1895 / 161 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Jul 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Frankreich.

Der Deputirte Barodet (radikal) brachte gestern in der Deputirtenkammer einen Antrag ein, worin die Regie⸗ rung aufgefordert wird, sobald wie möglich über einen Ver⸗

rag wegen eines ständigen Schiedsgerichts zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten in Verhand⸗ lung zu treten. Die Dringlichkeit für die Berathung des An⸗ trags wurde beschlossen und letzterer angenommen. Hierauf wurde die Berathung des Handelsabkommens zwischen Frankreich und der Schweiz begonnen. Der Deputirte Fourgeois sprach sich mißbilligend über die Herabsetzungen des Tarifminimums aus, welche die anderen Länder dazu führen würden, noch weitere Herabsetzungen zu verlangen. Mehrere Redner brachten verschiedene Einwendungen vor. Der Referent Möline erklärte, er werde für den französisch⸗ schweizerischen Handelsvertrag stimmen, zwar ohne Begeisterung, aber aus Vernunftgründen. Der Export Frankreichs habe unter dem neuen ökonomischen Regime nicht nur nicht ge⸗ litten, sondern sich sogar gehoben. Das Verhältniß zur Schweiz sei unerträglich gewesen, aber das vorliegende Ab⸗ kommen bedinge keineswegs, einer Unterhandlung mit anderen Ländern näher zu treten. Frankreich werde Herr seiner Tarif⸗ bestimmungen bleiben. Der Minister⸗Präsident Ribot sprach für die Vorlage, die auch einen politischen Erfolg darstelle, dessen sich Frankreich bei den vielen Ueberlieferungen der Freund⸗ chaft, welche es mit der Schweiz verbänden, mit Recht freuen könne. Die Generaldebatte wurde sodann geschlossen und die Vorlage für dringlich erklärt. Nachdem zahlreiche Amende⸗ ments abgelehnt worden waren, wurde die Vorlage mit 513

gegen 11 Stimmen angenommen. 8 9 8

Rußland. 5 8

Das „Journal de St. Pétersbourg“ schreibt: „Das Ab⸗ kommen dehufs Feststellung der Bedingungen der von Rußland garantierten chinesischen Anleihe ist am 24. Juni (a. St.) durch den Minister des Aeußern und den Finanz⸗Minister einerseits und den chinesischen Gesandten andererseits unterzeichnet worden. Zugleich wurde der Vertrag zwischen dem chinesischen Bevoll⸗ mächtigten und den Vertretern der mit der Emission der Anleihe betrauten französischen Bankhäuser unter⸗ zeichnet. Diese Finanzoperation beschäftigt seit lange die all⸗ gemeine Aufmerksamkeit und giebt zu den extravagantesten Kommentaren in manchen Organen der ausländischen Presse Veranlassung. Man hat sich bemüht, den Zweck zu er⸗ gründen, den Rußland verfolgen konnte, indem es der chine⸗ sischen Regierung einen so bemerkenswerthen Dienst anbot, und man ist selbst soweit gegangen, sich zu fragen, ob das ße asiatische Reich sich nicht der Gefahr aussetze, sich Ruß⸗ land gegenüber in eine Art Vasallenverhältniß zu begeben, indem es die ihm angebotene Garantie annahm. Die Er⸗ klärung dieses Anerbietens ist indessen so klar gegeben durch die geographische Stellung der beiden Mächte und die Be⸗ ziehungen, welche zwischen denselben seit mehr als drei Jahrhunderten bestanden haben, daß es vernünftigerweise nicht anders denn als die logische Konsequenz einer voll⸗ kommen klaren Lage betrachtet werden kann. In der That, giebt es auf dem Erdball zwei Mächte, welche eine gleich unermeßlich ausgedehnte Grenze zwischen sich hätten und für die infolgedessen ein klareres Interesse zur Pflege der Beziehungen guter Nachbarschaft und Freundschaft bestünde? Wieviel Mann müßten sie nicht unterhalten, um diese Grenze

zu bewachen, wenn die Beziehungen zwischen den beiden Reichen nicht solche gewesen wären, wie sie in der That sind! Der⸗ artige Beziehungen entsprechen übrigens nicht allein ihren beiderseitigen Interessen, sondern sie gereichen auch dem inter⸗ nationalen Handel zum Nutzen, welcher dabei alle Vortheile eines dauerhaften Friedens findet, dessen wohlthätige Folgen auf die Fortschritte des Handels direkt zurückwirken. Rußland hat sich niemals in die inneren Angelegenheiten Chinas einzu⸗ mischen, noch dessen Reichthümer zu seinem Vortheil auszu⸗ nutzen gesucht; aber es hat sich auch niemals geweigert, ihm seine mächtige Unterstützung zu leihen, wenn die politischen Verhältnisse China in böse Schwierigkeiten verwickelten. Auch war es von dem Augenblick an, wo die japa⸗ nische Regierung, den frreundschaftlichen Rathschlägen Rußlands, Frankreichs und Deutschlands nachgebend, den weisen Entschluß ausgesprochen hatte, auf den endgültigen Besitz der Halbinsel Liao⸗Tong zu verzichten, nur ganz natürlich, daß man Rußland, von dem der Anstoß zu dem gemeinschaftlichen Vorgehen der drei Mächte ausging, sich mit den finanziellen Maßregeln beschäftigen sah, welche außerhalb des Zusammengehens der drei Mächte geblieben waren, aber von denen unvermeidlich die praktische Verwirklichung der erzielten Ergebnisse abhing. Hieß China eine möglichst vortheilhafte Anseihe erleichtern nicht auf dem Wege ver⸗ harren, der durch unsere Beziehungen zu dem großen Nachbar⸗ reich ganz vorgezeichnet war? Zugkkich bedeutete dies die Beschleunigung der Räumung seines Gebiets in Uebereinstim⸗ mung mit dem großen politischen Ziel, welches die Ver⸗ anlassung war und der Endzweck ist des so glücklich begründeten Zusammengehens Rußlands, Frankreichs und Deutschlands“.

