erklärt sind. Nun werden aber alle bestehenden Befreiungen durch dieses Gesetz aufrecht erhalten. Ich halte also die ganze Bestimmung nicht für nothwendig, aber zu manchen Unklarheiten führend und in der Fassung nicht geeignet. Ich möchte daher Herrn Mies bitten, wenigstens an dieser Stelle auf den Antrag zu verzichten.
Abg. Mies: Katasterauszüge seien nothwendig bei Kredit⸗ ewährungen, bei Käufen, Verkäufen, Erbschaftstheilungen u. s. w. s sei in dem Gesetz nicht klar ausgedrückt, daß hierfür Stempel⸗
freiheit gewährt werden solle. Wenn der Minister erkläre, Kataster⸗ auszüge, die bisher steuerfrei waren, bleiben steuerfrei, so bleibe es für einzelne Fälle, wie das bisher in der That schon der Fall war, zweifelhaft, ob Steuer erhoben werden solle oder nicht.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Wenn ich den Herrn Vorredner richtig verstanden habe, so sagte er: Die Frage, ob die Auszüge und Bescheinigungen aus den Kataster⸗ akten zu Gunsten Dritter stempelfrei sind, ist eine kontroverse. Früher ist sie nicht kontrovers gewesen. In der Praxis sind alle diese Urkunden stempelfrei gewesen; neuerdings ist aber die Sache streitig geworden und liegt jetzt zur Entscheidung beim Finanz⸗Minister.
Dies ist richtig, ich glaube allerdings, obwohl die Sache noch nicht entschieden ist, wird nach der bisherigen Praxis die Stempel⸗ freiheit der Ausführungen, der Auszüge und der Bescheinigungen wohl anerkannt werden. Wenn der Herr Vorredner das Bedürfniß fühlt, unter diesen Umständen gerade diesen Punkt zu entscheiden, so kann er das aber nicht in der Tarisposition „Auszüge“ thun, sondern dann muß die Sache als besondere allgemeine Bestimmung in das Gesetz aufgenommen werden; hier sprechen wir bloß von Auszügen. Dann würde die Sache hierher nicht passen, sondern in das Gesetz.
Ich kann nur meine Geneigtheit, den materiellen Wünschen des Herrn Vorredners zu entsprechen, ausdrücken, möchte ihm aber noch⸗ mals anheimgeben, vielleicht mit meinem Herrn Kommissarius die richtige Fassung und Stelle für die dritte Lesung zu verabreden, damit durch diese rein formelle Frage nicht das Ganze scheitert. Materiell ist kein großes Bedürfniß vorhanden, weil, wenn auch mal ein einzelner Stempelfiskal eine solche Meinung ausspricht, damit die Stempelpflichtigkeit noch nicht vorliegt, da eine Entscheidung vom Finanz⸗Minister noch nicht getroffen ist.
Abg. Mies zog seinen Antrag zurück, indem er sich für die dritte Lesung eine neue Formulierung vorbehielt.
Die Position 11 wurde mit einer vom Abg. Schmidt⸗ Warburg vorgeschlagenen redaktionellen Aenderung angenommen.
Die Tarifstelle 22 enthält die Steuersätze für Er⸗ laubnißertheilungen (Approbationen, Konzessionen u. s. w.) in gewerbepolizeilichen Angelegenheiten.
Zu Litt. aà (Konzessionen für Ap otheken) beantragte
Abg. Noelle (nl.) den Zusatz, daß die bereits in Tarifstelle 2. angenommenen Bestimmungen über Ermäßigungen und Befreiungen bei Kauf⸗ und Tauschverträgen hier sinngemäße Anwendung finden sellenee Jansen (Zentr.) beantragte, hinzuzufügen: 1
„Befreit sind die vererblichen und veräußerlichen Konzessionen für diejenigen, welche dieselben erbschaftssteuerfrei ererbt haben.“
Beide Anträge wurden ohne Debatte angenommen.
Nach Tarifstelle 22 c soll für Erlaubnißertheilungen für Unternehmer von Privat⸗Kranken⸗, Entbindungs⸗ und
rrenanstalten, oder zum Betriebe des Gewerbes als
chauspielunternehmer oder zum ständigen Betriebe der Gastwirthschaft oder des Kleinhandels mit Brannt⸗ wein, oder endlich zur gewerbsmäßigen öffentlichen Veran⸗ staltung von Lunbarkeiten, Schaustellungen u. s. w., sowie zur Ueberlassung von Räumen zu diesem Zwecke, eine Satz sich nach der Zugehörig⸗
Steuer erhoben werden, deren . Zugeh keit des Gewerbebetriebes zu den Gewerbesteuerklassen richtet.
