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der Kirchenchöre von Marien, Nikolai, Dreifaltigkeit und der Luther⸗ emeinde. Die vier Stehtribünen an den Ecken des Festplatzes waren der Fugen eingeräumt. Um 11 Uhr erfolgte die Anfahrt Seiner öniglichen Hoheit des Prinzen Friedrich Leopold, des Ver⸗ treters Seiner Majestät des Kaisers und Königs.
Die Feier wurde eingeleitet mit dem von Posaunen begleiteten Ge⸗ meindegesang: „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“. Alsdann nahm der Vorsitzende des Denkmal⸗Comités, Kammer⸗ gerichts⸗Rath Schröder das Wort: „Diese Feier“, so begann er, „ist bestimmt, ein Werk abzuschließen, das aus der starken christlichen Gefühlsbewegung hervorgegangen ist, welche die ganze evan⸗ gelische Welt erfaßt batte, als ihr am 10. November
883 zum vierhundertsten Mal der Geburtstag Martin Luther’s wiedergekehrt war. Wo hätte die Dankempfindung für den Segen, welcher der ganzen Christenheit aus der Reformations⸗ that Luther's erwachsen ist, auch lebhafter sein können als auf deutscher Erde, wo der religiöse wie der politische Sinn des Volkes am stärksten darnach verlangt, daß ihm allezeit das Christenrecht ge⸗ geben sei und gelassen werde. Kirche und Vaterland mit einer und derselben ungetheilten und vorbehaltlosen Liebe umfassen zu dürfen! Die Bürgerschaft dieser Stadt aber mußte noch in ganz besonderer Weise dieses unserem deutschen Volk durch die Reformationsthat Luther's wieder gewonnenen und gesicherten köstlichen Guts an seinem Gedenktage sich bewußt und froh werden, als dieser Stadt gegeben ist, auch derjenigen Segensfrüchte desselben, welche in der Wiedererstehung des Deutschen Reichs und des Deutschen Kaiserthums durch Gottes Gnade für unser Volk daraus emporgewachsen sind, in hervorragendem Maße theilhaftig zu werden.“ Der Redner gedachte sodann der Schwierigkeiten, die, wie alles evangelische Werk seit den Tagen der Reformation, so auch dieses habe überwinden müssen. Aber auch an ihm habe sich der Segenskern der Reformation wirksam erwiesen, welcher zu allem rechten Vollbringen die Zusammenfassung aller lebendigen Kräfte der Nation erheische. Auch dieses Werk habe den Stempel des Gelingens erst empfangen, als der freien Initiative der evangelischen Bürgerschaft die fördernde Unterstützung der staatlichen und bürgerlichen Obrigkeiten sich hinzugesellt habe. An erster Stelle dankte Redner den Manen Kaiser Wilhelm's I., dann aber auch dem regierenden Kaiser und König und begrüßte ehrfurchtsvoll Allerhöchst⸗ dessen Vertreter, den Prinzen Friedrich Leopold, welcher durch seine per⸗ sönliche Antheilnahme der Feier die höchste Weihe gebe. Er dankte ferner den städtischen Behörden, welche von vornherein durch die Unter⸗ stützung des Werks dasselbe vor dem Verdacht geschützt hätten, „als sei dasselbe anders unternommen und ausgeführt denn als ein Wahr⸗ zeichen und Bekenntniß zu dem Christenglauben, der ein solcher demüthigster Gebundenheit an Gott, gerade darum aber auch wahr⸗ hafter persönlicher Freiheit in Christo Jesu sei. So werde das Stand⸗ bild Luther's allezeit in Volk und Bürgerschaft das Wort des Herrn der Kirche rufen: „Gebet Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ Es soll und wird unser Volk immerdar daran mahnen, daß nur in der Einheit und Einigkeit aller religiösen kirch⸗ lichen und öffentlichen Pflichterfüllung und in der Gründung derselben in wahrer Gottesfurcht wie die Seligkeit für den einzelnen Christen, so auch das Glück und das Gedeihen der christlichen und natio⸗ nalen Gemeinschaft gelegen ist.“ Der Redner erinnerte dann noch mit Wehmuth daran, daß es dem eigentlichen Schöpfer des Denkmals, dem Professor Otto, nicht vergönnt gewesen, dasselbe zu vollenden, und dankte dem Bildhauer Toberentz, der sein kongeniales Können mit vollendeter Pietät für den Verstorbenen ver⸗ bunden habe. „Möge’, so schloß der Redner, das Standbild Luther's allezeit der Erhaltung und Pflege derjenigen Tugenden sich dienlich erweisen, für welche Luther unserm deutschen Vork ein Vorbild ge⸗ wesen: der Tugenden einer in wahrer Gottesfurcht gegründeten patriotischen Hingabe an das Vaterland, einer unbeugsamen christlichen Wahrheitsliebe und einer von Menschenfurcht freien, aber im Gewissen um so mehr verbundenen Thatkraft!“
Auf Befehl Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Leopold fiel nunmehr die Hülle, und das herrliche Monument zeigte sich den Blicken der festlichen Versammlung, die in den Choral ein⸗ stimmte: „Ein' feste g ist unser Gott“.
