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Der Kaiserliche Botschafter am Königlich spanischen Hofe, Wirkliche Geheime Rath von Radowitz ist von dem ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft in San Sebastian wieder übernommen.
Stettin, 13. September. Seine Majestät der Kaiser und König hat, wie die „Ostsee⸗Zeitung“ meldet, an den Ober⸗Präsidenten der Provinz Pommern, Staats⸗ Minister von Puttkamer nachstehenden Erlaß gerichtet: „Es haben Mir, wie der Kaiserin und Königin, Meiner Ge⸗ mahlin, bei dem diesmaligen Besuch der Provinz Pommern deren Bewohner einen überaus warmen und patriotischen Empfang bereitet, welcher von neuem Zeugniß ablegt von der Treue, mit der 12 zu allen Zeiten an Meinem Hause gehalten haben. anz besonders freudig sind Wir durch die glänzenden Ver⸗ anstaltungen der Stadt Stettin berührt worden. Ich habe hieraus die wohlthuende Ueberzeugung gewonnen, daß das Andenken Meines hochseligen Herrn Vaters Majestät, der so gern als Statt⸗ halter von Pommern hier weilte, in ungeschwächter Ver⸗ ehrung fortlebt. Indem J Sie beauftrage, den Ausdruck Unserer lebhaften Freude und wärmsten Dankes zur Kenntniß der Provinz zu bringen, füge Ich gleichzeitig Meine dankende Anerkenung für die vortreffliche und herzliche Aufnahme hinzu, welche die Kreise und Ortschaften der Provinz, denen in diesem Jahre durch die größeren Truppenzusammenziehungen besonders hohe Lasten auferlegt worden sind, den Truppen durchweg haben zu theil werden lassen. Stettin, den 12. September 1895. Wilhelm. An den Ober⸗Präsidenten der Provinz Pommern.“ Der Ober⸗Bürgermeister von Stettin, Geheime Regie⸗ rungs⸗Rath Haken hat ““ Bekanntmachung veröffentlicht: „Seine Majestät der Kaiser hat Allergnädigst wiederholt Seine Freude über die sichtbare glückliche Entwickelung Stettins aus⸗ esprochen und mich beauftragt, der Bürgerschaft Stettins für den Empfang und die überaus geschmackvolle Aus⸗ schmückung der Stadt sowie die in jeder Beziehung ge⸗ lungene prächtige Festfahrt auf der Oder den Allerhöchsten Dank auszusprechen. Auch Ihre Majestäten der Kaiser von Oesterreich und der König von Sachsen versicherten wiederholt Ihre Freude, daß Sie in Stettin so herzlich wie in Ihrer Heimath von der Bevölkerung empfangen und begrüßt seien. Seine Majestät der Kaiser von Oester⸗ reich hat der Stadt zur Vertheilung an die Armen ein Geschenk von 4000 ℳ Allergnädigst überwiesen.“
Homburg v. d. Höhe, 12. September. Seine König⸗ liche Hoheit der Prinz von Wales ist heute nach Beendigung seiner dreiwöchigen Kur von hier abgereist.
Württemberg.
Ihre Majestäten der König und die Königin sind am Mittwoch Nachmittag, nach herzlichster Verabschiedung von Ihren Majestäten der Königin und der Königin⸗Regentin der Niederlande, von Het⸗Loo abgereist und gestern Vor⸗ mittag in Marienwahl bei Ludwigsburg eingetroffen, wo Allerzöchstdieselben einen mehrwöchigen Aufenthalt nehmen werden. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Pauline ist noch für einige Zeit in Holland zurückgeblieben. Braunschweig.
Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Regent des Herzogthums Braunschweig, trifft morgen Abend über Hannover in Braunschweig ein und wird sich am 15. d. M. früh nach Schloß Hummelshain begeben.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.
Der Kaiserliche Statthalter in Elsaß⸗Lothringen Fürst zu Hohenlohe⸗Langenburg hat gestern Coburg wieder verlassen.
Der Landtag des Herzogthums Coburg wird im nächsten Monat zusammentreten. Unter den zahlreichen Vor⸗ lagen, welche das Staats⸗Ministerium demselben machen wird, befindet sich auch, wie die „Cob. Ztg.“ vernimmt, ein Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Erhöhung der Gehälter der Volks⸗ schullehrer. 8
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Oesterreich⸗Ungarn.
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Der Kaiser ist heute Vormittag 9 ³¾ Uhr mittels Sonderzuges von Stettin in Wien wieder eingetroffen. Die vor dem Bahnhof angesammelte Menge bereitete Allerhöchst⸗ demselben eine spontane Ovation.
Der „Pester Lloyd“ schreibt: „Die Stettiner Manöver sind in diesem Jahre ein Abschluß der Jubiläumsfestlichkeiten, in denen Deutschland den fünfundzwanzigjährigen Bestand seiner nationalen Einheit gefeiert hat, und ein charakteristischer Abschluß, denn diese Armee, mit deren Vollkommenheit auch die österreichisch⸗ungarische Armee wetteifert, hat keine andere Bestimmung, als die Erhaltung des Friedens zu sichern. Deutschland ist ein Reich des Friedens, wie auch Oesterreich⸗ Ungarn und Italien es sind, wie sie aus Neigung der diese Staaten bewohnenden Völker und deren v. es sind. Das ist jene unzerstörbare
armonie, die den Dreibund festigt, jene unzerstörbare Har⸗ monie, die es bewirkt, daß man bei uns für die unserem Herrscher sinnverwandten Friedensfürsten dieselbe Verehrung hegt, die man dem Kaiser und König Franz Joseph in Deutsch⸗ land dargebracht hat.“
Bei den am 10. d. M. in den Städten und Handels⸗ kammern Dalmatiens vollzogenen Landtagswahlen wurden acht den gemäßigten Kroaten angehörige Kandidaten, zwei der italienischen und einer der serbischen Partei gewählt.
Großbritannien und Irland.
Die Ernennung des bisherigen britischen Botschafters in St. Petersburg, Sir Frank C. Lascelles, zum britischen Botschafter in Berlin ist, laut Meldung des „W. T. B.“, gestern in London amtlich bekannt gemacht worden. Der bis⸗ herige britische Gesandte in Peking O '(Conor geht als Bolschafter nach St. Petersburg.
