Oesterreich⸗Ungarn.
Die Kaiserin ist gestern Abend von Gödöllö in Wien eingetroffen.
In der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses gab der Finanz⸗Minister Dr. von Bilinski zunächst die ziffernmäßige Uebersicht über das Budget für 1896. Er führte aus, es sei keine leichte Aufgabe gewesen, eines,nüefliches Ueberschuß aufrecht zu erhalten. Das Bild für 1897 stelle sich eben nicht freundlich dar. In den nächsten Jahren und schon im Jahre 1897 sei für viele neue Erfordernisse Sorge zu tragen, und die Regierung sei verpflichtet zu sagen, wie sie diesen Gefahren be⸗ gegnen wolle. Von einmaligen Auslagen seien zunächst die für das Kommunikationswesen ins Nuße zu fassen. Für die Bahnlinie Halisz —Ostrow— Tarnopol seien noch 3 Millionen nothwendig, und außerdem noch zwei galizische Bahnen im gesammtstaatlichen Interesse durchzuführen. Ferner handele es sich im Süden um die Verbindung von Bosnien und Dalmatien mit der Linie Spalato—Arzaud; betreffs einer zweiten Verbindung mit Trient lägen mehrere Projekte vor, für deren eins man sich werde entscheiden müssen. Hierzu kämen noch die Erfordernisse für den Bau von Lokalbahnen; für die Vermehrung des Fahrparkes der Staatsbahnen werde auch die Summe von 10 Millionen Gulden nicht ausreichen. Rechne man hierzu noch die noth⸗ wendigen Hochbauten, die Bedürfnisse vieler größeren Städte und die Hilfeleistung für Triest, die doch nicht in bloßen Steuer⸗ freiheiten bestehen könnten, so kämen gewaltige Summenzusammen, die nicht durch die regelmäßigen Einnahmen gedeckt werden könnten. Schon jetzt seien viele Bedürfnisse durch Investitions⸗ fonds gedeckt. Er würde aber empfehlen, solche Fonds nur dann fest zu begründen, wenn deren Höhe im voraus festgesetzt und alle durch ein besonderes Gesetz bewilligt würden. Bei Erörterung der dauernden Auslagen betonte der Minister die Dringlichkeit der Regelung der durchaus unzulänglichen Pensionen der Wittwen und Waisen und Staatsbeamten, und stellte die Reform der Gehälter der Beamten, Hilfsbeamten und Diener mit dem 1. Januar 1897 in Aussicht, ebenso wie er seine Bereitwilligkeit zur Aufhebung des kleinen Lottos er⸗ klärte, wofern das Haus die erforderlichen Summen bewillige. Es handle sich aber viel mehr um die Deckung großer Ausgaben durch Mehreinnahmen. In dieser Hinsicht werde Oesterreich im Falle des Zustandekommens der Steuer⸗ reform an der Spitze Europas marschieren. Die seit 10 Jahren einzelnen Ländern gewährten Steuernachlässe und Ueber⸗ weisungen seien zwar begründet gewesen, doch müsse die Grundsteuer⸗Hauptsumme von 37,5 Millionen Gulden be⸗ stehen bleiben. Der Minister erklärte unter dem Beifall des Hauses, wenn dasselbe die Regierung unterstütze, so könnten die Einkommensteuergesetze am 1. Januar 1897 in Kraft treten. Bei der Besprechung der indirekten Steuern hob der Minister die Nachtheile des Prämiensystems für die Zucker⸗ industrie hervor. Der frühere Finanz⸗Minister habe eine internationale Regelung dieser Frage angeregt, doch sei diese angesichts des volkswirthschaftlichen Egoismus der Staaten unwahrscheinlich. Was das Branntweinmonopol anlange, so erklärte der Minister, er sei kein Anhänger des Monopol⸗ systems, aber er befürworte unter Hinweis auf das un⸗ garische Schankregal eine gewisse Erhöhung der gegenwärtigen Branntweinsteuer. Zur Börsensteuer übergehend, äußerte er, daß sie sich gut bewähre, daß sie aber nach der Ueberzeugung der Regierung noch ausgiebig erhöht werden könne. Fatürlich werde nichts geschehen, was einer Feind⸗ seligkeit gegen die Börse gleichsehen oder den Handel schädigen könne. Eine etwaige Besteuerung der Waarenbörsen werde von der Regierung studiert. Ein Theil der Einnahmen sei durch eine Erhöhung des Tarifs der Staatsbahnen zu be⸗ schaffen. Die Bankfrage müsse so gelöst werden, daß einerseits die Einheitlichkeit der Verwaltung erhalten, andererseits die 1887 Ungarn gesetzlich zugestandene Parität vollständig entfaltet werde. Die Verwendung der Kassenbestände zur Regelung der Beamtengehälter sei unstatthaft; dieselben vertheilten sich nach den einzelnen Ländern verschieden, und den Landeskassen müßten auch gewisse Rechte eingeräumt werden. Theilbeträge seien namentlich für Zwecke der Valutaregulierung gebunden, effektiv seien nur 22 Mil⸗ lionen Banknoten und Staatsnoten verfügbar. Die Geld⸗ noth des Wiener Marktes rühre von der Ueberspeku⸗ lation der Effektenbörse her; die Regierung fühle sich nicht berufen, zur Herabsetzung des Reports ein⸗ zugreifen. Ein zweiter Grund der Geldknappheit sei die be⸗ deutende Waarenaufspeicherung infolge des niedrigen Wasser⸗ standes der Wassertransportwege. Er habe in dieser Be⸗ ziehung einige Abhilfe durch die frühere Fälligmachung der Novemberverpflichtungen getroffen. Behufs Sanierung der ungesunden Marktverhältnisse solle eine Ausgabe von Baar⸗ mitteln an die Bank stattfinden; aus den heutigen geringen Kassenbeständen könne er zwar der Bank nicht zehn Millionen als Darlehen, wohl aber auf Girokonto geben, jedoch nicht einseitig verfahren, weil dies mit der Valutaregulierung zu⸗ sammenhinge. Der Minister sprach schließlich die Hoffnung aus, die Frage werde bei den Ausgleichsverhandlungen glück⸗ lich erledigt werden, und bat das Haus, den Staatsvoranschlag möglichst rasch zu erledigen, damit Platz für die angedeuteten Reformen, insbesondere die Steuerreform, geschaffen werde.
