Der Weizen steht im allgemeinen besser als der Roggen. In mehreren Gouvernements 2 größere mit Wintergetreide bebaute Flächen umgepflügt werden. Im Gouvernement Lublin allein wurden die betreffenden Flächen auf nahezu 12 000 Deßjätinen geschätzt. Der Graswuchs ist namentlich an höher gelegenen Orten wenig entwickelt.
Auch in den Gouvernements Wilna, Kowno und Grodno ist der Stand der Wintersaaten infolge des anhaltenden Regenmangels wenig befriedigend.
. Besonders sollen die Felder im Gouvernement Grodno gelitten haben, wo über 10 % der Saaten zu Grunde gingen. Wenn auch die trockene Witterung eine frühe Bestellung der Felder ermöglichte, so ist dieselbe doch der Entwickelung der Sommersaaten hinderlich gewesen. So ist z. B. im Gouvernement Wilna der Hafer zum großen Theil garnicht aufgegangen. In Grodno steht nur der Roggen etwas besser, der Stand der übrigen Sommersaaten ist unbefriedigend, während dieselben im Gouvernement Kowno sich infolge endlich eingetretenen Regens gebessert haben. 1
m zentralen und östlichen Rußland ist der Schnee spät fort⸗ gethaut und dadurch das Wachsthum der Saaten aufgehalten worden. Dazu kommt, daß die fast zwei Monate anhaltende Trockenheit, ver⸗ bunden mit Hitze und starken Winden, den Boden ausgedörrt hat. Der Saatenstand ist daher allgemein um mehrere Wochen gegen den Durchschnitt zurück und bedarf dringend warmen Regens. B
In Südwestrußland und den kleinrussischen Gouvernements sind die endlich eingetretenen warmen Niederschläge sowohl den Winter⸗ wie den Sommersaaten ungemein förderlich gewesen, sodaß die Felder plötzlich ein freundlicheres Aussehen erlangt haben. Am günstigsten lauten die Nachrichten aus den Gouvernements Podolien und Poltava, weniger gut aus Wolhynien und Tschernigow, wo man sich mit dem Ersatze der zu Grunde gegangenen Wintersaat durch Sommerung sehr verspätet hat. 8 1 b
In den südlichen Gouvernements soll der Stand der Felder im allgemeinen befriedigend sein. Dasselbe gilt von dem Dongebiet und dem nördlichen Kaukasus. Im Kuban⸗ und Terekgebiet erwartet man eine frühe und gute Ernte des Wintergetreides. Das Sommerkorn ist überall gut aufgegangen. Auch in den Gouvernements Tiflis, Elisabethpol und Erivan sowie in dem Gebiet von Kars stehen Winterweizen und Gerste recht gut, und die Sommersaaten, die unter günstigen Witterungsverhältnissen beendigt wurden, entwickeln sich kräftig. In dem Gouvernement Zutais ist die Witterung der Aussaat des Mais günstig gewesen, und hat sich die Anbaufläche infolge der hohen Preise dieser Getreidefrucht bedeutend vergrößert.
Verdingungen im Auslande.
Italien. 1— II. Marine⸗Dep. in Neapel: Lieferung von
2. 2 Uhr. Voranschlag 64 000 Fr. Prov.
80 000 kg rothem Manilla⸗Hanf. ransch 00 Fr. Kaution 6400 Fr. Kosten 1600 Fr. Def. Zuschlag 10. Juli Mittags. 25. Juni, 2 Uhr. Taback⸗Manufaktur in Rom: Lieferung von Schachteln aus einfarbigem leichten Karton für je 10 Ziga⸗ Prov. Kaution 6000 Fr. 25. Juni, 3 Uhr. Artillerie⸗Direktion Neapel: Lieferung von 7500 kg weichem Stahl 2000 kg hartem Stahl. Voranschlag 7500 Fr. 570 Fr. Lieferzeit 50 Tage. 1“ 1 . 25. Juni, 5 Uhr. Artillerie⸗Direktion des Arsenals in Turin: Lieferung von 2000 Feilen. Voranschlag 2100 Fr. Prov. Kaution 210 Fr. Lieferzeit 30 Tage.
Spanien. 4. Juli, 2 Uhr.
der Schiffswerft in in Masseln und Prov. Kaution
Marine⸗Ministerium in Madrid: Lieferung eines Panzerthurms, der Transmissionsröhren u. s. w. für den Kreuzer Lepanto. Annäherndes Gewicht 34 900 kg Stahl oder Nickel. Aus⸗ kunft bei der genannten Behörde. Niederlande. 1 8 24. Juni, 2 ½ Uhr. Direktion der holländischen Eisenbahnen, Zentral⸗Personenbahnhof, Bureau am Wartesaal III. Klasse. Her⸗ stellung eines Viadukts über den „Oost Blommerdijkschenweg“ nebst Anschlußarbeiten. Unterbau 19 700 Fl.; Oberbau 17 100 Fl. 27. Juni, 11 Uhr. Direktor und Kommandant der Marine in Amsterdam: Lieferung von eichenen Balken und Planken ꝛc., Eschen, Ulmen und Baumstämmen, sowie verschiedenartigen Holzwaaren, Eisen und Stahl, Kupfer und anderen Metallwaaren, ledernen Treibriemen, Pinseln, Feilen, Gaskoks, Terpentin, Lack und Firniß, Oelen, Bleiweiß, grüner Seife, Glas und elektrischen Apparaten, in 50 Loosen. Bedingungsheft liegt zur Einsicht bei dem Marine⸗ Ministerium im Haag, bei den Marine⸗Direktionen zu Amsterdam, Willemsoord und Hellevoetsluis ꝛc, aus und ist bei Franko⸗Anfrage gegen Bezahlung von 20 Cents erhältlich beim Haupt⸗Ingenieur der Marine in Amsterdam. 8 27. Juni, 11 ½ Uhr. Marine⸗Direktion zu Hellevoetsluis: Lieferung von Garn, Hanf, Flaggentuch, Leinen, Schwimmgürteln, Brandlöschartikeln, emaillierten Eisenwaaren, Besen, Feldf aschen, Linoleum, Tischgeräthschaften, Papier⸗ und Schreibmaterialien, Tannenmasten und verschiedenen Holzwaaren, ledernen Treibriemen, Feilen, Pech, Gaskoks, Mineralöl, Bleiweiß, Maurermaterialien, elektrischen Apparaten ꝛc., in 65 Loosen. Bedingungsheft liegt zur Einsicht beim Marine⸗Departement im Haag, bei den Marine⸗Direk⸗ ttiponen zu Amsterdam, Willemsoord und Hellevoetsluis ꝛc. aus und ist bei Franko⸗Anfrage gegen Bezahlung von 20 Cents erhältlich bei der „Griffie der directie der marine in Hellevoetsluis“. Rumänien. 1. Juli, 4 Uhr. Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Bukarest;: Herstellung der gemauerten Pfeiler der Brücken von Cratua. Voranschlag 115 500 Fr., Def. Kaution 6 % des Sub⸗ missionsbetrages. 24. Juli, 10 Uhr. Asphaltierungsarbeiten am 164 864 Fr. Kaution 8000 Fr.
