1895 / 124 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 25 May 1895 18:00:01 GMT) scan diff

der Amtsrichter Wagner in Mettmann infolge ihrer Ernen⸗ nung zu Regierungs⸗Räthen.

Der Konsul Otto Meyer in Königsberg i. Pr. ist zum Handelsrichter bei dem Landgericht daselbst ernannt.

Dem Fabrikanten Robert Berg in Solingen ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Amt als stellvertretender Handelsrichter bei dem Landgericht in Elberfeld ertheilt.

Der Staatsanwalt Schulze in Meseritz ist an das Land⸗ gericht in Kottbus versetzt.

Zu Notaren sind ernannt: der Rechtsanwalt Schroeder in Beuthen O.Schl. für den Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Breslau, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Beuthen O.⸗Schl., und der Rechtsanwalt Lange in Salzwedel für den Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Naumburg a. S., mit An⸗ weisung seines Wohnsitzes in Salzwedel.

In die Liste der Rechtsanwalte sind eingetragen: der frühere Landrichter Skutsch bei dem Landgericht in Ratibor, der Gerichts⸗Assessor Dr. Aye bei dem Landgericht in Flens⸗ burg und der Gerichts⸗Assessor Hagemeister bei dem Amts⸗ v in Stralsund und der Kammer für Handelssachen daselbst.

Der Landgerichts⸗Rath Brand in Arnsberg, der Land⸗ erichts⸗Rath Schumann in Braunsberg und der Gerichts⸗ Assessor Dr. Scheren sind gestorben.

errenhaus. . Bekanntmachung. Dcas Herrenhaus hat in der Sitzung vom 18. Mai d. J., bei Berathung des Antrages seines Mitgliedes, des Herrn von Bethmann⸗Hollweg, auf Annahme eines Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung der §§ 18 bis 27 des Gesetzes wegen Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 be⸗ schlossen: die in großer Zahl eingegangenen, dem vorbezeichneten Antrage zustimmenden Petitionen durch die Annahme desselben für erledigt zu erklären. Hiervon mache ich den Interessenten, und zwar der großen Zahl wegen, auf diesem Wege Mittheilung. Berlin, den 25. Mai 1895. Der Bureau⸗Direktor des Herrenhauses In Vertretung: 1 Krüger, Geheimer Kanzlei⸗Rath.

Abgereist:

Seine Excellenz der kommandierende Admiral, Knorr, nach Wilhelmshaven;

der Ministerial⸗Direktor im Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten, Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. von Bartsch, nach der Rhein⸗ provinz.

Admiral

8 8 Personal⸗Veränderungen.

Königlich Preußische Armee. 8 Militär⸗Justizbeamte. Durch Allerhöchsten Abschied. Neues Palais, 11. Mai. Domcke, Div. Auditeur bei der 35. Div., die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienst mit Pension in Gnaden ertheilt. ꝛc. Domcke tritt am 1. September 1895 in den Ruhestand. Beamte der Militär⸗Verwaltung. Durch Verfügung des Kriegs⸗Ministeriums. 11. April. Kellner, Intend. Sekretär von der Intend. III. Armee⸗Korps, Antrag zum 1. Mai d. J. mit Pension in den Ruhestand versetzt. 1 26. April. Dr. Hagemann, Roßarzt vom 2. Garde⸗Feld⸗ Art. Regt., behufs Uebertritts zur landwirthschaftlichen Verwaltung mit Ende April d. J. aus dem aktiven Militärdienst entlassen. 30. April. Koch, Wollexrt, Pr. Lts., unter Ueberweisung zu den Intendanturen des II. bezw. I. Armeekorps, zu etatsmäß. Intend. Assessoren, Koch, Zahlmstr. Aspir., zum überzähl. Zahlmstr. beim XI. Armeekorps, ernannt. 10. Mai. Neubarth, Roßarzt vom 1. Brandenburg. Drag. Regt. Nr. 2, zum Ober⸗Roßarzt, Kraemer, Unter⸗Roßarzt vom 3. Schles. Drag. Regt. Nr. 15, Rautenberg, Unter⸗Roßarzt vom Feld⸗Art. Regt. von Holtzendorff (1. Rhein.) Nr. 8, unter Ver⸗ etzung zum Drag. Regt. von Wedel (Pomm.) Nr. 11, Ibscher, Unter⸗Roßarzt vom Feld⸗Art. Regt. General⸗Feldzeugmeister (2. Brandenburg.) Nr. 18, unter Versetzung zum Ulan. Regt. Prinz August von Württemberg (Posen.) Nr. 10, zu Roßärzten, Ehling, Schroeder, Unter⸗Roßärzte der Kes., zu Roßärzten des Beurlaubten⸗ tandes, ernannt. Poczka, Roßarzt vom Drag. Regt. von Wedel (Pomm.) Nr. 11, zum 2. Pomm. Feld⸗Art. Regt. Nr. 17, Lüdecke, Roßarzt vom 3. Garde⸗Ulan. Regt., zum 2. Garde⸗Feld⸗ Art. Regt., Bose, Roßarzt vom Huf. Regt. von Zieten (Branden⸗ burg.) Nr. 3, zum Kür. Regt. Kaiser Nikolaus I. von Rußland (Brandenburg.) Nr. 6, versetzt.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Prensen. Berlin, 25. Mai. Seine Majestät der Kaiser und König trafen gestern Nachmittag gegen 6 Uhr mittels Sonderzugs von Prökelwitz auf der Wildparkstation ein, wurden daselbst von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin empfangen und fuhren mit Allerhöchstderselben nach dem Neuen Palais. Bei dem Diner, welches um 8 Uhr bei Ihren Majestäten zu Ehren des Ge⸗ urtstags Ihrer Majestaät der Königin von Großbritannien und Irland stattfand, brachten Seine Majestät einen Trink⸗ pruch auf das Wohl der Königin Victoria aus. Heute hörten Seine Majestät der Kaiser von 9 Uhr Morgens ab die Vorträge des Chefs des Generalstabs der Armee Grafen von Schlieffen und des General⸗Majors von Lippe, in Vertretung des Chefs des Militärkabinets. 11.“ 8 6““

