1895 / 193 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Aug 1895 18:00:01 GMT) scan diff

Mecklenburg⸗Schwerin.

Seine Königliche Hoheit der Großherzog traf vor⸗

gestern Abend, von England über Hamburg kommend, in Rostock ein und begab sich mittels Sonderzugs nach Gelbensande.

Sachsen⸗Altenburg.

Seine Hoheit der Herzog Ernst wird anläßlich seines am 17. d. 8 stattfindenden fünfzigjährigen Uch stat⸗ Dienstjubiläums der „Geraer Ztg.“ zufolge bereits am Donnerstag Abend in Altenburg eintreffen. m Sonnabend Vormittag ist auf dem Schloßhof Parade der daselbst garnisonierenden zwei Bataillone, sowie sämmtlicher Militär⸗ und Kriegervereine des Altenburger Landes, welche von dem Herzog Höchsselbst abgenommen werden wird. Darauf marschieren die Vereine theils nach dem „Pfluge“, theils nach dem Preußischen Hofe, wo Tafel und Festkommers abgehalten wird.

Waldeck und Pyrmont. 88

Gestern Mittag wurden Ihre Durchlauchten der Fürst und die Fürstin an der Landesgrenze in Külte⸗Wetterburg von dm Landes⸗Direktor und dem E begrüßt; später erfolgte dann der feierliche Einzug in die festlich geschmückte Stadt Arolsen. Zunächst fand Familientafel, um 7 Uhr Prunktafel, Abends Beleuchtung der Stadt statt. Der Empfang war ein begeisterter. Anwesend waren die Königin⸗Regentin der Niederlande und der Großherzog von Luxemburg.

Lübeck.

Lübeck, den 13. August 1895. Unsere alte Hansestadt hatte heute einen festlichen Tag. Unter Theilnahme des gestern von Berlin herübergekommenen Reichsbank⸗Präsidenten, Wirklichen Geheimen Raths Dr. Koch, des Senats und der angesehensten Mitglieder des Handelsstandes fand die feierliche Einweihung des in der König⸗ straße neu errichteten Geschäftsgebäudes der Reichs⸗ bankstelle statt. Nachdem der Präͤsident das festlich ge⸗ schmückte Gebäude, dessen gothische Stilform sich denen unserer historischen Bauwerke nähert, betreten hatte, überreichte ihm mit einer kurzen Ansprache der ausführende Nächtbet, Regierungs⸗ Baumeister Contag aus Berlin, den Schlüssel. Der Reichs⸗ bank⸗Präsident schilderte darauf in längerem Vortrag die Ent⸗ wicklung der Anstalt, welche den Neubau erforderlich gemacht abe, und schloß mit einem Hoch auf Seine Majestät den

aiser, unter dessen friedlicher Regierung ein ferneres Auf⸗ blühen von Handel und Industrie und damit auch des Wir⸗ kungskreises der Reichsbank erwartet werden dürfe. Der prä⸗ sidierende Bürgermeister Dr. Behn rühmte darauf die Thätigkeit der Reichsbank, die einst ins Leben gerufen sei, damit Handel und Industrie bei der finanziellen Abwick⸗ lung ihrer Geschäfte im In⸗ und Auslande nicht mehr fremder Vermittlung bedürften, und diese Erwartung ungeachtet mancher anfänglichen Besorgnisse voll erfüllt habe. Nachdem Präsident Dr. Koch hierauf gedankt, wurde das Gebäude in allen Theilen besichtigt, und allgemein war die Stimme höchster Befriedigung über Schönheit, Zweckmäßigkeit und Sicherheit aller Räume. Nachmittags 3 Uhr fand sodann ein von dem Senat der freien Hansestadt veranstaltetes Festmahl in dem Hause des Vereins zur Förderung gemeinnütziger Bestrebungen statt. Der Präsident des Senats, Bürgermeister Dr. Behn, brachte das Hoch auf Seine Majestät den Kaiser aus. Es folgte Senator Woltmann mit einem Hoch auf den Reichsbank⸗ Präsidenten, welcher mit einem solchen auf den Senat dankte, der mit Weisheit die Geschicke des Freistaats lenke unnd seine verfassungsmäßige Mitwirkung am Reichsregiment ausübe. Es folgten noch zahlreiche Trinksprüche auf die Leitung der Reichsbankstelle durch Bank⸗Direktor Zimmermann, auf die Handelskammer, auf die Bauunternehmer Havestadt nd Contag u. s. w. Abends besichtigte der Reichsbank⸗Prä⸗ sident die nordische Industrie⸗Ausstellung.

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Oesterreich⸗Ungarn.

Aus Mendelhof bei Bozen wird gegenüber ander⸗ weitigen Zeitungsberichten von kompetenter Seite dem „W. T. B.“ mitgetheilt, daß der an einem Lungenkatarrh erkrankte Erz⸗ herzog Franz Ferdinand auf Anrathen der Aerzte dringend der Ruhe und Schonung bedürfe. Der Erz⸗ herzog sei infolge dessen zu mehrwöchigem Aufent⸗ halt dorthin gekommen, um streng, kurgemäß zu leben, weshalb auch alle Nachrichten von Ausflügen und Ge⸗ birgstouren erfunden seien; von derartigen Anstrengungen sei bei dem jetzigen Hge des Erzherzogs keine Rede. Wohin der Erzherzog sich von Mendelhof aus begeben werde, sei zur Zeit noch unbestimmt.

Großbritannien und Irland.

Die heutige Thronrede zur Eröffnung des Parlaments wird, wie „W. T. B.“ aus London erfährt, mit der Ver⸗ ng beginnen, daß England zu allen Nationen in fried⸗ eziehungen stehe; sodann wird sie die Befriedigung über die Beendigung des chinesisch⸗japanischen Kriegs aussprechen und das tiefe Bedauern über das jüngste Gemetzel unter den Missio⸗ naren in China zum Ausdruck bringen, dem die Regierung gebührende Beachtung zuwende. Auf die armenischen Gewalt⸗ thätigkeiten dürfte in scharfer Weise Bezug genommen werden mit Anspielung auf die vorgeschlagenen Reformen. Spezielle Ankündigungen über die Gesetzentwürfe wird die Thronrede nicht enthalten, vielmehr soll die Darlegung des Regierungs⸗ programms bis zum Zusammentritt des Parlaments im Fe⸗ bruar verschoben werden.

Frankreich.