Theater und Mufik.
„Die Flottenschau“, „Charakterstück zur Eröffnung des Nord⸗Ostsee⸗Kanals, komponiert von Franz Kullak“, ist der Titel eines soeben bei C. A. Challier hierselbst erschienenen Werkes. Dem vorgeschrittenen Spieler wird dieses in energischem Marschtempo gehaltene, tonmalerisch geschickt ausgeführte Klavierstück willkommen sein; besonders zu empfehlen ist das vierhändige Arrangement, welches sich leichter spielt. Auch die Bearbeitung für Militärmusik von C. Freese dürfte in den öffentlichen Konzerten bald zu Gehör gebracht werden. Die Ausstattung ist glänzend.
Kommunalverwaltung von Bukarest: Boulevard Coltzea. Voranschlag
Seine Hoheit der Herzog von Anhalt hat, wie der „Anhaltische Staats⸗Anzeiger“ meldet, dem Intendanten Kammerherrn von Vignau den erbetenen Abschied ertheilt und die Führung der Intendanz⸗Geschäfte der Hofkapelle und des Hoftheaters in Dessau dem Intendanz⸗Rath Diedicke, unter Reaktivierung desselben, übertragen.
Mannigfaltiges.
Am 15. d. M. fand in den Geschäftsräumen, Wilhelmstraße 73, die Generalversammlung des Preußischen Vereins zur pütess im Felde verwundeter und erkrankter Krieger tatt. In Abwesenheit des verhinderten Ersten Vorsitzenden Fürsten Otto zu Stolberg⸗Wernigerode leitete die Versammlung der Erste stellvertretende Vorfigende Kammerherr B. von dem Knese⸗ beck. Derselbe erstattete den Rechenschaftsbericht über die Wirksamkeit des Vereins seit der vorjährigen Generalversammlung. Die rechnerisch nach den Belägen geprüfte, von den Revisoren durch⸗ gesehene Jahresrechnung pro 1894 wurde unter Ertheilung der Ent⸗ lastung genehmigt. Sodann wurden die Revisoren der Rechnung für das laufende Jahr 1895 gewählt.
Der Wirkliche Geheime Ober⸗Baurath Baensch, vortragender Rath im Ministerium der öffentlichen Arbeiten und technischer Referent
im Reichsamt des Innern für den Bau des Nord⸗Ostsee⸗Kanals, den derselbe von Beginn an geleitet hat, wurde von dem Berliner Architektenverein zum Ehrenmitglied ernannt und ihm das Diplom am Sonntag feierlich überreicht.
ür die Zeit der großen Schulferien, vom 52 Juli bis 13. August d. J., werden für den Verkehr von Berlin Schlesischer Bahnhof, Görlitzer Bahnhof, Stektiner Bahnhof, Nordbahnhof, Anhalter Bahnhof, Lehrter uptbahnhof, Pots⸗ damer Hauptbahnhof, Wannseebahnhof, Potsdamer Bahnhof, Ringbahn, sowie von den Stadtbahnstationen Charlottenburg bis Jannowitzbrücke nach den Vororten und zurück besondere Ferien⸗Stamm⸗ und Nebenkarten II. und III. Klasse unter denselben Bedingungen wie Monatskarten verausgabt. Diesen Fexien⸗ karten ist der tarifmäßige Preis der Monatskarten zu Grunde gelegt, zu welchem ein geringer fester Zuschlag für die den vollen Monat überschreitende Zeit zur Erhebung kommt. Die Verausgabung dieser Ferienkarten erfolgt vom 28. Juni bis 30. Juli d. J. bei den Fahr⸗ karten⸗Ausgabestellen der vorbezeichneten Stationen.
Die ersten Ferienkolonien haben Berlin bereits verlassen. Es wurden der „Nat.⸗Zig.“ zufolge entsandt: 40 Kinder nach Kösen, 25 Kinder nach Frankenhausen, 16 nach Harzburg, 25 nach Pyrmont und 25 nach Kammin.
Posen, 17. Juni. Gestern fand in Gnesen die feierliche Enthüllung des Kaiser Friedrich⸗Denkmals, verbunden mit dem 7. Provinzial⸗Landwehrfest, statt. Erschienen waren dem „Posener Tagebl.“ zufolge die kommandierenden Generale des V. und II. Armee⸗ Korps, General von Seeckt und General von Blomberg, der Ober⸗Prä⸗ sident der Provinz Posen Freiherr von Wilamowitz⸗Möllendorf, der Regierungs⸗Präsident von Tiedemann sowie die Spitzen der Behörden und der Geistlichkeit. Nach der Festrede, die mit einem begeistert auf⸗ genommenen Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König schloß, fiel auf Befehl des Ober⸗Präsidenten die Hülle des Denkmals, während die Nationalhymne angestimmt wurde.
