der Veräußerung des Flosses das fandrecht an diesem erlischt, haftet
der Veräußerer in Höhe des Erlöses persönlich. b
Eine nach dem bürgerlichen Rechte begründet; persönliche Haftung
des Eigenthümers des Floßes oder des Frachtflößers wird hierdurch nicht berührt.
Wird ein in Gefahr befindliches, von der Floßbesatzung ver⸗ lassenes Floß oder werden Theile eines Floßes, welche auf dem asser treiben oder 82 das 85 getrieben sind, geborgen, so hat der Berger Anspruch auf Bergelohn. 8 1
nsvench. außer 82. bezeichneten Fällen ein Floß durch die Hilfe dritter Personen aus einer Gefahr gerettet, so haben diese Anspruch auf Hilfslohn. 1.“
- 5 Besatzung des Floßes steht ein Anspruch auf Berge⸗ oder
ilfslohn nicht zu. Hilfslohn nicht z 88
In Ermangelung einer Vereinbarung wird die Höhe des Berge⸗ oder Hilfslohnes unter Berücksichtigung der Umstände des Falles durch das Gericht nach billigem Ermessen festgesetzt. 8 8
Der Berge⸗ und umfaßt zugleich die Vergütung für die Aufwendungen, welche zum Zweck des Bergens und Rettens ge⸗
ehen sind. 8 1 1 schchen se darin enthalten sind die Kosten und Gebühren der Behörden, die Kosten für die Aufbewahrung, Erhaltung, Abschätzung und Ver⸗ äußerung der geborgenen oder geretteten Gegenstände, sowie die auf diesen ruhenden Zölle und sonstigen Abgaben. 8
Bei der Bestimmung des Betrages des Berge⸗ oder Hilfslohnes
kommen insbesondere in Anschlag: der bewiesene Eifer, die verwendete Zeit, die geleisteten Dienste, die geschehenen Aufwendungen, die Zahl der thätig gewesenen Personen, die Gefahr, welcher dieselben ihre ihre Fahrzeuge oder ihre Geräthe ausgesetzt haben, sowie die
efahr, welche den geborgenen oder geretteten Gegenständen gedroht gef und der nach Abzug der Kosten (Absatz 3) verbliebene Werth
derselben. erselben § 26.
Haben sich mehrere be.rag an der Bergung oder Hilfeleistun betheiligt, so wird der Berge⸗ oder Hilfslohn unter dieselben na Maßgabe der persönlichen und sachlichen Leistungen der einzelnen vertheilt. Zur entsprechenden Theilnahme sind auch diejenigen berechtigt, welche sich in derselben Gefahr der Rettung von Menschen unterzogen
haben.
8 § 27. Auf Berge⸗ und Hilfslohn hat keinen Anspruch: 1) wer seine Dienste aufgedrungen, insbesondere wer ohne Er⸗ laubniß des anwesenden Floßführers das Floß betreten hat; 2) wer von den geborgenen “ Floßführer, dem Eigenthümer oder der zuständigen Behörde nicht sofort Anzeige ge⸗
macht hat.
Wegen der Bergungs⸗ und Hilfskosten, einschließlich des Berge⸗ und Hilfslohnes, steht dem Gläubiger an den geborgenen oder ge⸗ retteten Gegenständen ein Pfandrecht mit den im § 41 der Konkurs⸗ ordnung bezeichneten Wirkungen zu. Geborgene Gegenstände können bis zur Sicherheitsleistung zurückbehalten werden.
In Bezug auf die Verfolgbarkeit des Pfandrechts gegen dritte Besitzer finden die Bestimmungen des § 22 Abs. 2 und in Bezug
f die persönliche Verpflichtung des Eigenthümers des Floßes die Bestimmungen des § 23 Abs. 1 entsprechende Anwendung.
Die Pfandklage kann, so lange die geretteten Gegenstände noch nicht an den Empfänger ausgeliefert sind, gegen den loßführer ge⸗ richtet werden. Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirke die Bergung oder Hilfeleistung ftatigectadfg hat.
Die Pfandrechte für Bergungs, und Hilfskosten haben den Vor⸗ rang vor den Pfandrechten für Ansprüche wegen Beschädigung durch das Floß (§ 22). Unter mehreren Pfandrechten der ersteren Art geht das später entstandene dem früher entstandenen vor; mehrere Pfand⸗ rechte für Ansprüche wegen Beschädigung stehen im Range gleich.
Beide Arten von Pfandrechten gehen allen sonstigen Pfand⸗
Mit dem Ablauf eines Jahres verjähren: — “
1) die öffentlichen Abgaben für die Flößerei, insbesondere die Brücken⸗, Schleusen⸗, Kanal⸗ und Hafengelder;
2) die aus den ienftverkeägen herrührenden Forderungen des
loßführers und der Floßmannschaft; 8 bhh die Ersatzansprüche wegen Beschädigung durch ein Floß, sowie die Erstattungsforderung des Eigenthümers des Floßes gegen den Frachtflößer und gegen den Floßführer oder die Floßmannschaft (§ 22 Abs. 1); “
4) die Bergungs⸗ und Hilfskosten, einschließlich des Berge⸗ und
ilfslohnes; 1 5) die Forderungen des Frachtflößers wegen der Fracht mit Neben⸗
ebühren und Auslagen. —
Die Verjährung beginnt mit dem Schlusse des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist.
§ 31. .
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des (inführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungs⸗ gesetz dem Reichsgericht g 19
Der Bundesrath ist befugt, Bestimmungen über den Befähigungs⸗ nachweis der Floßführer zu treffen. Bezüglich der Flößerei auf Wasserstraßen, auf welchen eine regelmäßige Schiffahrt nicht statt⸗ findet, steht diese Befugniß der Landesregierung zu. 1
Wer den Bestimmungen zuwider das Gewerbe eines Floßführers ausübt, wird mit Geldstrafe bis g. “ Mark bestraft.
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1896 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer bE1.““ Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Fürst zu Hohenlohe.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
81. Sitzung vom Donnerstag, 27. Juni.
he den Beginn der Sitzung ist gestern berichtet worden.
Auf der Tagesordnung stand zunächst die zweite Berathung des Gesttzentwurses über die Verpflegungsstationen. In demselben hat die Kommission eine Reihe von Aenderungen vorgenommen, deren wesentlichste in der Einfügung eines Staats zuschusses von einem Drittel der Kosten (§ 3) besteht.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Da von dem Herrn Vorredner, anscheinend mit Zustimmung des Hauses, ausdrücklich der Wunsch ausgesprochen ist, will ich die Stellung der Staatsregierung zu § 3 hier gleich kenn⸗ zeichnen, zumal ich ja zugeben muß, daß diese Erklärung vielleicht prä⸗ judiziell erscheinen kann für die Mitglieder in ihrer Stellung zu den ersten Paragraphen des Gesetzes. Meine Herren, ich kann Sie nur bitten, den § 3 in der Kommissionsfassung abzulehnen und in der
Fassung der Regierungsvorlage wieder herzustellen. (Hört, hört!) Ich kann namens der Staatsregierung aussprechen, daß im anderen Fall das Zustandekommen des Gesetzes gefährdet sein würde. (Heiterkeit.)
