8 Sachsen. 8
— Ihre Majestäten der König und die Königin treffen,
dem „Dresd. Journal“ zufolge, heute Nachmittag aus
Sibyllenort wieder in Dresden ein und werden die Villa in Strehlen beziehen.
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Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prin⸗
zessin Ferdinand von Rumänien sind gester Abend
von Darmstadt nach England abgereist. 1 “
Mecklenburg⸗Schwerin. Ihre Kaiserliche Hoheit die Großherzogin ist am 4. d. M. wieder in Schwerin eingetroffen. *. Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.
Dem gemeinschaftlichen Landtag der Herzog⸗ thümer Coburg und Gotha ist eine Vorlage wegen Konvertierung der 4 prozentigen Kammer⸗Anleihe in eine 3 ½ prozentige zugegangen.
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Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser nahm gestern in Graz die feierliche Eröff⸗ nung des neuerbauten Landes⸗Museums „Johanneum“ vor. In seiner Begrüßungsansprache gedachte der Landes⸗ hauptmann Attems des Stifters der Anstalt, des ver⸗ storbenen Erzherzogs Johann. Der Kaiser sprach in seiner Erwiderung die Erwartung aus, die neue Schöpfung werde der heimischen Kunstindustrie werthvolle Anregung bieten, den Sinn für gediegene Formen in weiten Kreisen der Be⸗ völkerung erwecken und zur Erhöhung des Werthes der Er⸗ zeugnisse des Gewerbefleißes wesentlich beitragen. Allerhöchst⸗ derselbe sprach sodann der Landesvertretung seine volle Anerkennung aus, dankte für die ihm dargebrachte Huldigung und erklärte das Landes⸗Museum für eröffnet. Nachdem der Kaiser das Museum eingehend besichtigt hatte, be⸗ suchte er noch die Knaben⸗Erziehungsanstalt „Borromäãum“, das Strafgerichtsgebäude, das evangelische Waisenhaus, die neu⸗ erbaute Synagoge und schließlich die ständige Ausstellung von Lehrmitteln für Volksschulen. Um 6 Uhr Abends folgte ein Festmahl in der Hofburg. Abends 9 Uhr trat der Kaiser die Rückfahrt nach Wien an. 8
Der ungarische Minister⸗Präsident Baron Banffy und der ungarische Landesvertheidigungs⸗Minister Freiherr von Fejérväry sind gestern in Wien eingetroffen. Nach einer
ittheilung der „Budapester Correspondenz“ konferierte Baron Banffy im Laufe des Vormittags mit dem Botschafter von Szögyény, der Abends nach Berlin zurückkehrte.
Das „Fremdenblatt“ bespricht in seiner heutigen Nummer den bevorstehenden Zusammentritt der Delegationen und drückt die Hoffnung aus, daß die sachliche Uebereinstim⸗ mung, welche zwischen den Vertretern der Parlamente und dem Minister des Auswärtigen immer geherrscht habe, auch weiter bestehen werde. Die Grundlinien der österreichisch⸗ ungarischen Politik seien gegeben, in allen Kreisen der Monarchie habe sich die Ueberzeugung von ihrer Richtigkeit eingelebt. B
In der gestrigen Sitzung des österreichischen Ab⸗ geordnetenhauses brachte der Abg. Richter eine Inter⸗ pellation an den Minister des Innern darüber ein, wie lange der Regierung die Nothlage der Versicherungsgesellschaft „Austria“ bekannt sei und warum die Regierung nicht rechtzeitig eingegriffen habe. Der Minister des Innern Marquis Bacquehem beantwortete sodann die Interpellation des Abg. Ruß über die Straßenvorfälle bei der jüngsten Bürgermeisterwahl in Wien dahin, daß der Gemeinderath Frauenberger und der Ge⸗ meinderath Abg. Noske von der auf der Straße an⸗ gesammelten Menge mit Pfui⸗ und Pereatrufen empfangen worden seien, sodaß sie von den Wachtleuten hätten in Sicher⸗ heit gebracht werden müssen. Ein Journalist habe ferner einen Stockhieb auf den Kopf erhalten. Zwei Individuen aus der Menge seien verhaftet worden. Eine Untersuchung sei eingeleitet worden. Der Minister sprach sein tiefstes Bedauern über die Vor⸗ fälle aus und erklärte, er habe ausreichende Vorsorge zur
künftigen Hintanhaltung solcher empörenden Ausschreitungen getroffen. Vor Uebergang zur Tagesordnung beantragte der Abg. Kaftan die Eröffnung der Debatte über die in der letzten Sitzung erfolgte Beantwortung der Interpellation, be⸗ treffend den Wechsel im Auswärtigen Amt. Der Antrag wurde abgelehnt. Der Abg. Brzorad beantragte, die Berathungen des Hauses so lange zu vertagen, bis der Wahlreformausschuß den Bericht über die Wahlreformvorlage fertiggestellt haben werde. Der Minister⸗Präsident Fürst Windischgrätz erklärte, auch die Regierung wünsche eine Beschleunigung in der Erledigung der Arbeiten des Wahlreform⸗Ausschusses und erwarte, daß der Ausschuß mit Eifer an seine Arbeit gehen werde. Angesichts der großen Aufgaben, welche der Erledigung durch das Haus harrten, sei eine Ver⸗ tagung aber nicht angebracht, weshalb er darum ersuche, den Antrag abzulehnen. Der Antrag wurde hierauf mit großer Majorität abgelehnt:; dagegen stimmten die Jung⸗ czechen und Antisemiten. Am Schluß der Sitzung brachte der Abg. Herold einen Dringlichkeitsantrag ein, welcher lautete: Die Regierung sei aufzufordern, ihren Standpunkt gegenüber dem Entwurf des Subcomitées des Wahlreform⸗Aus⸗ schusses dem Hause zu präzisieren und die Berathungen des Hauses bis zur Abgabe einer solchen Erklärung zu vertagen. Die Dringlichkeit wurde nach Motivierung des atrags durch den Antragsteller mit 83 gegen 30 Stimmen abgelehnt.