Hierauf nahm der General⸗Superintendent von Berlin, Hof⸗ prediger Faber das Wort zur Einweihungsrede. „Luther mit der Schrift“, hub er an, „so ists recht. Die beiden gehören zusammen.“ Er habe sie befreit aus dem Verließe der Verbannung und ihr den Königsthron wiedererobert, der dem Buch der Bücher gebühre, und sie habe ihn befreit von Seelenangst und Gewissensnoth zur freudigen aus der babylonischen Gefangenschaft der Menschen⸗ atzung zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Auf dem Molken⸗ markt habe die alte Rolandssäule ihren Platz gehabt, der städtischen Selbständigkeit Wahrzeichen: das Lutherdenkmal sei die Rolandssäule der wahren Selbständigkeit des Geistes. Dort an der Marienkirche sehe man ein Kreuz, das Berliner Bürger einst aufgerichtet haben, die Stadt vom Interdikt zu lösen: der große Reformator habe mit dem Kreuze des Herrn den unmittelbaren Zu⸗
aang zum himmlischen Vater wieder erschlossen. Die Vermählung ristlichen und deutschen Geistes, die sich durch ihn vollzogen, habe den Nährboden bereitet für Preußens Größe, und die Geistes⸗ taufe, die mit ihm gekommen, sei der Himmelsthau für die deutsche Eiche geworden. Redner schloß mit den Worten: So sei uns denn dieses Standbild geweiht als ein Gedenkstein der großen Thaten des Herrn: „Ein' feste Burg ist unser Gott!“, als ein Grenzstein wider alle finsteren Mächte des Unglaubens und des Aber⸗ glaubens: „Das Wort sie sollen lassen stahn!“ und als ein Opfer⸗ stein unserer Treugelübde: „Wir, als die von Einem Stamme, stehen auch für Einen Mann!“
Nach der Einweihungsrede sang der Kirchenchor von Nikolai und Marien unter Leitung seines Dirigenten Professors Th. Krause den 43. Psalm von Mendelssohn. Dann nahm Kammergerichts⸗Rath Schröder nochmals das Wort zur Uebergabe des Denkmals an die Stadt. Im Namen der letzteren dankte Ober⸗Bürgermeister Zelle dem Comité mit herzlichen Worten. „Wer hier vorübergeht“, so führte derselbe aus, „und zu Martin Luther aufblickt, denkt zunächst an den Reformator, den Stifter der protestantischen Kirche. Und das Feuer, das er an⸗
ezündet hat, brennt noch fort. Aber mit Recht ist betont, daß die
rrichtung des Denkmals keineswegs dazu angethan ist, die religiösen Empfindungen anderer Konfessionen zu verletzen. Ueber die kirchlichen Kämpfe hinweg wird man des tapferen, opfermuthigen, wahrhaftigen ämpen für Geistes⸗ und Eewissensfreiheit gedenken: gerade ier in Berlin; denn es ist doch wahr, daß hier, wie kaum wo anders in deutschen Landen, die Werkstätten der freien Forschung und Wissenschaft ge⸗ arbeitet haben und noch arbeiten. Luther selber wollte am wenigsten diese Freiheit beschränken. In der Hauptstadt des Deutschen Reichs wird man auch daran sich erinnern, wie Luther der Einigung der deutschen Stämme vorgearbeitet hat. Er schuf uns die neudeutsche Sprache, die alle verband und noch heute alle verbindet; er schuf auch die deutsche Volksschule, und Berlins Verwaltung kennt keine höhere Aufgabe, als dieses Vermächtniß zu pflegen. Im Gedenken an solches Wirken Martin Luther's werden viele, die in des Tages Getümmel diese Stätte betreten, mit Melanchthon sagen: „Wir aber wollen ein stetig, ewig Gedächtniß dieses unseres lieben Vaters behalten und ihn aus unseren Herzen nicht lassen.“ Die Behörden der Stadt geloben gern, sein Denkmal in Ehren und in getreuer Obhut zu halten!“
Das Seeshge⸗ sprach Prediger Professor Scholz von der Marienkirche. Mit Glockengeläut und dem Gemeindegesang „Das Wort sie sollen lassen stahn“ schloß die Feier.
Die Studierenden der Theologie von der hiesigen Universität legten nach der Feier einen Kranz am Denkmal nieder.
Der Magistrat erläßt bfch der bevorstehenden Berufs⸗ und Gewerbezählung folgende Bekanntmachung:
„Auf Grund des Reichsgesetzes vom 8. April 1895 findet am
14. Juni d. J. eine Erhebung der Berufsverhältnisse der Bevölkerung
des Deutschen Reichs, verbunden mit einer Erhebung der landwirth⸗
aftlichen und der gewerblichen Betriebe, statt.
F“
Die persönliche Ausführung des Zählungsgeschäfts wird hier, wie bei den früheren Volkszählungen, durch Gemeindebeamte und andere zur Beihilfe bereite Einwohner als Zählungsrevisoren (Zähler) be⸗ wirkt werden.
Bis zum 13. Juni Mittags werden den Haushaltungsvorständen sowie den Einzelnlebenden, welche eine besondere Wohnung inne haben, die Züblbohen, sowie die etwa erforderlichen Gewerbekarten zugestellt werden, welche nach Maßgabe der Anleitung Feebat auszufüllen und vom 14. Juni Mittags ab dem mit der Abholung und sofortigen Prüfung beauftragten Zähler einzuhändigen sind.
„Wir richten an die Einwohner Berlins mit Hinweisung auf den wichtigen Zweck die dringende Aufforderung, der genauen und voöll⸗ ständigen Ausfüllung der ihnen zugestellten Formulare die größte Sorgfalt zuzuwenden, auch den mit Ausfüllung des Zählgeschäfts beauftragten und sich legitimierenden Herren Zählern jede Auskunft zu ertheilen, deren dieselben zur Erfüllung ihres Auftrags bedürfen.
Zu diesem Behuf wohnt den Zählern die Eigenschaft öffentlicher Beamten bei.
Die Vorsteher der Haushaltungen, die Hauseigenthümer bezw. Verwalter und Vizewirthe ersuchen wir insbesondere, dem Zählungs⸗ geschäft in jeder Weise förderlich zu sein.
Wie die gesammte Bürgerschaft die Zählung bei den früheren Volkszählungen durch freundliches Entgegenkommen wesentlich er⸗ leichtert hat, so dürfen wir auch diesmal auf gleiche Willfährigkeit und damit auf die gleiche glückliche Ausführung rechnen.
Wer die an ihn gerichteten Fragen wissentlich wahrheitswidrig beantwortet oder diejenigen Angaben zu machen sich weigert, welche ihm nach dem oben bezeichneten Reichsgesetz und den zur Ausführung desselben erlassenen und bekannt gemachten Vorschriften obliegen, unterliegt einer Geldstrafe bis zu dreißig Mark (§ 5 des Reichsgesetzes vom 8. April 1895).
Berlin, den 8. Juni 1895.
Magistrat hiesiger Ree agnn Haupt⸗ und Residenzstadt
elle.
