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Abg. Hammacher (nl.): Ich bin der Ansicht, daß zunächst die Landwirthschaft von dem Gesetz nur Vortheile haben wird, und zwar aus dem Grunde, weil sie bereits eine ausgedehntere Organisation in den ländlichen Kreditgenossenschaften besitzt. Aber das Gesetz wird auch dazu beitragen, die Fnsercehnse Organisation des Handwerks zu fördern. Meine politise Freunde erkennen die Nothwendigkeit, das Handwerk auf gesetzlichem Wege zu organisieren, durchaus an. Die
rage, wie dieser Gedanke ausgeführt werden soll, gehört nicht hier⸗ er, sondern vor den Reichstag. Einzelne Bedenken gegen das Gesetz habe ich bereits in der zweiten Lesung vorgebracht. Namentlich bin ich Gegner der Befugniß der neuen Anstalt, Wechsel zu acceptieren, und was der Herr “ gestern gegen meinen diesbezüglichen Antrag vorgebracht hat, kann ich nicht als durchschlagend anerkennen. enn die “ die feste Aussicht hat, in bestimmter Frist in den Besitz von Baar⸗ mitteln zu gelangen, dann ist es nicht nothwendig, zu Wechselaccepten zu greifen, um das augenblickliche Kredit⸗ bedürfniß einer genossenschaftlichen Vereinigung zu deecken. Es giebt dann ein Dutzend anderer Wege, um Beaar⸗ mittel zu beschaffen. Ich habe aber, um das Zustandekommen des Gesetzes nicht zu verzögern, auf die Wiedereinbringung meines Antrags verzichtet. Ich halte es nicht für einen Nachtheil, sondern für einen Vorzug des Gesetzes, daß dem Zentralausschuß kein maß⸗ ebender Einfluß auf die Leitung der neuen Anstalt zugestanden ist. Auch bei der Reichsbank wird der Zentralausschuß nur gutachtlich ge⸗ hört. Freilich wird man ihm eine große Wichtigkeit beilegen müssen; denn von dem einträchtigen Zusammenwirken aller Faktoren wird die glückliche Entwicklung des neuen Unternehmens abhängen. 8
Abg. Schenck (fr. Volksp.) bemerkte, er theile die Hoffnung nicht, daß die Vortheile des Gesetzes auch dem Handwerk zu gute kommen würden, und konstatierte, daß die große Mehrheit der land⸗ wirthschaftlichen Genossenschaften, sowohl der Schulze⸗Delitzsch'schen wie der Raiffeisen’schen Richtung, der Vorlage ablehnend gegenüber stehen. Die Angriffe auf die Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius u. Co. beweisen nur, daß man für die segensreiche Thätigkeit dieser Bank kein Verständniß habe.
Abg. von Mendel⸗Steinfels (kons.): Der Behauptung, daß die große Mehrheit der landwirthschaftlichen Genossenschaften gegen die Vorlage sei, möchte ich widersprechen. Wir haben in Deutschland noch andere landwirthschaftliche Genossenschaften, als die dem Schulze⸗Delitzsch'schen und dem Raiffeisen'schen Verband angehören⸗ den. Ich erkenne die Wirksamkeit der Genossenschaftsbank von Soergel, Parrisius u. Co. vollkommen an, bin aber doch der Meinung, daß dieselbe der Landwirthschaft nicht die Dienste leisten kann, welche wir von der Zentralgenossenschaftskasse erwarten.
In der Spezialberathung erhielt zu § 11 der Abg. Freiherr von Zedlitz das Wort, um gegenüber einer etwaigen irrigen Interpretation estzustellen, daß, wenn in diesem Paragraphen die Unterschrift zweier Mitglieder des Direktoriums für die Anstalt verpflichtende Urkunden erfordert wird, unter der Bezeichnung „Mitglieder“ auch der Direktor mit begriffen ist. 1
Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Freiherr von Rheinbaben be⸗ stätigte diese Auffassung. 8 .
Das Gesetz wurde nach den Beschlüssen zweiter Lesung in dritter Berathung angenommen.
Es folgte die zweite Berathung des Jagdscheingesetzes, für dessen §§ 3 und 4 die Kommission die folgende veränderte Fassung vorschlug: .“
§ 3. Jagdscheine werden auf die Dauer eines Jahres aus⸗ gestellt: 1) für den Umfang der Monarchie (Landesjagdschein), 2) für den Amtsbereich der ausstellenden Behörde (Kreisjagd⸗ schein). Außerdem werden Jagdscheine für drei auf einander fol⸗ gende Kalendertage ausgegeben (Tagesjagdschein). § 4. Für den Landesjagdschein ist eine Abgabe von 20 ℳ, für den Kreisjagd⸗ schein von 10 ℳ, für den Tagesjagdschein von 3 ℳ zu ent⸗ richten. Der Kreisjagdschein kann gegen Nachzahlung von 10 ℳ für die Zeit, auf welche er ausgestellt ist, in einen Landesjagdschein umgewandelt werden. An Personen, welche weder Angehörige eines deutschen Bundesstaates sind, noch in Preußen einen Wohnsitz haben, werden nur Landesjagdscheine gegen eine Abgabe von 50 ℳ oder Tagesjagdscheine gegen eine solche von 10 ℳ ausgegeben. Neben der Jagdscheinabgabe werden Aus⸗ fertigungs⸗ oder Stempelgebühren nicht erhoben. Gegen Entrichtung von 1 ℳ kann eine Dovppelausfertigung des Jagdscheins gewährt werden. Der Kreisjagdschein (für 10 ℳ) ist von der Kommission eingefügt. Die Vorlage enthielt nur einen einheitlichen, für den Umfang der Monarchie geltenden Jagdschein für 20 ℳ und den Tagesjagdschein für 3 ℳ 1 Für Ausländer hat die Kommission die von der Re⸗ gierung vorgeschlagene Jagdscheinabgabe von 40 bezw. 3 auf 50 bezw. 10 ℳ erhöht. . 8 Nach der Vorlage erfolgt die Ausstellung des Jagdscheins kostenfrei, die Stempelfreiheit hat die Kommission hinzu⸗ gefügt. 