Fulda, 20. August. Die Bischofs⸗Konferenz wurde heute Vormittag 81 ½ Uhr mit einer Andacht in der Bonifazius⸗ Gruft eröffnet. Anwesend waren: der Kardinal⸗Fürstbischof Dr. Kopp aus Breslau, der Kardinal⸗Erzbischof Dr. Krementz aus Köln, der Erzbischof von Gnesen⸗Posen, die Bischöfe von Trier, Ermland, Mainz, Limburg, Kulm, Münster, Paderb Fulda und der Feldpropst Aßmann aus Berlin.
Sachsen.
Auf Befehl Seiner Majestät des Königs wurde der Gedenktag der siegreichen Kämpfe von Gravelotte⸗ St. Privat von den sächsischen Truppen vorgestern in feier⸗ lichster Weise begangen. In Dresden fand um 12 Uhr Mittags durch den kommandierenden General, Seine Königliche Hoheit den Prinzen Georg auf dem Theaterplatz Paroleausgabe statt. Derselben wohnte der von Seiner Majestät dem Kaiser abgesandte General⸗Adjutant, General⸗Oberst der Kavallerie Freiherr von Los, Ober⸗Befehlshaber in den Marken und Gouverneur von Berlin, bei, den Seine Majestät der König zuvor im Residenzschloß empfangen hatte.
Zur Feier des 18. August hatte Seine Majestät nach⸗ stehenden Armeebefehl erlassen:
„Ich verleihe am heutigen Ehrentage der Armee Meinem Leib⸗ Grenadier⸗Regiment Fahnenbänder für die Fahnen seines 1., 2. und 3. Bataillons.
Diese Fahnenbänder, die bei Meinem Leib⸗Grenadier⸗Regiment fortan getragen werden, sollen aber gleichzeitig ein Zeichen Meines Dankes und Meiner Anerkennung für alle Truppen Meiner Armee sein, welche vor 25 Jahren unvergänglichen Ruhm mit den anderen deutschen Stämmen für das Vaterland erkämpft und die Treue gegen den König und die feierlich beschworenen Soldatenpflichten mit dem Blute vieler Tapferen besiegelt haben.
Dresden, am 18. August 1895. Albert.“
Auf Grund dieses Befehls hatte das Leib⸗Grenadier⸗ Regiment Nr. 100 um 12 Uhr auf dem Theaterplatz Auf⸗ stellung genommen. Die mit grünem Eichenlaub bekränzten Fahnen waren durch die Fahnen⸗Offiziere in das Königliche Schloß gebracht und von Seiner Majestät Höchsteigenhändig mit den Fahnenbändern geschmückt worden. Nachdem dieser Allerhöchste Gnadenbeweis an den Fahnen befestigt war, wurden letztere dem Regiment übergeben. Seine Majestät der König richtete hierbei, wie das „Dresdner Journal“ berichtet, folgende Worte an das Regiment:
„Heute vor 25 Jahren war es den sächsischen Truppen vergönnt, unter der glorreichen Führung des ewig unvergeßlichen Kaisers Wilbelm an der größten Schlacht des französischen Feldzugs theil⸗ zunehmen und wesentlich zur siegreichen Entscheidung derselben bei⸗ zutragen. Alle sächsischen Truppen, welche dieser Schlacht bei⸗ wohnten, haben sich durch Tapferkeit und Eifer ausgezeichnet. Auch dieses Regiment hat seinen Theil an dem Ruhm des sächsischen Armee⸗Korps gehabt. Ich habe darum be⸗ schlossen, den Fahnen der drei älteren Bataillone, welche selbst in dieser Schlacht den Bataillonen vorgetragen worden sind, Fahnen⸗ bänder zu verleihen. Dieselben sollen für das Regiment eine Er⸗ innerung sein an die tapferen Thaten seiner Vorfahren und Vor⸗ änger, aber zugleich von diesem Regiment als dem ältesten Infanterie⸗
egiment der Armee als Ehrenschmuck für alle Truppen getragen werden, welche an dieser glorreichen Schlacht vor 25 Jahren theil⸗ genommen haben. Seit dem Feldzuge haben 25 Jahre segensreichen Friedens geherrscht, dank der weisen Regierung dreier Kaiser. Sollte je dieser Friede, was Gott verhüten möge, einmal wieder gestört, unser Vaterland bedroht werden, so vertraue Ich und hoffe, es mögen diese Feldzeichen einem Regiment vorangehen, an Treue, Gehorsam und Tapferkeit gleich den tapferen Grenadieren von Saint⸗Privat.“
Nachdem die Parole ausgegeben worden war und Seine Majestät den Vorbeimarsch der Wachen abgenommen hatte, wurden die anwesenden Mitglieder der Militärvereine durch huldvolle Ansprachen ausgezeichnet. Noch während der Parole⸗ ausgabe traf nachstehendes, an Seine Königliche Hoheit den Prinzen Georg gerichtetes Telegramm Seiner Majestät des Kaisers ein, welches den Truppen bekannt gegeben wurde:
„Berlin, 18. August 1895.
Ich kann nicht unterlassen, Eurer Königlichen Hoheit auszu⸗ sprechen, daß Ich an dem heutigen Ehrentage des Sächsischen Armee⸗ Korps gern und dankbar Ihrer als des heldenmüthigen Kommandeurs der 23. Division in der Schlacht von Gravelotte⸗St. Privat gedenke.
Wilhelm R.“
Eine weitere Feier fand um 2 Uhr auf dem Kasernenhof des 2. Grenadier⸗Regiments Nr. 101 statt. Seine Majestät der Kaiser hatte bei Allerhöchstseiner Anwesenheit am 23. April d. J. dem 2. Grenadier⸗Regiment Fahnenbänder verliehen. Diese zu überreichen, war General⸗Oberst Freiherr von Loë im Allerhöchsten Auftrage eeingetroffen. Das Regiment hatte, mit den direkten Vorgesetzten auf dem rechten Flügel, Aufstellung auf dem Kasernenhof genommen. Seine Königliche Hoheit der kommandierende General Prinz Georg empfing den Abgesandten Seiner Majestät des Kaisers am Eingang. Als die Fahnen der vier Bataillone mit den Bändern geschmückt worden waren, verlas General⸗ Oberst Freiherr von Loé folgende Allerhöchste Kabinets⸗ Ordre Seiner Maäjestät des Kaisers:
„Am heutigen Ehrentage glänzender Bravour des Regiments in der Schlacht bei St. Privat übergebe Ich demselben, unter Zu⸗ stimmung Seiner Majestät des Königs von Sachsen, beifolgende Fahnenbänder zum bleibenden Zeichen Meiner hohen Freude, Mich als Chef des Regiments zu wissen. Mögen die damit ge⸗ schmückten Fahnen bis in die fernste Zukunft Zeugen erneuter Tapferkeit und Unerschrockenheit, neuer Ruhmesthaten und neuer Siege Meines braven Regiments sein — das ist Mein herzlicher Wunsch.