Die Gründe für diese Stellungnahme der Staatsregierung liegen keineswegs in einem abgeschwächten Interesse für das Zustandekommen des Gesetzes überhaupt. Wir erblicken in den Zielen, welche dieses Gesetz verfolgt, eine sehr wesentliche sozialpolitische Aufgabe, und wir würden bedauern, wenn lediglich wegen dieses Anspruchs, der hier plötzlich seitens der Kommission an den Staat erhoben wird, das ganze Gesetz zum Scheitern käme. 8
Die Gründe, welche das Staats⸗Ministerium veranlassen, diese Stellung einzunehmen, sind folgende: Zuerst erscheint es bedenklich vom rein finanziellen Standpunkt aus, den Staat, nachdem er soeben, um die Aufgaben der Kommunen zu erleichtern, den Kommunen sehr bedeutende Einnahmequellen überwiesen und deren Selbstverwal⸗ tung durch die Hergabe dieser dem Staat bisher zu⸗ stehenden Einnahmequellen gestärkt hat, nunmehr wieder mit einer Ausgabe zu belasten von etwa 7⸗ bis 800 000 ℳ Ich glaube, daß das gegenüber der jetzigen Finanzlage des Staats am allerwenigsten berechtigt wäre. Aber, meine Herren, dies ist auch noch nicht einmal der Hauptpunkt für die Stellung der Staatsregierung. Nach der ganzen Konstruktion unserer Verwaltung und der Verthei⸗ lung der Aufgaben in unserer gesammten Verwaltung liegt die Fürsorge für Arme und Hilfsbedürftige in Preußen den Gemeinden, Kreisen und Provinzen ob, und der Staat hat sehr erhebliche Mittel in dieser Beziehung gerade den Pro⸗ vinzen früher bereits überwiesen. Der Staat als solcher hat bisher die Aufgabe, für diesen Verwaltungszweig einzutreten, nicht gehabt. Es wäre ein sehr bedenklicher Schritt, hier einen Anfang zu machen, wo man gar nicht weiß, zu welchen Konsequenzen das führen wird. Der Schritt würde um so bedenklicher sein gegenüber der vielfach hervor⸗ tretenden Tendenz, auch auf diesem Gebiete zu einer größeren Zen⸗ tralisation zu kommen und den Staat in diesen Verwaltungs⸗ zweig mehr und mehr hineinzuziehen, während wir bisher stets umgekehrt anerkannt haben in Uebereinstimmung mit dem Hause, und die Dotationsgesetzgebung auf diesen An⸗ schauungen beruht, daß auf keinem Gebiet eine zweckmäßige Dezentra⸗ lisation mehr angezeigt ist, als auf dem hier vorliegenden Gebiet der Fürsorge für Arme und Hilfsbedürftige. Wir widerstreben einer solchen Stellungnahme des Staats grundsätzlich. Meine Herren, wenn Sie vom Staat ein Drittel der Kosten verlangen, so ist die nothwendige Konsequenz, daß der Staat in die Lage kommt, diesen Zuschuß zu leisten, ohne auf die ganze Verwaltung einwirken zu können, oder dazu gedrängt wird, in dieser Ver⸗ waltung eine maßgebende Stellung einzunehmen, d. h. mit andern Worten, der Selbstverwaltung eine starke bureaukratische Beimischung zu geben. Schon nach den Beschlüssen der Kommission, obwohl sie selbst neben dem Verlangen, daß der Staat ein Drittel der Kosten tragen soll, noch bemüht gewesen ist, die Einmischung der Staats⸗ behörden auf diesem Gebiet möglichst zurückzudrängen, würde die Ein⸗ mischung des Staats immer noch eine ganz entscheidende sein und in ganz anderer Weise, in mehr egalisierender Weise gehandhabt werden müssen, als wenn der Staat finanziell dabei nicht interessiert ist. Es scheint fast so, als wenn in der Kommission die Zweifler wenigstens — ich will nicht sagen Gegner — an dem ganzen Prinzip dieses Gesetzes und die Freunde sich dadurch verständigt haben, daß sie den beliebten einfachen Ausweg gewählt haben, die Sache auf allgemeine Staats⸗ kosten zu werfen. Nach den langjährigen Erfahrungen, wie das in den Parlamenten gehandhabt wird, finde ich das ganz natürlich. Aber Sie können nicht erwarten, daß die Staatsregierung die gleiche Stellung einnimmt.
Aber noch weiter! In der Kommission wird selbst anerkannt, daß die Interessen der Provinzen an dieser ganzen Aufgabe durchaus ver⸗ schieden sind, daß die Ausgaben, die hier erwachsen werden, in den einzelnen Provinzen sich ganz verschieden gestalten werden. Ist dies richtig, dann ist die hier vorliegende Aufgabe ihrer Natur nach eine provinzielle, dann würde die Betheiligung des Staats, also der gesammten Kassen aller Provinzen, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, dahin führen, daß diejenigen Provinzen, welche geringe Ausgaben bei eigener Uebernahme der Gesammtleistungen haben würden, überlastet werden gegen diejenigen Provinzen, die nach ihren gesammten wirthschaftichen Verhältnissen eine höhere Laft zu tragen haben würden, wenn die Last allein Provinziallast wäre. Ich glaube — ich will in dieser Beziehung diesen Gesichts⸗ punkt nicht weiter ausführen —, es kann doch wohl keinem Zweifel unterliegen, daß diejenigen Landestheile, in denen sich die großen Arbeitermassen anhäufen, diejenigen Provinzen, in denen eine schwan⸗ kende Beschäftigung der Arbeiter in vorzugsweisem Maße vorhanden ist, daß diese durch eine Heranziehung des Staats entlastet würden gegenüber anderen Provinzen. Diese ganze Thätigkeit ist ihrer Natur nach eine provinzielle. Sie hängt auch mit den sonstigen Auf⸗ gaben der Provinzen so sehr zusammen, mit den Aufgaben, die die Provinz in der Haltung der Korrektionshäuser u. s. w. zu erfüllen hat, daß es durchaus nicht wohlgethan ist, hier den Staat hinein⸗ zuziehen.