Lebhafter, andauernder Beifall und Händeklatschen folgten der Rede, der Minister wurde vielfach beglückwünscht.
Das Haus trat sodann in die Debatte über das Pro⸗ gramm der Regierung ein. Der Abg. Graf Küenburg konstatierte den sympathischen Eindruck, welchen die Aeußerung des Minister⸗Präsidenten über die Stellung des deutschen Volks gemacht habe; der Schutz des religiösen Gefühls in der großen Zahl der Konfessionen sei wohlbegründet, doch nur im Rahmen des Staatsgrundgesetzes. Da die Regierung selbst den Verdacht reaktionärer Bestrebungen uruͤckweise, so bestehe kein Gegensatz zu der liberalen
artei. dem wirthschaftlichen Programm der Regierung fehle der Hinweis auf die Interessen der Mittelklassen. Er theile die Auffassung des Ministers bezüglich des ungarischen Ausgleichs. Die Erklärung der Regierung enthalte keine aggresfive, vielmehr manche sympathischen Punkte Gegen⸗ über der Regierung werde die deutsche Linke eine freie Stellung einnehmen; von den Thaten der Regierung im Hause und in der Verwaltung mache die liberale Partei ihre weitere Haltung abhängig. Der Abg. Herold erklärte, die böhmische Frage bleibe der Angelpunkt der österreichischen Politik. Die Zustände in Böhmen seien durch die Nichtdurch⸗ führung der sprachlichen Gleichberechtigung verschuldet; die Stellung der deutschen Sprache auf allen Gebieten sei contra legem. Redner polemisierte alsdann gegen den Grundsatz, die traditionelle Stellung des deutschen Volkes zu beachten.
Die Verschiedenheit der Ziele der böhmischen Volkes nöthigten die Jungczechen zur Opposition; solle diese aufgegeben werden, müsse die Regierung den Stein des Anstoßes vorher beseitigen. Der Abg. Graf Hohenwart begrüßte die Erklärung des Minister⸗Präsidenten als das Programm einer starken, zielbewußten Regierung, welche jetzt mehr als je noth thue. Eine starke Regierung, welcher nur Oesterreichs Banner vorschwebe, sei vollkommen sicher, stets eine Majorität zu finden, welche gern und freudig folgen werde. Das Programm der Regierung enthalte nichts, was des Redners Partei nöthigen könne, auf irgend welche staatsrechtlichen, finanziellen und wirthschaftlichen Bestrebungen zu verzichten. Der Eindruck, den das Programm mache, sei im großen Ganzen ein günstiger und befriedigender. Die Partei des Redners blicke der Thätigkeit der Regierung mit Vertrauen entgegen. Der Abg. von Zaleski charakterisierte das Ministerium als ein streng konstitutionelles, nichtparlamentarisches, dessen Programm in keinem Punkte in Widerspruch stehe mit den Grundsätzen der Polen, insbesondere der Liebe und Dankbarkeit für den Kaiser. Die Polen hielten fest an der österreichischen Staatsidee in Verbindung mit der Autonomie der Länder und der Gerechtig⸗ kert und dem Wohlwollen allen Nationalitäten gegenüber. Da auch die Erneuerung des Ausgleichs mit Ungarn den Traditionen der Polen entspreche, würden sie die Regierung loyal unter⸗ stützen, zumal sie dem Chef der Regierung, dessen bisherige Wirksamkeit sie genau kennten, größtes Vertrauen entgegen⸗ brächten. Der Abg. Pattai legte in längerer Rede die Ziele der christlich⸗sozialen Partei dar, welche durchaus auf gesetzlichem Boden stehe, den sozialen Frieden und den Schutz des einheimischen arbeitenden Volkes gegen Ausbeutung erstrebe. Die christlich⸗ soziale Bewegung sei keineswegs gegen eine bestimmte Konfession gerichtet. In den Bestrebungen für den Schutz des Mittel⸗ stands stehe die christlich⸗soziale Partei auf einer Basis mit den Liberalen, der Gegensatz liege in der Bekämpfung jüdischer Ausbeutung. Der Redner wünschte den der kleinen Unternehmer, welche übler daran seien als die Arbeiter, und erklärte der Regierung gegenüber eine abwartende Stellung ein⸗ zunehmen. Der slovenische Abg. Ferjancic und der ruthenische Abg. Barwinski erklärten, die Haltung ihrer Parteien werde sich nach der Thätigkeit der Regierung richten. Hierauf wurde die weitere Berathung auf heute vertagt.
Der Abg. Kronawetter hat im Abgeordnetenhause eine Interpellation eingebracht wegen der Zuschrift des Nuntius Agliardi an den Agitator Pater Stojalowski, worin diesem der Aufenthalt außerhalb seiner Diözese Antivari verboten wird.
Bei der Ergänzungswahl zum Reichsrath im Teschener Städtebezirk wurde der Bürgermeister Demel in Teschen mit 1114 von 1963 Stimmen gewählt.
Gegenüber der von mehreren Seiten mit Bezug auf die Programmrede des Minister⸗Präsidenten “ Frage, wen eigentlich Graf Badeni zu führen gedenke, legt das „Fremdenblatt“ die betreffende Stelle dahin aus, daß die Regierung das Parlament führen, die Volksvertretung leiten und sie dorthin lenken wolle, wohin sie ihr in Erfüllung ihrer Aufgaben folgen könne. Wenn ein Staatsmann sich auf den Standpunkt stelle, daß er nicht Parteizwecken dienen, sondern stets die dringenderen An⸗ forderungen des Staats verwirklichen wolle; wenn er einen Weg einschlage, von dem er überzeugt sei, daß ihn jeder betreten müsse, der von wahrem Pflichtgefühl gegenüber den öffentlichen Interessen erfüllt sei, so sei es ja evident, daß er auf das Parlament zähle. Sein Ehrgeiz sei es nicht, Führer einer Partei oder der Parteien, sondern Führer des Hauses zu sein und zu bleiben.