Italien.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer erklärte der Minister des Auswärtigen Baron Blanc in Erwiderung auf eine Anfrage der Deputirten Cirmeni und Aprile über die Unruhen in Saint⸗Julien⸗de⸗Maurienne: Nach den der Regierung zugekommenen Informationen handele es sich um eine gewöhnliche Rauferei, die auf der Straße zwischen Italienern und Franzosen entstanden sei und erst später wegen völliger Abwesenheit von Organen der Sicherheitsbehörden ernstere Dimensionen angenommen haben solle. Die Rauferei sei bis zur Ankunft berittener Gendarmen aus Saint⸗Jean, welche bereits einen Todten und mehrere Verwundete vor⸗ efunden hätten, fortgesetzt worden. Der italienische Botschafter Graf Tornielli habe sich unverzüglich zum Minister des Aeußeren Hanotaux begeben, um bei diesem Informationen einzuholen. Letzterer habe seinem Bedauern Ausdruck gegeben und erklärt, daß die Behörden die eeigneten Verfügungen getroffen hätten. Es seien mehrere verhaftet worden. Der Prozeß gegen die Schuldigen sei eingeleitet. Bis zum Abschluß der gerichtlichen Unter⸗ suchung sei jede weitere Erklärung unzeitgemäß.

Türkei. Gestern fand in Konstaminopel zu Ehren des deutschen Botschafters Freiherrn von Saurma⸗Jeltsch ein Hofdiner

Marschall Kamphoevener⸗Pascha mit Gemahlin und Tochter in⸗ 4—7 von Grumbkow⸗Pascha und von Brockdorff⸗ Pascha zugezogen waren.

Die türkischen Behörden haben in Uesküb einen bulga⸗ rischen Agitator Namens Stojanoff verhaftet.

Griechenland. 16““ Die halbamtliche „Palingenesia“ und das Blatt „Asty“ sprechen ihr Bedauern aus über den Artikel eines französischen Blattes, worin der Pforte angerathen wird, den Forderungen Bulgariens nachzugeben zum Nachtheil des Hellenismus. Die „Palingenesia“ fügt hinzu: wenn die Agitationspolitik, welche Bulgarien treibe, Erfolg haben sollte, so werde Griechenland gezwungen sein, durch wirksame Mittel seine numerische und moralische Ueberlegenheit in Macedonien darzuthun.

Rumänien.

Einer Meldung der Bukarester Blätter zufolge hat der Erzbischof von Bukarest Zardetti demissioniert.

Serbien. e Eine gestern erschienene Extra⸗Ausgabe des amtlichen Blattes veröffentlicht ein in den huldvollsten Ausdrücken gehaltenes Handschreiben des Königs an den früheren Minister⸗Präsidenten Christic, worin der Monarch diesem und seinen Kollegen „für die Treue und Aufopferung, welche sie jetzt, wie immer, im Dienste des Thrones bekundet haben“, seinen Dank ausspricht. Zugleich wird die Ernennung des gegenwärtigen Gesandten in Paris und früheren Minister⸗ Präsidenten Garaschanin zum Krondeputirten bekannt egeben. Der König hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad von heute Garaschanin zum Präsidenten und Dragomir Rajovic zum Vize⸗Präsidenten der Skupschtina ernannt.

Die Skupschtina wird in ihrer außerordentlichen Session, welche vier bis fünf Tage dauern soll, nur das Finanzarrangement erledigen; das Budget bleibt für die ordentliche Session vorbehalten. In der heutigen Sitzung wird eine Interpellation des Krondeputirten Curcic über di mazedonische Frage eingebracht werden.

Bulgarien. Die „Agence Balcanique“ meldet: Nachdem die Vertreter der Großmächte die Aufmerksamkeit der bulgarischen Regierung auf die revolutionäre Thätigkeit der macedonischen Emigranten in Bulgarien gelenkt hatten, die das Auftauchen von auf⸗ ständischen Banden auf türkischem Gebiete nach sich gezogen habe, richtete die bulgarische Regierung ein Zirkular an die diplomatischen Agenten dieser Mächte, um ihre Politik und ihr Verhalten gegenüber den aus der Türkei ausgewanderten Bulgaren klarzulegen. Das Zirkular stellt fest, daß die Be⸗ ziehungen der Tuͤrkei zu Bulgarien bis zum Ausbruch des armenischen Zwischenfalles die herzlichsten gewesen seien. In Bulgarien habe vollkommenste Ruhe F.e8 Da die - Bewegung Sympathien bei den Großmächten er⸗ regt habe, hätten die macedonischen Emigranten in Bul⸗ garien die Aufmerksamkeit der Mächte auf die Noth⸗ wendigkeit lenken wollen, auch in den europäischen Provinzen der Türkei Reformen einzuführen. Die Landesgesetze hätten der bulgarischen Regierung keine Handhabe geboten, gegen diese rein moralische Bewegung einzuschreiten. Es würde sogar gefährlich gewesen sein, gegen diese offen auf⸗ tretende Agitation vorzugehen, weil sich dieselbe dann gewiß in eine geheime verwandelt haben würde. Die bulgarische Regierung habe es für ihre Pflicht erachtet, mit moralischen Mitteln auf die Agitatoren einzuwirken und nach⸗ haltigste Maßregeln an der Grenze zu treffen. Die bulgarische Regierung bestreite, daß bewaffnete Banden aus Bulgarien nach Macedonien übergegangen seien. Das Zirkular schließt mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß die Großmächte Mittel finden würden, um die Gemüther in den europäischen Pro⸗ vinzen der Türkei zu beruhigen. v S

W

IDSD.

Nach einer in Paris eingetroffenen Meldung aus Ta⸗ matave ist das Pulvermagazin der Hovas in Farafate durch das Feuer der französischen Batterien am 26. v. M. in die Luft gesprengt worden. vX“

11“

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die Sitzungen des

Herrenhauses und des Hauses der Abgeordneten be⸗

finden sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (21.) Sitzung des Herrenhauses, welcher der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medi⸗ zinal⸗Angelegenheiten D. Dr. Bosse und der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein beiwohnten, war zunächst die Wahl eines Mitgliedes für die Staats⸗ schulden⸗Kommission zu vollziehen. Auf den Vorschlag des Ober⸗Bürgermeisters Becker wählte das Haus durch Zuruf den Staats⸗Minister Dr. von Schelling.

Der von Herrn von Winterfeldt⸗Menkin erstattete Bericht der Matrikelkommission wurde ohne Debatte erledigt, worauf das Haus in die Berathung des Jagdschein⸗Gesetz⸗ entwurfs eintrat. Namens der Kommission für kommunale Angelegenheiten beantragte der Berichterstatter Graf von Pfeil⸗Hausdorf, dem Gesetz in der vom Abgeordneten⸗ hause beschlossenen Fassung unverändert die verfassungs⸗ mäßige Zustimmung zu ertheilen. Ein von Herrn von Below⸗Saleske eingebrachter Abänderungsantrag, welcher für Besitzer kleinerer Grundstücke für die Jagd auf eigenem Grund und Boden einen Jagdschein für 3 ein⸗ führen wollte, wurde beim Eintritt in die Berathung zurückgezogen. Auf eine Anfrage des Grafen zu Inn⸗ und Knyphausen erklärte der Minister für Landwirth⸗ schaft Freiherr von Hammerstein, daß in Betreff der Wasservögeljagd in Ostfriesland die Unentgeltlichkeit der Jagdscheine aufgehoben sei; die freie Ausübung dieser Jagd aber werde durch das norliegende Gesetz nicht berührt.