Berlin, der 18. August 1895. Wilhelm R.
An Mein Königlich sächsisches 2. Grenadier⸗Regiment Nr. 101,
Kaiser Wilhelm, König von Preußen.“ Der Regiments⸗Kommandeur drückte den allerunter⸗ thänigsten und ehrerbietigsten Dank für die gehörten Lorte und den bewirkten Akt Kaiserlicher Huld aus und brachte ein mit großer Begeisterung aufgenommenes auf den Allerhöchsten Regiments⸗Chef aus. Das egiment formierte sich hierauf zum Parademarsch in Kompagniefronten. Der General⸗Oberst Freiherr von Loë als Abgesandter Seiner Majestät des Kaisers nahm den Parademarsch ab. Nach Beendigung desselben gab derselbe mit beredten Worten seiner Bewunderung über den guten Zustand des Regiments Ausdruck. Seine Majestät der König kehrte Nachmittags nach Pillnitz zurück. Hessen.
Die Erinnerungsfeier der siegreichen Schlacht von
Gravelotte wurde in Darmstadt am Sonntag durch einen
estzug sowie durch ein Festmahl begangen, zu welchem auch Seine Königliche Hoheit der Großherzog und Seine Groß⸗ herzogliche Hoheit der Prinz Wilhelm erschienen. Der Großherzog hielt an die Versammelten eine Ansprache, in
8 Höchstderselbe nach der „Darmstädter Ztg.“ Folgendes agte:
„Veteranen, Kameraden! Heute vor 25 Jahren in den Mittags⸗ und Abendstunden des 18. August 1870 habt Ihr unter der ruhm⸗ vollen Führung meines in Gott ruhenden Herrn Vaters Schulter an Schulter mit den Söhnen der anderen deutschen Stämme den Grundstein zu der lange ersehnten politischen Form unseres Gesammt⸗ vaterlandes legen helfen! 1
Wer solche Großthaten vollbracht hat wie Ihr, wer in solch hervorragender Weise mitgewirkt hat, den stolzen Bau des neuen Deutschen Reichs zu errichten, wird auch für seine Person allezeit mit einstehen, ihn zu erhalten. Er wird seine Familie und insbesondere seine Söhne erziehen in gleichen Grundsätzen der Liebe zum Heimath⸗ land und angestammten Fürstenhaus, zum großen Vaterlande und unbedingten Gehorsam gegen unseren Allerhöchsten Kriegsherrn, Seine Majestät den Kaiser. In diesem Sinne trinke ich auf das Wohl und eine glöckliche Zukunft der gesammten hessischen Kriegervereine.“
Seine Majestät der Kaiser übersandte, dem „W. T. B.“ zufolge, Seiner Königlichen Hoheit ein Telegramm, in welchem Allerhöchstderselbe der ruhmreichen Theilnahme der Hessen bei Gravelotte unter dem Hochseligen Großherzog ge⸗ dachte. Seine Königliche Hoheit dankte hierfür gleichfalls auf telegraphischem Wege. “ 8
Braunschweig.
Dem General⸗Lieutenant z. D. von Rauch zu Schwerin, im Feldzuge 1870/71 Kommandeur des Braunschweigischen Frferes. e Nr. 17, ging, während derselbe zur Kriegserinnerungsfeier in Braunschweig anwesend war, das e Telegramm Seiner Majestät des Kaisers zu:
„Die Wiederkehr des Jahrestages der Schlacht bei Vionville⸗ Mars⸗la⸗tour läßt Mich gern des ruhmreichen Angriffs der Braun⸗ schweigischen Husaren bei Flavigny unter Ihrer tapferen Fuhrung gedenken, und will Ich Ihnen zur Erinnerung an jenen Ehrentag
den erster Klasse mit Schwertern am Ringe verleihen.
Wilhelm.“ Elsaß⸗Lothringen.
Zufolge Allerhöchster Kabinetsordre vom 15. Januar 1891 tauschen die 1. Eskadron 2. Hannoverschen Ulanen⸗ Regiments Nr. 14 in St. Avold und die 2. Eskadron desselben Regiments in Mörchingen zum 1. Oktober d. J. ihre Garnisonen.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Statthalter von Galizien Graf Badeni ist zu dem Kaiser berufen worden und wird sich heute nach Ischl be⸗ geben. Man nimmt dem „W. T. B.“ zufolge an, daß die G mit der Bildung des definitiven Kabinets zusammen⸗ änge.
Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht ein Kaiserliches Handschreiben an den Grafen Belcredi, durch welches derselbe von dem Amt des Ersten Präsidenten des Ver⸗ waltungsgerichtshofes auf eigenes Ansuchen enthoben wird. Der Kaiser spricht darin dem Grafen Belcredi Dank und An⸗ erkennung beim Abschluß der nahezu fünf Dezennien um⸗ fassenden ehrenvollen Laufbahn für die dem Kaiser und dem Staat mit stets bewährter Treue und voller Hingebung ge⸗ leisteten ausgezeichneten Dienste aus und versichert denselben seines unwandelbaren Wohlwollens.
Ueber das Befinden des Erzherzogs Franz Ferdinand berichtet die „Neue Freie Presse“ aus Mendelhof bei Bozen: Die stärkende Höhenluft übe auf den Erzherzog schon jetzt ihre günstige Wirkung aus. Der Erzherzog weile einen großen Theil des Tages unter den Gästen in Mendelhof und nehme auch seine Mahlzeiten gemeinsam mit der übrigen Gesellschaft auf der Terrasse oder im Speisesaal ein. Der Erzherzog habe wiederholt seine Befriedigung über den Aufenthalt in Mendel⸗ hof ausgedrückt und den Wunsch geäußert, so lange dort zu bleiben, als es die Witterung zulasse.