Nach der Vorlage ist dieser Satz auf 3 bezw. 15, 25, 40 oder 60 ℳ, nach dem Kommissionsantrage auf 1,50 bezw. 5, 15,
50 oder 100 ℳ festgesetzt. Es lag ein Antrag des Abg. Richter (fr. Volksp.) vor, wonach für den Betrieb des Gewerbes als Schauspiel⸗ unternehmer einheitlich der Tarifsatz auf 20 ℳ zu nor⸗ mieren, ferner die Erlaubniß für den ständigen Betrieb von Gastwirthschaften u. s. w. und für die gewerbsmäßige Veranstaltung von Schaustellungen u. s. w. ganz von der staatlichen Besteuerung zu befreien sowie die oben erwähnten Tarifsätze von 50 und bezw. 100 ℳ auf 30 bezw. 50 ℳ zu ermäßigen sind. 1 1 1 Abg. Richter: Ich bin der Ansicht, daß die Stempelsteuer der⸗ jenigen Behörde zufließen muß, von welcher die Erlaubnißertheilung ausgeht, da sie als Entschädigung für diese Ertheilung edacht ist. Nun hat freilich der Herr Minister erklärt, daß alle diese ( rlaubniß⸗ ertheilungen mittelbar vom Staat erfolgen. Ich kann diesen formalen Standpunkt nicht theilen. Es scheint mir naturgemäß, daß, wenn die Erlaubnißertheilung einer örtlichen Behörde überwiesen wird, die Steuer dieser zu gute kommen muß. Dem entspricht die Befreiung der Konzession für Gastwirthschaften und für Schaustellungen von der staatlichen Stempelsteuer. In dem Kommunalsteuergesetz ist mit der Anwendung dieses Prinzips der Anfang gemacht worden, aber die Regelung ist nicht überall durchgeführt. Die Kommission hat sich in einem Punkt, nämlich bezüglich der Ertheilung von Jagdscheinen, auf meinen Standpunkt gestellt, indem der Ertrag dafür den Kommunal⸗ kassen verbleibt. Wenn das bei den Jagdscheinen anerkannt wird, die doch nicht nur für den örtlichen Bezirk, sondern für den ganzen Staat Geltung haben, wie viel eher bei der Erlaubniß zum Gastwirthschaftsbetrieb und zur Veranstaltung von Schaustellungen, die doch eine ganz lokale Bedeutung besitzt! Die finanzielle Tragweite dieser beiden Tarifstellen kommt wenig in Betracht, denn die beiden Punkte, deren Streichung ich beantrage, würden nach der Berechnung des Herrn Ministers dem Staat höchstens 30 000 ℳ eintragen. Eine äußerst lästige Folge der Auf⸗ nahme dieser beiden Punkte in das Stempelsteuergesetz wäre der unverhältnißmäßig große Umfang, den die staatliche Kontrole erreichen müßte, da die örtlichen Polizeiorgane kein Interesse an der höheren Besteuerung der örtlichen Einwohner haben Zugleich würde sich auch das Stempelsteuergesetz mit dem Kommunal⸗ abgabengesetz in Widerspruch setzen, nach welchem die Gemeinden berechtigt sind, die Lustbarkeiten zu eigenem Nutzen zu besteuern. Jetzt würde die Gebühr dafür mehrfach ehssber werden können. Was nun die Besteuerung der Genehmigung für Heilanstalten betrifft, so soll sie auch nach Maßgabe der Gewerbesteuerklassen, zu denen das Ge⸗ werbe gehört, erfolgen. Nun aber sind Aerzte u. s. w. überhaupt nicht steuerpflichtig — sollte das nicht der Fall sein, sollte ich mich irren, so würde ich diesen Punkt meines Antrags zurückziehen. Aus vielfachen Gründen bin ich der Ansicht, daß dieser Gegenstand besonders geregelt werden sollte.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: MMiene Herren! Der Herr Abg. Richter erkennt ja grundsätzlich die Erhebung von Gebühren für solche Erlaubnißertheilungen an — darauf habe ich also nicht weiter einzugehen. Ich habe auch in der Generaldebatte eine Bestreitung dieser Gebühren an sich, die ja⸗ in vollem Maße in dem Kapitel „Beiträge und Gebühren“ des Kom⸗
munalabgabengesetzes als richtig anerkannt ist, von keiner Seite gehört. Nun meint der Herr Abg. Richter, einige von diesen Gebühren gebührten den— Gemeinden und nicht dem Staate. Meine Herren, wir haben die Frage, wie weit den Gemeinden das Recht, für Verwaltungsakte Gebühren zu erheben, zu ertheilen sei, so ausführlich und eingehend bei dem Kommunalabgabengesetze behandelt, daß es mir wirklich über⸗ flüssig erscheint, da dem Haufe das noch in lebhafter Erinnerung sein wird, darauf noch weiter einzugehen. Dieses Gesetz hat sich sorgfältig gehütet, obwohl die „Freisinnige Zeitung“ das Gegentheil von vornherein mit Bestimmtheit behauptete, in das Gebührengebiet der Gemeinden einzugreifen, in dasjenige Gebührengebiet, das den Gemeinden offen gelassen ist durch das Kommuͤnalabgabengesetz. Wir haben deswegen beispielsweise Stempel für die Ertheilung von Bauerlaubnissen irgend welcher Art hier gar nicht vorgeschlagen, weil die ge⸗ sammten. Gebühren für die Handhabung der Baupolizei den Kommunalverbänden in dem Kommunalabgabengesetz überlassen sind. Wir haben es bei dem winzigen und minimalen bisber bestehenden Lustbarkeitsstempel belassen, weil den Gemeinden das Recht eingeräumt ist, besondere Lustbarkeitssteuern zu erheben. Aber wenn Sie jetzt die Konzession — darauf zielt die Einwendung ja wohl — für Gastwirthschaften und gewerbsmäßige öffentliche Veranstaltungen von Singspielen u. s. w. freilassen und den Stempel dafür nach dem Antrag Richter streichen, so bekommen die Kreise, Städte und Gemeinden dadurch keinerlei Recht, um ihrer⸗ seits Gebühren zu erheben. Dann privilegieren Sie gerade diese Art von Einrichtungen, die zu privilegieren das Haus gewiß keine besondere Neigung hat. (Sehr richtig! rechts.)
Der Herr Abg. Richter verweist darauf, man könne das ja später in einem anderen Gesetz regeln. Wenn wir hier nun diese Materie nun einmal gesetzgeberisch behandeln, wird es gerathener sein, die ganze Frage hier zu regeln. Und wenn nachher aus der Initiative des Hauses ein Antrag an die Staatsregierung ergehen sollte, noch weiter die Frage der Erhebung von Gebühren für Verwaltungsakte der Gemeinde zu regeln, dann kann man ja auf die Sache zurückkommen. Vorläufig ist jedenfalls kein Grund da, die Gastwirthe, Lustbarkeiten, Singspiele und Tingeltangel u. s. w. freizulassen.
Meine Herren, nun ist aber auch zu berücksichtigen, daß nicht überall die Gemeinden, soweit sie handeln, auch die Gebühr allein bekommen. Sehen Sie sich das ganze Gebiet unserer Verwaltung durch, so werden Sie finden, daß die Gemeinden nach unserer gesammten staatlichen Konstitution sehr viele Handlungen und Arbeiten für den Staat ver⸗ mitteln, ohne daß sie dafür besondere Entschädigungen erhalten. Anders ist das Verhältniß der Gemeinde zum Staat garnicht auf⸗ zufassen — wie sollte sonst wohl der Staat dazu gekommen sein, den Gemeinden über 100 Millionen Mark Steuerquellen zu überweisen —, so ist das Verhältniß doch wohl nicht aufzufassen, daß beide ganz getrennte Körper sind. Die Gemeinden handeln im vorliegenden Falle kraft Mandats des Staats in Ausübung eines Hoheitsrechts als Polizeibehörden; sie sind hier nicht Verwalter ihres fiskalischen Vermögens, sie sind hier De⸗ legirte des Staats, die Staatshoheitsrechte ausüben, nicht freiwillig, sondern, wie ich zugebe, auf Grund der staatlichen Zwangsgesetze.
