trägt. Die Inschrift lautet: „Ehrenpreis Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm II., gestiftet 1895 für die Rudervereine der höheren Lehranstalten in Berlin.’ Die Ruderer selbst versammelten sich vor dem Beginn der Wettkämpfe auf der Terrasse des Regatta⸗ vereinshauses. ofessor Wagner hielt hier eine kurze Ansprache an die jungen Leute, in der er der Hoffnung Ausdruck gab, daß die Theilnahme an der ersten Berliner Schülerregatta ihnen stets in lebendiger Erinnerung bleiben möge, daß diese Theilnahme aber auch dazu beitrage, sie dem Ruͤdern für alle Zeiten zu gewinnen. Die Ansprache schloß mit einem begeisterten dreimaligen Hipp⸗ Hipp⸗Hurrah dem Allerhöchsten Schirmherrn Kaiser Wilhelm II. Die ettkämpfe begannen kurz nach 4 Uhr mit dem Er⸗ munterungsrennen (Bahnlänge 1200 m). Den Sieg errang nach 5 Minuten 23 Sekunden das Andreas⸗Realgvmnasium. Es folgten die Friedrichs⸗Werdersche Ober⸗Realschule (5 Minuten 28 Sekunden), das Luisenstädtische Realgymnasium (5 Minuten 32 Sekunden), das Friedrichs⸗Realgymnasium (5 Minuten 43 Sekunden), sowie die 1. Realschule und das Leibniz⸗Gymnasium (beide 5 Minuten 48 Sekunden). Das Königliche Friedrich⸗Wilhelms⸗Gymnasium gab den Wettkampf auf, weil ihm ein Dampfer in den Weg fuhr. Die Sieger erhalten bronzene Medaillen mit dem Kaiserbild und der In⸗ schrift „Schülerrudern Grünau. 15. Juni 1895“. Das Hauptrennen um den Kaiserpreis wurde mit noch erhöhter Spannung erwartet. Alle acht gemeldeten Schulen erschienen am Start, die Bahn war auch diesmal 1200 m lang. Vor den Tribünen führte das Andreas⸗ Realgymnasium, kurz vor Ziel aber setzte das Luisenstädtische Real⸗ ymnasium mit einem mächtigen Spurt ein und siegte mit einer halben änge nach 5 Minuten 5 Sekunden. Es folgten Andreas⸗Realgymnasium (5 Minuten 6 Sekunden), Friedrich⸗Wilhelm⸗Gymnasium (5 Minuten 17 ½ Sekunden), Friedrichs⸗Werdersche Ober⸗Realschule (5 Minuten 21 ⅞ Sekunden), Königstädtisches Realgymnasium (5 Minuten 24 Se⸗ kunden), Leibniz⸗Gymnasium (5 Minuten 31 Sekunden) und Luisen⸗ Gymnasium (5 Minuten 33 Sekunden). Das Friedrichs⸗Real⸗ gymnasium gab das Rennen auf. Die Preise vertheilte Provinzial⸗ Schulrath Genz. “ Gestern wurden in Gegenwart Seiner Majestät des Kaisers und Königs die ersten 13 Rennen der diesjährigen großen Ruder⸗Regatta ausgefochten. Auf den Tribünen des Regattavereins hatten als Ehrengäste der Minister des Innern von Köller, die Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Räthe Dr. Althoff und Dr. Naumann, der Regierungs⸗Präsident Graf Hue de Grais, der Landrath Stubenrauch, der Rektor der Universität Professor Pfleiderer, der Direktor der Militär⸗Turnanstalt Oberst⸗Lieutenant Brix und Pro⸗ fessor Güßfeldt Platz genommen. Gegenüber den Tribünen war eine große Flottille von Dampfern, reich geschmückten Segelyachten und Ruderbooten aller Art vor Anker gegangen. Seine Majestät der Kaiser, Allerhöchstwelcher Marineuniform trug, und in dessen Gefolge sich der Kommandant des Hauptquartiers, General⸗Lieutenant von Plessen, der Vize⸗Admiral Hollmann, der Kontre⸗Admiral Freiherr von Senden⸗ Bibran und Oberst von Scholl befanden, hatte um 2 Uhr die Station Wildpark verlassen und Sich zunächst mit der Eisenbahn nach der Station Treptow begeben, wo der Kaiserliche Dampfer „Alexandria“ bestiegen worden war. Kurz nach 4 Uhr begrüßten Seine Maäjestät tausendfältige Hurrahrufe. Als die „Alexandria“ am Kaiserpavillon anlegte, intonierte die Pionierkavelle die Nationalhymne. Seine Majestät begrüßte vom Oberdeck aus huldvoll die zahlreiche Menschenmenge. Mit lebhaßten Worten der Befriedigung sprach der Monarch Sich über das Schülerrudern aus und befahl die anwesende Siegermann⸗ schaft alsbald an Bord. Mit den jungen Leuten erschienen der Di⸗ rektor des Luisenstädtischen Gymnasiums, Professor Rose und der Protektor der siegreichen Abtheilung Dr. Wappenhans. Nach Vor⸗ stellung der Sieger konnte auf die Frage, ob das Rudern keinen schädlichen Einfluß auf den Schulbesuch ausgeübt, und wie lange die Mannschaft im Training gewesen, Direktor Rose die Versicherung abgeben, daß auch während des Trainings, das eigentlich nur 6 Wochen gedauert und unter Leitung des „Hellas“ erfolgt sei, der häusliche Fleiß der Schüler zu keiner Klage Anlaß gegeben habe. Bei der Regatta selbst, die mit dem Rennen im Juniorvierer um den Staatspreis begann, starteten von 14 Gemeldeten 11. Nach scharfem Kampfe siegte in 8 Minuten 8 ½ Sekunden mit ¾ Längen der Berliner Ruderklub „Sport⸗Borussia“. Bei dem nun folgenden Rennen im Kaiser⸗Vierer starteten alle sechs Gemeldeten. Der Mainzer Ruderverein siegte nach hartem Kampf mit 2 Längen nach 7 Minuten 44 ½ Sekunden. Das Rennen im 2. Doppelzweier ohne Steuer⸗ mann gewann nach 8 Minuten 9 ½ Sekunden „Sport⸗Borussia“. Im Wettkampf der Akademischen Vierer um den neuen Preis Seiner Majestät des Kaisers siegte der Berliner Akademische Ruderverein nach 8 Minuten 17 ⅛ Sekunden. Es folgte dann das Rennen im Ermunterungsvierer, offen, für Vereine, deren