Der Wahlreforxm⸗Ausschuß des Abgeordneten⸗ hauses hielt gestern Abend eine Sitzung ab. Nachdem der Abg. Rutowski den Bericht des Subcomités vorgelegt hatte, sagte dem „W. T. B.“ zufolge der Minister⸗Präsident Fürst Windischgrätz: Ich erlaube mir den Entwurf dem Ausschuß auf das entschiedenste zu empfehlen. Es besteht diesmal ein weesentlicher Unterschied 155. dem ursprünglichen und jetzigen Stand der
rbeiten des Ausschusses, insofern jetzt ein positiv aus⸗ gearbeiteter Antrag vorliegt. „Ich spreche es hier aus, daß die Mitglieder des Subcomités sich den aufrichtigsten Dank für ihre außerordentlich eifrige und aufopfernde Thätigkeit erworben haben. Es war keine geringe Arbeit und alle haben sich redlich Mühe gegeben, ein Resultat zu stande zu bringen. So mancher dürfte mir zustimmen, wenn ich es als leichter bezeichne, sich auf den Standpunkt der Negation und Kritik zu stellen, als nach eingehender Erwägung nach allen
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Seiten zu einem Resultat zu gelangen, zu welchem das Comité auch thatsächlich gelangt ist. as die Stellung der Regierung betrifft, so wird dieselbe den Entwurf des Subcomités, welcher mit ihrer Zustimmung zu stande kam, vertreten, als ob es sich um eine Regierungsvorlage handele. Eine Ausnahme hiervon bildet allerdings die Anzahl der Abgeordneten aus der Wählerklasse A, und zwar in Konsequenz der bis⸗ herigen Haltung der Regierung im Subcomité, derzu⸗ folge sie einer Vermehrung dieser Mandate um eine geringe Anzahl nicht entgegentreten würde. Mit diesen Erklärungen begnüge ich mich vorläufig und empfehle Ihnen nochmals auf das Entschiedenste namens der Regierung die vom Subcomité vorgelegten Gesetzentwürfe.“ Der Abg. Brzorad bezeichnete den Antrag des Subcomités als eine „Bilanz von Insolventen“, welche nicht vor den Wahlreform⸗Ausschuß, sondern vor das Strafgericht des Volkes gehöre, und beantragte, über die Anträge des Subcomités zur Tagesordnung überzugehen. Der Rumäne Lupul schlug vor, die projektierte Zweitheilung der neu zu schaffenden Wahlkurien aufzugeben. Sollte sich jedoch die Majorität des Wahlausschusses für die Beibehaltung der Zweitheilung aussprechen, dann mache er (Redner) den Vorschlag, diese Zweitheilung nur in den größeren Ländern, in welchen die Wahlberechtigten aus den Arbeiterkreisen mehr als 25 000 betragen, beizubehalten. Der Minister des Innern Marquis Bacquehem erinnerte an die Debatte vom Dezember v. J. Damals habe sich die Regierung nicht für einen der vorliegenden Entwürfe ausgesprochen, sondern nur die Grundsätze bekannt gegeben, welche sie als für die Wahl⸗ reform maßgebend bezeichnet habe. Im Subcomité seien die Schwierigkeiten, welche die Zweitheilung der Wahlkurien mit sich bringe, nicht verkannt worden. Die Regierung und das Subcomité seien schließlich zu der Erkenntniß gelangt, daß die Bedenken, welche die Vermischung der kleinen Steuer⸗ träger einerseits und der Arbeiter andererseits in einer Klasse erregten, überwiegend seien und daß davor die anderen Rücksichten zurücktreten müßten. Die Folge davon sei, daß größere Wahlbezirke gebildet werden müßten. Der Minister legte sodann dar, daß die Vorlage mit den Prinzipien der gegenwärtigen Wahlordnung sowohl in Bezug auf die Interessengruppierungen, als auch betreffs Berücksichtigung der Intelligenz der Mäbler übereinstimmten Der Abg, Prade zweifelte daran, daß der Gesetzentwurf eine Zweidrittel⸗ ajorität finden werde; sollte das aber der Fall sein, so würde Unzufrieden⸗ heit der Arbeiter, die mit 13 oder 26 Mandaten nicht zufrieden seien, Unzufriedenheit der Steuerzahler unter 5 Fl., die mit 37 Mandaten nicht zu befriedigen seien, Unzufriedenheit der heutigen Fünfguldenmänner, welche durch die Steuerreform auf den Aussterbe⸗Etat gesetzt worden seien, die Folge sein. Er werde für Uebergang zur Tagesordnung stimmen. Der Minister des Innern Marquis Bacquehem entgegnete auf die Behaup⸗ tung des Abg. Prade, daß die kleinen Steuerzahler unzufrieden sein würden, wenn sie in eine besondere Kurie zusammengefaßt würden: Die kleinen Steuerträger würden es gewiß nicht als Vortheil empfinden, wenn sie mit den sämmtlichen bisher Vahlberechtigten in einer Kurie vereinigt würden. Uneben⸗ heiten in der gegenwärtigen Wahlordnung gebe es thatsächlich, das Subcomité habe jedoch seine Aufgabe darin erblickt, eine Ausbildung und Erweiterung des Wahlrechts vorzu⸗ nehmen. Der Minister widerlegte mehrere Behauptungen des Abg. Prade. Nach einer Rede des Jungezechen Slawik verlangte der Ruthene Romanczuk die Mittheilung der Ge⸗ sammtverhandlungen des Subcomités. Der Berichterstatter Rutowski erklärte, nicht in der Lage zu sein, Auskunft darüber geben zu können, da die Sitzungen des Subcomités vertrauliche gewesen seien. Hierauf wurde die Sitzung ge⸗ schlossen. Die nächste Sitzung findet am Freitag statt.
— Großbritannien und Irland.
Der Sohn des Emirs von Afghanistan Nasr Ullah Khan wohnte gestern mit dem Prinzen von Wales, dem Herzog von Cambridge und dem Herzog von Con⸗ naught in Aldershot einer Revue über 24 000 Mann bei.
Der Sultan von Johore, der sich seit einiger Zeit in London aufhielt, ist am Dienstag nach kurzem Krankenlager gestorben. 8 “
Das Befinden Gladstone'’s hat sich beträchtlich ge⸗ bessert; er hat gestern das Zimmer verlassen.
