1895 / 166 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Jul 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Hauptverwaltung der Staatsschulden.

Bekanntmachung.

Bei der heute öffentlich in Gegenwart eines Notars be⸗ wirkten Verloosung der Prioritäts⸗Obligationen III. Serie, III. Serie Litt. B. und IIII. Serie Litt. C. 1. und 2. Emission 8 der Bergisch⸗Märkischen Eisenbahn⸗Gesellschaft sind die in der Anlage verzeichneten Nummern gezogen worden.

Dieselben werden den Besitzern zum 1. Januar 1896 mit der Aufforderung gekündigt, die in den ausgeloosten Nummern verschriebenen Kapitalbeträge

vom 2. Januar 1896 ab gegen Quittung und Rückgabe der Obligationen und der nach diesem Termin zahlbar werdenden Zinsscheine:

Reihe IV Nr. 19 und 20 von den Obligationen

III. Serie, Reihe IV. Nr. 8 bis 20 von den Obligationen III. Serie Litt. B., Reihe III Nr. 11 bis 20 von den Obligationen III. Serie Litt. C. 1. und 2. Emission nebst Anweisungen für die nächsten Reihen bei der Staats⸗ schulden⸗Tilgungskasse in Berlin, Taubenstraße Nr. 29, zu erheben.

Die Zahlung erfolgt von 9 Uhr Vormittags bis 1 Uhr Nachmittags, mit Ausschluß der Sonn⸗ und Festtage und der letzten drei Geschäftstage jeden Monats.

Die Einlösung geschieht auch bei den Regierungs⸗Haupt⸗ kassen und in Frankfurt a. M. bei der Kreiskasse. Zu diesem Zwecke können die Effekten einer dieser Kassen schon vom 1. Dezember 1895 ab eingereicht werden, welche sie der Staats⸗ schulden⸗Tilgungskasse zur Prüfung vorzulegen hat und nach e Feststellung die Auszahlung vom 2. Januar 1896 ab ewirkt.

Der Betrag der etwa fehlenden Zinsscheine wird vom Kapital zurückbehalten.

Mit dem 31. Dezember d. J. hört die Verzinsung der verloosten Obligationen auf.

Zugleich werden die bereits früher ausgeloosten, in der Anlage verzeichneten, noch rückständigen Obligationen wiederholt und mit dem Bemerken aufgerufen, daß die Verzinsung derselben mit dem 31. Dezember des Jahres ihrer Verloosung aufgehört hat, und daß jeder Anspruch aus ihnen erlischt, wenn sie 10 Jahre lang alljährlich einmal öffentlich aufgerufen und dessen ungeachtet nicht spätestens binnen Jahresfrist nach dem letzten öffentlichen Aufruf zur Einlösung vorgelegt sein werden.

Die Staatsschulden⸗Tilgungskasse kann sich in einen Schriftwechsel mit den Inhabern der Obligationen über die Zahlungsleistung nicht einlassen. 8

Formulare zu den Quittungen werden von sämmtlichen oben gedachten Kassen unentgeltlich verabfolgt.

Berlin, den 3. Juli 1895. f 8 Hauptverwaltung der Staatsschulden. von Hoffmann.

Angekommen:

Seine Durchlaucht der kommandierende General des III. Armee⸗Korps, General der Kavallerie Prinz Friedrich von Hohenzollern; 8

der Unter⸗Staatssekretär im Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten D. Dr. von Wevyrauch, vom Urlaub;

der Ministerial⸗Direktor im Ministerium für Handel und Gewerbe von Wendt, vom Urlaub aus Harzburg;

der Präsident des Reichs⸗Versicherungsamts Dr. Bödiker, aus der Provinz Hannoverr.

Abgereist:

der Präsident des Reichs⸗Eisenbahnamts Dr. Schulz, mit Urlaub nach der Schweiz.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 15. Juli.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen, wie „W. T. B.“ aus Tullgarn meldet, am Sonnabend Vor⸗ mittag an Bord der Nacht „Hohenzollern“ von 9 bis 11 Uhr Vporträge entgegen. Am Abend traf Seine Königliche Hoheit der Prinz Eugen von Schweden und Norwegen in Tullgarn ein, um sich in der Uniform des 2. Schlesischen Dragoner⸗ Regiments Nr. 8 bei Seiner Majestät zu melden.

Gestern Vormittag 11 Uhr hielten Seine Majestät der Kaiser an Bord der „Hohenzollern“ Gottesdienst ab, welchem Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kron⸗ prinzessin von Schweden und Norwegen beiwohnten. Bei dem gemeinschaftlichen Frühstück brachte Seine Königliche Hoheit der Kronprinz das Wohl des Prinzen Adalbert von Preußen aus, welcher gestern seinen Geburtstag beging. Nachmittags begaben Sich Seine Majestät nach dem Schlosse und nahmen um 7 Uhr an der Tafel bei dem Kronprinzlichen Paare theil. Um 11 ½2 Uhr kehrten Seine Majestat an Bord der Nacht zurück. Die deutschen Schiffe erglänzten nach Einbruch der Dunkelheit in elektrischer Beleuchtung.

Heute Morgen um 8 ½ Uhr statteten die Kronprinzlichen errschaften mit den beiden älteren Prinzen Söhnen einen eesuch an Bord ab. Nach der Verabschiedung Höchstderselben

von Seiner Majestät ging die „Hohenzollern“ um 9 Uhr Vor⸗ mittags bei gutem Wetter nach Wisby auf Gotland in See.

Der General⸗Lieutenant von Hoffbauer, Inspekteur der Feld⸗Artillerie, und der Kommandant von Berlin, General⸗ Major von Natzmer sind hierher zurückgekehrt.