Ruderer 1895 nicht von einem Berufstrainer ausgebildet sind. Von 10 Gemeldeten starteten 9; den Preis holte sich mit 3 Längen nach 7 Minuten 53 Sekunden die Danziger „Viktoria“. Das 6. Rennen galt den 2. Einern, 11 waren gemeldet, 9 am Start. Fritz Trendel vom Berliner Ruderverein siegte nach 8 Minuten 58 ¾ Sekunden. Der Kaiser hatte während dieser Zeit die beiden Kaiserpreise an Bord bringen lassen und die siegreiche Mannschaft des Mainzer Rudervereins dorthin befohlen. Mit herzlichen Worten beglückwünschte der Kaiser die Sieger, welche den Preis aus der Hand Seiner Majestät des Kaisers entgegennahmen. Darauf erschienen auch die Sieger im Akademischen Vierer (vier Studierende der Technischen Hochschule und ein Studierender der Thierärztlichen Hochschule), um den großen Pokal von Seiner Majestät entgegenzunehmen. Dann fuhr die „Alexandria“ nochmals die Tribünen entlang und trat hierauf die Rückfahrt an. Der Minister der öffentlichen Arbeiten hat die Königlich preußi⸗ schen Eisenbahn⸗Direktionen ermächtigt, den Veteranen aus dem Feldzuge 1870/71, die in den Monaten Juli, August und Sep⸗ tember d. J. aus Anlaß der fünfundzwanzigjährigen Wiederkehr der Siegestage von 1870 festlichen Veranstaltungen auf den Schlachtfeldern im Westen des Reichs beizuwohnen wünschen, und die sich entweder durch das Besitzzeugniß der Kriegsdenkmünze des Feldzuges 1870/71, oder für den Fall des Verlustes des⸗ selben durch eine Bescheinigung ihres Truppentheils, oder wenn dieser zur Zeit nicht mehr besteht, des heimathlichen Bezirks⸗Kommandos als solche Veteranen ausweisen, auf Erfordern die Hin⸗ und Rückreise in der dritten Wagenklasse aller Züge zu Militärfahrpreisen (1,5 ₰ für das Kilometer) unter Ge⸗ währung von 25 kg Freigepäck zu gestatten; dies darf auch dann ge⸗ schehen, wenn die Veteranen mehrere Schlachtfelder zu besuchen und die Rückreise von einem anderen Punkt als dem Endpunkt der Hin⸗ reise anzutreten oder einen anderen Rückweg zu nehmen wünschen. Denjenigen Veteranen, welche namentlich aus gesundheitlichen Gründen die zweite Wagenklasse zu benutzen wünschen, ist die Benutzung dieser Klasse gegen Lösung von zwei Militärfahrkarten je für die Hin⸗ und Rückfahrt für alle Züge gestattet. Die Kaiserliche General⸗ Direktion der Eisenbahnen in Elsaß⸗Lothringen zu Straßburg und die Direktion der Main⸗Neckarbahn haben die gleiche Ermächtigung jedoch mit der Einschränkung erhalten, daß auf deren Strecken nur 10 kg Handgepäck frei befördert werden. Ebenso sind die Königlichen Eisenbahn⸗Direktions⸗Präsidenten ermächtigt, den Verwaltungen der ihrer Aufsicht unterstellten Privateisenbahnen auf Antrag die Geneh⸗ migung zur Gewährung der gleichen Fahrtbegünstigung zu ertheilen.
Der Historienmaler, Professor Julius Schrader feierte gestern unter reichen Ehrungen seinen achtzigsten Geburtstag. Das Kultus⸗Minzsterium sandte ein Glückwunschschreiben, für die Akademie der Künste überreichten Professor Becker, Geheimer Regierungs⸗Rath Ende und Professor Dr. Müller eine Adresse, für die Hochschulg der bildenden Künste sandte Anton von Werner ein Glückwunschschreiben; die Dresdener Akademie, deren Ehrenmitglied Professor Schrader ist, ehrte ihn gleichfalls durch Ueberreichung einer Adresse. Fer den Berliner Künstlerverein nahm Professor Körner, der an der
vitze einer Abordnung erschienen war, das Wort, um eine Adresse zu verlesen. Als älteste Schüler erschienen die Maler Professor Hancke, Professor Tschautsch und Louis. Zahlreiche Telegramme, Briefe und
Blumengaben erfreuten den Jubilar, der, wenn auch leider erblindet, “ Tag in körperlicher Rüstigkeit im Kreise seiner Familie verleben konnte.
* die Berliner Gewerbe⸗Ausstellung 1896 ist, wie der Arbeitsausschuß mittheilt, die Aufstellung eines großen Fern⸗ rohrs projektiert. Dasselbe soll eine Oeffnung von ½ m haben und würde demnach mit den größten Refraktoren der Erde konkurrieren und das bisher größte Fernrohr in Deutschland, nämlich das der Kaiser⸗ lichen Sternwarte in Straßburg, um mehr als t m Oeffnung über⸗ treffen. Im Gegensatz zu allen bisherigen Fernrohren wird dasselbe nach dem Vorschlage des Astronomen F. S. Archenhold statt des sonst üblichen Kuppelbaues ein leicht bewegliches zylindrisches Schutzrohr erhalten. Die Länge soll 21 m betragen, also größer sein als die des Fernrohrs der Lick⸗Sternwarte in Kalffornlen des größten jetzt im Gebrauch befindlichen Linsen⸗ fernrohrs. An der Durchführung der Arbeiten sind die Firma Steinheil in München, Professor Abbe und Dr. Schott in Jena, sowie die Firma C. Hoppe und G. Meißner hierselbst bethei⸗ ligt. Zur Aufstellung des Fernrohrs ist ein durch eine Brücke zu erreichender Platz im Karpfenteich in Aussicht genommen, welcher zu einem interessanten Pfahlbau hergerichtet werden soll. — An dem
rojekt der Stufenbahn, welches der Verkehrskommifsion der Aus⸗ tellung zur Bearbeitung übergeben wird, sind die Aktiengesellschaft für Monierbauten, der hiesige Vertreter von Krupp, die Firmen Rütgers und Richard Damm betheiligt.