8* Frankreich. “ Bei einem gestern von der Handelskammer in Bordeaux veranstalteten Bankett hielt der Präsident Faure eine Rede, worin er die jungen französischen Kaufleute ermahnte, auf die Erweiterung der Absatzgebiete außerhalb Frankreichs ihre be⸗ sondere Aufmerksamkeit zu lenken. Der Präsident der Handelskammer sprach in einem Toast den Wunsch aus, daß Frankreich zu den Handelsverträgen zurück⸗ kehren möge.
In dem gestern in der Deputirtenkammer vertheilten Spezialbudget für die Marine wird erklärt, die Fort⸗ schritte im Seewesen und die Sorge um Frankreichs Stellung in Europa erheischten die Vervollständigung und Vervoll⸗ kommnung der Kriegsflotte. Die hierfür erforderliche Summe betrage 850 Millionen Francs, welche auf zehn Jahre zu ver⸗ “
“ Rußland. v
Der Kriegs⸗Minister General Wannowski leidet, wie amtlich mitgetheilt wird, seit einiger Zeit an einem Rheuma der oberen und unteren Extremitäten. Einem Bulletin zu⸗ folge ist der rheumatische Prozeß seit vorgestern im Zunehmen begriffen. Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg erfährt, wäre in dem Befinden des Kriegs⸗Ministers infolge eines Schlag⸗ anfalls eine Wendung zum Schlechteren eingetreten.
Italien.
Das Ministerium hat die Freilassung des in Reggio (Emilia) gewählten Sozialisten Salsi, der zum Zwangsaufenthalt in Porto Ercole verurtheilt ist, angeordnet.
Cavallotti hat durch Rundschreiben die Mitglieder der äußersten Linken und die Sozialisten zu einer Zusammen⸗ kunft auf Sonnabend Abend in den Rothen Saal der Depu⸗ tirtenkammer eingeladen. v“
Spanien. “
In Erwiderung auf eine Rede des Republikaners Ascarate erklärte der Minister des Innern Tg in der gestrigen Sitzung der Kammer, die Regierung habe sich ver⸗ pflichtet, die okumente des Justiz⸗Ministeriums nicht vor dem 16. d. M. der Kammer mitzutheilen. Die Republikaner
brachten darauf einen Antrag ein, der besagt, die Wuͤrde und
Ehre des Parlaments erfordere, daß seine Berathungen und Beschlüsse von der Regierung respektiert würden. Die Debatte war sehr lebhaft und erregt. Schließlich wurde der Antrag mit 132 gegen 19 Stimmen abgelehnt.
Das nach Kiel bestimmte spanische Geschwader ist von Ferrol in See gegangen.
Niederlande.
In der Zweiten Kammer beantwortete gestern der Minister des Aeußern Roöll eine Interpellation des Abg. Smidt über den an der Küste von Marokko verübten Seeraub, dem das niederländische Schiff „Anna“ zum Opfer fiel. Der Minister erklärte, daß der niederländische General⸗ Konsul zugleich mit dem deutschen Ministerresidenten in Marokko von der marokkanischen Regierung die Be⸗ strafung der Verbrecher verlangt und sich den An⸗ spruch auf Entschädigung vorbehalten habe. Die marokkanische Regierung habe Bestrafung versprochen und einen Spezial⸗ Gesandten nach der Küste geschickt. Sollte es nothwendig werden, so werde die niederländische Regierung Marokko gegenüber auf der Erfüllung dieses Versprechens bestehen; das Vorgehen der Niederlande müsse jedoch den Charakter einer Repressivmaßregel tragen. Sobald diese Frage erledigt sei,
werde man mit den anderen Mächten sich ins Einvernehmen
setzen können, um dem Seeraub überhaupt entgegenzutreten.
Türkei.
Anläßlich des Kleinen Bairamfestes hat der Sultan ein schmeichelhaftes Anerkennungsschreiben an den Großvezier Dshevad Pascha gerichtet. 8
Aus Konstantinopel meldet die „Politische Korrespon⸗ denz“, der englische Botschafter am dortigen Hofe, Sir Ph. Currie, habe am 2. d. M. die Antwort der Pforte auf die Armenien betreffenden Reformvorschläge für seine Regierung, sowie für die Botschafter von Frankreich und Rußland entgegengenommen. Dem „W. T. B.“ zufolge wäre die Antwort der Pforte seitens der betheiligten Botschafter als wenig befriedigend aufgefaßt worden, da darin zahlreiche Modifikationen, namentlich bezüglich der europäischen Kontrole, angestrebt würden.
Betreffs des Zwischenfalls in Djeddah verlautet, daß außer Frankreich auch die Niederlande die Absendung eines Kanonenboots beabsichtigten. Der britische Kreuzer „Pique“ ist bereits in Djeddah eingetroffen. Die bei dieser Angelegenheit betheiligten Missionen haben bei der Pforte einen gemeinsamen Schritt unternommen im Sinne einer energischen Instruierung der Zivil⸗ und Militärbehörden aller Provinzen behufs wirksamer Schutzmaßregeln für die Fremden. Die zuerst in Djeddah verhafteten Personen waren nicht die Urheber des Attentats, sondern Unschuldige, während die Schuldigen sich geflüchtet hatten. Seitdem sind jedoch weitere Verhaftungen erfolgt, und man soll nunmehr auch der Urheber des Ueberfalls habhaft geworden sein. Uebereinstimmende Berichte schildern die Lage in Djeddah als nicht unbedenklich und die Stimmung daselbst als gereizt.
Der in Djeddah verwundete russische Konsul Brandt und der dort ebenfalls verletzte Sekretär des französischen Konsulats Dorville sind an Bord französischer Schiffe nach Suez gebracht worden. Richards, der verwundete englisch Konsul, soll auf einem britischen Kriegsschiff eingeschifft werden
Amerika.
Eine in Madrid eingegangene Depesche des Marschall Martinez Campos meldet, daß in verschiedenen Distrikten auf Cuba Unruhen vorgekommen seien, und verlangt Ver⸗ stärkungen. Die spanische Regierung wird zehn weiter Bataillone nach Cuba entsenden. “
Asien.
Der japanische Minister des Auswärtigen Vicomte Mutsu hat, wie aus Tokio berichtet wird, Urlaub erhalten. Für die Dauer desselben ist der Marquis Sayonshi zum stell⸗ vertretenden Minister des Auswärtigen ernannt worden.