Remscheid. Der Vorstand der Sektion V der Rheinisch⸗ Westfälischen Maschinenbau⸗ und Kleineisenindustrie⸗ Berufsgenossenschaft hierselbst erläßt folgendes Preis⸗ ausschreiben für eine Schutzvorrichtung an Excenter⸗, Schrauben⸗ und Friktionspressen sowie an Fall⸗ hämmern: „‚Zum Zweck der Erlangung von Konstruk. tionen einer Schutzvorrichtung, durch welche verhindert wird, daß die Finger der Arbeiter durch die bewegten Preß⸗ stempel der Excenter⸗, Schrauben⸗ und Frittionspressen sowie durch den Bären an Fallhämmern verletzt werden, wird ein Gesammtpreis von 500 ℳ unter folgen Bedin⸗ gungen ausgesetzt: 1) Die Vorrichtung muß in sicherer Weise ver⸗ hindern, daß die Finger der Arbeiter bei der Bedienung der Maschine von dem niedergehenden Preßstempel oder Bär gegen die Unterlage (Sattel. Saum, Patrize und dergl.) gequetscht wird. 2) Die Vorrichtung muß an vorhandenen Maschinen bequem an⸗ zubringen sein, wobei in erster Linie die in der Kleineisen⸗ industrie (Schloß⸗, Schlittschuh⸗, Charnier⸗, Stahlwaarenfabrikation und dergl.) benutten in Betracht kommen. 3) Zugelassen zur Preis⸗ bewerbung sind alle den Bedingungen entsprechende Konstruktionen, gleichviel ob dieselben bereits bekannt und in Anwendung sind oder nur in Modellen oder Zeichnungen vorliegen. 4) Die Vorrichtung ist durch Modell oder Zeichnung mit Beschreibung klar und deutlich dar⸗ zustellen. 5) Die Einsendung der Darstellung der Vorrichtung hat bis zum 1. November 1895 an den Vorstand der Sektion V der Rheinisch⸗Westfälischen Maschinenbau- und Kleineisen⸗ industrie⸗Berufsgenossenschaft in Remscheid postfrei zu er⸗ felgen. Die Darstellungen dürfen den Namen und Wohn⸗ ort des Einsenders nicht enthalten, sind dagegen mit einem Kennwort zu versehen. In einem mit gleichem Kennwort versehenen, verschlossenen Briefumschlag sind die Angaben über Namen und Wohnort des Einsenders beizufügen. 6) Wenn die Vorrichtung ge⸗ setzlich geschützt ist (durch Patent, Gebrauchsmuster oder dergl.), so ist auf der Darstellung ohne nähere Bezeichnung der Vermerk anzubringen „Gesetzlich geschützt. 7) Die mit einem Preis ausgezeichneten Dar⸗ stellungen werden Eigenthum der Sektion N der Rheinisch⸗Westfälischen Maschinenbau⸗ und Kleineisenindustrie⸗Berufsgenossenschaft. Das Recht der gewerblichen Verwerthung der Vorrichtung bleibt dem Einsender überlassen. 8) Für die besten Vorrich⸗ tungen werden Preise von 50 bis 200 ℳ im Gesammtbetrage von 500 ℳ ausgesetzt. Die Vertheilung der Preise erfolgt durch ein Preisgericht, dem das Recht zusteht, die Vertheilung nicht zu bewirken, wenn keine der Vorrichtungen den Bedingungen entspricht. 9) Das Preisrichteramt üben die Vorstandsmitglieder der Sektion v der Rheinisch⸗ Westfälischen Maschinenbau⸗ und Kleineisenindustrie⸗Berufsgenossen⸗ schaft aus. 10) Der Vorstand der Sektion V der genannten Ge⸗ nossenschaft behält sich vor, die eingesandten Darstellungen der Vor⸗ richtungen während 14 Tagen öffentlich auszustellen und dutch Druck zu veröffentlichen.“
Bamberg, 18. Juni. Ein unter Dach gebrachter dreistöckiger Neubau in der Poedeldorfer Straße, im neuen Viertel hierselbst ist, wie „W. T. B.“ meldet, gänzlich in sich zusammengestürzt. Dabei wurden eine Person getödtet, acht Personen schwer und acht andere leicht verletzt.
London, 17. Juni. Bei der heutigen Fortsetzung der Ver⸗ handlung über die Katastrophe der „Elbe“ erkannte nach dem Bericht des „W. T. B.“ der Gerichtshof den Steuermann der „Crathie“ in erster Linie für schuldig an dem Zusammenstoß, weil kein richtiger Ausguck gehalten wurde; dennoch hätte der Zusammenstoß durch den Offizier der „Elbe“ vermieden werden können, wenn dieser die Maschine gestoppt hätte, sobald die Gefahr eines Zusammenstoßes bemerkt wurde. Der siebente Punkt des ge⸗ richtlichen Erkenntnisses betrifft das Verhalten des Kapitäns der „Crathie“ nach dem Zusammenstoß und spricht ihn von Schuld frei, da nur die Lichter brannten und die „Elbe“ kein weiteres Signal von ihrer Lage gab. Zumal die „Crathie“ ein viel kleineres Schiff war und sich selbst in ernst⸗ licher Gefahr befand, weil Wasser eindrang, so war es ihre erste Pflicht, auf die Rettung des eigenen Schiffes bedacht zu sein; auch war das Herunterlassen von Booten bei dem hohen See⸗ gang gefährlich, wie aus dem Kentern des Rettungsboots der „Elbe“ sich ergiebt, welches viel größer war als irgend ein Boot der „Crathie“. Die beiden Schlußpunkte des Urtheils besagen, daß die „Crathie“ nicht mit strenger seemännischer Sorgfalt gesteuert wurde. Die Schuld trage der Steuermann allein; diesem wurde deshalb das Steuer⸗ mannspatent entzogen.