Meine Herren, wenn ich nun alle diese Gesichtspunkte erwäge, so glaube ich, müssen Sie mir zugeben, daß hier die Ablehnung des Staatszuschusses seitens der Staatsregierung keineswegs beruht auf bloß fiskalischen, sondern auf allgemeinen sozialpolitischen Gesichts⸗ punkten und auf Gesichtspunkten, die sich aus unserer gesammten Ver⸗ waltungsorganisation ergeben. Wir wollen eben diesen ersten Schritt nicht thun, auch auf dieses Gebiet die Staatsgewalt auszudehnen, und wir würden auch sofort nach meiner Meinung genöthigt sein, im Interesse der Staatsfinanzen einen viel größeren Antheil an der Ver⸗ waltung dieser Einrichtungen zu fordern, als uns hier in der Kom⸗ missionsvorlage eingeräumt wird, und selbst als in der ursprünglichen Regierungsvorlage gefordert wird unter der Voraussetzung, daß der Staat finanziell nicht an der Sache interessiert sei.
Aus allen diesen Gründen bitte ich Sie, den § 3 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Aber zugleich füge ich die Bitte hinzu, daß Sie dadurch sich nicht abschrecken lassen, das Gesetz selbst zum gedeihlichen Abschluß zu bringen. (Heiterkeit.) Was heißt denn das überhaupt? Wenn Sie Einrichtungen in allen Pro⸗ vinzen schaffen — welcher Unterschied ist das in finanzieller Beziehung
lung der Last, von der ich gezeigt habe, daß sie durch Heranziehung des Staats gerade eine ungleiche ist, — welcher Unterschied ist da
vorhanden für den preußischen Steuerzahler gegenüber dem Fall,
für den preußischen Steuerzahler, abgesehen von der gleichen Verthei⸗
2. 11“ 8 . „
daß der Staat die Ausgabe übernimmt? Wird der Staat nicht durch Zahlung auf diesem Gebiet von 7⸗ bis 800 000 ℳ ge⸗ hindert, seine Kulturmissionen auf anderen dringlichen Gebieten zu erfüllen?! Und wenn das Geld überhaupt von dem preußischen Steuerzahler in irgend einer Form aufgebracht werden muß — welchen großen Unterschied kann es machen, ob der Staat hier eintritt und es wieder zurückfordert von den Steuerzahlern, oder ob alle Provinzen das Gleiche thun? Nach meiner Auffassung ist hier gar kein Grund, das Gesetz an dieser Frage scheitern zu lassen. Wenn das hohe Haus ein dringendes Bedürfniß anerkennt, wenn es darin eine wesentliche sozialpolitische Aufgabe erblickt, so kann diese Lastenvertheilung, die hier die Kommission vorgeschlagen hat, nach meiner Meinung kein begründetes Hinderniß sein, das Gesetz selbst zum Abschluß zu bringen.
Abg. Seyffardt (nl.): Ich freue mich darüber, daß der Herr Finanz⸗Minister die Einrichtung von Verpflegungsstationen für eine sozialpolitische Aufgabe hält. Wenn wir die Regierungsvorlage wieder herstellten, so würden wir dem Gedanken des Gesetzentwurfs nicht auf die Beine helfen, deshalb werden meine Partei⸗ genossen für die Kommissionsvorlage eintreten. Die Beschlüsse der Kommission sind auch mit 16 gegen 2 Stimmen acceptiert worden. Die Kommissionsvorlage, wie sie uns vorliegt, bietet uns einen Gesetzentwurf aus einem Gusse. In § 3 der Kommissions⸗ vorlage ist ausgesprochen, daß an Stelle der Hälfte der Kosten den Kreisen zwei Drittel der Kosten und zwar das eine Drittel vom Staat vergütet werden sollen. Ich glaube, die Kommission hat da⸗ mit das Richtige getroffen. Das staatliche öffentliche Interesse ist bei den Verpflegungsstationen vorwiegend. Ich halte es für das
Beste, den Gesetzentwurf so anzunehmen, wie die Kommission es vor⸗
geschlagen hat. 1
Abg. Bartels (kons.): Thatsache ist, daß die Arbeiter häufig ohne ihre Schuld arbeitslos werden. Daneben hat sich aber auch das Landstreicherthum in einer erschreckenden Weise entwickelt. Wie ich meine, trägt dabei einen Theil der Schuld der den Deutschen inne⸗ wohnende Wandertrieb. Man glaubte in den Verpflegungsstationen ein Mittel dagegen gefunden zu haben. Zu vergessen ist aber nicht, daß die Arbeiter sich leicht auch auf die Verpflegungsstationen ver⸗ lassen. Es wäre wohl richtiger, Arbeitsstätten zu schaffen, wo die Arbeitslosen zu arbeiten gezwungen würden. Ich verkenne die guten Absichten des Gesetzentwurfs nicht, halte ihn aber nicht für zweck⸗ mäßig und werde gegen § 1 stimmen.
Abg. Freiherr von Huene (Zentr.): Ich sage dem Herrn Finanz⸗Minister Dank für sein energisches Eintreten gegen die Be⸗ theiligung des Staats an den Kosten der Verpflegungsstationen. Da⸗ durch würde der Charakter der Anstalten vernichtet werden. Ich gebe zu, daß die Kritik des Herrn Abg. Bartels etwas Richtiges enthält. Arbeitsstätten aber würden dem Handwerk eine noch gefährlichere Konkurrenz bereiten als die Zuchthausarbeit. Ich hoffe, daß wir zu einer Einigung über das Gesetz kommen und die Provinzialverwal⸗ tungen dasselbe in richtiger Weise ausführen werden.
Abg. Barthold (fr. kons.): Meines Erachtens hat der Staat die entschiedene Verpflichtung, auf dem Gebiete, das diese Vorlage betrifft, helfend einzugreifen. Ich war einer der ersten, die für die Unternehmungen des Pastors von Bodelschwingh eintraten. In den letzten zehn Jahren hat sich das Vagabondenthum noch vermehrt.