Der General⸗Major Freiherr von Falkenhausen, Direktor des Allgemeinen Kriegs⸗Departements im Kriegs⸗ Ministerium, und der General⸗Major Prinz zu Salm

Horstmar, General à la suite Seiner Majestät des Kaisers

und und Präses der General⸗Ordens⸗Kommission,

haben Berlin mit Urlaub verlassen.

Der Königliche Gesandte in Darmstadt, Wirkliche Geheime Rath Graf Otto von Dönhoff hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten.

Der Direktor des Königlichen Statistischen Bureaus, Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Blenck, hat sich mit sechs⸗ wöchigem Urlaub nach der Insel Rügen begeben.

1 8 .“

8 1- Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. S. „Marie“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Credner, am 12. Juli d. J. in Aden eingetroffen und beabsichtigte, die Weiterreise am 14. desselben Monats fortzusetzen.

Hessen.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist gestern Vormittag aus London zurückgekehrt und hat auf dem Jagd⸗ schlosse Wolfsgarten Aufenthalt genommen.

Oldenburg.

(H.) Seine Königliche Hoheit der Großherzog empfing am Sonnabend im Schlosse zu Rastedt den Königlich preußischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Kammerherrn von Bülow in Audienz, um dessen Kreditive entgegenzunehmen.

Sachsen⸗Meiningen. Der Landtag ist am 12. d. M. vertagt worden

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Kaiser empfing gestern in Ischt Slatin⸗Bey in einstündiger Audienz.

Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte am Sonnabend die Berathung des Etats des Finanz⸗Ministeriums fort. Der Finanz⸗Minister Böhm von Bawerk erklärte im Lauf der Debatte, jeder künftige Finanz⸗Minister werde gezwungen sein, das Haus zu bitten, die Steuer⸗ reform wieder aufzunehmen. Das Haus nahm die Titel: direkte Steuern, Zölle, indirekte Abgaben und besondere Abgaben für gebrannte geistige Getränke so⸗ wie die Titel Salz und Taback an. Die Abgg. Lueger und Schneider interpellierten den Minister des Innern Grafen Kielmannsegg wegen des angeblich rücksichtslosen Vorgehens der Sicherheitsbehörde bei einer am Freitag in Wien abge⸗ haltenen Wählerversammlung. Die nächste Sitzung des Ab⸗ geordnetenhauses findet heute statt.

In einer am Sonnabend in Graz abgehaltenen und zahlreich besuchten Wählerversammlung des städtischen und Landgemeinde⸗Wahlbezirks wurde eine Resolution ange⸗ ommen, in welcher gegen die geplante Errichtung eines slovenischen Gymnasiums in Cilli Verwahrung eingelegt und die bestimmte Erwartung ausgesprochen wird, daß die vereinigte deutsche Linke in der dritten Lesung gegen das Budget stimmen werde.

Großbritannien und Irland.

Der Prinz von Wales und der Herzog von Genua unternahmen, wie aus Portsmouth gemeldet wird, am Sonnabend Nachmittag eine größere Besichtigung der beider⸗ seitigen Flotten. Am Abend veranstalteten der Bürgermeister und die Munizipalität von Portsmouth zu Ehren des Herzogs von Genua und der italienischen Offiziere ein Bankett, bei welchem der Bürgermeister auf die italienische Königs⸗ familie und den Herzog von Genua einen Toast aus⸗ brachte. Die Macht und Größe Italiens hervorhebend, sprach derselbe die Hoffnung aus, daß die freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Nationen stets fortdauern möchten, und be⸗ tonte, daß die englisch⸗italienische Freundschaft einen ehren⸗ vollen Frieden sichere. Der Herzog von Genua sprach dem Redner seinen Dank aus und gab gleichfalls der Hoffnung Ausdruck, daß die Bande treuer Freundschaft England und Italien stets aneinander knüpfen möchten und daß diese Freundschaft nie durch einen Schatten getrübt werde.

Bis Sonnabend um 12 Uhr Nachts waren 91 Unionisten, 7 Liberale und 4 Parnelliten gewählt. Die Unionisten gewannen 8 Sitze, die Liberalen einen; A. J. Balfour (Unionist) wurde in Manchester⸗East wiedergewählt. In Manchester⸗South siegte der Marquis of Lorne (Unionist) über Sir Henry E. Roscoe (liberal), welcher bisher diesen Wahlkreis vertrat. In Derby wurden die liberalen Kandidaten Sir William Harcourt und Sir T. Roe durch die Unionisten Geoffrey Drage Wund Bemrose geschlagen. Die heute erschienenen unionistischen und konservativen Blätter triumphieren über das Ergebniß der am Sonnabend vollzogenen 25 bestrittenen Wahlen. Aus der Thatsache, daß die Unionisten 8 liberale Sitze gewonnen haben und daß der frühere Schatzkanzler Sir W. Harcourt durchfiel, sagen sie der unionistischen Sache einen glänzenden Sieg über die Liberalen voraus. Die „Daily News“ giebt zu, daß der Beginn der Wahlen unheilvoll für die liberale Partei gewesen sei, welche thatsächlich schon die Hälfte ihrer früheren Majorität im Unterhause ver⸗ loren habe.

Der Erzbischof Walsh von Dublin hat ein Schreiben erlassen, welches gestern in allen römisch⸗katholischen Kirchen Dublins verlesen wurde; dasselbe fordert zu Gebeten dafür auf, daß der Geist der Zwietracht in Irland verbannt werde. Das Schreiben beklagt die Uneinigkeit zwischen einigen der hervor⸗ ragendsten irischen Staatsmänner und sagt: wenn die Fehden nicht bald beendet würden, welche Irland in der ganzen Welt sprichwörtlich machten, werde die einzige Aussicht für das Land das nationale Verderben und Unglück sein .