Bei der gestern in Limerick Ersatz⸗
wahl zum Unterhause für den im Gefängniß befindlichen
Dynamitarden Daly, dessen Wahl für ungültig erklärt war,
wurde O'Keefe, ein Mitglied der Mac Carthy⸗Partei, mit
1836 Stimmen gegen den Parnelliten Nolan gewählt, welcher Stimmen erhielt. “
Der deutsche Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe be⸗ sichtigte gestern mit dem Botschafter Fürsten Radolin die deutschen Wohlthätigkeitsanstalten in St. Petersburg und trat dann Abends die Rückreise nach Werki an. Am Bahnhof waren anwesend: der Botschafter Fürst Radolin, der bayerische Gesandte Freiherr von Gasser, der Botschaftsrath von Tschirschky und Bögendorff, der Konsul Maron sowie die übrigen Mitglieder der deutschen Botschaft, der bayerischen Gesandtschaft und des deutschen Konsulats.
Belgien.
I Nach der „Indépendance Belge“ ist in einem Minister⸗
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rath unter Vorsitz des Königs über die künftige Regelung der Stellung der belgischen Offiziere im Congo⸗ staat berathen worden, damit die ausländische Presse auf — die beiden verschiedenen Begriffe der Zugehörigkeit zu Belgien und zum Congostaat zu vermischen. Die belgischen Offiziere im Dienste des Congostaats sollen als beurlaubt und nicht mehr zur belgischen Armee gehörig anzusehen sein. Türkei.
Die in der gestrigen Nummer d. Bl. in der Meldung des „W. T. B.“ aus Konstantinopel als von der Pforte in der armenischen Reformfrage angenommen bezeich⸗ neten fünf Punkte betreffen Folgendes: Freie Mudir⸗ wahl; Ernennung der Verwaltungsfunktionäre je nach der Majorität der Bevölkerung, Füüehicaaen die Ernennung der Gouverneure, welche stets Muhamedaner sein müssen; Einreihung von Christen in die Gendarmerie; Einführung von Feldhütern; Instandhaltung und Inspizierung der Ge⸗ fängnisse. Diese Zugeständnisse decken sich, dem „W. T. B.“ zu⸗ folge, zwar nicht genau mit den Vorschlägen, jedoch hielten die diplomatischen Kreise eine Verständigung für wahrscheinlich. Nach den Berichten der Botschafter hätten die Zugeständnisse einen guten Eindruck in St. Petersburg gemacht; von Paris werde ein Gleiches erwartet. Die Haltung Englands sei noch
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Der Großfürst⸗Thronfolger von Rußland, der Großfürst Alexander Michailowitsch und die Groß⸗ fürstin Tenia Alexandrowna sind gestern an Bord des „Polarstern“ von Kopenhagen nach Libau abgereist.
In Madrid sind Meldungen aus Tanger von gestern eingetroffen, wonach arabische Riffkabylen, die dort ihren Wohnsitz haben, die unter dem Schutz Portugals stehenden Riffkabylen angegriffen haben. Auf dem großen Markt⸗ platze kam es zum Kampf, wobei mehrere Personen getödtet bezw. tödtlich verwundet wurden. 3
Entscheidungen des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
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Im Eingang des Vorfluth⸗Gesetzes vom 15. November 1811
(„Die Nachtheile, welche durch das Anstauen des Wassers bei den
Mühlen und das zeitige Verfahren bei Anordnung der Vorfluth für die Landschaft entstehen, veranlassen Uns, folgende nähere Be⸗ stimmungen darüber zu erlassen“) muß es, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts, III. Senats, vom 4. Februar 1895, an⸗ statt „Landschaft“ — „Landwirthschaft“ heißen.
Ferner hat das Ober⸗Verwaltungsgericht durch dasselbe Urtheil ausgesprochen, daß unter der Bodenkultur, von der in den §§ 5 und 11 (bezw. § 13) des Vorfluth⸗Gesetzes die Rede ist, eine der Landwirtbschaft zufallende Aufgabe zu verstehen ist. und daß demnach die Ausbeutung einer Lehmgrube zu Ziegeleizwecken keine die Bodenkultur fördernde Thätigkeit ist. — Der Gutsbesitzer Sch. zu O. im Regierungsbezirk Bromberg beantragte auf Grund des Vorfluthgesetzes bei dem zuständigen Kreisausschusse, ihm behufs Entwässerung einer ihm gehörigen dem Ziegeleibetriebe dienenden Lehmgrube die Anlegung einer unterirdischen Röhren⸗ leitung auf dem Grundbesitz seines Gutsnachbarn sowie die Ein⸗ führung des durch diese Röhrenleitung abfließenden Wassers in einen auf dem Nachbargrundstück befindlichen, dem Nachbar gehörigen Ent⸗ wässerungsgraben zu gestatten. Der Kreisausschuß entsprach diesem Antrag und setzte eine an den Nachbar zu entrichtende Entschädigung von 50 ℳ fest. Der Nachbar war aber damit nicht einverstanden, und er erhob Klage auf Aufhebung des Beschlusses des Kreisausschusses. In der Berufungsinstanz erstritt Kläger ein obsiegliches Urtheil, und der vom Beklagten Sch. hiergegen eingelegten Revision versagte das Ober⸗Verwaltungsgericht den Erfolg, indem es begründend ausführte: „Das Vorfluthgesetz soll in der Hauptsache den Interessen der Land⸗ wirthschaft dienen. Das ergiebt sich schon aus dem Eingange des Gesetzes. Hierbei ist zu bemerken, daß das auffällige Wort „Landschaft“, welches übrigens bisher schon stets als gleich⸗ bedeutend mit dem Ausdrucke „Landwirthschaft“ aufgefaßt worden ist, lediglich infolge eines Schreib⸗ oder Druck⸗ fehlers in der in der Gesetz⸗Sammlung veröffentlichten Fassung des Gesetzes an Stelle des Wortes „Landwirthschaft“ steht. Wie nämlich die von dem Ober⸗Verwaltungsgericht eingesehenen Mate⸗ rialien zu jenem Gesetze zeigen, enthielten die sämmtlichen Entwürfe desselben, und insbesondere auch der durchberathene und fertige Ent⸗ wurf, der dem König vorgelegt wurde, an jener Stelle den Ausdruck „Landwirthschaft“. — Weist schon dieser Umstand darauf hin, daß unter der Bodenkultur, von der in den §§ 5 und 11 (bezw. § 13) des Vorfluthgesetzes die Rede ist, eine der Landwirthschaft zufallende Aufgabe zu verstehen ist, so steht dies auch mit der Bedeutung die dem Worte nach dem allgemeinen Sprachgebrauch beizulegen ist, im Einklang. Während der Landbau überhaupt darauf gerichtet ist, die in dem Boden ruhenden Stoffe und Kräfte zur Produktion bestimmter Pflanzen zu verwenden, kennzeichnet sich die Bodenkultur im besonderen als diejenige Thätigkeit des Landwirths, welche bezweckt, bei bereits landwirthschaftlich benutztem Boden dessen Produktionskraft zu erhalten, zu verbessern und zu erhöhen, sowie solchen Boden, welcher bisher der landwirthschaftlichen Produktion noch nicht gedient hat, hierzu fähig zu machen. Von diesem Wesen der Bodenkultur trägt die Ausbeutung einer Lehmgrube zu Ziegelei⸗ zwecken nichts an sich ...“ (III 161.)