Der Großfürst Alexis von Rußland ist, wie

W. T. B.“ mittheilt, gestern in Paris eingetroffen.

Italien. 8

Gestern Crispi, welcher lebhaft begrüßt wurde, der neu erbaute Kreuzer „Vittore Pisani“ im Arsenal von Castella⸗ mare bei Neapel glücklich vom Stapel gelassen worden. Die Debörden und eine große Volksmenge wohnten dem Stapel⸗ auf bei.

Die Meldungen auswärtiger Blätter über den Ausbruch von Revolten in vier verschiedenen Provinzen Italiens sind, dem „W. T. B.“ zufolge, vollständig unbegründet.

Schweiz. Der deutsche Gesandte Dr. Busch ist, nach einer Meldung

des „W. T. B.“ aus Bern, gestern zur vollständigen Erholung von seiner Krankheit nach dem Berner Oberland abgereist.

ist in Gegenwart des Minister⸗Präsidenten

Behufs Ratifikation des Handelsvertrags mit Frank⸗ reich wurde gestern Nachmittag in Bern eine außerordentliche Bundesversammlung abgehalten.

Belgien.

Der König wird, wie „W. T. B.“ erfährt, in nächster Zeit nach Aix⸗les⸗Bains reisen und dabei Paris berühren.

Die Deputirtenkammer hat gestern in zweiter Lesung die Anträge des Abg. Vriendt, nach denen die vlämische Sprache als Gebrauchssprache in allen vlämischen Schulen eingeführt werden sollte, abgelehnt, desgleichen einen Antrag, die deutsche Sprache für die deutsch redenden Gemeinden einzuführen.

Serbien.

In Belgrad wurde gestern der Geburtstag des Königs in Weise begangen. Der König, die Königin Natalie, das diplomatische Korps, die Mitglieder der Regierung und die hohen Würdenträger wohnten dem in der Kathedrale zelebrierten Tedeum bei. Beim Ver⸗ lassen der Kirche versuchte eine irrsinnige Frau sich dem König zu nähern, sie wurde jedoch von der Umgebung des Königs zurückgedrängt. Die durch diesen Vorfall entstandene Verwirrung wurde schnell beseitigt. Nach dem Tedeum fand großer Empfang im Palais statt, zu welchem das diplomatische Korps vollzählig erschienen war. Am Nachmittage besuchte der König das siebente Bataillon, welches seinen Namen trägt. Aus dem Inlande wie aus dem Auslande liefen zahl⸗ reiche Glückwunschdepeschen ein. Abends fand im Palais ein Ball statt. Der König hat anläßlich seines Geburtstags zahlreiche Ordensverleihungen und militärische Beförderungen verfügt. Die Abreise des Königs Alexander und der Königin Natalie nach Biarritz erfolgt, wie dem „W. T. B.“ mitgetheilt wird, morgen Abend.

Der Ministerrath bevollmächtigte den Kriegs⸗Minister, die Ausrüstung der Armee mit Magazingewehren sofort in A zu nehmen.

„Makedonia“, das Organ der macedonischen Serben, verlangt in einem Artikel eine Allianz mit der Türkei; nur dann könnten Serbien und die Türkei mächtige Alliierte

Bulgarien.

Aus Anlaß des 9. Jahrestages der Thronbestei⸗ gung des Prinzen Ferdinand fand gestern Vormittag in Sofiag eine Truppenrevue statt, welcher, dem „W. T. B.“ zufolge, die Spitzen der orthodoxen Geistlichkeit, darunter der Metropolit Klement, sämmtliche Minister, der Präsident und die hervorragendsten Mitglieder der Sobranje beiwohnten. Nach einem feierlichen Tedeum defilierten die Truppen; der Metro⸗ polit von Rustschuk, an der Spitze der gesammten Synode, begrüßte den Prinzen in längerer Rede; sodann hielten der Minister⸗Präsident und der Bürgermeister von Sofia Be⸗ E1“ welche der Prinz einzeln beantwortete.

n dem Tedeum und der Truppenrevue nahm kein Mitglied des Konsularkorps Theil. Die Reden enthielten keinerlei poli⸗ tische Anspielungen, nur die kurze Ansprache des Präsidenten der Sobranje war markierter; derselbe sagte: Die Be⸗ mühungen des Prinzen um das Glück des Landes hätten einen vollen Erfolg gehabt; das abgelaufene Jahr sei ein glückliches gewesen. Das Volk freue sich seiner beseblichen Regierung, welche dem Volk alle seine Frei⸗ heit belasse. Nach dieser Vergangenheit urtheilend, könne man der Zukunft vertrauensvoll entgegensehen. Der Prinz könne auf die Treue des Volks und der Sobranje rechnen. Während die Truppen mit den Fahnen defilierten, acclamierte die zahl⸗ reiche Menge wiederholt. Die Haltung der Truppen war tadellos; Prinz Ferdinand drückte Abtheilungen seine volle Besrreigung aus. Viele Stabsoffiziere wurden zu Obersten ernannt und zahlreiche Ordensauszeichnungen verliehen. Nach der Revue folgte Prinz Ferdinand einer Ein⸗ ladung der Offiziere seines Leib-Regiments zu einem Fest⸗ bankett, zu welchem auch die Geistlichkeit, die Minister ꝛc. ge⸗ laden waren. Der Kommandeur des Leib⸗Regiments Tontschew brachte einen Toast auf den Prinzen aus und hob die unlös⸗ bare Einigkeit zwischen diesem und der Armee hervor. Die Antwort des Prinzen wurde mit Begeisterung aufgenommen. Die Offiziere trugen den Prinzen unter den Hochrufen der Menge nach seinem Wagen, woranf der Prinz nach seinem Palais zurückkehrte. Die reich beflaggte Stadt war Abends glänzend illuminiert.

Wie die „Agence balcanique“ meldet, empfing Prinz Ferdinand gestern die Mitglieder der Petersburger Kranz⸗Deputation in anderthalbstündiger Privataudienz; auch der Kriegs⸗Minister und Stoilow wurden empfangen,

letzterer war Abends zu einer neuerlichen Audienz beschieden.

Schweden und Norwegen.

Der Kronprinz ging vorgestern in Malmö ans Land

und fuhr nach Skanör; die Kronprinzessin und die beiden ältesten Prinzen blieben an Bord der Yacht „Lady Sophia“, die am Nachmittag abging, um einige Tage in der südlichen Ostsee zu kreuzen.

Asien.

Die amtliche „Turkestanskija Wiedomosti“ erklärt, wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg mitgetheilt wird, die Mel⸗ dung der Blätter, der Emir von Buchara hätte beabsichtigt, einen längeren Aufenthalt in Rußland zu nehmen und sein Land durch seine Minister verwalten zu lassen, für unbe⸗ gründet.