Stralsund, 17. Juni. Nach dem Bericht der „Stralsundischen Zeitung“ nahm das gestrige Kriegerfest des hiesigen Bezirks⸗ verbandes des Kriegerbundes bei schönem Wetter einen groß⸗ artigen Verlauf. Von 10 Uhr ab fand auf dem Bahnhof der Empfang der auswärtigen Theilnehmer statt. Nach einer Ansprache des Vor⸗ sitzenden Hauptmanns Schütz begann der Marsch nach dem Krieger⸗ Denkmal, an welchem 2300 Krieger in 54 Vereinen mit 4 Musik⸗ korps und 39 Fahnen sich betheiligten. Am Denkmal wurden nach der Festrede des Superintendenten Fretzdorff und nach mehreren Vorträgen der Gesangvereine eine Anzahl Kränze niedergelegt; dann erfolgte der Rückmarsch durch die prächtig geschmückten Hauptstraßen bei lebhafter Theilnahme der Bepölkerung aus Stadt und Umgegend. Um 4 Uhr begann das Festrzahl im Hotel Elysium unter Betheiligung der Spitzen der Militär⸗ und Zivilbehörden. Oberst Roques brachte den Toast auf Seine Majestät den Kaiser und König aus. Abends fand in verschiedenen Gartenlokalen Konzert und Tanz statt.
Hamburg, 15. Juni. Das benachbarte Dorf Ahndorf, welches etwa 700 Einwohner hat, wurde dem „Hamb. Fremdenblatt“ zufolge durch eine furchtbare zerstört. Im Verlauf einer Stunde brannten 9 Gehöfte mit 40 Gebäuden nieder; nur die Kirche, das Schulhaus und das Gut blieben vom Feuer verschont. 600 Menschen sind durch die Katastrophe obdachlos geworden. Die Hufner sind zum größten Theil versichert, die kleinen Besitzer hin⸗ gegen unversichert. Der Schaden ist bedeutend.
Hamburg, 16. Juni. Der englische Rheder Sir Donald Currie gab gestern Abend an Bord seines Dampfers Tantallon Castle“ ein großes Diner, an welchem 200 Gäste, Engländer und Hamburger, theilnahmen. Nach Beendigung des Diners begrüßte Sir Donald Currie seine Gäste und brachte nach dem Bericht des„W. T. B.“ ein Hoch auf Ihre Majestät die Königin Victoria und Seine Majestät den Kaiser Wilhelm aus. Bürgermeister Dr. Mönckeberg hielt in englischer Sprache eine längere Rede, in welcher er der Freude Aus⸗ druck gab, Gladstone wiederhergestellt an der Festtafel zu sehen. Er feierte ihn als einen der bedeutendsten Staatsmänner und brachte sein Wohl aus. Gladstone erhob sich kurz darauf zu einer Rede, in welcher er Deutschlands und Hamburgs sehr sympathisch gedachte und die Hoffnung und Ueberzeugung aussprach, daß die auf uralter Verbindung beruhenden engen und brüderlichen Beziehungen zwischen beiden Nationen durch die Jahrhunderte zur Sicherung des Friedens und des Glücks der Welt dauern möchten. Schließlich sagte er den Vertretern des hamburgischen Staats und der Munizipalität seinen Dank für ihre Güte, die niemals dem Gedächtniß der englischen Gäste Sir Donald Currie's entschwinden werde. Dem Diner folgte ein Konzert, nach dessen Beendigung Präsident Sieveking dem Gast⸗ geber Sir Donald Currie den Dank der hamburgischen Gäste aus⸗ sprach. Die Rückkehr der Gäste erfolgte um 1 ½ Uhr. Es herrschte lebhafte Befriedigung über den Verlauf der eigenartigen Veranstaltung. Der „Tantallon Castle“ verläßt morgen früh die Elbe, um sich über Skagen nach Kopenhagen zu begeben.
Madrid, 16. Juni. „W. T. B.“ meldet: Die Besatzung des russischen Schiffs „Abrahs“, welches vor San Sebastian vor Anker gegangen war, empörte sich. Der Kapitän wurde mit Hilfe von spanischen Zoll⸗ und Polizeibeamten Herr des Aufstands.
er Hochbootsmann und die Köche wurden verwundet. Die Unter⸗ suchung ist eingeleitet.
Belgrad, 16. Juni. Heute früh 9 Uhr 50 Minuten fand hier eine leichte, 3 Sekunden dauernde Erderschütterung in der Richtung von Norden nach Süden statt; in Palanka Czpria wurde ein etwas heftigerer Erdstoß verspürt.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
München, 17. Juni. Seine Majestät der Kaiser
fuhren um 10 ½ Uhr mit dem Gesandten Grafen Monts, in der Uniform der Garde⸗Kürassiere, nach der Schack schen Galerie, welche reich mit Flaggen geschmückt ist, und besichtigten die Galerie unter Führung des Galerie⸗Direktors von Seyd und des hiesigen Architekten Seidl, welcher den Umbau der Galerie ge⸗ leitet hatte. Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent ist der Einladung des Kaisers zur Besichtigung der Schack'schen Galerie um 12 Uhr gefolgt. Um 3 Uhr findet bei dem Prinz⸗ Regenten zu Ehren des Kaisers Galatafel statt, an welcher die Prinzen Ludwig, Leopold, Arnulf, die Ober⸗Hof⸗ Chargen, der preußische Gesandte u. s. w. theilnehmen. Der Kaiser beabsichtigt, im Laufe des Nachmittags eine Spazierfahrt durch die Stadt zu unternehmen. Die Abreise erfolgt um 6 ¾ Uhr. Das Residenzschloß und die Königlichen und städtischen Gebäude haben reich geflaggt. In den Straßen bewegt sich eine große Menschenmenge. Kiel, 17. Juni. Ihre Königlichen Hoheiten der Kron⸗ prinz und die Kronprinzessin von Griechenland sowie die Prinzessin Friedrich Carl von Hessen sind gestern Abend im hiesigen Schlosse eingetroffen. Bei Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Heinrich findet heute zu Ehren der bereits eingetroffenen fremdländischen Admirale, Kommandanten und Offizierkorps ein Gartenfest im Königlichen Schlosse statt.