Herr von Levetzow fragte an, lichen Jagdscheine der Forstbeamten in ihrer Gültig⸗ keit auf das Revier des betreffenden Beamten be⸗ schränkt seien. Landforstmeister Schulze erwiderte, der un⸗

ob die unentgelt⸗

statt, zu welchem, wie „W. T. B.“ berichtet, auch die Tochter des Botschafters, die Mitglieder der deutschen Botschaft,

müsse allerdings auch der Forstbeamte die Jagdschein⸗Abgahe

zahlen. Das Gesetz wurde unverändert angenommen. (Schluß des Blattes)

Bei der Ersatzwahl zum Reichstag im 3. Posener Wahlkreise e erhielten, wie „W. T. B.“ meldet von Dziembowski (Reichspartei) 5183 Stimmen, Szymanski (Pole) 8042 Stimmen, Herfahrt 3601 Stimmen und Morawski (Sozialdem.) 81 Stimmen. Es muß somit eine engere Wahl zwischen von Dziembowski und Szymanski stattfinden.

Heft 4 des „Archivs für Eisenbahnwesen“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten (Verlag von Juliuz Springer in Berlin), hat folgenden Inhalt: Die ersten Eisenbahnen von Berlin nach dem Westen der Monarchie (Schluß). Von Flech Mit einer Uebersichtskarte. Süd⸗Amerika und seine Eisenbahne (Fortsetzung). Von Kemmann. Die Güterbewegung auf deutschen Eisenbahnen im Jahre 1894. Von Thamer. Glbossen zur Signal⸗ ordnung. Von Kecker. Die Eisenbahnen im Großherzogthum Baden in 1893. Die Eisenbahnen Skandinaviens in 1892/93. Die Eisenbahnen Britisch⸗Ostindiens in 1892/93. Wohlfahrts. einrichtungen der Königlich württembergischen Verkehrsanstalten. Die Eisenbahnen in Spanien. Erweiterung des Staatseisenbahn⸗ 1 in Schweden. Eine Bibliothek von Werken über das Eisen⸗ bahnwesen. Statistisches von den deutschen Eisenbahnen. Be⸗ triebsresultate der portugiesischen Minho⸗ und Douro⸗Eisenbahnen in 1886/1890. Rechtsprechung und Gesetzgebung. Bücherschau.

Nr. 33 des Eisenbahn⸗Verordnungs⸗Blatts, heraus. egeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 28. Juni, ba⸗ folgenden Inhalt: Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 21. Juni 1895, betreffend Gewährung freier Eisenbahnfahrt an die zur Verfügung gestellten, zur vorübergehenden Beschäftigung ein⸗ berufenen Beamten; vom 22. Juni 1895, betreffend Niederschlagung von Vertragsstrafen aus Anschlußverträgen und aus Verträgen über gemeinschaftliche Wagenbenutzung; vom 23. Juni 1895, betreffend Verhältniß der Haltestellen, Haltepunkte und Bahnagenturen zu den Stationskassen und zur Hauptkasse; vom 23. Juni 1895, betreffend Beachtung der im Eisenbahn⸗Verordnungs⸗Blatt veröffentlichten Erlasse. Nachrichten.

Nr. 27 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 6. Juli hat folgenden Inhalt: Rund⸗Erlaß vom 13. Junt 1895, betreffend die praktische Ausbildung der Regierungs⸗Bauführer des Eisenbahnbaufachs und der Eleven und Regierungs⸗Baufühnr des Maschinenbaufachs. Rund⸗Erlaß vom 18. Juni 1895, betreffnd die praktische Ausbildung der Regierungs⸗Bauführer des Hoch⸗ md Wasserbaufachs. Dienst⸗Nachrichten. Nichtamtliches: Der Wen⸗ bewerb um Entwürfe für ein Rathhaus in Stuttgart. III. Zur Anwendung verzahnter und verdübelter Träger. Nachträgliche Aus⸗ mauerung im Buchholzer Tunnel bei Altena i. W. Vermischtes: Wettbewerb um Entwürfe zu Masten für elektrische Straßenbahnen. Wettbewerb um Plakat⸗Entwürfe für die Berliner Gewerbe⸗ ausstellung 1896. Preisbewerbung um Entwürfe für eine Schlacht⸗ hofanlage in Zabrze O.⸗Schl. Wettbewerb um den Bau einer Stadtballe in Elberfeld. Wettbewerb um Entwürfe für die Aus⸗ schmückung des Friedrichsplatzes in Stuttgart. Preisausschreiben um Entwürfe zu vier Kronleuchtern. Preisbewerbung um die Be⸗ bauung des Geländes der Pleißenburg in Leipzig. Technische Hoch⸗ schule in Berlin. Bücherschau.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Nöthigt jemand einen anderen durch die Bedrohung mit einer Anzeige wegen einer strafbaren Handlung zur Zahlung eines Geld⸗ betrages an eine Armenkasse, so ist er nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Strafsenats, vom 7. Januar 1895, wegen Er⸗ pressung zu bestrafen. „Soweit es sich um den Vermögensvortheil handelt, den die Angeklagten für sich selbst erlangen wollten und er⸗ langt haben, ist die Annahme der Rechtswidrigkeit dieses Vortheils und die Anwendung des § 253 Str.⸗G.⸗B. von der Revision nicht angegriffen, und hat die allgemeine Prüfung einen Rechtsirrthum nicht erkennen lassen. Die Revision macht nur die Erörterung der Frage nöthig, ob der für die Armenkasse zu A. beabsichtigte und erlangte Vermögensvortheil rechtswidrig war. Die Straf⸗ kammer hat in Uebereinstimmung mit der vom Reichsgericht stets festgehaltenen Auffassung angenommen, rechtswidrig sei jeder Ver⸗ mögensvortheil, auf den ein Rechtsanspruch nicht besteht. Die Revision beruft sich zur Widerlegung dieser Begriffsbestimmung auf die sprach⸗ liche Bedeutung des Wortes „xrechtswidrig“, das nicht gleichbedeutend sei mit „ohne Recht“, sondern einen Gegensatz zum Rechte, eine Rechtsverletzung ausdrücke. Sie übersieht dabei, daß das Recht alle Vermögensverhältnisse dermaßen beherrscht, daß jeder Ver⸗ mögenserwerb, dem das Recht die Anerkennung versagt, eine Ver⸗ letzung des Rechts enthält. Wer einen Vermögensvortheil erlangt, auf den er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat, hat ihn so lange rechtswidrig, bis die Sanktion des Rechts hinzutritt. In Anwendung auf den gegebenen Fall unterliegt die Feststellung, daß die Armenkasse in A. keinen gesetzlich begründeten Anspruch auf irgend eine Zuwendung der Genöthigten hatte, keinem Bedenken. Der damit erlangten Be⸗ reicherung fehlte jeder Rechtstitel, insbesondere auch der der Schenkung; denn dem Genöthigten fehlt der animus donandi, er will ni bereichern, sondern sich von dem Drucke des angedrohten Uebels oder der Gewalt befreien. Nach dieser Seite war der Gewinn, den die Armenkasse machte, um nichts rechtmäßiger, als die Bereicherung der Angeklagten selbst.“ (4190/94.)

Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 des Markenschutzgesetzes vom 30. November 1874, wonach die Eintragung von Waarenzeichen zu versagen ist, wenn die Zeichen ausschließlich in Zahlen, Buch⸗ staben oder Worten bestehen, findet, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 4. Januar 1895, keine An⸗ wendung auf die Waarenzeichen ausländischer Gewerbe⸗ treibender, welche gemäß § 20 des Markenschutzgesetzes beim Handelsgericht in Leipzig anzumelden sind; das aus bloßen Zahlen, Buchstaben oder Worten bestehende Zeichen des ausländischen Gewerbetreibenden ist auf Grund seiner Eintragung schutz⸗ berechtigt, wenn es sich durch seine graphische Form dem Auge als individuell bestimmte Gestaltung darbietet und als solche ohne weiteres wahrgenommen und erkannt werden kann; auch können Etiquetten mit Aufschriften als Waarenzeichen aus⸗ ländischer Gewerbetreibender fungieren, wenn die Möglichkeit vorliegt, die Etiquette nebst Aufschrift als einheitliches Gesammtbild zu erfassen. „In Ansehung der Waarenzeichen von Gewerbetreibenden, welche im Inland eine Handelsniederlassung nicht besitzen, sind in § 20 des Gesetzes besondere Bestimmungen getroffen; die Vorschrift in § 3 Abs. 2 des Gesetzes, nach welcher die Feichen nicht ausschließ⸗ lich in Zahlen, Buchstaben oder Worten bestehen dürfen, findet des⸗ halb auf die Waarenzeichen jener ausländischen Gewerbetreibenden keine Anwendung. In dem letzteren Ürtheil ist jedoch bereits ausgeführt, daß das Wort „Waarenzeichen“ auch in § 20 des Gesetzes in keinem anderen Sinne als in den voran⸗ gehenden Bestimmungen gebraucht, und daß somit der Schutz der von ausländischen Gewerbetreibenden geführten Waarenbezeichnungen erster Linie dadurch bedingt ist, daß letztere dem im deutschen Recht angenommenen Begriff des Waarenzeichens ent⸗

entgeltliche Jagdschein berechtige für das ganze Gebiet 1 der Monarchie; für die Jagd auf eigenem Grund und Boden

sprechen. Die Frage, ob dies hinsichtlich der vorliegenden Etiq

Speisebohnen 284 (286), Linsen 387 (386), Eßkartoffeln 8 f 1082 (1073)

trifft, ist demnach nur aus dem maßgebenden Gesetz vom 30. No⸗ 1874 zu beantworten. Der Begriff des Waarenzeichens Sinne des Gesetzes vom 30. November 1874 erfordert aber eine Varstellung, welche sich durch ihre graphische Form dem Auge als individuell bestimmte Gestaltung darbietet und als solche ohne weiteres wahrgenommen und erkannt werden kann. Danach können auch Eti⸗ ten, sofern sie überhaupt zur Unterscheidung der Waare von derjenigen Gewerbetreibenden und nicht bloß zu Kundgebungen anderer Art, wie z. B. zur Angabe der Bezugsquelle, zu Empfehlungen und Gebrauchsanweisungen, dienen sollen, als Waarenzeichen fungieren; es bleibt aber im Einzelfalle zu prüfen, ob die Möglichkeit, die iauette als einheitliches Gesammtbild zu erfassen, vorliegt; und diese zglichkeit wird sich in demselben Maße verringern, in welchem die Etiquettenaufschrift an Umfang zunimmt. In Ueber⸗ einstimmung hiermit ist auch vom Reichsgericht bereits anderweit aus⸗ gesprochen, daß ein Waarenzeichen einen sofort seinem ganzen Umfang nach erkennbaren, mit einem Blick erfaßbaren Inhalt voraussetze und deshalb beg rifflich zwar auch ausschließlich in Buchstaben und Werten, aber niemals in einer längeren schriftlichen Aus⸗ führung bestehen könne.“ (4078,94.)

Hat ein Hausierer, welcher früher Vollkaufmann war, seie Zahlungen eingestellt, so ist er, nach einem Urtheil des Reichs⸗ achts, IV. Strafsenats, vom 18. Januar 1895, infolge der stets, ier auch früher unterlassenen Führung von Handelsbüchern nicht regen Bankerutts zu bestrafen, wenn die von ihm als Voll⸗ zufmann eingegangenen Schuldverbindlichkeiten zur Zeit der Konkurseröffnung sämmtlich abgewickelt waren. „Nach der gnoffenen Feststellung ist das Konkursverfahren über das Vermögen des Angeklagten erst am 18. Mai 1894 eröffnet worden. Hiernach kann seine Verurtheilung aus § 210 Nr. 2, 3 der Konk.⸗Ordn. ihre Be⸗ gründung nicht schon darin finden, daß er einige Jabre vorher das Geschäft eines Vollkaufmannes betrieben und hierbei die gebotene Buchführung und Bilanzziehung versäumt hat. Ist es für eine solche Verurtheilung auch nicht geboten, daß der Betrieb eines zur Führung von Handelsbüchern verpflichtenden kaufmännischen Geschäfts mit den