Der amerikanische Konsul in Tientsin telegraphierte nach Washington, daß in Tschifu und Tientsin die Cholera ausgebrochen sei. In Tschifu ist das amerikanische Kriegs⸗

schiff ‚Baltimore“ mit dem Admiral Carpenter an Bord

angekommen. Afrika.

Aus Marokko wird berichtet, daß der französische

Gesandte gestern von Fez nach Tanger zurückgekehrt ist. Nach den in Paris S Nachrichten ist die französische Expedition des Kapitäns Toutée am Niger angekommen, 150 km von Say. Er hat sich mit den Be⸗ hörden von Timbuktu in Verbindung setzen können und wurde auf seiner Reise nur durch eine Truppe Tuaregs und die Banden Ahmadou's beunruhigt. ““

Parlamentarische Nachrichten. Der Reichstags⸗Abgeordnete Freiherr von Gueltlin SS

(Reichspartei), gewählt im 17. württembergischen Wahlkreis

Nagold⸗Neuenburg, hat sein Mandat nie ergelegt.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

8 54 Th. I Tit. 26 des Preuß. Allg. Landrechts bestimmt:

„Wer einen außerhalb des Falles eines Kontrakts erlittenen Schaden innerhalb dreier Jahre, nachdem das Dasein

und der Urheber desselben zu seiner Wissenschaft gelangt

8 8n gerichtlich einzuklagen vernachlässigt, der hat sein Re t

voerloren.“ In Bezug auf diese Bestimmung hat das Reichsgericht, VI. Zivil⸗ senat, durch Urtheil vom 4. März 1895 ausgesprochen:

1) Die Verjährung trifft das ganze Recht, wenn der aus

einer Handlung entstehende, dem Beschädigten bekannt gewordene

Schaden so beschaffen ist, daß er sich, obwohl in wechselndem Umfange auch in der Zukunft erneuert. Vorausgesetzt ist hierbei allerdings, daß die Fortdauer oder das Eintreten der schädlichen Folgen für die Zukunft sich erkennen ließ. „Das Berufungsgericht stellt fest, die Schwere der Verletzung habe dem Kläger sofort zum Bewußtsein bringen müssen, daß seine Erwerbsfähigkeit infolge der Verletzung wenigstens zeitweise eine Unterbrechung oder Verminderung erleiden werde. Konnte der Berufungsrichter die Vorhersehbarkeit weiterer nachtheiliger Folgen für ausreichend erachten, so bedurfte es auch nicht des Nachweises, daß der Kläger vor Ablauf der Verjährungsperiode Gewißheit über die Aussichts⸗ losi gkeit vollständiger Herstellung erlangt habe.“

2) Die bloße Klageanmeldung unterbricht nicht die Ver⸗ sührung ebensowenig der in einem Vorprozeß gemachte Vorbehalt eines Schadensanspruchs, dagegen unterbricht die Einlegung einer ge⸗ richtlichen Protestation, durch welche die Absicht wirklicher Geltendmachung des Schadens erklärt wird, die Verjährung. „Daß die Bestimmung des § 551 I 9 A. L.⸗R. durch § 239 Z.⸗Pr.⸗O. auf⸗ gehoben ist, somit die bloße Klageanmeldung die Klageverjährung nicht unterbricht, ist anerkannt. Das Berufungsgericht erachtet die Bestimmungen des § 603 I1 9 A. L.⸗R. auch hinsichtlich der Unterbrechung der Verjährung durch gerichtliche Protestation gemaäß § 14 des Einführungsgesetzes zur für aufgehoben. Diese Ansicht ist nicht zutreffend, denn die Bestimmungen über Unter⸗ brechung der Verjährung gehören dem Zivilrecht an, wenn auch der Unterbrechungsakt selbst ein prozessualer Vorgang sein kann. Der erkennende Senat schließt sich der Ansicht des V. Zivilsenats (Urtheil vom 3. Oktober 1883) an, daß die Geltendmachung des Vorbehalts weitere Ansprüche in einer Klage die Erklärung der Absicht wirk⸗ licher Geltendmachung nicht enthalte und demgemäß einen Unte⸗ brechungsakt nicht bilden könne.“ (365/94.)

Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.

Die Eintragungen in die polizeilich zu führenden Ortseinwohner⸗«⸗Listen (sogenannte Seelenlisten) sind, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, I. Senats, vom 2. April 1895, keine polizeilichen Verfügungen im Sinne des § 127 des Landesverwaltungsgesetzes und somit im Verwaltungsstreitverfahren nicht anfechtbar. Der Handlungsreisende W. zu B. klagte gegen den Amtmann zu E. mit der Behauptung, daß er in die polizelliche Seelenliste von E. widerrechtlich eingetragen sei, auf Streichung seiner Person in der bezeichneten Liste. Seine Klage wurde in beiden Instanzen abgewiesen, und die von ihm eingelegte Revision wurde vom Ober⸗ verwaltungsgericht zurückgewiesen, indem es begründend ausfuührt, „Zuzugeben ist dem Kläger, daß die Führung der Seelenlisten af Grund der gemäß der bezüglichen Polizeiverordnungen erstatteten An⸗ und Abmeldungen Aufgabe der Polizeibehörde ist; allein hieraus itt nicht ohne weiteres zu schließen, daß die Eintragung in diese Listen den Charakter einer polizeilichen Verfügung im Sinne des § 127 des Landesverwaltungsgesetzes vom 30. Juli 1883 hat. Die Eintragung enthält weder ein Gebot noch ein Verbot, welches die Befugnisse des Klägers beschränkt, noch versagt sie ihm eine polizeiliche Er⸗ S. deren er zur Ausübung seiner Rechte bedarf; sie erscheint vielmehr nur als ein Akt des inneren Dienstbetriebs der ö welcher nach außen hin überhaupt keine rechtlichen

irkungen äußert und deshalb auch nicht geeignet ist, verletzend in die Rechte des Klägers einzugreifen. Die Befugniß des Staats, der Gemeinden und der sonstigen öffentlich⸗rechtlichen Korporationen, von dem Einwohner die Erfüllung der öffentlich⸗rechtlichen, aus dem Wohnsitz fließenden Pflichten zu verlangen, ist völlig unabhängig von dem Inhalt der Seelenlisten. Der Mangel einer Eintragung hindert die Be⸗ rechtigten nicht, die durch den Wohnsitz begründeten Forde⸗ rungen gegen den verpflichteten Einwohner geltend zu machen; und ebenso⸗ wenig wird derjenige, der in der Seelenliste geführt wird, thatsächlich aber einen Wohnsitz nicht hat, durch die Eintragung in der Ver⸗ theidigung seiner Rechte irgendwie beschränkt oder gehindert. That⸗ sächlich mag allerdings die Eintragung in die Seelenliste den Anlaß dazu geben können, daß der Betroffene zu den Pflichten eines Ein⸗ wohners herangezogen wird; daraus folgt aber nur, daß die Ein⸗ tragung seine Interessen berührt, jedoch nicht, daß sie seine Rechte

verletzt.“ (I 463.)