Nach einer Meldung der „Times“ aus Hongkong hat der britische Kreuzer „Rainbow“ Befehl erhalten, nach
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Formosa in See zu gehen.
Entscheidungen des Reichsgerichts. “ 8
Der § 154 Abs. 2 der Reichs⸗Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 schreibt vor: 1 1 8 Die Bestimmungen der §§ 134— 139 b (betreffend die Verhält⸗ nisse der Fabrikarbeiter und die Aufsicht darüber) finden auf Arbeit⸗ 8 geber und Arbeiter . .. in solchen Ziegeleien, welche nicht bloß vorübergehend oder in geringem Umfange betrieben werden, entsprechende Anwendung. 1 Anlo rüberg oder in geringem Umfange betrieben wird, entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde endgültig.“ 1 “ In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, IV. Straf⸗ senat, durch Urtheil vom 6. November 1894 ausgesprochen:
1) Bei einem Strafverfahren wegen Verletzung der Bestimmungen über den Arbeiterschatz entscheidet, wenn eine Entscheidung der
höheren Verwaltungsbehorde noch nicht ergangen ist, der Straf⸗ richter darüber, ob die Anlage vorübergehend oder dauernd in ge⸗ ringem oder in größerem Umfange betrieben wird.
2) Der Angeklagte, der in voller Kenntniß der thatsächlichen Ver⸗
hältnisse gehandelt hat, kann sich, auch wenn eine Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde nicht erfolgt ist, nicht zu seiner Ent⸗ schuldigung darauf berufen, daß er irrthümlich die Anlage für eine vorübergehende oder in geringem Umfange betriebene gehalten habe. H., der selbständige Leiter einer Ziegelei, in welcher neben H. 5 bis 8 Personen beschäftigt und in den beiden letzten Jahren 300 000 resp. 480 000 Stück Ziegelsteine hergestellt worden waren, hatte einen noch nicht 16 Jahre alten Lehrling in der fraglichen Z lich, theils in der Nacht beschäftigt. Eine Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde über die Beschaffenheit der H. schen Ziegelei war nicht ergangen. H. wurde wegen Gewerberergehens angeklagt und von der Strafkammer verurtheilt, nachdem diese selbständig geprüft und entschieden hatte, daß die Ziegelei zur Zeit der inkriminierten Zuwiderhand⸗ lungen nicht bloß vorübergehend und in geringem Umfange betrieben worden war. Die Revision des Angeklagten wurde vom Reichsgericht verworfen, indem es begründend ausführte: „Der letzte Satz des § 154 Abs. 2 der Reichs⸗Gewerbeordnung spricht seinem Wortlaut nach nicht aus, daß die Entscheidung ausschließlich von der höheren Verwaltungs⸗ behörde getroffen werden könne oder solle, sondern nur, daß die Ent⸗ scheidung der höheren Verwaltungsbehörde, wenn sie getroffen ist, nicht weiter angefochten werden kann.. Nach der preußischen
Ausführungsanweisung vom 26. Februar 1892 sollen Ziegeleien mit
schon dann von der Verwaltungsbehörde als
ständigen Anlagen ¹ der 1 wenn sie eine Jahresproduktion von
Fabriken behandelt werden,
Darüber, ob die Anlage vorübergehend
en Ziegelei von Oktober 1892 bis Oktober 1893 theils länger als 10 Stunden täg⸗
200 000 Stück Ziegelsteinen erreichen. — — Handelte der Angeklagte in voller Kenntniß der thatsächlichen Verhältnisse, so enthielt seine Annahme, daß die §§ 134—139 b der Gewerbeordnung auf den von ihm geleiteten Betrieb keine Anwendung fänden, lediglich einen Irr⸗ thum über das Strafgesetz, der nach bekannten Rechtsgrundsätzen keine Berücksichtigung finden kann.“ (2817/94.) 1
— Die falsche Angabe der Religion des Vaters eines beim Standesbeamten angemeldeten neugeborenen Kindes zu dem Geburtsregister ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 29. Dezember 1894, im Gebiete des Preuß. Allg. Landrechts als intellektuelle Urkundenfälschung aus § 271 des Strafgesetzbuchs zu bestrafen. — N. hatte bei der Anmel⸗ dung der Geburt seiner Tochter wahrbeitswidrig angegeben, daß er jüdischer Religion sei, und hierdurch bewirkt, daß der Standesbeamte als Religion des Vaters die jüdische eingetragen hat. N. wurde wegen intellektueller Urkundenfälschung verurtheilt, und die von ihm eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht verworfen, indem es be⸗ gründend ausführte: „Das Geburtsregister hat nicht allein die Zweckbestimmung, die nackte Thatsache der Geburt fest⸗ zustellen, sondern es soll auch ergeben, von wem das Kind geboren ist, wer seine Eltern sind und zu welcher Familie es gehört. Schon hieraus erhellt, daß die vorgeschriebene Eintragung der Religion des Vaters der Zweckbestimmung des Geburtsregisters dient (§ 15 des Personenstandsgesetzes vom 6. Februar 1875). Es kommt aber weiter in Betracht, daß die Religion des Vaters auch insofern von wesent⸗ licher Bedeutung ist, als nach der Deklaration vom 21. November 1803 zu § 76 II 2 des Preußischen Allgemeinen Landrechts eheliche Kinder allemal in der Religion des Vaters unterrichtet werden, sollen, wenn nicht eine anderweite Einigung unter den Eltern stattgefunden hat. Bei der Vorschrift des § 22 Nr. 5 des Gesetzes vom 6. Februar 1875 handelt es sich daher um eine Eintragung, welche von dem speziellen Zweck des Geburtsregisters umfaßt wird; denn dieser erschöpft sich nicht in der Feststellung der Identität, sondern erstreckt sich auch auf die Thatsachen, welche für die durch die Geburt und Abstammung be⸗ dingte Rechtslage des Kindes von wesentlich si (4138,94.) 11““ 8
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einem Verwaltungsstreitverfahren kann, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, IV. Senats, vom 24. November 1894, nicht darauf gegründet werden, daß die Parteien denjenigen Schriftsatz, welcher die Klage oder ein Rechtsmittel einführt, an unzu⸗ ständiger Stelle und in der Erwartung eingereicht haben, daß derselbe noch rechtzeitig an die zuständige Stelle abgegeben werden würde. „Mag es auch in der amtlichen Fürsorge der Behörden be⸗ gründet sein, nach Möglichkeit darauf zu sehen, daß den Parteien die ihnen zustehenden Rechtsbehelfe nicht durch Fristenablauf verloren gehen, so kann doch, wenn letzteres gleichwohl geschehen und wenn auch der Ablauf der Frist durch recht eitige Zurückgabe oder durch rechtzeitige Abgabe des Schriftsatzes an die zuständige Stelle hätte verhütet werden können, ein Recht der Partei, solche Zurückgabe oder Abgabe zu verlangen, nicht anerkannt und es kann ein unabweisbarer Zufall im Sinne des § 112 des Landesverwaltungsgesetzes nicht darin gefunden werden, daß der an unzuständiger Stelle eingereichte Schriftsatz nicht rechtzeitig an die zuständige Behörde abgegeben worden ist. An diesem vom Gerichtshofe stets befolgten Grundsatze war auch hier fest⸗ zuhalten.“ (IV. 1449.)