Großbritannien und Irland. 8
Einer Erklärung des Staatssekretärs des Kriegsamts, des Marquis of Lansdowne, im Oberhaus zufolge ist zum Nach⸗ folger des Herzogs von Cambridge als Ober-⸗Befehlshaber der Armee, der sein Amt am 1. November niederlegt, Lord Wolseley ernannt.
Bei der gestrigen Adreßdebatte im Unterhause wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, das Amendement Price, welches erklärt, daß angesichts der Noth der Landwirthschaft sofort Abhilfemaßregeln zweckmäßig seien, mit 236 gegen 105 Stimmen verworfen. Pickersgill beantragte ein Amendement, in welchem be⸗ dauert wird, daß die Regierung keine Absicht zu erkennen gegeben habe, die aus der Arbeitslosigkeit entstehenden Uebel zu mildern. Der Präsident des Lokalverwaltungsamts Chaplin bekämpfte Pickersgill's Amendement als unbillig und er⸗ klärte, daß die Regierung bereit sei, jede legitime üge non zur Abhilfe der Noth in Erwägung zu ziehen. Die Regierung habe sich mit den auswärtigen Mächten in Beziehung gesetzt, um ein gemeinsames Einver⸗ ständniß hinsichtlich der in Gefängnissen hergestellten Artikel herbeizuführen. Das Amendement Pickersgill wurde mit 231 gegen 77 Stimmen verworfen und hierauf die Adresse mit 217 gegen 63 Stimmen angenommen.
mtlich sind Einzelheiten eines Waffen⸗Ergänzungs⸗ Voranschlags im Betrage von 70 000 Pfd. Sterl. ver⸗ öffentlicht worden. Dieser außerordentliche Betrag sei be⸗ stimmt zur Beschaffung von Handwaffen und Munition.
Frankreich. 8
Präsident Faure hielt gestern, wie „W. T. B.“ aus Havre meldet, eine Flottenrevue ab und wurde daselbst von der Bevölkerung lebhaft begrüßt.
Ohne Zwischenfall sind gestern die Generalräthe er⸗ öffnet worden. Die bisherigen Präsidenten wurden zumeist wieder⸗ gewählt. Minister⸗Präsident Ribot lehnte die ihm von den Generalräthen des Pas⸗de⸗Calais angebotene Präsidentschaft ab. Zwischen französischen und italienischen Arbeitern der Salzwerke an der Berre sind Streitigkeiten aus⸗ gebrochen, wobei fünf Personen verwundet worden sein sollen. Die Ordnung sei jetzt wiederhergestellt. Die Behörden hätten Maßnahmen zur Verhinderung neuer Konflikte getroffen.
Aus Madagaskar traf gestern der Dampfer „Nangtse“ mit 150 kranken französischen Soldaten in Mar⸗ seille ein.
1 * Rußland.
Der Kaiser und die Kaiserin siedelten gestern, wie dem „W. T. B.“ aus St. Petersburg mitgetheilt wird, nach Zarskoje⸗Selo über. 5 “ 8
8 Spanien. “
General Salcedo ist aus Cuba in La Coruna ange⸗ kommen. Er erklärte, daß die militärischen Operationen im November wieder aufgenommen werden würden Santiago, Villas und Puerto Principe würden starke Be⸗ satzungen erhalten. Diese Maßnahmen in Verbindun mit der Ueberwachung der Küste würden dem Aufstand 19 den ersten Monaten des nächsten Jahres ein Ende machen. — Von den für Cuba einberufenen Reservisten aus den Pro⸗ vinzen Barcelona und Gerona sind nach einer Meldung des „Temps“ 600 nach Frankreich entflohen und suchen in den Fabriken von Perpignan Arbeit.
Türkei.
“ 1““ 8 Gegenü ehauptungen ausländischer Blätter wird dem „W. T. B.“ zufolge von offizieller Seite in Konstantinopel festgestellt, daß die Nachricht, die türkischen Truppen hätten bei Stomnitza 500, bei Siliakow 150 Mann verloren, vollkommen unbegründet sei. Die Meldung von dem Niederbrennen einiger Dörfer sei insofern richtig, als thatsächlich einige Dörfer in Brand gesteckt worden seien; jedoch nicht von türkischen Truppen, sondern von bulg arischen Banden. Auch andere ähnlichen, in der auswärtigen Presse zirkulierenden Gerüchte werden als Erfindungen bezeichnet.
Bulgarien.
Aus Sofia wird dem „W. T. B.“ vom gestrigen Tag⸗ berichtet: Aus guter Quelle stammenden Informationen zufolg ist die Bande, welche das einige Kilometer von der Gren entfernte pomakische Dorf Dospat bei Nanakl zerstörte, identisch mit jener Bande, deren Auftauchen in der Umgebung von Dubnitza vor ungefähr 10 Tagen signalisiert und die sofort von zwei Kompagnien der Garnison von Dubnitza verfolgt wurde, ohne daß man dieselbe eingeholt hätte. Die Bande, welche 100 Mann stark war, zog sich 50 km tief in das türkische Gebiet zurück. Angesichts der Berichte, welche besagen, daß die Bande, welche das Dorf Dospat angriff, 400 Mann sählte, muß angenommen werden, daß sich der verfolgten
ande vor dem Angriffe auf das Dorf zahlreiche Fluͤcht⸗ linge anderer Banden angeschlossen hätten. Wie ver⸗ sichert wird, wurde das Dorf Dospat fast ganz eingeäschert. Der größere Theil der männlichen Bevölkerung rettete sich durch die Flucht, während zahlreiche Frauen und Kinder ge⸗ tödtet wurden. Die Bande soll sich hierauf zerstreut haben: ungefähr 10 Mitglieder derselben sollen in Tatar Bazardschick verhaftet sein und vor ein Kriegsgericht gestellt werden.
— 1“ —
8 Amerika.
Aus Colon das „Reuter'sche Bureau“: Nachrichten aus Ambalo (Ecuador) zufolge wurden die Auf⸗ ständischen unter Alfaro nach fünfstündigem Gefecht ge⸗ schlagen.
Asien.