Nun kommt aber weiter hinzu: in allen diesen Fällen geht die Berufung an die Staatsbehörden; wie wollen Sie nun da unter⸗ scheiden beispielsweise bei Gastwirthskonzessionen! Die meisten einzelnen Gemeinden haben das Recht der Konzessionierung hier garnicht. Da, wo die Ortspolizei den einzelnen Gemeinden nicht zusteht, ertheilt überhaupt von vornherein der Kreisausschuß die Konzession. In den Städten werden die Konzessionen von den Stadt⸗ ausschüssen ertheilt, gehen aber in der Berufungsinstanz an die Be⸗ zirksausschüsse, und das Schwergewicht der Verhandlungen in Streit⸗ fällen, die Kosten verursachen, namentlich auch für den Staat, liegt gerade im Bezirksausschuß.
Diese Fragen sind in der Kommission so ausführlich behandelt, daß ich dringend bitte, nun hier diese Grundsätze nicht wieder umzu⸗ werfen, und ersuche, die Anträge des Herrn Abg. Richter abzulehnen.
Meine Herren, der Herr Abg. Richter irrt sich auch, wenn er meint, es bliebe dann der Stempel von 1,50 ℳ Man werde sich hüten, in einem solchen Falle eine doppelte Urkunde herzustellen. Auch der Stempel von 1,50 ℳ, der jetzt eine andere Beschaffenheit hat bei Ausfertigungen wie früher, würde auch dann nicht mehr erhoben werden können. Nun meint der Herr Abgeordnete, es sei ihm doch sehr zweifelhaft, ob hier die Bestimmung nach Maßgabe der Be⸗ schlüsse der Kommission, daß bei Bemessung des Stempels die Ge⸗ werbesteuer zu Grunde gelegt werden könne, passe; denn eine Reihe von diesen hier fraglichen Erlaubnißertheilungen bezöge sich auf solche Institute garnicht, die der Gewerbesteuer unterworfen seien, oder vielmehr auf solche Institute, welche der Gewerbesteuer nicht unterworfen seien. Das trifft nicht zu; in allen diesen Fällen wird Gewerbesteuer gezahlt; alle diese Institute werden in die Gewerbe⸗ steuer eingeschätzt, entweder als frei oder in eine der vier Klassen. Auch die Behauptung, die der Herr Abg. Richter aufgestellt hat, daß hier gewissermaßen eine dreifache Besteuerung stattfinde, daß hier eine selbst⸗ ständige Veranlagung des betreffenden Gewerbetreibenden für Ausübung derjenigen gewerblichen Thätigkeit, welche auf der Erlaubniß beruht — so habe ich ihn, glaube ich, recht verstanden — erhoben werden könne, die ist nicht zutreffend. Wir kennen überhaupt nur eine Gewerbe⸗ steuer. Der Gastwirth bezahlt Betriebssteuer, sie ist in diesem Sinn aber keine Gewerbesteuer. Er wird zu einer bestimmten Gewerbesteuer eingeschätzt, und bei der Einschätzung liegt das Anlagekapital und der Ertrag zu Grunde. Wenn er nun seinen Ertrag nebenbei auch einnimmt aus der Haltung von Musikspiel u. dergl., so wird dies natürlich bei der Gesammtheit der Steuer mitberechnet; aber eine besondere Einschätzung für diese Art der Gewerbethätigkeit findet nicht statt.
Meine Herren, welche Vorzüge die Wirthe haben, welche beispiels⸗ weise in ihren Lokalen Musik machen dürfen, gegenüber denjenigen Wirthen, welchen das nicht gestattet ist, brauche ich nicht weiter auseinander zu
setzen, und ich würde es für die größte Unbilligkeit halten, wenn hier ein Fixstempel von 20 ℳ oder ein anderer Fixstempel genommen würde, wenn die kleinsten Wirthe auf dem Lande bezahlen sollen wie ein großer Bierpalast oder ein Wirth, der derartige Tingeltangel, Sing⸗ spiele und Musikaufführungen aller Art hat. Ich glaube, die Kom⸗ mission hat in dieser Beziehung durchaus das Richtige ge⸗ troffen. Die Handhabung wird auch garnicht zu solchen Schwierigkeiten führen, wie Herr Richter glaubt; denn die Behörde, die den Stempel kassiert, hat nur einfach nachzuschlagen, in welcher Klasse der Gewerbesteuer die betreffende Anstalt liegt. Ist sie noch
die Einschätzung erfolgt ist. Eine Schwierigkeit kann dadurch nicht erwachsen, noch weniger ein übermäßiges Eindringen in die Akten der betreffenden Gemeindebehörden.
Ich möchte daher bitten, die sämmtlichen Anträge abzulehnen und bei den Bestimmungen der Kommission stehen zu bleiben.
Wenn Sie sich die einzelnen Sätze ansehen, so können Sie nicht sagen, daß eine einmalige Zahlung für solche Kon⸗ zessionen, die häufig thatsächlich eine sehr wesentliche Ver⸗ mögenszuwendung enthalten, irgendwie drückend seien. Sie können ja möglicherweise einen anderen Tarif erfinden; das weiß man ja, daß man die Zahlen leicht umstellen kann. Ich glaube, das Haus würde aber doch in die größte Verwirrung kommen, wenn an diesem nun nach langen Berathungen in der Kommission aufgestellten, nach meiner Meinung durchaus zweckmäßigen Tarif wieder etwas geändert wird. Ich würde bitten, alle Anträge abzulehnen und gerade im vor⸗ liegenden Falle es bei der Bestimmung der Kommission zu belassen. Glauben Sie nicht, meine Herren, daß die Gebühr ohne die Rück⸗ sicht auf die Größe der Anlage eine gleiche sein müßte! Beispielsweise bei einer Irrenanstalt — bei einer kleinen Privatirrenanstalt, wo drei, vier Zimmer nur in Frage stehen, die ein Arzt für sich privatim halten will, ist die Arbeit und die Thätigkeit der Behörden eine viel geringere. Handelt es sich dagegen um eine große Irrenanstalt mit Hunderten von Irren, so muß die Beschaffenheit der Gebäude, die Entwässerung, die Lüftung u. s. w. in ganz anderer Weise geprüft werden. Dadurch entstehen viel größere Kosten, als wenn es sich um kleinere Anstalten handelt. Es würde daher in diesem Falle durchaus unberechtigt sein, einen einfachen Fixstempel zu erheben, sondern die Grundlage der Tarifierung nach Maßgabe der Einschätzung zur Gewerbesteuer ist hier durchaus gerechtfertigt.
Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. k.): Wir stehen auf dem Stand⸗ punkte der Kommissionsbeschlüsse. Was die Jagdscheingebühren an⸗ lengt, s0 wollten wir die Einnahmen, die den Kreisen zustehen, nicht
mälern.
Abg. Richter: Wenn es richtig ist, daß Krankenhäuser und Irrenanstalten Gewerbesteuer bezahlen, dann würde mein erster An⸗ trag hinfällig sein. Der Herr Minister hat das nicht ausdrücklich ausgesprochen, sondern nur bei meiner ersten Rede pantomimisch an⸗ gedeutet. Ich finde es ungerecht, daß z. B. ein Kolonial⸗ waarenhändler, der, weil er seinem Gewerbebetriebe eine kleinee Ausdehnung geben will, um die Konzession für den Handel mit denaturiertem Spiritus einkommt, die volle Gebühr bezahlen soll, die sich nach der Größe seines Gesammt⸗ gewerbebetriebes bemißt; oder daß von einem Wirth, der ausnahms⸗ weise aus besonderem Anlaß eine Lustbarkeit veranstaltet, die Gebühr ebenfalls nach seinem Gesammtgewerbebetriebe eingezogen werden soll.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Ich habe mir nur das Wort erbeten, um dem Herrn Abg. Richter auf die Frage bezüglich des Verkaufs von denaturiertem Spiritus zu antworten.
Der Verkauf von denaturiertem Spiritus fällt nicht unter eine besondere Steuer, sondern unter den allgemeinen Begriff der Gewerbe⸗ steuer. Hat einer ein großes Geschäft in denaturiertem Spiritus, so wird er in eine höhere Klasse der Gewerbesteuer eingeschätzt, genau wie der, der ein größeres Geschäft in Kaffee hat. Aber eine besondere Steuer zahlt er nicht.
Ich bin persönlich der Meinung, und ich habe schon, ehe der Reichstag in dieser Beziehung Beschlüsse gefaßt hat, dahin gewirkt, daß der Verkauf des denaturierten Spiritus einer besonderen Konzession garnicht bedürfe.
Aber sei dem, wie ihm wolle: heitliche Gewerbesteuer.
Meine Herren, mit den Jagdscheinen lag die Sache doch ganz anders; da waren bereits früher die Jagdscheingebühren den Kreisen überwiesen, ehe überhaupt von einer staatlichen Gebühr irgendwie die Rede war. Jetzt machten wir den Versuch, nicht die Jagdscheingebühr den Kreisen zu entreißen, sondern daneben mit Rücksicht auf die all⸗ gemeine landespolizeiliche Thätigkeit auch einen Stempel auf die Jagd⸗ scheine festzusetzen. Daß das nun wegfiel gegenüber dem jetzt vor⸗ liegenden besonderen Gesetz, das liegt doch in der Natur der Sache.
Die Anträge des Abg. Richter wurden abgelehnt.
Die Bestimmung des Litt. c, daß für Eöö und Fristungen ein Viertel der für die rlaubnißertheilung bestimmten Sätze zu zahlen ist, erhielt auf Antrag des Abg. Krause⸗Waldenburg den Zusatz, daß der Stempel nicht unter 50 ₰ betragen soll.
Versicherungsanstalten (Litt. g), welche auf Gegen⸗ seitigkeit gegründet und deren Zwecke nicht auf die Er⸗ zielung von Gewinn gerichtet sind, sollen nach den Kommissions⸗ vorschlägen stempelfrei bleiben. “
Ein Antrag des Abg. Richter, sie in gleicher Weise wie die anderen Versicherungsanstalten zu den Stempelgebühren heranzuziehen, wurde abgelehnt.
Die Stempelgebühren für Genehmigungen zum Gewerbe⸗ betriebe der Auswanderungs⸗Unternehmer und Aus⸗ wanderungs⸗Agenten (Litt. i.) sind von der Kommission auf 100 ℳ, für Genehmigungen auf die Dauer eines Jahres, sowie Verlängerungen dieser Genehmigungen auf 25 ℳ, für Erlaubnißertheilungen für ausländische Auswanderungs⸗ unternehmer zur Bestellung von Agenten im Inlande (Litt. k) auf 300 ℳ festgesetzt.
Abg. Richter beantragte, den Tarif auf bezw. 30, 5 und 30 ℳ zu normieren. “ 8
Abg. Richter (frs. Volksp.): Für Ausländer ist in diesen Posi⸗ tionen eine besonders hohe Gebühr festgesetzt worden. Nach einer Erklärung in der Kommission sind unter Ausländern Nicht⸗Preußen zu verstehen. Das widerstreitet der Reichsverfassung, schon deshalb ist die Annahme meines Antrags angebracht.
6 8 Finanz⸗Minister Dr. Miquel: Mieine Herren! Ich muß zugeben, was der Herr Abg. Richter sagt, daß unter ausländischen“ nicht verstanden sein sollten außer⸗ preußische, sondern außerdeutsche Auswanderungsagenten; sonst würde es allerdings schwerlich mit der Reichsverfassung im Einklang stehen. Außerdem habe ich gar kein Interesse, Agenten aus einem andern deutschen Lande anders zu behandeln als Agenten aus Preußen. Wenn dagegen etwa Brafilianer hier solche Geschäfte betreiben wollen, über die wir eine viel geringere Kontrole haben, bei denen wir viel schwieriger Kontraventionen fassen können, dann allerdings kann ein Interesse bestehen, eine der⸗ artige Konzession höher zu tarifieren, um die Leitung der Auswanderungs⸗ geschäfte durch solche ausländische Agenten möglichst einzuschränken.