— Die Trunksucht eines Schankwirths rechtfertigt, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, III. Senats, vom 26. November 1894, allerdings die Annahme, daß er sein Gewerbe zur Förderung der Völlerei mißbrauchen werde; diese An⸗ nahme kann aber von dem Schankwirth durch den Beweis widerlegt werden, daß er bisher trotz seiner eigenen Trunksucht seine Wirthschaft ordnungsmäßig geführt hat. „In der vorliegenden Sache legt der Vorderrichter (welcher auf Entziehung der Erlaubniß zum Betriebe der Gastwirthschaft erkannt hatte) offenbar das entscheidende Gewicht auf die Thatsache, daß der Beklagte sich dem Trunke ergeben hat. Es ist nun ohne weiteres dem Vorderrichter zuzugeben, daß man nach allgemeiner Erfahrung sich von einem Wirth, der selbst häufig dem übermäßigen Genusse geistiger Getränke fröhnt, dessen mit erheblicher Wahrschein⸗ lichkeit versehen kann, daß er geneigt sein würde, auch bei seinen Gästen ein Uebermaß im Genusse von Svpirituosen zu dulden, sie hierzu vielleicht sogar zu veranlassen und auch sonst durch Mißachtung der durch Gesetz und Sitte dem Genusse geistiger Getränke gezogenen Schranken der Völlerei Vorschub zu leisten. Es handelt sich hierbei indessen nicht um ein in jedem Falle unbedingt und gleichmäßig zu⸗ treffendes logisches Urtheil, sondern um ein Erfahrungsurtheil, welches im einzelnen Falle sehr wohl eine Widerlegung erfahren kann. Der Beklagte hat nun in den Vorinstanzen einen umfangreichen Beweis dafür angeboten, daß er seine Wirthschaft bisher stets ordnungsmäßig geführt habe. Er will also, da hier die Förderung der Völlerei in Frage steht, darthun, daß der Schluß von seiner Trunksucht auf eine zukünftige Förderung der Völlerei durch die Thatsachen widerlegt werde. Dieser Beweis erscheint erheblich, da, wenn ihm der Nachweis gelingt, daß er bisher trotz seiner zeitigen Neigung zum übermäßigen Spirituosengenuß seine Wirthschaft ordnungs⸗ mäßig geführt und sich dabei keiner Handlungen oder Unterlassungen schuldig gemacht hat, welche den Vorwurf begründen können, daß er unmäßigem Genuß geistiger Getränke Vorschub geleistet habe, dies für die Beurtheilung seines zukünftigen Verhaltens immerhin wesentlich ins Gewicht fallen muß.“ (III. 1306.)
Vierte Versammlung der deutschen Landesgruppe der Internationalen kriminalistischen Vereinigung.
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6. Juni In der Gartenhalle des Hotels „zum Prinzen Carl“ zu Gießen fand gestern Abend die Begrüßung der Theil⸗ nehmer an der vierten Versammlung der deutschen Landesgruppe der
Gießen, am 5. Juni 1895.
Internationalen kriminalistischen Vereinigung statt. Der Orts⸗ ausschuß, bestehend aus den Herren Landgerichts⸗Präsident Freiherr von Ricou, Professor Dr. Frank, Rechtsanwalt Dr. Fuhr, Provinzial⸗Direktor Freiherr von Gagern, Ober⸗Bürgermeister Fnauth, Erster Staatsanwalt Guengerich und Landgerichts⸗ Direktor Joeckel, war vollzählig anwesend. Als Vertreter des Statistischen Umts des Deutschen Reichs war Assessor Klein erschienen. Geheimer Regierungs⸗Rath Dr. Krohne vom preußischen Ministerium des Innern mußte noch gestern abtelegraphieren; er läßt sich durch Dr. Leppmann vertreten. Aus Straßburg i. E. hatte sich Unter⸗Staatssekretär z. D. von Mayr, aus Oesterreich Professor Dr. Zucker (Prag) eingefunden. Sonst waren an Professoren anwesend: von Liszt, Geheimer Justiz⸗ Rath Seuffert, von Lilienthal, Guenther, von Hippel; von Männern der Praxis die Landgerichts⸗Räthe Dr. Kronecker und Dr. Felisch, Land⸗ richter Dr. Aschroth, Dr. Rosenfeld, Dr. Koebner, mehrere Straf⸗ anstalts⸗Direktoren, darunter Regierungs⸗Rath Dr. von Engelberg, Strafanstaltsgeistliche, unter ihnen Pastor Dr. von Koblinski und sonstige Mitglieder der Vereinigung. Reichsgerichts⸗Rath Olshausen ist durch eine Badekur verhindert, das übernommene Referat zu erstatten. Von den drei zur Berathung gelangenden Gegen⸗ ständen der Tagesordnung wird heute zuerst die Frage an die Reihe kommen: Erscheinen die Bestimmungen des Reichs⸗Strafgesetz⸗ buchs über die korrektionelle Nachhaft reformbedürftig? (Referenten Professor von Hippel und Regierungs⸗Rath Dr. von En elberg.
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Statistik und Volkswirthschaft.