Die Erläuterungen, auf welche sich der Finanz⸗Minister in seiner in der gestrigen Sitzung des Abgeordnetenhauses ge⸗ haltenen Rede bezogen hat, geben nachstehendes Bild der Finanzlage:
Im Staatsvoranschlage für das Jahr 1896 wird das Gesammt⸗ erforderniß mit 662 691 682 Fl., die Gesammtdeckung mit 662 902 808 Fl. präliminiert, so daß sich ein Ueberschuß von 221 226 Fl. ergiebt. Im Finanzgesetze für das Jahr 1895 wurde das Erforderniß mit 644 481 087 Fl., die Bedeckung mit 644 518 696 Fl. festgesetzt, was einen Ueberschuß von 37 609 Fl. bedeutet. Die für das Jahr 1896 nach dem vorliegenden Voranschlage resultierende Ueberschußziffer er⸗ scheint somit um 173 617 Fl. höher als jene des Finanzgesetzes per 1895. Bei Vergleichung dieser beiden Ueberschußziffern darf jedoch der Umstand nicht außer Acht gelassen werden, daß im Staatsvoranschlage für das Jahr 1895 eine ganz exceptionelle Post von 3 000 000 Fl. für unverzinsliche Vorschüsse und Unterstützungen anläßlich des Erd⸗ bebens in Krain und Steiermark eingestellt ist. Von den ersten fünf Kapiteln des Voranschlags weisen nur die Kapitel: „Reichsrath“ und „Ministerrath“ bemerkenswerthe Differenzen auf. Die Erhöhung des Erfordernisses bei dem erstgenannten Kapitel um 46 630 Fl. setzt sich aus einer Erhöhung des Ordinariums um 17 930 Fl. und des Extraordinariums um 28 700 Fl. zusammen. Die erstere ist vor⸗ nehmlich eine Folge des Umstandes, daß die Delegationen im nächsten Jahre in Budapest tagen werden; die letztere wird verursacht durch die Steigerung des für den Bau, bezw. die Ausschmückung des Par⸗ lamentshauses bestimmten Kredits.
Im Kapitel „Ministerrath“ resultiert ein Mehrerforderniß von 49 732 Fl. Das Gesammterforderniß, welches in Gemäßheit des Voranschlages für die gemeinsamen Angelegenheiten einschließlich der Zollüberschüsse im Jahre 1896 von der diesseitigen Reichshälfte zu bestreiten sein wird, beläuft sich auf 116 062 848 Fl., was gegen⸗ über dem für den gleichen Zweck pro 1895 bewilligten Kredit von 112 960 244 Fl. eine Erhöhung um 3 102 604 Fl. bedeutet.
Das Erforderniß für das Ministerium des Innern weist gegenüber dem Jahre 1895 eine Erhöhung von 386 660 Fl. auf. Das bedeutendste Mehrerforderniß, und zwar von 312 911 Fl., ergiebt sich im Titel: Politische Verwaltung in den einzelnen Ländern, und wird durch die Errichtung von 11 neuen Bezirke⸗Hauptmannschaften (3 in Niederösterreich, 1 in Salzburg, 2 in Böhmen, 2 in Mähren, 1 in Schlesien und 2 in Galizien), deren Erforderniß im Voranschlage mit einer viermonatlichen Tangente erscheint, ferner durch die Vermehrung des Personals bei mehreren Landesstellen, die Reorganisierung des Status des Sanitätsdienstes und durch die Präliminierung der Dienst⸗ alters⸗Personalzulagen hervorgerufen. Das beim Ministerium für Landesvertheidigung präliminierte Mehrerforderniß von 989 838 Fl. kombiniert sich im wesentlichen aus Mehransprüchen im Titel „Zentral⸗ leitung“ von 43 600 Fl., „Landwehr“ von 800 478 Fl., „Gendarmerie“ von 162 790 Fl. und einem Mindererfordernisse für die Militär⸗ Polizeiwache von 17 610 Fl. Der Mehranspruch der Zentralleitung ist der Hauptsache nach eine Konsequenz der Vermehrung des Konzepts⸗ und Rechnungspersonals des Landesvertheidigungs⸗Ministeriums. Die Steigerung des Erfordernisses im Titel „Landwehr“ per 800 478 Fl. setzt sich aus einem Plus von 640 836 Fl. im Ordinarium Wund von 159 642 Fl. im Erxtra⸗Ordinarium zusammen. Das erstere wird vornehmlich verursacht durch die weitere Ausgestaltung der Landwehr, speziell durch die Standeserhöhung der Landwehr⸗Fußtruppen, durch die Erhöhung des Erfordernisses für Theilnahme an den Waffenühungen des Heeres und an Konzen⸗ trierungen, endlich durch die Steigerung des Aufwandes für die ver⸗ schiedenen Arten der Landwehrschulen. 1
— Regierung und des
Der Etat des Ministeriums für Kultus und Unterricht
weist ein Mehrerforderniß von 731 135 Fl. auf, wovon 178 348 F “
auf die Abtheilung „Zentrale“, 2503 Fl. auf die Abtheilung „Kultus und 550 284 Fl. auf das Unterrichtswesen entfallen. Im Etat des Finanz⸗Ministeriums zeigt sich ein Minder⸗ Erforderniß von 5 612 677 Fl., wovon 3 Millionen auf den Entfall des pro 1895 aus Anlaß des Erdbebens bei der allgemeinen Kassa⸗ verwaltung präliminierten Unterstützungskredits zurückzuführen sind. Es resultiert bei diesem Kapitel mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Ausprägung der Münzen der Kronenwährung für Rechnung der allgemeinen Kassenverwaltung stattfindet, ein sehr beträchtliche Minder⸗Erforderniß (von 2 011 550 Fl.) daraus, daß für das Jahr 1896 die Ausprägung von Landesgoldmünzen der Kronenwährung nur mit einem Betrage von 70 Millionen Kronen (gegen 100 Millionen Kronen im Jahre 1895) und jene von Silberkronen nur mit einem Betrage von 12 Millionen Kronen (statt 15 Millionen) vorgesehen ist, die Ausprägung von Nickelmünzen aber überhaupt entfällt. Eine ins Gewicht fallende Erhöhung erfährt bei dem in Rede stehenden Kapitel nur der Kredit für die Ertheilung von Subsistenz⸗Zulagen an die Staatsbeamten der untersten vier Rangklassen und an das Staats⸗ lehrpersonal und zwar von 2 368 000 Fl. auf 2 513 000 Fl. mit Rücksicht auf die nunmehrige Zugrundelegung des Personalstandes mit Ende 1894. Die absolut und relativ bedeutendste Steigerung des Er⸗ fordernisses weist der Etat des Handels⸗Ministeriums auf. Von dem Mehrerfordernisse dieses Etats per 14 276 030 Fl. entfallen indessen 2 084 562 Fl. auf die Neueinstellung einer Vergütung für die Annuitäten der Ressortschulden des Handels⸗Ministeriums (Fahrparks⸗ anlehen der Staatsbahnen, Anlehen für Verstaatlichung von städtischen
Telephonnetzen und Triester Lagerhaus⸗Anlehen) an den Etat der
Staatsschuld. Wird von dieser vom Standpunkte des Gesammt⸗ budgets als durchlaufend zu betrachtenden Post abgesehen, so verbleibt noch ein Steigerungsbetrag von 12 191 468 Fl. Letzterer Betrag wird nun allerdings durch die Erhöhung der Einnahmen des Handelsressorts per 13 586 140 Fl. mehr als ewogen, so daß die Bilanz dieser Ressorts pro 1896 gegen⸗ über dem Jahre 1895 um 1 394 672 Fl. gebessert erscheint.