sonstigen Thatbestandserfordernissen des § 210 a. a. O. zeitlich zusammentrifft, so verlangt das Gesetz doch eine Beziehung zwischen diesen Thatbestandserfordernissen und einem Geschäftsbetriebe obiger Art, und eine solche Beziehung würde nicht vorliegen, wenn die vom Angeklagten bei dem Betriebe eines zur Buch⸗ führung verpflichtenden Gewerbes eingegangenen Schuldverbind⸗ lickkeiten zur Zeit der Konkurseröffnung sämmtlich abgewickelt ewesen sein sollten. Der Umstand, daß der Angeklagte zur Zeit der nkurseröffnung den kaufmännischen Geschäftsbetrieb noch nicht voll⸗ ständig aufgegeben hatte, kann zu einer anderen Auffassung nicht führen. Für die Anwendung des § 210 Nr. 2, 3 a. a. O. kommt mur ein die Verpflichtung zur Führung von Handelsbüchern begrün⸗ dender Geschäftsbetrieb in Frage, und eine Beziehung der Eröffnung ds Konkursverfahrens über das Vermögen des Angeklagten zu seinem nehrere Jahre zurückliegenden Geschäftsbetrieb als Vollkaufmann wird richt schon dadurch hergestellt, daß er in der Zwischenzeit ein kauf⸗ männisches Geschäft anderer Art betrieben hat.“ (4490/94.)

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Nach § 11 des Baufluchtengesetzes vom 2. Juli 1875 tritt mit dem Tage, an welchem die Offenlegung des aufgestellten Straßen⸗ und Baufluchtlinienplans beginnt, die Beschränkung des Grundeigen⸗ thümers, daß Neubauten, Um⸗ und Ausbauten über die Fluchtlinie hinaus versagt werden können, endgültig ein. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, IV. Senat, durch Urtheil vom 9. Januar 1895 ausgesprochen, daß die bloße Ein⸗ friedigung eines Grundstücks, auch wenn sie ein Bau⸗ werk darstellt, nicht unter das Bauverbot des § 11 des erwähnten Gesetzes fällt. „In rechtlicher Beziehung“, führt das Ober⸗Verwaltungsgericht begründend aus, nhebt der erste Richter hervor, daß das O.⸗V.⸗G. zwar in seinen Entscheidungen vom 22. September 1893 und vom 2. Mai 1894 im Gegensatz zu der früheren Rechtsprechung davon ausgegangen sei, daß bloße Um⸗ währungen von Grundstücken, auch wenn sie Bauten seien, nicht unter das Bauverbot des § 11 des Straßen⸗ und Baufluchten⸗ gesetzes vom 2. Juli 1875 fielen, daß dieser Rechtsauffassung aber nicht beizupflichten sei, und zwar aus den Gründen, die gegen sie in der 3. Auflage des Friedrich'schen Kommentars zu diesem Gesetz S. 66 ff. geltend gemacht werden. Die Polemik des gedachten Kommentars gegen die diesseitige Entscheidung vom 22. September 1893 hat dem Gerichtshof den Anlaß geboten, die in dieser Entscheidung zur Geltung gebrachte Rechtsauffassung wiederholt der sorgfältigsten Prüfung zu unterziehen. Das Resultat ist namentlich in dem inzwischen gleichfalls veröffentlichten Urtheil vom 26. Januar 1894 niedergelegt, und es ist dabei besonders darauf Bedacht ge⸗ nommen worden, alle einzelnen für die frühere Praxis des Gerichts⸗ hofs in jenem Kommentar geltend gemachten Argumente zu wider⸗ legen. Wenn nun der Vorderrichter hier sich im wesentlichen darauf beschränkt, auf die Ausführungen jenes Kommentars Bezug zu nehmen, so hat der Gerichtshof daraus auch bei nochmaliger Erwägung um so weniger durchgreifende Bedenken gegen seine Rechtsauffassung schöpfen können, als diejenigen Gründe, deren Betonung der Vorderrichter seiner Bezugnahme anschließt, ersichtlich nicht zutreffen.“ (IV. 46.)

Nach § 98b Abs. 3 der Reichs⸗Gewerbeordnung darf die Genehmigung eines Innungsstatuts versagt werden, wenn in dem durch das Innungsstatut vorgesehenen Innungsbezirke für die gleichen Gewerbe eine Innung bereits besteht. In Bezug auf diese Bestimmung hat das Ober⸗Verwaltungsgericht, III. Senat, durch Urtheil vom 29. April 1895 ausgesprochen: 1) Durch dieselbe ist beim Vorliegen der darin erwähnten Voraussetzungen in das pflichtmäßige, einer Nachprüfung durch den Revisions⸗ richter entzogene Ermessen des Bezirksausschusses gestellt, ob von dem bezeichneten Grunde für die Versagung der Genehmigung Gebrauch zu machen sei oder nicht. 2) Die gedachte Bestimmung findet auch dann An⸗ wendung, wenn der Bezirk der neuen Innung nur einen Theil des Bezirks der bereits bestehenden Innung umfaßt. „Wie die Fassung des 3. Absatzes des § 98 b der Gewerbeordnung klar ergiebt und vom Ober⸗Verwaltungsgericht schon wiederholt ausgesprochen worden ist, sst es nach dieser Vorschrift, anders wie nach derjenigen im Abs. 2 des § 98b, in das pflichtmäßige Ermessen der Behörde, d. i. nach 124 Abs. 1 des Zuständigkeitsgesetzes vom 1. August 1883 des Bezirksausschusses, gestellt, ob von dem bezeichneten Grunde für die Ver⸗ sagung der Genehmigung Gebrauch zu machen sei oder nicht. Die Richtigkeit der Uebung eines solchen Ermessens aber entzieht sich der Nachprüfung ses der nur über die Rechtmäßigkeit, nicht über die

weckmäßigkeit der Versa ung zu befinden hat. Es ist ins⸗

sondere verfehlt, wenn die Kläger aufstellen, der Abs. 3 greife des⸗ nicht Platz, weil der Bezirk der neuen Innung nur einen Theil

Bezirks der Schmiede⸗Innung zu M. umfassen solle. Denn zur

Awendung der Bestimmung des § 98 Abs. 3 ist nicht erforderlich, die Bezirke der neuen Innung und der bestehenden Innung sich

vollständig decken, sondern es genügt, wenn sie sich auch nur theil⸗ e decken.“ (III 546.)