4 1 1 Endlich hat die Kommission die Bestimmung der Vorlage gestrichen, daß die Jagdscheingebühr (Abgabe) in Ostfries⸗ land behufs Ausübung der Wasservögeljagd im Dürftigkeits⸗ falle erlassen werden kann. 1 Es lag zu diesem Paragraphen eine Reihe von An⸗ trägen vor. 8 Die Abgg. Schnaubert und von Ploetz (kons.) beantragten, die Bestimmung aufzunehmen, daß die Abgabe für den Kreisjagdschein auf Antrag des Kreisausschusses durch den Regierungs⸗Präsidenten bis zur Hälfte ermäßigt werden kann. 3 Abg. Klose (Zentr.) schlug vor, die Abgabe für Kreisjagdscheine auf 5 ℳ festzusetzen. Ein Antrag des Abg. Schreiber (fr. kons.) ging dahin, daß die verschiedenen Arten von Jagdscheinen in der Farbe unterschieden werden sollen. Der Abg. Jäckel (fr. Volksp.) hatte einen Antrag eingebracht, der einen einheitlichen Jagdschein für das ganze Land wollte und die Abgabe dafür auf 5 ℳ, für Ausländer auf 10 ℳ festsetzte. Abg. Willebrand (Zentr.) schlug die Aufnahme der Bestim⸗ mung vor, daß der Kreisjagdschein der Besitzer einer Privatjagd sowie der zum Hausstand derselben gehörigen Familienmitglieder auch für diejenigen Grundstücke der Privatjagd Gültigkeit hat, welche in einen anderen Kreis übergreifen. Ein Antrag des Abg. Seer (nl.) wollte für Grundstücke von 75 bis 150 ha besondere Gutsjagdscheine gegen eine Abgabe von 5 ℳ einführen. Die Abgg. Schnaubert und von Ploetz ersetzten ihren obigen Antrag du einen neuen, der die Befugniß zur Ermäßigung der Kreisjagdschein⸗Abgabe in die Hände des Staats⸗Ministeriums legt. Abg. Jäckel (fr. Volksp.): Es liegt kein Grund vor, einen so hohen F für die Jagdscheine anzusetzen. Es ist nicht zu vergessen, daß diese Zahlung nicht in das Gebiet der Luxus⸗ oder Vergnügungs⸗ steuer gehört. Ich balte die Ausübung der Jagd mit ihren Strapazen aus Gesundbeitsrücksichten für sehr vortheilhaft. Durch die hohe Jagdscheingebühr wird der kleine Grundbesitzer vielfach der Möglichkeit beraubt, auf seinem eigenen Grund und Boden zu jagen. Das ruft natürlich eine große Unzufriedenheit hervor. So sind auch bereits eine ganze Anzahl Schreiben von Kleingrundbesitzern ein⸗ gelaufen, die sich für eine Ermäßigung der Zagdschein⸗ gebühr aussprechen. Sie werden sagen, daß wir das als Agitations⸗ mittel ausnutzen. Ja, warum geben Sie uns denn dieses Agitations⸗ mittel in die Hand? Jedenfalls sind die Schreiben der bäuerlichen Grundbesitzer eingelaufen, noch bevor wir von diesem Mittel über⸗ haupt hätten Gebrauch machen können. Die Theilung der Jagd⸗ scheine in Landes⸗ und Kreisjagdscheine halte ich für sehr unglücklich: Einestheils, weil man den großen Städten die Jagdscheinertheilung
entzieht, indem jeder es vorziehen wird, den billigen Kreisjagdsche
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zu lösen; andererseits, weil der Kreisjagdschein einen sehr beschränkten Gültigkeitskreis besitzt.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein:
Meine Herren! Darüber läßt sich nicht zweifeln, daß der Schwer⸗ punkt der ganzen Vorlage in den Abänderungsanträgen liegt, welche die Kommission zu den §§ 3 und 4 gestellt hat. Ich will aus diesen Anträgen den letzten Punkt vorwegnehmen. Am Schlusse des § 4 der Regierungsvorlage befand sich die Bestimmung:
Die Jagdscheingebühr kann den Eingesessenen von Ostfriesland behufs Ausübung der im § 13 der Jagdordnung für Hannover vom 11. März 1859 gedachten Wasservögeljagd im Dürftigkeitsfalle von der zuständigen Behörde ganz oder theilweise erlassen werden.
Diese Bestimmung hat die Kommission gestrichen, und ich nehme an, daß die Königliche Staatsregierung mit der Aufhebung dieser Be⸗ stimmung einverstanden ist. Ich bin indessen der Meinung, daß aber zum Ausdruck gebracht werden muß, daß die Streichung der fraglichen Bestimmungen im vorliegenden Gesetz deren Aufhebung in der han⸗ noverschen Jagdordnung bezweckt. Man könnte nämlich deduzieren, daß sich die eben von mir verlesene Bestimmung der hannoverschen Jagdordnung, weil diese Bestimmung mit denen des gegenwärtigen Gesetzes nicht in Widerspruch steht, aufrecht erhalten hat. Das ist aber nach meiner Auffassung nicht die Absicht der Kommission gewesen.
Nun, meine Herren, bedaure ich außerordentlich, daß die Kom⸗ mission sich veranlaßt gesehen hat, in dem nach meiner Meinung viel einfacheren und richtigeren System der Regierungsvorlage eine grund⸗ legende Aenderung eintreten zu lassen. Die Regierungsvorlage kennt nur den Jahresjagdschein und den Tagesjagdschein, und zwischen dies hat Ihre Kommission den Krreisjagdschein hineingeschoben. Nun würde ich verstanden haben, daß man vielleicht gesagt hätte: Der Sprung von der Jagdscheinabgabe von 3 ℳ in den alten Provinzen auf 20 ℳ ist ein zu hoher, und wir wollen einstweilen mal eine geringere Erhöhung eintreten lassen, etwa auf 15 ℳ Daß man aber eine dritte Kategorie von Jagdscheinen hier eingeschoben hat, das war meines Erachtens nicht glücklich. Dieses Einschieben wird zu allerlei Zweifeln und Schwierigkeiten und zweifellos verschiedenartigen Auslegungen der gesetzlichen Bestimmungen Anlaß geben. Ich bedaure das außerordentlich. Ich kann nicht er⸗ klären, daß die Staatsregierung, wenn das hohe Haus die Kom⸗ missionsvorschläge annimmt, das Gesetz ablehnen wird; ich möchte sogar glauben, daß die Staatsregierung versuchen wird, ob sich mit dem veränder⸗ ten Gesetz arbeiten läßt. Aber bedauerlich bleibt die Nichtverbesserung. Auch die vorliegenden Anträge, welche sich auf den Bereich des Kreis⸗ jagdscheins beziehen sollen, beweisen, zu wie vielen Zweifeln die Kom⸗ missionsvorschläge Anlaß geben können und welche Erweiterungen weiter gewünscht werden. Ich möchte daher das hohe Haus dringend bitten, statt des von der Kommission betretenen Weges den von mir angedeuteten zu wählen: den Kreisjagdschein verschwinden zu lassen und die Gebühr für den Jahresjagdschein vielleicht von 20 auf 15 ℳ zu ermäßigen. (Bravo!) Auf 5 ℳ kann man nicht zurückgehen. Der geehrte Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß damit besonders in den annektierten Provinzen der bestehende Zustand verschlechtert werden würde, weil dort jetzt schon eine höhere Jagdscheingebühr besteht, in Hannover von 9 ℳ, deren Erhöhung im Interesse der Gemeinden, der Kreise und der Jagdausübung bean⸗ tragt ist.