Die Kaiserliche Nacht „Hohenzollern“ trat um 9 ½ Uhr die Fahrt durch den Kanal nach der Elbe an. Die fran⸗ EA Schiffe „Hoche“ und „Dupuy de Löme“ ankern unter Langeland. Das britische Geschwader, der niedertandische Kreuzer „Atjeh“, die portu⸗ giesische Panzerkorvette „Vasco da Gama“ und das dänische Geschwader sind heute in den hiesigen
Hafen eingelaufen und wechselten mit der Strandbatterie Friedrichsort Salutschüsse 8 8
daß die Botschafter Großbritanniens, Frankreichs und Rußlands die Erklärung abgegeben hätten, auf Grund der türkischen Antwort seien Verhandlungen unmöglich. Die Botschafter der betreffenden Mächte seien daher Pnöthigt, Instruktionen abzuwarten. Der großbritannische otschafter habe versprochen, im Hinblick auf den Wechsel im Großvezirat die britische Regierung ver⸗ anlassen zu wollen, die Beschlußfassung auf kurze Zeit bu verzögern. Im allgemeinen bessere sich die Situation, da ie Haltung des neuen Großveziers Vertrauen gewinne und zu der Hoffnung berechtige, der Großvezier werde durch recht⸗ zeitiges Entgegenkommen ernsts Konflikte vermeiden. Die englische Flotte sei im Begriff, nach Cypern zu dampfen. Es sei die Ansicht vorherrschend, Rußland und Frankreich würden die englische Aktion nicht stören, auch wenn sie an der Aktion nicht theilnehmen sollten.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
uni, 8 Uhr Morgens.
2.
Wetterbericht vom 17.
Bar. auf 0 Gr 3 u. d. Meeressp
Station
V Wind. V Wetter.
in 0 Celsius 5 0C. = 40R.
red. in Millim Temperatur
2 wolkig 3 bedeckt 4 wolkig 4 wolkig 2 wolkenlos 6 bedeckt 1 bedeckt 1 wolkenlos 2 wolkig
stil heiter I 4 wolkenlos 2 bedeckt 3 bedeckt 3 halb bed. 1 wolkig
Belmullet NNO Aberdeen. ““ NW Fbeittonsund . . . ... O Kopenhagen SW A“” N Haparanda .. ONO St. e SO Cork, Queenstown SSO Cherbourg Helder
Sylt 1 Hamburg Swinemünde Neufahrwasser. Memel
Su . Münster. Karlsruhe Wiesbaden München Chemnitz Berlin
Wien.. V888I811“n *“ V Nizza. “ Triest.
1 heiter
3 wolkig
1 wolkenlos 2 wolkenlos
1 heiter 1 heiter Uebersicht der Witterung.
Der Luftdruck ist sehr gleichmäßig vertheilt. Ueber Lappland übersteigt derselbe 766 mm, während über dem Nordseegebiet, dem Gebiet des Bottnischen Busens, dem südlichen Rußland und vor dem Kanal Depressionen lagern. Das Wetter ist in Deutschland noch allenthalben kühl, im Nordwesten bei schwachen südlichen Winden trübe und regnerisch, im Osten und Süden am Morgen vielfach heiter; besonders an der Nordseeküste gingen ergiebige Regenfälle nieder, während im übrigen Deutschland nur vereinzelt Regen fiel. Fortdauer der unbeständigen Witterung wahrscheinlich.
Deutsche Seewarte.
Theater⸗Anzeigen.
Berliner Theater. Dienstag: Der
Anfang 7 ½ Uhr. Mittwoch: Der Geizige. — Der unglänbige Thomas. Donnerstag: Madame Saus⸗Gene.
Herr Senator
Neues Theater. Schiffbauerdamm 4 a. /5. Dienstag: Ensemble⸗Gastspiel der Mitglieder des Carl Schultze⸗Theaters (Ham⸗ burg) unter Leitung des Direktors José Ferenczy. Tata⸗Toto. Vaudeville in 3 Akten nach Bilhaud und Barré von Victor Léon und F Zell. Musik von Antoine Banés. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Tata⸗Toto.
Theater Unter den Linden. Behrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Dienstag: Miß Helyett. Vaudeville⸗Operette in 3 Akten von Maxime Boucheron. Deutsch von Richard Gense. Musik von E. Audran. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 ¼ Uhr.
Mittwoch: Miß Helyett.
Familien⸗Nachrichten. Verlobt: Frl. Lili Leidloff mit Hrn. Lieut. d. R. Arthur Brandt
(Poethen — Magdeburg). — Frl. Else Schmidt mit Hrn. Ober⸗ Grenz⸗Kontroleur und Prem.⸗Lieut. d. R. Irgahn (Berlin — Meffersdorf).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Ahlers (Berlin). — Zwei Töchter: Hrn. Hauptmann von Brixen gen. von Hahn (Charlottenburg). — Eine Tochter: Hrn. Dr. jur. von Zitzewitz (Zitzewitz). — Hrn. Kapitän⸗Lieutenant Adolf Schaumann Wülbesmobaben) — Hrn. Hilmar Frhrn. von Münchhausen (Nieder⸗Schwedeldorf). — Hrn. Pastor Bone (Breslau). — Hrn. Gymnasial⸗Direktor Thalheim (Hirschberg).