Das zweite Heft des Jahrgangs 1895 der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs enthält ausführliche Nachweise über die Branntwein⸗Brennerei und „Besteuerung im deutschen Branntweinsteuer⸗Gebiet während des Be⸗ triebsjahrs 1893/94. In dieser Zeit (d. h. vom 1. Oktober 1893 bis 30. September 1894) waren 71 503 (1892/93 60 025) Brennereien im Betriebe, davon 24 992 in Elsaß⸗Lothringen, 22 712 in Baden, 8807 in Württemberg, 7142 in Bayern und in ganz Preußen nur 6649. Von der Gesammtmenge des erzeugten Branntweins mit 3 262 685 hl reinen Alkohols (1892/93 3 028 920 hl) entfiel dagegen auf Preußen allein eine Menge von 2 643 725 hl oder 81 %, darunter auf die Provinz Brandenburg 502 792, Posen 486 778, Schlesien 443 194, Pommern 345 300, Westpreußen 215 530, Sachsen 175 829, Ostpréeußen 130 836 und Hannover 100 942 hl, während Elsaß⸗Lothringen trotz der großen Zahl seiner Brennereien nur 23 611 hl (auf 1 Brennerei durchschnittlich nicht ganz 1 hl) erzeugte. Bekanntlich rührt dieser Unterschied daher, daß die Branntweinerzeugung aus Kartoffeln, welche die größten Mengen liefert, hauptsächlich im Nordosten Deutsch⸗ lands betrieben wird, in Süddeutschland dagegen besonders die Ver⸗ arbeitung von Weintrebern, Obst und Beerenfrüchten heimisch ist, die im Kleinen betrieben wird und nur verhältnißmäßig geringe Brannt⸗ weinmengen hervorbringt. Unterscheidet man die Branntweinerzeugung nach dem hauptsächlich verarbeiteten Material, so kamen 1893/94 2,583 540 hl reinen Alkohols oder 79 % der Gesammtmenge auf die Kartoffelbrennereien (davon 2578 949 hl auf die landwirth⸗ schaftlichen), 532 443 hl oder 16 % auf die Getreidebrennereien (davon 185 000 hl auf die landwirthschaftlichen), 96 376 hl. oder 3 % auf die Melassebrennereien und 50 326 hl oder nicht ganz 2 % auf die Brennereien, die andere nicht mehlige Stoffe verarbeiteten. Zur Branntweinbereitung verwendet wurden 2148 014 t Kartoffeln (1892,93 1 947 411 t), 324 107 t Getreide (1892/93 322 035 t), 33 744 t Melasse (1892,93 37 453 t), 60 2791 Steinobst (1892/93 25 290 t), 48 851 t Weintreber (1892/93 23 147 t), 21 706 t Kernobst (1892/93 6401 t), 16 189 t Brauerei⸗Abfälle (1892/93 19 534 t) u. s. w. Die Branntweinerzeugung wurde be⸗ günstigt durch die nach Menge wie nach Beschaffenheit fast überall in Deutschland gut ausgefallene Kartoffelernte des Jahres 1893 und den Mangel an Viehfutter, der durch vermehrte Erzeugung von Schlempe behoben werden mußte, ferner durch billige Getreidepreise und gute Obst⸗ und Weinernten.
„Gegen Entrichtung der Abgaben wurden in den freien Verkehr gesetzt: 2 225 874 hl (reiner Alkohol) an inländischem und 37 361 hl an ausländischem Erzeugniß, zusammen 2 263 235 hl oder 4,4 1 auf den Kopf der Bevölkerung (1892/93 2 254 919 hl oder 45 l auf den Kopf); steuerfrei zu gewerblichen Zwecken verabfolgt im ganzen 664 394 hl oder 1,3 1 auf den Kopf der Bevölkerung (1892/93 606 670 hl oder 1,2 1 auf den Kopf). Die Einnahme an Brannt⸗ weinsteuer betrug abzüglich der Vergütungen und des Betrags der in Anrechnung gekommenen Berechtigungsscheine 144,7 Millionen Mark; zuzüglich des Eingangszolls im Betrage von 6,7 Millionen Mark er⸗ giebt sich eine Gesammteinnahme an Branntweinabgaben von 151,4 Millionen Mark oder 2,96 ℳ auf den Kopf der Bevölkerung (1892 93 148,6 Millionen Mark oder 2,94 ℳ auf den Kopf).
Invaliditäts⸗ und Altersversicherung.
Am 22. Mai d. J., Vormittags 9 Uhr, fand im Saale des Provinzial⸗Ständehauses zu Posen eine Sitzung des Ausschusses der Invaliditäts⸗ und Altersversicherungs⸗Anstalt Posen unter Vorsitz des Landraths a. D., Rittergutsbesitzers von Dziembowski (Schloß Meseritz) statt. Derselben wohnten bei: als Vertreter des Reichs⸗Versicherungsamts der Abtheilungs⸗Direktor desselben, Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Gaebel⸗Berlin, ferner der Staatskommissar, Regierungs⸗Rath Degner⸗Posen, mehrere Mitglieder des Provinzial⸗Ausschusses, der Vorsitzende des Vorstands der Versicherungs⸗Anstalt, Landeshauptmann Dr. von Dziembowski, und die übrigen Mitglieder des Vorstands.
Auf den Bericht der Rechnungsprüfungskommission wurde dem Vorstand hinsichtlich der Jahresrechnung pro 1892 Decharge ertheilt, sowie drei weitere Anträge, welche die Vermögensverwaltung und die Legung der Jahresrechnung pro 1893, 1894 und 1895 betreffen, dem Vorstand zur Berücksichtigung überwiesen.
Der Rechenschaftsbericht über die Verwaltungskosten für das Jahr
1892 wurde durch Kenntnißnahme für erledigt erachtet, ebenso der Bericht über die Geschäftsführung des Vorstands für die Zeit vom 1. Mai 1893 bis 30. April 1895. Sodann wurde von der Kommittierung des Landes⸗Raths Stoehr in den Vorstand Kenntniß genommen und eine Statutenänderung be⸗ schlossen, die infolge Zeichnung der auf die Anlegung des Anstalts⸗ vermögens bezüglichen Kassenordres seitens zweier Vorstandsmitglieder erforderlich geworden ist.
Hierauf erfolgte seitens der Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten in getrennter Wahlhandlung, und zwar durch Acclama⸗ tion, die Wahl der Schiedsgerichtsbeisitzer und deren Stellvertreter für die Wahlperiode 1. Juli 1895 bis 1. Juli 1900.