des Vize⸗ kretärs des

In der am 24. d. M. unter dem Vorsi Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staaiss Innern Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesraths wurde der Entwurf eines I. betreffend

ie Fürsorge für die Wittwen

und Waisen der Personen

des Soldatenstandes des Reichsheeres lichen Marine vom Feldwebel abwärts, in der vom Reichstag beschlossenen Fassung angenommen. Dem Ausschußantrage, betreffend die Verwendung steuerfreien Branntweins zur Herstellung von Parfümerien, Kopf⸗, Mund⸗ und Zahnwassern, ferner dem Entwurf eines Regulativs über den zollamtlichen Verschluß der die Elbe und ihre Nebenflüsse befahrenden Schiffe nebst Ausführungsvorschriften, sowie der Vorlage, betreffend den Zollverwaltungskosten⸗Etat für Preußen, wurde die Zustimmung ertheilt. Die Beschlüsse des Reichstags zu der Reichshaushalts⸗Uebersicht 1893/94, der Bericht der Reichsschulden⸗Kommission über die Verwaltung des Schuldenwesens des Bundes bezw. des Reichs u. s. w., und die Vorlage, etreffend die Beschlüsse des Landes⸗Ausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes für Elsaß⸗Lothringen über die Sparkassen, wurden den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Endlich wurden die Ruhegehälter für eine Anzahl von Reichsbeamten festgestellt.

Heute hielten die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen eine Sitzung.

und der Kaiser⸗

8 8

Die im Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt aufgestellte Uebersicht der Betriebs⸗Ergebnisse deutscher Eisenbahnen im Monat April 1895 ergiebt für 66 Bahnen, die schon im April 1894 im Betriebe waren, Folgendes:

Gesammtlänge: 38 634,44 km.

im gegen auf gegen Ganzen das Vorjahr 1 km das Vorjahr

für alle Bahnen im Monat April 1895 aus dem Per⸗ sonenverkehre 32 017 929 + 4 983 224 846 + 123 17,01 aus dem Güter: .. . 65 674 602 206 780 1 706 27 1,56 für die Bahnen mit dem Rechnungsjahre

verkehre 1. April 31. März in der Zeit vom 1. April bis Ende April 1895 aus dem Per⸗

sonenverkehre 26 096 152 + 4 118 860 839 + 122 17,02 aus dem Güter⸗ verkehre 55 345 192 559 150] / 1 749 43 2,40 für die Bahnen mit dem Rechnungsjahre 1. Januar 31. Dezember in der Zeit vom 1. Januar bis Ende April 1895 aus dem Per⸗

sonenverkehre 17 207 515 342 791 2 548 57 2,19 aus dem Güter⸗ verkehre . 39 292 896 + 895 185 5 746 + 113 + 2,01 Im Jahre 1894 fiel das Osterfest in den März, im Jahre 1895 in den April.

Eröffnet wurden am 10. April die Zufahrtslinien zum neuen Rangierbahnhof in Karlsruhe, 26,76 km, und Karls⸗ ruhe Dürmersheim —Rastatt, 22,29 km (Großherzoglich badische Staats⸗Eisenbahn).

Einnahme

Der Regierungs⸗Assessor Freiherr Laur von Münch⸗ hofen zu Stolp i. P. ist der Regierung zu Danzig, der Regierungs⸗Assessor Schlaeger zu Osterode i. H. der Regie⸗ rung zu Münster und der Regierungs⸗Assessor Keßler zu M.⸗Gladbach der Regierung zu Köln zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.

Der neuernannte Regierungs⸗Assessor Eilsberger ist dem Königlichen Polizei⸗Präsidium zu Königsberg zur dienst⸗ lichen Verwendung überwiesen worden.ß

Nach telegraphischen Meldungen an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. S. „Kaiser“, Kommandant Kapitän zur See Jaeschke, am 22. Mai in Suez angekommen und an demselben Tage nach Aden in See gegangen; S. M. S. „Cormoran“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Brinkmann, ist am 22. Mai in Durban angekommen. Die 1. Division des Manöver⸗Geschwaders, bestehend aus S. M. Schiffen „Kurfürst Friedrich Wilhelm“ (Flaggschiff), „Branden⸗ burg“, „Weißenburg“, „Wörth“ und Aviso „Jagd“, Geschwader⸗Chef Vize⸗Admiral Köster ist am 23. Mai in Kirkwall (Orknay⸗Inseln) eingetroffen und am 24. Mai nach Helgoland in See gegangen. Die 2. Division des Manöver⸗ Geschwaders, bestehend aus S. M. Schiffen „Baden“ (Flagg⸗ schiff), „Bayern“, „Sachsen“, „Wuͤrttemberg“ und Aviso „Pfeil“, Divisions⸗Chef Kontre⸗Admiral Barandon ist am 23. Mai in Lerwik (Shettland⸗Inseln) angekommen und am 24. Mai nach Helgoland in See gegangen.

Cronberg, 24. Mai. Seine Majestät der König von Dänemark ist heute Nachmittag aus Wiesbaden zum Besuch Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich in Schloß Friedrichs⸗ hof eingetroffen. .