— — Gegen die Veranlagung der Nachsteuer bei Gewerbe⸗ steuerpflichtigen, welche entgegen den Vorschriften des Gewerbe⸗ steuergesetzes vom 24. Juni 1891 bei der Veranlagung übergangen oder steuerfrei geblieben sind, ohne daß eine strafbare Hinterziehung der Steuer stattgefunden hat, gemäß § 78 des Gewerbesteuergesetzes, steht nach einer Entscheidung des Ober⸗Verwaltungsgerichts, VI. Senats, 1. Kammer, vom 21. Februar 1895, dem Steuerpflichtigen das Rechtsmittel der Berufung an die Bezirksregierung und sodann die Beschwerde an das Ober⸗Verwaltungsgericht zu. (VI. G. 120.) 3
—— Bei Bauanlagen, welche unter der Herrschaft einer älteren Baupoltzeiordnung ohne die erforderliche Genehmigung der Baupolizei hergestellt und erst nach dem Inkrafttreten einer an Stelle der älteren getretenen neuen Baupolizeiordnung polizeilich geprüft werden, kann, nach einem Urtheil des Ober⸗Verwaltungs⸗
gerichts, IV. Senats, vom 3. April 1895, die Prüfung der polizei⸗ lichen Zulässigkeit nur nach Maßgabe der zur Zeit dieser Prüfung und der darnach erfolgenden Entscheidung geltenden Baupolizeiordnung vorgenommen werden. — Der Eigenthümer eines Hauses in Berlin stellte im Jahre 1871 im Dachgeschoß — dem sechsten Geschoß — seines auses eine Dachwohnung her, ohne hierzu die erforderliche polizeili henehmigung zu haben. Auf ein nachträgliches Gesuch um vülich⸗ migung wurden im Jahre 1872 für die Beibehaltung der u einrichtung bestimmte Bedingungen vorgeschrieben; diese wurden nicht erfüllt. Infolge eines Dachstuhlbrands im Jahre 1894 in dem gedachten Hause fand eine polizeiliche Prüfung des Dachstuhls statt, und hierbei wurde die Beseitigung der daselbst vorgefundenen Wohnungs⸗ einrichtung bedingungslos verlangt, weil nach § 37 a der Baupolizei⸗ ordnung vom 15. Januar 1887 niemals mehr als fünf zu dauerndem Aufenthalte von Menschen bestimmte Geschosse angelegt werden dürfen. Der derzeitige Eigenthümer des Hauses erklärte sich bereit, die im Jahre 1872 polizeilich gestellten Bedingungen zu erfüllen, und erhob, da die Polizeibehörde darauf nicht einging, Klage auf Aufhebung der Polizeiverfügung. Die Klage wurde vom Bezirksausschuß abgewiesen, und auf die Berufung des Klägers bestätigte das Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht die Entscheidung des Bezirksausschusses, indem es begründend ausführte: „Eine Genehmigung war nach § 1 der Baupolizeiordnung vom 21. April 1853 erforderlich. War aber eine solche Genehmigung nicht ertheilt, so bestand die Anlage jedenfalls nicht zu Recht. Einer solchen illegalen Anlage gegenüber kommen aber — auch wenn die Rechtswidrigkeit nur darin besteht, daß die Herstellung ohne die erforderliche Genebmigung erfolgt ist — die Bestimmungen d B lizeiordnung zur Anwendung. ..“ (IV. 538.) 1 “ 4
Statistik und Volkswirthschaft.
b Zur Arbeiterbewegung.
In Leipzig hat, wie die „Lpz. Ztg.“ berichtet, die Maler⸗ und Lackierer⸗Innung am Mittwoch beschlossen, auf die ihr von den ausständigen Gehilfen gemachten Gegenvorschläge (vgl. Nr. 219. 2 Bl.) erst in der nächsten Generalversammlung die Antwort zu er⸗ theilen.
Hier in Berlin haben die Malergehilfen in einer Ver⸗ sammlung am Mittwoch für das nächste Frühjahr einen allgemeinen Ausstand in Aussicht genommen. Die Versammelten beschlossen, wie die Blätter melden, die Einführung des Mindestlohnes zu ver⸗ langen; die achtstündige Arbeitszeit soll später angestrebt werden. — Zum Ausstande der Vergolder Berlins (vergl. Nr. 213 und 217 d. Bl.) theilt die Berliner „Volksztg.“ mit, daß sich bis jetzt 259 Personen im Ausstande befinden; davon sind 143 verheirathet (mit 192 Kindern), 116 ledig. Die Fabrikanten haben es zumeist abgelehnt, mit der Ausstandskommission zu verhandeln.
In Kopenhagen haben, wie der „Köln. Ztg.“ telegraphiert wird, 150 Arbeiter der dortigen Eisengießereien und Maschinen⸗ fabriken vorgestern die Arbeit eingestellt, weil der Fabrikantenverein sich weigerte, einen Mindest⸗Stundenlohn von 30 Oere (36 ₰) zu gewähr⸗ leisten. Der Ausstand dürfte allmählich auch in anderen Zweigen eine Einstellung der Fabrikthätigkeit herbeiführen; so waren gestern schon etwa 100 Former unbeschäftigt.
