1895 / 171 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 20 Jul 1895 18:00:01 GMT) scan diff

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Laut telegraphischen Meldungen an das Ober⸗Kommando der Marine ist M. S. „Kaiser, Flaggschiff des Chefs der Kreuzer⸗Division, Kontre⸗Admirals Hoffmann, am 17. Juli in Chefoo angekommen; S. M. S. „Hyäne“, Kommandant Kapitän⸗Lieutenant Bachem, beabsichtigt am 22. Juli Capetown zu verlassen.

Bavern.

Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent hat sich vorgestern früh zum Besuch Ihrer Königlichen Hoheit der E“ von Modena auf etwa zehn Tage nach Schloß ildenwart begeben.

1.““

Oesterreich⸗Ungarn.

Das österreichische Abgeordnetenhaus hat gestern das Budget sowie das Finanzgesetz mit großer Mehrheit angenommen. Bei der chlußberathung über das Finanz⸗ gesetz erklärte Lueger namens der Antisemiten, wegen „ECilli“ und des bevorstehenden Ausgleichs mit Ungarn gegen das Budget u stimmen; wegen „Cilli“ erklärten auch Bareuther, namens ser Deutschnationalen, und Kraus, namens der keinem Klub an⸗ gehörenden steierischen Abgeordneten, gegen das Budget zu stimmen. Graf Khuenburg erklärte, die vereinigte deutsche Linke wahre stets gewissenhaft die nationalen Interessen und werde, der Fosgen unbeschadet, auch weiterhin ihre nationale Pflicht erfüllen; aber die Ablehnung des Budgets in dritter Lesung sei der gegenwärtigen provisorischen Regierung gegenüber etwas

Untergeordnetes und würde die Errichtung slovenischer Parallel⸗

klassen in Cilli nicht verhindern; deshalb würden er und die Mehrzahl seiner Parteigenossen für das Budget stimmen. Am Schluß der Sitzung brachte Lueger den dring⸗ lichen Antrag ein, die Regierung aufzufordern, heute dem Haus⸗ die Gewerbereform⸗Novelle vorzulegen. Hierauf erklärte der Leiter des Handels⸗Ministeriums, Ritter von Wittek, die Regierung habe infolge der Budgetdebatte isher zu dieser Frage nicht Stellung nehmen können. Er werde niemals dem Hause etwas vorschlagen, was nicht mit iner innersten Ueberzeugung übereinstimme, und er erwarte, as Haus werde ihm Zeit lassen, sich diese Ueberzeugung zu bilden. Darauf wurde die Dringlichkeit des Antrags Lueger mit 91 gegen 31 Stimmen abgelehnt. 3 Der Fürst⸗Primas von Ungarn, Kardinal⸗Erzbischof Vas⸗ ary hatte, wie „W. T. B.“ aus Bud apest berichtet, vor inigen Monaten bei der congregatio inquisitionis in Rom ie Erlaubniß erwirkt, daß im katholischen Interesse auch katholische Lehrer die Stellung der Zivilstandes⸗ beamten sollten bekleiden dürfen. Nunmehr hat der Fürst⸗Primas, der seine Organe sowie die Regierung bereits in iesem Sinne instruiert hatte, von dem Kardinal⸗Staatssekretär Kampolla die Mittheilung erhalten, daß der Papst die Ent⸗ cheidung der Kongregation annulliert und deren Ausführ erboten habe. Großbritannien und Irland.

Bis heute früh waren folgende Wahlergebnisse bekannt: 318 Unionisten, 84 Liberale, 6 Parnelliten, 44 Antiparnelliten, 2 Kandidaten der Arbeiter⸗ 8 i. Die Unionisten gewannen 69, die Liberalen 14 Sitze. Unter den Gewählten befindet sich der frühere Sctaatssekretär des Innern Asquith.

Frankreich. 8

Der Praͤsident der Republik Felix Faure wird sich am 25. d. M. nach Havre begeben und dort bis zum 6. Sep⸗ tember verweilen. Während dieser Zeit wird der Ministerrath dort zusammentreten. Um den Ersatzbedarf für Madagaskar rechtzeitig sicherzustellen, hat, dem „Progrès militaire“ zufolge, der Kriegs⸗ Minister angeordnet, daß bei Truppentheilen der Artillerie und des Trains Mannschaften vorgemerkt werden sollen, welche sofort zur Einschiffung bereit sein müssen. In erster Linie werden freiwillig sich Meldende berücksichtigt werden. Wenn sich deren nicht genug finden, so wird kommandiert und dabei auch die im Herbst 1894 eingestellte Altersklasse berücksichtigt. Wie bisher, wird jeder, bevor er in die Listen eingetragen wird, einer genauen ärztlichen Untersuchung seines Gesundheits⸗ zustandes unterworfen. Für die Artillerie soll es sich um etrwoa 30 Mann von einer jeden Brigade handeln; 400 Genie⸗ soldaten sind bereits abgegangen. 8 Zerlegbare von ähnlicher Art, wie sie bei der englischen Artillerie in Indien im Gebrauch sind, werden in Frankreich bei den diesjährigen Uebungen in den Alpen erprobt werden. Es sind zwei derselben in Verwendung ge⸗ nommen: sie zeichnen sich den zur Zeit eingeführten gegenüber durch eine größere Schußweite aus.

Rußland.