Gestorben: Verw. Fr. Geheime Regierungs⸗Rath Matbhilde Dick⸗ huth, geb. Damke (Breslau). — Verw. Fr. Rittergutsbesitzer Clara von Löbbecke, geb. von Scholten (Rückers). — Hr. Rittmeister a. D. August von Lewinski (Baden⸗Baden). — Fr. Vally von Tschirschky und Boegendorff, güb. von Selchow (Burgdorf). — Fr. Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Schultz, geb. May (Berlin). — Hr. Oberst a. D. Theodor Ritz (Charlottenburg). — Hr. Eisenbahn⸗Inspektor a. D. Rudolf von Seltzer gen. Stahn (Frank⸗ furt a. M.). — Frl. Julie von Nettelbladt (Güstrow).
—
Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. 8
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt Berlin SW., Wilhelmstraße 32.
Fünf Beilagen
(einschließlich Börsen⸗Beilage).
Konstantinopel, 17. Juni. (W. T. B.) Es verlautet,
s⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staat
Berlin, Montag, den 17. Juni
75. Sitzung vom Sonnabend, 15. Juni.
Ueber den Beginn der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.
Die zweite Berathung des Entwurfs eines Stempel⸗ steuergesetzes wurde bei Nr. 59 des Tarifs (Stempel für Schuldverschreibungen aller Art) fortgesetzt. Hierzu lag eine größere Anzahl von Anträgen vor, die sämmtlich Er⸗ mäßigungen anstrebten, u. a.
ein Antrag des Abg. Herold (Zentr.): allgemein statt des Steuersatzes von ½2¶ Proz. ½ Proz. zu setzen.
Abg. Richter (fr. Volksp.) beantragte, unter die Be⸗ freiungen von der Stempelabgabe auch aufzunehmen:
„Beurkundungen von zinsbaren Darlehen, welche gegen spezielle Verpfändung oder Hinterlegung von edlen Metallen, Waaren, Wechseln oder Werthpapieren gegeben werden (Lombard⸗ arlehen) und innerhalb Jahresfrist oder in einem kürzeren Zeit⸗ um zurückzuzahlen sind.“
Die Abgg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (frei⸗ kons.), Schweckendieck (nl.) und Genossen stellten den Antrag, die Litt. b folgendermaßen zu fassen:
„Sparkassenbücher und Bescheinigungen über einzelne Einlagen seitens öffentlicher und solcher Sparkassen, welche gemeinnützige Zwecke verfolgen, insbesondere solcher, welche die Gewinnvertheilung ausgeschlossen haben, sowie der Sparkassen derjenigen eingetragenen Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften, welche die Förderung des genossenschaftlichen Personalkredits bezwecken.“
Ein Antrag der Abgg. Schenck (fr. Volksp.) und Noelle (nl.) schlug folgende Fassung der Litt. b vor:
„Sparkassenbücher und Bescheinigungen über einzelne Einlagen seitens öffentlicher und solcher Sparkassen, welche gemeinnützige Zwecke verfolgen. Insbesondere sind befreit die Sparkassenbücher und Bescheinigungen über einzelne Einlagen aller der Sparkassen, welche von eingetragenen Genossenschaften betrieben werden.“ Abg. Schenck beantragte ferner, als Litt. c zu den
Befreiungen hinzuzufügen: 1 c. Beurkundungen von Lombarddarlehen.“
Abg. Lotichius (Zentr.) empfahl den Antrag der Abgg. Schenck⸗
Noelle. Würde diese Position in der Kommissionsfassung angenommen werden, so würden z. B. die Raiffeisen'schen Spar⸗ und Darlehns⸗ kassen und die Kreditgenossenschaften hart betroffen werden. Durch den Stempel würde die Kreditgewährung dieser Institute an kleine Gewerbetreibende und Handwerker wesentlich vertheuert werden. In Hessen⸗Nassau bestehen allein 496 solcher Kreditgenossenschaften.
Abg. Herold (Zentr.) begründete seinen Antrag. Abgesehen davon, daß der Steuersatz 1¼12 % nicht in das Dezimalsystem passe, sei die Belastung zu hoch. Eine Ermäßigung könne um so eher ein⸗ treten, als durch die heutige Abstimmung die Besteuerung der münd⸗ lichen Miethsverträge eine Mehreinnahme von 1 Million Mark er⸗ geben werde.
Sodann begründete auch der Abg. Schenck seinen Antrag in längerer Rede, deren Einzelheiten auf der Tribüne nicht ver⸗ ständlich sind. 8
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Es dient vielleicht zur Abkürzung der Diskus wenn ich mich jetzt schon über die verschiedenen Anträge erkläre. Antrag der Herren Haacke und Genossen, Nr. 228, betrachte ich als redaktionelle Verbesserung. Ich finde nicht bei näherer Prüfung, daß eine sinngemäße Abweichung von den Beschlüssen der Kom⸗ mission in diesem Antrag enthalten ist. Ich habe gegen die Annahme dieses Antrags nichts zu erinnern. .
