer Kräfte auf den Plan stellen müssen, um die gegenwärtige Kunstströmung in Paris wirkungsvoll zu vertreten.
1] Bauten.
In einem unter den Mitgliedern der Vereinigung Berliner
Architekten ausgeschriebenen Wettbewerb um ein Land haus im Grunewald erhielten, dem „Zentr.⸗Bl. d. Bauv.“ zufolge: den ersten Preis von 500 ℳ der Architekt H. Guth in Charlottenburg, den zweiten von 300 ℳ die Regierungs⸗Baumeister Reimer u. Körte in Berlin und
in Berlin.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Saatenstand in Preußen und Exrnteschätzung um die Mitte des Monats Mai 1895.
Um die Mitte des Monats Mai berechtigte der Stand der Saaten in Preußen nach den Ermittlungen des Königlichen Statistischen Bureaus zu folgenden Erwartungen (Nr. 1: eine sehr gute, Nr. 2: eine gute, Nr. 3: eine mittlere (durchschnittliche), Nr. 4: eine geringe, Nr. 5: eine sehr geringe Ernte): Winterweizen 2,6 (wie im April d. J.), Sommer⸗ weizen 2,6, Winterspelz 2,1 (im April 2,5), Winterroggen 3,4 (wie im April), Sommerroggen 2,8, Sommergerste 2,5, Hafer 2,6, Erbsen 2,7, Kartoffeln 2,7, Klee (auch Luzerne) 2,3 (wie im April), Wiesen 2,3 (im April 2,7). Wegen Auswinterung u. dgl. mußten umgepflügt werden 1,7 % der Anbaufläche von Winterweizen, 0,1 % von Winter⸗ spelz, 8,3 % von Winterroggen, 0,2 % von Klee und Luzerne.
Den in der „Statistischen Korrespondenz“ diesen Ziffern hinzu⸗ gefügten Bemerkungen ist Folgendes entnommen: In den Witterungs⸗ verhältnissen des Ostens und Westens tritt in der verflossenen Berichts⸗ periode ein erheblicher Gegensatz hervor. Der Westen hatte während derselben im allgemeinen fruchtbares Wetter; der Osten, mit Ausnahme des Regierungsbezirks Frankfurt und eines Theils des Regierungs⸗ bezirks Potsdam, litt dagegen unter Trockenheit. In einzelnen Berichtsbezirken des östlichen Staatsgebiets hat es, seitdem der Schnee geschmolzen, nicht geregnet; in anderen wieder haben Gewitter zwar einigen Regen gebracht, doch war derselbe zur Förderung des Wachsthums der Saaten nicht ausreichend. In Verbindung mit dem Regenmangel trockneten rauhe Nord⸗ und Ostwinde den Boden aus. Besonders ungünstig lauten in dieser Beziehung die Berichte aus den Provinzen Ost⸗ und West⸗ preußen, Posen and Schlesien. Nach den zuletzt eingegangenen Be⸗ richten ist erfreulicherweise seit dem 15. d. M. überall Regen ein⸗ getreten, der manchen durch die Trockenheit bereits verursachten Schaden, insbesondere bei der Sommerung und den Futterkräutern, voraus⸗ sichtlich ausheilen wird. Im Westen kommen Klagen über un⸗ genügende Feuchtigkeit in größerem Umfange nur aus den Regierungs⸗ bezirken Trier und Aachen vor. Die Tagestemperatnr war überall eine ungewöhnlich hohe und erreichte in einigen Berichtsbezirken die für den Monat Mai bedeutende Höhe von 35 Grad Celsius. Im Gegen⸗ satze dazu waren die Nächte kühl, glücklicherweise aber mit wenigen us⸗ nahmen ohne Frost. In den letzten Tagen ist die Temperatur wesentlich
esunken. Die Berichterstatter je eines Bezirks in den Kreisen Felerfelh und Bernkastel verzeichnen Schneefall. Auch über Hagel⸗ fälle wird berichtet, und zwar aus drei Bezirken im Regierungsbezirk Merseburg, je zweien in den Regierungsbezirken een und Schleswig und je einem in den Regierungsbezirken osen, Erfurt, Hildesheim und Düsseldorf; doch ist durch die Hagelfälle kein nennens⸗ werther Schaden verursacht worden. Beschädigungen durch Insekten werden aus fast allen Regierungsbezirken gemeldet. Da der Boden nicht genügend durchgefroren war, scheint wenig Ungeziefer zu Grunde egangen zu sein. Verderblicher ist der inter anscheinend den
