1895 / 162 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Jul 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Der Kaiserliche Gesandte am Königlich niederländischen Hofe, Geheime Legations⸗Rath Graf zu Rantzau ist auf seinen Antrag von diesem Posten abberufen und in den einst⸗ weiligen Ruhestand versetzt worden. Derselbe hat Ihrer Majestät der Königin⸗Regentin am 6. d. M. sein Abberufungs⸗ schreiben überreicht. Als Geschäftsträger im Haag funziert bis auf weiteres der Legations⸗Rath von Reichenau.

Der Kaiserliche Minister⸗Resident in Luxemburg, Legations⸗ Rath Prinz von Thurn und Taxis hat einen ihm Aller⸗ höchst bewilligten längeren Urlaub angetreten. Während der Abwesenheit desselben fungiert der nach Luxemburg entsandte Zweite Sekretär bei der Kaiserlichen Botschaft in Paris, Legations⸗Sekretär von Below⸗Schlatau als Geschäfts⸗ träger.

Der am hiesigen Allerhöchsten Hofe beglaubigte Königlich italienische Botschafter Graf Lanza hat Berlin mit Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit fungiert der Botschafts⸗ Rath Graf Calvi de Bergolo als Geschäftsträger.

In der Ersten bis Vierten Beilage 8 heutigen Nummer des „R.⸗v u. St.⸗A.“ wird (gemäß der Ankündigung in Nr. 159 d. Bl.) der Gesetzentwurf, betreffend das Anerben⸗ recht bei Renten⸗ und Ansiedelungsgütern, nebst Begründung, veröffentlicht.

Nach telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. S. „Hagen“, Kommandant Kor⸗ vetten⸗Kapitän Rosendahl, am 8. d. M. in Gibraltar an⸗

gekommen und beabsichtigt, heute die Reise fortzusetzen.

Kiel, 9. Juli. Die „Kiel. Ztg.“ berichtigt ihre gestrige Mittheilung dahin, daß beide Divisionen des Manöver⸗ Geschwaders heute Mittag zusammen den Kieler Hafen verlassen haben, um zunächst gemeinschaftlich nach der Nordsee zu gehen und daselbst zu manövrieren. Bis zum 14. d. M. halten sich die Geschwader in den Gewässern von Helgoland auf, um sodann westwärts zu gehen. Vor dem Kanal trennen sich beide Divisionen, und während die zweite Division nach Wilhelmshaven geht, begiebt sich die erste Division durch den Kanal in die spanischen Gewässer. 8

Sachsen.

Der württembergische Kriegs⸗Minister Freiherr Schott von Schottenstein ist mit zwei Stabsoffizieren gestern Abend in Dresden eingetroffen und von dem sächsischen Kriegs⸗Minister von der Planitz im „Hôtel Bellevue“, woselbst die Offiziere abgestiegen sind, begrüßt worden.

Württemberg.

Auf der Tagesordnung der gestrigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten stand das Gesetz, betreffend die Ausübung der evangelischen Kirchenregiments⸗ rechte. Dazu lag ein Antrag der Abgg. Sachs und Ge⸗ nossen vor, dieses Gesetz solange von der Tagesordnung ab⸗ zusetzen, bis ein schriftlicher Bericht der staatsrechtlichen Kom⸗ mission vorliege. Demgegenüber beantragte der Abg. Schnaidt, den mündlichen Vortrag des Berichterstatters zu hören, ehe über den Antrag Sachs entschieden würde. Der Abg. Gröber machteden Vorschlag, neben dem Referat auch eine allgemeine Aussprache im Hause zuzulassen, dann aber nicht nur die Beschlußfassung. sondern auch den Abschluß der Berathung bis zur Herbstsession zu verschieben. Ueber diese verschiedenen Vorschläge entspann sich eine ausgedehnte Geschäftsordnungsdebatte. Schließlich wurde der Antrag Sachs in namentlicher Abstimmung mit 46 gegen 31 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen an⸗ genommen. Der Abg. Haußmann erstattete darauf Bericht üͤber die Beschlüsse der Kommission. Nachdem sodann noch der Minister für Kirchen⸗ und Schulwesen Dr. von Sarwey gesprochen hatte, wurde die weitere Berathung auf heute vertagt.

Baden.

Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz und Seine Königliche Hoheit der Prinz Eitel⸗Friedrich sind gestern im strenasten Incognito in Konstanz einge⸗ troffen und gedenken siy, wie „W. T. B.“ berichtet, mehrere Tage daselbst aufzuhab en.

Oldenburg.

(I) Der Geburtstag Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs, welcher vorgestern sein 68. Lebensjahr voll⸗ endete, ist in Stadt und Land festlich begangen worden.

Ihre Königlichen Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin haben mit Ihrer Hoheit der Herzogin Sophie Charlotte auf ihrer Dampf⸗YNacht „Lensahn“ eine Reise nach Skandinavien angetreten.

Oesterreich⸗Ungarn.

Im österreichischen Abgeordnetenhause wurde vive in der Vormittagssitzung der Budget⸗Titel „Hoch⸗ chulen“ erledigt. Bei der Berathung des Titels „Mittel⸗ schulen“ einschließlich des Budgetpostens „Cilli“ vertrat der Abgeordnete Superintendent Haase den Standpunkt der Minorität des Ausschusses. Der Abg. Hallwich brachte sodann den Standpunkt der deutschen Linken zum Ausdruck, indem er betonte, daß die Errichtung utraquistischer Schulen in deutschen Gemeinden der erste Schritt zur Slavi⸗ sierung sei: Redner tadelte ferner die Haltung der Deutsch⸗ Konservativen und erklärte, dieselben würden zu spät einsehen, daß sie die gute Sache schädigten. Es sei für ihn eine nationale Pflicht, den Posten „Cilli“ zu stimmen. Die Abag. Polzhofer und Kraus bekämpften den Posten „Cilli“ ebenfalls. Der Abg. Vosnjak erklärte, die Slovenen könnten von ihrer

Der Fo nicht abgehen, und sprach den Wunsch aus, daß über „Cilli“ sich alle Gruppen der Rechten vereinigen möchten und daß diese Gruppierung zur Regel werde. Um dies zu ermöglichen, müsse die Regierung eine

ppierung schaffen, wie sie in früheren 3 be⸗

habe. Hierauf wurde die Verhandlung abgebrochen. In der ung begann die Verhandlung über die zivilproze ßordnung, welcher a Abendsitzungen Boche gewidmet werden sollen. Der Leiter des Justi

toasten.