Abg. Richter: Die Erklärungen des Regierungsvertreters in der
wir kennen immer nur eine ein⸗
nicht eingeschätzt, so wird der Stempel erst erhoben, wenn nachher
Kommission waren den beutigen Erklärungen des Herrn Finank, Ministers gerade entgegengesetzt. Ein aus scher Unterneh
ja auch seine Thätigkeit nicht ohne Genehmigung der Regierung be⸗ ginnen, und ich sehe nicht ein, weshalb eine Antwerpener Aus⸗ wanderungsgesellschaft nicht ebenso solide sein soll wie eine Bremer.
Abg. Krause (nl.) beantragte, statt „ausländisch“ zu sagen „außerdeutschy. Der Abg. Richter habe vorhin einen Antrag gestellt, ohne zu wissen, daß die Krankenanstalten der Gewerbesteuer unterliegen. Er sei also am wenigsten berechtigt, die Gründlichkeit der Arbeiten der Kommission in Zweifel zu ziehen. Wer in einem Glashause sitze, dürfe nicht mit Steinen werfen.
Die Positionen wurden mit der vom Abg. Krause beantragten Aenderung angenommen.
Die Genehmigungen zum Betrieb eines Eisenbahn⸗ unternehmens (Litt. b) unterliegen nach den Beschlüssen der Kommission einem Stempel von 100 ℳ; die Genehmi⸗ gungen zum Betrieb eines Dampfschiffahrts⸗, Klein⸗ oder Pferde⸗Eisenbahnunternehmens, wenn der Gewerbebetrieb wegen geringen Ertrags und Kapitals von der Gewerbesteuer frei ist, zahlen 3 ℳ, wenn der Betrieb in die vierte Gewerbesteuerklasse gehört 10 ℳ, in der dritten Gewerbe⸗ steuerklasse 25 ℳ, in der zweiten 60 ℳ, in der ersten 100 ℳ Genehmigungen zu Veränderungen zahlen die Hälfte der vor⸗ stehenden Sätze; Bewilligungen von Fristverlängerungen und Fristungen ein Viertel der vorstehenden Sätze.
Abg. Richter beantragte, die Dampfschiffahrts⸗ unternehmungen zu streichen, statt des nach den vier Gewerbesteuerklassen abgestuften Tarifs zu setzen: bei einer Länge bis zu 5 km 10 ℳ, bis 20 km 25 ℳ, bis 50 km 60 ℳ, bei einer größeren Kilometerlänge 100 ℳ Endlich
beantragte Abg. Richter für Genehmigungen zu Verände⸗ rungen einen Stempel von 10 ℳ
Abg. von Strombeck (Zentr.) beantragte, Stempel nur u erheben bei Genehmigungen zu ‚„wesentlichen“ Veränderungen n dem Betriebe, sowie hinzuzufügen: „Die Bewilligung von Fristverlängerungen und Fristungen, welche durch Natur⸗ ereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verursacht sind, st stempelfrei“.
Abg. Richter: In der Kommission ist festgestellt worden, daß es zu Dampfschiffs⸗Unternehmungen überhaupt keiner Konzession be⸗ darf. Trotzdem ist ein Antrag, die Genehmigung zum Betriebe der Dampfschiffahrt freizulassen, von der Kommifffon abgelehnt worden. Auch das ist ein Zeichen dafür, daß die Kommission nicht gerade ründlich gearbeitet hat.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: 8
Ich glaube nicht, daß das Haus nervös wird, wenn die Anträge es Abg. Richter ebenso viel Erfolg haben wie bisher. (Heiterkeit.) Es liegt eigentlich keine Veranlassung vor, aber ich möchte doch die Kommission gegen die gemachten Vorwürfe einigermaßen vertheidigen.
Gewiß, nach der Gewerbeordnung ist eine Konzession nicht erforderlich für Dampfschiffe. Wohl aber werden bestimmte Genehmigungen, Erlaubnißertheilungen gegeben aus mehreren Gründen: einestheils für bestimmte Ströme, anderntheils überhaupt, um die Sicher⸗ heit der Dampfschiffe, namentlich solcher, welche Personenverkehr betreiben, zu garantieren durch eine vorhergegangene genaue Prüfung der Einrichtungen und der Tragkraft der Dampfschiffe. Da ist es nach den eigenen Gesichtspunkten, die der Abg. Richter uns entwickelt hat, vollständig berechtigt, für eine solche dem Staat Kosten Mühe und Arbeit verursachende Prüfung und Kontrole einen Stempel
u erheben. Abg. Richter: Die Prüfung bezieht sich nur auf die einzelnen Fchiffe eine Dampfschiffahrts⸗Unternehmung an sich bedarf keiner
onzession.
Abg. von Strombeck (Zentr.): Ich möchte im Interesse der Billigkeit jenen Stempel nur erhoben sehen bei wesentlichen Aende⸗ ungen im Betriebe.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Den letzten Antrag des Herrn von Strombeck möchte ich bitten anzunehmen, er entspricht meinen Erfahrungen nach auch der jetzigen Praxis. Seinen anderen Antrag halte ich, soweit Kleinbahnen in Frage ommen, für unnöthig, da im Gesetz über die Kleinbahnen schon Bestimmungen hierüber getroffen sind. Es bezieht sich der Passus ber auch auf Eisenbahnen und Dampfschiffahrts⸗Unternehmungen. Es ist nicht möglich, hier der Stempelbehörde die Entscheidung dar⸗ ber in die Hand zu geben, welche Aenderungen als wesentliche zu betrachten sind. Die Anträge des Abg. Richter beruhen auf einem rechtlichen Irrthum. Für Dampfschiffahrts⸗Unterneh⸗ mungen sind strompolizeiliche und landespolizeiliche Genehmigungen erforderlich. Ich glaube, er entbehrt, wie sich heute schon öfter er⸗ wiesen hat, derjenigen sachlichen Kenntnisse, welche man von einem Antragsteller erwarten müßte. Die Annahme des anderen Antrags des Abg. Richter würde dahin führen, daß für die Genehmigung zum Bau der Siemens'schen Hochbahn ein niedrigerer Stempel zu zahlen wäre als für eine pommersche Kleinbahn. Ich bitte Sie, den zweiten ntrag des Herrn von Strombeck anzunehmen, den ersten ebenso ab⸗ ulehnen wie die Anträge des Herrn Richter.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Ich kann mich mit diesen Ausführungen im wesentlichen ein⸗ erstanden erklären, namentlich habe ich nichts dagegen, daß der An⸗ rag 2 des Herrn Abg. von Strombeck angenommen wird. Noth⸗ endig scheint er mir auch nicht zu sein; denn in solchen Fällen wird weifellos der Stempel erlassen werden; aber es mag ja besser sein, as in dem Gesetz selbst zu sagen.