Belgrad, 18. Juni. Gestern Abend 9 Uhr fand neuerdings eine leichte Erderschütterung statt.
New⸗YPork, 17. Juni. Der am 16. Juni aus London hier an⸗ gekommene Dampfer „Ontario“ meldet, daß er am 14. d. M. auf dem 61. Grad östlicher Länge den Red⸗Star⸗Dampfer „Noord⸗ land“ angesprochen habe, der am 12. d. M. auf der Fahrt na Antwerpen mit dem Dampfer „Deutschland“ zusammenstieß, wobe letzterem zwei Bugplatten eingedrückt wurden. „Noordland“ habe signalisiert: „An Bord alles wohl.“
Nach Schluß der Redaktion eingegangene
Depeschen.
Wien, 18. Juni. (W. T. B.) 1
heute Vormittag den Minister⸗Präsidenten Fürste grätz in besonderer Audietrnz.
Der Kaiser empfing disch⸗
n 1 G1
Im Abgeordnetenhause beantragte heute 5 Jung⸗ czeche Kaizl unter Hinweis auf die parlamentarische Lage, die Sitzungen so lange zu unterbrechen, bis die Krisis beig elegt oder eine provisorische Abmachung aller Par⸗ teien uͤber die Fortführung der Staatsgeschäfte getroffen worden sei. Der Antrag wurde in namentlicher Abstimmung mit 144 gegen 63 Stimmen abgelehnt. Die Abgg. Foregger, Krans, Merr⸗ und Genossen beantragten, die Ge⸗ schäftsordnungssprache dahin abzuändern, daß als Ver⸗ handlungssprache des Hauses die deutsche Sprache fest⸗ gestellt werde. Der Antrag wurde dem Geschäftsordnungs⸗ ausschuß zugewiesen. Sodann wurde die Debatte über die Steuerreformvorlage fortgesetzt.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)
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F
in 0 Celsius
red. in Millim. Temperatur 50 C. = 40 Rl.
Bar. auf 0 Gr. [u. d. Meeressp.
3 halb bed.
5 bedeckt
1 Dunst
4 wolkig
2 heiter
4 bedeckt
1 Regen
1 bedeckt
3 halb bed. stib bedeckt
1 wolkig
1 halb bed.
1 wolkig
1 halb bed.
3 halb bed.
2 beiter
1 wolkig
1 heiter
2 bedeckt still bedeckt
3 wolkig
NEEe Aberdeen. — Christiansund Kopenhagen Stockholm aranda St. Petersburg 1ö1X““ Cork, Queenstown Cherbourg Helder Sylt Hamburg Swinemünde Neufahrwasser. Memel Paris.. Münster. Karlsruhe Wiesbaden München Chemnitz 3Z wolkenlos Jb q.4“ Awolkenlos Wien.. 88 still wolkenlos Breslau. 6“ 2 wolkenlos Ile d'Aix 8 4 bedeckt 14“X“ 1 bedeckt 15 ““ 63 stil heiter 8 Uebersicht der Witterung. Der Luftdruck ist hoch nur über Nordrußland und in einem von Lappland über das östliche Zentral⸗Europa nach der Balkanhalbinsel und Italien sich erstreckenden Gebiete. Minima unter 755 mm liegen über Südschottland und dem Biscayasee. Bei schwachen, meist süd⸗ lichen Winden ist in Norddeutschland am Morgen das Wetter vor⸗ wiegend heiter und kühl, im Süden wolkig mit nahezu normalen Wärmeverhältnissen. Im nordwestlichen Deutschland fiel vielfach Regen. Zunächst etwas wärmeres Wetter mit Gewitterregen für das westliche eutschland wahrscheinlich.
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Deutsche Seewarte.
Theater⸗Anzeigen.
Berliner Theater. Mittwoch: Der Geizige. — Der ungläubige Thomas. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Madame Saus⸗Géene. 1
Freitag (40. und letzte Abonnements⸗Vorstellung): Der Geizige. — Der ungläubige Thomas.
Neues Theater. Schiffbauerdamm 4 a. /5. Mittwoch: Ensemble⸗Gastspiel der Mitglieder des Carl Schultze⸗Theaters (Ham⸗ burg) unter Leitung des Direktors José Ferenczy. Tata⸗Toto. Vaudeville in 3 Akten nach Bilhaud und Barré von Victor Léon und F. Zell. Musik von Antoine Banés. Anfang 7 ½ Uhr.
Donnerstag: Tata⸗Toto.
Theater Unter den Linden. Bebrenstr. 55/57. Direktion: Julius Fritzsche. Mittwoch: Miß Helyett. Vaudeville⸗Operette in 3 Akten von Maxime Boucheron. Deutsch von Richard Gense. Musik von E. Audran. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 ¼ Uhr.
Donnerstag: Miß Helyett.
Schluß der Saison: 30. Juni. Wiedereröffnung: 1. August 1895.
1““ 5
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Elisabeth von Heister mit Hrn. Lieut. August von Flotow (Hannover). — Frl. Marie Heiligtag mit Hrn. Ritterguts⸗ besitzer Willy Großkopf (Pasewalt⸗Maßlow). 6
Verebelicht: Hr. Hauptmann Albrecht Graf Finck von Finckenstein mit Editha Freiin von Buddenbrock (Frankfurt a. O.). — Hr. Ernst von Meltzing mit Frl. Anna von Burkersroda (Halle a. S.)