Statistik und Volkswirthschaft. 5

Verbandstag der deutschen Haus⸗ und städtischen Grundbesitzervereine.

Der 17. Zentralverbandstag der deutschen Haus⸗ und städtischen Grundbesitzervereine, der in Potsdam abgehalten wird, beauftragte, wie „W. T. B.“ meldet, eine Kommission, unabhängig von dem Zentralverbande eine Gesellschaft in der ihr passend erscheinenden Rechtsform zu dem Zwecke ins Leben zu rufen, die Realkreditverhälr⸗ nisse der städtischen Grundbesitzer zu verbessern und die mit der Be⸗ schaffung von Hypotheken verbundenen Unkosten zu ermäßigen. Das Direktorium wurde beauftragt, 2 dem gleichen Zwecke mit den be⸗ stehenden Hypothekenbanken in Verbindung zu treten und bei den Ortsvereinen die Bildung provinzieller Hypothekenbanken mit land⸗ schaftlichen Grundsätzen anzuregen.

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Zur wirthschaftlichen Lage der Arbeiter im Jahre 1894.

Den „Jahresberichten der Königlich preußischen Regierungs⸗ und Gewerberäthe und Bergbehörden für 1894“ (Verlag von W. T. Bruer in Schöneberg bei Berlin) sind folgende weiteren Mittheilungen (vgl.

Im Regierungsbezirk Cassel betrug die Zahl der Revisionen 512. Die Stellung zu den Arbeitgebern und Arbeitnehmern war gut; aber sowohl rbeitgeber wie 2 rbeitnehmer stehen den Bestrebungen der Gewerbeaufsicht im allgemeinen viel zu gleichgültig gegenüber. In 605 Anlagen wurden zusammen 4 (1893 3686) jugendliche Arbeiter beschäftigt und zwar 1947 (— 829 junge Burschen und 1232 (+ 33) Mädchen im Alter von 14 16 Jahren und 24 (+ 8) Kinder, davon 22 Knaben und 2 Mädchen Die Zahl der erwachsenen Arbeiterinnen ist gegen das Vorjahr von 7026 auf 7181 gestiegen, nämlich 3453 (— 61) Arbetterinner zwischen 16 und 21 Jahren und 3728 (+ 216) Aüich 21 Jahre. Die Zunahme von Arbeiterinnen hat hauptsäch 8 in. der Gruppe der Metallverarbeitung (Bijouterie) 38 Nahrungs⸗ und Genußmittel (Zigarrenfabrikation) stattgefunf 88 Die Durchführung der Beschränkung der Arbeitszeit für erwachse

6 Nr. 192 d. Bl.) entnommen:

1..

8 serufen worden.

sterinnen hat keine Schwierigkeiten veranlaßt; nur die Beschrän⸗ kung der Arbeitszeit für die Sonnabende und Vorabende der Festtage thigte zu Abänderungen des Betriebs. Daß diese Beschränkungen vodoch zu Entlassungen von Arbeiterinnen geführt hätten, ist nicht be⸗ lannt geworden. Auf die Löhne und Arbeitsleistungen der Arbeite⸗ innen haben sie insofern einen Einfluß ausgeübt, als der Wochenlohn zurchgängig nach den zu der Arbeit wirklich verwendeten Stunden be⸗ rechnet wird, auch bei der Accordarbeit die Beschränkung der Arbeits⸗ eit die Arbeitsleistung und damit auch den Lohn unter Umständen beeinflußt. Auf die Arbeitszeit und die Löhne der männlichen Arbeiter hat diese Beschränkung insofern einen Einfluß ausgeübt, als manche Betriebe für männliche und weibliche Arbeiter die gleiche Arbeitszeit eingeführt haben, sodaß die Beschränkung auch auf die männlichen Arbeiter Anwendung findet. Ueber die Arbeiter im allgemeinen wird bemerkt: Erhebliche Veränderungen in dem Bestande der Arbeiter konnten nicht festgestellt werden, es scheint jedoch, als ob eine geringe Besserung in der Lage der Industrie zu bemerken ist. Für die der Gewerbeaufsicht unterliegenden Betriebe sind 1045 Unfälle zur Anzeige gelangt. Von den Unfällen hatten 19 den Tod und 57 eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 13 Wochen zur Folge. In den wirthschaftlichen und sittlichen Zuständen der Arbeiterbevölkerung ist egen das Vorjahr eine Aenderung nicht zu verzeichnen. Manche rbeitgeber sind zwar unablässig bemüht, Lebensmittel, Feuerungs⸗ material u. s. w. für ihre Arbeiter möglichst billig zu beschaffen, finden jedoch hierfür häufig bei diesen nicht die gebührende Würdigung. Im Regierungsbezirk Wiesbaden wurden im Ganzen 859 gewerbliche Anlagen besichtigt. Bei den im November und Dezember 1894 vorgenommenen Feststellungen sind in 626 Fabriken und diesen gleichstehenden Anlagen 12 Kinder (9 Knaben und 3 Mädchen) und 3235 (— 7) junge Leute (2226 männliche, 1009 weibliche) im Alter von 14 bis 16 Jahren beschäftigt gewesen. Die Zahl der beschäf⸗ tigten Kinder hat gegen das Vorjahr um 21, also um 64 % abge⸗ nommen. Während im Jahre 1893 in 553 Anlagen 3242 junge Leute beschäftigt waren, ergiebt sich für 1894 bei 626 Anlagen, also bei einer Zunahme von 73 Anlagen, daß 7 junge Leute weniger be⸗ schäftigt waren. Durch die in den Monaten Novemher und Dezember vorgenommene Zählung wurde festgestellt, daß in den gewerblichen Anlagen des Regierungsbezirks Wiesbaden 4719 über 16 Jahre alte Arbeiterinnen in Arbeit standen. Der Vergleich mit den entsprechenden Zahlen des Jahres 1893 ergiebt eine Zu⸗ nahme der Anlagen, die Arbeiterinnen beschäftigen, um 37, und eine Zunahme der beschäftigen Arbeiterinnen um 269 Personen. Die Beschränkung der Arbeitszeit erwachsener Arbeiterinnen hat zu Ent⸗ lassungen von Arbeiterinnen nicht geführt, da im Regierungsbezirk eine Beschäftigungszeit von 11 Stunden auch früher bei normalen Verhält⸗ nissen nicht überschritten wurde. Nur die frühere Beendigung der Arbeits⸗ dauer an den Tagen vor Sonn⸗ und Festtagen hat insofern einen Einfluß auf die Löhne ausgeübt, als bei Stundenlohn in manchen Anlagen ein Abzug gemacht wird. Die Beschränkung der Arbeitszeit der Arbeiterinnen hat auf die Arbeitszeit und die Löhne der Arbeiter den Einfluß gehabt. daß in vielen Anlagen für die männlichen Arbeiter der Arbeitsschluß zugleich mit dem der Frauen eintrat. Was die Arbeiter im allgemeinen anbetrifft, so sind Aenderungen in der Dauer und Lage der Arbeitszeit von einiger Erheblichkeit nicht bekannt geworden. Arbeiterausstände sind in einer Fahrradfabrik, einer Papierfabrik und einer Schuhfabrik vorgekommen. Klagen über Arbeitslosigkeit sind namentlich von Frankfurt, aber auch von Wiesbaden und Höchst aus erhoben worden. Zur Abhilfe wurden von den Gemeinden größere Geldbeträge bewilligt, um so weit als möglich Arbeitslose beschäftigen zu können.