an muß zwei Klassen Arbeitsloser unterscheiden. Diejenigen, die wirklich Arbeit suchen, betragen vielleicht 5 %, 95 % wollen nur in den Verpflegungsstationen Unterhalt finden, ohne zu arbeiten. Die Dörfer werden daneben doch noch abgebettelt, und die meisten Dorfbewohner geben schon aus Furcht etwas. Frei⸗ zügigkeit und Paßfreiheit stehen einer gründlichen Regelung der Frage entgegen. Die Regierung hat die Absicht, die Verpflegungsstationen über den ganzen Staat auszudehnen, in ihnen soll die Möglichkeit zum Arbeiten gegeben werden. Wie soll das auf dem Lande oder in kleinen Städten möglich gemacht werden? Durchweg ist die Beschaffung passender Arbeit nicht möglich. Bei uns auf dem Lande fehlt es an Arbeitsgelegenheit nicht, nur fehlt es an Arbeitskräften, und wir müssen zur Maschinenarbeit greifen. Die östlichen Provinzen bemühen sich, Arbeiter aus dem Auslande heranzuziehen; Leute aber, die arbeiten können, laufen im Lande umher. Hier muß der Staat eintreten. In den Arbeiterkolonien sehe ich ein Mittel, uns vom Landstreicherthum zu entlasten. Die Provinz allein ist nicht immer in der Lage dazu, wohl aber der Staat. Nachdem der Herr Finanz⸗ Minister sich gegen die Kommissionsvorlage erklärt hat, bitte ich, den § 1 abzulehnen, falls nicht seitens der Staatsregierung ein besseres Entgegenkommen gezeigt wird. Ahbg. Freiherr von Bockelberg (kons.): Der § 1, wie ihn die Kommission gefaßt hat, scheint mir das Ziel nicht zu verwirklichen, dessen Erreichung ich von dem Entwurfe erwartet habe. Ich hätte das Gesetz gern als Gesetz gegen die Wanderbettelei bezeichnet gesehen. Die Verpflegungsstationen an sich haben abgewirthschaftet, von den Kreisen wenigstens ist die Einrichtung nicht durchzu⸗ führen. Als Grundlage der Organisation betrachte ich die Errichtung von Arbeitsstätten, in denen arbeitsfähige Männer Arbeit finden. Die Vorlage müßte dahin umgestaltet werden, daß die Arbeitsstätten in erster, die Verpflegungsstationen erst in zweiter Linie kämen. Was die Kostenfrage angeht, so wäre es vielleicht nach der ministeriellen Erklärung richtig, an die Provinzen heranzutreten und ihre Vertretungen zu hören. Jedenfalls hoffe ich, daß man die Materie nicht fallen lassen wird. Für § 1 werde ich stimmen, behalte mir aber meine Schlußabstimmung vor.
Abg. von Pappenheim (kons.): Ich bedauere, daß die Er⸗ klärung des Herrn Finanz⸗Ministers doch nur eine platonische Liebes⸗ erklärung für das Gesetz war. Die Absicht des Gesetzes kann es nicht sein, die Bettler an bestimmte Zentralstationen abzuliefern, wir wollen vor allem den Wanderern die Berechtigung nehmen, zu betteln, indem wir ihnen Gelegenheit zur Arbeit verschaffen. Ob dies in Arbeiterkolonien oder in Verpflegungsstationen geschieht, ist gleich⸗ gültig. Ein Kostenbeitrag des Staats wäre meiner Ansicht nach ge⸗ recht; der Staat hat dazu eine gewisse moralische Verpflichtung, andererseits würde er aber auch ein gutes Geschäft machen, da er mit der Ab⸗ nahme der Wanderbettelei nach anderer Richtung entlastet werden würde. Im Großherzogthum Baden ist der Beweis geliefert, daß infolge der Verpflegungsstationen die Zahl der strafrechtlichen Fälle herabgegangen ist. Dem Staat muß auch an der Herstellung einer größeren gelegen sein; die Rechtssicherheit hat namentlich auf dem flachen Lande durch die Vagabondage stark zu leiden. Mit der Freizügigkeit müssen wir rechnen, aber wir müssen ihre Nachtheile auf ein Minimum zurückzuführen suchen. In diesem Gesetz wird uns ein Mittel hierzu geboten. Der weitaus größere Theil der Besucher der Verpflegungsstationen besteht nach meinen Erfahrungen aus fleißigen Arbeitern. Im Osten mögen ja andere Verhältnisse bestehen. Wenn die Verpflegungsstationen verwaltet werden wie bei uns im Westen, wird kein ehrlicher Wandersmann sich genieren, sie aufzusuchen. Es wäre eine Lücke in unserer sozialpolitischen Gelehgebung. wenn wir nicht für die ohne ihre Schuld auf die Straße Geworfenen sorgen wollten. Wenn der Staat einen Beitrag definitiv ablehnt, wird den Provinzialverwaltungen überlassen werden müssen, wie weit sie mit ihren Mitteln eingreifen wollen. Es müßte ihnen dann überlassen bleiben, über das Bedürfniß zur Anlage von Verpflegungsstationen zu entscheiden. Jedenfalls muß dafür gesorgt werden, daß den Arbeit⸗ suchenden Gelegenheit zur Arbeit geboten wird. 8
Abg. Langerhans (fr. Volksp.): Die Verpflegungsstationen sind zurückgegangen, weil Provinzen und Kreise behaupteten, keine Mittel zu ihrer Unterhaltung zu haben. Wie soll es denn jetzt werden, wenn die Regierung jede Hüte versagt? Die Regierung sagt, es
handle c um ein Gesetz von größter sozialer Wichtigkeit; sie will aber nichts dafür leisten. Es handelt sich darum, solche Leute zur Arbeit zurückzuführen, die arbeitsscheu geworden sind. Das ist eine große Aufgabe für den Staat. Niemand hat so richtig für die Sache ge⸗ sprochen, wie Herr von Feeseer eine Organisation ohne Unter⸗
e des Staats nützt aber nichts. Es ist eine schwere Aufgabe, Arbeit für die Verpflegungsstationen zu schaffen, da schon über die
Konkurrenz von Gefängnißarbeit lebhaft 8 wird. Wir in Berlin beschäftigen unsere Korrigenden zum theil auf unserem großen länd⸗ lichen Besitz, und ein Theil derselben bleibt später als freie Arbeiter bei uns. Das wird nicht überall möglich sein; auf irgend welche Weise muß jedoch auch in allen Verpflegungsstationen für Arbeits⸗ gelegenheit AFesorgt werden, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen. Abg. Winckler (kons.): Ich erkenne an, daß die Verpflegungs⸗ stationen sich in einigen Theilen der Monarchie bewährt haben; in anderen Landestheilen ist das aber nicht der Fall gewesen. Auf alle Ffäll sollen die Verpflegungsstationen nur Mittel zum Zweck der Be⸗ ämpfung der Wanderbettelei sein und nicht zum Selbstzweck werden. Das geschieht aber durch die gegenwärtige Vorlage, und darum wird ein Theil meiner politischen Freunde mit mir sowoßl gegen die Regierungsvorlage wie gegen die Be⸗ schlüsse der Kommission stimmen. as Eingreifen des Staats in eine Angelegenheit, welche Sache der Provinz ist, erscheint mir als absolut unzulässig. Auch die Nichtberücksichtigung der provinziellen
Verschiedenheiten ist für mich ein Grund, gegen das Gesetz zu stimmen.