Das obenbezifferte Brutto⸗Mehrerforderniß des Handels⸗Ministeriums
von 14 276 030 Fl. beruht im wesentlichen auf Mehransprüchen in der Höhe von 492 720 Fl. beim eigentlichen Staatsaufwand,
beim Postsparkassenamt, von 2 534 000 Fl. beim Staatseisenbahn⸗ Bau, von 8 758 370 Fl. beim Staats⸗Eisenbahnbetrieb und der Bodensee⸗Dampfschiffahrt. Ein Minderanspruch von 369 030 Fl. findet sich beim Titel Betheiligung des Staats an der Kapitalsbeschaffung zum Zweck des Baues von Privatbahnen. Von dem Mehranspruche per 492 720 Fl. für den eigentlichen Staatsaufwand entfallen 452 172 Fl. auf die Vergütung der Annuität der Triester Lagerhaus⸗Anlehen an den Etat der Staats⸗ schuld. In der Steigerung des Aufwandes der Post⸗ und Telegraphen⸗ Anstalt um 2 683 300 Fl. ist die Vergütung der Annuitäten für die aus Anlaß der Verstaatlichung von eee aufgenommenen Anlehen an den Etat der Staatsschuld im Betrage von 456 000 Fl. enthalten. Das Erforderniß für den Staats⸗ eisenbahnbau erfährt eine Erhöhung um 2 534 000 Fl., d. h. bis auf 6 094 000 Fl. Es werden nämlich präliminiert: Für den Bau der Eisenbahn 1. 2 186 000 Fl. (+ 886 000 Fl.), der Lokalbahn Lindewiese — Barzdorf 613 000 Fl. (— 387 000 Fl. der Lokalbahn Niklasdorf —-Zuckmantel 295 000 Fl. (+ 45 000 Fl.), der Eisenbahn Podwysokie —Chodorow 2 000 000 Fl. (+ 1990 000 S1), endlich für den Bau der Eisenbahn Beraun —Dusnik (als neues Erforderniß) 1 000 000 Fl., während das pro 1895 präliminierte Erfordernis von 1 Million für den Bau der Eisenbahn Stanislaw —Woronienka entfällt. Von dem Ge⸗ sammtanspruch per 6 094 000 Fl. bilden aber nur 4 186 000 Fl. ein effektives Erforderniß, da die Kredite für die Bahn⸗ bauten Lindewiese — Barzdorf, Niklasdorf — Zuckmantel und Beraun —Dusnik durch die gleiche hohe Bedeckung (Heranziehung der Investitionsfonds der österreichischen Lokal. Eisenbahn⸗Gesellschaft und der böhmischen Westbahn, sowie Interessentenbeiträge) ausgeglichen werden. In dem Mehrerforderniß von 8 758 370 Fl. beim Titel „Staatseisenbahnbetrieb und Bodensee⸗Dampfschiffahrt“ ist als Ver⸗ gütung für die Annuitäten der Fahrparkanlehen der Staatsbahnen an den
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Etat der Staatsschuld ein Betrag von 1176 390 Fl. enthalten. Wird
von diesem letzteren Betrag abgesehen, so erübrigt noch eine Summe von 7 581 980 Fl., von welcher 5 324 060 Fl. das Plus im Ordi⸗
narium und 2 257 920 Fl. jenes im Extraordinarium darstellen. Bei
Beschränkung der Vergleichung auf den Staats⸗Eisenbahnbetrieb reduziert sich das Gefaume⸗Mehrerforderniß auf 7 573 280 Fl., und
zwar auf 5 317 960 Fl. im Ordinarium und auf 2 255 320 Fl. im
Extra⸗Ordinarium. findet seine Erklärung in dem Zuwachs neuer Strecken — namentli
der Böhmischen Westbahn, der Mäbrisch⸗schlesischen Zentralbahn, mehrerer Lokalbahnen und der in das Präliminare früherer Jahre nur mit dem Netto⸗Erträgniß einbezogenen Wiener Verbindungsbahn. Der Etat des Ackerbau⸗Ministeriums weist nach dem vor⸗ liegenden Voranschlag zwar ein Mindererforderniß von 236 219 Fl. auf, wenn jedoch aus dem Voranschlag pro 1895 die bereits erwähnte
durchlaufende Post für Ausgaben und Einnahmen aus dem Melioratione.
fonds per 966 603 Fl. ausgeschieden wird, so ergiebt sich für dieses Ressort ein (Brutto⸗) Mehrerforderniß von 730 384 Fl.
Der um 384 100 Fl. höhere Aufwand des Justiz⸗Ministeriums hängt in erster Linie mit der Erhöhung des ordentlichen „Erforder⸗ nisses der Justizverwaltung in den Königreichen und Ländern“ um 481 000 Fl. zusammen.
Die Steigerung der Präliminarziffer beim Pensions⸗Etat um 418 000 Fl. ist auf den nach einem dreijährigen Durchschnitt be⸗ rechneten Zuwachs von Pensionsberechtigten und von Gnadengaben zurück uführen.
Das Kapitel „Subventionen und Dotationen“ zeigt einen Mehranspruch von 39 050 Fl.