Ich bitte daher, daß Sie einen Antrag stellen, der den Kreis⸗ jagdschein ablehnt und die Jagdscheingebühr für den Jahresijagdschein auf etwa 15 ℳ ermäßigt; dann bitte ich das hohe Haus, Stellung zu der Frage wegen der ostfriesischen Wasservögeljagd zu nehmen.
Abg. Damink kkons.) erklärte, daß er die Regierungsvorlage vorziehe, hatte indeß kein Bedenken gegen die Vorschläge der Kom⸗ mission. 1 8 8
Abg. Willebrand (Zentr.) befürwortete seinen Antrag. Die Billigkeit erfordere, daß den Grundbesitzern, deren Jagdbesitz auf mehrere Kreise übergreife, die Jagd nicht durch das Erforderniß der Lösung eines Landesjagdscheins vertheuert werde.
Abg. Schreiber (fr. kons.): Mein Antrag bezweckt, durch ver⸗ schiedene Farben der Jagdscheine den Gendarmen die Kontrole zu er⸗ leichtern. Ich möchte auch, daß die Jagdscheine für Ausländer in derselben Weise gekennzeichnet würden.
Abg. Seer inl.) begründete seinen Antrag damit, daß es eine Härte wäre, wenn der Grundbesitzer, der nur auf eigenem Grund und Boden jage, 10 ℳ zahlen solle.
Abg. Schnaubert kkons.) bemerkte, der von ihm eingebrachte Antrag wolle, daß den Bauern und kleinen Besitzern nicht durch zu hohe Abgaben die Jagd verkümmert werde. Hier dokumentieren die Großgrundbesitzer ihre Solidarität mit den Kleinbesitzern. 1
Geheimer Regierungs⸗Rath Freiherr von Seherr⸗Thoß: Der Kreisjagdschein ist erst durch die Kommission in die Regierungs⸗ vorlage hineingebracht worden; da aber anzunehmen ist, daß das hohe Haus diesem Beschlusse zustimmen wird, will ich auf die verschiedenen Anträge hierzu eingehen. Der Gedanke der Antragsteller scheint der zu sein, daß derjenige, der das Jagdrecht auf eigenem Grund und Boden ausübt, nicht so hoch besteuert werden soll als derjenige, welcher die Jagd lediglich zum Zwecke des Vergnügens, der Erholung, als Sport ausübt. Ueber diesen Gedanken läßt sich diskutieren. Erkennt man ihn für richtig an, so darf man aber auch nicht weiter gehen, als über die Grenzen des betreffenden Grundbesitzes. Es wurde deshalb schon in der Kom⸗ mission der Antrag gestellt, die Gebühren für die Jagd auf eigenem Grund und Boden zu erniedrigen. Wir überzeugten uns aber, daß das praktisch undurchführbar sei; denn man kann von den einzelnen nicht verlangen, daß sie die Grenzen jedes einzelnen
utsbezirks genau kennen. Aus demselben Grunde ist der vom Abg. Seer vorgeschlagene Gutsjagdschein unmöglich. Der Antrag des Abg. Willebrand ist uns an sich nicht unsympathisch; denn ich gebe zu, daß auch gewisse Härten eintreten können. Aber auch hier wird die Ausführung Schwierigkeiten machen. Der Antrag des Abg. Schnaubert würde finanziell eine Verschlechterung herbeiführen, die wir namentlich den Provinzen, in denen eine Jagdscheingebühr neu eingeführt wird, nicht zumuthen dürfen. Der Antrag des Abg. Schreiber ist lediglich eine Ausführungsinstruktion, die die Regierung für praktisch hält. Sie hat bereits Jagdscheinformulare in ver⸗ schiedenen Farben hergestellt. 8 Abg. Schreiber zog mit Rücksicht auf diese letzte Mittheilung seinen Antrag zurück. 1
Abg. Hubr ich (Zentr.) sprach sich für den Antrag Klose aus.
Abg. von Ploetz (kons.): Der Antrag Jäckel ist für mich un⸗ annehmbar. Wenn man die Sache so regeln will, dann ist es schon besser, es beim Alten zu lassen. Ich stehe auf dem Boden der Vor⸗ lage, welche die Gebühr für den Landesjagdschein auf 20 ℳ festsetzen will, nur würde ich gern für einen Gemeindejagdschein 3 ℳ in Ansatz bringen. Da hierzu aber keine Aussicht ist, so haben wir den Kreisjagdschein mit einer ermäßigten Gebühr geschaffen. Was unseren Antrag anlangt, der die Möglichkeit einer weiteren Herab⸗ setzung vorsieht, so wollten wir anfangs dem Kreisausschuß die Be⸗ fugniß der Herabsetzung zuweisen. Im Interesse einer unparteiischen der Bestimmung wollen wir aber die Entscheidung dem 1 degierungs⸗Präsidenten übertragen. Die Möglichkeit der weiteren
Ermäßigung liegt im Interesse der kleinen Grundbesitzer und der kleinen Gemeinden, die oft unter dem Wildschaden zu leiden haben. Ein Theil meiner politischen Freunde wird gegen unseren Antrag stimmen, weil sie ihn als dem Interesse des Nationalvermögens zuwiderlaufend erachten.
Abg. Klose (Zentr.): Daß ein Theil der Herren auf der Rechten meinem Antrage nicht zustimmen will, hat mich überrascht. Im Interesse der kleinen Grundbesitzer ist mein Antrag gestellt; er wünscht die Festlegung der Ermäßigung im Gesetz. Wenn mein Antrag abgelehnt wird, so werden wir freilich für den Antrag der Herren Schnaubert und von Ploetz stimmen.
Miinister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein:
Meine Herren! Ich möchte mir ein paar Worte gegen den An⸗ trag des Herrn von Ploetz gestatten.
Ich weise darauf hin, daß es sich darum handelt, durch Gesetz den Kreisen Einnahmen zuzuweisen, mögen es nun 5, 10, 15 oder 20 ℳ sein. Jetzt will Herr von Ploetz dem Staats⸗Ministerium die Befugniß geben, diese durch Gesetz fixierte Abgabe ohne Mitwirkung eines kon⸗ stitutionellen Faktors auf 5 ℳ oder eine geringere Summe zu er⸗ mäßigen. Ich glaube kaum, daß das Parlament, das Abgeordneten⸗ haus, in der Lage und gewillt sein wird, der Regierung eine solche Befuzniß einzuräumen. Ich bin daneben aber auch der Meinung, daß zweifellos — das ist allerdings meine persönliche Meinung — die Staatsregierung, wenn ihr diese Befugniß ertheilt würde, schwerlich von der Befugniß Gebrauch machen würde. (Bravo!)