Den Gewerbe⸗Aufsichtsbeamten sind im Ganzen 2296 Unfälle bekannt sädns davon hatten 16 den Tod zur Folge. Die Arbeitsräume

ind durchschnittlich gut befunden worden; die Betriebsvorrichtungen aben jedoch, obgleich in neuerer Zeit gebaute Maschinen mit den ausgiebigsten Schutzvorrichtungen versehen sind, zu einer Reihe von Ausstellungen Veranlassung gegeben. In den Preisen der Lebens⸗ mittel sind im Vergleich zu 1893 kleine Aenderungen eingetreten. Etwas wohlfeiler sind z. B. Erbsen, Linsen, Schweinefleisch und Speck u. a. m., etwas theurer aber Kartoffeln, Rind⸗, Kalb⸗ und Hammelfleisch geworden. Kürzungen der Löhne sind durch die Kürzung der Arbeitszeit am Sonnabend veranlaßt worden, doch sind auch Lohn⸗ erhöhungen bekannt geworden. 1 Im Regierungsbezirk Koblenz sind im Ganzen 840 Fabrik⸗ besichtigungen vorgenommen worden. Die Arbeitgeber nehmen bei Anträgen auf Genehmigung gewerblicher Anlagen und auch in anderen Angelegenheiten häufig den Rath der Gewerbeaufsichtsbeamten in Anspruch. Dagegen hat ein ausgedehnter Verkehr mit den Arbeit⸗ nehmern nicht stattgefunden. Die Zahl der in Fabriken beschäftigten Kinder unter 14 Jahren Se 37 (+ 20) und zwar 28 (+ 14) Knaben und 9 88 6) ädchen. Jung⸗ Leute im Alter von 14 bis 16 Jahren waren 2095 (— 119) beschäftigt; davon waren 1512 (— 73) männliche und 583 (— 46) weibliche Arbeiter. Die Zahl der beschäftigten erwachsenen Arbeiterinnen ist von 2142 im Jahre 1893 auf 2345 gestiegen; davon standen im Alter von 16 bis 21 Jahren 1282 (+ 181), während 1060 (+ 19) über 21 Jahre alt waren. Soweit bekannt geworden ist, hat die gesetzliche Be⸗ schränkung der Arbeitszeit erwachsener Arbeiterinnen nirgends zu Ent⸗ lassungen geführt. Ueber die Beschränkung der Arbeitszeit an den Vorabenden der Sonn⸗ und Festtage wird allerdings noch immer Klage geführt Die Verminderung der Arbeitsleistung und der Löhne dürfte im allgemeinen der Beschränkung der Arbeitszeit entsprechen. Eine Verminderung der Arbeitszeit männlicher Arbeiter und der von diesen verdienten Löͤhne infolge der Beschränkung der Arbeitszeit der Arbeiterinnen ist in einigen Fabriken eingetreten. Die Zahl der gemeldeten Unfälle betrug 736 gegen 632 im Vorjahre; darunter rnen 18, e (2,58 %) mit tödtlichem Ausgange, im Vorjahre W1 9

Zur Arbeiterbewegung.

In Ohlau in Schlesien haben, wie im „Vorwär g t wird, sämmtliche Arbeiter und Arbeiterinnen der Zigarrenfabrik von Carl Markus Erben, im Ganzen 81 Personen, die Arbeit nieder⸗ gelegt, weil angeblich 10 Arbeitern gekündigt worden war, um Lehr⸗ lingen Platz zu machen. .

In Leipzig fand gestern eine Versammlung der aus⸗ ständigen Steinsetzer statt, in der mitgetheilt wurde, daß gegen⸗ wärtig 180 Gesellen in den Ausstand eingetreten seien, von denen 47 kecdiß verlassen hätten. Im Ganzen hätten 12 Mann die Arbeit fortgesetzt. Ein Meister habe die Forderungen anerkannt. Die von den Meistern gefaßten Beschlüsse (vgl. Nr. 192 d. Bl.) seien den Gehilfen bis jetzt noch nicht zugestellt worden; sie seien aber un⸗ Es wurde beschlossen, an den gestellten Forderungen fest⸗

alten.

„Einer Pariser Meldung des „W. T. B.“ zufolge wird die Direktion der Glaswerke von Carmaux am Sonntag allen Ar⸗ beitern die Arbeitsbücher aushändigen und dann nur einen Theil von ihnen wieder anstellen. Jaurès und andere Sozialisten beabsichtigen, in ganz Frankreich Versammlungen und Vorträge zu veranstalten, um nniersüzungsgelder für die Ausständigen en.