äusen gewesen, da über Beschädigungen durch dieselben nur aus 13 Bezirken geklagt wird. v“
Was den Stand der einzelnen Feldfrüchte betrifft, so scheint der Winterweizen mehr, als im April d. J. erwartet wurde, im Winter gelitten zu haben; doch ist der Stand dieser Frucht im all⸗ gemeinen ein befriedigender, was insbesondere vom Westen gilt. Un⸗ günstig lauten die Berichte über den Winterroggen. Die Hoffnung, daß diele Pflanzen, die beschädigt aus dem Winter gekommen waren, sich bei günstiger Witterung noch erholen würden, ist nur in wenigen Gegenden in Erfüllung gegangen. Ein nicht unbe⸗ deutender Theil der Anbaufläche hat umgeackert werden müssen. Während im vergangenen Jahre nur 0,1 % der gesammten Anbau⸗ fläche des Winterroggens im Staate zur Umackerung kam, sind es in diesem Jahre 8,3 %. Dieser Prozentsatz würde ein noch höherer sein, wenn wirklich alle Auswinterungsflächen von neuem bestellt worden wären. Vielfach fehlte es jedech bei der an und für sich schon verspäteten Frühjahrsbestellung an Zeit, mehrfach auch an Saatgut. In anderen Fällen konnten die ausgewinterten Stellen nicht umgepflügt werden, weil dieselben nicht im Zusammen⸗ hange, sondern über das ganze Feld zerstreut lagen. In solchen — suchte man sich damit zu helfen, daß man Sommerung oder
radella dazwischen säete. In anderen Berichtsbezirken ist das Um⸗ ackern deshalb unterblieben, weil dort die Sommerung wegen der ge⸗ ringen Bodenbeschaffenheit unsicher und man lieber mit einer schlechten Winterung zufrieden ist, als eine unsichere Sommerung baut. Aber auch der stehen gebliebene Theil des Roggens läßt zu wünschen übrig. Besonders in den östlichen Bezirken hat die seit langer Zeit
Tage, den Aebren getrieben, ehe ein Bestocken möglich war.
den dritten von 200 ℳ der Architekt G. Rathenau
anhaltende Trockenheit, verbunden mit ungewöhnlicher Hitze am Roggen vorzeitig zum Schossen gebracht und in die Es zeigt sich daher bei dieser Frucht — und dies gilt auch von den westlichen Bezirken — meist ein dünner Stand, und wird auch eine geringe Strohernte erwartet. Die Bestellung der Sommerung kann im allgemeinen als beendet angesehen werden; dieselbe ist unter günstigen Verhältnissen leicht und ohne Störung von statten gegangen. Ein sicheres Urtbeil über die Sommersaaten wird sich erst im Juni fällen lassen, da die⸗ selben, besonders im Osten, erst theilweise aufgegangen sind. Soweit sich die Berichte bereits hierüber äußern, ist der Stand der Sommer⸗ gerste bisher meist ein befriedigender. Im Osten fängt jedoch früh eesäcte Sommergerste an, gelb zu werden; später gesäete ist lücken⸗ haßt aufgegangen. In einigen Berichtsbezirken wird dieselbe durch Der Hafer steht besonders auf schwerem Boden infolge der Trockenheit ungleichmäßig. Die Kartoffeln sind zum größten Theil gelegt, aber erst zum geringen Theil aufgegangen. Die Kleefelder sind gut, in einigen Bezirken sogar vorzüglich bestanden, sodaß sie, zumal auch im Osten der ersehnte Regen eingetreten ist, zu guten Hoffnungen berechtigen. Dasselbe läßt sich von den Wiesen sagen. In den östlichen Pro⸗ vinzen sind die Feldwiesen zurückgeblieben; in den westlichen aber stehen sie im saftigsten Grün. In den Regierungsbezirken Potsdam und Lüneburg sind die Flußwiesen zum theil noch überschwemmt. In⸗ folge des guten Standes der Kleefelder und Wiesen wird über Futter⸗ mangel nur in wenigen Berichtsbezirken geklagt. AX“
den Drahtwurm beschädigt.