Abg. Dr. Lotz (b. k. P.) brachte einen Antrag ein, welcher die Wiederherstellung des Regierungsvorschlags in Betreff der Freilassung der 1“ in Ostfriesland von der Jagdscheinabgabe bezweckt.
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum kkons.): Der Antrag Jäckel ist für uns unannehmbar, weil er den Westen im Vergleich zum Osten benachtheiligen würde. Man darf eben nicht vergessen, daß es sich um Abgaben handelt, welche den Kreis⸗ bezw. den Gemeindekassen zufließen sollen. In der Unterscheidung der bei den Jagdscheinen in Betracht kommenden Interessen soll man auch nicht zu weit gehen. Die Ausübung der Jagd, sofern es sich nicht um die Abwehr von Wildschaden handelt, ist stets mehr oder weniger ein Luxus, und die Anschauungen über die Vortheile der Ausübung der Jagd durch die kleinen Besitzer sind doch sehr getheilte. Mir selbst hat ein kleiner Besitzer erklärt, es wäre besser, wenn die Bauern, statt auf die Jagd zu gehen, ihren Acker bestellten. Der größte Theil meiner politischen Freunde wird allerdings für die Vorschläge der Kommission stimmen.
Abg. Freiherr von Dobeneck (kons.): Ich werde gegen den Antrag des Herrn von Ploetz und für die Vorschläge der Kommission stimmen. Es wird über die Ungleichheiten geklagt, welche die Vor⸗ lage schaffen werde. Durch die vorliegenden Anträge werden die Un⸗ gleichheiten nur noch vergrößert. Am besten wäre es, der Anregung des Herrn Ministers zu folgen und den Betrag für einen jeden Jagd⸗ schein ein⸗ für allemal auf 15 ℳ festzusetzen. Weiter wie die Kom⸗ mission sollte man aber in den Ermäßigungen keinesfalls gehen.
Abg. Graf Strachwitz (Zentr.): Zur Erregung politischer Gegensätze ist das ganze Gesetz nicht angethan. Ich verstehe demnach die heftigen Reden und Gegenreden nicht. Die Fassung des § 4 durch die Kommission stellt ein Kompromiß zwischen zwei Ideen dar, von denen jede gewisse Gründe für sich hat: zwischen der Idee, daß die Ausübung der Jagd ein Luxus sei, und der Idee, daß sie die Aus⸗ übung eines Grundrechts bedeute. Ich kann nur dringend bitten, an diesem Kompromiß festzuhalten. Diejenigen, welche eine Herabsetzung der Jagdscheingebühr unter 10 ℳ verlangen, schädigen diejenigen Kreise, in welchen die Gebühr jetzt höher ist. Der Antrag des Abg. von Ploetz ist schon aus den von dem Herrn Minister an⸗ gedeuteten staatsrechtlichen Gründen für uns unannehmbar.
Inzwischen war ein Antrag des Abg. Schlabitz (kons.) eingegangen: die §§ 3 und 4 in der Fassung der Regierungs⸗ vorlage wiederherzustellen mit der Aenderung, daß die Gebüͤhr für jeden Jagdschein statt auf 20 ℳ auf 15 ℳ festgesetzt wird.
Abg. Sattler (nl.): Ich glaube, die Kommission hat durch Einfügung des Kreisjagdscheins einen wichtigen Schritt zur Ver⸗ besserung der Vorlage gethan, namentlich soweit meine Heimath⸗ provinz Hannover in Betracht kommt, in der die Jagdscheingebühr zur Zeit 9 ℳ beträgt. Ich werde aber, und ich glaube, auch meine Freunde werden das ganze Gesetz ablehnen, wenn die Regierungs⸗ vorlage wiederhergestellt wird. Den zurückgezogenen ursprünglichen Antrag Schnaubert⸗Ploetz dagegen nehme ich wieder auf, da ich glaube, daß er geeignet ist, gewisse Härten in der Erhebung von Jagdscheingebühren zu mildern. 8
Abg. Klose (Zentr.): Die Jagd ist nicht ein für den Bauern überflüssiger Luxus, wie Graf Limburg⸗Stirum meint, sondern zum Theil ein Schutzmittel gegen Schädigung. Sodann hat Herr Graf Limburg⸗Stirum einen zweiten Eingriff in die Privatverhältnisse der kleinen Grundbesitzer gethan, indem er sagte, der kleine Grundbesitzer solle lieber seinen Acker bestellen, als auf die Jagd gehen. (Graf zu Limburg⸗Stirum macht eine verneinende Geberde.) Ja, das haben Sie gesagt. Aber diese Belehrung ist ganz überflüssig. Die besonnenen Bauern brauchen sie nicht, und die unbesonnenen, leidenschaftlichen Jäger werden sie nicht hören. Durch die hohe Jagdscheingebühr wird aber die Jagd allmählich ganz in die Hände gerade der letzteren übergehen, auch würden die Jagdpachten billiger werden. Sie haben ferner gesagt, der Kleingrundbesitz komme nicht in Betracht. Das ist aber sehr traurig, daß Sie ihn nicht in Betracht ziehen wollen. Wo ist überhaupt die Grenze, die Sie zwischen dem kleinen und großen Grundbesitz ziehen? Jedenfalls erscheint die von
mir beantragte Ermäßigung der Jagdscheingebühr durchaus berechtigt,
und ich bitte Sie, meinen Antrag anzunehmen.
Hierauf wurde die Debatte zu § 3 und 4 geschlossen.
In einer persönlichen Bemerkung hob der
Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum hervor, daß er zwischen großen, mittleren und kleinen Grundbesitzern unterscheide. Unter kleinen verstehe er solche, die fast nur mit eigener Hand ihren kleinen Acker bestellen, während der mittlere Grundbesitzer, für den er plaidiere, der Bauer mit ca. 300 Morgen Land sei. Er konstatiere, daß er keineswegs gesagt habe, der kleine Grundbesitzer solle lieber seinen Acker bestellen, statt auf die Jogd zu gehen. Das habe ihm ganz fern gelegen. Er habe vielmehr nur mitgetheilt, daß ein kleiner Grundbesitzer ihm solches erklärt habe. Das sei ein großer Unterschied. b . 3
Abg. Klose meinte unter lebhaftem Widerspruch, das sei wohl ziemlich dasselbe. —
Bei der nun folgenden Abstimmung wurden sämmtliche Anträge abgelehnt und die §§ 3 und 4 in der Fassung der Srssh rerlag⸗ mit großer Majorität an⸗ genommen.
§ 5 bestimmt, welche Personen von der Jagdscheinabgabe befreit sind.
Abg. Graf Strachwitz (Zentr.) beantragte, auch die im Haupt⸗ amt angestellten privaten Forstbeamten von der Jagdscheinabgabe zu befreien; für den Fall der Ablehnung dieses Prinzipalantrags bean⸗ tragte derselbe Abgeordnete, daß „die zuständige Behörde berechtigt sein soll, auch den nicht bereits von der Befreiung betroffenen Jägern einen unentgeltlichen Jagdschein auszustellen“.