über die vier

Ministeriums Ritter von Krall empfahl die Annahme der Regierungsvorlage. Mehrere Redner, darunter auch der Jungczeche Dyk traten für die Vorlage ein, welche einem Be⸗ Fürfac und dem Fortschritt der Wissenschaft entspreche.

Großbritannien und Irland. Gladstone hat auf eine Anfrage der Liberalen durch

eine Veröffentlichung geantwortet, worin er sagt, daß man vor

allem anderen die Rechte des Unterhauses, als des eigentlichen Organs der Nation, vertheidigen und Englands Ehre dadurch befestigen müsse, daß man den Wünschen Irlands Folge gebe.

Das italienische Geschwader ist gestern Vormittag in Portsmoutheingetroffen. Als dasselbe Spithead passierte, gab es Salutschüsse ab. Das Geschwader liegt mit dem britischen in drei Reihen auf der Rhede. Die Nacht „Savoia“ trennte sich von dem Geschwader und fuhr in den Hafen ein, wo sie den Herzog von Genua an Bord des alten Nelson’schen Flaggschiffs „Victory“ brachte. Dort wurde der Herzog von allen Marinebehörden empfangen. Abends fand zu Ehren der italienischen Marine⸗Offiziere ein großes Festmahl statt. Der Erste Lord der Admiralität Goschen führte den Vorsitz. Unter den Ge⸗ ladenen befanden sich der Herzog von York und der Herzog von Genua. Goschen brachte einen Trinkspruch auf die Königin Victoria, den König und die Königin von Italien aus und begrüßte die italienischen Seeleute. Der Herzog von Genua erwiderte, indem er die italienischen Offiziere aufforderte, auf die englische Marine zu

Frankreich.

Die Deputirtenkammer berieth gestern die Vorlage direkten Steuern. Der Berichterstatter Cochéry beantragte die Vertagung der Berathung des Gegenvorschlages Cavaignac's auf Einführung einer Einkommen⸗ steuer. Cavaignac bekämpfte diesen Antrag. Nachdem der Minister⸗Präsident Ribot nachgewiesen hatte, daß die Zeit zur Berathung des Gegenvorschlages mangele, wurde letzterer mit 298 gegen 236 Stimmen vertagt. Die Vorlage über die direkten Steuern wurde mit 440 gegen 59 Stimmen an⸗ genommen.

Die Deputirtenkammer setzte gestern die Berathung der finanziellen Maßnahmen fort. Der Finanz⸗Minister Boselli sprach sich für die von ihm beantragten Maßnahmen aus und wies durch detaillierte Zusammenstellung nach, daß die Einnahmen nicht im Abnehmen begriffen seien und daß sowohl die Ergebnisse der Einnahmen als auch der im Vorjahre eingeführten neuen Steuern den Voranschlägen vollkommen entsprächen. Der Minister erklärte, die Regierung denke nicht an die Einführung von Monopolen. Er hob ferner hervor, daß die Zoll⸗ und Eisenbahneinnahmen im Steigen begriffen seien. Nachdem sodann auch der Schatz⸗Minister Sonnino die von der Regierung vorgeschlagenen Schatz⸗ und Finanzmaßnahmen befürwortet ha de die Generaldebatte geschlossen

Spanien.

Der König und die Infantin Maria Theresia,

welche leicht erkrankt waren, sind wieder genesen und machten wie „W. T. B.“ berichtet, gestern eine Spazierfahrt. Türkei.

Die „Politische Korrespondenz“ meldet aus Konstan⸗ tinopel, die Botschafter Großbritanniens, Frank⸗ reichs und Rußlands hätten in dringender Form ihr Er⸗ suchen an die Pforte um Aufklärung über einige nicht genügend deutliche Stellen der letzten türkischen Antwortnote bezüglich der Reformen in Armenien erneuert.

Das britische Mittelmeer⸗Geschwader ankert gegen⸗ wärtig im Hafen Marmaris, gegenüber der Insel Rhodos.

Griechenland. Infolge eines Zwischenfalls in der Deputirtenkammer hat der Oberst Vassiliad is zwei Freunde als Zeugen zu dem Kriegs⸗Minister Obersten Smolenitz gesandt, welcher gleichfalls seine Zeugen bestimmte.

Serbien.

Dem Eintreffen des bisherigen serbischen Gesandten in Paris Garaschanin behufs Uebernahme des Präsidiums der Skupschtina wird, dem „W. T. B.“ zufolge, binnen zwei bis drei entgegengesehen. Dem Vernehmen nach werden für seinen Empfang seitens der Fortschrittspartei große Ovationen vorbereitet. Heute wird sich die Skupschtina vollständig konstituieren und durch einen Königlichen Ukas er⸗ öffnet werden. Die Regierung wird hierauf sofort das Finanzarrangement über die Konversion der fünf⸗ prozentigen Anleihe vorlegen.

Bulgarien.

Die „Agence Balcanique“ meldet, der Kammer⸗Präsident Theodorow habe aus St. Petersburg an den Minister⸗Prä⸗ sidenten Stoilow telegraphiert, daß die ganze Deputation der National⸗Versammlung und der bulgarischen Kirche am Sonnabend in feierlicher Audienz durch den Minister des Auswärtigen Fürsten Lobanow⸗Rostowsky empfangen worden sei. Der Metropolit Clement, der Führer der Abordnung, habe dem Fürsten Lobanow in warm⸗ empfundener Rede den Dank für den Empfang und die auf⸗ richtigen Wünsche des bulgarischen Volks dafür ausgedrückt, daß die guten Beziehungen zwischen Bulgarien und seinen Befreiern so bald als möglich wiederhergestellt werden möchten. Fürst Lobanow habe der Deputation versichert, daß, trotzdem die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen unterbrochen seien, doch das Wohlwollen und die Sympathie Rußlands für Bulgarien immer bestanden habe. Darauf habesich der Fürst mitmehreren Mitgliedern der Deputation veee die er über die gegenwärtige Lage Bulgariens und über verschiedene Tagesfragen um Auskunft gebeten habe. Der Kranz für das Grab Kaiser Alexander's III. werde heute durch die Ab⸗ ordnung in feierlicher Weise niedergelegt werden. Aus diesem Anlasse habe der bulgarische Synod in Uebereinstimmung mit der Regierung angeordnet, daß heute in ganz Bulgarien Reguiems für Alexander III. abgehalten würden. In Sofia fand das Requiem heute früh um 9 Uhr in der Kathe⸗ drale statt.