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Major Stern von Gwiazdowski (Itzehoe). — 8 Landrath von Zanthier (Franzburg). — Hrn. Siegfrie'd von Grolman (Reinshain N.⸗Schl.]. — Hrn. Major von Kries (Kulm). — Eine Tochter: Hrn. Major Hans von Grawert (Braunschweig). — Hrn. Hauptmann Bucher (Marien⸗ berg). — Hrn. Lieut. d. R. Rücker (Klein⸗Flottbeck). — Hrn. Rittmeister von Graevenitz (Gnesen). AI
Gestorben: Fr. Marie von Zadow, geb. von Puttkamer (Alt⸗ Wuhrow). — Hr. Pastor emer. J. Kraft (Bad Boll i. Württem⸗ berg). — Hr. Oberführer Edwin Frhr. von Manteuffel 4 Salam). — Fr. Konsistorial⸗Rath Julie Wilhelmi, geb. Wend⸗ hausen (Klützow). — 5 Sanitäts⸗Rath Dr. H. Doering Sohn Heinrich 8 — Hr. Rektor Hermann Hildebrandt ( erlin). — Hr. Polizei⸗Rath a. D. Oskar Hille (London).
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Verantwortlicher Redakteur: Siemenroth in Berlin. Verlag der Expedition (Scholz) in Berlin. ck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, e Berlin SW., Wilhelmstraße 32. Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),
sowie die Inhaltsangabe zu Nr. 6 des öffentlichen Au (Kommanditgesellschaften auf Aktien und Aktiengesellscha für die Woche vom 10. bis 15. Juni 1895.
“ 8
erfüllung dieser Bestimmung Ordnungsstrafen an.
Anzeiger und Königlich Preußis
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
76. Sitzung vom Montag, 17. Juni. Ueber den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden. 1 Die Berathung des Entwurfs eines Stempelsteuer⸗ gesetzes wurde fortgesetzt. Zu § 3, welcher von den all⸗ gemeinen Grundsätzen über die Stempelpflichtigkeit handelt, lagen die bereits erwähnten Anträge der Abgg. Kirsch (Zentr.) und Jansen (Zentr.) vor.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Ich bitte das hohe Haus dringend, diese Anträge abzulehnen; sowohl diesen Antrag als die Konsequenzen desselben, die in dem zweiten Antrag enthalten sind. Die Frage ist in der Kommission ganz ausführlich erörtert worden, und man hat sich da allseitig über⸗ zeugt, daß diese Anträge in keiner Weise annehmbar sind.
Meine Herren, zuerst bemerke ich, daß wir hier auf dem Boden des geltenden Rechts stehen, und daß die Bestimmung, nach welcher bedingte Verträge stempelpflichtig sind wie unbedingte Verträge, lediglich eine Konsequenz des Urkundenprinzips ist. Aus dem Urkunden⸗ prinzip, wo die Urkunde zur Versteuerung gelangt, aber nicht das Ge⸗ schäft, folgt von selbst, daß die bedingten Verträge wie unbedingte behandelt werden müssen. Aber weiter, wenn Sie hier unterscheiden wollen zwischen Resolutivbedingungen und Suspensivbedingungen, so fordere ich alle Juristen hier im Hause auf, ob sie mir die Frage nicht mit „Ja“ beantworten, daß eine sehr geringe Kunst dazu gehört, für jeden Juristen, in Form der Suspensivbedingungen auszudrücken, wenn es sich eigentlich materiell um Resolutivbedingungen handelt. Es würden deshalb die bedingten Verträge überhaupt vorläufig frei werden. Dann ist die Sache praktisch garnicht auszuführen; denn die Erfüllung oder Nichterfüllung, der Eintritt oder Nichteintritt der Be⸗ dingungen liegt ganz außerhalb der Kontrole der Behörden, und des⸗ halb ist die Hinweisung des Herrn Dr. Stephan auf § 16 ganz un⸗ zutreffend, weil es sich dort immer um Genehmigungen handelt, welche entweder von einer Gerichts⸗ oder einer Verwaltungsbehörde ausgehen müssen, in einem solchen Fall die Kontrole also von selbst gegeben ist. Endlich würde ja die ganze Bestimmung, daß Verträge regelmäßig 14 Tage nach ihrer Errichtung zu versteuern sind, hier in Wegfall kommen. Früher allerdings — das muß ich zugeben — ist durch die Bestimmung, daß auch dann, wenn die Suspensivbedingung eintritt — und der Herr Vorredner hat ein solches Beispiel angeführt, ein Beispiel, wo der Prozeß allerdings nur durch die gänzliche Unkenntniß des Notars in Beziehung auf das geltende Recht entstanden sein kann, — früher konnten allerdings erhebliche Härten eintreten, aber jetzt, wo in diesem Gesetz der Finanz⸗Minister ermächtigt ist, hinterher bei der Nichtausführung des Vertrags den Stempel zu erlassen, fällt ja eben diese Härte weg; für diese Fälle sind gerade diese Bestim⸗ mungen gegeben. Aber unbedingt hier den Finanz⸗Minister durch Gesetz zu zwingen, in allen solchen Fällen den Stempel zu erlassen, würde auch nicht zutreffen; denn es kommt ja mannigfach vor, daß der Eintritt der Suspensivbedingungen absichtlich durch den Inter⸗ essenten verhindert wird und auch verhindert werden kann. Es kann sehr wohl eine Suspensivbedingung von der Beschaffenheit sein, daß es von dem freien Willen der betreffenden Kontrahenten abhängt, ob sie eine solche Bedingung zur Erfüllung bringen wollen oder nicht. Hier ist das Ermessen im einzelnen Fall durchaus angebracht. Wäre in Zukunft nach Publikation des Gesetzes die Sache so, wie sie in dem Beispiel des Herrn Antragstellers liegt, so würde zweifellos der Finanz⸗Minister in einem solchen Falle den Stempel hinterher erlassen. Ich glaube daher nur bitten zu können, wenn Sie nicht eine wesentliche Lücke und Inkongruenz in das ganze Gesetz hineinbringen wollen, diese Unterscheidung zwischen Resolutiv⸗ bedingung und Suspensivbedingung fallen zu lassen, und den Antrag, wie es die Kommission gethan hat, abzulehnen.
Abg. Winckler (kons.) erklärte, seine politischen Freunde würden gegen die vorliegenden Anträge stimmen aus den Gründen, welche der Herr Finanz⸗Minister erörtert habe.