Aus New⸗York meldet „W. T. B.“: 9000 Schneider⸗ gehilfen stellten, durch den Erfolg des letzten Ausstands der chneider veranlaßt, gestern die Arbeit ein. Sie verlangen Herab⸗ sehüng der Arbeitsstunden auf wöchentlich 59 und eine 20 1 % Lohn⸗ 1 öhung. Man erwartet, daß in dieser Woche 20 000 Arbeiter die 1 niederlegen. Die auf Urlaub befindlichen Polizisten sind zurück⸗

1“ Kunst und Wissenschaft. In Linz a. d. Donau ist am 12. d. M. die sechste

. Generalversäammlung der internationalen kriminalisti⸗

en Vereinigung eröffnet worden. Die Eröffnung erfolgte im 1 ndischen Redoutenfaal durch den Landesgerichts⸗Präsidenten Derleth ds Linz in Gegenwart von zahlreichen Frakfikern und Theoretikern dus Deutschland, Oesterreich, Rußland, Schweden, Frank⸗

eeeeeeseh

reich, der Schweiz, Rumänien, Serbien ꝛc. Als Vertreter des österreichischen Justiz⸗Ministers begrüßte Ministerial⸗Rath Dr. Ritter von Holzknecht die Versammlung mit sehr warm empfundenen Worten. Die Verhandlungen, zu deren Beginn an Stelle des Professors Léveillé aus Paris Senats⸗Präsident Graf von Khuenburg zu Wien als Erster Vorsitzender der Vereinigung für die nächsten zwei Jahre gewählt wurde, leitete Minister a. D. Professor Wesnitsch. Die Frage nach der berufsmäßigen Ausbildung der praktischen Kriminalisten wurde fertig durchberathen, die Ab⸗ stimmung jedoch vertagt. Wir werden über den Kongreß nach Schluß desselben 5. derichten.2. zs

In der gestrigen ußsitzung der in Coburg tagenden Deutschen Geologischen Gefellscaft präsidierte Professor Kayser⸗Marburg; Vorträge hielten Professor Fraas⸗Stuttgart über einen bei Weimar im Diluvium gefundenen Menschenschädel, Dr. Zimmermann Berlin über Gebirgsstörungen nördlich vom Thüringer Wald, Dr. Jäckel⸗Berlin über die Entwicke⸗ lungsgeschichte von Wirbelthieren, Professor Scheibe ⸗Berlin über die Eruptionsgesteine des Thüringer Waldes, besonders die Porphyrite. Die gestern geplante Exkursion konnte wegen Regen⸗ wetters nicht stattfinden. Gestern Abend sind die Kongreß⸗Theil⸗ nehmer zu einem fünftägigen Ausfluge in den Thüringer Wald nach Eisfeld abgereist. 1 1 Die Kaiser Wilhelms⸗Universität in Straßburg ist von einem neuen schweren Verlust betroffen worden: Professor Hoppe⸗Seyler ist, wie schovn in Nr. 190 d. Bl. mitgetheilt, auf seinem Landgut zu Wasserburg am Bodensee am 10. August einem Schlaganfall erlegen. Er war am 26. Dezember 1825 in Freiburg an der Unstrut geboren, promovierte in Berlin am 15. November 1850 zum Doktor der Medizin, war dann längere Zeit als praktischer Arzt in einem Berliner Krankenhause thätig, habilitierte sich 1854 als Privat⸗ dozent in Greifswald, leitete von 1856 bis 1860 unter Virchow das chemische Laboratorium des pathologischen Instituts zu Berlin, wurde im letztgenannten Jahre zum außerordentlichen Professor ernannt und 1861 als ordentlicher Professor nach Tübingen berufen. Als hier im Jahre 1862 eine selbständige naturwissenschaftliche Fakultät eingerichtet wurde, war Hoppe⸗Seyler unter den Gelehrten, die von der neuen Fakultät bei ihrer Errichtung durch Ernennung zum Ehrendoktor der Naturwissenschaften ausgezeichnet wurden. Im Frühjahr 1872 gehörte

oppe⸗Seyler zu den ersten Professoren, die an die neuerstandene

traßburger Hochschule berufen worden sind: er wurde am 20. April 1872 zum ordentlichen Professor der physiologischen Chemie und zum Direktor des Physiologisch⸗Chemischen Instituts ernannt. Seitdem hat er ununterbrochen der Straßburger Universität angehört. Durch sein Handbuch der physiologisch⸗ und pathologisch⸗chemischen Analyse für Aerzte und Studierende, das zuerst 1858 in Berlin erschien, seitdem aber mehrfache Auflagen und Uebersetzungen erlebt hat, durch seine medi⸗ zinisch⸗chemischen Untersuchungen, die er in Berlin von 1866 bis 1871 veröffentlichte, durch die vielen wissenschaftlichen Abhandlungen in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft, in dem Pflüger⸗ schen und dem Virchow'schen Archiv, namentlich aber auch durch die Herausgabe der Zeitschrift für physiologische Chemie (seit 1877) hat er einen weittragenden Einfluß auf die Entwickelung seines Faches ausgeübt; besonders bedeutend und auch in weiteren Kreisen bekannt geworden sind seine Studien über die Gährungsprozesse und über den Stoffwechsel im Blute.