Aachen, 25. Mai. Ihre Majestäten die Königin und die Königin⸗Regentin der Niederlande sind mit Ge⸗ folge gestern hier angekommen und heute nach Ischl weiter⸗ gereist.

Württemberg.

Die Kammer der Standesherren hat gestern die Etatsberathung begonnen. Nach kurzer Generaldebatte wurde in die Einzelberathung auf Grund der ersten Beschlüsse⸗ Zusammenstellung der Kammer der Abgeordneten eingetreten.

Baden. Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen muß nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Karlsruhe wegen leichten Unwohlseins auf einige Tage das Zimmer hüten.

Mecklenburg⸗Schwerin. Seine Königliche Hoheit der Sresherzag trifft, den

„Meckl. Nachr.“ zufolge, mit Seiner Königlichen Hoheit dem Erbgroßherzog heute Vormittag wieder in Schwerin ein.

1 Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.

Der Landtag des Herzogthums Gotha hat in sei Urahen ShA; zaß dn Beiträge 8* . nfall⸗, Invaliditäts⸗ und Feuerversicherung vom st Einkommen abziehbar sein sollen. b Sassgsres

Oesterreich⸗Ungarn.

Das ungarische Unterhaus hat gestern ohne Debatte den Gesetzentwurf, betreffend die provisorische Regelung der Handelsbeziehungen mit Spanien, angenommen. Der Präsident von Szilagyi theilte sodann mit, daß das Haus anfangs nächster Woche in die Sommerferien eingehen werde

Der Just izausschuß des Unterhauses hat einstimmig die Vereinbarung des Unterrichtsausschusses angenommen, worin dem vom Oberhause angenommenen Wortlaute des Gesetz⸗ entwurfs über die Rezeption der Juden beigestimmt wird Ebepso stimmte der Ausschuß der Verfügung des Unterrichts⸗ ausschusses bezüglich des vom Oberhause nicht aufgenommenen § 2 des Gesetzentwurfs über die freie Religionsübung (Uebertritt zum Judenthum) bei. Der Unterrichts⸗Minister und der Justiz⸗Minister äußerten sich zustimmend.

Großbritannien und Irland.

Prinz Heinrich von Preußen kam, wie aus Kirkwall (Orkney⸗Inseln) gemeldet wird, am Donnerstag in Begleitung mehrerer Offiziere von dem deutschen Manöver⸗ Geschwader und des deutschen Konsuls Cowper dort an Land und besuchte die „Standing Stones“ von Stennis. Seine Hoheit wurde von der Bevölkerung ehrerbietigst egrüßt.

Im Unterhause beantragte gestern Joseph Pease eine Resolution, worin erklärt wird, daß das System der Staatseinkünfte aus dem indischen Opium moralisch nicht zu vertheidigen sei. Die indische Regierung solle auf⸗ hören, Erlaubnißscheine für den Anbau von Mohn und den Verkauf von Opium in Britisch⸗Indien zu ertheilen, ausgenommen zur Befriedigung der legitimen ärztlichen Bedürfnisse; auch sollten Maßregeln getroffen werden, um die Durchfuhr von Malva⸗Opium durch britisches Gebiet zu hindern. Der Staatssekrerär für Indien Fowler bekämpfie den Antrag, der verfrüht und noch nicht reif sei, auch schließe der Antrag eine Ungerechtigkeit in sich und sei undurchführbar. Die Resolution spitze sich auf eine Politik von solcher Tragweite zu, daß das Haus überzeugt werden müßte, daß sie nothwendig, durchführbar und sicher sei, ehe der Ver⸗ such gemacht werde, sie einzuführen und dem indischen Reich mit Gewalt aufzuzwingen. Der Antrag wurde mit 176 gegen 59 Stimmen abgelehnt. Sodann wurde die Finanzbill vom Hause, das sich als Comité konstituiert hatte, nach zweitägiger Berathung unverändert angenommen. Die beantragten Amendements wurden mit großen Mehrheiten abgelehnt.

Bei der gestern in Croydon vorgenommenen Ersatzwahl zum Unterhause wurde an Stelle des konservativen Ab⸗ geordneten Herbert, welcher Peer geworden ist, der frühere Minister Ritchie (konservativ) gewählt. Ein Gegenkandidat war nicht aufgestellt worden.

Frankreich.

Der Kriegs⸗Minister, General Zurlinden und der Minister des Auswärtigen Hanotaux empfingen gestern den Sindaco von Magenta Brocca, welcher eine Einladung zur Enthüllung des Mac Mahon⸗Denkmals überbrachte. Die Minister beschlossen, zu der Feier eine Deputation zu entsenden.

Die Budgetkommission der Deputirtenkammer nahm gestern mit 17 gegen 10 Stimmen einen Antrag des Deputirten Krantz an, worin als erforderlich hingestellt wird, sofort neue Ersparnisse ausfindig zu machen, statt zu neuen Steuern zu greifen; ferner wird darin ausgesprochen, daß man im Einvernehmen mit der Regierung vorgehen wolle. So⸗ dann wurde einstimmig ein Antrag des Deputirten Cavaignac angenommen, worin erklärt wird: obgleich die Kommission entschlossen sei, alle für die Landesvertheidigung noth⸗ wendigen Opfer zu bringen, erachte sie es doch für möglich, dem Kriegs⸗Minister die für 1896 verlangten Effektiv⸗ bestände nur dann zu bewilligen, wenn die in dem ersteren Beschluß verlangten Ersparnisse realisiert wür

Der Kaiser empfing, wie „W. T. B.“ berichtet, geste in Zarskoje Sselo den neuernannten persischen Gesandten Riza Khan, welcher später der Kaiserin vorgestellt wurde. Die Kaiserin⸗Wittwe und der Großfürst⸗Thron⸗ folger sind gestern von Batum in Borshom eingetroffen.