Abg. Graf Strachwitz wies zur Begründung des Antrags darauf hin, daß den angestellten Privatförstern dieselben Aufgaben zu⸗ fallen wie den Königli Förstern.
MMinister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ stein: 8
Meine Herren! Ich habe gegen die Aenderung, daß für „Jagd⸗
scheingebühr“ „Jagdscheinabgabe“ gesagt wird, nichts einzuwenden;
dagegen muß ich mich gegen den Verbesserungsantrag des Herrn Grafen Strachwitz aussprechen.
Es ist zweifellos die Absicht, sie vereidigte, wirklich angestellte lichen Jagdschein ebenso zu geben wie den staatlichen Forst beamten. Verläßt man aber diese Grenze, dann kommt man zu Willkürlichkeiten; dann hat man zu gewärtigen, daß Privat⸗ personen zu Jagdbeamten ernannt werden, um für dieselben unentgelt⸗ liche Jagdscheine zu erlangen. Ich bitte, diesen Weg nicht zu be⸗ schreiten. Unentgeltlich soll für die Privat⸗Jagdbeamten der Jagdschein gegeben werden, wenn sie wirklich angestellte Beamte und nach den geltenden Bestimmungen als solche vereidigt sind, und für staatliche Forstbeamte, wenn sie eben Staatsbeamte sind.
Abg. Gamp (frkons.): Ich bin damit einverstanden, daß den⸗ jenigen Privatbeamten ein freier Jagdschein gewährt wird, denen die Arbeit der Königlichen Förster, vor allem der Forstschutz zufällt. Für beeidigte Personen fällt die Jagdscheinabgabe fort. Es wird aber vor der Vereidigung eine dreijährige tadellose Dienstzeit verlangt, kein Privatmann kann ohne weiteres einer Person auf 3 Jahre seine Pacht anrertrauen. Die für den Staatsforstdienst in der Ausbildung Be⸗
riffenen befinden sich den anderen Förstern gegenüber im Vortheil.
enn man jeden zur Vereidigung zuließe, der die Stellung eines Försters inne hat, so würde der Antrag sich erübrigen. So kann ich denselben zur Annahme empfehlen.
Minister für Landwirthschaft Freiherr von Hammer⸗ stein:
Ich glaube, Ihnen zunächst mittheilen zu sollen, was zur Zeit bestehendes Recht ist. In der Provinz Hannover wird ein unentgelt⸗ licher Jagdschein weder für die staatlichen Beamten noch für die Privat⸗Jagdschutzbeamten gewährt. Der Inhaber der Privatjagd muß also für seine Jagdbeamten an die Kreiskasse die 9 ℳ Gebühren zahlen, und der Forstfiskus muß für seine sämmtlichen Forstbeamten ebenfalls die Gebühr an die Kreiskasse zahlen. Für die alten Pro⸗ vinzen Preußens gelten folgende Bestimmungen:
Die im Königlichen oder Kommunaldienst angestellten Forst⸗ und Jagdbeamten, sowie die lebenslänglich angestellten Privatforst⸗ und Jagdbedienten erhalten den Jagdschein unentgeltlich, soweit es sich um die Ausübung der Jagd in ihren Schutzbezirken handelt. In Jagdscheinen, welche unentgeltlich ertheilt sind, muß dies und für welchen Schutzbezirk sie gelten, angegeben werden.
Nun will die gegenwärtige Vorlage für die ganze Monarchie den unentgeltlichen Jagdschein auch für die Privat⸗Jagdschutzbeamten, so wie dies das Gesetz bestimmt, gewähren. Das ist also etwas Weiteres, als was bis jetzt gewährt war. Nun kann man aber nicht bestreiten, daß, wenn die Angelegenheit im Rahmen der gestellten Anträge geordnet wird, Gefahr vorliegt, daß eine Umgehung der geltenden Bestimmungen eintritt, daß Personen Freijagdscheine erlangen, welchen sie nicht gewährt werden sollen, und daß dadurch eine Schädigung der
Kreiskassen eintritt, kurzum, daß allerlei Unzuträglichkeiten eintreten. Ich bitte deshalb, die Sache so zu belassen, wie sie von der Staats⸗ regierung vorgeschlagen ist.
Abg. Graf Stra chwitz (Zentr.): Mir wäre es am sympathischsten, wenn der § 23 des Feldpolizeigesetzes, nach dem die Vereidigung zu erfolgen hat, geändert würde. Da das hier aber nicht möglich ist, müssen wir bei diesem Gesetz darauf Rücksicht nehmen, daß die Königlichen Beamten sofort, Privatbeamte aber erst nach dreijährigem Dienst vereidigt werden können.
Abg. Gamp: Es ist nicht abzusehen, weshalb bei den gleichen Ansprüchen an die Leistungen Königliche Förster besser gestellt werden sollen als private. In den ersten drei Jahren kann kein Privatförster einen abgabefreien Jagdschein erhalten, ein Königlicher Förster sofort. Dazu kommt noch, daß den Privatförstern zum großen Theile die Ausübung der Jagd untersagt ist; daß Verwandte als angestellté Förster bezeichnet werden sollten, erscheint nicht denkbar, der Landrath würde bei Ausstellung des Jagdscheins doch zuerst nach dem Kontrakt der Betreffenden fragen.
Abg. Reimnitz (nl.) trat für den Antrag des Grafen Strachwitz 2 empfahl aber statt dessen, lieber den ganzen Paragraphen abzu⸗ ehnen.
Abg. von Kardorff (fr. kons.): Der Antrag des Grafen Strachwitz scheint mir doch große Bedenken zu haben; ich beantrage statt dessen, § 5 überhaupt abzulehnen.
Minister für Landwirthschaft Freiherr von Hammer⸗ stein:
Ich weise auf die finanzielle Einwirkung der Anträge auf die Staatskasse hin, welche möglicherweise den Herrn Finanz⸗Minister veranlassen könnte, gegen das Gesetz Widerspruch zu erheben. In der Regel gehen die Jagdbezirke und Forstbezirke, für welche ein König⸗ licher Beamter bestellt ist, über die Kreisgrenzen hinaus. Es muß also in der Regel für diese Forstbeamten ein Landes⸗Jagdschein für 20 ℳ gelöst werden, und diese Abgabe fließt in die Kreiskasse. Der Staat wird den staatlichen Forstbeamten diese Abgabe erstatten müssen. Der Staat muß, wie es in Hannover schon geschieht, also für seine sämmtlichen Förster und Jagdschutzbeamte Jagdscheine in der Regel für 20 ℳ lösen. Daß das, wenn man sich den Umfang des staatlichen Forstverbandes ansieht, eine sehr erhebliche Belastung der Staatskasse zu Gunsten der Kreise herbeiführt, ist zweifellos, und ich bin zweifel⸗ haft, ob nicht deshalb die Regierung die ganze Vorlage ablehnen wird.