Amerika.

Die Gemahlin des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika Cleveland ist am Sonnabend Morgen in v einer Tochter entbunden worden.

Eine in Madrid eingetroffene amtliche Depesche aus

Cuba bestätigt den Tod des Insurgentenführers Amado

Guerra und fügt hinzu, daß dessen Brüder Herrero und

Tamayo verwundet worden seien. Nach einem anderen Telegramm hätte ein Haufen Aufständischer von 800 Mann unter der Führung Rabi's eine von Sanchez befehligte spanische Kolonne von 360 Mann angegriffen. Es habe sich ein erbitterter Kampf entsponnen, der bis 8 Uhr Abends gedauert habe. Die Spanier hätten mehrere Todte und Verwundete gehabt. Es werde angenommen, daß der Feind zahlreiche Verluste er⸗ litten habe. Afrika.

Nach Privatdepeschen, die aus Adua in Rom einge⸗ troffen sind, soll der König Menelik den Ingenieur Capucci, den einzigen in Schoa verbliebenen Italiener, ins Gefängniß geworfen haben, da er ihn im Verdacht habe, mit General Baratieri im Briefwechsel zu stehen. In Adua werde in⸗ dessen angenommen, daß es sich um eine vorbedachte Ver⸗ haftung handele; denn frühere Nachrichten aus Harrar hätten mitgetheil, daß die französisch⸗russische Mission Menelik zur Ausweisung Capucci's aufgefordert habe. Vermuthlich sei Menelik bis gegen Ambasalame vorgerückt, doch halte man es für unwahrscheinlich, daß er während der Regenzeit einen Feldzug beginnen werde.

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Pretoria, daß gestern Abend daselbst ein großes Festmahl aus Anlaß der Eröffnung der Delagoa⸗Bay⸗Eisenbahn stattgefunden habe. 400 Geladene hätten daran theilgenommen, unter diesen die Vertreter Deutschlands, Englands, Frankreichs, Portugals, Belgiens und der Niederlande. Sir H. Robinson, der Gouverneur von Kapland, habe einen Toast auf Trans⸗ vaal ausgebracht, dessen vorwiegende Interessen identisch seien mit denen Englands, und in einem ferneren Toast er⸗ klärt, er habe nie versucht oder gewünscht, daß die Entschei⸗ dung, welche die Unabhängigkeit Transvaals garantiere, wider⸗ rufen würde. Der Präsident von Transvaal Krüger er⸗ klärte in seiner Antwort, daß sein Mißtrauen gegenüber den Plänen Englands sich als unbegründet erwiesen habe.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des

Herrenhauses befindet sich in der Vierten Beilage.

In der heutigen (22.), der letzten Sitzung des Herren⸗ hauses, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen beiwohnte, erhielt vor Eintritt in die Tagesordnung das Wort

Freiherr von Durant: Als Berichterstatter über eine Petition, die gestern zur Verhandlung kam, ist mir aus einer Verkettung von Umständen das Schlußwort entzogen worden. Der Herr Präsident hat die Güte gehabt, mir gestern noch in einem Schreiben sein Bedauern darüber auszusprechen, daß es auf einem Versehen und einer mißverständlichen Auffassung des § 53. unserer Geschäftsordnung beruht habe. Ich danke dem Herrn Präsidenten dafür. ch muß dabei aber konstatieren, daß mir dadurch Gelegenheit genommen war, Angriffe, die von einem Mitglied dieses Hauses, namentlich aber vom Regierungstisch aus gegen mein Referat gerichtet worden waren, zurückzuweisen, indem nament⸗ lich die Ausführungen des Herrn Regierungs⸗Kommissars zum theil das Maß desjenigen überschritten, was meiner Auffassung nach einem Regie⸗ rungs⸗Kommissar gegen ein Mitglied dieses hohen Hauses erlaubt sein darf, und welches meiner Empfindung nach schon von dem Herrn Präsidenten hätte zurückgewiesen werden müssen. Ich glaube, daß es Aufgabe des Herrenhauses ist, Schäden aufzudecken und sie zu ver⸗ bessern. Das dürfen wir nicht allein dem Abgeordnetenhause über⸗ lassen. Aus diesem Grunde habe ich die unangenehme und nicht leichte Aufgabe übernommen, vier Jahre lang als Berichterstatter über die Petition des Dr. Sternberg zu fungieren.

Präsident Fürst zu Stolberg: Ich konstatiere, daß ich gestern von der irrthümlichen Auffassung ausging, daß nach Schluß der Rednerliste dem Referenten das Wort nicht mehr ertheilt werden könne, während es ihm thatsächlich ertheilt werden muß. Ich be⸗ dauere nochmals dieses Mißverständniß. Daß ich dem Herrn Regierungs⸗Kommissar über das Maß des Erlaubten hinauszugehen gestattet hätte, kann ich auch nachträglich nicht anerkennen.

Die Gesetzentwürfe, betreffend den weiteren Erwerb von Eisenbahnen für den Staat und den Uebergang der zum früheren Berlin⸗Görlitzer Eisenbahnunter⸗ nehmen gehörigen Strecke Zittau Nistrisch in das Eigenthum des sächsischen Staats, wurden auf Antrag der Eisenbahnkommission (Berichterstatter Bürgermeister Hammer⸗-⸗Brandenburg a. H.) ohne Debatte genehmigt, ebenso der damit zusammenhängende Nachtrags⸗Etat.