B8 11. Juni. Aus Antonienhütte meldet die „Breslauer Morgenzeitung“: Die dem Grafen Hugo Henckel von Donnersmarck gehörende Steinkoblengrube „Segen Gottes“ ist gestern Vormittag 10 Uhr in Brand gerathen. Dem größten Theil der Belegschaft (es waren ca. 400 Bergleute eingefahren) gelang es, noch rechtzeitig das Freie zu gewinnen. Fünfzig Mann wurden bewußtlos zu Tage gefördert, mit Hilfe der herbeieilenden Rettungs⸗ mannschaften und Feuerwehren aber ins Leben zurückgerufen. Fünfzehn Mann werden vermißt, dieselben sind wahrscheinlich erstickt. Zur Zeit werden Versuche angestellt, das noch immer um sich greifende Feuer durch Mauern einzudämmen. Aus dem Holzschacht steigen mächzige, weithin sichtbare Rauchwolken auf. Einer späteren Meldung zufolge entstand der Brand durch die Explosion brandiger Grubengase infolge des Durchbruchs einer Wetterkammer. Nach den heutigen Feststellungen sind 8 Bergleute und 2 Steiger todt; auch wurden 12 Pferde getödtet. Graf Henckel von Donnersmarck weilt auf dem Unglücksplatz. Die Maschinen sind intakt geblieben.
Bonn, 10. Juni. Der „General⸗Anzeiger“ meldet: Bei dem gestrigen Fest der Alten Herren des Bonner 8. C. in Godes⸗ berg wurde ein Huldigungs⸗Telegramm an Seine Maäajestät den Kaiser abgesandt, auf welches heute Morgen folgende Allerhöchste Antwort eingetroffen ist: „Den Gruß der Alten Herren deutscher Korps, welcher die schönsten Erinnerungen an Meine Studienzeit in Mir wachruft, erwidere Ich mit den besten Wünschen für das Blühen und Gedeihen der Deutschen Korps. Mit Freuden gedenke Ich zugleich der schönen mit ihnen in Godesberg verlebten Stunden. Wilhelm. I. R.“
Chemnitz, 10. Juni. Dem vom 7. bis zum 14. Juli hier stattfindenden mitteldeutschen Bundesschießen wird laut Meldung des „W. T. B.“ am Eröffnungstage auch Seine Majestät der König Albert beiwohnen. Es wird ein großer Festzug geplant; Festtheilnehmer haben sich nicht allein aus allen Gauen Deutschlands, sondern auch bereits aus Oesterreich⸗Ungarn und der Schweiz angemeldet.
Laibach, 10. Juni. Die Bevölkerung hat sich wieder beruhigt und ist in die Wohnungen zurückgekehrt. Die Bauarbeiten werden fortgesetzt; außer mehrfachen, neuerdings erfolgten Beschädigungen der Häuser hat sich kein Unfall mehr ereignet. Der letzte Erdstoß wurde in gleicher Weise in der Umgebung Laibachs, in Krainburg und Adelsberg wahrgenommen.
Agram, 10. Juni. Heute Vormittag 8 Uhr 40 Minuten wurde in Krapina ein 5 Sekunden währendes Erdbeben verspürt; Schaden wurde durch dasselbe nicht angerichtet.
London, 10. Juni. Die Untersuchung des Handels⸗ amts über das „Elbe“⸗Unglück wurde heute wieder aufgenommen. Der Anwalt Aspinall erklärte, der „Norddeutsche Lloyd“ sei bereit, zwei Zeugen vorzuführen, nämlich den Dritten Offizier und den Ober⸗ Ingenieur, außerdem auch den Mann vom Ausguck, sobald derselbe von seiner Reise nach China zurückgekehrt sein werde. Der Steuermann der „Crathie“ Craig wiederholte seine frühere Aussage, daß er zur Zeit des Zusammenstoßes sich nicht von der Kommandobrücke nach der Kambüse begeben hätte. Er habe die grünen Lichter der „Elbe“ 3 oder 4 englische Meilen entfernt bemerkt. Kurz vor dem Zufammen⸗ stoß habe die „Elbe“, um einem Fischerboot auszuweichen, nach Steuer⸗ bord gedreht. Er fügte hinzu, daß sein Augenlicht gut sei. Der Offizier der „Elbe“ Stolberg sagte aus, er habe mit dem Ersten Offizier auf der Brücke gestanden und die Lichter der „Crathie“ drei Minuten vor dem Zusammenstoß gesehen. Die „Elbe“ habe einen Kurs von 15 Knoten gehabt und denselben nicht geändert, als die Lichter der „Crathie“ gesehen wurden; soviel ihm bekannt sei, sei eine Panik nicht hervor⸗ gerufen worden. Die Untersuchung wurde hierauf vertagt.
Rom, 10. Juni. Heute früh 2 Uhr 50 Minuten wurde in Bologna ein leichter, in Verona ein sehr starker Erdstoß ver⸗ spürt. — Nach hier eingegangenen Nachrichten aus Rimini hat die Nachricht von dem Tode Ferrari's auf die dortige Bevölkerung einen tiefen Eindruck gemacht. Die Munizipalität, verschiedene Gesell⸗ schaften und sehr zahlreiche Privatpersonen haben auf ihren Häusern die Flaggen halbmast gehißt; sämmtliche Läden sind zum Zeichen der Trauer geschlossen.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
Kiel, 11. Juni. (W. T. B.) Das österreichische Geschwader, bestehend aus den Schiffen: „Kaiserin und Königin Maria Theresia“, „Kaiser Franz Joseph“, „Kaiserin Elisabeth“, unter dem Kommando des Erzherzogs Karl Stephan ist um 9 ½ Uhr auf der * Rhede ein⸗ etroffen. Die Avisos „Pfeil“ und „Blitz“ mit der Torpedo⸗ oots⸗Flotille begleiteten das Geschwader. Zwischen dem laggschif7f „Maria Theresia“ und den Friedrichsorter atterien, sowie dem Flag schmf „Kurfürst Friedrich Wilhelm“ wurden Salutschüsse gewechselt. Auf den Schulschiffen „Stein“, „Stosch“ und „Gneisenau“ waren die Mannschaften auf⸗ geentert und begrüßten die österreichischen Schiffe mit Hurrah⸗ rufen. Auf dem österreichischen Flaggschiff wurde die preußische Nationalhymne gespielt.