Der Etat der Staatsschuld zeigt eine Steigerung von 3 828 538 Fl., welche sich, wie folgt, zusammensetzt: Allgemeine Staatsschuld: Mindererforderniß an Zinsen 19 034 Fl., für Schulden⸗ tilgung 1 856 293 Fl. Staatsschuld der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder: Mehrerforderniß an Zinsen 4 926 643 Fl., für Schuldentilgung 777 222 Fl. Das Mindererforderniß von 19 034 Fl. für die Verzinsung der allgemeinen Staatsschuld ist der Hauptsache nach eine Kombination des aus der alljährlichen Begebung von Tilgungsrente resultierenden Zinsenzuwachses und des vercah die fortschreitende Tilgung der alten Schuld erzeugten Zinsen⸗ abfalles.
Die Gesammtdeckung wird mit 662 902 808 Fl., das ist gegenüber der in das Finanzgesetz pro 1895 eingestellten Bedeckungssumme von 644 518 696 Fl. um 18 384 112 Fl. höher veranschlagt. Zunächst sind die Einnahmen im Kapitel „Minister⸗ rath“ in Gewärtigung eines höheren Ertrags der offiziellen Zeitungen um 12 800 Fl. höher präliminiert. Die Höher⸗ präliminierung der Einnahmen des Ministeriums des Innern per 39 658 Fl. fußt auf den zu gewärtigenden höheren Beiträgen der Landesvertretungen zu den Kosten des hydrographischen Dienstes in den einzelnen Ländern, auf Mehreinnahmen aus den Viehbeschautaxen, und auf den in Aussicht stehenden Einnahmen der neu errichteten Anstalt zur Gewinnung des Heilserums. Der Etat des Ministe⸗ riums für Kultus und Unterricht weist eine Mindereinnahme von 84 500 Fl. auf. Im Etat des Finanz⸗Ministeriums haben die Gesammteinnahmen eine Erhöhung um 5 040 360 Fl. erfahren, und zwar hauptsächlich durch die Annahme höherer Eingänge bei den direkten und indirekten Abgaben. Die erhöhte Präliminierung stützt sich im allgemeinen auf die stetig steigenden Vorschreibungs⸗ und Einzahlungs⸗Ergebnisse, bei der Grundsteuer speziell auch darauf, daß der Mißernte des Jahres 1893 in Böhmen, welche die Einzahlungs⸗ Ergebnisse des Jahres 1894 sehr ungünstig beeinflußte, pro 1896, wie die erhöhten Eingänge im laufenden Jahre zeigen, eine Nach⸗ wirkung nicht mehr beigemessen werden kann. Für das Zollgefälle
2 683 300 Fl. bei der Post⸗ und Telegraphen⸗Anstalt, von 169 140 Fl.
Der größere Theil der erwähnten Sbeigeransses “ 8 3 1
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mchöht sich die Bedcckung um 1 228 116 Fl. Füc die Gesammtheit
der indirekten Abgaben resultiert eine Erhöhung der Bedeckung um 6406 334 Fl., wovon 3 758 230 Fl. auf die eigentlichen Verzehrungs⸗ steuern entfallen. Die Branntweingabe wurde pro 1896 mit der⸗ selben Ziffer wie pro 1895 — 33 000 000 Fl. — präliminiert, und zwar ungeachtet des bedeutend höheren Kassa⸗Erfolges im
Jahre 1894 (33 984 357 Fl.) im Hinblick auf das Schwanken des Betrages, welches diese Steuer zeigt. Bei der allgemeinen
Kassenverwaltung zeigt sich ein Minus von 1 732 770 Fl. Vor allem konnte nämlich der Theilbetrag aus dem durch die Aus⸗ gabe der Theilmünzen der Kronenwährung erzielten Gewinne, welcher pro 1895 mit 2 239 230 Fl. angesetzt worden war, nur mit 365 946 Fl. eingestellt werden, eine Modifikation, welche allerdings nur rechnungs⸗ mäßiger Natur ist, da derselben eine entsprechende Verringerung des Erfordernisses der allgemeinen Kassenverwaltung für Präge⸗ und Metallbeschaffungs⸗Kosten gegenübersteht. Im Ekat des Handels⸗ Ministeriums weist die Bedeckung gegenüber dem Jahre 1895 eine um 13 586 140 Fl. höhere Ziffer auf. Dieses Plus setzt sich im wesentlichen zusammen aus der Präliminierung von Mehreinnahmen von 184 320 Fl. beim eigentlichen Staatsaufwand, 2 168 040 Fl. beim Post⸗ und Telegraphenbetriebe, 169 140 Fl. beim Postsparkassen⸗ amt, 659 240 Fl. beim Staatseisenbahnbau und 10 730 130 Fl. beim Staatseisenbahnbetrieb und der Bodensee⸗Dampfschiffahrt, gegerüber dem Wegfalle der Beitragsleistung von 330 000 Fl. des Herzogthums Steiermark für die Eisenbahn Eisenerz⸗Vordernberg. Die Erhöhung der Bedeckung beim Titel „Post⸗ und Telegraphen⸗Anstalt“ ist auf die Präliminierung eines um 190 140 Fl. höheren Geschäftsüberschusses der Postsparkasse und auf die Steigerung der Einnahmen aus dem Betriebe der Post⸗ und Telegraphen⸗Anstalt um 1 977 900 Fl. zurück⸗ zuführen. An der Erhöhung der Bedeckung beim Staats⸗ eisenbahn⸗Betriebe“ um 10 760 620 Fl. partizipieren die ordent⸗ lichen Einnahmen mit 8 740 200 Fl., die außerordentlichen mit 2 020 420 Fl. Was die Erhöhung der ordentlichen Einnahmen anbelangt, so konnten vor allem die Transporteinnahmen des ge⸗ sammten Staatsbahnnetzes um 9 038 500 Fl. höher veranschlagt werden. Bei dieser letzteren Steigerung sind in erster Linie der Streckenzuwachs (Linz — Donau⸗Umschlagplatz, Böhmische Westbahn, vvLIö “ Lokalbahnen: Lindewiese — Barzdorf und Niklasdorf—-Zuckermantel, Halicz — Ostrow) und die Brutto⸗ Präliminierung der Einnahmen der Wiener Verbindungsbahn unter den Transporteinnahmen mit einem Gesammtbetrag von 6 135 000 Fl. in Rechnung zu ziehen. Der Rest per 2 903 500 Fl. repräsentiert die gegenüber dem Jahre 1895 veranschlagte Steigerung der Einnahmen des alten Netzes. Der Antheil des Staats am Reingewinn der Kaiser Ferdinands⸗ Nordbahn wurde in das vorliegende Budget mit demselben Betrage wie pro 1895, d. h. mit 1 300 000 Fl. einbezogen. Im Einnahme⸗ Präliminare des Ackerbau⸗Ministeriums zeigt sich gegenüber dem Vorjahre scheinbar ein Rückgang von 573 161 Fl., welcher sich jedoch nach Ausscheidung der durchlaufenden, das Meliorationsfonds⸗ Präliminare betreffenden, Post aus dem Voranschlage pro 1895 that⸗ sächlich in eine Einnahme⸗Erhöhung per 393 442 Fl. verwandelt. Die Mindereinstellung von 17 900 Fl. beim Justiz⸗Etat hängt hauptsächlich mit der Präliminierung eines geringeren Erlöses aus dem in der Regie der Strafanstalten erzeugten Arbeitsprodukten zusammen. Im Etat der Staatsschuld erscheint eine um 521 960 Fl. höhere Bedeckung eingestellt. Die Bedeckung des Kapitels „Verwaltung der Staatsschuld weist eine um 137 260 Fl. niedrigere Ziffer auf, und zwar vorzüglich deshalb, weil die zur Deckung der Verwaltungsauslagen für die gemeinsame schwebende Schuld bestimmte Einnahme aus dem durch Nichteinlösung von außer Umlauf gezogenen Ein⸗Gulden⸗Staatsnoten zweiter Emission erzielten, der diesseitigen Reichshälfte mit 70 %, zufallenden Gewinne im Hinblick auf die bisherige Benutzung des betreffenden Fonds nur mit einem um 137 760 Fl. niedrigeren Be⸗ trage eingestellt werden konnte.