Die Wahl von drei Mitgliedern und deren Ersatzmännern zur Vorprüfung der Jahresrechnung wurde mit Rücksicht darauf, daß die Wahlperiode des gegenwärtigen Ausschusses mit dem 1. Juli 1895 abläuft, von der Tagesordnung abgesetzt.
Weiterhin wurde der Vorstand ermächtigt, bis zum Gesammt⸗ betrage von höchstens 100 000 ℳ amortisierbare Darlehne zur Er⸗ richtung gesundheitsdienlicher Arbeiterwohnhäuser zu einem Zinssatze von nicht unter 3 % jährlich an kommunale Verbände, Genossenschaften, Stiftungen, Baugesellschaften, nicht aber an Private, gegen mündelsichere Eintragung und gegen entsprechende Kautelen für die fortgesetzte Erfüllung des vorgenannten Beleihungs⸗ zwecks zu gewähren.
Ein Antrag des Landraths für den Kreis Krotoschin auf Ge⸗ währung eines hypothekarischen Darlehns von 10 000 ℳ an eine dortselbst zur Errichtung von Arbeiterwohnungen gebildete Aktien⸗ gesellschaft wurde dem Vorstande zur Entscheidung ere sen.
Die Uebertragung der Feststellung des Jahreshaushaltsplans auf den Ausschuß und die hierdurch erforderlich gewordene Statuten⸗ änderung wurde beschlossen.
Nachdem hiermit die Tagesordnung erledigt war und die Ausschuß⸗ mitglieder, der Aufforderung des Mitgliedes Grafen von Schlieffen⸗ Wioska folgend, sich zum Danke für die mühevolle und umsichtige Leitung der Ausschußsitzung durch den Vorsitzenden von ihren Plätzen erhoben hatten, schloß der Letztere die Sitzung um 2 Uhr Nachmittags.
1““ 8 8 * 8 5 8 Zur Arbeiterbewegung.
In Leipzig sollen, wie der „Lpzg. Ztg.“ unter dem gestrigen Tage berichtet wird, gegenwärtig 1200 . ausständig sein und etwa 500 zu dem alten bezw. neu bewilligten Lohn weiter arbeiten. (Vergl. Nr. 132 d. Bl.)
Hier in Berlin beabsichtigt der Berliner „Volks⸗Ztg.“ zufolge die Arbeiterschaft in der Konfektionsbranche im naͤchsten Jahre in einen Ausstand einzutreten, um die Abschaffung des sogenannten Zwischenmeistersystems und die Einrichtung eigener Betriebswerkstätten in den Konzektionshäusern durchzusetzen.
Der Bergarbeiterkongreß in Paris beschloß, wie „W. T. B.“ unter dem gestrigen Tage weiter berichtet, mit 736 000 gegen 212 000 Stimmen, die Berathung der Frage, betreffend die Ueberproduktion, auf das folgende Jahr zu verschieben. Die englischen und deutschen Vertreter stimmten für die Vertagung. Hierauf begann die Berathung über den Achtstundentag.
Nach einem Telegramm des „B. R.“ aus New⸗York vom 4. d. M. griffen in West⸗Virginien 500 ausständige Kohlengruben⸗ arbeiter die noch im Bergwerk Arbeitenden an und schlugen zwanzig von ihnen halb todt.
Kunst und Wissenschaft.
12. September in Bremen stattfinden. 2 — Die gestern Vormittag in Wien eröffnete VI. Versamm⸗
wie „W. T. und Professor Fritsch⸗Bonn zum stellvertretenden Vorsitzenden Anwesend sind u. a. die Vertreter der Ministerien und zakl⸗ reiche Fachautoritäten aus Deutschland (vergl. Nr. 131 der Schweiz und Oesterreich⸗Ungarn.
In der gestrigen Vormittagssitzung f Duehrsen und Zweifel aus Leipzig, Meynert und Landau aus Berlin,
ongreßtheilnehmer nach dem Kahlenberge, A EE“
und Schauta beizuwohnen. Darauf sollen die wissenschaftlichen Ver⸗ handlungen fortgesetzt werden und am Abend sich ein Festmahl im Prater anschließen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Rumänien.
Die Königlich rumänische Regierung hat beschlossen, die in den Häfen von Constanza, Sulina und Changalia für ünfte von Konstantinopel angeordneten gesundheitlichen Maßnahmen wieder auf⸗ zuheben. (Vergl. Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 40 vom 14. Februar und Nr. 73 vom 23. März d. J.)
8 Cholera.
Konstantinopel, 5. Juni. In Tarsus wurden laut Meldung des „W. T. B.“ in der Zeit vom 31. Mai bis 2. Juni 18 Erkrankungen an Cholera festgestellt.
Handel und Gewerbe.
Am 1. Juli d. J. wird in Waldenburg eine von der Reichsbank⸗Hauptstelle in Breslau abhängige Reichsbank⸗ Nebenstelle mit Kasseneinrichtung und beschränktem Gir verkehr eröffnet werden. ““
Tägliche Wagengestellung fü 3
an der Ruhr und in hlesien.