Frankreich.

1—

Der Senat lehnte es in seiner vorgestrigen Sitzung, ent

gegen dem Ersuchen des Ministers des Innern, ab, in die Berathung über die von der Deputirtenkammer für die Opfer der letzten großen Stürme in Frankreich bewilligten Kredite einzutreten, da die Vorlage zu spät an Senat gelangt sei. In der Deputirtenkammer interpellierte der Deputirte Pourquéry de Boisserin über den Be⸗ schluß des Raths der Ehrenlegion, durch welchen

die Dekorierung Eiffel’'s aufrechterhalten wird. Redner bemerkte, das Land verstehe diesen Beschluß nicht, nachdem Eiffel durch richterliches Urtheil gebrandmarkt worden sei. Minister Trarieux erwiderte, der Beschluß des Raths der Ehrenlegion sei durch die Entscheidung des Kassationsgerichts motiviert, welches das Urtheil der Vorinstanz über Eiffel auf⸗ gehoben habe. Die Regierung könne nicht intervenieren. Der Minister⸗Präsident Ribot erklärte, er werde die Frage der Re⸗ organisation des Raths der Ehrenlegion erwägen. Die Kammer nahm hierauf mit 438 gegen 2 Stimmen eine von Pourquéry de Boisserin beantragte Tagesordnung an, durch welche das Bedauern über den angeführten Beschluß des Raths der Ehrenlegion ausgesprochen und die Regierung er⸗ sucht wird, einen Gesetzentwurf zur Umgestaltung dieses Raths einzubringen. Die Session des Parlaments wurde alsdann ge⸗ schlossen. Das gestrige Nationalfest ist ohne jeglichen Zowischen⸗ fall verlaufen. Am Morgen fanden die alljährlichen Kund⸗ gebungen vor dem Standbild der Stadt statt. In den Straßen herrschte von früh an ein lebhaftes Treiben, Nachmittags fanden in allen Stadttheilen glänzende Festlich⸗ keiten statt. Der Präsident der Republik Faure verließ in Begleitung der Generale Fevrier und Tournier um 21 ½ Uhr

Nachmittags das Elysée, um sich zu der Truppenrevue auf den

Longchamps zu begeben, und wurde auf dem Wege dorthin von der Bevölkerung mit lebhaften Zurufen begrüßt. Bei der Ankunft auf den Longchamps wurde der Präsident von den Truppen unter präsentiertem Gewehr mit Hochrufen auf den Präsidenten und die Republik empfangen. Sämmtliche Mitglieder des diplo⸗ matischen Korps sowie die Minister wohnten der Truppenrevue bei, welche um 4 Uhr 30 Minuten beendet war. Auch auf der Rückkehr nach dem Elysée wurde der Präsident lebhaft begrüßt. Die Tanzlustbarkeiten in den Straßen der Stadt währten die ganze Nacht hindurch.

Nach dem amtlichen Bericht der Zolldirektion über das erste Halbjahr 1895 betrug der Import 1 815 957 000 Fr. (gegen 2 070 146 000 Fr. im gleichen Zeitabschnitte des Vorjahres), der Export 1 620 607 000 Fr.

Rußland.

Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet, fand am Freitag eine Versammlung des „Slavischen Wohlthätig⸗ keitsvereins“ statt, zu welcher auch die bulgarische Depu⸗ tation erschien. Der Vorsitzende, der Gehilfe des Ober⸗ Prokurators des heiligen Synod Sabler, begrüßte den Me⸗ tropoliten Clement und die bulgarischen Gäste mit einer Rede, worin er unter anderem sagte: „Ihr Blick drang in unsere Herzen, welche von derselben Liebe zu Ihnen erfüllt sind, wie früher. Ihre Ankunft in Rußland bezeugt das Erwachen des bulgarischen Volksgeistes und das Erkennen jener nationalen Idee, deren Entwickelung dem uns theuren bulgarischen Volke die Möglichkeit gewährt, den Platz einzunehmen, welcher ihm unter den anderen slavischen Völkern gebührt.“ Der Metropolit Clement dankte, indem er den Gefühlen der Liebe und Anerkennung des bulgarischen Molkos 85 280 Pras 1 282 Volkes für seine Befreier Ausdruck gab. Ferner sprach noch der Präsident der bulgarischen Sobranje Theodor ow. Das Stadthaupt begrüßte die bulgarische Deputation im Namen der Stadt St. Petersburg. Vorgestern folgte die bulgarische Depu⸗ tation einer Einladung des Grafen Golenitschew⸗Kutusow nach dessen Landhaus, wo ein zahlreicher Kreis von Vertretern der russisch⸗slavischen Sache versammelt war.

Der „Nowoje Wremja“ zufolge wird unter Führung Leontjew's eine größere Expedition nach Abessinien ausgerüstet. Unter Anderen wünschen an derselben ein Archäologe, ein Agronom aus Südrußland und ein russischer Kaufmann theilzunehmen.

Italien.

Der Herzog und die Herzogin von Aosta trafen am Sonnabend Mittag in Turin ein. Zum Empfang waren die Prinzessin Laetitia, die Herzogin Isabella von Genua, der Graf von Turin, die Behörden sowie eine große Volksmenge am Bahnhof anwesend. Die Truppen bildeten Spalier bis zum Königlichen Palast. Das Publikum bereitete den Fürst⸗ lichkeiten lebhafte Ovationen.