UHeber den am 17. d. M. stattgehabten Empfang der bulgarischen Deputation in Peterhof meldet „W. T. B.“ noch Folgendes: Die bulgarische Deputation wurde auf dem baltischen Bahnhof vom Chef der Expedition der zeremoniellen Angelegenheiten des Kaiserlichen Hofes Konjar empfangen, welchre mit der Deputation in einem Salonwagen nach Peterhof abreiste. Von dem dortigen Bahnhof begab sich die Deputation mittels Hofequipagen nach dem großen Palais, wo sie durch den genannten Hofbeamten in den Kronsaal geführt wurde, um dort die Ankunft des Kaisers zu erwarten. Nach kurzer

Zeit erschien der Flügel⸗Adjutant du jour Fürst Woron⸗

lud den Metropoliten Clement demselben eine längere Audienz in seinem Kabinet gewährte. Darauf begab sich der Kaiser in Begleitung des Metropoliten Clement in den Kronsaal, wo letzterer dem Kaiser alle Mitglieder der Deputation vorstellte. Nach dem Empfang wurden diese zum Dejeuner im großen Palais geladen.

Der Archimandrit Nefrem ist zum Chef der russischen geistlichen Mission in Abessinien ernannt worden.

Italien.

8 Der „Don Chisciotte“ von gestern veröffentlicht das an den Staatsanwalt gerichtete Klagebegehren Cavallotti's gegen Crispi auf Grund der von ihm in seiner Veröffent⸗ lichung vom 23. Juni gegen Crispi erhobenen Beschuldigungen.

Der „Agenzia Stefani“ wird aus Jerüsalem von vor⸗ gestern gemeldet: Die dem katholischen Orden angehörenden Abessinier gaben bei dem italienischen Vertreter die Er⸗ klärung ab, daß sie das Protektorat des Königs von Italien über ihre Brüdergemeinde anerkennen.

und

zow⸗Daschkow welcher

zum Kaiser,

Der Königx herichtet, beim zugezogen, doch

CSpanien. öe“ hat sich, wie „W. T. B.“ aus San Sebastian adfahren eine leichte Verletzung an einer Zehe ist der Unfall von keiner Bedeutung.

Türkei.

Der Sekretär der bulgarischen diplomatischen Agentur, Bracalow hat am Mittwoch mit dem Großvezier Said Pascha eine Unterredung über einige geringfügige Vorgänge an der ö Grenze gehabt. Said Pascha stellte die Bestrafung der Schuldigen in Aussicht und erklärte, daß bereits nach Uesküb und Saloniki Zirkularbefehle abgegangen seien, um etwa sich zeigende Baschibozuks von dem Grenzgebiet fernzuhalten.

8 Serbien. 1

In der gestrigen Vor⸗ und Nachmittagssitzung der Skupschtina wurde die Generaldebatte über die Konver⸗ sionsvorlage beendet. Erneute Einreden der liberalen Oppo⸗ sition, daß Rußland durch die Einbeziehung der russischen Anleihe in die Konversion beleidigt werden könne, wurden vom Füi nanz⸗ Minister energisch zurückgewiesen. Es hänge von ußlands gutem Willen ab, ob es hierauf eingehen wolle. Die Opposition sei mit ihren besten Kräften in den Streit gegen eine autonome Monopolverwaltung gezogen, wobei sie von einem angeblichen Finanzvasallenthum gesprochen habe. Es sei besonders bemerkt worden, daß die Krondeputirten und die Beamten die größte Opposition gemacht hätten; dies sei der beste Beweis, daß die Regierung den Abgeordneten volle Freiheit in ihren Entschlüssen gelassen habe. In der Nachmittagssitzung sprachen der Vize⸗ Präsident Bajovic, der Präsident Garaschanin, der Justiz⸗Minister Ninic und der Finanz⸗Minister Popovic. Garaschanin sprach mit großer Wärme, bezeichnete die Konversion als Grundstein einer weiteren gesunden Finanzregelung und erklärte: „Wenn niemand für diese Vorlage stimmen sollte, werde ich allein dafür stimmen und dies als die größte Ehre betrachten, da 8. über⸗ zeugt bin, damit eine heilige Pflicht gegen das Vaterland zu erfüllen“. Dieser Passus, wie auch die ganze Rede, wurde enthusiastisch begrüßt. Der Finanz⸗Minister legte offen die Finanzlage und die bisherige Mißwirthschaft dar und er⸗ klärte mit Entschiedenheit, dies werde und dürfe nicht so fort⸗ ehen. Die Rede des Finanz⸗Ministers machte. großen Ein⸗ 8 Vor der Abstimmung lenkte der Präsident Gara⸗ schanin die Aufmerksamkeit auf die Bestimmung der Geschäfts⸗ ordnung, daß die Abstimmung durch Aufstehen und Sitzen⸗ bleiben oder namentlich erfolgen könne, letzteres auf besonderen Antrag mit Zustimmung der Regierung. Da die Vorlage von hervorragender Wichtigkeit sei, so beantrage er selbst nament⸗ liche Abstimmung. Die Regierung stimmte dem Antrage zu. Die Abstimmung ergab 164 Stimmen für, 54 Stimmen gegen die Vorlage. Zwei Abgeordnete enthielten sich der Abstim⸗ mung, 19 waren abwesend. Die Abgabe der Stimmen wurde nicht von der Parteileitung beeinflußt. Heute folgt die Spezialdebatte.

Bulgarien. Unter den Beileidsbezeugungen, die der Gemahlin Stambulow's zugingen, befindet sich, wie „W. T. B.“ berichtet, auch eine solche von dem Kaiser Franz Joseph und der italie⸗ nischen Regierung. Im Auftrage des Prinzen Ferdi⸗ nand begab sich gestern Nachmittag der Adjutant des Prinzen, Oberst⸗Lieutenant Markow, in das Haus Stambulow's, um einen vom Prinzen gespendeten prachtvollen Kranz der Schwester Stambulow's Frau Mutkurow zu über⸗ reichen. Letztere verweigerte die Annahme des Kranzes im Namen der Wittwe Stambulow's mit der Erklärung: Stambulow habe sterbend auch den Prinzen Ferdinand für seinen Tod verantwortlich gemacht. Markow nahm hierauf den Kranz wieder mit sich. Die Scene erregte ungeheures Aufsehen. Wie verlautet, sind ein Kranz des Königs von Serbien und einer von der serbischen Regierung unterwegs.