Die Sache ist noch nicht spruchreif, und ich halte es für unzweckmäßig,
per majora jetzt einen Beschluß darüber zu fassen. Nach Ablehnung
der Vorlage mag die Regierung durch die Provinzial⸗Landtage in eine rüfung der Frage des Bedürfnisses eintreten und auf Grund dieser rüfung neue Vorschläge machen.
Abg. Pleß (SZtr.): In der zunehmenden Vagabondage erntet der Staat nur die Früchte seiner verkehrten wirthschaftlichen Gesetz⸗ sebung. Jeder Beruf sollte selbst für seine Armen und Schwachen orgen, und er würde es können, wenn ihm die nöthige Organisation ewährt würde. Wird das . angenommen, so wird die nächste Feige sein, daß dem Handwerk durch die Arbeitsleistungen in den
erpflegungsstationen eine neue Konkurrenz erwächst.
1 § 1 wurde darauf mit sehr knapper Mehrheit in der Kommissionsfassung angenommen. Den § 2 beantragten die Abgg. von Kardorff und Freiherr von Zedlitz und Neukirch, wie folgt, zu fassen:
„Die Einrichtung, Unterhaltung und Verwaltung der Ver⸗ pflegungsstationen ist eine Angelegenheit der Kreise; die Bestimmung darüber, an welchen Orten der Provinz Verpflegungsstationen ein⸗ zurichten oder beizubehalten sind, sowie der Erlaß von Vorschriften über die Einrichtung, Verwaltung und Benutzung der Verpflegungs⸗ stationen, insbesondere über die Wander⸗ und Arbeitsordnung und die Aufsicht über deren Durchführung Sache der Provinz.“
Die Regierungsvorlage wies die letzteren Aufgaben dem Ober⸗Präsidenten, die Kommission dem Provinzialrath zu.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch: Es wäre ein Vorgang, der in unserer ganzen Gesetzgebung neu und unvereinbar wäre mit den Grundsätzen der Selbstverwaltung auf kommunalem Gebiet, wenn die Fassung der Regierungsvorlage angenommen werden sollte. Es ist stets Regel gewesen, daß diejenigen, welche zahlen, auch mitzusprechen haben. Hier sollen den Provinzen und Kommunen große Opfer auferlegt werden, die Hauptleitung soll aber dem Staat eingeräumt werden. Es liegt im Interesse der Sache, die obere Leitung den Provinzen in die Hand zu geben. Denn zunächst sind die Verpflegungsstationen nichts Isoliertes. Ihren Zweck, dem Wandern und Betteln zu steuern, können sie nur erreichen in Ver⸗ bindung mit den anderen Einrichtungen der Organisation des Arbeits⸗ nachweises und der Arbeiterstationen. Diese Aufgaben können von den Kreisen allein nicht gelöst werden, hier muß ein größerer Verband, die Provinz, eintreten. Auch deshalb ist es zweckmäßig, daß die Provinz darüber zu entscheiden hat, in welchem Umfange und in welcher Weise Verpflegungsstationen einzurichten sind, weil sie als Korrelat, als Korrektiv die Berücksichtigung der Steuer⸗ pflicht besitzt, die den Staatsorganen vollständig fehlt. Der Provinzial⸗ ausschuß ist auch nach seiner ganzen Zusammensetzung ungleich ge⸗ eigneter, über die Einrichtung, Verwaltung und Benutzung der Sta⸗ tionen Vorschriften zu erlassen als der Provinzialrath, der nach seinen sonstigen Aufgaben mit diesem Zweige in gar keiner Verbindung steht. Ich bitte Sie deshalb im Interesse der Grundsätze unserer Selbst⸗ verwaltung, im Interesse der Steuerzahler und im Interesse einer sachgemäßen, lebendigen Ausgestaltung der Verpflegungsstationen, unsern Antrag anzunehmen.
Geheimer Regierungs⸗Rath von Trott zu Solz: In der Voraussetzung, daß das Haus den Beschluß der Kommission, daß Zuschüsse aus der Staatskasse gezahlt werden sollen, ablehnt, haben wir gegen den Antrag nichts einzuwenden. Doch habe ich ein Be⸗ denken. Nach dem Antrag kann die Provinz bestimmen, welcher Kreis eine Verpflegungsstation unterhalten soll, den Kreisen ist aber kein Rechtsmittel gegen die Verfügungen des Provinzial⸗Ausschusses gegeben. Das müßte unbedingt geschehen. Auch wäre es wünschenswerth, daß die von den Provinzen beschlossenen Reglements der Bestätigung einer höberen Instanz bedürften. Damit würde eine gewisse Gleichmäßigkeit in den einzelnen Provinzen erreicht werden. Diese Gleichmäßigkeit würde keineswegs die Berücksichtigung der verschiedenen Verhältnisse und Bedürfnisse hindern.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch bemerkte zur Ge⸗ schäftsordnung, daß er in seinem Antrage hinter das Wort „Provinz“ in Klammern noch das Wort „Kommunalverbände“ setzen wolle, um mit seinem Antrage auch die Verhältnisse der Provinz Hessen⸗Nassau zu decken. Was die Anregungen des Regierungs⸗Kommissars anlange, so sei bis zur dritten Lesung zu überlegen, ob und wie weit ihnen Folge gegeben werden könnte.
Abg. Freiherr von Erffa k(kons.) sprach sich für den Antrag aus.
Abg. Ehlers (fr. Vg.) befürwortete gleichfalls den Antrag. So lange man neoch nicht die gesicherte Ueberzeugung habe, daß die neue Einrichtung unbedingt gut sei, müsse man sich hüten, sie zu ver⸗ staatlichen.
§ 2 wurde in der Fassung des Antrages der Abgg. von
Kardorff und Genossen angenommen.
Zum § 3, welcher nach der Regierungsvorlage die Kosten je zur Hälfte der Provinz und dem Kreise, nach dem Kommissionsvorschlage je zu einem Drittel dem Staat, der Provinz und dem Kreise auferlegt, hatten die Abgg. Freiherr von Huene (Zentr.) und Tzschoppe Kr. kons.) einen Antrag eingebracht, der die Kosten zu zwei
ritteln auf die Provinz, zu einem Drittel auf den Kreis legt.
Abg. Freiherr von Huene sprach die Erwartung aus, daß dieser Antrag seitens der Regierung keinen Widerspruch finden werde.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
1 . Ich kann nur bestätigen, daß Herr von Huene in dieser Beziehung meine Auffassung durchaus richtig wiedergegeben hat. Der Staat hat
nach meiner Meinung kein entscheidendes Interesse daran, wie die Vertheilung der Last innerhalb der Provinzen stattfindet. Ich könnte höchstens eine zu starke Belastung der Provinzialkassen insofern be⸗ denklich finden, als damit der Druck auf die Kreise, sparsamer zu wirthschaften, abgeschwächt wird. Aber diese Gefahr ist doch inner⸗ halb der Provinzen eine sehr geringe; sie würde nach meiner Meinung eine erhebliche geworden sein, wenn der Staat seinerseits † der Last übernommen hätte.