Im Senat brachte vorgestern Cavaletto eine Inter⸗ pellation an den Minister des Auswärtigen über das Einver⸗ nehmen zwischen Rußland, England und Frankreich hinsichtlich der Auslegung und Durchführung des Art. 6 des Berliner Vertrages ein. Die Debatte über die Interpellation wurde bis zur Berathung des Budgets des Ministeriums des Aeußern vertagt. In der Deputirtenkammer er⸗ klärte der Minister des Auswärtigen Baron Blanc auf die Anfragen der Deputirten Taroni und Imbriani über die Gerüchte, daß der Ingenieur Capucci in Schoa in das Gefängniß geworfen worden sei: Capucci sei ein rühriger italienischer Kausmann in Afrika und in keiner Weise von der italienischen Regierung abhängig. Nach dem Feldzuge am Mareb sei Capucci seiner Handelsgeschäfte wegen im Innern von Schoa geblieben, ohne zu befürchten, daß der ge⸗ dachte Feldzug ihm ein Hinderniß bereiten könne. Das Gerücht von seiner Gefangennahme müsse mit großem Vor⸗ behalt aufgenommen werden. Er ersuche daher die Frage⸗ steller, ruhig weitere Mittheilungen abzuwarten. Man könne nach dem internationalen Recht Vertheidigungsmaßregeln gegen einen rebellischen Schützling nicht als einen Krieg be⸗ zeichnen; es könnten vorübergehende Feindseligkeiten vor⸗ handen sein, aber König Menelik sei kraft der europäischen und italienischen Abmachungen thatsächlich ein Schützling Italiens. Italien habe in Abessinien seine Fahne aufgepflanzt und ziehe sie nicht zurück. Was die Reise des Generals Baratieri nach Italien angehe, so müsse jedermann Befriedi⸗ gung über dieselbe empfinden und sie müsse jede Besorgniß beseitigen. Das Haus setzte sodann die Berathung der finanziellen Maßregeln fort. Gegen Ende der Sitzung als bereits zahlreiche Deputirte den Saal verlassen hatten sollte über das von Pantano und anderen Devputirten zu dem Alkoholgesetz gestellte Amendement abgestimmt werden. Der Minister⸗Präsident Crispi sprach gegen das Amendement und machte aus der Ablehnung desselben eine Vertrauensfrage. Es wurde hierauf zur namentlichen Ab⸗ stimmung geschritten, bei welcher sich die Beschlußunfähigkeit des Hauses herausstellte. Das Ergebniß der Abstimmung stellte einen Sieg der Regierung dar, da 131 Abgeordnete gegen das Amendement, 67 für dasselbe stimmten und 10 De⸗ putirte sich der Abstimmung enthielten. Letztere wird heut wiederholt werden.

(gegen

Der Kardinal Ledochowski empfing am Sonnabend die Glückwünsche zu seinem 50 jährigen Priesterjubiläum. Der Kardinal Mocenni überreichte ihm im Namen des Papstes einen prachtvollen Strauß aus Blumen aus den Gärten des Vatikans, der Kaiser von Oesterreich verlieh ihm das Großkreuz des Stephans⸗Ordens. Außerdem gingen dem Zubilar zahlreiche Depeschen aus allen Gegenden und von hen Missionsanstalten zu.

Gestern Nachmittag zogen in Rom etwa 50 Vereine nach der Porta Pia, wo in Gegenwart des Bürgermeisters und der Behörden der Grundstein für das Denkmal zum Ge⸗ dächtniß an die Befreiung Roms am 20. September 1870 gelegt wurde. Der Bürgermeister hielt eine patriotische Rede, welche lebhafte Beifallsäußerungen hervorrief.

Belgien.

Der König übergab gestern in Lüttich dem Schützen⸗ Bataillon der dortigen Bürgergarde eine neue Fahne. Die Bevölkerung begrüßte den König in begeisterter Weise. Während der Fahrt des Königs und seines Gefolges wurden indessen Rufe „Nieder mit dem Schulgesetz!“ ausgestoßen.

1 Türkei.

Der „Politischen Korrespondenz“ aus Konstantinopel zugegangene Berichte stellen fest, daß, abgesehen von gering⸗ fügigen Verstärkungen des Sicherheitsdienstes an einigen Grenz⸗ punkten, im Juni und Juli keine nennenswerthen Truppenver⸗ schiebungen an der bulgarischen Grenze stattgefunden hätten. Ebenso unbegründet seien die Meldungen von einer angeblichen Ausschiffung neuer Truppentheile in Salonichi; eine solche sei auch nicht beabsichtigt, da genügend starke Streitkräfte vor⸗ handen seien. 5

1 Serbien.

Die mit der Prüfung des Finanz⸗Arrangement beauftragte Kommission der Skupschtina hat die Be⸗ rathung der 20 Artikel beendet. Die Annahme gilt als wahr⸗ scheinlich. Noch vor Mittwoch wird in der Skupschtina über die Vorlage im Ganzen abgestimmt werden. 8

Bulgarien.

. Die „Agence Balcanique“ meldet, daß das Rundschreiben des Ministers des Innern wegen Verfolgung und Zer⸗ streuung aufrührerischer Banden aufs nach⸗ drücklichste durchgeführt werde. Demselben Blatte zufolge sind in Küstendil zwei Offiziere, welche den Dienst verließen, um die Grenze zu überschreiten, dann aber zurückkehrten und um Wiedereintritt in die Armee baten, abschläglich beschieden worden. Desgleichen ließ der Präfekt von Küstendil 20 Bewaffnete, welche den Uebertritt in die Türkei versuchten, festnehmen, entwaffnen und im Innern des Landes unter Polizeiaufsicht stellen. Die Staatsanwalte sind beauftragt, Journale mit aufrührerischen Kundgebungen zu verfolgen.

Schweden und Norwegen.