Abg. von Waldow k(kons.) sprach sich für die Beibehaltung des Paragraphen aus.
Abg. von Kardorff: Die Befürchtung einer Ablehnung des Gesetzes durch die Regierung möchte ich nicht zu ernst nehmen. Die entstehenden Mindereinnahmen sind nicht so bedeutend, daß sie bei den durch das Stempelsteuergesetz zu erwartenden Mehreinnahmen in Betracht kämen.
ge Minister für Landwirthschaft Freiherr von Hammer⸗ in:
Entschuldigen Sie, daß ich noch einmal das Wort ergreife und 8- die Wiedereröffnung der bereits geschlossenen Diskussion ver⸗ anlasse.
Ich halte mich aber doch verpflichtet, einige allgemeine Zahlen vorznführen. Nach Mittheilung des Herrn Ober⸗Landforstmeisters sind etwa 7500 staatliche Forstbeamte, für die in der Regel der Jagd⸗ schein mit 20 ℳ bezahlt werden müßte, vorhanden. (Zurufe rechts: 10 ℳ!) Es handelt sich also um eine Belastung der Staatskasse zu Gunsten der Kreise im Umfang von 120⸗ bis 150 000 ℳ jährlich. Widerspruch rechts.)
Abg. Gamp hob d üb or, es sich zumeist um Jagdschein ’ hb ne 882 10 . 09 vehrich sti f
Nach Ablehnung des Antrags wurde § 5 in der Kommissionsfassung angenommen.
§ 10 bestimmt, daß derjenige, der innerhalb der ab⸗ Püeckten Festungsrayons die Jagd ausüben will, vorher seinen
gdschein von der Festungsbehörde mit einem Einsichtsver⸗ merke versehen lassen muß. 8 “ 8
Privat⸗Jagdbeamten, wenn Beamte sind, unentgelt⸗
*
. Abg. Jäckel (fr. Volksp.) brachte einen Fall zur Sprache, in welchem einem Jagdberechtigten in Posen von der Komman⸗ dantur das Jagen verboten wurde, obwohl sein Jagdschein den erfor⸗ derlichen Vermerk getragen habe.
Geheimer Regierungs⸗Rath von Trott zu Solz erwiderte, daß die Bestimmung des § 10 allerdings bestehendes Recht sei; doch sei der erwähnte Fall nicht zu seiner Kenntniß gelangt. Im übrigen ge⸗ höre dieser Fall vor den Herrn Kriegs⸗Minister.
Zu § 12, welcher die Strafbestimmungen enthält, lagen zwei Anträge vor.
Abg. Günthernl.) beantragte, die Haftstrafe zu streichen.
Abg. Bachmann (nl.) wollte außerdem die Geldstrafe von 40 bis 100 ℳ auf 15 bis 100 ℳ berabsetzen. Geheimer Regierungs⸗Rath Freiherr von Seherr⸗Thoß sprach sich gegen die Anträge aus. Es sei nicht zu empfehlen, mit zu milden Strafen vorzugehen.
Der Antrag des Abg. Bachmann wurde angenommen und mit der dadurch herbeigeführten Aenderung der § 12.
Der Rest des Gesetzes gelangte gleichfalls zur Annahme.
Das Haus ging sodann zur zweiten Berathung des vom Herrenhause beschlossenen Gesetzentwurfs, betreffend die Er⸗ gänzung des Jagdpolizeigesetzes, über.
Die Kommission beantragte, den Gesetzentwurf ab⸗ zulehnen und
die Regierung zu ersuchen, in diesem Entwurfe behandelten Materie in die eiten.
Abg. Winckler (kons.) tadelte das Verfahren der Kommission, welche die Angelegenheit sehr oberflächlich behandelt habe, und bean⸗ tragte die Zurückverweisung des Gesetzentwurfs an die Kommission.
Dieser Antrag wurde abgelehnt, ebenso § 1 der Vor⸗ lage und der Rest derselben ohne Debatte. 8
Die von der Kommission beantragte Resolution wurde angenommen.
Schluß der Sitzung 4 Uhr. „Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr (Gesetz, betreffend Aufhebung der Ruckzahlungspflicht bezüglich der Grundsteuer⸗
entschädigungen; Antrag Ring).
ihrerseits die Regelung Wege zu
Literatur.
Das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Von dem zweiten Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich nach den Beschlüssen der Redaktions⸗Kommission ist vor kurzem der letzte Theil, Buch V und VI, auf amtliche Ver⸗ anlassung bei J. Guttentag sowie gleichzeitig im Verlage von Franz Vahlen, Berlin, erschienen. Er enthält das Erb⸗ recht und das sogenannte internationale Privatrecht. Wie all⸗ bekannt ist das Gebiet des deutschen Erbrechts seinen gegen⸗ wärtig geltenden rechtlichen Bestimmungen nach vielleicht das bunt⸗ scheckigste Gebiet unseres gesammten Rechtes. Wollte man die ver⸗ schiedenen in Deutschland bestehenden erbrechtlichen Bestimmungen durch eine in entsprechend vielen Farben ausgeführte Karte darstellen, so würde man ein noch viel bunteres Bild erhalten, als das durch eine polttische Uebersichtskarte des erloschenen alten deutschen Reichs hervorgerufene jemals gewesen ist. Es ist deshalb gewiß aufs innigste zu wünschen, daß diesem Chaos durch das neue Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich endlich ein Ende gemacht wird. Die wesentlichen Bestimmungen des Entwurfs sind bereits nach seiner ersten Lesung von verschiedenen Seiten eingehend kritisiert und gewürdigt worden. Vielleicht die bedeutendste unter allen in ihm enthaltenen Neuerungen ist die, welche der Entwurf bei der Ordnung der gesetzldichen Erbfolge einführt. Das bisher geltende Erbrecht in Deutschland bestimmt die Erbfolge der Ver⸗ wandten so gut wie ausschließlich nach dem — dem römischen Recht entlehnten — sogenannten Gradualsystem. Dasselbe läßt über die Erbfolge die Verwandtschaftsnähe entscheiden; diese aber wird nach der Zahl der nöthig gewesenen Geburten berechnet, welche von dem Erblasser zu dem Erben hinleiten. Im Gegensatz hierzu huldigt der neue Entwurf, unter Anlehnung an das germanische Recht, dem Parentelensystem, welches