Die chinesischen Behörden in Kutscheng verweigerten, wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Hongkong heute berichtet, dem englischen und amerikanischen Konsul die Erlaubniß, während des Verhörs von Gefangenen über das Christengemetzel gegenwärtig zu sein. Die Konsul⸗ protestierten hiergegen; die Angelegenheit wurde den Vize⸗König überwiesen; man erwartet indeß Schwierigkeiten. Die Bevölkerung glaubt, daß die Fremden die Ursache ihres Elends seien, und daß es daher nöthig sei, die Fremden zu vertilgen. In Kanton sind Plakate angeschlagen worden, in denen mit Brandstiftungen gedroht wird.
Aus Wladiwostock wird der „Nowoje Wremja“ tele⸗ graphisch gemeldet: Die Japaner halten nur die Küsten von Formosa besetzt und beschränken sich darauf, Strafexpedi⸗ tionen in das Innere zu entsenden. Einige dieser Expedi⸗ tionen sind mißlungen. — Die japanische Opposition agitiert gegen den Beschluß der Regierung, Haütoiah und Korea zu räumen, und fordert Verstärkung der Flotte und der Armee, um die nationalen Interessen zu vertheidigen.
Afrika.
Das „Reuter'sche Bureau“ berichtet aus Sansibar: Die britische Expedition unter der Führung des Admirals Rawson und des Generals Matthews erstürmte am letzten Sonnabend eine befestigte Stellung der Eingeborenen in Mweli. Dabei wurden drei englische Offiziere, ein⸗ schließlich des Generals Matthews, und sechs englische Seeleute verwundet, zwei eingeborene Soldaten getödtet. Auf seiten der Gegner soll der aufständische Häuptling Zahran gefallen, Mbaruk aber entkommen sein.
Aus Suberbieville (Madagaskar) wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß die füaeeische Expeditions⸗ Armee unter der langen Unthätigkeit leide und ungeduldig sei, auf Tananarivo zu marschieren. Gegenwärtig betrage die Zahl der Kampfunfähigen fast 30 Proz.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Dem durch Amtsgerichtsbeschluß Entmündigten selbst steht nach § 605 der Zivilprozeßordnung ein Klagerecht auf An, fechtung des Beschlusses zu; für die Klage ist nach § 606 das Landgericht, in dessen Bezirk das Amtsgericht seinen Sitz hat, ausschließlich zuständig, und nach § 609 ist dem Entmündigten, welcher die Anfechtungsklage erheben will, auf seinen Antrag von dem Vor⸗ sitzenden des Prozeßgerichts ein Rechtsanwalt als Vertreter beizuordnen. In Bezug auf diese Bestimmungen hat das Reichs⸗ gericht, IV. Zivilsenat, durch Urtheil vom 7. März 1895 ausgesprochen, daß der Entmündigte das Recht hat, selbst die Lrfeen zu er⸗ heben, sei es durch einen von ihm selbst gewählten, sei es dur einen auf feinen Antrag ihm gerichtlich beigeordneten Rechts⸗ anwalt; in beiden Fällen ist der Anwalt nicht als der gesetzliche Vertreter des Entmündigten, sondern als dessen gewöhnlicher Prozeßbevollmächtigter zu erachten.. (341/94. — Vgl. die Begründung in der besonderen Beilage zum „Reichs⸗Anzeiger vom 30. Juli 1895. S. 166.)
— Steht schon bei Ablieferung der Theile eines ver⸗ dungenen Werkes fest, daß das fertige Werk, wenn es aus den Theilen montiert wird, die vertraglich bedungene Qualität nicht haben würde, so hat der Besteller, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Zivilsenats, vom 19. April 1895, im Gebiete des preußischen Allgemeinen Landrechts schon vor der Montierung das Recht des Rücktritts vom Vertrage. „Die Rechtsanschauung, daß der Beklagte schon vor der Montierung von dem in §§ 947, 953 Allgemeinen Landrechts I 11 gewährten Rücktrittsrecht habe Gebrauch dürfen, steht mit diesen Vorschriften nicht in Widerspruch.“
ma (39/95.)
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
Aufwendungen für ein Gebäude sind, nach einer Ent⸗ cheidung des Ober⸗Verwaltungsgerichts, VI. Senats, 2. Kammer, vom 22. Januar 1895, von dem zur Einkommensteuer zu veranlagenden Einkommen abzugsfähig, wenn sie zur Instandhaltung oder Repa⸗ ratur, h. zum 687 für defekte Theile des Gebäudes, dienen; nicht ab zugsfä 9 dagegen sind Auswendungen, wenn sie nicht zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Gebäudes, sondern zur Herstellung eines anderen Zustandes, der im Vergleich zu jenem als ein besserer sich darstellt, erfolgt sind. (VI. B 3871/93.)
— Ein Abzug städtischer Grund⸗ oder Haussteuer von dem steuerpflichtigen Einkommen aus Grundvermögen ist, nach einer Entscheidung des “ V. Senats, I. Kammer, vom 1. Februar 1895, unzulässig. „Wenn die Haus⸗ euer nach dem städtischen Regulativ vom 15. November 1858 auch als eine auf den Grundstücken haftende Grundabgabe erhoben wird, so hat und bebält sie doch die Natur einer Kommungl⸗ abgabe. Als solche kann sie aber nach Lage der Gesetz⸗ gebung, die nur für die unter den Kommunalabgaben begriffenen Deichlasten eine Ausnahme statuiert, bei der Besteuerung physischer Personen nach Einkommen aus Grundvermögen nicht in Abzug ge⸗ bracht werden (§ 9 I Nr. 4 des Eink. St. G., Art. 16 I Litt. e der Ausführungsanweisung); insbesondere ist es verfehlt, wenn die Beschwerdeführer bei der Verhandlung der Sache die von ihm zu entrichtende Haussteuer als eine indirekte, zu den Geschäftsunkosten gehörige oder doch als eine Ausgabe bezeichnet, die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung des Einkommens diente (§ 9 I Nr. 1 O.)“ (V. A. 3108,93).
Kunst und Wissenschaft.