Prinz Ludwig von Bagyern, Höchstwelcher am Donnerstag in Stockholm eintraf, besichtigte am Freitag und Sonnabend die Sehenswürdigkeiten der Stadt und nahm am Sonnabend an einem Diner bei dem Legationssekretär der deutschen Gesandtschaft von Pilgrim⸗Baltazzi theil. Heute wird der Prinz einen Ausflug nach dem Skokloster machen und morgen an Bord des Schulschiffes „Stein“ nach Wisby ab⸗ reisen.

Amerika.

In Paris ist aus Havanna die Nachricht eingetroffen, die Insurgenten hätten die Eisenbahn zwischen Nuevitas und Puerto Principe sowie die Telegraphen⸗Leitungen zwischen Nuevitas und San Miguel zerstört; auch seien die Bruͤcken von ihnen unpassierbar gemacht worden.

Die „Times“ meldet aus Santiago (Chile), daß die Kabinetskrisis infolge einer Vereinigung aller Richtungen der liberalen Partei beendet sei; die Balmacedisten würden nicht in dem Kabinet vertreten sein, dasselbe aber gleichwohl unterstützen. Ferner meldet die „Times“ aus Santiago, daß die Konversion der Staatspapiere anstandslos vor sich gehe; ein Betrag von 20 Millionen D sei bereits konvertiert. 8 1

Der Khedive ist, wie der „Times“ aus Alexandrien gemeldet wird, heute von dort nach Konstantinopel abgereist.

Parlamentarische Nachrichten.

Nach dem amtlichen Wahlergebniß der Reichstags⸗ Ersatzwahl im Wahlkreise Waldeck⸗Pyrmont erhielten Müller (Antis. und Bund der Landwirthe) 3448 Stimmen, Dr. Böttcher (nl.) 2498 Stimmen, Schücking (fr. Vg.) 1778 Stimmen und Garbe (Soz.) 702 Stimmen; zersplittert waren 36 Stimmen. Es hat somit eine engere Wahl zwischen

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Müller und Dr. Böttcher stattzufinden.

Nr. 28 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 13. Juli, hat folgenden Inhalt: Der Wettbewerb um Ent⸗ würfe für ein Rathhaus in Stuttgart. 17. Ueber Sparschleusen. . Der Festplatz von Holtenau bei Eröffnung des Kaiser⸗Wilhelm⸗ Kanals. Vermischtes: Preisbewerbung um Entwürfe für eine evangelisch⸗lutherische Kirche in Dresden. Ausstellung im Berliner Kunstgewerbe⸗Museum. Abortspülung mit geräuschlos arbeitender Schwimmerhahn. Besuchsziffer der Technischen Hochschule in München.

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Inhalt der Zeitschrift für Bauwesen.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die öffentliche Beschimpfung des Papstes und der satholischen Priester ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 8 Strafsenats, vom 19. Februar 1895, nur dann als Religionsver⸗ ü1 aus § 166 Str.⸗G.⸗B. zu bestrafen, wenn die Aeußerung sich vittelbar auch gegen die römisch⸗katholische Kirche sictet. „Nimmt man auch an, daß die Peußerung des Angeklagten kath geegen den gegenwärtigen Papst und die gegenwäͤrtigen 18 ischen abe, so läßt sich doch der Ansicht nicht enreten, daß die Beschimpfung dieser Personen, im Gegensatze zu knh nstitutionen, nothwendig eine Beschimpfung der römisch⸗ b58 ischen Kirche enthalte. Denn die Religionsgesellschaft n nicht mit Oberhaupte Priestern

oder ihren

identifiziert werden. Auf der anderen Seite läßt sich nicht bezweifeln, daß aus dem sittlichen Verhalten des Hauptes und der Priester einer Religionsgesellschaft Schlüsse auf das Wesen und den Charakter der letzteren gezogen werden können, und daher ein beschimpfender Angriff gegen den Papst und die katholischen Priester eine Beschimpfung der römisch⸗katholischen Kirche enthalten kann. In subjektiver Beziehung erheischt § 166 St.⸗G.⸗B. das Bewußtsein des Thäters von dem beschimpfenden Charakter der Aeußerung und, sofern die Beschimpfung einer Kirchengesellschaft in Frage steht, das Bewußtsein davon, daß die Aeußerung sich gegen die Kirchengesellschaft richte. Danach hätte der erste Richter prüfen müssen, ob nach den Umständen des Falles und nach dem Willen des Angeklagten die Aeußerung sich nicht bloß gegen den Papft und die Priester, sondern mittelbar auch gegen die römisch⸗katholische Kirche richtete.“ (74/95.)