auf dem Gedanken beruht, daß diejenigen, die mit dem Erblasser die näheren Stammes⸗ eltern gemeinsam haben, — die Parentel — solchen Verwandten vor⸗ gehen, welche durch entferntere Stammeseltern mit jenem verbunden sind, und daß innerhalb der Parentel die entfernteren Verwandten an die Stelle eines weggefallenen näheren treten. Hiernach bilden die Abkömmlinge des Erblassers die erste Parentel, die Eltern des⸗ selben mit ihren Abkömmlingen die zweite, alsdann kommen die Großeltern und ihre Abkömmlinge u. s. w. Von der Durchführung dieses Systems, welches die in den geltenden Erbrechten Deutschlands vorhandenen Gegensätze vermitteln soll, macht das Gesetzbuch nur bei der dritten Parentel im volkswirthschaftlichen Interesse eine Aus⸗ nahme, indem es eine Bestimmung getroffen hat, welche die Zer⸗ splitterung des Vermögens durch Uebergang der Hinterlassenschaft an die möglicherweise sehr zahlreichen Enkelkinder verhindern soll. Der Entwurf hat den Kreis der zur gesetzlichen Erbfolge berufenen Personen gegenüber einem Theil des geltenden Rechts dadurch ausge⸗ dehnt, daß er dem überlebenden Ehegatten ein unmittelbares Erbrecht einräumt und hiermit eine große Härte und Ungerechtigkeit beseitigt. Eine weitere, prinzipiell wichtige Umbildung in sozialpolitischem Sinn hat das Erbrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der zweiten Lesung erfahren. Es ist bekannt, daß von hervorragenden Juristen — so von Brinz, Baron, Brater u. a. — die Beseitigung des Intestat⸗ Erbrechts von einem bestimmten Verwandtschaftsgra ab gefordert worden
ist. Der erste Entwurf verhielt sich gegenüber den .“ das
Erbrecht der Verwandten in sozialpolitischem Sinn einzuschränken, ablehnend; die Kommission war der Meinung, daß die Frage vom Standpunkt der Sozialpolitik noch nicht reif für die gesetz⸗ eberische Behandlung sei. Der zweite Entwurf begrenzt nun das ntestat⸗Erbrecht der Verwandten zu Gunsten des Staats, wenn auch diese Begrenzung eine sehr erhebliche praktische Bedeutung noch nicht haben wird. Der Staat folgt nämlich hinter den Erben fünfter Ordnung (Parentel) und hinter dem Ehegatten; Erben fünfter Ord⸗ nung sind die entfernteren Voreltern des Erblassers, d. h. die Vor⸗ eltern, welche weitläufiger mit ihm verwandt sind als die Ur⸗ großeltern und deren Abkömmlinge. Im übrigen kommen die Vorzüge, die dem zweiten Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs im Vergleich zu dem ersten eigen sind, auch in dem jetzt veröffentlichten V. und VI. Buche zur Erscheinung, wenn schon die Veränderungen, die man hierbei an den Beschlüssen erster besung “ hat, im Verhältniß nicht so besonders zahl⸗ reich sind.
Ueber die muthmaßlichen Wirkungen, welche das neue Gesetzbuch auf die wirthschaftlichen und sozialen Verhältnisse des deutschen Volks ausüben wird, Vermuthungen aufzustellen oder ein ab⸗ schließendes Urtheil über seinen Werth zu fällen, wäre verfrüht. Das eine aber steht fest, daß die einheitliche Regelung des bürgerlichen Rechts unserer nationalen Einheit ein neues, unzerstörbares Band verleiht, und daß also die nationale Bedeutung der gewaltigen Rechtsreform kaum überschätzt werden kann. Wer wollte verkennen, daß das eeah der Zusammen ehörigkeit unter den deutschen Stämmen durch die Thatsache mächti gczeder wird, daß ein Gesetz vom Ostwall des Reichs bis zur Westmark gilt, daß eine Norm die Lebensbeziehungen im Wasgau und an der Eider regelt; und wo ist der Deutsche, dessen Herz nicht von freudigem Stolz geschwellt würde, wenn er daran denkt, daß wir nun das köstliche Gut der Rechtseinheit erlangt haben, welches unseren Vätern ein verheißungsvoller, aber uner⸗
füllbarer Traum zu sein schien? Nicht zu der Zeit, da der Gaugraf unter der alten schattigen Linde das Recht sprach, und nicht in den Tagen, in welchen der gewaltige Staufenkaiser auf den lombardischen Gefilden Gerichtstage abhielt, besaßen die Deutschen die Rechtseinheit in dem Umfange, wie sie durch das neue Bürgerliche Gesetzbuch verwirklicht werden soll. Wenn wir dies erwägen und uns daran erinne n, daß noch vor einem halben Menschenalter die deutsche Nation keine Ver⸗ fassung besaß, welche es ermöglicht hätte, für das Ganze verbindliche Rechtsnormen zu erlassen, dann werden wir wohl sagen dürfen, daß der Genius des deutschen Volks Ursache hat, mit unserer Entwicklung während der letzten Jahrzehnte zufrieden zu sein. Es sind jetzt 17 Jahre her, seitdem der erste Deutsche Kaiser vor dem versammelten Reichs⸗ tag ein prächtiges Wort über die Schaffung der deutschen Rechts⸗ einheit sprach. „Die gemeinsame Rechtsentwicklung“, so sagte Kaiser Wilhelm I., „wird in der Nation das Bewußtsein der Zusammen⸗ gehörigkeit stärken und der politischen Einheit Deutschlands einen inneren Halt geben, wie ihn keine frühere Periode unserer Geschichte aufweist.“ Die deutsche Nation und der sie repräsentierende Reichstag wird, dessen sind wir gewiß, allezeit dieses Ausspruchs des verewigten Herrschers eingedenk bleiben und in der Arbeit zur Be⸗ förderung der Rechtseinheit nicht ruhen noch rasten, bis das Wort Kaiser Wilhelm's I. seiner ganzen Tragweite nach zur Thatsache ge⸗ worden ist. Kunstgewerbe.