Professor E. Nestle in Ulm veröffentlicht in der „Münch. Allgem. Ztg.“ einen Artikel „Der reichste Fürst.“ Es heißt da⸗ selbst unter anderem: Vor drei Jahren hat Professor H. Knapp nach⸗ gewiesen, daß die von Justinus Kerner in seiner allbekannten Ballade verwerthete Erzählung von den deutschen Fürsten, welche die Merkwürdigkeiten ihrer Länder rühmen und dem Grafen oder vielmehr dem ersten Herzog von e esnn . den Preis zuschreiben, bis auf eine von Melanchthon 1552 verfaßte Rede sich zurückverfolgen lasse, daß sie also nicht, wie früher angegeben wurde, mit Luther's Tischreden 1h zum ersten Mal durch den Druck verbreitet worden sei. Er hat dort weiter gezeigt, daß schon in dem 1519 erstmals herausgegebenen bekannten Buche von Johannes Pauli „Schimpf und Ernst“ das 499. Stück eine ähnliche Geschichte sich finde, wie auf einem Reichstag „in kurtzen Jahren“ fünf oder sechs Fürsten zu⸗ sammenkamen und von den Merkwürdigkeiten ihrer Länder sich unter⸗ hielten. Wegen welch „seltzsamer“ Dinge Alle lachen mußten und dem Fürsten von Sachsen gewonnen gaben, möge man bei selbst nachlesen. Durch Professor Samuel Berger in Paris ist nun eine neue, wiederum auf Melanchthon zurückgehende Fassung dieser Er⸗ zählung zugänglich geworden. In dem Kollegheft eines Schülers von Melanchthon, der eine Vorlesung seines Lehrers über allgemeine Geschichte, welcher dieser die Chronik des Joh. Carion zu Grunde legte, in den Jahren 1555 bis 1560 sehr sorgfältig nach⸗ schrieb und uns dadurch eine Menge interessanter, zum theil wichtiger Nachrichten erhielt, heißt es: De duce Virtebergense Eberhardo audivi narrationem, quam vobis dicam. Sederant principes in convivio (comitio?) Vormatiensi, et ibi collocuti sunt inter se. Princeps Saxoniae Misniam ob metalla laudavit. Duces Bavariae, quod haberent urbes pulchras et agros fertiles. Ventum est ad ducem Virtebergensem et quaesitum est, cur non de suis diceret; inquit, ego sum pauper, non debeo me conferre superioribus, ut est verum. Ego habeo pauperes homines, qui habent agellos, sed hoc habeo quod possim secure dormire in gremio cuius- libet subditi. Ibi laudaverunt omnes hoc dictum: Das ist die schöne red, das ein fürst mag seinen unterthanen schlaffen in dem Schoß auf seinem Feldt.“ Es sind jetzt genau vierhundert Jahre seit jenem Reichstag zu Worms, auf welchem Kaiser Maximilian den Landfrieden verkündete und am 21. Juli 1495 dem württembergischen Grafen den Herzogsbrief ausstellte, ihm zugleich das Recht der Reiche⸗ sturmfahne bestätigend. Er hat seine neue Würde nur noch sieben Monate geführt; schon am 24. Februar 1496 ist Eberhard gestorben. Als Kaiser Maximilian zwei Jahre nachher sein Grab besuchte, sprach er die Worte: „Hier liegt ein Fürst, dem ich im ganzen römischen Reich keinen zu vergleichen weiß. Sein Rath hat mir oft genutzt.“ Sein väterlicher Freund Vergenhans (griechisch Nauclerus), der erste Rektor der von Eberhard gestifteten Universität Tübingen, rief ihm in seiner Chronik den Vers nach: Hoc vivo stetit, hoc cecidit Germania lapso. Noch schöner und kräftiger als das Lob des Gelehrten hat der einfache Sinn des Volkes sich und seinem Herzog das schönste Denkmal gesetzt in dem kurzen, aber vielsagenden Wort: Wenn unser Herrgott nicht Gott wäre, sollte unser Herzog Gott sein. In Württemberg ist „der reichste Fürst“ nicht vergessen, aber es ziemt sich, da sich solch günstiger Anlaß bietet, auch in einem außerwürttembergischen Blatte sein Andenken zu erneuern. Wird doch oft genug Graf Eberhard im Bart, der erste Herzog von Württem⸗ berg, Stifter der Universität Tübingen, mit dem hundert Jahre früheren, durch Uhland bekannt gewordenen Rauschebart oder Greiner verwechselt. ““ 16

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Der unmittelbare Verkehr der Produzenten mit de Prahizarüss⸗ ist, wie die „Straßb. Korr.“ mittheilt, in Elsaß othringen erfreulicher Weise im Steigen begriffen. Wenn bei den Proviantämtern noch Zupbetmeistmngen von unmittelbar angebotenen Naturalien stattgefunden haben, so sind die Gründe in der mangel⸗ haften Beschaffenheit der Waare zu finden, die den Anforderungen der Militärverwaltung nicht entsprochen hat.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Cholera.

Niederlande. Im Februar ist dem „Staats⸗Courant“ Nr. 180 vom 3. August zufolge ein Todesfall an asiatischer Cholera nicht fest⸗ gestellt worden; 1 Person starb an Cholera nostras.

Rußland. Dem CöB1““ wurden bis zum! 20. Juli folgende Erkrankungen (und Todesfälle) gemeldet: In dem Gouver⸗

nement Wolhynien vom 23. bis 29. Juni 34 (15), vom 30. Juni bis 5. Juli 59 (10).

Türkei. Einer Mittheilung vom 31. Juli zufolge ist die Krankheit im Vilajet Adana in der Abnahme begriffen, dagegen sind in Syrien neue Seuchenherde aufgetreten. Es wurden fest⸗ im Vilajet Adana: in Adana und Umgegend vom 14. bis 8. Juli 27 Erkrankungen (16 Todesfälle), in und um Mersina vom 14. bis 27. Juli 21 (15), in Jumurtalik vom 15. bis 24. Juli 26 114) Osmanié (Kaya) vom 14. bis 24. Juli 4 (4), Bulanik vom 14. bis 21. Juli 16 (13), Sis (Umgegend) 12. bis 27. Juli 29 (15), Karatasch vom 13. bis 24. Juli 11 (11), Pajas vom 13. bis 25. Juli 46 (12), Hatchin vom 12. bis 25. Juli 8 (3) und in Adalia am 30. Juli 1 (—), im Vilajet Aleppo: in Marasch vom 14. bis 20. Juli 11 (4), im Lazareth Hadjil am 17. Juli 1 (1), in Aleppo vom 22. bis 28. Juli 44 (33), Killis am 24. Juli 2 (2), Kef Tab'a am 24. Juli 9 (4) und in Sueidije am 30. Juli 1 (—), im Vilajet Mamurat el Aziz: in Hüsni Mansur vom 10. bis 28. Juli 206 (65), im Vilajet Angora: in Kara Hissar vom 11. bis 23. Juli 28 (17), in Hissardjik am 15. Juli 4 (—), im Vilajet Hudavendkjar: in Balat vom 14. bis 27. Juli 40 (64), am 29. Juli 3 (3).

Ostindien. Kalkutta. Vom 23. bis 29. Juni starben 13 Personen an Cholera, 19 an Pocken und 124 an Fiebern, vom veguni bis 6. Juli 22 an Cholera, 6 an Pocken und 160 an

iebern. 8 „Straits⸗Settlements. In Singapore scheint zufolge einer Mittheilung vom 16. Juli die Seuche weiter um sich zu greifen. Unter der europäischen Bevölkerung war indeß bis dahin ein Er⸗ krankungsfall noch nicht worden. est.

China. Nach einer Mittheilung vom 24. Juni ist die Seuche in Swatau im Abnehmen begriffen. 1 Gelbfieber.

In San Juan (Porto Rico) war nach dem „Abstr. of san. rep.“ zufolge Mittheilung vom 1. Juli die Krankheit im Zunehmen begriffen; in dem Militär⸗Lazareth befanden sich mehr als 100 Gelb⸗ fieberkranke, 80 bis 90 % der Fälle endeten tödtlich. Es wurden ferner festgestellt: in Rio de Janeiro vom 9. bis 15. Juni 16 Todesfälle, in S antiago (Cuba) vom 30. Juni bis 6. Juli 25, in Havanna vom 5. bis 11. Juli 8 (bei etwa 20 Neuerkrankungen), in Vera Cruz vom 28. Juni bis 4. Juli 9.