Durchschnittspreise für Lebensmittel im Juni. 8 Im Juni 1895 betrugen die Durchschnittspreise im preußischen Gtaat für 1000 kg Weizen 152 (im Mai 150), Roggen 131 (132), erste 123 (123), Hafer 127 (126), Erbsen zum Kochen 214 (202), 55,9 (56,7),

eu 48,6 (52,7 im Großhandel

Invaliditäts⸗ und Altersversicherung

Bei der Versicherungsanstalt Baden sind im Monat Juni 1895 218 Rentengesuche (47 Alters⸗ und 171 Invaliden⸗ rentengesuche) eingereicht und 172 Renten (44 + 128) be⸗ willigt worden. Es wurden 39 Gesuche (5 + 34) abgelehnt, 142 (33 + 109) blieben unerledigt. Außerdem wurden im schieds⸗ gerichtlichen Verfahren 1 Alters⸗ und 1 Invalidenrente zuerkannt. Bis Ende Juni sind im Ganzen 9107 Renten (5050 Alters⸗ und 4057 Inpalidenrenten) bewilligt bezw. zuerkannt worden. Davon kamen wieder in Wegfall 2584 (1313 + 1271), sodaß am 1. Juli 1895 6523 Rentenempfänger vorhanden waren (3737 Alters⸗ und 2786 Invalidenrentner). Verglichen mit dem 1. Juni 1895, hat sich die Zahl der Rentenempfänger vermehrt um 99 (8 Alters⸗ und 91 Invalidenrentner). Die Rentenempfänger beziehen Renten im Ge⸗ sammtjahresbetrage von 816 799 12 (mehr seit 1. Juni 1895 12 378 58 ₰). Der Jahresbetrag für die im Monat Juni be⸗ willigten 45 Altersrenten berechnet sich auf 5904 und für 129 Invalidenrenten auf 16 071 ℳ; somit Durchschnitt für eine Altersrente 131 20 ₰, für eine Invalidenrente 124 58 ₰. (Für sämmtliche bis 1. Januar 1895 bewilligten Renten betrug der durchschnittliche Jahresbetrag einer Altersrente 129 50 ₰, einer Invalidenrente 118 9 ₰.) .

„Niach dem vorläufigen Ergebniß der Berufs⸗ und Gewerbe⸗ zählung vom 14. Juni befanden sich ortsanwesend im ganzen Staate Hamburg 662 514 Personen (gegen 622 530 am 1. De⸗ zember 1890 und 518 620 am 1. Dezember 1885); ausgefüllt wurden: Haushaltungslisten 153 906, Landwirthschaftskarten 10 195, Gewerbe⸗ bogen 26 679. Hiervon entfallen auf das Stadtgebiet Hamburg 605 252 Personen (gegen 569 260 am 1. Dezember 1890 und 471 427 am 1. Dezember 1885), 142 265 Haushaltungslisten, 2924 Landwirthschafts⸗ und 24 424 Gewerbekarten. Auf das Landgebiet einschließlich Bergedorf und Ritzebüttel entfallen 57 262 Personen (gegen 53 270 am 1. Dezember 1890), 11 641 Haushaltungslisten, 7271 Landwirthschafts⸗ und 2255 Gewerbekarten.

Für Helgoland hat die Berufs⸗ und Gewerbezählung vom 14. Juni das folgende Ergebniß gehabt: Haushaltungslisten sind 586 ausgegeben worden, Landwirthschaftskarten 293 und Gewerbe⸗ bogen 181. Die Zahl der anwesenden Personen hat 2394 betragen, und zwar 1109 männliche und 1285 weibliche. Ortsabwesend waren über 100, und etwa 400 fremde Dienstboten sind mitgezählt. Die Fähre ist während des Monats Juni benutzt im Jahre 1888 von 676 Personen, im Jahre 1889 von 2034, 1890 von 1094, 1891 von 1323, 1892 von 804, 1893 von 1359, 1894 von 1137, 1895 von 1973. Das Bad auf der Düne wurde im Jahre 1888 von 135 Personen in Anspruch genommen, 1889 von 910, 1890 von 240, 1891 von 466, 1892 von 243, 1893 von 358, 1894 von 207, 1895 von 560. In die Zeit vor dem 10. Juni d. J. fallen 342 Fährkarten und 55 Bäder. Nächst dem Jahre 1889 ist der diesjährige Verkehr demnach der stärkste während der letzten 8 Jahre.

In Gera wurden am 14. Juni auf 10 223 Haushaltungslisten 20 754 männliche und 21 801 weibliche Anwesende, einschließlich des Militärs, gezählt; ferner wurden 57 Landwirthschafts⸗ und 1159 Ge⸗ werbebogen ausgegeben. An jenem Tage wären also in Gera 42 555 Personen, einschließlich der vorübergehend Anwesenden, gewesen. Dem gegenüber bemerkt die „Geraer Ztg.“, daß die nach dem statistischen Material des Meldeamts gezählte Bewohnerschaft Geras am 1. Juni d. J. 42 681 Personen betrug.

Zur Arbeiterbewegung.

8 In Leipzig beschloß, wie die „Lpz. Ztg.“ berichtet, eine Ver⸗ sammlung der Stuckateurgehilfen die Einführung der bis jetzt nur in vereinzelten Werkstätten üblichen 9 stündigen Arbeitszeit. ine Versammlung von 200 Metallarbeitern beschloß die Unter⸗ stützung der ausständigen Metallschläger in Fürth (vgl. Nr. 137 d. Bl.) und verhandelte sodann über den nominell immer noch fort⸗ bestehenden Ausstand der Monteure in der Grob'schen Fabrik. Die Sperre über die Monteur⸗Abtheilung dieser Fabrik soll nicht eher ge⸗ hoben werden, als bis die Fabrik die Ausständigen von der Strafliste der Arbeitgeber gestrichen habe. Der Arbeiterausschuß der Fabrik soll zu diesem Zweck mit der Fabrikleitung unterhandeln.

In Fuͤrth haben einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge die

Metallschläger beschlossen, daß bei den Meistern, welche die Forderungen bewilligten, am gestrigen Montag die Arbeit wieder auf⸗ genommen werden sollte. Der allgemeine Ausstand wurde demgemäß für beendet erklärt, an seine Stelle tritt der Theilausstand. (Vgl. Nr. 137 d. Bl.) Der Ausstand der Handschuhmacher in Württemberg scheint, wie dasselbe Blatt meldet, seinem Ende entgegen zu gehen. Die Firma A. Gärttner in Stuttgart, die größte der ausschlag⸗ gebenden Fabriken, ist aus dem Fabrikantenverein ausgetreten und hat die Arbeiterforderungen genehmigt. Es sind jetzt noch in den Städten Stuttgart, Ludwigsburg und Eßlingen etwa 75 Handschuhmacher aus⸗ ständig. (Vgl. Nr. 155 d. Bl.) „Hier in Berlin ist, wie die „Voss. Ztg.“ berichtet, der in Aus⸗ sicht genommene Maurerausstand bis zum nächsten Frühjahr ver⸗ schoben worden, da, wie in einer Versammlung am Sonntag mit⸗ getheilt wurde, die Vertrauensmänner der Meinung sind, daß die Umstände einen diesjährigen größeren Ausstand nicht rechtfertigten. Wenn auch zugegeben werde, daß im allgemeinen neben einem Stunden⸗ lohn von 45 bis 50 noch Ueberstunden gefordert würden und auch mancherlei andere Mißstände sich zeigten, so müsse doch mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Jahreszeit von einem gemeinsamen Vorgehen abgesehen werden.