Dagegen bin ich der Ansicht mit dem Herrn Vorredner, daß, enn wir zwar auch in unserer Gesetzgebung das Wort „wesentlich“
sehr oft gebrauchen und auch nicht entbehren können, wie ich Herrn von Strombeck zugebe, doch im vorliegenden Falle man es den Stempelbehörden nicht überlassen kann, zu beurtheilen, ob eine Ver⸗ änderung einer technischen Anlage wesentlich ist oder nicht. Ich glaube, in das Gesetz hinein kann man eine solche Vorschrift nicht stellen. Bei ganz kleinen Veränderungen werden ja überhaupt Ge⸗ nehmigungen nicht ertheilt werden; wo eine Genehmigung ertheilt wird, wird sie auch mehr oder weniger wesentlich sein. Ich glaube, dabei könnte sich Herr Abg. von Strombeck beruhigen.
Abg. Krause (nl.) sprach sich gegen die Anträge Richter und
von Strombeck aus. Die Anträge des Abg. Richter wurden abgelehnt, ebenso der Antrag von Strombeck, die Steuer nur von wesentlichen Betriebsänderungen zu erheben. Der zweite An⸗ trag von Strombeck wurde angenommen und mit dieser Aenderung die ganze Tarifnummer.
Die Nr. 24 des Tarifs verlangt bei Fideikommiß⸗ stiftungen eine Stempelsteuer von 3 Proz. des Gesammt⸗
werths der denselben gewidmeten Gegenstände ohne Abzug der Schulden. Der Abg. Graf zu E11 kons.) bean⸗ tragte, der Tarifnummer folgenden Absatz hinzuzufügen: „Der Stempelpflichtige ist berechtigt, zu verlangen, daß der
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Stempel unverzinslich gestundet und durch eine Zprozentige, 24
Jahre lang zahlbare Rente amortisiert wird.“ 2 Ein Antrag des Abg. Klasing (kons.) definierte den des Fideikommisses im Sinne des vorliegenden Gesetzes
dahin, daß als solches eine Bindung des Besitzes auf mindestens drei Generationen hinaus angesehen werden soll.
Abg. von Kröcher (kons.): Der wichtigere von den vorliegen⸗ den Anträgen ist unzweifelhaft derjenige des Abg. Grafen zu Limburg⸗ Stirum. Dieser Antrag verlangt nicht eine Herabsetzung des Stempels, sondern nur eine Erleichterung der Zahlung für den Steuerpflichtigen. Dem Fiskus entgehen zwar zum theil Zins und Zinseszins des Stempelbetrags, aber ich halte das für unwesentlich. Mir erscheint es als falsch, daß von seiten des Staats die Bildung von 11 erschwert wird. Jeden Stempel, der über den
harakter einer Vergütung für die vom Staate ausgeübte Mühewaltung bei der Fideikommißbildung hinausgeht, halte ich vom Uebel. Ein gebundener Besitz in einem gewissen Umfange ist gerade für Preußen von der größten Wichtigkeit. Ich traue auch den Gegnern des gebundenen Besitzes zu, daß sie die Dienste schätzen, welche von den Zieten, Bülow von Dennewitz und Bismarck dem Vaterland geleistet worden. Es ist ja möglich, daß sie der Ansicht sind, andere Männer hätten die Aufgaben, welche drei Träger dieser Namen ausgeführt haben, ebensogut oder besser vollbracht; aber was diese Männer gethan, werden sie doch anerkennen. Meist ist es aber sehr zweifelhaft, ob wir diese Männer in der preußischen Geschichte gehabt haben würden, wenn ihre Familien nicht durch Fideikommisse vor dem Niedergang bewahrt worden wären, dem so manche alt⸗ adeligen Familien anheimgefallen sind. Ich trete nicht für die großen Latifundien ein. Viel wichtiger erscheint mir die Bildung von mittleren Fideikommissen. Für den Fiskus handelt es sich hier um eine “ geringe Summe; der ganze Ertrag aus den Fideikommiß⸗Stempelsteuern ist auf 400 000 ℳ geschätzt. Für den einzelnen Stempelsteuerpflichtigen fallen die betreffenden Summen wohl ins Gewicht. Ich habe von weitergebenden Anträgen abgesehen, da doch keine Aussicht besteht, daß dieselben zur Annahme gelangen. Ich glaube auch nicht, daß der Antrag des Grafen zu Limburg⸗ Stirum angenommen wird. Dann bleibt eben für das Herrenhaus noch etwas übrig zu tbun. Im Interesse der Fideikommißbildung empfehle ich Ihnen dringend die Aunahme des Antrags.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.); Namens meiner politischen Freunde kann ich erklären, daß wir eine Gebunden⸗ heit des Besitzes durch die Bildung von Fideikommissen in gewissem Umfange unter den jetzigen bEbbö Verhältnissen für einen Vortheil und in vielen Fällen für eine Wohlthat ansehen. Aber die Frage, in wie weit eine Vermehrung der Fideikommisse von Vor⸗ theil ist, wie weit sie nicht da, wo eine überwiegende Gebundenheit des Grundbesitzes die Möglichkeit der Ansässigmachung allzusehr erschwert, vielleicht sogar nachtheilig wird, diese Frage ist nicht so nebenher zu behandeln. Wenn man die Vortheile der Gebundenheit des ländlichen Grundbesitzes erreichen will, so wird man das nicht auf dem Wege der Stempelgesetzgebung versuchen dürfen, sondern durch eine planmäßige Behandlung der Materie, durch ein besonderes Gesetz. Man wird dort den Weg suchen müssen, die Fideikommisbildung da zu erleichtern und zu fördern, wo sie nützlich ist. Ich halte die Vor⸗ aussetzungen des Antrags des Grafen Limburg⸗Stirum für richtig, halte es aber für zweckmäßiger, diese Frage in einem möglichst bald zu erwartenden Fideikommißgesetze so zu erledigen, wie es im Interesse des Landes und der Landwirthschaft erforderlichsiit.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: ö