Verschiedene Erkrankungen.

Pocken: Lemberg 2 Todesfälle, Antwerpen, Budapest je 2, London 60 (Krankenhäuser), Paris 12, St. Petersburg 2 Erkrankungen; Flecktyphus: Moskau 2 Todesfälle; Rückfallfieber: St. Peters⸗ burg 4 Erkrankungen; Genickstarre: New⸗York 4 Todesfälle; Influenza: London und Rom je 4 Todesfälle. Mehr als ein Zehntel aller Todesfälle erfolgte an Scharlach (Durchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1881/90: 1,39 %): in Posen. Er⸗ krankungen wurden gemeldet in Berlin 89, Breslau 41, Regierungsbezirk Posen 80, in Edinburg 49, London 247 (Kranken⸗ häuser), Paris 90, St. Petersburg 31, Wien 45, desgl. an Masern in Berlin 35, Breslau 42, in den Regierungsbezirken Arns⸗ berg 331, Hildesheim 173, Posen 174, Wiesbaden 195, in Budapest 40, St. Petersburg 39, Wien 81, desgleichenan Diphtherie und Croup in Berlin 116, in London 81 (Krankenhäuser), Paris 78, Wien 46, an Unterleibstyphus in St. Petersburg 67.

Handel und Gewerbe.

Die Königlich belgische Regierung hat in Abänderung der bisherigen bezüglichen Bestimmungen verordnet, daß die Einfuhr von Schafvieh aus Deutschland und Luxemburg, welches zur Abschlachtung in Antwerpen und zur Ausfuhr von dort auf dem Seewege bestimmt ist, vom 12. d. M. ab nicht nur über Bleyberg, sondern auch über die Stationen Lanaeken und Hamont eingeführt werden darf.

Die Gebühr für die nach wie vor stattfindende thier⸗ ärztliche Untersuchung in Antwerpen ist von 5 auf 2 Centimes für das Stück herabgesetzt worden. 8

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. 8 An der Ruhr sind am 13. d. M. gestellt 11 340, nicht rech zeitig gestellt keine Wagen; am 14. d. M. sind gestellt 11 241, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 13. d. M. gestellt 4774, nicht recht⸗ zeitig gestellt 44 Wagen.

Vom oberschlesischen Steinkohlenmarkt berichtet die „Schl. Ztg.“: Das Kohlengeschäft im oberschlesischen Revier hat sich in den letzten Tagen etwas lebhafter gestaltet und hätte an Reg⸗ samkeit noch zugenommen, wenn dies der Wasserstand der Oder hätte ermöglichen lassen. Veranlassung hierzu ist zunächst die Ausnutzung der in diesem Monate noch bestehenden Sommerpreise, wie auch die begonnenen Bezüge an Betriebs⸗ kohlen für die Zuckerfabriken zur Belebung beitrugen. Immer⸗ hin gehen die Aufträge den Gruben noch nicht in dem Maße zu, daß die auf fast allen Gruben lagernden großen Bestände merklich ab⸗ nehmen würden. Nachdem auch wieder Eisenbahn⸗Betriebskohlen zur Verladung gelangen, finden auch die groben Kohlensorten stärkeren Absatz und brauchen nicht mehr gestürzt zu werden. Die⸗ jenigen Gruben, welche Gas⸗ und Kokskohlen fördern, finden für ihre Förderung stets schlanke Abnahme; man sieht dort keine oder nur geringe Bestände; daher erklärt es sich, daß manche Gruben flott fördern, während andere trotz des geschwächten Betriebs jede Woche mindestens eine Feierschicht einlegen mußten. Im Betriebe der Kokswerke ist bis jetzt eine Aenderung nicht ein⸗ getreten und die erhoffte Aufbesserung noch nicht erfolgt. Her Absatz nach Rußland läßt immer mehr nach.

Die Einnahmen der Saal⸗Eisenbahn betrugen im Juli nach vorläufiger Feststellung 149 168 (+ 2372 ℳ) und seit 1. Januar d. J. 848 182 (— 2013)

Der Aufsichtsrath der Falkensteiner Gardinen⸗ Weberei und Bleicherei vorm. Georg Thorey hat die Dividende für 1894/95 auf 14 % (1893/94 12 %) Ftsent

Die Landes⸗Versicherungsanstalt Elsaß⸗Lothringen hat im Jahre 1894, wie aus dem Rechnungsabschluß zu entnehmen, für Rentenzahlung die Summe von 598 142 verausgabt und als Erlös für verkaufte Beitragsmarken 2 734 4988 eingenommen. Das Aktivvermögen der vöb betrug zu Ende des Jahres 7 827 085 ℳ, Se vom Reservefonds, der einen Bestand von 977 840 erreicht hatte.

(W. T. B.) Zuckerbericht.

Magdeburg, 14. August. Kornzucker, exkl., von 92 % —, neue —,—. Kornzucker exkl., Nachprodukte exkl., 75 %

88 % Rendement —,—, neue —,—. Rendement 7,00 7,75. Still. Brotraffinade I 22,75 23,00. Brotraffinade II 22,50. Gem. s mit Faß —. Gem. Melis I mit Faß 22,12 ½ 22,50. uhig. Rohzucker I. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. August 9,70 Gd., 9,75 Br., pr. Sep⸗ tember 9,80 Gd., 9,82 ½ Br., pr. Oktober⸗Dezember 10,22 ½ Gd., 10,25 Br., pr. Januar⸗Maͤrz 10,50 Gd., 10,55 Br. Ruhig.

Leipsig, 14. August. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin⸗ handel. La Plata. Grundmuster B. pr. August 3,15 ℳ, pr. September 3,17 ½ ℳ, pr. Oktober 3,17 ½ ℳ, pr. November 3,17 ½ ℳ, pr. Dezember 3,20 ℳ, pr. Januar 3,22 ½ ℳ, vr. secenen 3,22 ½ ℳ, pr. März 3,25 ℳ, April 3,25 ℳ, pr. Mai 3,25 ℳ, pr. Juni 3,27 ½ ℳ, pr. Juli 6,277. vs 40 000 kg.

Mannheim, 14. August. (W. T. B.) roduktenmarkt. Weizen pr. November 14,75, pr. März 15,20. Roggen pr. November 12,10, pr. März 12,40. chofer pr. November 12,25, pr. März 12,50. Mais pr. November 11,00, pr. März 10,60. 8

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