Der ungarische Minister⸗Präsident Baron Banffy erklärte gestern im liberalen Klub, wie „W. T. B.“ aus Budapest berichtet, er werde heute die Interpellationen wegen der Agramer Fahnen⸗Angelegenheit dahin beantworten, daß die ungarische Fahne auf kroatischem Boden stets geachtet worden sei, daß die Ausschreitungen nur von einigen unreifen Burschen verübt worden, und daß daran die Bevölkerung vollkommen unschuldig sei. Die Schuldigen würden der gerechten Strafe nicht entgehen. 1
Der E“ der kroatischen Stadt Warasdin drückte in einer Sitzung sein Bedauern über die sträflichen Ausschreitungen aus und wählte den Minister⸗Präsidenten Baron Banffy sowie den Banus Grafen Khuen⸗Héder⸗ väry zu Ehrenbürgern. 11““
Frankreich.
Der König von Griechenland stattete gestern dem Präsidenten Faure einen etwa einstündigen Besuch ab. Der Präsident Faure erwiderte alsbald den Besuch des Königs.
In der Deputirtenkammer interpellierte gestern der Deputirte Jaurès (Sozialist) die Regierung über ihre Hal⸗ tung während des Ausstandes in Carmaux. Er be⸗ mängelte scharf die Feindseligkeit des Direktors der dortigen Glasfabriken Resseguier dem Syndikat der Glasarbeiter gegen⸗ über und sprach sich mißbilligend über die Verhältnisse aus, die einem einzigen Menschen gestatteten, Tausende von Familien verhungern zu lassen. Resseguier habe sich geweigert, die Glasbläsereien wieder zu öffnen, nachdem sich die Arbeiter unterworfen hätten, und die Regierung habe überdies ihre Be⸗ amten in Resseguier's Dienst gestellt, statt Unparteilichkeit zu beobachten. Sozialistische Deputirte hätten den Ausständigen immer nur Ruhe gepredigt. Die Besprechung der Interpellation wird heute fortgesetzt werden.
Italien.
Der „Agenzia Stefani“ wird aus Lissabon gemeldet, der portugiesische Minister des Auswärtigen habe den italienischen I in Lissabon gebeten, der italienischen Regierung das lebhafteste Bedauern der portu⸗ giesischen Regierung und den Wunsch auszudrücken, daß die gegenwärtige Lage sich nicht verlängern möge.
Türkei.
Der Sultan empfing gestern den großbritannischen Bot⸗ schafter Sir Ph. Currie in Audienz, der seine Abreise sacen der Störung des Eisenbahnverkehrs bis Montag ver⸗
oben hat.
Das „Reuter'sche Bureau“ berichtet aus Konstantinopel vom 23. d. M., daß die Zustände in den Provinzen Aleppo und Adana der christlichen Bevölkerung große Befürchtungen wegen eines Aufstandes und weiteren Blutvergießens ein⸗ flößten. Nach Berichten von türkischer Seite planten die armenischen Bewohner des Bergdistriktes von Zeitun ebenfalls einen Aufstand gegen die Behörden. In Varna eingetroffene Nachrichten aus Konstantinopel melden, die iberale türkische Bewegung nehme Neuer⸗ hng seien in Konstantinopel aufrührerische Plakate entdeckt worden. 8
8
Serbien. 86 „W. T. B“ meldet aus Belgrad, daß die vorgestern
ven den dortigen Blaͤttern gebrachte Nachricht, der König habe
ie Pensionierung des serbischen Gesandten in Wien
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Simic unterzeichnet, wie von zuständiger Seite versichert
werde, jeder Begründung entbehre. ““ Dänemark. 8
Die Kaiserin⸗Wittwe von Rußland, der Groß⸗
fürst Michael und die Großfürstin Olga sind gestern
Nachmittag an Bord des „Polarstern“ nach St. Petersburg 14“ “ 11““ —
abgereist. 11114A4“*“ Aus Portorico ist in Madrid die Meldung eingetroffen, mit Messern bewaffnete Bauern hätten die Gendarmen an⸗ gegriffen, seien aber verhaftet worden. Die Regierung wird ein Bataillon Marinetruppen zur Verstärkung der Garnison nach Portorico entsenden.
Asien.
Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Heieeeme ist Graf Inouye zum außerordentlichen Ge⸗ andten für Korea ernannt worden und nach Söul abgereist. — 36 Soschis von Korea sind bei ihrer Ankunft in Uyeno verhaftet worden.