Werden Miethsräume zum Betriebe einer Gast⸗ oder Schankwirthschaft vermiethet und wird, gleichviel ob vor oder nach der Uebernahme der Räume durch den Miether, diesem die Kon⸗ zession zum Betriebe der Gast⸗ oder Schankwirthschaft wegen Un⸗ tauglichkeit der Räume verweigert, so kann, nach einem Urtheil des Reichsgerichts. VI. Zivilsenats, vom 1. April 1895, im Gebiet 8 Preußischen Allgemeinen Landrechts regelmäßig der Mietber vom Mierhsvertrage wieder abgehen; dieses Rücktrittsrecht wird nicht durch eine seitens des Vermiethers sodann vorgenommene bauliche Veränderung der Räume und die ihm demzufolge ertheilte Konzession wieder aufgehoben. A. Feresirh, Sen St. ein Haus in einem Ort der Mark Zrandenburg für 500 zum Betxriebe der Gastwirthschaft. Dem St. wurde indessen, nachdem er bereits die Miethsräume bezogen hatte, die Erlaubniß zum Betriebe der Gast⸗ und Schankwirthschaft auf dem Grundstück verweigert, weil die lichte Höhe der Gasträume nur 2,25 m, und nicht, wie vorgeschrieben, 2,80 m betrug. Hierauf erklärte St. dem M. seinen Rücktritt vom Vertrage, und er bean⸗ tragte klagend, den Vertrag für aufgehoben zu erkläͤren und den Be⸗ klagten zur Rückzahlung des bezahlten Pachtzinses nach Abzug einer vom Kläger bewilligten Entschädigung für den Gebrauch der Wohnung bis zur Klage zu verurtheilen. In der Berufungsinstanz wurde Beklagter nach dem Klageantrage verurtheilt. Die Revision des Beklagten wurde vom Reichsgericht zurückgewiesen. indem es begründend ausführte: ..:Es genügt die festgestellte Thatsache, daß das Grundstück dem Kläger zum Betriebe der Gast⸗ und Schankwirthschaft vermiethet war und dies auch im Vertrage selbst zum Ausdruck gebracht ist, um die Berechtigung des Klägers zum Rücktritt vom Vertrage anzunehmen, nachdem die Konzession zum Betriebe der Gast⸗ und Schankwirth⸗ schaft im Grundstück dem Kläger verweigert worden Um einen Gewährsmangel handelt es sich dabei nicht: K zession ist keine Eigenschaft des vermietheten Grundf aber um den Ausfall einer Bedingung des Vertrags, die i hinlänglich deutlich dadurch ausgedrückt ist, daß der Betrie 9 und Schankwirthschaft darin als der Gebrauch bezeichnet ist, zu welchem das Grundstück vermiethet werde. War der Rücktritt des Klägers vom Vertrage berechtigt, so war damit der Vertrag auf⸗ gehoben, und spätere Aenderungen, durch welche der Beklagte die nach⸗ trägliche Ertheilung der Konzession herbeiführte, ließen den Vertrag nicht wieder aufleben. Eine Fortsetzung des Miethsverhältnisses nach ertheilter Konzession würde sich, wie das Berufungsgericht an einer anderen Stelle mit Recht sagt, als ein neuer Vertrag darstellen. Berechtigt war aber der Rücktritt, da die Bedingung., unter welcher der Vertrag ge⸗ schlossen war, weggefallen war. Die Versagung der Konzession durch den Kreisausschuß, über deren materielle Unanfechtbarkeit kein Streit ist, und die auch nicht angefochten worden ist, war eine vorbehaltlose; sie enthielt nicht die Zusage, daß die Konzession ertheilt werden solle, wenn die Räume die erforderliche Höhe erhielten. Somit war die Bedingung entschieden, und eine später unter geänderten Umständen ertheilte Konzession war einflußlos.“ (17/95.)

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Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Der auf den ein besonderes Gewerbe betreibenden Komman⸗ ditisten entfallende Gewinn aus seiner Betheiligung an der Kommanditgesellschaft kann, nach einer Entscheidung des Ober⸗Verwaltungsgerichts, VI. Senats, 1. Kammer, vom 17. Januar 1895, nur bei der Kommanditgesellschaft, nicht aber bei dem Kommanditisten als Ertrag seines Gewerbebetriebs, zur Ge⸗ werbesteuer herangezogen werden. Die Firma X. u. Co. war als Kommanditist an der Komman sellschaft Y. u. Co. be⸗ theiligt und erzielte aus dieser L2 iligung im Jahre 1892 einen Gewinn von 5000 ieser 2 g wurde bei der Veranlagung der Firma X. u. . zur Gewerbesteuer dem Ertrage ihres eigenen Geschäfts hinzugerechnet, wogegen die Firma vergebens Einspruch und Berufung erbob. Auf ihre Beschwerde wurde der Steuersatz vom O.⸗V.⸗G., dem Antrage der Beschwerde⸗ führerin gemäß, berichtigt. „Der in der Berufungsentscheidung vertretene Grundsatz“, führt das O.⸗V.⸗G. begründend aus, „würde in weitem Umfange Doppelbesteuerungen zur Folge haben. Jeder Gewerbe⸗ treibende, welcher als Mitglied einer offenen Handelsgesellschaft, als Kommanditist u. s. w. an einem anderen gewerblichen Unter⸗ nehmen betheiligt ist, würde neben der auf seinen Antheil an dem Ertrage des letzteren entfallenden Steuer nochmals den gleichen, seinem eigenen Betriebe zufließenden Ertrags⸗ antheil zu versteuern haben. Hierbei wird vorausgesetzt, daß der Ertragsantheil zugleich in beiden Betrieben erzielt ist. Dies ist aber nicht möglich; der Ertrag kann begrifflich stets nur das Ergebniß einer gewerblichen Thätigkeit sein. Wenn z. B. der Er⸗ trag das Ergebniß der gewerblichen Thätigkeit einer Kommandit⸗ gesellschaft ist, so kann der auf einen Kommanditisten entfallende Er⸗ tragsantheil nicht zugleich in dem hiervon verschiedenen, selbständigen Gewerbebetriebe desselben erzielt sein. Die entgegengesetzte Auffassung der Berufungsentscheidung ist mit den Grundsätzen einer rationellen Besteuerung nicht vereinbar“. (VI. G. 36/93.)