Spanien.

Im Königlichen Palais zu Madrid fand gestern zu Ehren der Prinzessin Helene von Orleans ein großes Fest⸗ mahl statt, dem der Minister⸗Präsident Canovas del Castillo und der italienische Botschafter beiwohnten.

Belgien.

In Erwiderung auf eine Anfrage, ob die Regierung geneigt sei, im Verein mit Deutschland Unterhandlungen über die Zuckerfrage aufzunehmen, erklärte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Finanz⸗Minister de Smet de Nayer, er hoffe, zaß demnächst eine Konferenz zusammentreten werde, um sich mit dieser Frage zu beschäftigen.

Die Congo⸗Kommission der Repräsentantenkammer hat gestern mit 15 gegen 3 Stimmen bei zwei Stimmenthal⸗ tungen die nachfolgende Tagesordnung angenommen: Die Kommission spricht, ohne der Entscheidung über die Haupt⸗ frage zu präjudizieren und in der Annahme, daß die Berathung über die Uebernahme des Congostaats nicht vor dem 1. Juli würde statt⸗ finden können, die Ansicht aus, daß es vortheilhaft wäre, von den ge⸗ setzgebenden Körperschaften die für den Congostaat nöthigen Mittel als provisorische Kredite zu verlangen.“ 1

Es handelt sich hierbei namentlich um den Ankauf einer hohen Hypothek, welche auf ausgedehnte Landstrecken am Congo aufgenommen worden ist, und welche vor Ende Juni zurückgezahlt werden muß. Nach Mittheilungen, die dem „W. T. B.“ von zuständiger Seite zugegangen sind, bedeutet diese Tagesordnung keineswegs eine Vertagung der Frage wegen Uebernahme des Congostaats, sondern die Forderung auf Be⸗ willigung provisorischer Kredite, um der Kommission wie der Kammer zu ermöglichen, die Frage reiflich zu erwägen. Der Minister des Auswärtigen Graf Merode, welcher seine Entlassung genommen hat, verlangte die sofortige Berathun der Uebernahme des Congostaats in der Kammer und befan sich darüber in Meinungsverschiedenheit mit dem Minister de

ersetzt werden.

wird sich, dem „W. T. B.“ zufolge, au

rn

Lantsheere. Der König selbst hat die Ansicht des Grafen

Merode nicht getheilt, weshalb dieser sein Entlassungsgesuch auf⸗

recht erhält. De Burlet wird unter Beibehaltung des Vor⸗

sitzes das Ministerium des Auswärtigen übernehmen, Liebart

an Stelle de Burlet's das Ministerium des Innern 8 8 Türkei. 1

Wie die „Politische Korrespondenz“ aus Konstantinopel meldet, ist der türkische Dampfrad⸗Aviso „Fuad“ von dort abgegangen, um die Türkei bei der Eröffnung des Nord⸗ Ostsee⸗Kanals zu vertreten.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Cetinje hat sich der bisherige Gouverneur von Skutari gestern nach Kon⸗ stantinopel eingeschifft. Dem Vernehmen nach soll derselbe durch den Vize⸗Gouverneur von Kossovo Ibrahim Pascha

Griechenland. G Unter den bevorstehenden Beförderungen in der Armee

9 die des Kron⸗ prinzen zum Divisions⸗General befinden.

Die Kammer wird am Montag ohne Thronrede er⸗ öffnet werden.

Bulgarien.

Stambulow erschien, wie „W. T. B.“ aus Sofia berichtet, am Mittwoch als Zeuge vor dem Untersuchungs⸗ richter, von dem er aufgefordert war, sich über die Aussage des früheren Polizei⸗Präfekten Radoslawow zu äußern. Dieser war von dem ehemaligen Minister Ilia Zanow beschul⸗ digt worden, ihn widerrechtlich verhaftet zu haben, und hatte erklärt, daß die Verhaftung Zanow’s im Auftrage Stambulow’s ausgeführt worden sei. Die Gegenüberstellung von Rados⸗ lawow und Stambulow fand im Bureau des Polizei⸗Präfekten statt. Stambulow versicherte, daß er bezüglich Zanow s keinen derartigen Befehl ertheilt habe. 8

b“

Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Hongkong von heute hätte Formosa sich zur Republik erklärt, welche einen gelben Drachen im blauen Felde als Flagge führe. Tang⸗tsching⸗sung, der bisherige chinesische sei Präsident und habe den Vertretern der fremden Mächte die Thatsache notifiziert. 8 8

Afrika. 8

Nach einer in Paris eingetroffenen Meldung aus Majunga wird General Duchesne demnächst aufbrechen, um zu der Brigade Matzinger zu stoßen. Drei sakalavische Häuptlinge haben dem General schriftlich ihre demnächstige Unterstützung zugesagt. Die Beschaffung von Fahrzeugen für die Beförderung der Truppen zu Wasser schreitet rüstig vorwärts.

Aus Majunga wird vom 22. d. weiter gemeldet: Die Brigade Metzinger fand Trabongy besetzt und umging den Platz, welcher alsdann ohne Kampf verlassen wurde. Am andern Tage besetzte General Metzinger Ambato, die Hovas wurden vertrieben und zogen sich nach Ankoala zurück. General Metzinger setzt seinen Vormarsch fort.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstags befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (71.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Finanz⸗Minister Dr. Miquel und der Justiz⸗Minister Schönstedt beiwohnten, wurde zunächst der Gesetzentwurf, betreffend die Vertretung des Gesammt⸗Synodalverbandes und der Disözesan⸗ Synodalverbände des Konsistorialbezirks Cassel in vermögensrechtlichen Angelegenheiten, in dritter Berathung debattelos angenommen. 8 8

Zur zweiten Berathung gelangte das Gesetz, betreffend das Grundbuchwesen und die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen in dem Gebiet der vormals freien Stadt Frankfurt sowie der vormals Großherzoglich hessischen und Landgräflich hessischen Gebietstheile der Provinz Hessen⸗Nassau.