Ich habe aus meiner eigenen Verwaltungspraxis die Erfahrung gemacht, daß man diese Stationen bei richtiger Einrichtung und Handhabung sehr billig und bei unrichtiger Einrichtung und Hand⸗ habung sehr theuer machen kann, und es wird daher von der Art und Weise der Durchführung außerordentlich viel abhängen. Es weiß aber doch jeder, daß der Eifer sparsamer und pflegsamer Verwaltung sich mit dem eigenen Interesse abschwächt, und ich glaube daher aller⸗ dings, daß, wenn der Staat nun heraustritt und die Sache eine
Aufgabe der provinziellen Selbstverwaltung wird, das auch nach der finanziellen Richtung sehr vortheilhaft wirken wird.
Abg. Humann 6— trat für die Gewährung des Staats⸗ zuschusses ein, der nothwendig sei, um widerstrebende Provinzen für die Einrichtung von Verpflegungsstationen zu gewinnen und den Pro⸗ vinzen eine finanzielle Erleichterung zu gewähren. Wenn das Gesetz an dieser Frage scheitere, so habe die Regierung das ganze Odium 82 das Nichtzustandekommen eines dringend nothwendigen Werks zu ragen.
Abg. von Tzschoppe (fr. kons.): Nach den Erklärungen des Herrn Finanz⸗Ministers müssen wir mit der Thatsache rechnen, daß das ganze Gesetz scheitert, wenn wir an dem Kommissionsbeschluß fest⸗ zalten. Die Sache liegt also so: wir halten entweder an dem Kommissionsbeschluß fest, oder kehren zur Regierungsvorlage zurück, oder wir schlagen den Weg ein, den der von dem Abg. von Huene und mir gestellte Antrag weist. Wer ernstlich von der Nothwendigkeit des Gesetzes überzeugt ist, kann den Staatszuschuß unmöglich zur conditio sine qua non machen. Wer die gegenwärtigen unhaltbaren Zustände lassen will, kann das Gesetz nicht an den vorwiegend theoretischen Bedenken, welche vorge⸗ tragen worden sind, scheitern lassen. Vorwiegend theoretisch sind diese Bedenken, weil es praktisch vollständig gleichgültig ist, ob der Beitrag aus der Staatskasse geleistet wird oder nicht; in jedem Falle kommt er aus den Taschen der Steuerzahler. Wir erachten die u“ der Provinz im Interesse der ausgleichenden Gerech⸗ tigkeit gegenüber den Kreisen für geboten.
Abg. von Woyna (fr. kons.): Ich kann den Anschauungen meines verehrten politischen Freundes nicht beitreten. Das Gesetz ist ein vollständiges Novum. Wir verlassen mit demselben den Grund⸗ satz, daß jeder Arbeitsfähige für sich selbst zu sorgen hat. Diese gefährliche Brücke können wir nur betreten, wenn der Staat seine direkte Unterstützung zusichert. Der Staatszuschuß im Sinne dieses Gesetzes ist nur eine Konsequenz der bestehenden Freizügigkeit.
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: 8
Herr von Woyna hat mit der ihm eigenen Bestimmtheit zwar behauptet, daß es sich hier um eine Aufgabe handle, die den Gemeinden garnicht obliege, sondern um etwas ganz Neues. Diese An⸗ sicht ist aber irrig. Denn nach dem § 28 des Unterstützungs⸗ wohnsitzgesezes sind die Gemeinden schon heute ver⸗ pflichtet, dem nothleidenden Wanderer, dessen Hilfsbedürftigkeit innerhalb der Gemeinde hervortrat, zu helfen. Leider wird aber davon sehr wenig Gebrauch gemacht. Man verweist diese Leute mannigfach auf den Bettel, weil es zu schwer ist, von den Heimathsgemeinden Erstattung zu bekommen. Es wird also hier gerade eine Lücke der bestehenden Armenverwaltung ausgefüllt; es geschieht nichts weiter, als daß bessere Fürsorge getroffen wird für Erfüllung einer Pflicht, die heute schon den Armenverwaltungsgemeinden obliegt.
Abg. von Kardorff (fr. kons.): Ich bin ein entschiedener Gegner der Verpflegungsstationen überhaupt, namentlich aber der obligatorischen. Ich halte dieselben für eine schwere Belastung der östlichen Provinzen zu Gunsten der westlichen. Wenn in den westlichen Provinzen die Fabriken schlechter gehen, so füllt sich das Land mit Arbeitslosen. Da mögen die Verpflegungsstationen am Platze sein. Im Osten liegen die Verhältnisse aber anders. Vergessen Sie nicht, daß der Osten durch die Auswanderung der Arbeiter sehr im Nachtheil ist. Der Osten nährt den Arbeiter bis zu seinem 20. Lebensjahre, um ihn dann nach dem Westen ziehen zu sehen. Bei Krankheit oder Unfall wird der Arbeiter aber wieder seiner Heimath zugeführt. Wenn die östlichen — gezwungen werden sollen, Verpflegungsstationen einzurichten, o kann ich auf diesem Weg nicht mitgehen. her Osten hat so wie so schon genug Lasten zu tragen. Ich hoffe, daß, wenn die Ent⸗ scheidung der Frage, ob Verpflegungsstationen errichtet werden sollen oder nicht, in die Hände der Provinzen gelegt wird, die Provinzen östlich der Elbe von der Befugniß zur Errichtung von solchen Stationen keinen Gebrauch machen werden
Finanz⸗Minister Dr. Miquel: 3
Meine Herren! Ich möchte nur noch auf die Ausführungen des Herrn von Kardorff erwidern, daß er sich in gewisser Weise genau auf demselben Boden bewegt, aus welchem ich die Unbegründetheit eines Anspruchs an den Gesammtstaat herleite mit Rücksicht auf die ver⸗ schiedenartigen Interessen der Provinzen.
Abg. Freiherr von Huene (Zentr.) wendete sich gegen die Unterscheidung von Ost und West bei dem vorliegenden Gesetz. Das⸗ selbe werde wesentlich zur Ausgleichung der Lasten beitragen.