Die Bestimmung des Art. 27 Nr. 3 der Ministerial⸗Anweisung zum Einkommensteuergesetz vom 5. August 1891, wonach die Ver⸗ anlagung der nicht physischen Personen, welche neu in die Steuerpflicht eintreten, zur Staats⸗Einkommensteuer erst erfolgen kann, wenn ein das Vorhandensein von Ueberschüssen er⸗ gebender Abschluß vorliegt, und alsdann von dem Beginn des Monats ab geschieht, der auf den Zeitraum folgt, für welchen

ieser Abschluß gemacht ist, findet, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, II. Senats, vom 15. Mai 1895, keine Anwendung auf die Kommunal⸗Einkommen⸗Be⸗ steuerung. „Da die Klägerin (eine Aktiengesellschaft in Köln) am 1. April 1892 im Handelsregister eingetragen war und bereits damals thatsächlich Gewerbe in Köln betrieb, so stand die Stadtgemeinde Köln nach den §§ 1 und 2 des Kommunalabgabengesetzes vom 27. Juli 1885 ihr seitdem hinsichtlich des gesammten Einkommens als steuerberechtigt gegenüber. Mit Rücksicht darauf, daß im vor⸗ liegenden Falle das kommunalsteuerpflichtige und das staatssteuer⸗ pflichtige Einkommen sich decken, greist der § 16 Abs. 3 des Einkommen⸗ steuergesetzes vom 24. Juni 1891 Platz, nach welchem der Kommunal⸗ besteuerung das bei der Staatsbesteuerung ermittelte Einkommen ohne den Abzug der 3 ½ % des Aktienkapitals zu Grunde zu legen ist. Eine Ermittlung des Einkommens hat für das ganze Jahr 1892/93 statt⸗ gefunden, wenn auch nur ein Viertel der Jahressteuer für das etzte Quartal 1892/93 eingezogen worden ist. Das letztere Ver⸗ fahren beruht augenscheinlich auf dem Art. 27 Nr. 3 der Ministerial⸗ anweisung vom 5. August 1891. Diese Vorschrift ist jedoch nicht geeignet und kann auch kaum den Zweck verfolgt haben, den Ge⸗ meinden Steuerrechte zu entziehen, welche denselben nach den oben genannten gesetzlichen Vorschriften in einem Falle, wie der gegen⸗ wärtige ist, zustehen“. (II 784.) 6 1 98 .

Statistik und Volkswirthschaf 5

Die Selbstmorde in Preußen während des Jahres 1893 . (Stat. Korr.) Im Jahre 1893 endeten in Preußen nach amt lichen Feststellungen 6409 Personen, darunter 5135 Männer und 1274 Frauen, ihr Leben durch Selbstmord. Seit dem Jahre 1869 in welchem die Erhebung der Nachrichten über Selbstmord auf be sonderen Zählkarten eingeführt wurde, schwankten die Ziffern der jähr lichen Selbstmordfälle auf 100 000 Lebende zwischen 11 und 22. Da günstigste Verhältniß wurde in den Jahren 1871 und 1873, das un günstigste in den Jahren 1883 und 1886 beobachtet. In den folgenden Jah ren ist die Anzahl der Selbstmorde zwar geringer geworden, in den letzten Jahren aber macht sich eine Steigerung derselben bemerkbar, sodaß auf 100 000 Lebende je 21 Personen in den Jahren 1891, 1892 und 1893 Hand an sich gelegt haben. Augenscheinlich nehmen sich jetzt Männer öfter als früher das Leben. Bei ihnen kamen in der Zeit von 1869 bis 1893 18 bis 36 (in den Jahren 1883 und 1886) Selbstmorde auf 100 000 Lebende männlichen Geschlechts vor; nach dem diese Verhältnißzahl bis auf 30 im Jahre 1888 gesunken war ist sie im Jahre 1893 wieder auf 34 gestiegen. Für die Frauen da gegen beträgt dieselbe Verhältnißzahl nur 4 bis 9, welche Höhe im Jahre 1883 erreicht ist; von 1884 bis 1893 einschließlich verharrt sie auf 8. Unter 1000 Selbstmördern befinden sich fast in jedem Jahre viermal mehr Männer als Frauen.

aZan Pdeiterbewegung 1 Solingen erhält die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“ eine Mit theilung, der zufolge der Ausstand der Federmesser⸗Reider

(pgl. Nr. 70 u. flode. d. Bl.) aufs neue auszubrechen droht. Als die Verhandlungen wegen des Preisverzeichnisses während des letzten Aus⸗ standes beendet waren, wurde von beiden Theilen beschlossen, zur Ver⸗ meidung neuer gegenseitiger Bekämpfung eine Vergleichskammer zu bilden, vor welcher von nun an alle Meinungsverschiedenheiten zum Austrag gebracht werden sollten. Auch diese Verhandlungen versprachen ein gutes Ende, da plöͤtzlich stellten die Reider zu dem § 9 der Vergleichskammer⸗Satzungen einen Zusatzantrag, der von den Fabrikanten abgelehnt wurde, während die Arbeiter erklärten, daß ohne diesen Zusatzantrag die Vergleichskammer für sie un⸗ annehmbar geworden sei. Inzwischen ist nun nichts weiter in dieser Sache geschehen, und als jüngst die Reider beim Fabrikanten⸗ berein den Antrag stellten, es möchte zur Abstellung einiger vor⸗ gekommener Unregelmäßigkeiten (wegen Nichtinnehaltung des Preis⸗ verzeichnisses) eine gemeinschaftliche Sitzung der Vorstände beider Vereine stattfinden, wurden die Reider an die Vergleichskammer gewiesen, die von ihnen nicht anerkannt worden ist, eben wegen der Ablehnung des zu §.9 gestellten Zusatzantrags. Da die Fabrikanten sich aber entschieden weigerten, eine gemeinsame Vorstandssitzung ab⸗ zuhalten, beriefen die Reider eine Generalversammlung ein, die sich mit der Frage zu beschäftigen hatte, ob den Fabrikanten der Ausstand erklärt werden sollte. Wenn diese Versammlung auch noch kein end⸗ gültiges Resultat hatte, so war die Grundtendenz der in der Ver⸗ sammlung gehaltenen Reden eine dem Ausstande durchaus zustimmende, nur will man, wenn irgend möglich, nicht allein, sondern mit den Reidern sollen auch die anderen Zweige der Taschen⸗ und Federmesserindustrie in den Ausstand eintreten. Diese Arbeiter haben nämlich unter sich einen besonderen Verband gegründet, der bei diesems Anlaß zum ersten Mal auf seine Stärke geprüft werden soll. Der Verband wird nunmehr eine Versammlung einberufen, und in derselben wird die Entscheidung fallen, ob der ganze Verband oder ob nur die Reider allein die Ausstandserklärung an die Fabrikanten richten sollen; man glaubt aber, daß der erstere Fall eintreten dürfte.