Shanghai, 10. Juni. (Meldung des „Reuter'’schen Bureaus“.) Nach einem Telegramm aus Tschingking vom
Yotschau angegriffen worden. Das Eigenthum der iona wurde zerstört. aüf chinesischen Beamten weigerten sich, 8 zuschreiten. Auch andere Missionszentren sind bedroht. Tscheng⸗tu fanden zwanzig Erwachsene und zahlreiche Kinder aus einer christlichen Gemeinde Schutz in einem Amtsgebäude. Die Verantwortlichkeit für die Angriffe auf die Missions⸗ anstalten wird im wesentlichen dem Vize⸗König Liu zu⸗ aeschgzeben. Zuni. (W. T. B.) Nach DYVokohama, 10. Juni. (W. T. B. ach einem amt⸗ lichen Telegramm aus Formosa hat die Kaiserlich japa⸗ nische Garde am 7. Juni Taipeh besetzt.
9. d. M. sind die Missionsstationen in Lee inß und
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u. d. Meeressp red. in Millim. Temperatur in 0 Celsius
Bar. auf 0 Gr.
2 Regen
2 halb bed. 3 bedeckt
2 wolkenlos 2bedeckt
1 wolkenlos 3 bedeckt
2 halb bed. 1 wolkenlos 1 wolkig 3 bedeckt
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Uebersicht der Witterung.
„Die Devpression über dem nördlichen Europa besteht fort,
während der nach dem Süden sich erstreckende Ausläufer ostwärts sich
verlagert hat und heute Zentral⸗Europa und Westrußland bedeckt.
Nach zahlreichen Gewittern, die Abkühlung mit sich führten, ist am
heutigen Morgen das Wetter in Deutschland meist trübe bei anhaltend schwacher Luftbewegung.
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AG 6G 85989
2
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Deutsche Seewarte.
Theater⸗Anzeigen.
Berliner Theater. Mittwoch: Heimath. Anfang 7 ½ Uhr. Donnerstag: Madame Sauns⸗Gene. Freitag (39. Abonnements⸗Vorstellung): Der Herr Senator.
Neues Theater. Schiffbauerdamm 4 a./5. Mittwech: Ensemble⸗Gastspiel der Mitglieder des Carl Schultze⸗Theaters (Ham⸗ burg) unter Leitung des Direktors José Ferenczyv. Tata⸗Toto. Vaudeville in 3 Akten nach Bilhaud und Barré von Victor Léon und F. Zell. Musik von Antoine Banés. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Tata⸗Toto.
Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. — Mittwoch: Miß Helyett. Vaudeville⸗Operette in 3 Akten von Maxime Boucheron. Deutsch von Richard Genée. Musik von E. Audran. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Miß Helyett.
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Margarethe Boldt mit Hrn. Lieut. Meves (Jauer). — Frl. Lina Werner mit Hrn. Oberlehrer Rudolf Beyer (Freien⸗ walde a. O. — Berlin). — Frl. Emilie von Henninges mit Hrn. Prem.⸗Lieut. Bodo von Tresckow a. d. H. Schmarfendorf (Braun⸗ schweig). — Frl. Anna Dorothee von Berge⸗Herrndorf mit Hrn. Regierungs⸗Assessor und Lieut. d. R. Fritz von Marées (Langen⸗ Schwalbach— Merseburg).
Verebelicht: Hr. Sec.-Lieut. von Randow mit Frl. Clara von Koppenfels (Cassel). — Hr. Oberförster Otto Metzger mit Frl. Luise Keppler (Leutkirch)h. — Hr. Steuer⸗Rath August Christiani mit Frl. Agathe Nanny (Breslau). .
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Prem.⸗Lieut. Lehmann (Halberstadt). — Hrn. Wilhelm Frhrn. von Wintzingerode⸗Knorr (Wehnde b⸗ Ferna). — Eine Tochter: Hrn. Amtsrichter Rückert (Neuwied). — Hrn. Regierungs⸗Baumeister Hudemann (Pr.⸗Stargard).
Gestorben: Hr. Polizei⸗Hauptmann Schilling (Berlin). — Fr. Oberförster Clara Mandel, geb. Haaß (Schreiberhau i. 2 Hr. Oberst z. D. Max Schuts (Potsdam). — Verw. Fr. Geheime Rath Gabriele von Zedlitz, geb⸗ von Staff⸗Reitzenstein (Weimar)
—
Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt Berlin SW., Wilhelmstraße 32.
Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),
sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffentlichen 823 Kommanditgesellschaften auf Aktien und eeen für die Woche vom 4. bis 8. Iunni 1895.
Reichs⸗Anz
Entscheidungen des Reichsgerichts.
In Bezug auf § 367 Nr. 12 des Strafgesetzbuchs:
„Mit Geldstrafe ꝛc. wird bestraft, wer auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf Höfen, in Häusern und überhaupt an Orten, an welchen Menschen verkehren, Brunnen, Keller, Gruben, Oeffnungen oder Abhänge dergestalt unverdeckt oder unverwahrt läßt, daß daraus Gefahr für Andere entstehen kann“ —
hat das Reichsgericht, VI. Zivilsenat, durch Urtheil vom 13. Dezember
1894 ausgesprochen: „Ob eine Böschung, die schräge Abdachung einer angeschütteten Erdmasse, unter den § 367 Nr. 12 zu stellen sei, hängt von dem Bedürfniß der Verwahrung, dieses von der Gefahr ab, welche der unverwahrte Zustand dem Verkehr von Menschen bringt. Die Entscheidung ist somit von dem Bedürfniß der Sicherung, dieses von der Beschaffenheit der Oertlichkeit und des Verkehrs bedingt. Hierbei wird allerdings zu beachten sein, daß die Herstellung einer jede denkbare Gefahr ausschließenden Sicherheit nicht im Sinne des Gesetzes liegt, sondern daß nach den obwaltenden Umständen zu beurtheilen ist, ob sich nach vernünftigem Ermessen und den gewöhnlichen Ver⸗ hältnissen eine Gefahr für Menschen erwarten und bei gehöriger Auf⸗ merksamkeit voraussehen ließ. — Immerhin wird aber zu prüfen sein, ob nach der Beschaffenheit der Oertlichkeit und nach der Art und Häufigkeit des Verkehrs ein Bedürfniß der Sicherung auch für ihrer
inne nicht völlig mächti ge Personen, für Kinder und Trunkene, besteht, ob eine für die Tageszeit ausreichende Sicherung für den Ein⸗ tritt der Dunkelheit genügt, ob eine Sicherung nur gegen das Ueber⸗ treten über den Rand des Weges auf die Böschung oder gegen ein Abirren vom Wege zu gewähren ist, ob diese Sicherung sich auf die anze Wegstrecke oder nur auf eine Stelle zu erstrecken habe, an der sich die Gefahr des Absturzes plötzlich in außerordentlicher Weise steigert.“ (322 /94.)