Abg. Kirsch (Zentr.) begründete seinen Antrag auf Streichung des ersten, einleitenden Absatzes des § 3, der nicht in ein Gesetz passe und zudem in vielen Fällen unzutreffend sei.
Abg. Schmidt⸗Warburg (Zentr.) führte aus: da es sich um die Schaffung eines ganz neuen Gesetzes handele, so brauche man kein Bedenken zu tragen, sich mit dem geltenden Recht in Widerspru zu setzen. Dies geschehe thatsächlich an vielen Stellen des Gesetzes. Man müsse hier den Grundsatz befolgen: in dubio contra fiscum.
Abg. Klasing (kons.): Die Kommission habe keineswegs den entgegengesetzten Standpunkt vertreten; sie habe versucht, allen Gesichts⸗ punkten gerecht zu werden. Es sei doch nicht zu verkennen, daß das Gesetz im Vergleich zu dem geltenden Recht manche Erleichterungen einführe, namentlich durch die Erweiterung des Rechtsweges und Zu⸗ lassung desselben mit suspensiver Wirkung bei allen Arten don Stempeln. Demgegenüber müsse man an den Bestimmungen des § 3 festhalten.
Die Anträge wurden abgelehnt und § 3 nach dem Kommissionsvorschlag angenommen.
Der § 4 handelt von den befreiungen.
„Albg. Mies (Zentr.) beantragte, auch Abschriften, Aus⸗ züge und Bescheinigungen jeder Art aus den bei der Kataster⸗ verwaltung geführten bezw. aufbewahrten Kartenurkunden und sonstigen Schriftstücken von der Stempelsteuer zu befreien.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meeine Herren! Ich habe gegen die Annahme beider Anträge nichts zu erinnern. (Bravo!)
Hierauf wurde der § 4 mit dem vom Abg. Mies bean⸗ tragten Zusatz und einer vom Abg. Kirsch vorgeschlagenen redaktionellen Aenderung angenommen.
Der 8 7 legt den Steuerpflichtigen die Verbindlichkeit auf, den Steuerbehörden oder den zur Ein iehung oder Ver⸗ wendung des Stempels sonst verpflichteten Behörden oder Be⸗ amten Auskunft über den Werth des Gegenstandes zu geben owie Urkunden vorzulegen, und droht für den Fall der Nicht⸗
sachlichen Stempelsteuer⸗
Er st e Beilag e
Berlin, Dienstag, den 18. Juni
8
Staats⸗Anzeiger 1895.
Hierzu lag ein Antrag des Abg. Schenck (fr. Volksp.) vor, der die Auskunftsertheilung nur den Steuerbehörden, nicht auch anderen Behörden gegenüber zur Pflicht macht und für den Fall der verweigerten Auskunft keine Ordnungsstrafe, sondern nur die Zahlung der durch die dann erforderliche amtliche Ermittelung entstehenden Kosten auferlegt.
„Die Abgg. Jansen und Stephan⸗Beuthen beantragten, die Verpflichtung zur Vorlegung von Urkunden zu streichen und zu bestimmen, daß die Ordnungsstrafen den Gesammt⸗ betrag von 60 ℳ nicht übersteigen dürfen.
Der Abg. Mies (Zentr.) endlich brachte den Antrag ein, die Kosten der Ermittelung nur dann dem Steuerpflichtigen aufzuerlegen, wenn der ermittelte Werth den vom Steuer⸗ pflichtigen angegebenen Werth um 20 Proz., nicht, wie in der Wergg⸗ bestimmt, um 10 Proz. übersteigt.
Abg. Jansen (Zentr.) begründete den ersten Theil dieses Antrags damit, daß nach der Fassung der Vorlage die Steuer⸗ pflichtigen zur Auskunftsertheilung über alle möglichen Verhältnisse angehalten werden könnten, deren Geheimhaltung ihnen von Werth sein könne.
Abg. Mies wies zur Begründung seines Antrags darauf hin, daß die Irrthumsgrenze namentlich bei Grundstückstaxen sehr leicht die Höhe von 10 % erreichen könne, ohne daß die Absicht der Steuer⸗ hinterziehung vorliege. Daber erscheine es ungerecht, in solchen Fällen die Last der Kosten dem Steuerpflichtigen aufzuerlegen.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich nehme an, daß die Anträge des Abg. Schenck noch aufrecht erhalten werden; ich werde mich daher bei dieser Ge⸗ legenheit gleich über dieselben erklären.
Wenn ich recht verstanden habe, so will der Herr Abg. Schenck die Bestimmung, daß die Steuerpflichtigen zur Ertheilung der er⸗ forderlichen Auskunft über den Werth des Gegenstandes verpflichtet sind, einschränken, indem er sagt:
Die Steuerpflichtigen sind zur Ertheilung der von den Steuer⸗ behörden erforderten Auskunft über den Werth des Gegenstandes verpflichtet.
Das ist aber doch nicht angängig; denn bei den Stempeln, die die Gerichte erheben, welche ja doch keine Steuerbehörden sind, muß doch dieselbe Verpflichtung bestehen. Aber noch weiter! Es dient geradezu zur Erleichterung des Publikums, daß z. B. die Eisenbahn⸗ verwaltung selbst die Stempel bei den Verträgen, die mit ihr ge⸗ schlossen werden, kassiert. Sie ist aber auch keine Steuerbehörde, sondern eben eine Eisenbahnbehörde. Dies selbe System soll sogar in Zukunft noch erweitert werden im Interesse des Publikums. Es ist also gar kein Grund vorhanden, und es wäre auch gar nicht er⸗ wünscht im Interesse der Steuerpflichtigen, diese hier fragliche Ver⸗ pflichtung nur den Steuerbehörden gegenüber zu bestimmen.