In Erfurt beschlossen die Schuhmacher, wie der „Vorwärts“ berichtet, ihren Arbeitsnachweis aufzuheben und den städtischen Arbeits⸗ nachweis thunlichst zu unterstützen. 8

3 Aus Kopenhagen meldet „W. T. B.“: Auch in Randers, Veile, Fredericia und mehreren kleineren Städten haben jetzt die Maurer⸗ und Zimmermeister die Aussperrung ihrer Arbeiter bewerkstelligt. Die Zahl der nicht beschäftigten Gesellen wurde am Sonnabend auf 2200 geschätzt. (Vgl. Nr. 165 d. Bl.)

In Budapest fanden, wie „W. T. B.“ meldet, gestern neuer⸗ dings mehrere Arbeiterversammlungen statt, in welchen be⸗ 8.8 sich von den internationalen Sozialisten loszusagen und ungarischen demo he artei anzuschli 3 8 der angari chen demokratischen Partei anzuschließen. (Vergl.

Aus Madrid wird der „Köln. Ztg.“ berichtet: Der Ausstand er Bäcker dauert fort, ist aber bis jetzt nicht allgemein. Die Ver⸗ orgung mit Brot war am Sonnabend ziemlich schwierig. Die Bäckereien werden unausgesetzt bewas Angriffen der Ausstän⸗ digen zu begegnen.

Aus

Kunst und Wissenschaft.

Neber rrichtet der „Bär“: Auf der Baustelle an der Ecke der Fi straß 98 der Fehenzadüaf brücke sind schon vor etlicher Zeit Frere mittelalterliche Küchen⸗ gefäße gefunden worden, z. B. ein Kochtöpfchen mit abgerundetem Bo en, drei kurzen, zapfenförmigen Füßen, um das Stehen zu er⸗ möglichen, und einer in vier Bogen abzetheilten Mündung; ferner eine Flasche aus gebranntem Thon mit zwei von der engen Mündung nach dem Bauch gehenden Henkeln. Auch ein Spinnwirtel aus Stein, zwei Netzsenker aus Thon und ein gothischer Löffel mit sehr kurzem Griff und Verzierung gehören noch dem Mittelalter an. Aus dem 16. Jahrhundert rührt ein, leider etwas abgeschlagener, schöner Bartkrug aus Steingut her, mit Gesichtsmaske zwei kleinen Henkeln als Ohren, vier kleinen Henkeln zum Anhängen von Schaustücken, einem größeren Haupthenkel und Krausen am Fuß; dieses Gefäß kann vielleicht die Stelle der später aufgekommenen Willkommenkrüge vertreten haben, deren Formen in Bezug auf die Abgliederung von Hals, Bauch und Fuß, sowie wegen der Henkelringe zum Anhängen eine gewisse Verwandtschaft mit diesem Bartkruge zeigen. Derselben Zeit scheint der mit glatten und ne förmigen Streifen verzierte Fuß einer venetianischen Glasvase anzugehören. Der große Silberfund, welcher s. Zt. bei der Leistower Mühle im Kreise West⸗Sternberg aufgedeckt wurde, ist jetzt im Märkischen Museum ausgestellt. Er umfaßt gegen 28 Pfund Münzen, Hacksilber und Schmucksachen aus dem 10. bis 11. Jahr⸗ hundert und ist wahrscheinlich von einem Kaufmann bei drohender Gefahr vergraben worden. Der Fundort liegt an der großen alten Handelsstraße vom Kaspischen Meere nach der Ostsee. Außer Gläsern voller Silberpfennige und Schmelzklumpen, Theilen von Schmucksachen, Münzen mit ge⸗ hackten Rändern sieht man auch vollständige Hals⸗ und Armringe sowie Anhänger von reizender Handarbeit aus verschiedenen Ländern. Die Gegenstände beweisen, ein wie reger Handelsverkehr in jenen Jahrhunderten zwischen Asien und Europa herrschte.

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Alt⸗Berliner Fu 8 8

Verdingungen im Auslande.

Niederlande.

24. August, 2 ½ Uhr. Naamlooze Vennootschapdenveen zu Rotterdam, im Poolsche Koffiehuis: Lieferung und Aufstellung eines eisernen Schuppensam Rheinhafen, lang 97 m, breit 22,50 m, nebst dem metallenen Oberbau von 2 Viadukten zur Länge von 97 m und 3 Brücken mit einer Spannung von 25,35 m bezw. 16,83 m. Bedingungen und Zeichnungen sind vom 20. Juli an bei den Architekten T. L. Kanters & Zn, Witte de Withstraat 34, käufli 11“”

1196 Verkehrs⸗Anstalten.

Kiiel, 14. Juli (W. T. B.) Nach amtlicher Bekanntmachung wird der Kaiser Wilhelm⸗Kanal vom 18. d. M. ab für Schiffe is zu 6 m Tiefganz geöffnet.