Saatenstand in Bayern.
Die offiziellen Saatenstandsziffern aus Gesammtbayern lauten nach einer Münchener Meldung des „W. T. B.“ wie folgt: Winterweizen 2,13; Sommerweizen 2,37; Winterroggen 2,76; Sommerroggen 2,22; Gerste 2,14; Hafer 2,25; Raps 2,44; Kartoffeln 2,35; Futtergewächse 1 ¾; Hopfen 3,07. In den Wein⸗ bezw. Obstbergen b der Frost argen S
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Uruguay.
Zufolge Verfügung der Regierung zu Montevideo vom 24. v. M. unterliegen Herkünfte von Argentinien der ärztlichen Untersuchung nebst Desinfizierung der Effekten der Reisenden und Schiffsbesatzung. Für Schiffe, welche den Hafen von Concordia angelaufen haben, ist eine fünftägige Quarantäne angeordnet worden.
Budapest, 21. Mai. Durch eine Verordnung des Ackerbau⸗ Ministers wurde über die Anstalt für Borstenvieh in Steinbruch wegen der weiteren Ausbreitung der Ruhrkrankheit unter dem Borstenvieh die Sperre verhängt. Der Export von Borstenvieh von dort nach dem Auslande ist verboten.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 21. d. M. gestellt 11 181, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. 1 In Oberschlesien sind am 20. d. M. gestellt 3976, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
— Die von dem Finanz⸗Minister bei Gelegenheit der Verhand⸗ lungen des Abgeordnetenhauses über den Antrag von Mendel⸗Steinfels angekündigte Konferenz über die Förderung des Personal⸗ kredits der mittleren Stände hat am 18. d. M. unter Be⸗ theiligung des Handels⸗Ministers, des Finanz „Ministers und des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten im Finanz⸗ Ministerium stattgefunden. Zu der Berathung waren Vertreter der verschiedenen Richtungen des genossenschaftlich organisierten Kredit⸗ wesens sowie von landwirthschaftlichen Zentralvereinen und Innungsausschüssen aus den verschiedenen Theilen des Staats zu⸗ gezogen. Von den Mitgliedern der Konferenz wurde fast ausnahmslos der auch von der Staatsregierung getheilten Auffassung Ausdruck ge⸗ geben, daß den produktiven Klassen des Mittelstandes, insbesondere dem Handwerk und den bäuerlichen Wirthen, der für ihr Gedeihen nothwendige gesunde und billige Personalkredit vielfach noch nicht zur Verfügung stehe, und daß auch der von den vorhandenen Kredit⸗ verbänden und Kreditinstituten ihren Mitgliedern gewährte Kredit vielfach noch zu theuer sei. Die Schaffung einer Zentral⸗Kreditanstalt die zwar die bestehenden Genossenschaften und deren Verbände in ihrer vollen Selbständigkeit zu belassen, ihnen aber neben der Eröffnung billigen Kredits als großs, Ausgleichsstelle für die in den Einzel⸗ verbänden disponiblen ittel zu dienen haben würde, wurde als in hohem Grade wünschenswerth und als besonders geeignet anerkannt, die Entwickelung des Personalkreditwesens wirksam zu unterstützen, die Bildung von Kreditgenossenschaften, wo solche noch nicht vorhanden, und den Zusammenschluß der Genossenschaften zu