Was den Antrag der Herren Schweckendieck und Freiherrn von Zedlitz auf Nr. 234 bezw. den Antrag der Herren Schenck, Jansen, Noelle und Rickert in Betreff der Freilassung der Einlagen der Sparkassen betrifft, so will ich mich gegen den Antrag des Herrn Schweckendieck nicht erklären. (Bravo!) Dagegen glaube ich, er ist erheblich vorzuziehen dem Antrag der Herren Schenck und Genossen, während, soweit ich den Herrn Vorredner verstanden habe, ich eigentlich der Meinung bin, daß er auch nicht weiter gehen will wie der Antrag Schweckendieck besagt, (Zuruf: Baugenossenschaften!) er sich also wohl mit diesem Antrag einverstanden erklären könnte. (Zuruf: Baugenossenschaften!) — Ja, die Baugenossenschaften! Ich werde die Unterschiede noch näher charakterisieren. Also der Antrag Schweckendieck will freilassen die Spareinlagen derjenigen eingetragenen Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften, welche die Förderung des wirthschaftlichen Personalkredits bezwecken. Er beschränkt also die ganze Sache auf diejenigen eingetragenen Genossenschaften, welche diesen Zweck verfolgen. Von selbständigen Sparkassen ist dabei auch nicht die Rede, sondern die Sparkasse steht hier unmittel⸗ bar in Verbindung mit dem Zweck der Förderung des Personalkredits. Der Antrag Schenck hingegen bezieht sich auf alle eingetragenen Ge⸗ nossenschaften, welche eine Sparkasse errichten. Die gemeinnützigen Baugenossenschaften sind ja überhaupt frei. Das kommt also nicht in Frage. Dagegen ist die Zahl der Arten von eingetragenen Genossenschaften nach ihren Zwecken ja geradezu Legion, und man kann diese generellen Bestimmungen nicht treffen; wenn sie eine Spar⸗ kasse errichten, vielleicht direkt mit der Absicht, daraus ein gutes Ge⸗ schäft zu machen, so stehen sie nicht anders da als wie jede andere individuelle Bank, die derartige Sparkassen errichtet, sich Sparkasse nennt und nichts weiter ist als eine Devpositenbank. (Sehr richtig! rechte.) Ich glaube daher, der Antrag Schweckendieck erreicht den Zweck, den der Abg. Schenck erreichen will; er ist aber viel bestimmter und klarer, und ich glaube, die Herren könnten sich dabei durchaus beruhigen. Ich habe garnichts dagegen, wo die Ein⸗ richtung von solchen Sparkassen diesen Hauptzweck hat, die Förderung des Personalkredits zu unterstützen, sie da freizulassen; aber auf dem ganz unbekannten Gebiet aller möglichen Genossenschaften, die auch reine Erwerbszwecke zu vertreten in der Lage sind — alle „Sparkassen“ freizulassen, das würde nach meiner Meinung h.en⸗ ve⸗ stellen und zu Konseauenzen
hren, n de 8 — s nnn. enen ich überzeugt bin, daß auch Herr Schenck sie Ich komme dann auf den Antrag Richter in Betreff der Be⸗ freiung von sogenannten Lombarddarlehnen. Meine Herren, ich habe
von mir
die Schwierigkeit dieser Frage schon bei der ersten Berathung hervor⸗ gehoben. Wir waren selbst geneigt, bei der Vorberathung die eigentlichen Lombarddarlehne ganz freizulassen. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die Bestempelung der Lombarddarlehne sehr leicht umgangen werden kann, wenn namentlich im kaufmännischen Verkehr alle möglichen anderen Formen, die denselben wirthschaftlichen Zweck verfolgen, an die Stelle der Form des Lombarddarlehens gesetzt werden. Nach dem bestehenden Recht können wir das Lombarddarlehn in Gemäßheit der Entscheidungen des Reichsgerichts genau so besteuern wie jede andere Schuldverschreibung; es ist ja auch weiter nichts wie eine Schuldverschrei⸗ bung. Wir werden aber von diesem unzweifelhaften Rechte nach Maßgabe der Entscheidungen des Reichsgerichts doch thasächlich keinen wesent⸗ lichen Gebrauch machen können, und in den allermeisten Fällen, wie gesagt, werden andere Formen gewählt; ich erinnere nur an das sogenannte offene Konto, das in dem kaufmännischen Verkehr allgemein üblich ist, wobei das Lombarddarlehn wegfällt. Selbst die Reichsbank, die ja nur die Form des Lombarddarlehns hat, hat doch immer protestiert gegen die Anwendung, indem sie geradezu gesagt hat: wenn ihr mir ein Zwölftel abnehmt, so muß ich den ganzen Lombardverkehr aufgeben; dann ist diese gemeinnützige wirthschaftliche Thätigkeit nicht zu halten.
Diese Erwägungen hätten allerdings für den Antrag des Herrn Abg. Richter sprechen können. Auf der anderen Seite haben wir es aber für bedenklich gehalten, das Lombarddarlehen ganz freizulassen ohne jede Schranke, weil dann der ganze Schuld⸗ verschreibungsstempel gefährdet werden kann, indem ja der Stempel für Schuldverschreibung, wenn man nur eine Zigarrenkiste als Waare hinterlegt, auf diese Weise umgangen werden kann. Gegen diesen Antrag des Herrn Richter, der wenigstens das Gute hat, daß er das Lombarddarlehn richtig definiert — das ist immer schon ein Vorzug —, würde ich weniger Bedenken haben, wenn einigermaßen die Umgehungen, von denen ich vorher gesprochen habe, aus⸗ geschlossen wären. Das würde man dadurch erreichen können, wenn man die Höhe der Sicherheiten, die entweder durch Edelmetalle, Wechsel, Werthpapiere u s. w. gegeben werden, in irgend einen Zusammenhang brächte mit der Höhe der Schuldverschreibung. Dann würde die Sache schon einen anderen Charakter haben; und im kaufmännischen Verkehr, um den es sich vorzugsweise handelt, ist es doch so: es wird im kaufmännischen Verkehr einem soliden Kauf⸗ mann nicht einfallen, wenn er ein Darlehn in großer Höhe giebt, eine geringwerthigere Hinterlegung anzunehmen, sondern er ver⸗ langt, daß die Werthgegenstände der Höhe der Schuldverschreibung einigermaßen entsprechen. Er wird sogar meistens eine höhere Sicher⸗ heit fordern, als der Betrag der Schuld ist, der durch die Hinterlegung gesichert werden soll. Wenn eine solche Modifikation in den Antrag Richter hineingebracht würde, würde ich gegen denselben weniger einzuwenden haben. Aber so, wie er gegenwärtig formuliert ist, habe ich doch Bedenken gegen denselben und bitte, ihn in dieser Fassung abzulehnen.
Ich erfahre eben, daß Herr Gothein den Antrag des Herrn Abg. Richter dahin noch vervollständigen will, daß er sagt: vorausgesetzt, daß der Werth des hinterlegten Pfandes dem gewährten Darlehn mindestens gleichkommt. Wenn Herr Gothein diesen Antrag stellt — er ist noch nicht gestellt — so würde ich allerdings gegen den Antrag des Herrn Abg. Richter die vorher berührten Bedenken fallen lassen.