Abg. Lieber (Zentr.): Da sich in der ersten Lesung zwei Mit⸗ glieder meiner Partei gegen die Ausschließung der vormals Groß⸗ herzoglich hessischen Gebietstheile erklärt haben, halte ich es für meine Pflicht, hier nachdrücklich meine Zustimmung zu dieser Einschränkung des Gesetzes zu betonen. Ich befinde mich dabei in Uebereinstimmung mit den Mitgliedern des nassauischen Provinzial⸗Landtags. Wäre die Zeit nicht zu kurz gewesen, so hätte heute schon eine Erklärung des Provinzial⸗Landtags vorgelegen, welche sich gegen die Ausdehnung des Gesetzes auf Hessen⸗Nassau ausspricht. Der Hinweis darauf, daß das Stockbuchsystem durch das Bürgerliche Gesetzbuch doch beseitigt werden würde, entbehrt vorläufig noch der absoluten Sicherheit. Ich bitte Sie darum, der vom Herrenhause beschlossenen Einschränkung zuzu⸗ stimmen.

Das Gesetz wurde in der vom Herrenhause beschlossenen Fassung angenommen. 88 1

Der Gesetzentwurf, betreffend die Bewilligung von Staats⸗ mitteln zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von Arbeitern, die in staatlichen Betrieben be⸗ schäftigt sind, und von gering besoldeten Staats⸗ beamten, gelangte in dritter Lesung zur Annahme.

Es se. die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Abänderung und Ergänzung einiger Be⸗ stimmungen des vom 14. Juli 1893.

Abg. Seyffardt⸗Magdeburg (nl.) kam auf seinen in zweiter

Berathung geäußerten Wunsch wegen Verhinderung der Doppel⸗ besteuerung auch in anderen deutschen Staaten zurück und sprach die Hoffnung aus, der Finanz⸗Minister werde die Anregung dazu geben, daß 888 in anderen deutschen Staaten ähnliche Gesetze erlassen würden, wie in Preußen. Abg. Hammacher inl.) unterstützte diese Anregung. Es würde eine Ungerechtigkeit sein, wenn Preußen allein ein Gesetz annähme, das das außerpreußische Einkommen von den Gemeindeabgaben be⸗ freite, während in anderen deutschen Staaten das gesammte Ein⸗ kommen zur Gemeindebesteuerung herangezogen würde. Die preußischen Staatrangehörigen, die in anderen deutschen Staaten leben, dürften nicht schlechter gestellt werden als die Angebörigen anderer deutscher Staaten in Preußen. W

(Schluß des Blattes.)

Nach der von dem Präsidenten Freiherrn von Buol in der gestrigen letzten Sitzung des ““ gegebenen Geschäfts⸗ ebersicht war der Reichstag vom 5. Dezember 1894 bis gestern jusammen 171 Tage, versammelt. Es haben während dieser Zeit: Plenarsitzungen, 424 Sitzungen der Abtheilungen, 277 Sitzungen

Kommunalabgabengesetzes

der verschiedenen Kommissionen stattgefunden. Seitens der verbündeten Regierungen wurden folgende Vorlagen dem Reichstag unter⸗ breitet: 27 Gesetzentwürfe, einschließlich des Reichshaushalts⸗ Etats für das Etatsjahr 1895/96, zweier Nachträge dazu, sowie des ushalts⸗Etats für die Schutzgebiete auf das Etatsjahr 1895/96 und eines Nachtrags dazu, eine Kaiserliche Verordnung, acht allgemeine Rechnungen über den Reichs⸗Haushalt für die Etatsjahre 1884/85 bis 1891/92, zwei Uebersichten der Reichs⸗ Ausgaben und ⸗Einnahmen für die Etatsjahre 1892/93 und 1893/94, zwei Uebersichten der Einnabmen und Ausgaben der Schutzgebiete von Kamerun und Togo sowie des südwestafrikanischen Schutzgebiets für die Etatsjahre 1892/93 und 1893/94; die Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer für die Etatsjahre 1891/92 und 1892/93, zwei Berichte der Reichs⸗Schuldenkommission, fünfzehn Denkschriften, Berichte und Uebersichten ꝛc., welche durch Kenntnißnahme erledigt sind. Es haben die verfassungsmäßige Zustimmung seitens des Reichstags erhalten: 21 Gesetzentwürfe, ein⸗ schließlich des Reichs⸗Haushalts⸗Etats, des Haushalts⸗Etats für die Schutzgebiete und der Nachtrags⸗Etats, 1 Kaiserliche Verordnung. Ab⸗ sind 2 Gesetzentwürfe. Die Rechnungen der Kasse der Ober⸗