Kunst und Wissenschaft. Große Berliner Kunstausstellung 1895.
Bekanntmachung. Seine Maäjestät der Kaiser und König haben mittels Allerhöchsten Erlasses vom 29. August d. J. aus Anlaß der diesjährigen großen Berliner Kunstausstellung die große goldene Medaille für Kunst: 1) dem Maler, Professor Grafen Haxrrach in Berlin, 2) dem Maler Wilhelm Leibl zu Aibling in Bayern, 3) dem Maler Ferdinand Roybet in Paris, 4) dem Bildhauer Jules Clément Chaplain in Paris,
die kleine goldene Medaille für Kunst: 1) dem Maler Giov. Boldini in Paris, 2) dem Maler Paul Schroeter in München, 3) dem Maler Otto Heichert in Düsseldorf, 4) dem Maler Wilhelm Feldmann in Berlin, 5) dem Maler Alexander Harrison in Paris, 6) dem Maler Franz Roubaud in München, 7) dem Maler John S. Sargent in London, 8) dem Maler Arthur Ferraris in Wien, 9) dem Bildhauer Emilio Bisi in Mailand zu verleihen geruht. Berlin, den 11. September 1895. Die Ausstellungs⸗Kommission Der Vorsitzende. In Vertretung: Gustav Eilers.
Große Berliner Kunstausstellung. IX.*)
Viktor Müller — Wilhelm Leibl — Wilhelm Trübner — Hans Thoma.
L. K. — Besonderen Dank aller ernsten Kunstfreunde hat die Ausstellungskommission sich verdient, indem sie Werke von vier süddeutschen Malern vereinigte, die lange vergeblich um Anerkennung, ja nur um Verständniß bei ihren Zeitgenossen gerungen haben. Der älteste von ihnen, Viktor Müller ist bereits seit 24 Jahren todt; er starb mit dem Gefühl, sein reiches Talent nicht zu voller Entfaltung haben bringen zu können. „Ich komme mir wie ein Baumeister vor, dem ein großer Bau aufgetragen wurde, und ich kann doch nicht, ich muß sterben.“ Das sind die Worte, mit denen er vom Leben Abschied nahm. Sein erstes Werk, mit dem er sich in Deutschland bekannt machte — er hatte seine Studien in Antwerpen und Paris absolviert, von wo er erst 1858 nach seiner Vaterstadt Frankfurt übersiedelte —, die „Waldnymphe“ (1234 der diesjährigen Ausstellung) sollte anfangs zur internationalen Ausstellung in München (1863) garnicht zugelassen werden und wurde dann so ungünstig gehängt, daß seine Vorzüge garnicht zur Geltung kommen konnten. Die Kritik verfuhr mit dem Maler nicht viel glimpf⸗ licher als die Hängekommission. Man schalt ihn einen Franzosen⸗ nachahmer, und die sichere Technik und koloristische Kraft ver⸗ dankt er allerdings seiner Schulung im Atelier Conture's; aber mit der Gewandtheit dieses Akademikers verband Müller den Wahrheitsdurst des Naturalisten, den echt deutschen Hang zu romantischen Stoffen und den Ernst eines tiefangelegten Charakters. Wie wunderbar er es verstanden, die Poesie des deutschen Waldes zu verkörpern, lehrt das genannte Bild, bei dessen Würdigung in seiner heutigen Umgebung man sich steis vergegenwärtigen muß, daß es im Jahre 1862 entstanden
*) S. Nrn. 104, 111, 117, 122, 145, 160, 205 und 217 d. Bl.
ist. Das warm leuchtende Carnat, die zarte Modellierung des Frauenleibes, die monumentale Einfach⸗ heit in Anlage und Ausführung des Bildes sichern ihm einen Platz unter den ersten Meisterwerken deutscher Kunst. Auch das zweite ausgestellte Gemälde Müller’'s (1233), eine Illustration zu Victor Hugo’'s zehnbändigem Roman „Les Misérables“, giebt mit seinem feierlichen Ernst der landschaftlichen Herbststimmung, seinem breiten, alles Nebensächliche vernachlässigenden Vortrag einen guten Begriff von dem reichen malerischen Talent des lange verkannten Meisters. Wir verehren aber in ihm auch den Künstler, der zuerst in Deutschland energisch mit der kalten akademischen Ueberlieferung der älteren Schule brach und damit seinem Leibl und Thoma den rechten Weg wies. Auch Leibl, dessen neunzehn Bilder zum größten Theil mit Mühe ihren Besitzern für die Ausstellung abgeschmeichelt wurden, hatte anfangs vor der deutschen Kritik einen schweren Stand. Man verurtheilte seine Bilder als „Capricen, hinter denen der irregeführte Bildverstand einige Zeit nach Gedanken sucht, um schließlich seinen Irrthum einzusehen“. Tiefsinnige Gedankenmalerei ist allerdings Leibl's Sache nicht, ja man darf ihn vielleicht geradezu prosaisch nennen, und dennoch sind seine Schöpfungen für die Entwickelung der modernen Malerei bahnbrechend geworden. Sie sind, wie Muther treffend ausführt, „malerisch der vollkommenste Ausdruck der Ziele der Münchener Koloristenschule“. Auch heute be⸗ errscht kaum ein zweiter deutscher Maler so völlig souverän die Technik, wie Leibl, und als ehrlicher Charakter⸗ schilderer darf er einen Platz neben Menzel und Lenbach bean⸗ spruchen. Jedes neue Bild ruft erneutes Staunen über die fabelhafte Sicherheit von Auge und Hand hervor; mag nun der Maler breit spachtelnd seine Farben auftragen, sodaß die Formen scharf gemeißelt hervortreten, wie in dem Brustbild eines jungen Mannes mit Brille und Hut (1008) oder dem köstlichen Porträt eines graubärtigen Alten (1014), mag er flockig in der Art Rembrandt’s malen, wie in der Tischgesell⸗ schaft (1004) und den kleinen Studienköpfen, mag er schließlich aufs feinste alle Einzelheiten durcharbeiten, an emailglatter Pinselführung einem altflandrischen Meister es gleichthun, wie in seinem Hauptbilde „Bäuerinnen in der Kirche“, überall bleibt er ganz er selbst, nirgends beschleicht den Be⸗ schauer die Empfindung, daß der Künstler mit seinen Talenten kokettiert. Leibl malt, wie er malen muß und — wie nur er es vermag. Die Frische und Naivität seiner Natur hat etwas Erquickendes in unserer übersättigten und raffinierten Zeit. Es giebt für die Art, wie seine Bauern und Jäger dastehen oder sitzen, keinen treffenderen Ausdruck als das oberbayerische Dialektwort „stad“. Wie wunderbar hat er den Charakter des bayerischen Landvolks in den beiden „Dachauerinnen“ (1012) in ihrer steifen, altfränkischen Tracht zu geben verstanden! Welche Gemüthstiefe spricht aus den Kirchgängerinnen, die immer wieder und wieder den Malern Ausrufe staunender Bewunderung entlocken! Wie gesund und kraftvoll ist jede Faser dieser Kunst! Wer vor dem handwerklichen Können der Maler unserer Zeit keinen Respekt hat, muß angesichts der Werke Leibl’s mit seinen Vor⸗ würfen verstummen. Freilich hat man das Gefühl, als gehöre der Meister bereits der Geschichte an; aber, daß sein Wirken nicht ohne Einfluß auf die Jüngeren geblieben, lehrt am deutlichsten die Sonderausstellung von Bildern Wilhelm Trübner'’'s, die in dem Seitenraum 24 veranstaltet ist. In einem Porträt Trübner’'s von der Hand Leibl'’s (998) haben wir den äußeren Beweis für die Beziehungen beider Maler zu einander; deutlicher sprechen aber noch die Bilder T's. selbst von diesem Zusammenhang. Trübner ist 1851 in Heidelberg geboren, die frühesten seiner ausgestellten Bilder datieren aus dem Jahre 1872, sind also Werke eines einundzwanzigjährigen Jünglings; trotzdem muthen sie an wie die Schöpfungen einer bereits in sich abgeschlossenen Persönlichkeit. Die feine Farben⸗ stimmung dieser Interieurs, deren Gestalten fast an Velasquez gemahnen, ist so selbstverständlich, so sicher und einfach erzielt, daß man kein Suchen und Ringen eines jugendlichen Genies darin wahrneh⸗ men kann. Meisterhaft ist die Farbenstudie eines dunkelgekleideten Negers, der zeitunglesend sich auf einem dunkelgrünen Sopha niedergelassen hat und dessen schwarzer Kopf sich von einem blaugrüͤnen Hintergrund abhebt (1759). Mit diesen wenigen kühlen Lokaltönen hat Trübner ein über⸗ aus Leben hervorzuzaubern gewußt. An Leibl erinnert am stärksten Trübner's männlich kraftvolle Porträtauffassung, die die Bildnisse des Dichters Martin Greif (1751), des Kapellmeisters Gungl (1752) und die weiblichen Porträtstudien (1753 — 56) mit ihrer markigen, durch keck nebeneinander⸗ gesetzte Pinselstriche hervorgebrachten Modellierung gut repräsentieren. Trübner macht seinen Modellen keine Konzession, sucht nichts zu verschönern oder zu überschminken, aber auch der reizloseste seiner Köpfe hat Leben und Ausdruck. In scheinbarem Gegensatz zu diesem ehrlichen Naturalismus stehen die großen mythologischen und historischen Kompositionen Trübner’s, wie die Wilde Jagd (1763), die Gefangennahme Friedrich's des Schönen (1762) und die Illustration zum Freten Gesang von Dante'’s Hölle; hier machten sich die An⸗ lehnung an Feuerbach und eine gewisse Ungleichheit der koloristischen Kraft unangenehm geltend. Ganz selbständig und im Vollbesitz seiner Fähigkeiten zeigt sich T. dagegen in seinen Landschaften, unter denen besonders die 1894 ent⸗ standene — ein Motiv vom Bodensee — den erfreulichen Beweis liefert, daß der Maler auch frische, sonnige Sommer⸗ stimmung im Bilde sestzuhalten vermag, während er früher meist die melancholische Dämmerung mit kühlen Schatten und Halbtönen (man vergleiche besonders das Schloß Chiemsee 1749) bevorzugte. Wie zart die sonst so robuste Künstlernatur den Reiz der deutschen Waldeinsamkeit empfindet, beweist das kleine Landschaftsbild (1750), dem er durch die Staffage eines herrenlos weidenden 5 noch mehr Charakter verliehen hat. Freilich auf diesem Gebiet muß Trübner den Vorrang Hans homa einräumen, dessen Bilder mit den seinen und denen Leibl’'s gemeinsam ausgestellt sind. Thoma’s Bilder öffnen uns meist einen weiten Blick auf die hüglige Landschaft Mitteldeutschlands. Ein gewisser melancholischer Charakter haftet ihnen durch die trübe Farbenskala seiner Palette an; aber die Innigkeit deutschen Naturempfindens durchleuchtet sie alle. Stille Weltvergessenheit, über der ein Hauch von Märchenpoesie sich ausbreitet, gelingt Thoma am besten. Viele einer in diesem Jahre ausgestellten Bilder sind in Berlin ereits von früheren Ausstellungen bekannt. Auch die Ein⸗ wendungen, die sich gegen Thoma'’s etwas einseitige Stilisierung der Formen erhoben, sollen hier nicht wiederholt werden. Seine nythologischen Darstellungen, wie die „Fähre Charon’s“ (1727) und „Luna mit Endymion“ (1733), böten allerdings dazu
Veranlassung, und die Naivität, mit der der Künstler die Flucht nach Egypten (1731) in eine oberrheinische Landschaft verlegt, muthet nicht ganz ursprünglich an. Jedenfalls gehört auch dieser Maler zu jenen deutschen Künstlern, die ein reiches persönliches Empfinden für ihren Stil einsetzen und uns da⸗ durch für Vieles Ersatz bieten, was Anderen besser gelingt. — Die Räume, in denen Leibl’'s, Trübner’'s und Thoma's Werke vereinigt sind, sollten immer wieder von den Malern auf⸗ gesucht werden, die bei der Jagd nach neuen Effekten dicht daran sind, ihre künstlerische Individualität zu verlieren.