Endlich bitte ich, den Antrag Herold u. Gen. gänzlich abzulehnen. Er ist für mich durchaus unannehmbar. Der Antrag bedeutet einen finanziellen Verlust von 7⸗ bis 800 000 ℳ Daß das natürlich nach all den Erleichterungen, die hier schon in das Gesetz hineingekommen sind, aus finanziellen Gründen nicht annehmar ist, brauche ich wohl nicht weiter auseinanderzusetzen. Es ist auch kein dringendes Bedürfniß in dieser Beziehung hervorgetreten. Der Schuldverschreibungsstempel ist in diesem Entwurf ja garnicht erhöht, sondern nur der bestehende beibehalten, und wesentliche Klagen sind nach dieser Richtung garnicht hervorgetreten. — Ich bitte also, diesen Antrag, der für uns gänzlich unannehmbar sein würde, ab⸗ zulehnen.
„ Abg. Noelle (nl.): Meine politischen Freunde dürften dem Antrage Richter mit dem Zusatze, wie er seitens des Herrn Gothein geplant ist, zustimmen.
Abg. Kirsch (Zentr.): Der Herr Minister hat gegen die Herab⸗ setzung des Stempels auf Schuldverschreibungen eingewandt, daß da⸗ durch eine Mindereinnahme herbeigeführt wird. Andererseits wird von der Annahme der Tarifnummer 49 in der Kommissionsfassung ein Mehrertrag erwartet, sodaß danach schon der Antrag Herold ge⸗ rechtfertigt erscheinen müßte. Nun glaube ich aber, so paradox das klingen mag, daß nach der Annahme der Kommissions⸗ beschlüsse zu Nummer 4 auf keine Vermehrung, sondern auf eine Verminderung der Einnahmen zu rechnen ist. Der größte Grund⸗ besitzer ist der Fiskus. Nach der Bestimmung, daß der Verpächter ein Pachtverzeichniß einzureichen und die Steuer abzuführen hat, wird nunmehr die Last von den vermögenden Domänenpächtern und von den Pächtern großer Eisenbahn⸗Restaurationen abgewälzt auf die weniger Steuerkräftigen. Die Motivierung des Antrags Herold kann ich nicht billigen; ich glaube aber, daß er trotzdem aufrecht erhalten werden muß, weil er der Billigkeit entspricht.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Die Ausführungen des Herrn Vorredners waren mir recht interessant. Ich persönlich, und ich glaube, auch die Mehrzahl meiner Freunde, sind nicht der Ansicht, daß nach den Kommissionsbeschlüssen der Stempel von den Pächtern abgewälzt werden soll. Sollte das — es bedarf dazu noch einer näheren Prüfung — in der That der Fall sein, so dürfte sich bis zur dritten Lesung wohl eine Fassung finden lassen, die den Ansichten der Kommission mehr entspricht. Wenn aber, wie Herr Kirsch meinte, nach den Kommissionsbeschlüssen eine Mindereinnahme zu erwarten ist, so wäre das erst recht ein Grund, den Antrag Herold abzulehnen, durch den ein Ausfall von 70 000 ℳ entstehen würde. Von den übrigen Anträgen bedeutet der Antrag Haacke eine formelle Ver⸗ besserung der Kommissionsvorschläge. Auch gegen den Antrag des Abg. Richter in Verbindung mit dem angekündigten Zusatz des Abg. Gothein hätte ich für meine Person nichts einzuwenden, und, wie ich laube, auch die Mehrzahl meiner Freunde nicht. Die Lombard⸗
arlehen haben gerade für die produzierenden Klassen, Landwirthe wie Industrielle, einen besonderen Werth. Ferner bitte ich, den in Verbindung mit anderen Mitgliedern der frei⸗
konservativen und der nationalliberalen Partei gestellten Antrag an⸗ zunehmen. Er zeichnet sich vor dem Antrage Schenck dadurch aus, daß er das ganze uferlose Gebiet der Genossenschaften ohne gemein⸗ nützige Zwecke ausschließt. Er läßt nur diejenigen Genossenschaften frei, die im wirthschaftlichen Interesse möglichst niedrige Zinsen nehmen, nicht aber die, die des Verdienstes wegen hohe Zinsen nehmen.
Vom Abg. Gothein war inzwischen der Antrag ein⸗ gegangen, dem Antrage Richter den Zusatz zu geben:
„vorausgesetzt, daß der Werth des Pfandes dem Werthe des Dar⸗
lehns mindestens gleichkommt.“
Abg. Mohr (nl.): Die Sparkassen der Banken verfolgen den⸗ selben Zweck, wie die Sparkassen der Genossenschaften. Ich hätte nichts dagegen, wenn auch alle Aktienbanken von dieser Stempelsteuer frei blieben. Es wäre das auch schon deshalb zu verstehen, weil die Banken für die Darlehen weniger Zinsen nehmen als die Genossen
schaften. Den Herrn Finanz⸗Minister möchte ich noch fragen, ob auch für Beschaffung von Geld im täglichen Verkehr Stempelsteuer zu bezahlen ist.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel
Meine Herren, der Herr Vorredner hätte sich ja garnicht für de Antrag der Herren Noelle u. s. w. erklären dürfen, denn er spricht ja nur von Banken, während doch in diesem Antrag nur von Genossen schaften die Rede ist. Durch die Annahme des Antrags Noelle und Genossen würde er den Zweck, den er will, gar nicht erreichen. Eine Bank auf Aktien ist doch keine Genossenschaft.