Die „Agence Balcanique“ meldet: Infolge der wieder⸗ holten, überaus beleidigenden Haltung und schroffen Feind⸗ seligkett welche die Familie Stambulow's den Abgesandten des Prinzen gegenüber erwies, und welche dadurch ihren Gipfelpunkt erreichte, daß die im Namen des Prinzen über⸗ brachte Kranzspende in schroffer Weise zurückgewiesen wurde, hat der Prinz Ferdinand folgendes Telegramm an den Hof⸗Marschall in Sosia gerichtet: „Angesichts der unqualifizierbaren Haltung der Familie Stambulow's gegen⸗ über meinen loyalen, ehrfurchtsvollen Schritten, und da ich nicht länger gesonnen bin, meine getreuen Diener Beleidi⸗ gungen und Injurien auszusetzen, sehe ich mich gezwungen, Ihnen und den Mitgliedern des Zivil⸗ und Militär⸗ staats jede Betheiligung an der Leichenfeier Stambulow's zu untersagen.“

Die Polizei hat, dem „W. T. B.“ zufolge, die drei Mörder Stambulow's entdeckt. Einer ist bereits ver⸗ haftet und zwar derjenige, welcher den Revolverschuß abgab und in den Wagen Stambulow's flüchtete. Sein Name ist Georgiew. Derselbe hatte vor kurzem einen Brief an Stam⸗ bulow geschrieben, worin er diesem seine bevorstehende Ermor⸗ dung ankündigte. Außerdem sind zwei seiner beiden Helfers⸗ v verhaftet. Es scheint, daß die Mörder Panitza rächen wollten. 8

Amerika. Aus Paris wird gemeldet: nach brieflichen Nachrichten, die aus Madrid in San Sebastian eingegangen seien, glaube man annehmen zu dürfen, daß die bisher veröffent⸗ lichten Berichte über den Kampf bei Bayamo 9. Cuba nicht den Thatsachen entsprächen. Man glaube viel⸗ mehr, daß die Regierungstruppen in diesem Kampfe von den Aufständischen geschlagen worden seien, und daß der General Santocildes gefallen sei, als er, um den Marschall Martinez Campos, dessen Eskorte umzingelt gewesen sei, zu retten, sich den Aufständischen freiwillig entgegengeworfen habe. Dem „Temps“ wird aus Madrid gemeldet, dort eingetroffene amtliche Tele⸗ gramme bestätigten diese Mittheilungen. Danach sei der Marschall Martinez Campos mit 200 Mann Kavallerie und einem Bataillon unter dem Befehl des Generals Santocildes auf dem Marsch nach Bayamo gewesen, als er in einem bergigen und bewaldeten Gelände von mehreren Tausenden Aufständischer angegriffen worden sei. Der General Santocildes habe den Ernst der Lage erfaßt und durch einen wiederholten Angriff den Rückzug der Kolonne gedeckt, welcher in guter Ordnung in der Richtung gegen Bayamo ei. Dabei habe der General Suntocildes den Tod gefunden. Der Marschall Martinez Campos habe de Rückzug mit kühner

Unerschrockenheit geleitet, um auch die Verwundeten mit fort⸗ zubringen. 8

Eine amtliche, in Madrid eingetroffene Depesche aus Havanna meldet, daß für vorgestern die Landung des Generals Navarro mit 2000 Mann und zwei Geschützen bei Manzanillo erwartet worden sei. Von dort werde General Navarro nach Bayamo weitergehen, woselbst sich der Marschall Martinez Campos gegenwärtig befinde.

Die spanische Regierung wird dem „W. T. B.“ zufolge noch vor Ende dieses Monats sechs Batterien und im Sep⸗ tember 30 000 Mann Verstärkungen nach Cuba senden.

Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Lima von gestern gemeldet: Eine Volksmenge habe am Donnerstag Abend in La Paz (Bolivien) das Gebäude der peruanischen Ge⸗ sandtschaft angegriffen; man habe Steine nach dem Wappen⸗

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schilde geworfen, dasselbe herabgerissen und davongeschleppt. Afrika.

Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus Brüssel gemeldet, daß verschiedenen Nachrichten zufolge im Bezirk des Aruvimi ernste Unruhen der Eingeborenen gegen die Beamten des Congostaats ausgebrochen seien; Lieutenant Bock sei zur Niederwerfung des Ausstandes abgesandt worden.

Nr. 37 des „Eisenbahn⸗Verordnungs⸗Blatts“, heraus⸗ egeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 18. Juli, 28 folgenden Inhalt: Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 10. Juli 1895, betreffend Besoldungsdienstalter der Werkführer; vom 12. Juli 1895, betreffend Ermittelung des Verkehrs auf Straßen⸗ übergängen in Schienenhöhe; vom 12. Juli 1895, betreffend Be⸗ kanntmachung von Betriebsstorungen; vom 13. Juli 1895, betreffend Tarifierung von Kabeln zur überseeischen Ausfuhr nach⸗ außerdeutschen Ländern; vom 16. Juli 1895, betreffend Umtausch von Werthpapieren, die als Kautionen niedergelegt sind; vom 17. Juli 1895, betreffend Fahrpreisermäßigungen für Veteranen von 1870/71 und ehemalige An⸗ gehörige deutscher Truppentheile. Nachrichten.