Aus Tokio erfährt dasselbe Bureau, daß Japan durch die am 19. d. M. in Tokio ausgetauschten Noten vollständig den Gesichtspunkten beigetreten, welche Ruß⸗ land, Deutschland und Frankreich bei ihrer Intervention in dem chinesischen Konflikt aufgestellt hatten. Japan ermäßige danach die Entschädigung, welche es von China als Ausgleich für die Räumung der Halbinsel Liaotong verlangt habe, auf 30 000 000 Taels; ferner erklärte sich Japan damit einverstanden, aus dem Abschluß eines Handelsvertrages mit China keine Bedingung für die Räumung der Halbinsel Liaotong machen zu wollen; diese Räumung habe zu Ende des Monats Januar stattzu⸗ finden. Endlich verpflichte Japan sich, auf jede Kontrole über den Kanal von Formosa zu verzichten und Formosa und die Pescadores⸗Inseln an keine andere Macht abzutreten.
Kunst und Wissenschaft.
Das „Institut de France“ in Paris beging vorgestern und gestern die Säkularfeier seiner Gründung. Die Feier wurde am Mittwoch Morgen durch einen Gottesdienst in der Kirche St.⸗Germain des Prés eingeleitet, welchem beinahe alle Mitglieder des Instituts beiwohnten. Heraunf vereinigten sich dieselben im Palais Mazarin zu einer Begrüßungsversammlung mit sich an⸗ schließendem Lunch. Gestern Vormittag hapng der Präsident der Republik Faure die zu der Feier eingetroffenen fremden außerordent⸗ lichen und korrespondierenden Mitglieder. Nachmittags fand in Gegen⸗ wart des Präsidenten die Festsitzung statt, in welcher zahlreiche Vorträge gehalten wurden. Jules Simon gab einen Abriß der Geschichte des Instituts; Ambroise Thomas begrüßte die zahlreich erschienenen Fremden; der Unterrichts⸗Minister Poincaré hielt eine Lobrede auf die Arbeiten des Instituts. Am Abend versammelten sich die Mitglieder unter dem Vorsitz des Ministers zu einem großen Fest⸗ mahl. Herr Poincaré dankte den auswärtigen Mitgliedern für ihr Erscheinen und toastete auf die Wissenschaften und die Künste.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
8 Spanien.
Durch Königliche Verordnung vom 17. d. M. ist für Herkünfte
Damiette Quarantäne angeordnet worden. Gleichzeitig gelten alle Häfen, welche in gerader Linie nicht weiter als 165 km von Damiette entfernt sind, als choleraverdächtig.
Portugal.
Durch Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern ist der Hafen von Damiette für choleraverseucht erklärt worden. Gleichzeitig gelten alle anderen Häfen Egyptens am Mittelmeer als choleraverdächtig.
Ferner sind der Fofen von Aleppo und die übrigen Häfen Syriens, sowie die russischen Häfen am Schwarzen Meer seit dem 1. d. M. für rein von Cholera erklärt worden. (Vergl. „Reichs⸗ Anzeiger“ Nr. 180 vom 31. Juli d. J. und Nr. 243 vom 10. d. M.).
1 Egypten.
Zufolge Beschlusses des internationalen Gesundheitsraths vom 16. d. M., ist gegen Herkünfte aus dem Hafen von Damiette für alle “ Häfen Egyptens das Cholera⸗Reglement in Kraft gesetzt worden.
Handel und Gewerbe.
Zwangs⸗Versteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht Berlin stand am 24. Oktober das Grundstück in der Wiclefstraße belegen, dem Maurermeister G. Kraeutlein gehörig, zur Versteigerung; Fläche 5,74 a; mit dem festgesetzten geringsten Gebot von 350 ℳ blieben die Frau Dr. Flora Straßmann, geb. Levy, Lennéstraße 4, die Frau Sanitäts⸗Rath Luise Straßmann, geb. Lepy, Oranienstraße 58, der Lehrer (Rentier) Moritz Herzhold zu Dresden und die Kauf⸗ leute Berth. Lepy und Jul. Levy zu Berlin Meistbietende. — Aufgehoben wurde das Verfahren der Zwangsversteigerung wegen der Grundstücke Franseckistraße 34 und Danzigerstraße 29, dem Kagf⸗ mann Jul. Auerbach gehörig.
Beim Königlichen Amtsgericht II Berlin wurden die wegen der Wiederversteigerung des im Grundbuche von Weißen⸗ see Band 46 Blatt Nr. 1358 verzeichneten Grundstücks Neu⸗Weißensee, Lehderstraße 33, anberaumten Termine am 15. und 18. November 1895 aufgehoben. — Das Verfahren der Zwangsversteigerung des ideellen Antheils des Kaufmanns Simon Jolowicz an dem zu Lichtenberg belegenen, im Grundbuch von Lichtenberg Band 35 Blatt Nr. 1117 eingetragenen Grundstücks wird “ Die Termine am 6. und 11. Dezember 1895 fallen fort.
— Vom oberschlesischen Steinkohlenmarkt berichtet die „Schl. Ztg.“”: Die Lage des oberschlesischen Kohlengeschäfts hat in der letzten Berichtsperiode eine weitere Aufbesserung erfahren, indem die Nachfrage für sämmtliche Sortimente sich verstärkte. Die Auf⸗ träge gehen recht zahlreich ein, jedoch sind die Gruben des Wagen⸗ mangels wegen nicht im stande, den Wünschen der Besteller prompt nachzukommen. Wenn in der letzten Zeit die Kohlenabfuhr zu den Ziegeleien wesentlich nachgelassen hat, so ist dagegen die Nachfrage für Hausbrandkohlen bedeutend gestiegen, und auch die Zuckerfabriken sind bemüht, sich mit Betriebskohlen zu versorgen. Die Sendungen von oberschlesischen Kohlen nach Rußland haben in letzter Zeit eine weitere Verstärkung erfahren, dagegen hat sich der Absatz mit der Bahn nach Galizien und Mähren nur wenig gehoben. Im kumulativen Debit ist das Geschäft, besonders bei den östlich gelegenen Gruben recht rege; täglich sieht man Hunderte von galizischen Fuhr⸗ werken auf den Verladeplätzen. — Vom Koksgeschäft ist neues nicht zu berichten. Bei einzelnen Koksanstalten sieht man recht be⸗ deutende Bestände liegen. Für Theer und Theerprodukte hat sich die Nachfrage bereits etwas verringert.