An der Ruhr sind am 5. 10 844, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
In Oberschlesien sind am 4. d. M. gestellt 3988, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Zwangs⸗Versteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 4. Juni die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Fran⸗ seckistraße 17, dem Baumeister R. Beyme gehörig; Fläche 8,65 a; Nutzungswerth 11 380 ℳ Für das festgesetzte geringste Gebot von 158 200 ℳ wurde der Kaufmann David Ullendorf, Friedrich⸗ straße 127, Ersteher. — Tempelhofer Ufer 6, dem Vorgenannten gehörig; Fläche 11,19 a. Für das Meistzebot von 310 500 ℳ wurde der Maurermeister Herm. Stutz, Belle⸗ Alliancestraße 100, Ersteher. — Lehrterstraße 48 a, dem Gustav Berg gehörig; Fläche 8,01 a. Meistbietender blieb der Fondsmakler Bernhard Krämer, Potsdamerstraße 29, mit dem Gebot von 183 000 ℳ Der Zuschlag erfolgt am 8. Juni d. J., Vormittags 11 Uhr. — Lübeckerstraße 14 u. 15, dem Baumeister Franz Piater gehörig, Nutzungswerth je 10 500 ℳ, Meistbietender blieb der Rentier Alb. Heckmann zu Bleuschdorf mit dem Gebot von 152 000 ℳ — Thaerstraße 46, dem Kaufmann K. Groeger behsrig Nutzungswerth 4700 ℳ Mit dem Gebot von 90 000 ℳ lieb der Rentier Alb. Brauer, Prenzlauerstraße 9, Meistbietender. Beim Königlichen Amtsgericht 1 Verlin standen am 5. Juni die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Brücken⸗ Allee 21, dem Baumeister Richard Beyme gehörig. Fläche 18,3 a. Mit dem Gebot von 340 000 ℳ blieb der Kaufmann Ernst Burchardt, Jägerstr. 25, Meistbietender. Der Zuschlag erfolgt am 12. Juni 1895, Vormittags 11 Uhr. — Tempelhofer Ufer G a., dem Maurermeister Richard Beyme gehörig. Fläche 15,81 a. Für das Meistgebot von 376 000 ℳ wurde der Maurermeister Herm. Stutz, Belle⸗Alliancestr. 100, Ersteher.
Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin standen die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Das im Grundbuch von Schöneberg Band 36 Blatt Nr. 1385 auf den Namen des Privatiers Paul T ippel zu Charlottenburg eingetragene, zu Schöne⸗ berg, Koburgstraße 5, belegene Grundstück; Flächenraum 6,45 a; das geringste Gebot wurde auf 1355 ℳ festgesetzt. Meistbietender blieb die Aktiengesellschaft für Grundbesitz und Hypotheken⸗ verkehr zu Berlin, Dorotheenstraße 95, mit dem Gebot von 59 500 ℳ — Das im Grundbuche von Wilmersdorf Band 42 Blatt Nr. 1285 auf den Namen des Architekten Curt Lemcke zu Deutsch⸗ Wilmersdorf, Wilhelmsaue 31, eingetragene, zu Deutsch⸗Wilmers⸗ dorf, Bornimerstraße, belegene Grundstück; Flächenraum 3,89 a. Das geringste Gebot wurde auf 705 ℳ festgesetzt. Meistbietender blieb der minderjährige Kaufmann Ludwig Johann Walter zu Charlottenburg mit dem Gebot von 46 000 ℳ — Das im Grund⸗ buche von Friedenau Band 16 Blatt Nr. 930 auf den Namen des Kaufmanns Fritz Pax (Agent und Eigenthümer) zu Charlottenburg, Rückertstraße 4, eingetragene, zu Friedenau Handjerystraße 55/56, Ecke Rönnebergstraße, belegene Grund⸗ stück. Flächenraum 16,41 a. Ein Gebor wurde nicht ab⸗ gegeben und daher das Verfahren der Zwangsversteige⸗ rung vorläufig eingestellt. — Eingestellt wurde das Verfahren der
wangsversteigerung, betreffend das im Grundbuch von Wilmersdorf Band 16 Blatt 503 auf den Namen des Architekten Kurt Lemcke zu Deutsch⸗Wilmersdorf, Wilhelmsaue 31, eingetragene, zu Deutsch⸗ Wilmersdorf, Bornimerstraße, belegene Grundstück. — Auf⸗ gehoben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung, betreffend das im Grundbuch von Rosenthal Band 6 Blatt Nr. 177 auf den Namen der verehelichten Gärtner Anna Engel, geb. Wahl, zu Nordend⸗Rosenthal eingetragene, zu Rosenthal belegene Grundstück.
Beim Königlichen Amtsgericht zu Charlottenburg. Das Verfahren der Zwangsversteigerung des im Grundbuche von der Stadt Charlottenburg Band 145 Nr. 5153 auf den Namen des Kaufmanns Arthur Wachsmann zu Berlin eingetragenen, zu Char⸗ lottenburg, Spandauerstraße 27, belegenen Grundstücks wird auf⸗ Fi ben. da die betreibende Gläubigerin, die „Victoria“ zu Berlin,
llgemeine Versicherungs⸗Aktien⸗Gesellschaft, die Versteigerungsanträge zurückgenommen hat. Die Termine am 25. Juni d. J. fallen fort.
— Preußische Pfandbrief⸗Bank (früher Preußische o⸗ theken⸗Versicherungs⸗Aktien⸗Gesellschaft). Laut der 8 vSe H. befindlichen Bekanntmachung fordert die Bank die Besitzer aller noch nicht vollgezahlten Aktien der Gesellschaft auf, am 20. Juli d. J. die Vollzahlung zu leisten. Die Maßnahme entspricht einem vielfach geäußerten Wunsch der Aktionäre und ist bereits seit längerer Zeit in Aussicht genommen, mußte indeß bis zu der kürzlich N die Staats⸗ regierung erfolgten Genehmigung des neuen Statuts, wodurch der Geschäftskreis der Bank erweitert ist, hinausgeschoben werden.
— Die Betriebseinnahmen der Ostpreußischen Südbahn im Mai 1895 betrugen nach vorläufiger Feststellung im Personen⸗ verkehr 86 301 ℳ, im Güterverkehr 309 807 ℳ, an Extra⸗ ordinarien 20 100 ℳ, zusammen 416 208 ℳ, darunter auf der Strecke
eststellung 346 355 ℳ, mithin gegen den entsprechenden Monat des
etas Zaäigzis⸗ 5202 ℳ, im Mai 1894 nach vorläufiger
orjahres mehr 69 853 ℳ, im Ganzen vom 1. Januar bis 31. Mai
3 ℳ
Maurermeister
Der diesjährige Juristentag wird in den Tagen vom 10. bis
lung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie wählte, T. B.“ meldet, Professor Chrobak⸗Wien zum 2 orsitzenden
d. Sr). n Die Versammlung beschloß, den nächsten Kongreß im Jahre 1897 in Leipzig abzuhalten, und wählte für denselben Professor Zweifel in Leipzig zum Vorsitzenden. 1b hielten u. A. Martin⸗Berlin,
Freund⸗Straßburg Vorträge. Am Nachmittag folgte ein Ausflug der 8 8 bends Besuch des
Heute gedachten die versammelten Gelehrten den emonstrationen in den Kliniken der Professoren Chrobak, Braun