Damit war die Tagesordnung erledigt.

Präsident Fürst zu Stolberg⸗Wernigerode gab sodann eine Uebersicht über die Geschäfte des Hauses in der abgelaufenen Session. Danach hat das Herrenhaus 22 Plenarsitzungen ab⸗ gehalten. Außer dem Staatshaushalts⸗Etat wurden dem Hause 39 Gesetzentwürfe vorgelegt, von welchen 34 durch die Zustimmung des Hauses ihre Erledigung fanden. Ein Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung einer General⸗ Kommission in Königsberg, wurde abgelehnt, vier Gesetz⸗ entwürfe blieben unerledigt. Außerdem wurden 5 IJnitiativanträge durch Annahme erledigt. Von 225 eingegangenen Petitionen wurden alle bis auf 7 theils durch die angenommenen Gesetzentwürfe, theils durch besondere Beschlüsse erledigt.

Der Präsident schloß um 12 Uhr die Sitzung mit einem dreifachen Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König, in welches das Haus einstimmte.

Um 2 Uhr Nachmittags versammelten sich die Mit⸗ glieder beider Häuser des Landtags im Sitzungssaale des Hauses der Abgeordneten zu einer gemeinsamen Schlußsitzung. Anwesend waren der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums Dr. von Boetticher, der Finanz⸗ Minister Dr. Miquel, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen und der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten D. Dr. Bosse.

Der Präsident des Herrenhauses Fürst zu Stolberg übernahm den Vorsitz, eröffnete die Sitzung und ertheilte das Wort dem

Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher: Ich habe dem Hause eine Allerhöchste Botschaft mitzutheilen (die Anwesenden erheben sich von den Sitzen):

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, haben auf Grund des Artikels 77 der Verfassungs⸗Urkunde vom 31. Januar 1850 den Vize⸗Präsidenten Unseres Staats⸗Ministeriums, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher beauftragt, die gegenwärtige Sitzung der beiden Häuser des Landtags Unserer Monarchie am 10. Juli d. J. in Unserem Namen zu schließen.

Gegeben Kiel, 4. Juli 1895, an Bord Unserer Pacht „Hohenzollern“.

8 . gez. Wilhelm. Gegengez. vom Staats⸗Ministerium.

Auf Grund der mir ertheilten Allerhöchsten Ermächtigung ; die Sitzungen des Landtags für t Fürst zu Stolberg: Seine Majestät der Kaiser, unser Allergnädigster König und Herr, lebe hoch! Die Versammlung stimmte dreimal in den Ruf ein. Damit war um 2 ¼ Uhr die Sitzung geschlossen. 1u“

Entscheidungen des Reichsgerichts.

8 —8

Bei einem sog. Kombinationspatent, bei welchem die C äindung darin besteht, daß mehrere einer selbständigen Wirkung fähige Elemente in ihrer Zusammensetzung ein neues technisches Ergebniß liefern, ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Strafsenats, vom 17. Januar 1895, nur dieses geschützt, während die Elemente, für welche besonders ein ve. nicht ertheilt ist, für sich diesen Schutz nicht genießen. Das gewer smäßige Feil⸗ halten der nicht geschützten Elemente für sich ist nur dann strafbar, wenn der Verkäufer weiß, daß die Käufer derselben diese nicht lediglich in ihrem Privatinteresse, sondern zum gewerbsmäßigen Gebrauch zusammensetzen und benutzen wollen Dem S. ist vom 3. August 1890 ab das deutsche Reichspatent auf einen selbstthätigen Ventil⸗ und pneumatischen Flaschenverschluß für sterilisierte Flüssigkeiten ertheilt worden. In dem Geschäft der Firma K. u. Co. zu K. sind seit 1890 Flaschen und Gummischeiben, wie solche bei dem patentierten Apparat zur Anwendung kommen, welche aber nicht von dem Lizenzberechtigten bezogen waren, feilgehalten und verkauft worden, und zwar an Personen, welche diese Gegenstände für den fraglichen Apparat verwenden wollten. Die Inhaber der ge⸗ dachten Firma wurden wegen Patentverletzung angeklagt. Die Straf⸗ kammer sprach sie frei, weil die Flaschen und die Gummischeiben durch das Patent nicht geschützt seien, und deshalb der Verkauf derselben eine Patentverletzung nicht enthalte. Die Revision des Staatsanwalts wurde vom Reichsgericht verworfen, indem es begründend ausführte: „Bei einem sog. Kombinationspatent können die Elemente neu sein und an sich schon eine Erfindung darstellen, und kann dann auch für sie der Patentschutz verlangt werden. Die Einzelelemente und ihre Wirkungen können aber auch bekannt sein, während die Zusammen⸗ setzung derselben in bestimmter Art und zu einem bestimmten Zwecke und die Wirkung der so kombinierten Elemente neu und erfunden ist. Wird in letzterem Falle nur das durch die Vereinigung der Einzel⸗ elemente erzielte Produkt als Erfindung in Anspruch genommen und das Patent nur für das Produkt ertheilt, so ist auch nur dieses ge⸗ schützt, während die Elemente für sich diesen Schutz nicht ge⸗ nießen. Nach § 4 des Gesetzes vom 7. April 1891 hat das Patent die Wirkung, daß der Patentinhaber ausschließlich befugt ist, gewerbsmäßig den Gegenstand der Erfindung herzustellen, in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen. Die nicht gewerbsmäßige Nutzung der Erfindung steht daher sedermann zu. Es kann also jeder den Apparat behufs Verwen⸗ dung für seinen persönlichen Gebrauch und in der Sphäre seines Haus halts herstellen und gebrauchen. Nur darf die Herstellung nicht in den Kreis einer geschäftlichen Thätigkeit fallen, der Gebrauch nicht in einem Gewerbe stattfinden. Das Gericht bat nun nur festgestellt, daß die Käufer der Gummischeiben dieselben fir den Apparat gebrauchen wollten, nicht aber, daß sie den Apparat sibst in einem Gewerbe verwenden wollten, bezw. daß die Herstellung der der Gebrauch des Apparats zu einem Gewerbe derselben in irgend welcher Beziehung stand. Verwandten sie aber den Apparat lediglich in ihrem Privatinteresse, in den Grenzen ihres Haushalts, so verletzten sie das Patent auch in objektiver Beziehung nicht, und ist daher eine Handlung, welche die Herstellung und den Gebrauch des Apparats zu diesem Zwecke ermöglichte, nicht strafbar. Sie wurde es auch nicht dadurch, daß der Angeklagte die Einzelelemente des patentierten Verschlusses gewerbsmäßig feilhielt, da diese nicht Gegenstand des Patents sind, er also auch nicht den Gegenstand der Erfindung gewerbsmäßig feilhielt. Mit Vor⸗ stehendem steht die Entscheidung des I. Zivilsenats vom 5. Mai 1888 (Entsch. Bd. 22 S. 165 flg.) im Einklang. Denn auch nach dieser Entscheidung, welche noch durch ein späteres Urtheil desselben Senats in derselben Sache vom 15. November 1890 erläutert worden ist, ist das Feilhalten einzelner nicht selbst patentierter Theile eines Kombinationspatents nur dann für eine Patentverletzung erachtet worden, wenn der Verkäufer weiß, daß die verkauften Theile zur ge⸗ werbsmäßigen Herstellung, bezw. zum gewerbsmäßigen Gebrauch der Kombination ohne Erlaubniß des Patentinhabers verwendet werden sollen und hierzu verwendet worden sind, wenn also objektiv eine gegen die Vorschriften des Patentgesetzes verstoßende Handlung vorgenommen worden und dies mit dem Willen des Verkäufers geschehen ist. . . .“ (4322/94.)