Nr. 29 des „Zentralblatts der Baupverwaltung“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 20. Juli, hat folgenden Inhalt: Rund⸗Erlaß vom 4. Juli 1895, betreffend die Versuche mit russischem Petroleum. Rund⸗ Erlaß vom 7. Juli 1895, betreffend die Nachweise über die finanzielle Lage bei Staatsbauten. Dienst. Nachrichten. Nichtamtliches: Der Festplatz von Holtenau bei Eröffnung des Kaiser Wilhelm⸗Kanals. (Schluß.) Zur Betongründung der Schleuse am Mühlendamm in Berlin. Vermischtes: Preisbewerbung um Entwürfe für die St. Jacobikirche in Dresden. Wettbewerb um den Entwurf zu einem Rathhaus in Jauer i. Schl. Preisausschreiben für einen Saalbau in Bayreuth. Gedächtnißkapelle für König Ludwig II. von Bayern. Besuch der Technischen Hochschule in Berlin im Sommer 1895. Eine Lücke in den Stellwerksanlagen. Plan einer Ueberbrückung des Hudson bei New⸗York.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Das Feilhalten und der Verkauf des Fleisches von einer in krankem Zustande geschlachteten Kuh als Nahrungsmittel für Menschen unter Kenntnißgabe dieses Thatumstands an die Käufer ist, nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, 1IV. Strafsenats, vom 5. Februar 1895, nicht ohne weiteres strafbar. L. hatte das Fleisch von einer in krankem Zustande geschlachteten Kuh als Nahrungsmittel für Menschen verkauft und dabei den Käufern von diesem Thatumstande Mittheilung gemacht. Die Strafkammer erblickte hierin zwar nicht eine Zuwiderhandlung gegen das Gesetz über den Verkehr mit Nahrungsmitteln vom 14. Mat 1879, weil weder der Genuß des Fleisches gesundheitsschädlich war, noch der Angeklagte den Käufern die Thatsache, daß das Fleisch von einer kranken Kuh herrührte, verschwiegen hatte. Dagegen wurde der An⸗ geklagte einer Uebertretung des § 367 Nr. 7 Str.⸗G.⸗B. schuldig befunden, weil das zum Verkauf gebrachte Fleisch p erdorben ge⸗ wesen sei. Die von dem Angeklagten eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht für begründet erachtet, indem es ausführte: „Als ver⸗ dorben im Sinne des einen und des anderen der oben angezogenen Gefetze 10 des Nahrungsmittelgesetzes und § 367 Nr. 7 des Str.⸗G.⸗B.) gelten Nahrungsmittel, die entweder nach ihrer fertigen 8 stellung oder bereits in ihrem Entwicklungsstadium nachtheilige Ver⸗ änderungen erlitten haben, durch welche ihre Tauglichkeit und Ver⸗ werthbarkeit entweder ganz aufgehoben oder im Vergleich zu dem normalen Zustand gemindert worden ist. Allein insoweit das Ver⸗ dorbensein einer zum Verkauf gebrachten Waare nur aus der Ab⸗ weichung von dem Normalen hergeleitet werden soll, muß der ver⸗ muthliche Wille der den Verkauf schließenden Personen, die Erwartung, welche nach den Umständen des Falls der Käufer hinsichtlich der Beschaffenheit der Waare hegen durfte, für die Bestimmung des Nor⸗ malen als maßgebend angesehen werden. Da nun nach den hier ge⸗ troffenen Feststellungen das von dem Angeklagten verkaufte Fleisch zum Genusse für Menschen nicht überhaupt untauglich war, eine Abweichung von dem normalen Zustand nur in so fern vorlag, als das Fleisch weniger haltbar war und die Käufer von dem Thatumstande, in welchem die Minderung der Haltbarkeit ihren Grund hatte, in Kenntniß gesetzt worden waren, eine bessere Beschaffenheit der ge⸗ kauften Waare also nicht erwarten konnten, so fehlt es an der nolh⸗ wendigen Voraussetzung für die Annahme des Verdorbenseins.“ (4636/94.)

Der Preußische Immobilienkaufstempel ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Zivilsenats, vom 27. Mai 1895, bei dem Einwerfen eines Grundstücks seitens eines Handelsgesellschafters in das Vermögen der Handelsgesell⸗ schaft in so weit verwirkt, als der festgesetzte Werth, zu welchem das Grundstück in das Gesellschaftsvermögen eingeworfen wird, den vereinbarten Betrag der Gesellschaftseinlage des inferierenden Gesellschafters übersteigt. . Das Reichsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß die bei der Gründung einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien getroffene Vereinbarung, nach welcher der festgesetzte Werth der von einem mitgründenden Aktionär einzuwerfenden Sachen nur theilweise durch Uebernahme von Aktien gedeckt, in Höhe des überschießenden Betrages aber seitens der Gesellschaft durch eine Baarzahlung oder durch die Uebernahme von Schulden ausgeglichen wird, in so weit als Kaufvertrag zu versteuern sei, wie eine Vergütung der letzteren Art ausbedungen worden ist. Diesen Entscheidungen liegt der Gedanke zu Grunde, daß in solchen Fällen, wo vertragsmäßig festgesetzt wurde, daß die Gesellschaft für einen ihr überlassenen Vermögensgegenstand dem einbringenden Socius außer den sich für ihn aus seiner Betheiligung am Gesellschafts⸗ unternehmen ergebenden gesellschaftlichen Rechten noch eine anderweite Vergütung zu gewähren habe, ein besonderes, vom Gesellschaftsvertrag verschiedenes Rechtsgeschäft vorliegt, welches zwischen dem inferierenden Socius und der in Bildung begriffenen Gesellschaft abgeschlossen worden ist und daher einer besonderen Versteuerung in so weit unter⸗ liegen muß, als es über den Rahmen des Gesellschaftsvertrags hinaus⸗

eht. Dieser leitende Gesichtspunkt trifft in gleicher Weise auch bei Verrrägen zu, welche über die Errichtung von offenen Handels⸗ gesellschaften oder von einfachen Kommanditgesell⸗ schaften abgeschlossen worden, sodaß auch hier ein Immobiliarkauf⸗ stempel in so weit verwirkt sein kann, als der festgesetzte Werth, zu⸗ welchem ein Grundstück in das Gesellschaftevermögen eingeworfen wird, den vereinbarten Betrag der Gesellschaftsei en⸗