— Kauft jemand von einem Eisenbahn⸗Unternehmer ein dicht an das dem Eisenbahnbetriebe gewidmete Terrain an⸗ grenzendes Grundstück, so genügt, nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, VI. Zivilsenats, vom 14. Februar 1895, im Gebiete des Preuß. Allg. Landrechts regelmäßig die Kenntniß des Käufers von der Verwendung jenes angrenzenden Terrains zum Eisenbahnbetriebe und von der Absicht des Verkäufers, an diesem Zustande nichts zu ändern, um in dem Abschluß des Kaufvertrags selbst die Einwilligung des Käufers in den Fortbestand des bisherigen Zaͤstandes zu finden; Käufer muß sich demzufolge die Rauchimmission in das gekaufte Grundstück gefallen lassen. „Das Berufungs⸗ ericht nimmt eine durch den Kaufvertrag selbst zum Entstehen gebrache Grundgerechtigkeit an, bestehend in der Verpflichtung, die Immission des vom Eisenbahngrundstück ausgehenden Rauchs zu dulden. Dies ist rechtlich nicht zu bean⸗ standen. Das Gericht verkennt nicht, daß, solange beide Grundstücke sich in einer und derselben Hand — nämlich des Fiskus — befanden, eine Grundgerechtigkeit dadurch nicht entstehen konnte, daß der Eigen⸗ thümer die Grundstücke thatsächlich zu einander in das Verhältniß des dienenden zum herrschenden Grundstücke brachte. Ebensowenig verstößt das Urtheil gegen § 13 des Allg. L.⸗R. I 22, der zum Ent⸗ stehen einer Grundgerechtigkeit — falls nicht Ersitzung vorliegt — eine rechtsgültige, d. h. schriftliche Willenserklärung erfordert. Denn diese Bestimmung hinderte nicht, im Wege der Auslegung des Kauf⸗ vertrags den Umfang des Kaufgegenstandes dabin zu bestimmen, daß das verkaufte Grundstück nur mit der Grundgerechtigkeit belastet auf den Käufer überging. Mit Recht ist hierbei auf den zur Zeit des Vertrags bestehenden thatsächlichen Zustand Gewicht gelegt, der von selbst in das rechtliche Verhältniß einer Grundgerechtigkeit überging, wenn er zach der erkennbaren Absicht der Kontrahenten dauernd fortbestehen sollte. Es war nicht erforderlich, daß die Grundgerechtigkeit mit ausdrücklichen Worten im Vertrage bestellt wurde, oder daß darin das Grundstück verkauft wurde, „wie es bisher besessen und benutzt ist“, wenngleich in solchen Wendungen die Absicht, den bisherigen Zustand fortbestehen zu lassen, noch deutlicher hervorgetreten wäre. Der Regel nach wird die Kenntniß des Käufers von dem thatsäch⸗ lichen Zustande und von der Absicht des Verkäufers, an diesem Zu⸗ stande nichts zu ändern, genügen, um in dem Abschluß des Vertrags selbst die Einwilligung des Käufers in das Fortbestehen desselben zu finden.“ (354/94) 1
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Ein öffentlicher Weg kann, nach einem Urtheil des Ober⸗ Verwaltungsgerichts, IV. Senats, vom 2. Januar 1895, ein⸗ ezogen werden, wenn anderweite öffentliche Interessen, welche die Poltzen wahrzunehmen hat, überwiegend für die Einziehung sprechen; als ein solches überwiegendes Interesse kann die Her⸗ stellung und zweckmäßige Gestaltung eines Friedhofs erachtet werden. „Die Schaffung von zweckentsprechenden Friedhöfen ist nicht lediglich eine private Angelegenheit der Gemeinde; das öffent⸗ liche Interesse ist im Gegentheil an einer zweckmäßigen Anlage der Friedhöfe erheblich betheiligt, wie sich denn auch deren Anlage nicht anders als unter Zustimmung der zuständigen Staatsbehörde vollziehen darf. Daß die Anlage eines Friedhofs in hervorragendem Maß ein gemein⸗ nütziges Unternehmen ist, findet hier auch darin Bestätigung, daß für die geplante Vergrößerung des Friedhofs durch Allerhöchste Ordre das Enteignungsrecht gewährt ist. Daß die Gesichtspunkte einer zweck⸗ entsprechenden Lage und Gestaltung des Friedhofs bei der Prüfung der Gemeinnützigkeit dieser Unternehmung mitsprechen und von erheblicher Wichtigkeit sind, liegt in der Natur der Sache. Dabei kommt es nicht allein auf gesundheitspolizeiliche Rücksichten, sondern auch darauf an, daß die Lage und Gestaltung eine solche ist, daß dem gemeinnützigen Zweck in würdiger Weise entsprochen und demgemäß die Verwaltung und Aufsicht eingerichtet werden kann. Daß die Erfüllung dieser Aufgaben durch eine nicht einheitliche Gestaltung des Friedhofs erheblich erschwert wird, bedarf keines weiteren Nachweises. 4 und da können zwar Verhältnisse vorkommen, die eine einheitliche Gestaltung sehr erschweren, ja auch ganz unmöglich machen. Es wird dieses namentlich da der Fall sein, wo der städtische Anbau in der Nähe der Friedhöfe bereits so weit vor⸗ geschritten ist, daß die Interessen des inneren städtischen Verkehrs weit überwiegen und ihre Nichtbeachtung unmöglich ist. Von einem städtischen Anbau in der Nähe des Friedhofs ist hier aber zur Zeit noch nicht die Rede, auch steht ein solcher für die nächste Zukunft nicht in Aussicht, da nach dem vorliegenden Material eine Festsetzung von Baufluchtlinien auch in der weiteren Umgebung des Friedhofs noch nicht stattgefunden hat. Sollte die Ausdehnung von S. demnächst eine Be⸗ bauung auch in der Umgebung des Friedhofs nothwendig machen, so wird sie sich den dann gegebenen Verhältnissen anpassen müssen, wie solches überall geschieht. Den schwerwiegenden Rücksichten der würdigen und einheitlichen Gestaltung des Friedßoss stehen bei der Abwägung hier lediglich die Verkehrsinteressen auf dem vorwiegend der Bewirth⸗ schaftung der angrenzenden Grundstücke dienenden „Obersten Zwerch⸗ wege“ gegenüber. Daß der genannte Weg für den öffentlichen Durchgangsverkehr ohne besonderes Interesse ist, geht aus den vorgelegten Plänen klar hervor. Dagegen kann zugegeben werden, daß einigen der Kläger, deren Grundstücke an dem ersten Zwerchwege“ liegen, eine gewisse Erschwerung
Berlin, Dienstag, den 11. Juni
in der Bewirthschaftung ihrer Grundstücke in der Weise erwächst, daß sie unter gewissen Umständen einen Umweg von ca. 400 m mit einer geringen Steigung zu machen haben. Wollte man solchen Interessen, wie sie die Kläger hier geltend zu machen versuchen, allgemein gemein⸗ nützigen Unternehmungen gegenüber eine maßgebende Bedeutung ein⸗ räumen, so würden z. B. auf dem Gebiet der Zusammenlegung der Grundstücke nur in den seltensten Fällen die Erfolge zu erlangen sein, wie sie die betreffende Gesetzgebung im Auge hat, und welche zur Er⸗ reichung des Zwecks der zum allgemeinen Wohl getroffenen Einrich⸗ tung erforderlich sind.“ (IV. 5.)