Abg. Gerlich (fr. kons.): Das Unterstützungswohnsitzgesetz läßt sich hier nicht anziehen. Wer arbeitsfähig ist, ist nicht unterstützungs⸗ bedürftig. An diesem Grundsatz wollen wir festhalten; denn wenn wir ihn aufgeben, gerathen wir in den Kommunismus. Der vor⸗ liegende Gesetzentwurf hat entschieden eine kommunistische Tendenz. Durch die Verpflegungsstationen werden die Leute zu der Annahme erzogen, daß der Staat für sie sorgen müsse, daß sie nicht mehr zu arbeiten brauchten. Wenn gesagt wird, die Vorlage habe große sozialpolitische Bedeutung, und es sprechen namentlich ethische Rücksichten für deren Annahme, so sage ich: ge⸗ rade ethische Rücksichten müssen uns veranlassen, den Gesetzentwurf abzulehnen. Wir haben gar keinen Anlaß, den Leicht⸗ sinn groß zu ziehen und die herrschende Frivolität im Kontraktbruch zu steigern. Muß nicht der Bauer, dem der Knecht fortläuft, und der hört, daß dieser Unterkunft und Essen in den Verpflegungs⸗ stationen erhält, sich sagen: das muß ich bezahlen? Das muß zu einer Verwirrung der Rechtsbegriffe im Volk führen. Die Provinzen, welche eine ausgedehnte Industrie haben, ziehen uns so wie so die Arbeiter aus dem Osten. Schließlich wird es so weit kommen, daß wir im Osten nicht nur die Arbeiter stellen, sondern auch noch die Kosten dafür zahlen müssen, daß sie an ihre Arbeits⸗ stelle hinkommen. Da soll man doch lieber eine Einrichtung treffen, daß den Arbeitern die Kosten der Fahrt zur Arbeitsstelle baar ausgezahlt werden; das würde wenigstens billiger sein, und es hörte dann das Spazierengehen der Arbeiter auf. Ich bin überhaupt kein
reund des bequemen Arbeitsnachweises. Dem Fasse hat bei mir den
dden ansgeselaenn eine Urkunde, welche ich in meinem Landraths⸗ amte liegen habe, nämlich eine Beschwerde von sechs Bummlern, daß sie am Sonntag Abend kein warmes Abendbrot bekommen haben. (Heiterkeit und Hört! Hört!) Das ist nicht gerade erheiternd, sondern eigentlich recht traurig. Solche Vorkommnisse zeigen, wohin wir kommen, wenn wir derartige Ansprüche unterstützen. Ich bin gegen das Gesetz, mag der Staatszuschuß gewährt werden oder nicht.
Abg. von Tzschoppe: Den von dem Abg. Gerlich angeführten Fall braucht man wohl nicht gar zu ernst zu nehmen. Die Klagen des Abg. von Kardorff über den Zug nach dem Westen stehen ja im Zusammenhang mit der traurigen Thatsache, daß im Osten Arbeiter⸗ mangel und im Westen häufig Arbeiterüberschuß herrscht. Das sollte uns aber nicht abhalten, der Vorlage zuzustimmen, welche die gegen⸗ wärtigen unhaltbaren Zustände zu bessern sucht.
Abg. von Woyna (fr. kons.); Den Ausführungen des Herrn Ministers sesengen. möchte ich erwidern: wenn er meint, es handle sich bei diesem Gebiet auch um das Armenrecht, so erscheint es mir dringend angebracht, eine Revision des Armenrechts überhaupt vor⸗ zunehmen.
Unter Ablehnung der Anträge der Abgg. von Huene und von Tzschoppe wurde der § 3 in der Kom⸗ missionsfassung angenommen.
§ 9, der von dem Ausschluß einzelner Personen von der Aufnahme in die Verpflegungsstationen handelt, wurde mit
einem Antrage des Abg. Kirsch (Zentr.) angenommen, nach
dem auch Personen von der Aufnahme eesgelchlossen sein sollen, die wegen Urkundenfälschung bestraft sind.
Ein Antrag des Abg. Barthold (fr. kons.): statt des Nachweises einer zeitweisen Arbeit innerhalb der letzten vier Monate bei der Aufnahme in die Heraeazershe ian einen Nachweis zu verlangen, daß der Aufnahmesuchende innerhalb der letzten vier Wochen wenigstens zeitweise in Arbeit gestanden habe, wurde abgelehnt. — 1
§ 10, der Haftstrafen für einzelne Fälle festsetzt, wurde mit zwei Abänderungen angenommen. Nach dem Antrag des Abg. Kirsch soll die Verschweigung von Umständen, die einen Aufnahmesuchenden von der Aufnahme ausschließen, nicht mit Haft bestraft werden. Nach dem Antrage des Abg. von Tzschoppe wurden aus der Bestimmung, daß derjenige zu bestrafen ist, der sich aus Arbeitsscheu weigert, eine seinen Kräften angemessene Arbeit zu verrichten, die Worte „aus Arbeitsscheu“ gestrichen.
Die anderen Paragraphen des Gesetzes wurden in der Kommissionsfassung genehmigt.
Die Berathung des letzten Gegenstandes der Tagesordnung wurde um 3 ½ Uhr vertagt. 1
Nächste Sitzung: Freitag 11 Uhr. (Kleinere Vorlagen, Antrag auf Aufhebung der Rückzahlung der Grundsteuer⸗ entschädigung, Gesetz, betreffend das Pfandrecht an Privat⸗ Eeende neng
Handel und Gewerbe.
—Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom 26. Juni 1895. Auftrieb und Markt⸗ preise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebendgewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 236 Stück (Durchschnittspkeis für 100 kg.) I. Qualität —,— ℳ, II. Qualität —,— ℳ, III. Qualität 88 — 96 ℳ, IV. Qualität 80 — 84 ℳ%ℳ — Schweine. Auftrieb 7399 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg Mecklenburger 86 — 88 ℳ, Landschweine: a. gute 82 — 84 ℳ, b. geringere 76 — 80 ℳ, Galizier —,— ℳ, leichte Ungarn —,— ℳ bei 20 % Tara, Bakonyer — ℳ bei — kg Tara pro Stück. — Kälbe Auftrieb 1912 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,06 — 1,10 ℳ, II. Qualität 0,96 — 1,04 ℳ, III. Qualität 0,84 — 0,94 ℳ — Schafe. Auftrieb 1626 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,00 — 1,10 ℳ, II. Qualität 0,94 — 0,98 ℳ, III. Qualität —,— ℳ
Magdeburg, 27. Juni. (W. T. B.) Zuckerberich Kornzucker erxkl., von 92 %. —,—, neue 10,30. Kornzuck exkl. 88 % Rendement —,—, neue 9,70 — 9,85, Nachprodukte exkl., 75 °b Rendement 6,65 — 7,55. Ruhig. Brotraffinade I „Bro raffinade II —,—. Gem. Raffinade mit Faß 22,25 — 22,75. Gem. Melis I mit Faß —,—. Ruhig. Rohzucker I. Produkt Transito f. a. B. burg pr. Juni 9,45 Gd., 9,55 Br., pr. Juli 9,55 bez. und Br., pr. August 9,67 ½ Gd., 9,70 Br., pr. Sep tember 9,80 Gd., 9,90 Br. Ruhig. b
Leipzig, 27. Juni. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Junt —,— ℳ, pr. — 3,02 ½ ℳ. pr. August 3,05 ℳ, pr. September 3,05 ℳ, pr. Ok⸗ tober 3,07 ½ ℳ, pr. November 3,07 ½ ℳ, pr. Dezember 3,10 ℳ, pr. Januar 3,12 ½ ℳ, pr. Februar 3,12 ½ ℳ, pr. März 3,15 ℳ, pr. April 3,15 ℳ, pr. Mai 3,15 ℳ Umsatz: 50 000 kg.