Für die Generalversammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichts⸗ und Alterthumsvereine, welche in den Tagen vom 15. bis 18. September d. J. in Konstanz abge⸗ halten werden wird, sind bereits folgende Thesen und Anfragen an⸗ gemeldet: 1) Der Erste Vorstand des Historischen Vereins für Ober⸗ avern, Domkapitular Dr. M. Stigloher, übersandte folgende, mit orientierender Einleitung versehene Frage des Zweiten Vorstandes des genannten Vereins, Königlichen Konservators am bayerischen National⸗Museum Dr. Georg Hager: Die Bewohner von Wessobrunn und Umgegend (im Bezirksamt Weilheim in Oberbayern, etwa 2 Stunden südwestlich vom Südende des Ammersees) entfalteten einst als Maurer und Bau⸗ meister, im 17. und 18. Jahrhundert vor allem als Stuckatoren, eine ausgebreitete Thätigkeit, nicht nur in Bavern, sondern allenthalben in Deutschland und darüber hinaus. Sie erinnern in dieser Beziehung an die Comasken. Nicht bloß für die Kunstgeschichte, sondern auch für die Kulturgeschichte ist es von Interesse, das Wirken der Wesso⸗ brunner im einzelnen zu erforschen. Insbesondere erscheint dies für die Geschichte des Barock und Rococo von Werth, da ein großer Theil der Stuckaturen deutscher Bauten von Wessobrunnern herrührt. Bis jetzt ist die Thätigkeit der Wessobrunner Stuckatoren an einer Reihe von deutschen Orten nachgewiesen. „An welchen anderen Orten lassen sich die Wessobrunner nachweisen: a. aus der gedruckten Lokalliteratur, b. aus Archivalien?“ 2) Der Königlich sächsische Haus⸗Staatsarchivar Archiv⸗Rath Dr. Ermisch will über die Frage referieren: „Wie und wann sind die geschichtlichen Beinamen der deutschen Landesfürsten entstanden?“ wird sich dabei aber auf die Wettiner beschränken, was in der Hoffnung, daß sich auch für die übrigen deutschen Fürstenhäuser sachkundige Referenten finden, ausdrücklich erwähnt wird. Die Frage, die schon für L. von Ranke von Werth war, findet voraussichtlich ein weitgehendes Interesse. 3) Archiv⸗Rath Dr. Jacobs⸗Wernigerode wiederholt seine vorjährige Frage: „In welcher Weise läßt sich eine zweckmäßige Organisierung des historischen Vereinswesens herbeiführen oder erstreben?“ 4) Der Königliche Staats⸗Archivar Archiv⸗Rath Dr. Prümers⸗Posen bringt, in Anknüpfung an seine vorjährige allge⸗ meine und von der Eisenacher Generalversammlung bejahte Frage, ob die Veranstaltung einer archivalischen Ausstellung wünschenswerth sei, die Frage: „Welche Gegenstände müssen und können auf einer archivalischen Ausstellung vertreten sein?“ 5) Archiv⸗Rath Dr. Prümers wiederholt ferner die vorjährige Frage: „Wie sind Siegel am zweckmäßigsten auf⸗ zubewahren und vor dem Verderben zu schützen?“ 6) Architekt P. Wallé⸗Berlin stellt bezüglich des Denkmalschutzes folgende zwei Thesen auf: a. „Zur wirksamen Durchführung des Denkmalschutzes gegenüber einer willkürlichen Veränderung, Beseitigung oder Ver⸗ aͤußerung von Monumenten und Kunstgegenständen ist die Ertheilung des unbedingten Einspruchsrechts an die Konservatoren eine unerläß⸗ liche Forderung. Wie ist dieses Recht in den einzelnen Staaten geordnet?“ b. „Im Interesse der vaterländischen Denkmäler und ihrer Pflege ist es wünschenswerth, daß die Thätigkeit der Konservatoren keine neben⸗ amtliche sei, daß vielmehr überall dort, wo die Verhältnisse dies er⸗ fordern und gestatten, jener wichtigen Aufgabe die ganze Kraft der berufenen Persönlichkeiten gewidmet werde.“ 7) Herr Professor Hilde⸗ brandt wiederholt seine der Eisenacher Generalversammlung gestellte Frage: „Sind aus dem Mittelalter Wappenverleihungen an Juden bekannt, und welche Siegel von Semiten finden sich aus dieser Zeit in deutschen Archiven?“ — Die „Frankfurter Zeitung“ meldet aus Zürich, daß der Ger⸗ manist Professor Dr. L. Tobler gestern dort gestorben ist.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Ernteaussichten in Dänemark. Die Roggen⸗Ernte ist trotz der sehr ungünstigen nassen Witte⸗
zung der letzten Wochen nunmehr fast überall in vollem Gang und
steint in jeder Beziehung einen recht guten Ertrag zu liefern. Die Leizen⸗ und Gersten⸗Ernte, die ebenfalls ein befriedigendes Er⸗ trägniß in Aussicht stellt, hat an vielen Orten ihren Anfang genommen;
sar gaßter zeigt meist noch eine grünliche Farbe und steht durch⸗
schnittlich gut.
Die Kartoffeln versprechen bei günstiger Weiterentwickelung
ein gutes Ergebniß.
Dem Eintritt warmer und trockener Witterung sieht man mit
Sehnsucht entgegen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗
Maßregeln.
1“ — Indien. 1“ . Durcch Verfügung der Regierung in Bombay vom 22. v. M. ist in den Häfen von Aden, Perim und der Somaliküste gegen Herkünfte aus den arabischen Häfen des Rothen Meeres bis auf weiteres
uarantäne wegen Cholera angeordnet worden.
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Handel und Gewerbe. 8
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 19. d. M. gestellt 10 970, nicht recht⸗ jeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 17. d. M. gestellt 4205, nicht recht⸗ zeitig gestellt 732 Wagen.
wangs⸗Versteigerungen. 19 Beim Köni lichen Amtsgericht I Berlin standen am .August die e-ee Grundstücke zur Versteigerung: Lietz⸗ Fünnstr. 10, der Frau Kaufmann Auguste Klakow gehörig; lüche 3,48 a, Nutzungswerth 6280 ℳ; Meistbietender blieb der aufmann Ed. Elkan, Beuthstr. 14, mit dem Gebot von 103 500 ℳ
dem Gebot von 78 500 ℳ biieb der
— Tilsiterstraße, den Architekten P. Kneisler und C. Wahl gehörig; 29 2,86 a; Meistbietender blieb der Kaufmann Moritz Levin, Belle Allianceplatz 13, mit dem Gebot von 21,200 ℳ — Prinzen⸗Allee 61, der Frau Auguste Ney, geb. Schmidt, und Genossen gehörig; Fläche 5,30 a; Nutzungswerth 5250 ℳ; mit Maurermeister Hermann Brandenburg, Biesenthalerstr. 12, Meistbietender.
Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom 17. August 1895. Auftrieb und Markt⸗ preise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebendgewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 3300 Stück (Durchschnittspreis für 100 kg) I. Qualität 120 — 126 ℳ, II. Qualität 110 — 116 ℳ, III. Qualität 92 — 104 ℳ. IV. Qualität 80 — 86 ℳ — Schweine. Auftrieb 7062 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) Mecklenburger 94 — 96 ℳ, Landschweine: a. gute 90 — 92 ℳ, b. geringere 84 — 88 ℳ, Galizier —,— ℳ, leichte Ungarn —,— ℳ bei 20 % Tara, Bakonver — ℳ bei — kg Tara pro Stück. — Kälberx. Auftrieb 959 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,20 — 1,24 ℳ, II. Qualität 1,10 — 1,18 ℳ, III. Qualität 1,00 — 1,08 ℳ — Schafe. Auftrieb 22 953 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,00 — 1,14 ℳ, II. Qualität 0,92 — 0,96 ℳ, III. Qualität —,— ℳ
— Dem in der Generalversammlung der Aktionäre der Emdener Heringsfischerei⸗Aktiengesellschaft vom 14. d. M. vorgelegten Geschäftsbericht entnehmen wir nach der „Ostfr. Ztg.“ folgende Angaben: Im Betriebsjahre 1894/95 wurden mit 22 Loggern 28 405 handelsüblich gepackte Tonnen, also durchschnittlich auf ein Schiff 1291 Tonnen erzielt, gegen 1147 Tonnen im Vorjahre. Dafür wurden im Ganzen eingenommen 648 018 ℳ, für die Tonne 22,81 ℳ, gegen 22,48 ℳ im Vorjahre. Nach Deckung sämmtlicher Betriebs⸗ kosten und Abschreibungen verblieb ein Ueberschuß von 80 855 ℳ, aus welchem 12 232 ℳ an den gesetzlichen Reservefonds, 17 107 ℳ an den Nebenreservefonds überwiesen und die überschießenden 51 516 ℳ zur Vertheilung einer Dividende von 12 % verwandt werden sollen. Der gesetzliche Reservefonds erreicht jetzt den Betrag von 24 111 ℳ, der Nebenreservefonds steigt nunmehr auf 156 694 ℳ; außerdem ist der Sicherheitsfonds von 34 000 ℳ vorhanden. Infolge des Generalversammlungsbeschlusses vom 12. Januar d. J. sind von den im Portefeuille der Gesellschaft befindlichen 569 Aktien 2. Emission zunächst 289 Stück mit Antheilnahme am Gewinn und Verlust vom 15. Juni 1895 ab den Inhabern alter Aktien zur Verfügung gestellt und auch ganz begeben worden. Das eingezahlte Aktienkapital erhöht sich demnach auf 516 000 ℳ Die dadurch flüssig gewordenen Gelder sind zunächst zum Neubau zweier Logger verwandt, welche die Namen „Halle“ und „Essen“ erhalten haben. Der Logger „Halle“ nimmt bereits seit Beginn der Saison 1895/96 an dem Fangbetrieb theil; die Fertigstellung des Loggers „Essen“ hat sich aber so verzögert, daß er erst am 4. August auf den Fang ausgehen konnte.
— Die Pfälzischen Eisenbahnen vereinnahmten im Juli d. J. 2 002 202 (+ 118 552) ℳ und seit 1. Januar d. J. 12 415 478 (+ 123 133) ℳ
— Die Hessische Ludwigs⸗Eisenbahngesellschaft hatte im Juli d. J. eine Gesammteinnahme von 2 046 109 (+ 165 571) ℳ und seit 1. Januar im Ganzen 11 866 672 (+ 164 453) ℳ
— Die „Statistischen Uebersichten, betreffend den aus⸗ wärtigen Handel des österreichisch⸗ungarischen Zoll⸗ gebiets im Jahre 1895“, die von dem statistischen Departement im österreichischen Handels⸗Ministerium zusammengestellt werden, ent⸗ halten in dem vorliegenden VII. Heft die Ein⸗ und Ausfuhr im ersten Halbjahr 1895. Danach betrug der provisorische Handelswerth der Einfuhr ausschließlich der edlen Metalle und Münzen 364 351 233 Gulden österr. Währ. gegen 355 857 816 Fl. im ersten Halbjahre 1894, und unter Einbeziehung der edlen Metalle und Münzen 398 120 109 Fl. gegen 378 419 472 Fl. in 1894. Der pro⸗ visorische Handelswerth der Ausfuhr ausschließlich der edlen Metalle und Münzen betrug 347 976 644 Fl. gegen 368 396 290 Fl. in 1894 und unter Einbeziehung der edlen Metalle und Münzen 356 795 851 Fl. gegen 397 783 365 Fl. in 1894.
— Die „New⸗Yorker Hdls.⸗Ztg.“ vom 10. August schreibt in ihrer wirthschaftlichen Wochenschau: Der Waarenbedarf tritt selbst während des Hochsommers immer stärker hervor, und zwar um so stärker, je vorsichtiger die Handelskreise im letzten Winter und selbst im Frühjahr noch in der Anschaffung von Waaren verfuhren. Die Nachfrage nach Waaren macht sich mit jedem Tage mehr geltend, und an die Fabriken von Baumwollwaaren werden die stärksten Anforderungen gestellt. Der Handel zeigt eine bemerkenswerthe Ungeduld, sich die kontraktlich bestellten Waaren schnellstmöglich zu sichern. Den Anlaß für diese Erscheinung giebt der Stand des allgemeinen Geschäfts in allen Theilen des Landes. Nirgends sind starke Vorräthe vorhanden. Die Lager sind geräumt, und die Aussichten auf den Herbst sind im Hin⸗ blick auf die Ernteergebnisse und die Besserstellung der Arbeiter ermuthigend. Die Preise haben sich unter diesen Umständen befestigt, und eine weitere Aufwärtsbewegung scheint unvermeidlich zu sein. Es ist kaum zu bezweifeln, daß die Bewegungen des Handels in dem be⸗
orstehenden Herbst beträchtlich über das Niveau der letzten 3 Jahre
hinausgehen werden. Im großen Ganzen hat sich die Lage besonders durch den Umstand gebessert, daß die Geschäfte treibende Bepölkerung, sowohl im Klein⸗ als im Großhandel, finanziell besser gestellt ist, als seit zwei Jahren. Die nicht zahlungsfähigen Firmen sind entweder untergegangen, oder haben sich mit ihren Gläubigern ab⸗ gefunden. Dadurch ist eine solidere Grundlage für das Geschäft der nächsten Jahre geschaffen. Der Kreislauf der Geldmittel, von den Farmern und Kleingeschäften bis hinauf in die höchsten Regionen des Großhandels wird ein lebhafterer sein. — Die Devisenkurse haben sich bei anhaltend unveränderter Festigkeit auf einer Höhe gehalten, welche den Export von Gold ermöglichte. Nur das Erscheinen von Waarentratten auf dem Markt kann in die Sache eine Aende⸗ rung bringen. Solche werden aber voraussichtlich nicht vor mehreren Wochen den Wechselmarkt erleichtern.