echnungskammer und ein Bericht der Reichs⸗Schuldenkommission sind durch Ertheilung der Decharge erledigt worden. Die Uebersichten der Reichs⸗Ausgaben und⸗Einnahmen für die Etatsjahre 1892/93 und 1893/94 sind durch vorläufige Genehmigung der nachgewiesenen Etatsüber⸗ , xvr,I erledigt. Die Uebersichten der Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete sind unerledigt geblieben. Unerledigt bleiben ferner: 4 Gesetzentwürfe, 8 allgemeine Rechnungen und 1 Bericht der Reichs⸗ Schuldenkommissson. Ein Antrag auf Ertheilung der Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung gegen ein Reichstagsmitglied während der Dauer der Session wurde abgelehnt. Von den Mitgliedern des Reichstags wurden eingebracht: 30 Gesetzentwürfe, 35 Anträge, 7 Inter⸗ pellationen. Von den vorgeschlagenen Initiativgesetzentwürfen haben 4 die Genehmigung des Reichstags erhalten, 1 Antrag ist zurückgezogen, 3 Anträge sind abgelehnt, über einen Antrag ist Uebergang zur Tages⸗ ordnung beschlossen, 21 Anträge bleiben unerledigt. Von den An⸗ trägen, welche Gesetzentwürfe nicht enthalten, sind: 13 erledigt, 3 abgelehnt, 19 bleiben unerledigt. Von den eingebrachten Inter⸗ pellationen sind 5 beantwortet und im Plenum zur Verhandlung gekommen, 1 ist zurückgezogen und bei 1 ist die Beantwortung ab⸗ gelehnt. Die Kommissionen haben 109 schriftliche und 34 münd⸗ liche Berichte erstattet. Petitionen sind 59 894 eingegangen, darunter 26 060, betreffend die Abänderung des Strafgesetzbuchs, des Militär⸗Strafgesetzöbuchs und des Gesetzes über die Presse; 10 509, betreffend die Abänderung des Militärpensionsgesetzes, Ehrensold ꝛc.; 6057, betreffend das Impfgesetz; 3886, betreffend die Tabacksteuer; 5988, betreffend den Verkehr ꝛc. mit Margarine; 859, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung (Hausier⸗ handel ꝛc.); 760, betreffend die Genossenschaften, Konsumvereine ꝛc.; 613, betreffend kommunale Besteuerung des Weins; 406, betreffend den Zoll auf Quebrachoholz ꝛc.; 340, betreffend die Zucker⸗ steuer; 305, betreffend den Ein⸗ und Verkauf ausländischen Ge⸗ treides durch das Reich; 68, betreffend den Handelsvertrag mit Argentinien; 92, betreffend Binnenschiffahrt und Flößerei; 319, be⸗ treffend die Währung; 316, betreffend Branntweinsteuer. Die Petitionen haben folgende geschäftliche Behandlung erfahren: 10 598 Petitionen sind dem Herrn Reichskanzler überwiesen; 32 Petitionen sind durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt; 30 527 Petitionen sind durch Beschlüsse des Reichstags für erledigt erklärt; 1242 Petitionen sind zur Erörterung im Plenum für nicht geeignet erachtet; 1283 Petitionen, über welche Kommissionsberichte vorliegen, sind nicht mehr zur Verhandlung im Plenum gelangt; 3 Petitionen wurden zurückgezogen; 16 209 Petitionen sind auch in der Kommission nicht mehr zur Berathung und Beschlußfassung ge⸗ langt, darunter 6057 Petitionen, betreffend das Impfgesetz, 5988 betreffend Margarine, 613 Petitionen, betreffend kommunale

esteuerung des Weins; 760 Petitionen, betreffend Genossenschaften, Konsumvereine ꝛc.

Von dem Abg. Hobrecht ist im Hause der Abgeord⸗ neten nachstehender Antrag eingebracht worden:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Die Königliche Staatsregierung um baldige Vorlage eines Gesetzes zu ersuchen, welches den rentenpflichtigen Stellenbesitzern die Umwandlung ihrer nach den Gesetzen vom 2. März 1850 festgestellten Ablösungsrenten in neue Amortisationsrenten ermöglicht.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

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Bei dem Austritt des einen der beiden Theilhaber einer offenen EEö“ und der Uebernahme des Geschäfts unter Bei⸗ ehaltung der Firma von seiten des anderen zur Fortsetzung des⸗ selben als Einzelkaufmann für eigene Rechnung ist, nach einem Urtheil des . IV. Strafsenats, vom 23. November 1894, handels⸗ rechtlich (Art. 29 Handelsgesetzbuch) eine Eröffnungsbilanz zu ziehen, deren Unterlassung die Bestrafung wegen Bankerutts aus § 210 Ziff. 3 der Konkursordnung zur Folge haben kann. Die rechtliche und ökonomische Stellung der offenen Handelsgesellschaft gegenüber dritten Personen ist nach den Vorschriften des Handels⸗ gesetzͤbuchs in vielen Beziehungen in den wesentlichsten Punkten verschieden von der Stellung, welche der Einzelkaufmann gegenüber Dritten im Rechtsverkehre einnimmt. Die rechtliche und wirthschaftliche Lage desjenigen, der zunächst Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft war, dann aber das Geschäft zur Fortführung für alleinige Rechnung übernimmt, wird im Augenblick dieser Uebernahme eine durchaus andere. Ingleichen ändert sich die finanzielle Unterlage des Geschäfts und die Natur seiner Leitung. Wenn daher die Vor⸗ instanz angenommen hat, es sei durch diese Veränderung des Geschäfts als ein neues im Sinne des Art. 29 Handelsgesetzbuchs anzusehen, so ist die Annahme nicht zu beanstanden. Für die Frage nach der Qualität des Geschäfts als eines neuen ist die Beibehaltung der früheren ir ma ohne entscheidende Bedeutung, weil dadurch die wesentliche Ver⸗ schiedenheit in der rechtlichen Stellung, welcheeinerseits die offene Handels⸗ gesellschaft, andererseits der Einzelkaufmann dritten Personen gegen⸗ über einnimmt, nicht berührt wird. Auch Art. 22 Handelsgesetzbuchs steht den Ausführungen der Revision nicht zur Seite. Er spricht nur die Zulässigkeit der Weiterführung der bisherigen Firma aus und normiert deren Voraussetzungen, läßt aber die Frage, ob das vom Einzelkaufmann weitergeführte Geschäft für ein neues zu erachten sei, unberührt. Ist aber diese Frage zu bejahen, so ist auch gemäß Art. 29 serelas ehech⸗ die Nothwendigkeit der Aufstellung einer Eröffnungs⸗ ilanz gegeben. Die Gläubiger haben ein begründetes Interesse daran, daß der Stand des Vermögens zu dem Zeitpunkt des genau und buchmäßig festgestellt wird, zumal wenn für den Ueber⸗ nehmer der Akt der Uebernahme des Geschäfts mit der ründung neuer Schuldverbindlichkeiten und mit Veränderungen des Betriebs⸗ kapitals verbunden ist.“ (3296/94.)