3 8 inlage des inferier den Gesellschafters übersteigt.“ (8./95.) B

nnterliegen ohne

Rheinland

Staats⸗Ministeriums, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher, der

gebung die deutschen Heere

8 Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Nach § 2b des Frntgmmegfteneresebe⸗ vom 24. Juni 1891

Rücksicht auf taatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt der Einkommensteuer alle Personen mit dem Einkommen aus preußischem Grundbesitz. Diese Be⸗ stimmung umfaßt, nach einer Entscheidung des Ober⸗Verwaltungs⸗ gerichts, V. Senats, 1. Kammer, vom 18. Dezember 1894, auch im Falle der 18 Knng. preußischer Grundstücke das Einkommen des Pächters. Eine in Oesterreich domilizierte Aktiengesellschaft, welche in Preußen belegene Grundstücke gexachtet hat, ist mit ihrem Einkommen aus den Pachtgrundstücken zur Einkommensteuer veranlagt worden. Ihre Beschwerde beim Ober⸗Verwaltungsgericht hatte keinen Erfolg. „Die Frage“, führt das O.⸗V.⸗G. aus, „ob das Einkommen des Pächters aus der Pachtung eines in Preußen belegenen Grund⸗ stücks steuerlich als „aus dem Grundstück“ bezogenes Einkommen zu behandeln ist, ist zu bejahen. In § 7 Nr. 2 des Einkommensteuer⸗

zum Grundvermögen gerechnet.

pächters und dasjenige des Pächters. allerdings auch

staat belegenen Grundstücks gewonnene Einkommen

staat belegenen Grundstück bezogen wird.“ (V. A. 2065/94.)

gesetzes werden bei Aufzählung der Einkommensquellen Pachtungen Aus dem Umstand, daß der Fassung nach Pachtungen neben dem Grundvermögen genannt sind, das Ge⸗ gentheil zu schließen, wäre ebenso irrig, als wenn man aus diesem Grunde dem durch den Miethswerth der Wohnung im eigenen Hause dargestellten Einkommen die Natur des Einkommens aus Grundver⸗ mögen absprechen wollte. Jene Nebeneinanderstellung hat nur dekla⸗ ratorische Bedeutung, was § 13 a. a. O. völlig außer Zweifel stellt. Hiernach entstehen im Falle der Verpachtung eines in Preußen be⸗ legenen Grundstücks nach der Vorschrift des Einkommensteuergesetzes zwei Einkommen aus diesem Grundstück: dasjenige des Ver⸗ Auf der anderen Seite wird das aus der Pachtung eines in einem anderen Bundes⸗ 1 r gemäß § 6 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in Preußen steuerfrei bleiben müssen eben deshalb, weil dieses Einkommen aus einem in einem anderen Bundes⸗

Statistik und Volkswirthschaft.

Anbau von Zuckerrüben für die Zuckerfabriken des Deutschen Reichs. Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistischen Amt.

Die Angaben für die nachstehende Zusammenstellung sind zufolge Bundesr Betxriebsleiter der Rübenzucker⸗Fabriken geliefert worden. Kampagne 1895/96 Rüben zu verarbeiten beabsichtigen, für 1894 auf diejenigen, welche in der Kampagne 1894/95 im Betriebe waren.

Für 1895 beziehen sich die Angaben auf die Fabriken, die in der

aths⸗Beschlusses vom 14. Juni 1895 durch die Inhaber oder

Für diese Fabriken sind bepflanzt worden

Zahl der Zuckerfabriken mit Rüben⸗ verarbeitung

mit Rüben, von den iv⸗Bezirke.

1“

Fabriken selbst auf eigenen oder gepachteten Feldern angebaut si⸗

(Eigenrüben)

1895 1894

die mit Rüben, die von den Aktionären ver⸗ tragsmäßig zu ind liefern sind (Aktienrüben)

189059 1894

mit anderen Rüben (Kauf⸗ und Ueber⸗ rüben)

1805 1894 1895 1894

Anbauflächen in ha

mit Rüben überhaupt

1895 1894

Ostpreußen J1“ v;öö1ö1ö1ö1ö1ö11ö“— 8 Brandenburg 13 14 1 958 ͤ111116“ 19 98 201 ee.““ 11 5 Schlesien. ““ Sachsen. 1“ 25 776 Schleswig⸗Holsteien.. . 3 301 Hannover. 44 44 1 093 Westfalen 10

Hessen⸗Nassau 344

800 1 900 5 972 20 309 1 945 1 600 9 908 7 198 6 836 7 295 9 755 9 414 31 059 31 954 3 400 3 829 37 084 46 512 37 076 37 932 33 131 56 290 1 160 18 910 16 379 3 437 1 383 2 380 1 291 1 740 12 443

1 625 16 181 8 147 5 890

725 6 165

2 350 22 354 12 050 13 289 40 819 48 842 95 983

1 483 36 153

4 821

3 301 14 524

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Summe Preußen 38 054 Bayern

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93 140 165 773

1 630 2573 2 642 1911 1 446 5 735 1 756 12 006 7 807

295 969

1 630 5 299 3 501 1 732 3 738 16 551 3 985 23 288 18 481

2 292 10 808 1 655 11 153 3 671

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Zur Arbeiterbewegung.