Ein „Gedenkblatt zur Vollendung des neuen Reichs⸗ tagsgebäudes“ ist soeben durch Eckstein's Verlag (Berlin, Wilhelmstraße 105) zur Versendung gelangt. Unter dem Protektorat des Vorsitzenden der Reichstags⸗Baukommission, Staatssekretärs, Staats⸗Ministers Dr. von Boetticher und unter Förderung seitens des Kaiserlichen Gebeimen Basraths, Professors Dr. Paul Wallot sowie der Reichstags⸗Bauverwaltung wurde vor etwa Jahresfrist mit dem Werk begonnen. Als Vorlage dazu diente ein von dem Maler Franz Th. Würbel geschaffenes Kolossalgemälde, das die Mitglieder der Reichstags⸗Baukommission sowie sämmtliche Mitarbeiter an dem Werke — Künstler, Industrielle, Kunsthandwerker und Hand⸗ werker — unter dem Bilde des Reichstagsagebäudes auf einem großen Tableau gruppiert zeigt. Die Reproduktion ist in Kupferätzung (Photogravüre) in dem Atelier von R. Angerer in Berlin herge⸗ stellt. Im Ganzen waren 270 Personen auf dem Blatt zu vereinigen und man darf dem Künstler nachrühmen, daß er diese schwierige Auf⸗ gabe mit Geschick zu lösen verstanden hat. In der Mitte, im Vorder⸗ grunde, ragt auf einem Postament die Büste Seiner Majestät des Kaisers mit Helm und Küraß der Gardes du Corps und um⸗ geworfenem Pelz empor. Neben und hinter der Büste sind nach dem Hintergrunde, durch Treppen und Podeste erhöht, die zum größten Theil in vorzüglicher Porträtähnlichkeit wiedergegebenen Per⸗ sönlichkeiten gruppenweise aufgestellt. Zwei Säulenschäfte im Hintergrunde, welche die Medaillonbildnisse der verewigten Kaiser Wilhelm I. und Friedrich tragen, rahmen das Bild des neuen Reichs⸗ tagsgebäudes ein. Mit dem künstlerischen vereint das Bild auch einen bleibenden historischen Werth. Der Preis eines Exemplars des im Format von 100: 125 cm gehaltenen Kunstblatts beträgt mit Rahmen 100 ℳ, ohne Rahmen 70 ℳ.
— Von der Reichs⸗Limeskommission werden, wie der „Schwäb. Merkur“ meldet, zur Zeit auf dem rechten Neckarufer ob Sulz, an der sog. Lägenhalde, Grabungen nach Spuren römischer Niederlassungen veranstaltet. Innerhalb einer ausgedehnten Um⸗ fassungsmauer sind bereits drei Wachtthürme mit 1,40 m dicken Mauern, sowie die Grundmauern mehrerer Ge⸗ bäude aufgedeckt worden. Festgestellt ist, daß neben einer militärischen Niederlassung sich dort auf einem Raum von etwa 160 m Länge und 100 m Breite auch eine bürgerliche Ansiedelung der Römer befand. Zabhlreiche Reste römischer Thongefäße, Lanzen⸗ spitzen, sowie einige römische Münzen aus
3 der römischen Kaiserzeit sind aufgefunden worden. Man hofft noch auf weitere Entdeckungen.
Literatur.
Soeben ist Hest 27 der „Entscheidungen des Bundes⸗ amts für das Heimathwesen“, im amtlichen Auftrage bearbeitet und herausgegeben von Dr. J. Krech, Kaiserlichem Gebeimen Regierungs⸗Rath, Mitglied des Bundesamts für das Heimathwesen, enthaltend die seit dem 1. September 1894 bis zum 1. September 1895 ergangenen wichtigeren Entscheidungen, im Verlage von Franz Vahlen in Berlin W., Mohrenstraße 13/14, erschtenen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen. Der Ladenpreis pro Exemplar (kartonniert) beträgt 2 ℳ
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Der internationale Ackerbau⸗Kongreß in Brüssel billigte, wie „W. T. B.“ meldet, in seiner gestrigen Nachmittagssitzung mit großer Majorität die Schlußfolgerungen des Berichts des belgischen Delegirten Allard im Sinne einer internationalen bimetallistischen Vereinigung, um dem landwirthschaftlichen Nothstand abzuhelfen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Sterblichkeits⸗ und Gesundheitsverhältnisse während des Monats Juli 1895. 1 Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts sind während des Monats Juli d. J. von je 1000 Einwohnern, auf das Jahr berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 24,0, in Breslau 37,8, in Altona 19,0, in Frankfurt a. M. 19,5, in Hannover 33,8, in Cassel 20,4, in Köln 28,0, in Königsberg 34,9, in Magdeburg 33,4, in Stettin 50,6, in Wiesbaden 22,5, in München 24,8, in Nürnberg 21,4, in Augsburg 28,4, in Dresden 24,2, in Leipzig 35,1, in Stuttgart 21,2, in Karlsruhe 18,9, in Braunschweig 32,2, in Hamburg 19,1, in Straß⸗ burg 25,0, in Metz 2, in Amsterdam 15,1, in Brüssel 18,6, in Budapest 25,9, in Christiania 19,4, in Dublin 23,8, in Edinburg 15,8, in Glasgow 19,6, in Kopenhagen 16,1, in Krakau 34,5, in Liverpool 28,9, in London 21,4, in Lvon 19,3, in Moskau 51,5, in Odessa 33,8, in Paris 20,02, in St. Petersburg 26,6, in Prag 25,3, in Rom?, in Stockholm 