Ein übermäßiger Aufwand, welcher nach § 210 Z. 1 der Konkursordnung die Bestrafung wegen Bankerutts zur Folge haben kann, liegt, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 23. Rovember 1894, nicht vor, wenn der durch den Lebensbedarf und durch die soziale Stellung des Kaufmanns gebotene Aufwand in einem Mißverhältniß zu den zeitigen geringeren Einnahmen des Ge⸗ schäfts steht. ist nur dersenige Aufwand, der die durch Umfang und Leistungsfähigkeit des Geschäfts gesteckten Grenzen über⸗ schreitet und mit dem thatsächlich vorhandenen Geschäftsvermögen in keinem angemessenen Verhältniß steht; die Feststellung der Ueber⸗ mäßigkeit sich nach der Geschäftslage zur Zeit der Verausgabung der Summen zu richten; wenn den Ausgaben nur geringere Einnahmen gegenüberstehen, so können solche Ausgaben als übermäßige nicht gelten, die theils durch die Nothwendigkeit, theils durch die soziale Stellung des Kaufmanns geboten waren.“ (3296/94.)

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Das Polizeikostengesez vom 20. April 1892 hat, nach einem Urtheil des Ober.Verwaltungsgerichts, I. Senats, vom 23. Oktober 1894, alle mittelbaren Polizeikosten völlig unberührt gelassen und lediglich über die unmittelbaren Kosten der Polizeiverwaltung bestimmt, die nach dem Gesetz vom 11. März 1850 in sächliche und persönliche geschieden, nach dieser Scheidung von der Stadt und vom Staat zu tragen waren und jeßt sämmtlich von letzterem zu tragen sind. Zu den mittelbaren, den Gemeinden verbliebenen Ausgaben gehören die Kosten der polizeilich angeordneten Zwangs⸗ heilung geschlechtlich Erkrankter durch dritte, insoweit sie nicht von dem prinzipaliter verpflichteten Kranken aufgebracht werden können. Der Königliche Polizei⸗Präsident zu Berlin hatte im sanitätspolizeilichen Interesse angeordnet, die syphi⸗ litisch Erkrankten behufs Heilung im Wege des Zwangs der Königlichen Charité in Berlin zuzuführen, die entstandenen eilungskosten vorschußweise gezahlt und von der Stadtgemeinde Er⸗ stattung beansprucht. Der Ober⸗Präsident stellte durch Verfügung

die Verpflichtung der Stadt zur Erstattung dieser Kosten fest. Die

Klage der Stadtgemeinde gegen diese Verfügung, mittels welcher sie bestritt, daß die etatisierte Leistung ihr gesetzlich obliege, wurde vom Ober⸗Verwaltungsgericht abgewiesen, indem es begründend ausführte: „Unter den „Kosten der Polizeiverwaltung“ können einerseits allein die Ausgaben verstanden werden, die durch die Einsetzung und den Unter⸗ halt des verwaltenden Personals und durch dessen Ausrüstung mit dem zum Dienstbetrieb Erforderlichen an Grundstücken, Materialien, Geräthen, Hilfsleistungen dritter ꝛc. unmittelbar erwachsen, und andererseits mit w auch die Ausgaben, die erst infolge der verwaltenden Thätigkeit, durch die Ausführung der im Verwaltungswege gegen dritte getroffenen Anordnungen, durch die Feststellung polizeimäßiger Zustände in der Außenwelt, also mittelbar entstehen. Der wahre Wille des Gesetzgebers wird nun nach Zweck und Entstehung ausreichend dahin erkennbar, daß er des im § 1 des Polizeikostengesetzes gebrauchten, auch die weitere Aus⸗ legung zulassenden Ausdrucks ungeachtet nicht über „alle Kosten der Polizeiverwaltung“ in dem obigen weitesten Sinne disponiert hat. Er hat vielmehr alle mittelbaren Polizeikosten und darunter auch die im früheren Abs. 2 des § 2 des Entwurfs von 1889 und jetzt in den Motiven beispielsweise erwähnten Kosten kommunaler Anstalten für polizeiliche Zwecke völlig unberührt gelassen; und er hat lediglich über die unmittelbaren Kosten der Verwaltung be⸗ stimmt, die nach dem Gesetz vom 11. März 1850 in sächliche und persönliche geschieden, nach dieser Scheidung von der Stadt und dem Staat zu tragen waren und jetzt sämmtlich von letzterem zu tragen sind. Gerade hierauf deutet das Adjektiv „alle“ im § 1 hin, sodaß aus demselben auf die Einbeziehung auch der mittelbaren Kosten um so weniger geschlossen werden darf, als der erste Entwurf von 1888 ausdrücklich von „allen unmittelbaren“ redete. Bei Anwendung dieser Grund⸗ sätze ergiebt sich für den vorliegenden Fall zunächst, daß die Kosten der Zwangsheilung nicht zu einer derjenigen Kategorien von Ausgaben gehören, die im § 2 des Gesetzes oder in der, dessen Schlußklausel erläuternden Bemerkung der Roötive ausdrücklich als vom Staat zu übernehmende bezeichnet werden. Sie sind insbesondere nicht „Polizei⸗ gefängnißkosten“; sie sind auch nicht Kosten „für die Untersuchung von Prostituierten“.. . Jedenfalls betreffen aber die streitigen Kosten nicht Aufwendungen, die erforderlich sind, um die dem Gesetze entsprechende verwaltende Thätigkeit der Polizei zu ermöglichen, die unmittelbar durch und für diese entstehen. Sie sind erst eine Folge des vpolizei⸗ lichen Einschreitens zur Abwehr ansteckender Krankheiten, nämlich da⸗ durch erwachsen, daß die angeordnete Heilung der Erkrankten seitens der Polizeibehörde selbst im Wege des Zwangs und mit Hilfe dritter ausgeführt worden ist, und daß die zur Tragung der Ausführungs⸗ kosten prinzipaliter verpflichteten Erkrankten nach Annahme der Polizei nicht fähig sind, dieselben aufzubringen. Ueber diese mittelbaren, m⸗ folge der polizeilichen Thätigkeit entstehenden Kosten hat das Gesetz vom 20. April 1892 weder verfügen wollen, noch auch verfügt. Diese sind auch jetzt noch gemäß § 3 des Gesetzes vom 11. März 1850 zu beurtheilen und daher den Gemeinden zur Last geblieben.“ (I. 1203.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung. 1*