Bremen, 27. Juni. (W. T., B.) (Boörsen⸗Schlußbericht.) Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum⸗Börse.) Willig. Loko 7,25 Br. — Baumwolle. Ruhig. Upland middl. loko 34 ½ 4. — Schmalz. Fest. Wilcox 35 ₰, Armour shield 34 ½ ₰, Cudahy 35 ½ ₰, Fairbanks 29 ½ 4. — Speck. Fest. Short eclear middling loko 31. — Wolle. Umsatz 149 Ballen.
„Hamburg, 27. Juni. (W. T. B.) Kaffee. (Nachmittags⸗ bericht’)) Good average Santos pr. Juni 75, pr. September 75, pr. Dezember 73 ¾, pr. März 72 ½. Unregelmäßig. — Zucker markt. (Schlußbericht.) Rüben⸗Rohzucker I. Produkt Basis 88 % Rendement neue Usance, frei an Bord Hamburg, pr. Juni 9,57 ½, pr. August 9,70, pr. Oktober 10,15, pr. Dezember 10,35. Stetig. 1
London, 27. Juni. (W. T. B.) 96 % Javazucker loko 11 ⅞ ruhig. Rüben⸗Rohzucker loko 9 ½ fest. — Chile Kupfer 42 ⅛½, pr. 3 Monat 42 ⅞.
Liverpool, 27. Juni. (W. T⸗B.) Offizielle Notierungen. American good ordin. 313 ⁄12, do. low middling 311 ⁄2, do middling 321⁄22, do. good middling 31⁄16, do. middling fair 4 ½ Pernam fair 3 ⅛, do. good fair 42/316, Ceara fair 3 ⅛, do. good fair 4 ½, Egyptian brown fair 5 ⅝, do. do. good fair 515/18, do. do. good 6 ⅜, Peru rough good fair —, do. do. good fair 57/18, do. do. good 59⁄16, do. do. fine 6 ¼, do. moder. rough fair 48⁄16, do. do. good fair 4216 do. do. good 51/16, do. smooth fair 3 ¼, do. do. good fair 3 v½, M. G. 8 Broach good 3 ⅜, do. fine 3 ¾, Dhollerah good 215/16, do. fully good 31 ⁄16, do. fine 3 ¼, Oomra good 215⁄18, do. sal, gnc⸗ 3 ¼16, do. fine 3 ¼, Scinde good fair 2 73⁄6, do. good 2218, engal fully good 2 ¾,
do. fine 3 27. Juni. (W. T. B.) Wolle ziemlich be⸗
hri ganboche d Mohair⸗Wolle fes gehrt, Croßbreds und Mohair⸗Wolle fest, Sixties 1 ¼ sh. höher als niedrigster Preis, englische Wolle ruhig. Garne Lustre . lustre 88 und theurer. In Stoffen gutes Geschäft. 8 Basel, 27. Juni. (W. T. B.) Zu der gestern gemeldeten Wahl für den Verwaltungsrath der Schweizerischen Zentral⸗ bahn wird weiter mitgetheilt: Die Generalversammlung wählte Siemens mit 38 657, Marquard mit 38 497, Bruederlin mit 38 122, Speyr mit 38 070, Christ mit 37 335, Waldmeir mit 37 370 von abgegebenen 39 217 Stimmen. Weißenbach erhielt nur 1227 Stimmen so daß, abgesehen von den durch die Gruppe der Zentralbank ab⸗ gegebenen 28 000 Stimmen, auch alle anderen Aktionäre in über⸗ wiegender Majorität sich gegen Weißenbach ausgesprochen haben. New⸗York, 27. Juni. (W. T. B.) Die Börse eröffnete Et vnd Fe im Verlauf lustlos und daa zum uß war träge Stimmung vorherrschend. Der Umsa 1 betrug 356 000 Stück. 8 “ Weizen eröffnete matt infolge schwächerer Kabelmeldungen, dann vorübergehend bessere Stimmung auf Deckungen der Baissiers; später abermalige Abschwächung infolge günstigen Wetters im Nord⸗- westen. Schluß schwach. — Mais fallend während des ganzen Börsenverlaufs mit wenigen Reaktionen infolge günstiger Ernteberichte. 8u willig. verich aarenbericht. Baumwolle⸗Preis in New⸗York 7, do. in New⸗Orleans 6 ⅛. Petroleum Stand. white in — 7,95, do. in Pbiladelphia 7,90, do. rohes (in Cases) —, do. Pipe line cert. pv. Jult 149 nom., Schmalz West. steam 6,75, do. Rohe & Brothers 7,00. Mais pr. Juni —, do. pr. Juli 52 ½, do. pr. September 53 . Rother Winterweizen 76 ⅛%, Weizen pr. Juni 75, do. pr. Juli 75 ½, do. pr. September 76 ½, do. pr. Dezember 78 ⅛. Getreide. fracht nach Liverpool 1. Kaffee fair Rio Nr. 7 8 do. Rio Nr. 7 pr. Juli 14,40, do. do. pr. September 14,55. Mehl, Spring Wheat clears 3,00. Zucker 213/16. Kupfer 10,70. Nachbörse: Wene c. gnʒe. er.
1 icago, 27. Juni. (W. T. B.) Weizen fallend einige Zeit nach Eröffnung entsprechend der Mattigkeit des Weizens 2 8 New⸗York, sowie infolge günstiger Ernteberichte und günstigen Wetters für die Ernte, dann vorübergehende Reaktion; später trat auf Reali⸗ sierung abermaliger Rückgang ein, Schluß schwach. — Mais anfangs fallend, dann lebhafte Reaktion, später wieder fallend. Der Markt wurde durch die Fluktuationen des Weizens beherrscht.
Weizen pr. Juni 70 ⅛, pr. Jult 71. Mais pr. Juni 47 ½,
Speck short clear nomin. Pork pr. Juni 12,47 ⅛.