„— In der Zeit von der Eröffnung bis zur Schließung des Reichstags ruht, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Straf⸗ senats, vom 15. Februar 1895, die Verjährung der einem Reichs⸗ tags⸗Abgeordneten zur Last gelegten Strafthat, auch wenn eine Ge⸗ nehmigung zur Strafverfolgung von der Staatsanwaltschaft nicht nachgesucht worden ist. „Mit Recht wird es für gleichgültig erachtet, daß eine Genehmigung zur Strafverfolgung von der Staatsanwalt⸗ schaft nicht nachgesucht ist. Der § 69 des Strafgesetzbuchs in der sassung des Gesetzes vom 26. März 1893 enthält die allgemeine Be⸗ timmung, daß die Verjährung während der Zeit ruht, in welcher auf Grund gesetzlicher Vorschrift die Strafverfolgung nicht begonnen werden kann, und diese Voraussetzung ist vorhanden, wenn die That⸗ sache feststeht, daß der Reichstag, gleichviel aus welchen Gründen, die nach Art. 31 der Reichsverfassung zur Strafverfolgung nothwendige Genehmigung nicht ertheilt hat.“ (4613/94.) 11““

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Der Betrieb einer Posthalterei ist, nach einer Entscheidung des Ober⸗Verwaltungsgerichts, VI. Senats, 1. Kammer, vom 8. No⸗ vember 1894, ein steuerpflichtiger Gewerbebetrieb. „Vor dem Inkrafttreten des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 sind die Posthalter schon seit 1812 als der Gewerbesteuerpflicht nicht unter⸗ liegende Personen behandelt worden. Diese Befreiung hat zuletzt in § 73 c der ministeriellen Ausführungsanweisung zum Gewerbesteuer⸗ gesetz vom 20. Mai 1876 dahin Ausdruck ve hücn daß die Posthalter von der Gewerbesteuer der Fracht⸗ und Lohnfuhrleute in der Klasse K. ausgenommen worden sind. Diese Vorschrift nebst allen vorhergegangenen

efreiungen ist mit dem Gewerbesteuergesetz, zu dessen Ausführung se ergangen war, durch § 82 des Gewerbesteuergesetzes vom 24. Juni

1 aufgehoben worden. Letzteres unterwirft nach § 1 der Gewerbe⸗ vöher. die in Preußen betriebenen stehenden Gewerbe und nimmt aus⸗ rücklich davon in 4 Nr. 7 die Ausübung eines amtlichen 8 erufs aus. Posthalter können deshalb nur gewerbesteuerfrei sein, der Betrieb der Posthalterei nicht als Gewerbebetrieb angesehen merden kann, oder wenn darin die Ausübung eines amt⸗

chen Berufs gefunden werden muß. Letzteres trifft nicht Kriterien eines öffentlichen Amts sind nicht aug Als öffentliche Beamte, die einen amtlichen Beruf wvilden, wie es § 4 Nr. 7 a. a. O. verlangt, sind nur Militär⸗ und 4 eamte, nur unmittelbare und mittelbare Staatsbeamte anzusehen. Sie⸗ gehören mangels einer besonderen Verschuft die Posthalter nicht. 8 tehen nur in einem vertragsmäßigen Verhältniß zur Postverwal⸗ 9 18 und werden auch seitens der Roichs⸗Postverwaltung nach amtlicher liches zung nicht zu denjenigen Personen gerechnet, welche einen amt⸗

eru ü j 9 B tuf ausühen. Sind iernach die Posthalter nicht Beamte

der Postverwaltung, so kann der Betrieb der Posthalterei nur steuer⸗ frei bleiben, wenn er nicht als Gewerbebetrieb anzusehen ist. Die Posthalterei ist aber Gewerbebetrieb, da alle Merkmale eines solchen zutreffen...“ (VI. G. 213/94.)