rößeren Verbänden zu fördern. Von besonderem Interesse für die Beurtheilung der Bedürfnißfrage waren die statistischen Mittheilungen über den gegenwärtigen Stand der Kreditgenossenschaften. Danach entbehren zur Zeit noch fast 500 Städte in Preußen einer Kredit⸗ genossenschaft überhaupt. Von den in Preußen vorhandenen 2600 Kreditgenossenschaften gehören 1142 dem Schulze⸗Delitzsch'schen, 1458 dem Raiffeisen'schen System an; erstere umfassen rund 500 000 Mitglieder, darunter 170 000 Landwirthe, letztere etwa 140 000 Mitglieder, die ausschließlich dem landwirthschaftlichen Stande an⸗ gehören. Die gesammte landwirthschaftliche Bevölkerung Preußens stellt daher zu den Kreditgenossenschaften bisher nur gegen 310 000 Mitglieder. Ueber die Höhe des Zinsfußes für die von den Raiff⸗ eisen'schen Genossenschaften ihren Mitgliedern gewährten Kredite ist eine Statistik nicht vorhanden; dagegen liegt eine solche für 994 Ge⸗ nossenschaften nach Schulze⸗Delitzsch vor. Unter diesen 994 befinden sich 493, welche an Provision und Zinsen für Vorschußwechsel und Darlehne gegen Schuldschein und Hypothek über 5 bis 6 % nehmen, und 136, c denen der Zinsfuß über 6 % hinausgeht, bei einzelnen bis auf 9 bis 11 % steigt. — Volles Einverständniß bestand darüber, daß die zu errichtende Zentralanstalt in der Regel nur mit den größeren genossenschaftlichen Verbänden und Verbandskassen in Verbindung treten dürfe, um durch ihre Vermittlung den einzelnen Genossenschaften diejenigen Kreditvortheile zu verschaffen, welche die Anstalt mit Hilfe ihrer eigenen Mittel, der ihr als Ausgleichsstelle zufließenden Kapitalien und des ihr bei den großen Geldin tituten des Reichs und des Staats (Reichsbank, Seehandlung) erreichbaren billigen Kredits gewähren kann. In gleicher Weise wird sie mit den von den Landschaften oder von den Provinzen und Landes⸗Kommunalverbänden für den Personalkredit errichteten Instituten insbesondere da in Ver⸗ bindung treten können, wo diese noch nicht zu einer sich selbst ge⸗ nügenden Leistungsfähigkeit erstarkt sind. — in der Frage der äußeren Organisation des Zentralinstituts trat die Konferenz den Vorschlägen der Staatsregierung durchweg bei. Entscheidend fiel für die zunächst ins Auge zu fassende Gestaltung des Instituts ins Ge⸗ wicht, daß es bei der gegenwärtigen Lage der Landwirthschaft und des Handwerks darauf ankommt, ihnen die mögliche Hilfe auch so bald als möglich zu bieten, daß aber zur b8 garnicht zu übersehen ist, ob die verschiedenen großen und kleinen Verbände Neigung haben, sich zu einer gesellschaftlichen Formation 8-. . und noch weniger, mit welchen finanziellen Mitteln und unter welchen Bedingungen sie sich bei einer solchen Organisation betheiligen würden. Es ist des⸗ halb in Aussicht genommen worden, das Zentral⸗Kreditinstitut als eine selbständige, nicht gesellschaftlich organisierte Anstalt mit juristischer Persönlichkeit (Einzelkaufmann) zu errichten, welche der staatlichen Leitung unterstehen und einstweilen auch vom Staat allein mit dem nothwendigen Betriebsfonds ausgestattet werden soll. Die Möglichkeit, daß sich die einzelnen genossenschaftlichen Ver⸗