Aus Oberschlesien berichtet der „Oberschl. Anz.“ unter dem 17. Juli: Die Arbeiter des Walzwerks der Bailkonhütte bei Kattowitz baben beim Schichtwechsel gestern die Arbeit nicht auf⸗ genommen. Die Walzer sammelten sich vor dem Geschäftsraum, begaben sich abtheilungsweise zum Inspektor und forderten Lohn⸗ erhöhung. Auf freundliches Zureden des Inspektors gingen die Leute einstweilen nach Hause und wollen jetzt beim Direktor in gleichem Sinne vorstellig werden. Aus Laband wird gemeldet, daß die letzte Löhnung sehr schlecht ausgefallen sei; viele Arbeiter kündigten den Ausstand an und feiern. Es kam zu Arbeitseinstellungen und auch zu Arbeiterentlassungen.

In Königsberg i. Pr. ist einer Mittheilung des „Vorwärts⸗ zufolge der Ausstand der Klempner (vpgl. Nr. 148 d. Bl.) durch Vermittlung des Einigungsamts beigelegt worden.

Hier in Berlin haben nach demselben Blatt in der cirurgischen Branche die Arbeiter der Firma Dewitt u. Herz wegen Lohnstreits die Arbeit eingestellt. In der Buch⸗ druckerei von G. Schenk legten die Setzer und Drucker gleich⸗ falls wegen eines Lohnstreits die Arbeit nieder.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesaämtern in der Woche vom 7. Juli bis inkl. 13. Juli cr. zur Anmeldung gekommen: 904 Lebendgeborene, 262 Eheschließungen, 34 Todtgeborene, 9. Sterbefälle.

Die hiesige Königliche Friedrich⸗Wilhelms⸗ Universität hatte gestern zur Erinnerung an den durch die französische Kriegserklärung vor 25 Jahren eröffneten großen und glorreichen Krieg von 1870,71. in dem von dem Regierungs⸗Baumeister Schönfelder ge⸗ schmackvoll hergerichteten Saale der Sing⸗Akademie eine Feier veranstaltet, zu welcher der Vize⸗Präsident des

Kunst und Wissenschaft.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse, der General der Infanterie von Keßler, der Unter⸗Staatssekretär D. Dr. von Weyrauch, die Geheimen Ober-⸗Regierungs⸗Räthe Dr. Althoff, Dr. Naumann, Spinola und viele andere hervor⸗ ragende Persönlichkeiten erschienen waren.

Die Feier wurde durch Gesang der akademischen Lieder⸗ tafel und des akademischen Gesangvereins unter Leitung des Schaerf eröffnet. Hierauf hielt der Geheime Regierungs⸗

ath, Professor Dr. von Treitschke die Festrede. Der e zeigte, daß vornehmlich die sittlichen Kräfte der Treue, es Vertrauens, der Eintracht, der unverbrüchlichen Hin⸗ d von Sieg zu Sieg geführt 1 und schilderte den König und die Feld⸗ densa, welche diese Gesinnung zu erwecken ver⸗ Er wies nach, daß die Verfassung des Deutschen säkichs allen Parteien fätharsr Zeiten Versöhnung und Be⸗ feiedigung brachte. Schließlich mahnte Redner die jungen trotz allem Gezänk des Tages an diesem köst⸗ 5 Vermächtniß einer glorreichen Zeit treu festzuhalten und, n 8 Kaiser riefe, den alten Berliner Studenten nicht nach⸗

9 ehen, deren theure Namen auf dem Marmor in der Aula

wahrt würden. Mit einem von dem Redner ausgebrachten

hätten,

202 685

265 230 374 174 440 467

. Im Anschluß an dieselbe trug der Chor das Körner'sche Lied „Vater, ich rufe Dich!“ vor. Mit dem von der ganzen Ver⸗ sammlung gesungenen Choral: „Lobe den Herren“ u. s. w. schloß die Feier. 8

Gesstern Abend ist der Gesanglehrer an der Akademischen Hochschule für Musik, Professor Gustav Engel hierselbst agen Sn0 Der Verstorbene ist als trefflicher Musikkritiker in weiteren Kreisen be⸗ kannt geworden, hat sich aber auch durch verdienstliche wissenschaft⸗ liche, physiologische und philosophische Arbeiten Anerkennung er⸗ worben. Sein bedeutendstes Werk dürfte die „Aesthetik der Ton⸗ kunst“ sein, in der er das ganze große Gebiet seiner Kunst geistig und technisch dargestellt hat; ferner ist sein „Entwurf einer ontologischen Begründung des Seinsollenden“ zu nennen. Zahlreiche kleine Auf⸗ sätze Engel's sind in Fachzeitschriften erschienen. Von seinen Schülern, die ihn hoch verehrten, haben sich viele, unterstützt durch seine Methode, mit Erfolg der Bühnenlaufbahn gewidmet.

Bauten. J1“

Der Entwurf zum Bau eines Rathhauses in Jaueri. Schl. soll, dem „Zentr.⸗Bl. d. Bauv.“ zufolge, auf dem 88Ze der hsedr bewerbung gewonnen werden. Das alte Rathhaus hat einen Brandschaden erlitten und wird abgebrochen; der unversehrt gebliebene Rathhausthurm soll erhalten bleiben. Die Preise betragen bei einer Bausumme von 130 000 1000, 750 und 500 ℳ; weitere 500 sind zum Ankauf von Entwürfen bereit gestellt. Preisrichter sind neben dem Bürgermeister und Stadtverordneten⸗ Vorsteher die Herren Regierungs⸗ und Baurath Hoßfeld in Berlin, Provinzial⸗Konserrator Lutsch in Breslau und Stadt⸗Baurath Plüdde⸗ mann ebendaselbst. Die Entwürfe sind zum 20. September d. J. einzureichen, die Unterlagen des Wettbewerbs unentgeltlich vom Ma⸗ gistrat zu beziehen.