19,9, in Triest 26,4., in Turin (Juni) 19,1, in Venedig ?, in Warschau 26.9, in Wien 22,1, in New⸗ York 27,7. (Für die nichtdeutschen Städte ist der Zeitraum von 5 Wochen, vom 30. Juni bis 3. August, zusammengefaßt worden.) Der Gesundheitszustand im Monat Juli hat sich in der über⸗ wiegenden Mehrzahl der deutschen sowohl wie der nichtdeutschen Orte erheblich verschlechtert und die Sterblichkeit hat fast aller Orten, besonders in den deutschen, zugenommen, sodaß die Zahl der deutschen Orte mit sehr geringer Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer unter 15,0 pro Mille) von 38 im Juni auf 15 herabging. Einer solch geringen Sterblichkeit erfreuten sich: Allenstein, Bocholt, Flensburg, Krefeld, Lüdenscheid, Ober⸗ hausen, Obligs, Siegen, Soest, Viersen, Annaberg i. S., Konstanz, Weimar, Bremerhaven. Dagegen stieg die Zahl der deutschen Orte mit hoher Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer über 35,0 pro Mille) von 8 im Vormonat auf 42 im Juli und sollen hier aus der Zahl derselben nur diejenigen Orte, die eine Sterlichkeit über 40,0 erreichten, erwähnt werden, und zwar waren dies Aachen, Weißensee, Lichtenberg, Rixdorf, Brandenburg, Eisleben, Giebichen⸗ stein, Grabow, Halle, Herne, Inowrazlaw, Köpenick, Linden, Rathenow, Schalke, Stettin, Kieschen, Güstrow, Altenburg und von nichtdeutschen Städten Moskau. Das Sterblichkeitsmarimum, das im Juni 46,1 betrug, erreichte im Juli Grabow mit 64,4 pro Mille. Erheblich kleiner als im Vormonat war auch die Zahl der deutschen Orte mit Lünstiger Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer 15,0 bis 20,0 pro Mille), die von 91 im Vormonat auf 36 im Juli herabging. Wir führen aus der Zahl derselben hier an: Altona, Barmen, Bielefeld, Duisburg, Elberfeld, Frankfurt a. M., Gleiwitz, Hanau, Iserlohn, Nordhausen, Osnabrück, Paderborn, Rem⸗ scheid, Schleswig, Bayreuth, Karlsruhe, Peireebe. Oldenburg, Gotha, Bremen, Hamburg und von nichtdeutschen Städten Amsterdam, Antwerpen, Brüssel, Christiania, Edinburg, Glasgow, Kopenhagen, Lyon, Stockholm, Turin. Auch die Zahl deutscher Städte mit mäßig hoher Sterblichkeit (Sterblichkeitsziffer 20,0 bis 23,0) war kleiner als im Juni und sank von 51 im Vormonat auf 42 im Juli; wir zent⸗ nehmen der Zahl derselben hier nur Celle, Dortmund, Düren, gen, Cassel, Kiel, Kottbus, Minden, Potsdam, Thorn, Trier, Wies⸗ den, Kaiserslautern, Nürnberg, Zittau, Stuttgart, Ulm, Freiburg i. B., Schwerin i. M., Eisenach, Wolfenbüttel, Cöthen, Zerbst, Lübeck und von nichtdeutschen Städten London, Paris, Wien u. a.
Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Ge⸗ sammtsterblichkeit war im allgemeinen eine bedeutend ge⸗ steigerte; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in . 91, in Stuttgart 97, in Dresden 109, in München 123, in Berlin 127 Säuglinge. Diese Steigerung beruhte auf dem zahl⸗ reicheren Vorkommen von akuten Darmkrankheiten, die in fast allen größeren Orten, besonders Deutschlands, häufiger, in vielen Orten, wie immer im Juli, in ganz außergewöhnlicher Zahl auftraten und zum theil recht viele Opfer forderten. Namentlich zahlreich waren diese Todesfälle in Aachen, Altona, Barmen, Berlin und seinen Vororten Lichtenberg, Schöneberg, Rixdorf und Weißensee, ferner in Brandenburg, Charlottenburg, Danzig, Düsseldorf, Elberfeld, Elbing, Erfurt, Essen, Frankfurt a. M., Frankfurt a. O., Görlitz, Grabow a. O., Halle, Hannover, Köln, Königsberg, Linden, Magdeburg, Münster, Spandau, Stettin, Augsburg, Ludwigshafen München, Nürnberg, Dresden, Leipzig, Stuttgart. Mainz, Braun⸗ schweig, Gera, Hamburg, Mülhausen i. E., Straßburg, Amsterdam, Brüssel, Budapest, Christiania, Dublin, Glasgow. Kopenhagen, Liverpool, London, Lyon, Moskau, Odessa, Paris, St. Petersburg, Prag, Stockholm, Triest, Turin, Warschau, Wien, New⸗York u. a. — Die Sterblichkeit in den höheren Altersklassen hat dagegen abgenommen; zumeist wohl infolge der allgemein seltener vorkommenden akuten Entzündungen der Athmungsorgane, die in den meisten Städten des In⸗ und Auslandes weniger, nur in Aachen, Altona, Berlin, Breslau, Essen, Hannover, Stettin, Nürnberg, Dresden, London, Lyon, Paris, Prag, Warschau und Wien mehr Opfer als im Juni forderten. Auch Sterbefälle an Grippe waren seltener. Aus London wurden 22, aus Berlin und Breslau je 2, aus 8 deutschen Orten sowie aus Budapest, Moskau, Wien einzelne Todesfälle an Grippe gemeldet. — Auch Lungenschwindsucht führte etwas seltener als im Juni zum Tode.