Wien, 19. August. (W. T. B.) Der Halbjahr⸗Abschluß der Oesterreichischen Kreditanstalt weist folgende Gewinne auf: Provisionen inkl. des Gewinnes an Waaren 748 409 Fl., Zinsen 2 234 513 Fl., Devisen 301 911 Fl., Gewinn an Effekten und Konsortialgeschäften 303 773 Fl., Verschiedenes inkl. 65 436 Fl. Gewinnvortrag vom Jahre 1894 126 099 Fl., Gewinn bei der Bank⸗ und Waarenabtheilung der Ungarischen Allgemeinen Kreditbank 100 815 Fl., zusammen 3 815 522 Ft diesen Gewinnen stehen an Lasten und Verlusten gegenüber: Gehälter 560 320 Fl., Spesen 323 817 Fl., Steuern und Gebühren 288 875 Fl., Abschrei⸗ bungen an Forderungen bei den Filialen 193 Fl., Verschiedenes 21 549 Fl., zusammen 1 194 756 Fl. Der Reingewinn für das 1. Semester 1895 beträgt 2 620 765 Fl. Die Ergebnisse der Kon⸗ sortialgeschäfte sind, soweit sie am 30. Juni vollständig abgerechnet waren, in dieser Aufstellung berücksichtigt.
St. Petersburg, 19. August. (W. T. B.) Rußlands Getreide⸗Export. In der Woche vom 11. August bis 17. August cr. sind über die Haupt⸗Zollämter 8 245 000 Pud Getreide ausgeführt worden. Davon entfielen auf Weizen 3 269 000 Pud (gegen 4 086 000 Pud in der Vorwoche), Roggen 1 323 000 Pud (gegen 1 457 000 Pud in der Vorwoche), Gerste 1 947 000 Pud (gegen 2 044 000 Pud in der Vorwoche), Hafer 1 456 000 Pud (gegen 1 773 000 Pud in der Vorwoche), Mais 250 000 Pud (gegen 186 000 Pud in der Vorwoche).
Bern, 20. August. (W. T. B.) Die Betriebseinnahmen oder Jura⸗Simplon⸗Bahn betrugen im Monat Juli 2 869 000 Fr., die Ausgaben 1 423 000 Fr., mithin Ueberschuß 1 446 000 Fr. gegen 1 299 264 Fr. im Juli 1894. Der Einnahme⸗Ueberschuß betrug von Januar bis Juli 6 373 433 Fr. gegen 6 411 957 Fr. vom Januar bis Juli 1894. 8 1 — b
Berich, 19. August. (W. T. B.) Die Betriebs⸗Einnahmen der Schweizerischen Nordostbahn betrugen i 1895
18. August
str den Personenverkehr 1 178 000 (im Juli 1894 1 109 651) Fr., r den Güterverkehr 1 120 000 (im Juli 1894 977 219) Fr., diverse Einnahmen im Juli 1895 101 683 (im Juli 1894 97 554) Fr. Totaleinnahme im Juli 1895 2 399 683 (im Juli 1894 2 184 424) Fr. Die Betriebs⸗Ausgaben betrugen im Juli 1895 1 131 149 (im Juli 1894 956 301) Fr. Demnach Ueberschuß im Juli 1895 1 268 534 (im Juli 1894 1 228 123) Fr. 4
„Amsterdam, 19. August. (W. T. B.) Jabva⸗Kaffee good ordinary 55 ¼. — Bankazinn 39 ⅛.
Verdingungen im Auslande.
Oesterreich⸗Ungarn. “
14. November. Stadtverwaltung, Evidenzbureau, in Wien: Ausarbeitung der Pläne für die Einrichtung eines elektrischen Tram⸗ waynetzes im Innern der Stadt Wien. Die Arbeiten der Bewerber müssen von Angeboten für den Bau und den Betrieb der Tramway linien begleitet sein.
Italien. — 27. August, 3 Uhr. Pyrotechnisches Laboratorium in Bologna: Lieferung von 2800 qm weißer “ Voranschlag 3500 Fr. Kaution 350 Fr. Lieferzeit 40 Tage.
27. August. Ebendaselbst: Lieferung von 140 000, kg
Mulden⸗Blei. Voranschlag 44 800 Fr. Kaution 4480 Fr. Liefer⸗ zeit 90 Tage. . 228. August, 10 Uhr. Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Rom und Präfektur von Ravenna: Baggerarbeiten im Hafenkanal Corsini und Nebenarbeiten für den Zeitraum vom 1. Januar 1896 bis zum 30. Juni 1902.
29. August, 3 Uhr.
8— Direktion der Bauwerkstätten in Neapel: Lieferung von Eisen.
Lieferun Voranschlag 17 416 Fr. Kaution 1742 Fr. Lieferzeit 50 Tage.
.30. August, 3 Uhr. Ebendaselbst. Lieferung von 19 580 kg weichen Stahlblechs in zwei Loosen. Total⸗Voranschlag 10 870 Fr. Kaution 1087 Fr. Lieferzeit 50 Tage.
Rumänien. 12. September. Polizei⸗Präfektur Bukarest. 2220 m ver⸗ schiedenes Tuch, 240 m Goldborte, 150 m rother Atlas, 2940 m Drill, 5400 Metallknöpfe, 1628 m Matratzenleinwand, 500 Tschakos, 1240 Käppis, 1240 Helme, 200 Revolver mit Taschen (britisch).