Ein Preisausschreiben für einen Saalbau (Ball⸗ und Konzerthaus) in Bayreuth erläßt, wie das „Zentr.⸗Bl. der Bauv.“ berichtet, der dortige Stadtmagistrat. Die drei Preise betragen 1500 ℳ, 1000 und 500 Einreichungstag ist der 1. Dezember d. J. Programm und Bedingungen sind unentgeltlich vom Magistrat

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Verbesserung des ländlichen Realkredits.

Als Fortsetzung der früheren Verhandlungen über die Ver⸗ besserung des ländlichen Realkredits hat am 17. d. M. eine allgemeine Besprechung mit Vertretern der mittleren Provinzen (Schleswig⸗ Holstein, Hannover, Hessen⸗Nassau) unter Leitung des Ministers für Landwirthschaft ꝛc. stattgefunden, an der sich auch der Finanz⸗ Minister sowie ein Vertreter des Ministers des Innern betheiligten. Aus den Verhandlungen ist Folgendes hervorzuheben: In Schleswig⸗ Holstein findet der Realkredit vorzugsweise durch die Sparkassen seine Befriedigung. Der seit 1882 bestehende landschaftliche Kreditverband zu Kiel hat verhältnißmäßig wenig Erfolge erzielt; die im vorigen Monat Allerhöchst bestätigte, an die Zentral⸗Landschaft angeschlossene „Schleswig⸗Holstein’sche Landschaft“ ist aus ritterschaft⸗ lichem Korporationsvermögen dotiert und daher nur für die Groß⸗ grundbesitzungen bestimmt. Der Hypothekenzinsfuß der dortigen Sparkassen, im allgemeinen 4 %, ist für die jetzigen Ver⸗ hältnisse zu hoch, auch können die Sparkassen keinen unkünd⸗ baren Kredit gewähren. Die Umwandlung dieser Hypotheken in Landschaftshypotheken entspricht daher dem Interesse des Grund⸗ besitzes und wird namentlich durch eine Lokalisierung der Einrich⸗ tungen des Kieler Landschaftsverbandes (Anstellung von Agenten

och auf Kaiser und Reich, in das die Versammlung mit großer Begeisterung einstimmte, schloß die Rede.

u. s. w.) zu fördern sein. In den beiden anderen Provinzen liegt

I die Pflege des Realkredits wesentlich in den Händen der provinziellen

(kommunalständischen) Kreditanstalten in Hannover, Cassel und Wies⸗ baden. In der Provinz Hannover konkurrieren damit die seit alter Zeit bestehenden ritterschaftlichen Institute, die sämmtlich ihre Beleihungen auch auf den mittleren Besitz ausdehnen. Die zur Lokalisierung und leichten Zugänglichmachung des Kredits jener Provinzial⸗Institute ge⸗ troffenen Einrichtungen sind in hohem Maße zweckdienlich, am voll⸗ kommensten im vormaligen Perzogthum Nassau, und gewähren werth⸗ volle Fingerzeige für die Verbesserung der Kreditorganisation im Osten der Monarchie. Auch das Verfahren zur Werthsermittelung der mittleren und kleineren Besitzungen ist einfach und führt infolge dessen auch billig und rasch zum Ziele. Dagegen ergab sich, daß der Zinsfuß der von den kommunalständischen Kassen in Cassel und Wies⸗ baden ausgegebenen Hypotheken noch zu hoch ist und den jetzigen Geld⸗ marktverhältnissen sowie dem Zinsfuß der Landschaftshypotheken durch⸗ aus nicht entspricht. Es scheint, als ob das Bestreben obwaltet, den Betrieb des Kreditgeschäfts zu einer Einnahmequelle für die be⸗ treffenden Kommunalverbände zu gestalten. Da dieselbe Wahrnehmung auch anderwärts gemacht ist, so haben bereits im Februar d. J. die Ressort⸗Minister die Aufmerksamkeit der Ober⸗Präsidenten auf diesen Punkt gelenkt und angeordnet, daß fortan bei jedem Antrag auf Gewährung des Privilegiums zur Ausgabe von Inhaberpapieren für Provinzial⸗Hilfskassen und ähnliche Zwecke ein⸗ gehend die Frage zu erörtern ist, ob der Zinsfuß der von dem be⸗ treffenden Verband gewährten Darlehen mit dem Zinsen⸗ und Kurs⸗ stand der vom Verband ussegebeng Obligationen in angemessenem Verhältniß steht. Aus der obigen Verhandlung ging hervor, daß die Staatsregierung den gleichen Standpunkt auch gegenüber den kommunalständischen Kassen in Cassel und Wiesbaden mit Nachdruck vertreten wird, da es unter den heutigen landwirthschaft⸗ lichen Verhältnissen eine unerläßliche Aufgabe der betreffenden Ver⸗ bände ist, dem Grundbesitz den Kredit so billig zu gewähren, als es die Geldmarktverhältnisse ermöglichen. Die anwesenden Vertreter der Anstalten erkannten übrigens die Berechtigung dieser Forderung durch⸗ aus an; eine entsprechende E.— betreffenden kommunal⸗ ständischen Organe und Körperschaften soll von Aufsichtswegen herbei⸗ geführt werden. Nach Maßgabe der in dieser und der früheren Verhandlung festgestellten Gesichtspunkte wird nunmehr auch in den mittleren und westlichen Provinzen durch die Ober⸗Präsidenten eine spezielle Erörterung der zur Verbesserung der Realkreditverhältnisse erforderlichen Maßnahmen herbeigeführt und die unmittelbare Durch⸗ führung dieser Maßnahmen vorbereitet werden.