Statistik und Volkswirthschaft.
Das zweite Heft des Jahrgangs 1895 der Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Reichs giebt eine Anzahl von Zusammen⸗ stellungen über die Seereisen deutscher Schiffe im Jahre 1893. Diese Reisen sind unterschieden in solche: 1) zwischen deutschen Häfen, 2) vom Auslande nach deutschen Häfen und von deutschen Häfen nach dem Auslande, 3) zwischen außerdeutschen Häfen. Die Gesammtzahl der Seereisen deutscher Schiffe bezifferte sich 1893 auf 74 251, der dabei zur Verwendung gelangte Netto⸗Raumgehalt auf 31 801 031 Registertons (wobei jedes Schiff so oft gerechnet ist, als es Reisen ausführte); mit den entsprechenden Angaben für das Jahr 1892 verglichen, zeigen diejenigen des Jahres 1893 eine Zu⸗ nahme in der Zahl der Reisen um 371 (0,5 %), in der Ladefähigkeit der dabei beschäftigt gewesenen Schiffe um 1 325 214 Reg.⸗Tons (4,3 %). Im Jahre 1893 sind bei den Reisen zwischen deutschen Häfen 39 996 Schiffe mit 2 838 963 Reg.⸗Tons gezählt worden. Auf Reisen zwischen deutschen und fremden Häfen und umgekehrt waren 1893 17342 deutsche Schiffe in Thätigkeit, deren Raumgehalt 9 599 168 Reg.⸗ Tons betrug, und zwischen außerdeutschen Häfen ver⸗ kehrten 16 913 deutsche Schiffe mit einer Ladefähigkeit von 19 362 900 Register⸗Tons. Dabei sind die Zwischenreisen, welche hauptsächlich von bremischen und hamburgischen Dampfern auf der Ausreise nach außerdeutschen Häfen und auf der Heimreise von dort zwischen einzelnen fremden Häfen gemacht wurden, als selbständige Reisen (zwischen außerdeutschen Häfen) gerechnet. Von sämmtlichen Seereisen deutscher Schiffe wurden im Jahre 1893 82,7 % mit Ladung und 17,3 % in Ballast oder leer ausgeführt. “ .“
Zur Arbeiterbewegung. b
In Fürth sind, wie die „Frankfurter Zeitung“ meldet, 150 Arbeiter und 150 Arbeiterinnen des Kompositions⸗ und Schlagmetall⸗Gewerbes ausständig. Sie verlangen Erhöhung des Lohnes. — Ebendaselbst haben dem „Vorwärts' zufolge die Arbeiter und Arbeiterinnen der Feinmetallschlägereien die Arbeit eingestellt, um eine Erhöbung ihres Einkommens zu erreichen.
Gestern Abend wurde nach einer Meldung des „H. T. B.“ in Wien eine von sozialdemokratischen Arbeiterinnen ab⸗ gehaltene Versammlung wegen aufreizender Reden von der Polizei aufgelöst. Die Versuche, die Demonstration auf der Straße fort⸗ zusetzen, wurden von der Polizei verhindert.
Wie der „Köln. Ztg.“ gemeldet wird, ist in Vervpiers der Versuch einer Einigung zwischen den ausständigen Kammgarn⸗ spinnern und den Arbeitgebern gescheitert. (Vergl. Nr. 135 d. Bl.) Auch die Streichgarnspinnerei in Ensival erklärte sämmtliche Arbeiter wegen neuer übertriebener Ferderungen der Fadner für entlassen.
Land⸗ und Forstwirthschaft 8
Saatenstand in Ungarn.