Dann will der Herr Abg. Schenck den Wegfall der Ordnungs⸗ strafen für den Fall, daß die Aufforderung, Auskunft zu ertheilen, nicht beachtet wird. Wenn Sie hier die Ordnungsstrafen weglassen wollen, dann können Sie die ganze Bestimmung streichen. Dann hängt es ja bloß von der Geneigtheit, von dem Wohlwollen des Be⸗ theiligten gegenüber dem Fiskus ab, ob er geneigt ist, Auskunft zu ertheilen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch gegen die Anträge des Herrn Jansen in Beziehung auf die Beschränkung der Ordnungs⸗ strafen auf einen Gesammtbetrag auf zwei Gesichtspunkte hinweisen.
Wo die Ordnungsstrafen zum Zweck haben, irgend eine Handlung eines Dritten zu erzwingen, kann man keinen Gesammtbetrag und namentlich nicht so niedrig wie hier fixieren, sondern wenn die erste Androhung der Strafe nicht befolgt wird und wenn selbst nach Ein⸗ ziehung der ersten noch mäßig bemessenen Ordnungsstrafen eine weitere Befolgung nicht stattfindet, so muß natürlich mit der Ordnungsstrafe so lange fortgefahren werden — das ist bei den Exekutivstrafen überhaupt der Fall, und die Ordnungsstrafe hat im wesentlichen die Natur einer Exekutivstrafe, — bis der Aufforderung Folge geleistet wird. Und zweitens — das möchte ich gerade dem Herrn Antragsteller Jansen und den übrigen Herren ans Herz legen —: Die Einführung der Ordnungsstrafen ist im großen Ganzen eine außerordentliche Erleichterung der Steuer⸗ pflichtigen gegenüber dem bisherigen Rechtszustand. Bisher hatte der Finanz⸗Minister nicht das Recht, Ordnungsstrafen zu erheben, er war bisher in allen Fällen gezwungen, das Strafverfahren einzuleiten. In Zukunft in den Fällen, wo es sich bloß um eine Fahrlässigkeit handelt, wo die Absicht einer Hinterziehung offenbar nicht vorliegt, wird der Finanz⸗Minister sich helfen können mit der Ordnungsstrafe; aber wenn Sie die Ordnungsstrafe so niedrig bemessen oder so beschränken wollen, daß der Finanz⸗Minister in vielen Fällen sich sagen muß: sie hat keine Wirkung —, so drängen Sie ihn damit gerade auf den Weg, den wir verlassen wollen, statt dessen wieder das gerichtliche Strafverfahren eintreten zu lassen. Ich bin durchaus überzeugt, daß diese Anträge gegen das Interesse der Steuerpflichtigen laufen.
Nun haben die Herren Jansen und Dr. Stephan noch beantragt, man solle die Verpflichtung, Auskunft zu ertheilen, nicht auf Vor⸗ legung von Urkunden ausdehnen. Herr Jansen meint, das wäre doch eine große Härte, wenn vielleicht der Steuerpflichtige dadurch bewogen würde, eine Urkunde vorzulegen, die nicht richtig versteuert sei. Aber auch solchen Fällen, wo jemand schon eine Urkunde in der Hand hat, bei welcher er den Stempel hinterzogen hat, kann man, glaube ich, keine entscheidende Bedeutung beilegen. Es kommen sehr viele Fälle vor, wo es selbst im Interesse der Steuerpflichtigen liegt, solche Urkunden vorzulegen. Denken Sie an den Fall, wo es sich um Fest⸗ stellung des Werths des Gegenstands des Vertrags handelt, dann wird es in sehr vielen Fällen im Interesse des Steuerpflichtigen selbst liegen — aber häufig sehen sie ihr eigenes Interesse nicht und weigern sich. Oft wird sehr erwünscht sein, daß er den Kostenanschlag vorlegt und dadurch von vornherein jede Differenz beseitigt; andererseits aber liegt es auch im Interesse der Steuerbehörden, auf solchen Urkunden die Bedeutung des zu besteuernden Betrags seinem Werthobjekt nach richtig zu erkennen. Man kann häufig die Be⸗
deutung einer Urkunde erst dann erkennen, wenn man das documentum relatum auch zu sehen bekommt, auf welches sich die zu behandelnde
Urkunde bezieht. Es giebt sehr viele Fälle, wo man nur klar wird
über den Gegenstand der Bestempelung durch Vorlagen von solchen Urkunden, die angezogen sind in dem zu bestempelnden Vertrag.
Ich möchte also bitten, auch diesen Antrag abzulehnen.