Der Betrieb eines in einem Kehrbezirk angestellten Schornsteinfegermeisters ist, nach einer Entscheidung des Ober⸗ Verwaltungsgerichts, VI. Senats, 1. Kammer, vom 6. Dezember 1894, ein steuerpflichtiger Gewerbebetrieb. „Der Be⸗ schwerdeführer ist ein zur Ausübung seines Gewerbebetriebs in einem nach Maßgabe der Reichs⸗Gewerbeordnung 39) gebildeten Kehr⸗ bezirk zugelassener Schornsteinfegermeister. Durch diese Felaffung wird er aber ebenso wenig Beamter, wie durch die polizeiliche Regelung der Reinigungder Schornsteine und der hierfür zu erhebenden Gebühren und die Vorbehalte hinsichtlich seiner Bestrafung wegen Nichtbefolgung der polizeilichen Vorschriften. Durch derartige behördliche, im öffent⸗ lichen Interesse mit Rücksicht auf die Feuersicherheit getroffene Maß⸗ nahmen wird er nicht aus einem Gewerbetreibenden Beamter, sondern er bleibt nach wie vor Gewerbetreibender; er ist nur bezüglich der Ausübung seines Gewerbebetriebs, wie die meisten anderen Gewerbe⸗ treibenden, der Beobachtung behördlicher Vorschriften unterworfen.“ (VI. G. 322/94.)

Statistik und Volkswirthschaft.

1 Kleinbahnen in Preußen. Die Gesammtzahl der in Preußen am 31. März 1895 vor⸗ handenen oder bis dahin genehmigten Kleinbahnen (selbständige Unter⸗ nehmungen stellt sich auf 131 (bisher, d. h. bis zum 30. September 1894, 117). Auf die Provinzen entfallen, nach der Zahl der Bahnen geordnet, Rheinprovinz 31 (bisher 27), Brandenburg 15 (14), Sachsen nund Hessen⸗Nassau je 13 (13, 12), Pommern und Schleswig⸗Holstein je 10 (8, 10), Posen, Schlesien, Hannover und Westfalen je 7 (6, 6, 7, 4), Berlin (Geschäftsbezirk des Polizei⸗Präsidenten) 5 (4), West⸗ preußen 4 (4) und Ostpreußen 2 (2).

Zur Arbeiterbewegung.

In Halle a. S. hatte eine Maurerversammlung am Sonnabend beschlossen, am letzten Montag früh auf allen Bauten den Ausstand zu beginnen, wo die gestellte Forderung von 40 Stunden⸗ lohn von den Meistern und Unternehmern abgelehnt worden ist. Wie die „Mgdb. Ztg.“ berichtet, wurde in der That von vielleicht der Hälfte der im Ganzen wohl 800 in Halle arbeitenden Maurergesellen die Arbeit niedergelegt. Auch die Maurerarbeitsleute schlossen sich, einem Versammlungsbeschlusse gemäß dem Ausstand an, sofern ihnen nicht 30 Sgenernloh bvewilligt wurden. Zum theil sind die Feiernden, soweit sie unver⸗ heirathet sind, bereits zur Aufsuchung von Arbeit nach anderen Orten abgereist. Die Ruhe wurde nirgends gestört. (Vgl. Nr. 157 d. Bl.)

Aus Augsburg wird der „Köln. Ztg.“ unter dem 9. d. M. ge⸗ meldet: In der großen Spinnerei und Buntweberei in Pfersee hatten die Weber und Spinner wegen Lohnstreitigkeiten die Arbeit niedergelegt. Der Ausstand wurde durch Bewilligung der Forderungen der Arbeiter beigelegt.

In Odrau in Oesterreich ist, einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge, der Ausstand der Arbeiter der Gummiwaaren⸗Fabrik von Schneck u. Kohnberger zu Ungunsten der Ausständigen verlaufen. (Vergl. Nr. 155 d. Bl.)

us Chicago meldet das „R. B.“: Die Pullman Schlaf⸗ wagen⸗Gesellschaft, in deren Werkstätten im vorigen Jahre der große Eisenbahnausstand seinen Ursprung hatte, hat die Löhne ibrer Arbeiter um 10 v. H. erhöht. Viertausend Arbeiter gewinnen dabei.

F

Am Sonnabend verstarb der ordentliche Professor für englische⸗

Philologie an der hiesigen Universität Dr. Julius Zupitza. Der⸗ selbe war am 4. Januar 1844 in Kerpen bei Glogau geboren, bezog 1862 die Universität Breslau und erwarb im Jahre 1865 an der hiesigen Hochschule den Doktorgrad. Nach bestandenem Staats⸗ examen trat Zupitza zunächst in den Schuldienst und wurde Lehrer an dem Gymnasium in Oppeln, an dem er zuvor Schüler gewesen war, und später in Breslau. Dort habilitierte er sich 1869 als Privatdozent für die germanischen Sprachen des Nordens, wurde 1872 zum außerordentlichen Professor ernannt und ging 1875 als Ordinarius nach Wien. Schon 1876 wurde er zum ordentlichen Professor der englischen Sprache und Philologie und zum Direktor der englischen Abtheilung des Seminars für neuere Sprachen an der Universität Berlin ernannt. In dieser Stellung hat der Verstorbene in fast zwanzigjähriger Lehr⸗ und Forscherthätigkeit verdienstlich und anregend gewirkt.

Aus Gießen vom 7. d. M. wird das Ableben des um die Erforschung der Natur der Sonnenflecken verdienten Astronomen, Professors Spörer gemeldet. Gustav Friedrich Wilhelm Spörer wurde, der „Nat.⸗Ztg.“ zufolge, im Jahre 1822 zu Berlin als der Sohn eines Kaufmanns geboren. Die ersten Sonnen⸗ flecken⸗Beobachtungen stellte er unter wenig günstigen äußeren Ver⸗ hältnissen in Anklam an, wo er am Gymnasium seit einer Reihe von Jahren in der Mathematik unterrichtete. Im Jahre 1869 nahm er an der deutschen astronomischen Fahrt nach Ostindien theil. In dem Staatshaushalt für 1874 wurde die erste Summe für den Bau des Observatoriums, das seine Heimstätte auf dem Telegraphenberge bei Potsdam erhielt, ausgeworfen. Zur Einrichtung der Anstalt und zur späteren Leitung der Arbeiten in dieser wurde mit H. C. Vogel, da⸗ mals Direktor der Sternwarte zu Bothkamp in Spörer, zuletzt Prorektor in Anklam, berufen. Am Astrophysikalischen Laboratorium fand Spörer eine dauernde Arbeitsstätte. Er schied aus derselben erst vor kurzer Frist aus, als die Be⸗ schwerden des Alters ihm wider Willen Muße aufdrängten. Die Veröffentlichungen Spörer's: fortlaufende Beobachtungen der Sonnen⸗ flecken, Berechnungen dieser, Studien über die Periodizität und Ab⸗ leitungen der Elemente der Sonnenrotation aus Sonnenflecken⸗ Beobachtungen finden sich in den „Astronomischen Nachrichten“, den

rogrammen des Anklamer Gymnasiums, den Veröffentlichungen des Ustrophysikalischen Observatoriums und der Astronomischen Gesellschaft sowie in den Berichten der Königlichen Akademie.