Aus Budapest wird der „Wiener Zeitung“ telegraphisch ge⸗ meldet: Nach den beim Ackerbau⸗Ministerium eingelangten Berichten war der Saatenstand am 1. Juni folgender: Seit Mitte Mai war das Wetter schon viel günstiger, obwohl Hagel, Reif, stellenweise auch Schnee in einigen Komitaten Schaden anrichteten. Infolge des Regens sind auch die zurückgebliebenen Saaten größtentheils fort⸗ geschritten. Es ist zu hoffen, daß auch die verspätet angebauten Körner sich gut entwickeln werden. Der Regen übte auch auf Futter⸗ stoffe und auf die Weinrebe eine gute Wirkung. Die Insekten richten auch in diesem Jahre ziemlichen Schaden an, in einzelnen Komitaten ist der durch die Kolumbaecser Fliege angerichtete Schaden ein bedeutender. Seit einigen Jahren werden die approximativen Daten der Ernteaussichten veröffentlicht; obwohl die unten folgenden Daten in vieler Hinsicht noch modifiziert werden, bieten dieselben doch eine Orientierung bezüglich des zu erwartenden Ertrags, vorausgesetzt, daß die in diesem Jahre angebaute Fläche nicht größer als die vor⸗ jährige ist. So wurden 5 568 000 Katastraljoch mit Weizen angebaut. Wenn auf Elementarschäden 268 000 Katastraljoch in Abzug gebracht werden, verbleiben beiläufig 5,3 Millionen Ka⸗ tastraljoch. Die Ertragsaussichten können auf 6 bis 7 Meter⸗ zentner per Katastralioch kommen, und ist daher beiläufig ein leicher Ertrag wie im Vorjahre zu erwarten. Da aber in diesem Jahre viel mehr Elementarschäden eintraten als im Vorjahre, wird der Gesammt⸗ ertrag voraussichtlich auch ein kleinerer sein. Die Ertragsstatistik zeigt diese Differenz schon auch ohne Abzug der Elementarschäden; während der Weizenertrag im Vorjahre 39,62 Millionen Meterzentner betrug, variieren die diesjährigen Ertragsaussichten zwischen 37 bis 38 Millionen Meterzentner. Der Weizen beginnt schon in die Halme zu schießen, Rost ist kaum aufgetreten, Insekten schädigten den⸗ selben nur in den Komitaten Temes, Arad, Bekes, Komorn und Tolnau. Das mit Roggen und Halbfrucht bebaute Areal dürfte auch nicht kleiner als das vorfährige sein, aber infolge des kalten und strengen Winters, sowie infolge des ungünstigen Frühjahrs⸗ wetters sind viele Saaten zu Grunde gegangen, und wird demzufolge von dem unten ausgewiesenen Areale ein noch viel kleineres einen Ertrag liefern. Im Herbst des Vorjahres dürften mit Roggen und Halbfrucht beiläufig 2,16 Millionen Katastraljoch angebaut worden sein, es müssen aber auf Elementarschäden nach minimalster Schätzung bei⸗ läufig 20 bis 25 % abgerechnet werden; es wäre daher das mit Roggen be⸗ baute Areal 1,62 bis 1,73 Millionen Katastraljoch. In. Anbetracht dessen, daß der zu erhoffende Ertrag per Katastraljoch 5 bis 6 Meter⸗ Zentner betragen dürfte, sind die Ertragsaussichten in Winterroggen und Halbfrucht um beiläufig 35 bis 40 % geringer als im Vorjahre. Die Differenz ist schon ohne Abzug der Elementarschäden eine roße, indem nur eine Ertragsaussicht von beiläufig 12 Millionen Keter⸗ zentner vorhanden ist gegenüber von 15,58 Millionen Meterzentner im Vorjahre. Der Roßgen hat theilweise schon abgeblüht, ist aber stellenweise noch unentwickelt. Das mit Gerste bebaute Areal ist in diesem Jahre nicht kleiner als im Vorjahre, dasselbe kann auf 1,83 Mil⸗ lionen Katastraljoch geschätzt werden. Der zu erhoffende Betrag auf 6 Meterzentner per Katastraljoch Gerste steht daher schwächer als im Vorjahr, wo der zu erhoffende Ertrag zwischen 6 bis 7 Meter⸗ zentner pe: Katastraljoch variierte. Der zu erwartende Gesammt⸗ ertrag kann auf beiläufig 11 Millionen Meterzentner geschätzt werden; im Vorjahr war der Ertrag 13,11 Millionen Meterzentner. Die Wintergerste beginnt in die Halme zu schießen und steht im überwiegenden Theil des Landes besser als ommergerste; nur wurde in diesem Jahre wenig Wintergerste angebaut. Sporadisch richteten Insekten Schaden an. 1
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eiger und Königlich Preußischen Sta
Washington, 10. Juni. (W. T. B.) Der Bericht des Ackerbaubureaus giebt die mit Winterweizen vngebent, Slace auf 96,1 % der letztjährigen Ernte an und beziffert den Durchschnitts⸗ stand am 1. Juni mit 71,1 gegen 83,2 im vorigen Jahre. Die An⸗ baufläche an Sommerweizen beträgt 99,5 von der des letzten Jahres und der Durchschnittsstand 97,8 gegen 88 im vorigen Jahre. Die Anbaufläche an Roggen wird auf 96,7, der Stand der Gerste auf 90,3, des Hafers auf 84,3 angegeben. Die mit Baumwolle ange⸗ pflanzte Fläche kommt 85,5 % der im letzten Jahre angebauten Menge gleich, und der durchschnittliche Stand ist 81 im Vergleich zu 88,3 im vorigen Jahre. 8
Handel und Gewerbe. —
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks
8 an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 10. d. M. gestellt 10 958, nicht recht⸗ zeitig gestellt 60 Wagen. 8
In Oberschlesien sind am 8. d. M. gestellt 3191, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. S —
Zwangs⸗Versteigerunge
Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 10. Juni die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Thaer⸗ straße 23, dem Bäckermeister Reinh. Dupke gehörig. Fläche 10,02 a. Nutzungswerth 13 050 ℳ. Meistbietender blieb der Rentier C. Rugh, Georgenkirchstraße 55, mit dem Gebot von 152 000 ℳ — Pallasstraße 6, dem Möbelhändler Hugo Herfurth gehörig. Nutzungswerth 16 780 ℳ Für das Meistgebot von 260 000 ℳ wurde die Frau Ingenieur Clara St. Dizier, geb. Lefson, zu Berlin Ersteherin. — Hasenhaide 51, dem Kaufmann Adolf Kurth gehörig. Fläche 12,03 a. Nutzungswerth 17 390 ℳ Meist⸗ bietende blieb die Frau Wittwe Mergenthin, geb. Jestram, Großbeerenstraße 72, mit dem Gebot von 260 200 ℳ
Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom 8. Juni 1895. Auftrieb und Markt⸗ preise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebendgewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 4157 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg) I. Qualität 116 — 120 ℳ, II. Qualität 104 — 110 ℳ, III. Qualität 90 — 100 ℳ, IV. Qualität 80 — 86 ℳ — Schweine. Auftrieb 9106 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Mecklenburger 86 ℳ, Landschweine: a. gute 82 — 84 ℳ, b. geringere 76 — 80 ℳ, Galizier —,— ℳ, leichte Ungarn —,— ℳ bei 20 % Tara, Bakonyer — ℳ bei — 2. Tara pro Stück. — Kälher. Auftrieb 1740 Stück. (Durchschnittspreis für 1 Kg) I. Qualität 1,18 — 1,24 ℳ, II. Qualität 1,10 — 1,16 ℳ, III. Qualität 0,96 — 1,08 ℳ — Schafe. Auftrieb 15 894 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Oualität 0,94 — 1,06 ℳ, II. Qualität 0,90 — 0,92 ℳ, III. Qualität —,— ℳ
— Vereinigte Königs⸗ u. Laurahütte. In der am .d. M. unter Vorsitz des Geheimen Kommerzien⸗Raths Heinr. Heimann abgehaltenen Sitzung des Aufsichtsraths berichtete die Direktion über die Resultate des III. Quartals des laufenden Ge⸗ schäftsjahrs (Januar — März cr.) und der drei abgelaufenen Quartale desselben. Der Betriebsgewinn der Werke stellte sich im III. Quartal abzüglich der regelmäßigen laufenden Ausgaben der Zentralverwaltung und inkl. Verzinsung der Obligationen auf 786 761 ℳ, also um 116 240 ℳ höher als im Vorjahre, und bezifferte sich in den drei ab⸗ elaufenen Quartalen auf 2 579 828 ℳ, um 172 192 ℳ öher als im Vorjahre. Hierbei sind jedoch nicht be⸗ rücksichtigt die Kosten, welche durch die Ausgabe der neuen Obligationen entstanden sind und über deren Deckung bei Jahresschluß noch zu bestimmen sein wird. Die Resultate der Hütten im III. Quartal waren ungünstige. Die Grundpreiserlöse für die syndizierten Eisensorten gingen auf weniger als 87 ℳ zurück, die Gesammt⸗Nettoverwerthung für unser schlesisches Eisen betrug 2,2 ℳ pro Tonne weniger als im III. Quartal des Vorjahres, in Rußland war dieselbe um 30,9 Kop. pro Pud gegen das Vorjahr niedriger. Auch die Menge des Absatzes unserer Walzwaaren ging zurück. Die Ergebnisse unserer neuangelegten Verfeinerungsanstalten und mechanischen Werkstätten stellten sich günstiger; dieselben hatten bessere Beschäftigung und größere Einnahmen, be⸗ fonders aber waren es die Steinkohlengruben, welche im III. Quartal wegen ihres, infolge großer Winterkälte, ge⸗ steigerten Absatzes und Verwerthung von Beständen ein günstigeres Resultat zu Wege brachten. Der Beschäftigungsgrad der Werke stellt sich am Schluß des Quartals auf ca. 30 000 t Walzwaaren, also erheblich niedriger als im Vorjahre. Im Laufe der ersten Monate des IV. Quartals haben sich jedoch die Aufträge wieder vermehrt, sodaß die Werke z. Zt. mit Aufträgen ausreichend versehen sind, leider immer noch zu fehr ungünstigen Preisen. Das Kohlengeschäft hat im laufenden Quartal, der Jahreszeit entsprechend, nachgelassen. Schließlich genehmigte der Aufsichtsrath die von der Direktion vorgeschlagenen Aufwendungen für Bauten für das Geschäftsjahr 1895/96.
— Der Chef der im Jahre 1855 von ihm unter der Firma Großberger u. Kurz, jetzt H. C. Kurz, begründeten Bleistiftfabrik Hermann Christian Kurz, wird am 30. d. M. seinen 70. Ge⸗ urtstag begehen.
— Vom rheinisch⸗westfälischen Eisen⸗ und Stahl⸗ markt berichtet die „Rhein.⸗Westf. Ztg.” Die Besserung der Fertig⸗ erzeugnisse, welche sich schon in unserem letzten Berichte über den rheinisch⸗westfälischen Eisenmarkt feststellen ließ, hat in der ver⸗ gangenen Woche angehalten, und einige Aussichten sprechen wohl dafür, daß damit der Markt endgültig in bessere Bahnen einrückt. In ein⸗ heimischen Eisenerzen ist der Absatz im wesentlichen derselbe ge⸗ blieben, da der Roheisenmarkt noch wenig von der allgemeinen Besserung Nutzen gezogen hat. Ausländische Erze waren in letzter Zeit etwas besser gefragt. Luxemburg⸗Lothringer Minette ist in Preis und Absatz unverändert, und auch spanische Erze blieben auf ihren früheren Sätzen. Auf dem Roheisenmarkt hat sich vereinzelt eine Steige⸗ rung der Nachfrage bemerkbar gemacht; im Ganzen und Großen jedoch erfreut sich das Roheisengeschäft noch keiner so eingehenden Berücksichtigung wie der Fertigeisenmarkt. Im Siegerlande ist der Absatz lebhafter, da einige größere Werke ihren Bedarf schon für das dritte Jahresviertel gedeckt haben. Die Preise sind infolgedessen fest. Auf dem Fertigeisenmarkt ist das Geschäft ziemlich lebhaft; die Stabeisenwerke sind mit Aufträgen gut versehen, und der Betrieb ist daher regelmäßiger und umfangreicher geworden. Man macht deshalb jetzt auch Versuche, die Preise, welche noch durchaus in keinem Verhältniß zu den Rohstoffen stehen, etwas höher zu halten. Peetsgegla werden durchaus nicht gewährt, und die schon im letzten Bericht erwähnten Haussezirkulare haben sich vermehrt. In Trägern herrscht lebhafter Absatz, doch sind die Preise nach wie vor wenig er⸗ freulich; die Zuvielerzeugung steht namentlich einer Aufwärtsbewegung dieses Artikels stark im Wege. Bandeisen geht flotter; Preis⸗ aufschläge sind jedoch nicht zu erzielen. In Grobblechen ist die Nachfrage besser geworden; die Preise werden allerdings fester behauptet, doch sträuben sich die Käufer noch immer energisch egen eine Er⸗ höhung. Anhaltend lebhaft ist das Feinblechgeschäft. Die Auf⸗ träge laufen im Rheinlande, sowie auch im Siegerlande lebhafter ein, und vereinzelt ist es den Werken auch gelungen, höhere Preise zu er⸗