8

Kunst und Wissenschaft.

Von den Ausstellern der Kunstausstellung palast zu München erhielt, dem „W. T. B.“ zufolge, der Maler Defregger die Ehren⸗Medaille. Medaillen erster Klasse erhielten die Maler Mackensen in Worpswede, Repnin⸗St. Petersburg, Bildhauer Querol⸗Madrid, Medaillen zweiter Klasse außer mehreren Münchenern die Maler Walter Crane und Sir Frederick Leighton, beide in London, ferner Maler Henke⸗Düßeldorf und Hermann Vogel⸗ Dresden, sowie die Bildhauer Braeke⸗Brüssel und Rombaux⸗Paris. Die Akademie der Wissenschaften zu Paris wählte, wie „W. T. B.“ unter dem gestrigen Tage meldet, den Botaniker Geheimen Regierungs⸗Rath, Professor Dr. Ferdinand Cohn in Breslau zum korrespondierenden Mitglied.

.“

im Glas⸗

Handel und Gewerbe. 8

Die Wochenübersicht der Reichsbank vom 6. Juli weist einen gesammten Kassenbestand nach von 1 035 792 000 ℳ, d. i. der Vorwoche gegenüber weniger 10 796 000 ℳ; der Metallbestand allein hat um 7 630 000 abgenommen. Der Bestand an Wechseln von 632 499 000 zeigt eine Abnabme um 34 497 000 ℳ, der Bestand an Lombardforderungen mit 99 696 000 eine solche von 18 310000 ℳ, sodaß sich auf diesen beiden Anlagekonten zusammen ein Rückgang um 52 807 000 ergiebt. Auf passiver Seite erscheint der Betrag der umlaufenden Noten mit 1 186,459 000 um 41 253 000 geringer als in der Vorwoche; die sonstigen täglich fälligen Verbindlichkeiten (Giroguthaben) zeigen bei einem Betrage von 479 709 000 eine Abnahme von 23 040 000 1

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks

an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 8. d. M. gestellt 11 071, nicht rechtzeitig gestellt 9 Wagen. In Oberschlesien sind am 6. d. M. gestellt 3050, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs⸗Versteigerungen. Beim Königlichen Amtsgericht ] Berlin standen am 8. Juli

die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Wilhelms⸗

havenerstraße 14, dem Schuhmachermeister Paul Donat gehörig; Nutzungswerth 14 310 ℳ; für das Meistgebot von 196 000 wurde der Rittergutsbesitzr Georg Maul, Wilbhelmshavenerstraße 16, Ersteher. Buttmannstraße 7, dem Bauergutsbesitzer F. H. Hartfiel gehörig; Nutzungswerth 15 140 ℳ; Ersteher wurde für

Höö 119. Landsbergerplatz 5, Ecke Frieden⸗ traße und Landsberger⸗Allee, der Frau M. W. Schneider, geb. Gerster, gehörig; Nutzungswerth 26 420 ℳ; für das Meist⸗ zebot von 50 000 wurde die Pfälzische Hypotheken⸗Bank zu Ludwigshafen a. Rh. Ersteherin.

Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom 6. Juli 1895. Auftrieb und Markt⸗ preise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebendgewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 3053 Stück (Durchschnittspreis für 100 kg) I. Qualität 116 122 ℳ, II. Qualität 104 114 ℳ, III. Qualität 90 100 ℳ, IV. Qualität 88 86 Schweine. Auftrieb 7648 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Mecklenburger 86 ℳ, Landschweine: a. gute 82 84 ℳ, b. geringere 76 80 ℳ, Galizier —,— ℳ, leichte Ungarn —,— bei 20 % Tara, Bakonyver bei kg Tara pro Stück. Kälber. Auftrieb 1233 Stück. (Durchschnittspreis für 1 58) I. Qualität 1,02 1,12 ℳ, II. Qualität 0,96 1,00 ℳ, III. Qualität 0,86 0,94 Schafe. Auftrieb 25 234 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,00 1,10 ℳ, II. Qualität 0,94 0,98 ℳ, III. Qualität —,—

Die Einnahmen der Marienburg⸗Mlawkaer Eisenbahn 1 ni 8 nnch. verreafoge Feststellung

gegen nach vorläufiger Feststellung im Juni 1894, mithin mehr 10 000 3 b 8

Magdeburg, 8. Juli. (W. T. B.) Zuckerbericht. Kornzucker exkl., von 92 % —,—, neue 10,90. Kornzucker exkl., 88 % Rendement —,—, neue 10,20 10,40, Nachprodukte exkl., 75 % Rendement 6,80 7,75. Stetig. Brotraffinade I Brot⸗ raffinade II 22,50. Gem. Raffinade mit Faß 22,50 23,00. Gem. Melis I mit Faß 22,00. Stetig. Rohzucker I. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. Juli 9,82 ½ Gd., 9,85 Br., pr. August 10,00 bez. und Br., pr. September 10,07 ½ Gd., 10,12 ½ Br., pr. Oktober⸗Dezember 10,40 bez., 10,42 ½ Br.

Leipzig, 8. Juli. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗

handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Juli 3,05 ℳ, pr. August 3,05 ℳ, pr. September 3,07 ½ ℳ, pr. Oktober 3,10 ℳ, pr. No⸗ vember 3,10 ℳ, pr. Dezember 3,12 ½ ℳ, pr. Januar 3,15 ℳ, pr. Februar 3,17 ½ ℳ, pr. März 3,20 ℳ, pr. April 3,20 ℳ, pr. Mai 3,20 ℳ, pr. Juni Umsatz: 15 000 kg. „Darmstadt, 9. Juli. (W. T. B.) ie „Darmst. Ztg.“ ver⸗ öffentlicht einen Erlaß des Staats⸗Ministeriums an den Verwaltungs⸗ rath der Hessischen Ludwigsbahn als Antwort auf dessen Protest⸗Erklärung. Inhaltlich des Erlasses beharrt die Regierung wegen der Verstaatlichung auf ihrem früheren Standpunkt. Die Regierung ist zur Fortsetzung der Verhandlungen bereit, voraus⸗ gesetzt, daß die Ludwigsbahn bei den zu erneuernden Verhandlungen entsprechendes Entgegenkommen beweist. Der Gesellschaft muß es, wie die Verhältnisse jetzt liegen, überlassen bleiben, hierzu zuerst durch Rückleitung der unterschriftlich vollzogenen Niederschriften über die seitherigen Verhandlungen, sowie vor allem durch eine entsprechende Ermäßigung ihrer in der seitherigen Höhe für die Regierung unter keinen Umständen annehmbaren Forderungen auf ein auch dem Interesse des Staats Rechnung tragendes Maß zu⸗ nächst selbst die Hand zu bieten.