Verkehrs⸗Anstalten.
Die „Zeitschrift für den internationalen Eisenba transport“, die von dem Zentralamt in Bern herausgegeben wird, hat in der Nr. 8 vom August d. J. folgenden Inhalt: Amtlicher Theil: Internationales Uebereinkommen. Aenderungen in der Liste der Eisenbahnen. — Gesetze und Vollzugs⸗Verordnungen. Gegenstände, auf deren Beförderung das J. U. keine Anwendung findet. Ungarn. Reihenfolge der Beförderung der Güter in Rußland.
ilguttarife in Rußland. Bestimmungen für das Auf⸗ und Abladen der Güter in Rußland. Beförderung von Kesselrückständen. — Aus dem Geschäftskreis des Zentralamts. — Nichtamtlicher Theil. Diplo⸗ matische Konferenz. Die große Sibirische Eisenbahn. Rechtsprechung. Verschiedene Mittheilungen. — Verzeichniß der internationalen Tarife. — Bücherschau.
Bremen, 19. August. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Fulda“ ist am 17. August Nachmittags von New⸗York nach der Weser abgegangen. Der Postdampfer „Roland“ ist am 16. August in Montevideo angekommen. Der Postdampfer „Weser“ hat am 17. August Abends Las Palmas passiert. Der Fostdanpfer „Braunschweig“ hat am 17. August Nachmittags rawle Point passiert. Der Reichs⸗Postdampfer „Preußen“ ist am 18. August Vormittags in Hongkong an⸗ ekommen. Der Reichs⸗Postdampfer„Darmstadt“ hat am 17. August
bends die Reise von Southampton nach Antwerpen fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Gera“ hat am 18. August Nachmittags die Reise von Port Said nach Suez fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Trave“ ist am 19. August Nachmittags auf der Weser an⸗ gekommen. Der Schnelldampfer „Saale“ hat am 19. August Morgens Lizard passiert. Der Postdampfer „München“ hat am Abends Lizard passiert. Der Reichs⸗Postdampfer „Karlsruhe“ hat am 19. August Vormittags die Reise von Genua nach Southampton fortgesegt.
London, 19. August. (W. T. B.) Der Uniondampfer „Spartan“ ist am Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abgegangen. Der Uniondampfer „Norman“ ist am Sonnabend auf der Heimreise in Plymouth angekommen. Der Uniondampfer „Trojan“ ist am Sonntag auf der Heimreise von den Canarischen Inseln abgegangen. Der Castle⸗Dampfer „Methven Castle“ ist Sonnabend auf der Ausreise von Southampton abgegangen. Der Castle⸗Dampfer „Courland“ ist Sonntag auf der Ausreise in Durban (Natal) angekommen.
Tvheater und Musik. 8
Königliches Schauspielhaus.
Die gestrige Aufführung des wirkungsvollen Niemann’'schen Lust⸗ spiels „Wie die Alten sungen“ erweckte dadurch besonderes In⸗ teresse, daß Frau Clara Meyer, das Ehrenmitglied der Königlichen Bühne, zum ersten Mal die Annaliese spielte. Sie hat diesen ersten Schritt in das ältere Fach mit Würde ausgeführt und brachte das liebenswürdige Wesen der immer noch anmuthigen, wenn auch alternden Fürstin vollendet zur Geltung. Die übrige Besetzung war die bekannte. Der köstliche Humor in den Scenen zwischen dem alten Dessauer (Herr Molenar) und der Hökerin (Frau Schramm) wurde vom Publikum wieder herzlich belacht.
In Kroll's Theater bringt die Königliche Oper morgen Verdi's „Troubadour“ unter Kapellmeister Suchers Leitung zur Auf⸗
führung. Herr Heinrich Bötel singt den Manrico, die Leonore Fräulein Hiedler, die Azucena Frau Götze, Herr Strathmann vom Mainzer Stadttheater als Gast den Luna.
Im Königlichen Schauspielhause geht morgen Shakespeare'’s „Sommernachtstraum“ folgendermaßen besetzt in Scene: Zettel: Herr Vollmer, Squenz: Herr Blencke, Hermia: Frau von Hochen⸗ burger, Helena: Fräulein Lindner, Titania: Fräulein von Mayburg, Demetrius: Herr Matkowsky. Frau Conrad tritt als Puck auf. Die Musik von Felix Mendelssohn⸗Bartholdy gelangt unter Mitwirkung “ Kapelle und Leitung des Kapellmeisters Dr. Muck zu
ehör.
Emanuel Reicher wird in der morgen im Deutschen Theater stattfindenden Aufführung des Wolzogen’schen Lustspiels „Das Lumpengesindel“ wieder die Rolle des Dr. Kern spielen. Die anderen Rollen liegen in den Händen der Damen Else Lehmann, Ferdinande Schmittlein, Paula Eberty sowie der Herren Hermann Nissen, Her⸗ Pen Mler Rudolf Rittner, Max Reinhardt, Ernst Pittschau und
anns Fischer.
Herr Intendant Prasch ist an der Stätte seines neuen Wirkungs⸗ kreises eingetroffen und hat die Leitung des Berliner Theaters übernommen. Die neue Saison wird am 31. August mit Heinrich von Kleist's „Penthesilea“ eröffnet werden. Am 1. September gehen dann zur Jubelfeier des Tages von Sedan Ernst von Wildenbruch's „Bernhard von Weimar“ und das Festspiel „Hohenzollern“ von Aloys Prasch und Maximilian v. R. in Scene. — Der Billetverkauf für die ersten Vorstellungen beginnt am 28. August an der Tageskasse von 9 ⅛ bis 1 ½ Uhr. Schriflliche Bestellungen werden an die Direktion erbeten. Die Ausgabe der Abonnementshefte erfolgt vom 20. bis 31. August von 10 —2 Uhr im Bureau des Theaters.
Im Lessing⸗Theater wird das neuengagierte Mitglied Emanuel Stockhausen, ehemals am Berliner Theater, seine schau⸗ spielerische Thätigkeit am nächsten Sonnabend in José Echegaray’s „Mariana“ beginnen, und zwar in der Rolle des Daniel
ontoya.