Ich möchte auch, meine verehrten Herren, das Haus bitten, w es sich um einen bestehenden Stempel handelt, die große Frage, ob wirthschaftlich, sozial⸗ oder agrarpolitisch und in welcher Art und in welcher Ausdehnung die Fideikommisse nützlich oder berechtigt sind, hier nicht zu diskutieren. Herr Freiherr von Zedlitz hat die Frage richtig behandelt. Man wird sich fragen müssen, sb es richtig ist, diese große Frage, die so verschiedene Meinungen hervorruft, bei dieser Gelegenheit an einem so kleinen Zipfel zu entscheiden, oder ob es richtig ist, die ganze Sache in organischem, materiellem Zusammenhang zu behandeln und dann auch die Frage des Stempels zu erledigen. Hier haben wir es mit einem westentlich fiskalischen Gesetz zu thun, und vom rein steuerlichen Standpunkt aus ist eine stärkere Besteuerung der Fideikommisse an sich durchaus berechtigt, als bei solchen Objekten, die im freien Verkehr bleiben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn durch einen solchen Akt, ich möchte sagen, für ewige Zeiten, soweit man in menschlichen Dingen von der Ewig⸗ keit sprechen kann, ein Objekt dem freien Verkehr entzogen wird, das für den Staat von erheblicher finanzieller Bedeutung ist gegenüber dem anderen Fall, wo das Grundstück dem freien Verkehr unterstellt bleibt, und nun bei Veränderungen im Besitz immer 1 % erhoben wird, während wir hier nur ein einziges Mal 3 % erheben, dann aber überhaupt weiter Prozente nicht mehr empfangen von diesem rein steuerlichen Standpunkt aus ist nach meiner Meinung der 3 % ige Stempel durchaus berechtigt und durchaus unanfechtbar. Ganz anders liegt die Sache, ob aus sozialpolitischen oder wirthschaft⸗ lichen Gründen der Staat Veranlassung hätte, unter den von ihm gestellten Bedingungen und Kautelen im Interesse der Erhaltung des Grundbesitzes in einer Familie nach den Gesichtspunkten, die wir bei den Rentengütern anzuwenden begonnen haben, und die ja durch eine Vorlage, die allerdings, fürchte ich, in dieser Session nicht mehr vor⸗ gelegt werden wird, aber doch im Ganzen fertig gestellt ist, wegen Ein⸗ führung des Anerbenrechts bei den Rentengütern weiter zur Geltung gebracht werden — ob man da, sage ich, aus Gründen des allgemeinen Staatsinteresses und der wirthschaftlichen und sozialen Entwicklung diese Festlegung von Grundbesitz mit dem Zweck, den Grundbesitz in einer Familie zu erhalten, besonders begünstigen will, wie wir in der Stempelgesetzgebung das vielfach gethan haben, nament⸗ lich auch bei den Bestimmungen über Auseinandersetzungen und auch bei der Rentengutsbildung. Diese Frage kann hier aber nicht ent⸗ schieden werden; darin hat der Herr Freiherr von Zedlitz Recht. Denn die materielle Frage, unter welchen Voraussetzungen der Staat eine solche Begünstigung eintreten lassen will oder kann, liegt uns hier gar nicht vor; im Gegentheil, auch Freunde dieser ganzen Rich⸗ tung müssen anerkennen, daß unser Fideikommißwesen, so wie es jetzt ist, reformbedürftig ist.
Meine Herren, ich will nur kurz erwähnen, daß ich persönlich wenigstens der Meinung bin, daß unsere altpreußische Fideikommiß⸗ gesetzgebung den jeweiligen Eigenthümer, in dem Bestreben, den Werth des Fideikommißguts zu erhalten, doch in seiner wirthschaftlichen Freiheit in Bezug auf die Benutzung des Grundstücks zu viel beschränkt und die englische Erfahrung lehrt, daß solche weitgehende, für die wirthschaftlich richtige Ausnutzung des Fideikommißobjekts schädliche Beschränkungen garnicht erforderlich sind, um den Hauptzweck zu erreichen. Ich würde z. B. eine Gesetz⸗ gebung, wie früher das Königreich Hannover sie hatte und wie sie in einzelnen Theilen der Provinz Hannover noch besteht, wo ein beson⸗ deres Rechtsverhältniß, Stammbuch genannt, vorhanden ist, für eine Verallgemeinerung auf die ganze Monarchie für geeigneter halten, als die altpreußischen Fideikommisse. Jedenfalls ist aber klar, daß die Bildung der Fideikommisse, welche heute lediglich nach rein juristischen Gesichtspunkten behandelt wird, auf die Dauer so nicht behandelt werden kann. Wir haben Gegenden, wo nach meiner Mei⸗
ahl der Fideikommisse und ihre Ausdehnung zu
groß ist; in anderen kann man vielleicht mit Recht sagen sie ist zu klein. Daß das Ober⸗Landesgericht über eine solche Frage entscheidet, ob man ein solches Fideikommiß in einem Bezir gleichmäßig wie in den anderen zulassen soll, das halte ich für falsch das muß nach sozialpolitischen und agrarpolitischen Gesichtspunkten behandelt werden. Die Fideikommißgesetzgebung ist obendrein ganz verschieden in den verschiedenen Provinzen; auch in dieser Beziehun müßte Wandel geschaffen werden.