Ueber die neuen Erzthüren am Dom zu Bremen berichtet die „Weser⸗Ztg.“”: „Der Guß der neuen Domthüren in der Erzgießerei von Joseph Louis in Köln am Rhein hat 1 ¾ Jahre in Anspruch genommen. Jedes der zwanzig Felder, sowie ge⸗ wisse Theile der Einfassungen bilden ein Gußstück für sich und sind auf dem eichenen Belag der Rückseite zusammengeschraubt. Hn befindet sich auch das mächtige, stilvolle Riegelschloß. Der GBuß erscheint durchaus wohlgelungen, wenigstens konnten wir nirgends Nietstücke oder nachträglich gebesserte Stellen entdecken. Auch die eFreeng der in Hochrelief gehaltenen, behufs stärkeren Heraustretens der Köpfe aus der Bildfläche meist etwas schräg gestellten Figuren ist bis in die Details tadellos. Schwierigkeiten, wie sie beispielsweise das Scepter Pharaos oder (dicht darunter) die beiden Köpfe mit den Trichterhüten und das Schwert des Ritters am Sinai dem Guß entgegenstellten, sind vollkommen überwunden, Politur und Ziselierung aufs sauberste ausgeführt. Die prachtvolle Erzmischung verräth schon jetzt, an welchen Stellen sich zunächst die grüne Patina ansetzen wird. Die Gipsmodelle für den bildnerischen Schmuck hat Herr Professor Fuchs geliefert, ein auf dem Gebiet christlicher Plastik hervorragender Künfiler Jeder Thürflügel enthält zwei große und sieben kleine v Unter sich sind die⸗ selben durch einen Fries mit acht ver vEeeur. Linienornamenten ab⸗ etheilt, deren Knotenpunkte durch aufgesetzte Knöpfe markiert werden. ries, Knöpfe und das entzückende Pflanzenornament des Rundstabs,

der das Ganze umzieht, sind à jour gegossen. Besonderes Interesse verdienen die Löwenköpfe, von denen der am rechten Thürflügel be⸗ festigte ein Original aus dem zwölften Jahrhundert ist und damals bereits die Pforten unseres Doms geziert hat. Das gleichfalls er

haltene Pendant dazu wird an der noch herzustellenden zweiten Portal thür Platz finden, für diese hier hat Herr Professor Fuchs ein neues hergestellt. Natürlich ist es jenem alten nachgebildet, scheint aber in der Mähne, den Linien und Punktierungen des Ge⸗ sichts weiter ausgeführt, als gehöre es einer nur ein paar Jahrzehnte pdteren Periode an. Jene Zeit erblickte in dem durch Kraft und Herrschaft ausgezeichneten Löwen ein Sinnbild der Gottheit selbst, und das streitende wilde Gethier, womit der Bildner die Löwen⸗ 8 köpfe umgeben hat, soll wohl auf die Dämonen deuten, die mit den himmlischen Mächten im Kampf liegen. Die Reliefs enthalten aus⸗ schließlich Darstellungen aus dem Alten Testament; das Neue wird für die Bilder der zweiten Thür benutzt werden. Die Reihenfolge läuft, links oben beginnend, quer über beide Flügel. Wir sehen in der ersten Reihe die Erschaffung des Menschen, den Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradiese und den Brudermord. Es folgen Melchisedek's Opfer und die Geschichten von Abraham, Isaac, Jakob, Joseph, Moses, das Passahmahl, der Zug durchs Rothe Meer un

die Gesetzgebung auf Sinai. Den Beschluß machen in der letzten Reihe der Mannaregen in der Wüste, David mit dem Haupt Goliath's, Salomo und Jonas. Die schönsten Bilder befinden sich in den beiden obersten Reihen; in den anderen wirken die Ueberladun

mit landschaftlichen und architektonischen Details, die Häufung de

Figuren, ein auch von Ghiberti bei den Baptisteriumsthüren begangener Fehler, nicht immer günstig. Auf dem Einzug in die Arche befinden sich eine Anzahl Porträtfiguren, die man hier in Bremen leicht identifizieren wird. In der Ecke rechts der Mann mit der Wagnerkappe ist der Bildhauer, dahinter der Alte mit der Ledertasche der Gießer. Der Stil der romanischen Epoche ist überall streng durchgeführt. An den langen Wollengewändern, den verschiedenen Kopfbedeckungen, den Rüstungen der Krieger könnte man Studien über die Trachten des zwölften Jahrhunderts anstellen. Bäume, Blumen, Gras, selbst die Meereswogen auf dem Jonasbilde sind stilisiert. Was sich dagegen in diesen Bild⸗

werken nicht manifestieren konnte, ist die Naivpetät, die einfache, fromme Auffassung jener Zeit, wie sie z. B. aus den Schöpfungen des heiligen Bernhard in Hildesheim bei all' ihrer Unbeholfenheit zu

uns spricht. Eine freiere Behandlung des romanischen Stils, ähn⸗ lich derjenigen auf den Mosaikbildern der Westfront, wäre daher vielleicht vorzuziehen gewesen. Immerhin aber haben sich manche Befürchtungen, die sich an den starren Archaismus der vor dem Portal aufgestellten Figuren und ihrer merkwürdigen Sockel knüpfen ließen, nicht erfüllt. Die fleißige und zierliche Arbeit des Ganzen wird vielmehr einen schönen Schmuck des Domes bilden zum Ge

dächtniß der Schenkgeberin, Frau M. Hackfeld, deren Name über der Thür zu lesen ist.“

Land⸗ und Forstwirthschaft.