Ueber das Auftreten der Cholera bekunden die Mittheilungen aus Wolbhynien (Rußland), daß die Epidemie daselbst noch nicht erloschen ist und daß sich die Seuche nach Galizien bin ausbreite. In der Türkei zeigt die Cholera im Vilajet Adana eine merkliche Ab⸗ nahme, in Tarsus, Sis, Hatchin, Messis, Bulanik, Mersina, Jumurtalik, sowie in den Vilajets Aleppo, Angora, Mamurat el⸗Aziz, Hudavendkjar herrschte Cholera in verschiedenen Ortschaften; in Sprien bildeten sich Ende des Monats neue Seuchenherde. In Egypten kamen in der QOnarantäne⸗ ion zu El⸗Tor vom 14. bis 20. Juli 6 Erkrankungen und desfälle an Cholera unter dem Militär vor. In Japan und
herrschte im Mai und Juni Cholera, Anfang Juli auch in
der chinesischen Grenze gelegenen Orten Wiju und Chölsan. asilien war die Epidemie im Thale des Parahyb
Janeiro gänzlich erloschen. In Sir griff die
itte Juli um sich. — Das G ie kam in den
Mittelamerikas Sonsonate und Salvador),
mperico (Guatemala), Tapachula und 2 ferner in
ana, Sant Jagode, Cuba, Cienfuegos, 3 Mitte Juli
zum Vorschein. In Swatau war de Juni im
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Berlin, Dresden, Halle, London, Moskau, Paris, St. Petersburg, Prag, Warschau ver⸗ mehrt, in Breslau, Chemnitz, Leipzig, München, Straßburg, Wien, Rew⸗York vermindert. Erkrankungen kamen aus Berlin, Breslau, München, Budapest, Edinburg, St. Petersburg, Wien und aus den Regierungsbezirken Arnsberg, Düsseldorf, Hildesheim, Posen, Trier, Wiesbaden wohl noch in zahlreichen, wenn auch gegen den Vormonat erheblich verminderten Fällen zur Anzeige. — Das Scharlachfieber forderte in Berlin, Breslau, Hamburg, Leipzig, Posen, London, Paris, Warschau, Wien etwas mehr, in Moskau, St. Petersburg, New⸗York etwas weniger Opfer; Erkrankungen waren in Berlin, Breslau, Edinburg, London, Paris, St. Petersburg, Wien zahlreich. — Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup blieb im allgemeinen eine beschränkte; in Breslau, Halle, Dresden, Leipzig, Stettin, Budapest, London, Odessa, Paris, Prag, Triest, Warschau, New⸗York war die Zahl der Sterbefälle ein wenig größer, in Köln, München, Liverpool, Moskau, St. Petersburg etwas kleiner, in Berlin, Chemnitz, Königsberg, Magdeburg, Kopenhagen, Wien nahezu die gleich große wie im Juni. Erkrankungen gelangten aus Berlin, Hamburg, Kopenhagen, London, Paris, St. Petersburg, Wien in zahlreichen Fällen zur Meldung. — Die Zahl der Sterbe⸗ fälle an Unterleibstyphus war in London, Moskau, St. Petersburg, New⸗York etwas gesteigert, in Liverpool und Prag vermindert. — An Flecktyphus kamen aus Hagen, Cassel, Moskau, Warschau einzelne Todesfälle, aus St. Petersburg mehrfache Erkrankungen zur Anzeige. An Genickstarre wurden aus New⸗York 26 Sterbe⸗ fälle, aus Hamburg, Kopenhagen, dem Regierungsbezirk Schleswig einzelne Erkrankungen berichtet. Dem Keuchhusten erlagen in Glasgow, Kopenhagen, Liverpool, London, Paris, New⸗York mehr Kinder als im Juni. Einzelne Todesfälle an Pocken kamen aus Antwerpen, Glasgow, Liverpool, Odessa, Paris, St. Petersburg, Triest zur Mit⸗ theilung; aus Mailand und Warschau wurden je 2, aus Budapest 3, aus London 6, aus Dublin 7 Todesfälle berichtet. Erkrankungen an Pocken gelangten aus St. Petersburg 12, aus Budapest 14, aus Paris 61, aus London 250 zur Anzeige. An Trichinosis erkrankten in Königsberg 3 Personen, von denen 1 starb. Aus Moskau wird 1 Todesfall an Tollwuth, aus St. Petersburg 1 an Rotz ge⸗ meldet.
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Tanger, 12. September. (W. T. B.) Gestern sind hier 8 Erkrankungen und 6 Todesfälle an Cholera vorgekommen.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 12. d. M. gestellt 11 377, nicht recht⸗ zeitig gestellt 795 Wagen. 1 In Oberschlesien sind am 11. d. M. gestellt 4341, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen.
Ausweis über den Verkehr auf dem Berliner Schlachtviehmarkt vom ll. September 1895. Auftrieb u. Markt⸗ preise nach Schlachtgewicht mit Ausnahme der Schweine, welche nach Lebendgewicht gehandelt werden. Rinder. Auftrieb 489 Stück. (Durchschnittspreis für 100 kg.) I. Qualität —,— ℳ, II. Qualität Schweine. Auftrieb 8093 Stück. (Durchschnittepreis für 100 kg.) Mecklenb. 98 — 100 ℳ, Landschweine: a. gute 94 — 96 ℳ, b. geringere 88 — 92 ℳ, Galizier —,— ℳ, leichte Ungarn —,— ℳ, bei 20 % Tara, Bakonver —,— ℳ bei — kg Tara pro Stück. — Kälber. Auftrieb 1726 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,22 — 1,26 ℳ, II. Qualität 1,16 — 1,20 ℳ, III. Qualität 1,06 — 1,14 ℳ — Schafe. Auftrieb 1211 Stück. (Durchschnittspreis für 1 kg.) I. Qualität 1,08 — 1,24 ℳ, II. Qualität 0,96 — 1,00 ℳ, III. Qualität —,— ℳ
Magdeburg, 12. September. Kornzucker, exkl., von 92 % —,—, 88 %˖ Rendement —,—, neue 9,85 — 10,05. Nachprodukte exkl., 75 % Rendement 7,00 — 7,60 Ruhig. Brotraffinade I 22,75 — 23,00. Brotraffinade II 22,50. Gem. Raffinade mit Faß 22,50 — 23,25. Gem. Melis I mit Faß 22,00. Ruhig. Rohzucker I. Produkt Transito f. a. B. Hamburg pr. September 9,45 Gd., 9,52 ½ Br., pr. Oktober 9,85 Gd., 9,90 Br., pr. November⸗ Dezember 10,02 ½ Gd., 10,07 ½ Br., pr. Januar⸗Februar 10,30 bez. und Br. Rubhig. 8
Köln, 12. September. (W. T. B.) In der heutigen Haupt⸗ versammlung der vereinigten Verkaufsstellen von Gießerei⸗ Roheisen wurde die kürzlich von einem Werk ergangene Kündigung zurückgenommen. Die Preise für Hämatit⸗Gießerei⸗Roheisen 1 und 3 wurden um 2 ℳ für die Tonne erhöht. Die Verhandlungen wegen
(W. T. B.) Zuckerbericht.
neue 10,65. Kornzucker exkl.,
Paris,