Ich theile also ganz die Absicht des Herrn Freiherrn von Zedlitz daß die Reform des Fideikommißwesens durchaus nothwendig ist als Theil einer größeren Agrargesetzgebung. Diese Erwägungen habe gerade davon abgehalten, in dem gegenwärtigen Augenblick und bei Gelegenheit dieses Gesetzes wesentliche Aenderungen vorzunehmen; gewiß fällt es manchem Fideikommißstifter schwer, mit einem Male das ganze Kapital zu bezahlen. Aber im Großen und Ganzen, glaube ich, kann man, ohne auf Widerspruch z stoßen, behaupten, daß Fideikommißstiftungen, bei welchen der Stifter nicht in der Lage ist, 3 % zu bezahlen, schon an und für sich ihr Bedenkliches haben. (Sehr richtig!) Aus Erfahrung weiß ich, da bisweilen hochverschuldete Güter zu Fideikommissen gemacht werden und daß allerdings der Stifter oder die Stifterin wirklich nicht i der Lage war, das Baargeld aufzutreiben, um die 3 % zu zahlen Eine solche Fideikommißstiftung halte ich für bedenklich. Wir haben in solchen Fällen, in Fällen wo die Billigkeit es erfordert, vielfach länger Fristen gegeben, und das kann in manchen Fällen berechtigt sein. Aber durch besondere Bestimmungen es zu begünstigen, daß kapitalschwache hochverschuldete Personen ihre Güter zu Fideikommissen machen, das halte ich nicht für richtig. 8
Nun aber liegt auch doch in dem Antrage des Herrn Grafen zu Limburg⸗Stirum eine nicht unbedenkliche Unklarheit; hier wir also gesagt, innerhalb 24 Jahren soll eine 3 % Rentenzahlung statt finden. Da würde also das Kapital selbst auf 72 % reduziert werden Nicht bloß verlieren wir die Zinsen während der Zwischenzeit, sondern auch das Kapital wird geringer. (Sehr richtig! links.) Dreimal 24 sind 72, also statt 100 bekämen wir 72.
Nun aber weiter! Wenn nicht ausdrücklich das vorgesehen wird so ist diese Schuld, innerhalb 24 Jahren eine Rente von 3 % zu zahlen, nicht eine Fideikommißschuld, sondern sie ist ein persönliche Schuld des ersten Fideikommißstifters. Wenn der nun abgeht ohne Hinterlassung von Allodialerben oder von Allodial vermögen, so ist der Nachfolger garnicht verpflichtet, die Rente weite zu zahlen. Wie der Antrag liegt, glaube ich, kann es garnicht ander verstanden werden. Meine Herren, Ihre Ziele erreichen Sie nicht Wenn der Herr Abg. von Kroecher auf die Bedeutung der Fidei kommißbildung hingewiesen hat für die Erhaltung der Familien und für deren Bedeutung im Staat und in der Geschichte Preußens, so kann er darin durchaus Recht haben; aber durch solchen kleinen An trag erreichen wir nichts, da muß eine organische Reform des Fidei kommißwesens eintreten. Dann erst werden wir Erfolg haben.
Ich bin wirklich den Herren sehr dankbar, daß Sie die von Ihnen früher sehr viel behandelte Fideikommiß⸗Stempelfrage in einer so maßvollen Weise hier berührt haben; aber ich glaube, Sie würden sich selbst und der Sache einen Dienst leisten, wenn Sie diese Frage aus der Diskussion der Stempelsteuer herauslassen und dieselbe bei eine anderen Gelegenheit behandeln, wozu in Zukunft Gelegenheit gewi nicht fehlen wird.
Meine Herren, ich will weiter auf die Sache nicht eingehen, ich rathe dringend, den Antrag zurückzuziehen bezw. nicht anzunehmen, und will nur noch hinzufügen, daß so, wie die Sache gestellt ist, mir auch der Antrag des Herrn Dr. Klasing nicht annehmbar er⸗ scheit. Wenn ich ihn recht verstehe, soll der Antrag eigentlich nur eine Deklaration sein. Diese Delklaration ist aber nicht erforderlich, namentlich nach der Praxis nicht. Statt „zwei“ will er sagen „drei“. Nun liegt die Sache so: in dem ersten Theil des zwölften Titels des Landrechts § 55 heißt es⸗
Wo nach dem Gesetz kein Familienfideikommiß stattfindet, gilt eine fideikommissarische Substitution nur zum Besten des ersten und zweiten Substituten.
Das ist in der Praxis so ausgelegt, daß hierbei der erste Erwerber nicht in Betracht kommt, sondern daß erst der erste Wund dann der zweite Substitut zu berücksichtigen sind. Das ist die Praxis gewesen, und es scheint mir, als wenn Herr Dr. Klasing eigentlich dasselbe will; denn sonst würden wir ja auf vier Generationen nach der Auslegung der Praxis kommen. Wenn er aber dasselbe will und es nur verdeutlichen möchte, dann, glaube ich, muß er das klar machen, daß es sich hier nicht um Nacherben handelt. Ich halte das für eine Interpretationsfrage, und ich glaube allerdings, daß der Antrag in seiner Kürze im Hause durchaus mißverstanden ist. Nicht allein handelt es hier nicht um eine große finanzielle Frage, sondern nach meiner Meinung handelt es sich lediglich um eine juristische Klarstellung einer übrigens in der Praxis nicht bedenklichen Meinungsverschiedenheit. Das ist immer so gehandhabt, und meines Wissens auch bei den Gerichten. Auch die Interpreten des Landrechts sprechen davon, daß es sich hier bei der ersten und zweiten Generation nur um die erste und zweite Generation der Nacherben handelt. Ich möchte nur bitten, daß hier durch den Antrag Klasing nicht eine fest⸗ stehende Praxis etwa unklar gemacht wird und daß, wenn der Antrag aufrecht erhalten wird, er im Sinne dieser Praxis erörtert oder modifiziert wird.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum: in? igli auf 8 Standpunkt der Stem pelgese 1h. em negae Frage der Fideikommisse berühren. 8 Gut, das im freien Verkehr
steht, kommt durchschnittlich dreimal im Jahrhundert zum Verkau Der Betrag von 3 % wird also erst in hundert Jahren fällig 8
der Fideikommißbesitzer, der die 3 % sofor erli ithi die Zinsen. db 1 des Alofact zohlen desinb mithin Ich bitte Sie, ihn anzunehmen. Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Die Aeußerungen des Herrn Abg. Grafen zu Limburg⸗Stirum sind doch nicht ganz zutreffend. Er befindet sich nach zwei Richtungen in einem Irrthum. Der Fideikommißstempel ist garnicht durch die Kabinetsordre eingeführt worden, die er zitiert hat; sie hat bloß den damals schon bestehenden 3 % Fideikommißstempel erläutert. Der Fideikommißstempel selbst beruht auf dem Gesetz von 1822. Und zweitens, es ist auch nicht richtig, die Rechnung anzulegen, daß ein Fideikommiß 100 Jahre dauert. Man kann doch wohl im ganzen annehmen, daß die Fideikommisse viel länger gedauert haben und dauern werden als 100 Jahre und dann wird die Rechnung schon nicht stimmen. Wir
nehmen an, daß ein Besitzwe der de reien Verkehr unter⸗ 8 8 2 18 8