L. K. Führer durch das Hamburgische Museu Kunst und Gewerbe, zugleich ein Handbuch der Geschi Kunstgewerbes, von J. Brinckmann. Hamburg 1894. 2 B
Als um die Mitte unseres Jahrhunderts die Bewegung zu Gunsten einer Reform des Kunstgewerbes in Fluß kam, richteten sich die Be⸗ strebungen auf eine neue Organisation des kunstgewerblichen Unter⸗ richts und die Errichtung kunstgewerblicher Sammlungen. Den letz⸗ teren fiel die Aufgabe zu, den technischen Unterricht durch Anschauun von Mustern vergangener Kulturepochen zu beleben und den Geschma und die Ansprüche der Gebildeten auf eine höhere Stufe zu heben. Die Wirkung der älteren kunstgewerblichen Erzeugnisse auf die Produzenten ist, wie man nach nunmehr fast fünfzigjähriger Erfahrung sagen darf, anfangs überschätzt worden; ja zeitweise hat das Studium vergangener Stil⸗ epochen sogar die Schaffensfreiheit und ⸗Selbständigkeit gelähmt. Dagegen stehen die Kunstgewerbemuseen als Bildungsanstalten für den Geschmack des Konsumenten vielfach noch am Anfang ihrer Wirksamkeit. Nur die historische Durchdringung des hier gesammelten Materials, das wachsende Verständniß für die geschichtliche und technische Bedingtheit der einzelnen Stilformen kann das Publikum zum Urtheil in kunstgewerblichen Dingen erziehen. Die Anschauung allein enügt diesen Zwecken nicht, literarische Unterweisung muß als nothwendige
Irgänzung zu dem Besuch der Museen hinzutreten. Der „Geschichte der technischen Künste“, die der Direktor des österreichischen Museums Bruno Bucher im Verein mit anderen Fachgenossen herausgegeben hat, fehlte wiederum der enge Anschluß an das Anschauungsmaterial einer Sammlung, der die geschichtlichen Ausführungen erst wirklich lebendig macht. Der Führer durch das Königliche Kunstgewerbe⸗ Museum in Berlin war durch die geforderte Knappheit seines Um⸗ fangs auf eine nur andeutende Schilderung der historischen Zusammen⸗ hänge angewiesen. Ein wirklich anregendes und bildungförderndes Handbuch der Geschichte des Kunstgewerbes geschaffen zu haben, ist das Verdienst des unermüdlichen Leiters des Hamburger Kunstgewerbe⸗ Museums, Professors Dr. . Brinckmann, dessen oben angezeigter Fuͤhrer durch die ihm unterstellten Sammlungen in der That den Anspruch erheben darf, eine tiefempfundene Lücke der Kunstliteratur auszufüllen. Der trotz des Untertitels ge⸗ wahrte Anschluß an die Hamburger Sammlung erklärt zur Genüge, daß einzelne Gebiete kige enen behandelt werden mußten als andere, zu deren ausführlicher Berücksichtigung die dortige Sammlung keinen Anlaß bot. Den Schwerpunkt des Werkes, das durch die vortreff⸗ lichen Abbildungen (meist nach Aufnahmen des Museumszeichners W. Weim ar) einen reichen und belehrenden Schmuck erhalten hat, bilden die Abschnitte über deutsche Keramik. Hier hat der Verfasser eine durchaus selbständige, durch viele Einzelfunde bereicherte Gruppierung des Stoffes gegeben und damit die bisherigen Darstellungen weit überholt. Aber auch die Kapitel über die Bauernmöbel der Elb⸗ marschen, die niederdeutschen Truhen und Schränke, die Mangel⸗ bretter u. a. konnten nur auf Grund des Hamburger Sammlungs⸗ materials geschrieben werden und sind als Grundlage für die weitere Forschung anzusehen. TDaß der ost⸗asiatischen Kunstindustrie ein breiter Raum zugewiesen ist, darf angesichts des Umstandes, daß Hambur den Hauptstapelplatz für japanische und cchinesische Kunsterzeugnisse bildet, nicht überraschen. Auch verdanken wir dem Verfasser eine der trefflichsten Monographien über Kunst und Handwerk in Japan, deren zweiter Band sich gegenwärtig unter der Presse befindet. Mit der Hervorhebung dieser Glanzpartien des Buchs ist sein Inhalt bei weitem nicht erschöpft; insbesondere würde auch der Ab⸗ schnitt über Textilkunst eine eingehende Würdigung recht⸗ fertigen, während die Schmiedekunst — sowohl die der Edelmetalle, wie die des Eisens — und die italienischen Fayencen, dem Umfang dieser Gruppen im Hamburger Museum entsprechend, weniger ausführliche Behandlung erfahren haben. Daß das Han buch in seiner gegenwärtigen Form indeß ein lebhaft empfundenes Bedürfniß befriedigt, ergiebt sich aus dem Umstand, daß in der kurze Zeitspanne seit seinem Erscheinen bereits über tausend Exempla abgesetzt wurden. Das spricht nicht nur für den Reichthum des Ge⸗ botenen, sondern im besonderen Maße auch für das Geschick der literarischen Darstellung, die, gleich entfernt von phrasenhafter Oberflächlichkeit und schwerfälligem Gelehrtenstil, in überaus klarer und anregender Weise in die einzelnen Gebiete der kunstgewer lichen Forschung einführt. Besondere Beachtung gebührt noch den in der Einleitung kurz skizzierten Anregungen über die zweckmäßige künftige Anordnung unserer Gewerbe⸗Museen, die der Verfasser in einem Vo trage im Hamburger Gewerbeverein ausführlicher dargelegt hat. Mit Recht wird der Schwerpunkt der Reform im Gegensatz zu der heut beliebten Aufstellung nach technischen Gesichtspunsten auf die kultur⸗ geschichtliche Gruppierung der Sammlungsobjekte gelegt. Nur wenn dem Beschauer die sämmtlichen kunstgewerblichen Erzeugnisse einer be Stilepoche und eines Landes übersichtlich in einem geschlossenen
ahmen vorgeführt werden, wird der Eindruck der Zersplitterun vermieden, werden die Bezüge der einzelnen Techniken zu einander und zu dem Kulturboden, aus dem sie erwachsen, als historische Noth⸗ wendigkeit klar erkannt werden können. Diese Postulate an die Zu⸗ kunft stehen mit der eingangs angedeuteten wichtigen Aufgabe der Museen als Bildungsanstalten für die Auftraggeber in engem Zu⸗ sammenhang. 8 aber allerdings, wie der Verfasser hervorhebt, eine durchdringende Kenntniß der Dinge voraus. Daß gerade der Leiter des Hamburger Museums für eine solche der rechte Mann ist, hat er durch seine Leitung der Anstalt wie durch das vor⸗ liegende Werk aufs glänzendste bewiesen.
Karten b Von dem großen Uebersichtspla mvon Berlin im Maß⸗ stabe von 1:4000, der im Auftrage der Stadt im Geographischen Institut und Landkarten⸗Verlag von Fullus Straube, Berlin SW., in Kupferstich ausgeführt wird, ist seht Blatt II A. erschienen und in S Ausführung zum Preise von 2 ℳ käuflich. Dasselbe bildet eine Erweiterung des Kartenbildes zu Plan I A (nach Süden) und umfaßt das Gebiet zwischen Rathhaus, Goß⸗ Frankfurterstraße, Sö Sebastianstraße. Hat der Maßstab einerseits den Vortheil großer Uebersichtlichkeit, so führt er andererseits jedes einzelne Grundstück in seinen Grenzen und seiner Bebauung vor Augen. Außerdem ist der Plan in genauer Originalgröße gedruckt, wodurch er für bauliche Vorentwürfe ꝛc. besonders werthvoll wird. Auch dieses mit außerordentlicher Schärfe und in lebhaften ansprechenden Farben hergestellte Blatt bestätigt den guten Ruf der Leistungen des Straube’⸗ schen Instituts.