. Saatenstand in Ungarn. Wie der „Wien. Ztg.“ aus Budapest telegraphisch gemeldet wird, stellt sich nach den bei dem ungarischen Ackerbau⸗Ministerium eingelaufenen Berichten der Saatenstand vom 1. Juli, wie folgt: Das stetig wechselnde Wetter, Regen, Gußregen und Wolkenbrüch haben auf das Winter⸗ und Sommergetreide schädlich gewirkt. Der in der ersten Hälfte des Monats Juni sporadisch aufgetretene Rost und Brand hat die Saaten größerer Flächen angegriffen, und ist der Schaden besonders an den gelagerten Getreidearten bedeutend Die Hitze in den ersten Tagen des Monats Juli hat gleichfalls bedeutenden Schaden verursacht. Am meisten litt unter derselben der Winterweizen. Die gesunden und nicht gelagerten Getreidearten entwickeln sich, abgesehen von stellenweisem Roft auf Blatt und Stengel, meistens sehr gut. Die allgemeinen Ernte⸗Aus⸗ sichten haben gegen den letzten Bericht nur eine geringe Aenderung aufzuweisen. Vorausgesetzt, daß Brand und Rost, weitere Hitze und Insekten keinen bedeutenden Schaden verursachen, wird das Getreide einen mittleren Ertrag liefern. Rost und Brand haben sich be⸗ deutender in 20. Komitaten verbreitet, es giebt aber kaum eine Gegend, wo dieselben, wenn auch in geringerem Maße, nicht auf⸗ getreten wären. Insekten richteten in 16 Komitaten Schaden an, stellenweise beträgt der Schaden 20 bis 30 %. An Weizen richtete die Hitze vom Anfang Juli stellenweise Schäden an. Obwohl die Verbreitung des Rostes und Brandes auf Kosten der Qualität in zwei Dritttheilen des Landes geschieht, ist trotzdem noch auf sehr gute Qualität Aussicht. Die Ertragsaussichten sind in den einzelnen Gegenden verschieden und betragen 7 bis 9, anderswo aber nur 4 bis 5 Meter⸗ zentner per Katastraljoch. Im allgemeinen Durchschnitt kann der zu erhoffende Ertrag auf 7 Meter⸗Ztr. per Katastraljoch geschätzt werden. Die mit Roggen und Halbfrucht bebaute Fläche ist bedeutend kleiner als im Vorjahre. Infolge des sehr schlechten Wetters ging viel Anbau verloren, und so kann die bebaute Fläche 1,62 bis 1,73 Millionen Katastraljoch betragen. Der Ertrag dürfte im Alföld noch am gleichmäßigsten sein, indem dort ein mittlerer Ertrag erhofft wird, während in deu anderen Landes⸗ theilen der Ertrag sehr⸗ verschieden sein wird. Qualitativ läßt Roggen wenig zu wünschen übrig, der zu erwartende Ertrag kann im Durchschnitt mit 5 bis 6 Meter⸗Ztr. per Katastraljoch geschätzt werden. Wintergerste wurde zum größten Theil schon geschnitten. Das Resultat ist mit geringen Ausnahnken ein zufriedenstellendes, ob⸗ zwar die Qualität infolge bedeutenden Brandes in einzelnen Komitaten bemängelt wird. Trotzdem kann der Ertrag, auch qualitativ, als zufrieden⸗ stellend bezeichnet werden. Sommergerste hat sich gut behalmt, doch verursachen Rost und theilweise auch Brand Schaden. Geschnitten wird dieselbe noch nicht. Das mit Sommergerste bebaute Areal wird kaum mehr als 1,83 Millionen Katastraljoch betragen. Der zu er⸗ hoffende Ertrag dürfte im Durchschnitte höchstens 6 Meter⸗Ztr. per Katastraljoch betragen. Hafer hat sich ziemlich gebessert, obgleich derselbe infolge von Elementarschäden ebenfalls litt. Die Ertrags⸗ aussichten sind klein oder mittel. Das bebaute Areal dürfte 1,72 Millionen Katastraljoch betragen und der zu erwartende Ertrag sich auf ˙5 bis 6 Meter⸗Ztr. per Katastraljoch belaufen. Wenn die Hitze nicht schadet, dürfte die Qualität die Quantität ersetzen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Der Gesundheitsstand in Berlin war auch in der Woche vom 23. bis 29. Juni ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern 1 aufs Jahr berechnet, 18,1). Etwas häufiger als in der Vorwoche kamen akute Entzündungen der Athmungsorgane zum Vorschein und führten auch etwas häufiger zum Tode. Erkrankungen an Grippe wurden wenig be⸗ kannt, doch kamen 2 Todesfälle infolge von Grippe zum Bericht. Dagegen wurden akute Darmkrankheiten in größerer Zahl beobachtet und führten in 148 Fällen, meist kleine Kinder unter 2 Jahren, zum Tode. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb die gleich große wie in der Vor⸗ woche; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 67 Säuglinge. Von den Infektionskrankheiten blieben Erkrankungen an Unterleibstyphus selten; Erkrankungen an Masern und Diphtherie wurden etwas weniger, an Scharlach etwas häufiger als in der Vorwoche zur Anzeige gebracht, und zwar kamen Erkran⸗ kungen an Masern aus dem Wedding, an Scharlach aus der Schöne⸗ berger Vorstadt und dem Wedding, an Diphtherie aus der Tempel⸗ hofer Vorstadt, der jenseitigen Luisenstadt und der Rosenthaler Vor⸗ stadt am zahlreichsten zur Erkrankungen an Kindbettfieber wurden 4 bekannt; rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut gelangten häufiger zur ärztlichen Behandlung; auch wurde eine weitere Erkrankung an Pocken gemeldet. Erkrankungen an Keuch⸗ husten, die in 5 Fällen zum Tode führten, wurden seltener beobachtet. Rheumatische Beschwerden aller Art zeigten im Vergleich zur Vor⸗ woche keine wesentliche Veränderung in ihrem Vorkommwen.