Nun möchte ich aber hervorheben, daß ja allerdings die eigentliche Absicht des Herrn Vorredners nur die zu sein scheint, jeder Bank, die sich Sparkasse nennt, das Privilegium zu geben, wenn sie auch ohne irgend einen gemeinnützigen Charakter ist. Wir müssen doch stehen bleiben bei dem Grundbegriff der Gemeinnützigkeit. Da haben wir öffentliche oder kommunale Sparkassen, die wir von vornherein als gemeinnützig ansehen dürfen. Ich will deswegen noch nicht sagen, daß alle diese wirklich gemeinnützig sind, aber ich hoffe doch, daß wir bald dahin kommen, diese öffentlichen Sparkassen auf ihren wahren Charakter als gemeinnützige In⸗ stitute zu prüfen. Dann haben wir selbst solche, die wirklich unzweifelhaft einen gemeinnützigen Charakter haben. Endlich gehen wir noch einen Schritt weiter und sagen: wir wollen auch solche Sparkassen, welche den Zweck haben, den Personalkredit zu fördern, wo also die Spareinlagen in unmittelbarem Zusammenhang stehen mit der Aufgabe, die die betreffende Genossenschaft sich gestellt hat, als gemeinnützige betrachten und in so fern sie also frei lassen; darüber hinauszugehen und auch die Aktienbanken, die doch Erwerbszwecke ver⸗ folgen, frei zu lassen, dazu liegt nicht der mindeste Grund vor; dann würden wir thatsächlich die ganze Position verlieren. Ich bitte also, keinen Schritt weiter zu gehen, als die Vorlage.
Abg. Richter: Will man die Lombarddarlehen freilassen, so soll man das ausdrücklich sagen. Das will mein Antrag. Wenn der Herr Finanz⸗Minister meine Definition der Lombarddarlehen als richtig an⸗ erkennt, so will ich gefteben, daß diese Definition nicht von mir stammt. Sie ist dem Reichsgesetzentwurf von 1881, der die Lombard⸗ darlehen besteuern wollte, entnommen. Wenn diese Definition gut genug war, um die Einführung einer Steuer zu begründen, so glaubte ich, würde sie auch gut genug sein, um sie zu bekämpfen.
Abg. Klasing kkons.): Wir werden für den Antrag des Ab⸗ geordneten Freiherrn von Zedlitz stimmen, weil wir die Genossen⸗ schaften als eine durchaus zu fördernde Institution des Kreditwesens ansehen. Dem Antrage Richter⸗Gothein werden wir ebenfalls zu⸗ stimmen, um den Bedürfnissen des Verkehrs Konzessionen zu machen. Der Antrag des Abg. Herold ist für uns aus finanziellen Gründen unannehmbar.
Der Abg. Schenck zog seinen Antrag zurück.
In der nun folgenden Abstimmung wurden die Anträge der Abgg. Freiherr von Zedlitz, Haacke und Richter⸗ 2 angenommen und der Antrag Herold ab gelehnt.
Die Tarifposition gelangte mit den beschlossenen Abände⸗ rungen zur Annahme⸗
Zur Tarifposition 61: „Standeserhöhungen und Gnadenerweise“ lag ein Antrag des Abg. Richter vor, statt „Standeserhöhungen“ „Adels⸗ und Titelver⸗ leihungen“, statt „Herzogswürde, Fürstenwürde“ u. s. w. „Herzogstitel, Fürstentitel“ u. s. w. zu setzen.
„Abg. Richter: Bei dieser Position wäre es am Platze gewesen, rößere Mehreinnahmen zu erzielen, als die Regierungsvorlage will. Ich bedauere es, daß diese unverändert in der Kommission ange⸗ nommen worden ist. Es wird sich jährlich nur ein Mehrertrag von 20 000 ℳ ergeben, von denen die Kommerzien⸗ und Kommissions⸗ Räthe allein über 19 000 ℳ zahlen sollen, während auf den gesammten Adel nur 500 ℳ entfallen. Von einem Antrage auf Aenderung nach dieser Richtung verspreche ich mir bei der Zusammensetzung des Hauses keinen Erfolg. Indessen möchte ich dringend bitten, in redaktioneller Beziehung diese Tarife so zu fassen, wie mein Antrag sie vorschlägt. Der Ausdruck „Standeserhöhung“ mag bei dem alten Stempe gesetz von vor 70 Jahren gerechtfertigt gewesen sein, heute aber sind die Standesunterschiede aufgehoben, denn alle Preußen sind nach der Verfassung vor dem Gesetz gleich. Auch der letzte Ueberrest aus der Gesetzgebung früherer Zeit, daß Ehen von Adeligen mit Personen niederen Bürgerstandes ungültig sein sollen, ist bereits beseitigt. Standeserhöhungen giebt es heute nicht mehr. Ebensowenig kann man von Herzogswürde, Frei⸗ herrnwürde sprechen. Das sind keine Wuͤürden, sondern Titel. Früher konnte der Adelstitel aberkannt werden, wie heute die bürger⸗ lichen Ehrenrechte. Das Reichs⸗Strafgesetzbuch hat das aber abgeschafft. Wenn ein Herzog stiehlt oder unterschlägt, so behält er den Titel „Herzog“ bei, ebenso wie Schulze oder Müller es sich gefallen lassen müssen, wenn ihr Namensvetter stiehlt oder unterschlägt. Ich meine auch nicht, daß jemand an Werth gewinnt, der einen Adelstitel erhält. Wer seiner Väter gern gedenkt, der behält den Namen, mit dem er auf die Welt gekommen ist, mag er bürgerlich oder adelig sein. Wenn aber diese Ausdrücke hier beibehalten werden, so werden sich die Bürger mit Recht gekränkt fühlen.
Der Antrag wurde abgelehnt und die Position ohne Veränderung genehmigt.
Zur Tarifstelle 72, betreffend die Versicherungs⸗ policen, und zwar die Lebens⸗ und Rentenversicherungen, die Unfall⸗, Haft⸗ und Transportversicherungen und die Ver⸗ sicherungen gegen andere Gefahren (Feuer⸗, Hagel⸗, Vieh⸗ versicherungen u. s. w.), lag ein Antra g der Abgg. Broemel (fr. Vg.) und Gothein (fr. Vg.) vor, welcher die Befreiung der Transportversicherungspolicen von der Stempelsteuer bezweckte. G“ C11M“