Ernteaussichten in Bulgarien. Die Witterung ist den Saaten andauernd günstig gewesen, soda nunmehr mit Sicherheit auf eine gute Mittelernte in Weizen, h.s Hafer und Gerste gerechnet wird. Der Mais soll gleichfalls sehr

günstig stehen. 8

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

8 Nach der im Kaiserlichen Gesundheitsamt bearbeiteten Statistik über die Verbreitung von Thierseuchen im Deutschen Reich während des 1. Vierteljahrs 1895 hat die Maul⸗ und Klauen⸗ 1S. an räumlicher Ausbreitung gewonnen, dagegen ist die Zahl er neu betroffenen Gehöfte etwas geringer als im 4. Vierteljahr 1894. Neue Ausbrüche wurden gemeldet aus: 17 Staaten gegen 17 im 4. Vierteljahr 1894, 63 Regierungs⸗ ꝛc. Bezirken gegen 61 im 4. Vierteljahr 1894, 1298 Gemeinden ꝛc. 1026 8 ie größte Verbreitung erlangte die Seuche in Württeinberg. Stark betroffen waren ferner die Regierungs⸗ ꝛc. h.Sosaits genc daci Merese ang, eheherne Pfalg, eeltsih Unterfranken, - bSruhe, Mannheim, srncbch g lim, Starkenburg, Rheinhessen und .* Schlusse des ersten Vierteljahrs 1895 herrschte die Seuche 15 Staaten gegen 13 bei Beginn, 57 Regierungs⸗ ꝛc. Bezirken gegen 42 bei Beginn 234 Kreisen ꝛc. 142 .562 Gemeinden ꝛc. „1 1128 Sabsften. sonach 1025 g ie Seuche hatte sonach am Schlusse 2 Staaten, 15 Regi ꝛc. Bezirke, 92 Kreise ꝛc., 240 Gemeinden ꝛc. und 105 Chebeöste ungsr⸗ ergriffen als bei Beginn des 1. Vierteljahrs 1895. Verhältnißmäßig am stärksten betroffen blieben die Pfalz, der Neckar⸗, Schwarzwald⸗ Jagst⸗ und Donaukreis, die Landeskommissariats⸗Bezirke Freiburg⸗ Karlsruhe und Mannheim, die Provinz Rheinhessen, das Fürsten⸗ thum Birkenfeld und das Unter⸗Elsaß; am schwächsten dagegen die öö Königsberg, Köslin, Posen, Breslau, Liegnitz r

3 8 Handel und Gewerbe.

Täg che Wagengestellung für Kohlen und Koks r hesh 891 und in Oberschlesien. n der Ruhr sind am 19. d. M. g 1 3 2 els 188 8 VSne. M. gestellt 11 444, nicht rechtzeitig n erschlesien sind am 18. d. M. gestellt 3985, ni . jeitig gestellt keine Wagen. gef 5, nicht recht

Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Zinkmarkt be⸗ richtet die „Schl. Ztg.“: In der Lage des oberschlesischen Roheisen⸗ markts ist, wie wir bereits im Vorbericht erwähnten, ein Rückgang eingetreten. Infolge des Anblasens des Witkowitzer Hochofens hat sich das oberschlesische Roheisengeschäft insofern abgeschwächt, als der Absatz an Gießereiroheisen nach Oesterreich sehr nachgelassen hat, und da die Ausfuhr nach Rußland fast ganz aufgehört hat und nach dem Inland nur ganz geringe Quantitäten abgesetzt werden, so hat sich im Revier ein Ueberfluß an Roheisen eingestellt, der ein Anwachsen der Bestände, besonders in Thomaseisen, zur Folge hat. Die Erzzufuhr aus dem Auslande sowie aus den oberschlesischen Förderungen hat bis jetzt keine Abschwächung erfahren. Das Walzeisengeschäft ist, obwohl es in den letzten Wochen etwas nachgelassen hat, immer noch rege, und die Werke sind vollauf beschäftigt. Sämmtliche Walzeisen⸗ sorten finden genügende Abnahme; die Nachfrage für Konstruktions⸗ eisen, als T, U und Winkeleisen, war besonders lebhaft, Auch in Blechen, vorzugsweise in Feinblechen, war das Geschäft recht flott, sodaß die Werke den an sie von den Bestellern gestellten Anforderungen nicht immer prompt nachkommen konnten. Der Absatz für Grobbleche hat sich ebenfalls gehoben, da ein ziemlich starker Bedarf zur Anfertigung von Kesseln, Re⸗ fervoiren und auch zu Schiffsbauzwecken eingetreten ist. Es wird befürchtet, daß nach Beendigung der Bausaison im Eisengeschäft ein Rückgang eintreten wird. Die Stahlwerke sind gegenwärtig wieder gut beschäftigt, da ihnen von den Eisenkaln. Bürsbelrdagen größere Aufträge zur Lieferung von Schienen u. s. w. zugegangen sind. Maschinen⸗ und Kesselfabriken sind ziemlich gut, Konstruktions⸗ werkstätten recht gut beschäftigt. Bei den Röhrenwalzwerken gehen die Aufträge schwächer ein, besonders finden Siederohre nicht genügende Abnahme. Draht⸗ und Nägelwerke sind in vollem Betrieb, und ihre Fabrikate finden gegenwärtig schlanken Absatz. Im Betrieb der Eisengießereien ist keinerlei Aenderung ein⸗ getreten; die Gleiwitzer Röhrengießerei ist mit (Anfertigung von Wasserleitungsröhren Tag und Nacht beschäftigt, und auch für Bau⸗ und Maschinenguß liegen bei den Werken genügende Aufträge vor. Im Zinkgeschäft hat sich auch in dieser Berichtswoche nichts ge ändert; Zinkblech fand flotten Absatz zu dem bisherigen Preise von 35,50 pro 100 kg ab Werk netto Kassa, Bestände an Walzzin sind nirgends vorhanden. In Rohzink liegt das Geschäft ruhiger doch haben auch einige nicht unbedeutende Umsätze stattgefunden.

Die diesjährige Hauptversammlung des Verbandes

8 der Handelsgärtner Deutschlands wird am 5. und 6. August in

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