88 weiteren Verlauf der Debatte führte der Finanz⸗ Minister Dr. Miquel zu demselben Gegenstand noch folgendes aus:
Ich habe mich noch über den Antrag zu erklären, nach welchem den Steuerpflichtigen nicht mehr die Kosten der Werthsermittelung zur Last fallen sollen bei einer Differenz von 10 %. In dieser Be⸗ ziehung hat namentlich Herr Mies ausgeführt, daß doch bei solchen Taxationen sehr große Differenzen vorkommen und daß man sehr häufig in die Lage käme, bei ganz gutem Glauben einen geringeren Werth anzugeben, der 10 % den wirklichen Werth überschreite. Das kann bei Taxationen gewiß vorkommen. Wir haben aber 10 % an⸗ genommen, weil wir diese Bestimmung bereits im Erbschaftssteuergesetz haben. In dem § 21 des Erbschaftssteuergesetzes steht wörtlich dasselbe, was hier in der Regierungsvorlage gesagt ist — und
s ist doch nicht angängig, wenn bei den sehr viel schwierigeren Werths⸗ ermittelungen, die bei der Erbschaftssteuer vorkommen, im Gesetz die Grenze bei 10 % gezogen ist, hier sie auf 20 % zu besteuern. Wie macht sich in der Regel die Sache? Wenn die Steuerbehörde die Werthangabe des Steuerpflichtigen nicht anerkennt, so ermitteln wir den Werth in der Regel durch unsere steuerlichen Organe, und da entstehen überhaupt keine erheblichen Kosten. Würden Sie vor⸗ schreiben, daß gewissermaßen ein rein formales Verfahren stattfinden soll, wie es der Herr Vorredner beantragt hat in Bezug auf die Sach⸗ verständigen, dann können die Kosten allerdings sehr bedeutend werden, dann hört die Sache auf, ein Vorverfahren zu sein, sondern ist ein durchgeführtes Vorermittelungsverfahren, wie bei den Expropriationen im Verwaltungswege, und es können hier umsoweniger verkehrte An⸗ gaben des Steuerpflichtigen in Bezug auf Strafen und Kosten für bedeutungslos erklärt werden und die Kosten alle dem Staat zur Last fallen. Wenn wir z. B. verpflichtet werden sollen, jeden Sachverständigen, den der Steuerpflichtige vorschlägt, auf Staatskosten zu hören, so können dadurch allerdings ganz unnöthige und schwere Kosten dem Staat erwachsen. Das würde hier um so weniger berechtigt sein, weil der Rechtsweg ja in allen Fällen offen bleibt. Wenn das im Verwaltungs⸗ wege ausgeführte Vorverfahren in seinem Ergebnisse dem Steuerpflichtigen nicht gefällt, dann geht er einfach an die Gerichte, und die Gerichte entscheiden nach Maßgabe der Be stimmungen der Zivilprozeßordnung über die Frage, wem die Koste zur Last fallen. Es wäre garnicht einmal erwünscht, Schranken im Verwaltungsverfahren einzuführen; denn es wird in vielen Fällen gelingen, durch eine zweckmäßig Behandlung der Werthermittelung im Verwaltungswege die Noth wendigkeit kostspieliger Prozesse hintenanzuhalten. Darauf lege ich gerade das größte Gewicht, daß durch ein solches zweckmäßiges Ver fahren in dem wenig kostspieligen und nicht formalen Verfahren vor der Verwaltung in vielen Fällen eine Einigung über die Werthfrage stattfinden und der Prozeß vermieden wird.
Aus diesem Grunde bitte ich wiederholt, die Anträge des Herrn Schenck abzulehnen, ebenso den Antrag des Herrn Jansen. Wenn ich recht verstanden habe, hat Herr Parisius den ersten Antrag Schenck, der sich auf die Beschränkung der Auskunftsertheilung bei den Steuer⸗
behörden bezieht, aufgegeben; dann brauche ich darüber weiter nicht zu
sprechen. Ich glaube, die Kommissionsanträge sind durchaus zweckmäßig und führen zu einer Verringerung der Kosten, zu einer Abgrenzung des Verfahrens und in vielen Fällen zur Vermeidung von kostspieligen Prozessen.
Abg. Klasing (kons.): Der Antrag des Abg. Mies sei unan⸗ nehmbar; die Kommission habe 10 % als das Mindestmaß bezeichnet. Dem Antrag des Abg. Jansen werde er zustimmen, weil in einer Anzahl von Fällen amilienangelegenheiten urkundlich geordnet würden. Der Antrag des Abg. Schenck sei viel fiskalischer als die Kommissions⸗ fassung und technisch unmöglich.
Ahbg. Rickert (fr. Vg.) wünschte, daß der Antrag des Abg. Schenck zurückgezogen werde, weil er in der vorliegenden Form nicht annehmbar sei. Er könne in der dritten Lesung verbessert wieder ein⸗ gebracht werden. Den Stempelbehörden solche Rechte in die Hand zu geben, wie es die Kommissionsfassung thue, sei gefährlich. Dem Herrn Finanz⸗Minister würde Redner sie gern anvertrauen, weil er wisse, daß dieser viele Entscheidungen der Steuerbehörden gemildert habe, aber nicht den Stempelfiskalen in den Provinzen. Es bitte deshalb, den Antrag des Abg. Jansen anzunehmen.
Bbg. Parisius (fr. Volksp.) zog hierauf in Abwesen⸗ heit des Abg. Schenck den Antrag desselben zuruͤck.
Der Antrag des Abg. Mies wurde abgelehnt, der des Abg. Jansen gelangte zur Annahme.
Zu § 13 beantragte Abg. Krause (nl.), die in diesem Paragraphen statuierte Haftbarkeit der Beamten einschließlich der Notare für die Entrichtung der Stempelsteuer zu streichen.
Abg. Krause (nl.): Diese Bestimmung entspricht zwar dem geltenden Recht, ermangelt aber der innerlichen Berechtigung. Abg. Klasing (kons.): Auch wir sind der Ansicht, daß der be⸗ stehende Rechtszustand das Produkt einer überspannten Fiskalität ist. Die Bestimmung entstammt dem Gesetz von 1822. An sich haftet der Beamte ja, wenn durch seine Handlungsweise ein Schaden entsteht.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Wir haben doch nach den bisherigen Erfahrungen allen Grund, diese Bestimmung aufrecht zu erhalten. Im Großen und Ganzen kann man nicht sagen, daß alle Beamten auf die Frage der Stempelpflich⸗ tigkeit der Urkunden mit der Sorgfalt achten, wie das im Interesse des Staats nothwendig ist. Wenn es bisher schon mannigfach daran fehlt, so würde das in Zukunft, wenn sie überhaupt keinerlei Haft⸗ pflicht mehr haben, noch viel bedenklichere Dimensionen annehmen. Die Herren scheinen ausschließlich an die Notare zu denken, und ich glaube, das Interesse für die Beamten ist nur sekundär bei der ganzen Sache. (Sehr richtig! rechts. Oh nein! im Zentrum.) Aber auch von den Notaren kann man nach ihrer öffentlichen Stellung wohl annehmen oder verlangen, daß sie ein scharfes Auge auch auf die Interessen des Staats haben und nicht lax dabei verfahren. Wenn sie keinerlei Nachtheil dabei haben, dann wird diese Kontrole in
Zukunft vollständig wegfallen. Wenn hier gesagt wurde, die Notare