Bremen, 8. Juli. (W. T. B.) Börsen⸗Schlußbericht. Raffiniertes Petroleum. (Offizielle Notierung der Bremer Petroleum⸗Börse.) Willig. Loko 6,95 Br. Baumwolle. Fest. Upland middl. loko 35 . Schmalz. Ruhig. Wilcor 35 ₰. Armour shield 34 ½ ₰, Cudahy 35 ¼ ₰, Fairbanks 29 ½ ₰4. Speck. Ruhig. Short clear middling loko 31 ½. Taback. Umsatz: 111 Faß Kentucky.

„Hamburg, 8. Juli. (W. T. B.) Kaffee. (Nachmittags⸗ bericht) Good average Santos pr. Juli 73ꝛ ¾%, pr. September 74, pr. Dezember 72 ¾, pr. März 72. Schleppend. Zucker⸗ markt. (Schlußbericht.) Rüben⸗Rohzucker I. Produkt Basis 88 % Rendement neue Usance, frei an Bord Hamburg, pr. Juli 9,82 ½, pr. August 9,97 ½, pr. Oktober 10,32 ½, pr. Dezember 10,52 ½. Stetig.

Wien, 9. Juli. (W. T. B.) Die Brutto⸗Einnahmen der Qrientbahnen betrugen in der 25. Woche (vom 18. Juni bis 24. Juni 1895) 192 973,20 Fr., Abnahme gegen das Vorjahr 3986,91 Fr. Seit Beginn des Betriebsjahres (vom 1. Januar 89 24. Juni 1895) betrugen die Brutto⸗Einnahmen 4 840 870,63 Fr., Abnahme gegen das Vorjahr 126 111,00 Fr.

London, 8. Jult. (W. T. B.) Wollauktion. Preise fest, unverändert. Merinowolle anziehend.

An der Küste 2 Weizenladungen angeboten.

96 % Javpazucker loko 11 ¾ stetig. Rüben⸗Rohzucker loko 9 ¾ stetig. Chile⸗Kupfer 438/16, pr. 3 Monat 43 ⅞.

Glasgow, 8. Juli. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 5015 Tons gegen 4560 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

Bradford, 8. Juli. (W. T. B.) Wolle fest, Preise auf

London unverändert. Garne fest. In Stoffen gutes Geschäft. Die Konsularberichte weisen bedeutende Geschäftszunahme nach. St. Petersburg, 8. Juli. (W. T. B.) Rußlands Ge⸗ treide⸗Export. In der Woche vom 30. Juni bis 6. Juli d. J. sind über die Haupt⸗Zollämter 11 959 000 Pud Getreide ausgeführt worden. Davon entfielen auf Weizen 6 514 000 Pud (gegen 7 133 000 Pud in der Vorwoche), Roggen 1 880 000 Pud (gegen 2 797 000 Pud in der Vorwoche), Gerste 1 537 000 Pud (gegen 2 266 000 Pud in der Vorwoche), Hafer 1 289 000 Pud (gegen 1 262 000 Pud in der Vor⸗ woche), Mais 739 000 Pud (gegen 287 000 Pud in der Vorwoche). Die Getreide⸗Vorräthe betragen: Weizen 38 746 000 Pud, Roggen 16 208 000 Pud, Hafer 8 456 000 Pud, Gerste 10 333 000 Pud, Mais 1 443 000 Pud.

Die Ausfuhr aus Batum vom 30. Juni bis 6. Juli an Leuchtölen nach Europa betrug 170 000 Pud, nach dem Osten 55 000 Pud, nach dem Innern Rußlands 112 000 Pud; die Aus⸗ fuhr an Naphtharückständen betrug nach Europa 46 000 Pud, nach dem Osten 1000 Pud; an übrigen Naphthaprodukten wurden nach Europa 322 000 Pud, nach dem Osten 1000 Pud und nach dem Innern Rußlands 10 000 Pud ausgeführt. Amsterdam, 8. Juli. (W. T. B.) ordinary 54. Bankazinn 39 ½. New⸗York, 8. Juli. (W. T. B.) Die Börse eröffnete bei angenehmer Stimmung, wurde gegen den Schluß vorherrschend träge und schloß im allgemeinen schwach. Der Umsatz der Aktien betrug 261 000 Stück.

Weizen anfangs schwach und dann durchweg fallend während des ganzen Börsenverlaufs auf günstiges Wetter im Nordwesten, reichliche Realisierungen, Verkäufe für auswärtige Rechnung, schwächere Kabelberichte, Zunahme in der englischen Versorgungsmenge sowie auf Zunahme der auf dem Ozean schwimmenden Jufudren. Schluß schwach. Mais durchweg fallend während des ganzen Börsen⸗ verlaufs auf große Verkäufe und Verkaufvsordres für heimische und auswärtige Rechnung, sowie auf günstige Ernteberichte. Waarenbericht. Baumwolle⸗Preis in New⸗York 7 3⁄86, do. in New⸗Orleans 6 ¾. Petroleum Stand. white in New⸗York 7,65, do. in Philadelphio 7,60, do. rohes (in Cases) do. Pipe line cert. pr. ult 148 nom., Schmalz West. steam 6,65, do. Rohe & Brothers 6,90. Mais pr. Juli 46 ½, do. pr. September 47 ½, do. pr. Dezember —. Rother Winterweizen 71 ¾, Weizen pr. Juli 70 %, do. pr. August 71 ½, do. pr. September 71 ⅛, do. pr. Dezember 73 ⅞. Getreide⸗ fracht nach Liverpool 1 ¾. Kaffee fair Rio Nr. 7 15 ½, do. Rio Nr. 7 pr. August 14,60, do. do. p. 14,8

Spring Wheat clears nom. Zucker 2 ⅛.

22,75,

Java⸗Kaffee good

Weizen PKe. niedriger.

das Meistgebot von 230 000 der Rentier Paul Lindenau,