Wie der „Lpzg. Ztg.“ berichtet wird, haben in der Maschinen⸗ fabrik von Gerhardt u. Oehme in Lindenau am 22. d. M. 30 Arbeiter die Hälfte der dort beschäftigten die Arbeit ein⸗ gestellt; Lohndifferenzen sollen den Anlaß gegeben haben. 2

Die 52 Glasschleifer der Firma Emanuel Simm in Dessendorf (Oesterreich) haben die Arbeit niedergelegt.

Die in Charleroi seit dem 1. April ausständigen Glas⸗ arbeiter (vergl. Nr. 81 d. Bl.) haben dem „W. T. B.“ zufolge die Oefen wieder angezündet. Am 1. Juni soll die Arbeit allgemein wieder aufgenommen werden.

Aus Aurillac wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß 500 Bergarbeiter der Schächte von Champagne striken, weil die von der Arbeit ausgebliebenen Bergleute mit Geldstrafen belegt wurden. Die Ausständigen verlangen außerdem Lohnerhöhung.

In Melegnano bei Mailand stellten am 17. d. M. 600 Ar⸗ beiter einer Seidenspinnerei die Arbeit ein. Sie verlangen kürzere Arbeitszeit und höheren Lohn.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin nd bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom

Mai bis inkl. Mai cr. zur Anmeldung gekommen:

Lebendgeborene, 296 Ehbeschließungen, 35 Todtgeborene, 550 Sterbefälle.

F“ Kunst und Wissenschaft. X“

Der Professor der Physik an der Universität Königsberg, Wirkliche Geheime Rath Dr. Franz Neumann ist, wie der „Nat.⸗Ztg.“ gemeldet wird, am Donnerstag, 97 Jahre alt, gestorben. Er war am 11. September 1798 in der Uckermark geboren, eilte im Alter von 15 Jahren zu den Fahnen und kehrte nach Beendigung des Krieges zu seinen Studien zurück. Im Jahre 1826 habilitierte er sich in Königsberg als Privatdozent der Physik, wurde 1828 außerordentlicher und 1829 ordent⸗ licher Professor daselbst und bildete bis in die neueste Zeit den Mittel⸗ punkt einer vielbesuchten mathematisch⸗physikalischen Schule. In den letzten Jahren hatte er seine Lehrthätigkeit eingestellt; bei der Jubel⸗ feier der Universität Königsberg wurde er zum Wirklichen Geheimen Rath ernannt. Unter Neumann’'s zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten ragen besonders hervor seine Theorie der Reflexion und Brechung des Lichts unter der Voraussetzung, daß die Schwin⸗ ungen in der Polarisationsebene erfolgen; die Entwickelung der

esetze der Doppelbrechung in komprimierten oder ungleich⸗ förmig erwärmten unkrystallinischen Körpern, der Farben Krystalle im polarisierten Lichte; das allgemeine Prinzip der mathe⸗ matischen Theorie induzierter elektrischer Ströme, und seine Methode zur Bestimmung der spezifischen Wärme der Körper. Im Druck erschienen seine „Vorlesungen über die Theorie des Magnetismus“, „Einleitung in die theoretische Physik“, „Ueber elektrische Ströme“, „Theoretische Optik“, „Ueber die Theorie der Elastizität“ und „Theorie des Potentials“.

Die Internationale Kunstausstellung des Vereins bildender Künstler Münchens „Sezession“ geht, wie aus München geschrieben wird, nunmehr ihrer Vollendung entgegen und verspricht, ihre Vorgängerinnen an künstlerischer Frische und Bedeutung noch zu übertreffen. Die Jury waltet ihres Amts mit größter Ge⸗ wissenhaftigkeit und Aufopferung. Die ersten Künstler der Glasgower Schule werden mit etwa 60 Kunstwerken auf der Ausstellung vertreten sein. Herr Prof. J. H. L. de Haas, der Vertreter des Vereins für Holland

und Belgien, hat seine beiden Sektionen bereits fertiggestellt. Holland