— In der heutigen Generalversammlung der Vereinigten Königs⸗ und Laurahütte, in welcher 8 928 600 ℳ Aktienkapital durch 14 881 Stimmen vertreten waren, wurde für das verflossene Geschäftsjahr die Vertheilung einer Dividende von 4 % beschlossen. Zu Aufsichtsrathsmitgliedern wurden die ausscheidenden Herren Do⸗
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mänen⸗Rath Klewitz in Slawentzitz und Geheimer Kommerzien⸗Rath Schl in Stettin wiedergewählt
— In der Verlassenschaftssache des verstorbenen Kapellmeisters Bohuslav Hrimaly zu Helsingfors sind, wie das Kaiserlich deutsche Konsulat in Helsingfors mittheilt, laut Beschlusses des Rathe-
hausgerichts daselbst die Nachlaßgläubiger aufgefordert worden, i
dem auf Sonnabend, den 21. Dezember d. J., 11 Uhr Vormittags, vor * genannten Gericht angesetzten Termin ihre Ansprüche geltend zu machen.
Düsseldorf, 24. Oktober. (W. T. B.) Börsenbericht. Des niedrigen Wasserstandes wegen nehmen die Bahnsendungen von Kohlen nach Süddeutschland zu. Eisenmarkt fest.
Stuttgart, 24. Oktober. (W. T. B.) Der Geheime Hof rath Colin, Direktor der Württemberger Vereinsbank, ist infolge Schlaganfalls in Reutlingen gestorben. 1
EEE11 23. Oktober. (W. T. B.) Zwischen de Pforte und der Ottomanbank ist ein Einvernehmen über di Bedingungen für die Konpertierungs⸗Anleihe der Zoll⸗ Obligationen und Eisenbahnanschluß⸗Anleihe erzielt worden; doch hat sich die Ottomanbank mit Rücksicht auf die Lage der Geldmärkte den eemnk. für die Emission der neuen vierprozentigen Anleihe vor ehalten. “
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 25. Oktober. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Spree“ ist am 24. Oktober Morgens auf der Weser angekommen. Der Schnelldampfer „Lahn“ hat am 23. Oktober Nachmittags die Reise von Southampton nach New⸗York fortgescgt. Der Schnelldampfer „Werra“ ist a 23. Oktober Abends in Genua angekommen. Der Postdampfer „Willehad“ ist am 23. Oktober Nachmittags von Baltimore nach der Weser abgegangen. Der Postdampfer „München“ ist am 24. Oktober Morgens in New⸗York angekommen. Der Schnell⸗ dampfer „Aller“ ist am 24. Oktober Morgens in New⸗York angekommen. Der Postdampfer „Pfalz“ hat am 24. Oktober Morgens Dover passiert. Der Reichs⸗Postdampfer „Prinz⸗Regent Luitpold“ ist am 24. Oktober Morgens in Antwerpen an⸗ gekommen. Der Reichs⸗Postdampfer„Preußen“ hat am 23. Oktober Abends die Reise von Neapel nach Port Said fortgesetzt. 1
Hamburg, 24. Oktober. (W. T. B.) Hamburg⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Aktiengesellschaft. Der Postdampfer „Palatia“ ist heute Morgen in New⸗York eingetroffen.
London, 24. Oktober. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Spartan“ ist gestern auf der Ausreise von Plymouth abge⸗ gangen. Der Uniondampfer „Moor“ ist gestern auf der Heimreise von Kapstadt abgegangen. Der Uniondampfer „Tartar“ ist heute auf der Heimre Madeira abgegangen. G
Theater und Musik.
8 Berliner Theater.
„Unter der Hand eines Dichters hätte der Stoff, den Robert Misch in seiner gestern zum ersten Male in Berlin aufgeführten Komödie „Nachruhm“ behandelt hat, ein Lustspiel im besten Sinne werden können; er selbst hat sogar darin den Anlauf zur Er⸗ reichung eines höheren literarischen Standpunktes genommen, aber die Kräfte versagten auf halbem Wege. Diese Er⸗ kenntniß liegt in der nichtssagenden Bezeichnung „Komödie“, während die richtige Benennung des Geleisteten unzweifel⸗ haft „Schwank“ gewesen wäre. Es ist in der Geschichte aller Völker, nicht zum mindesten aber in der deutschen eine häufige Erscheinung, daß geniale Künstler aus Mangel an Förderung und Interesse im Kampf mit den widrigen Schicksalen des Lebens unerkannt verkommen, um erst nach ihrem Tode gewürdigt oder gar übertrieben gefeiert zu werden. Diese Idee, von der man fast sagen möchte: difficile, satiram non scribere, liegt der Arbeit von Misch zu Grunde. Held derselben ist der junge begabte Komponist Hans Roland, der von dem kärglichen Ertrage einiger Klavierstunden und dem geringen Zuschuß, den ihm die Wittwenpension seiner bei ihm lebenden Mutter gewährt, sein Dasein fristen muß. Unaufgeführt liegt seine Oper, „Die Wikinger“ im Pulte, ungespielt bleibt seine längst komponierte Symphonie, unge⸗ sungen seine frischen „Spielmannslieder“. Selbst der Umstand, daß ihm ein Freund Gelegenheit verschafft, dem Theater⸗Direktor, dem Kapellmeister und dem ersten Kritiker und Musikverleger der Stadt seine Werke vorzu⸗ srielen, führen bei der beschränkten Urtheilsfähigkeit und Gleichgültig⸗ keitdieser Herren zu keinem Resultat; verzweifelt beschließt er daher, seinem Leben ein Ende zu machen: dies ist die Handlung bis zum Schluß des zweiten Akts. Der dritte spielt zehn Monate später. Welche Wand⸗ lung ist inzwischen eingetreten! Die Oper ist aufgeführt worden und hatte großen Erfolg, ebenso die Symphonie, die „Spielmanns⸗ lieder“ sind bereits auf der Walze jeder Drehorgel, und das alles, weil die Nachricht, daß Hans Roland in den Fluthen eines Schweizer Sees den Tod gesucht, das Sensationsbedürfniß befriedigt und die Aufmerksamkeit auf ihn gelenkt hat. Kondolierend und voller Lobeserhebungen für den verklärten Meister sieht man alle jene zweifelhaften Kunstkenner, die sich in der Verspottung des Lebenden überboten hatten, seiner alten Mutter und seiner Wittwe nahen, die mit komischem Ernst die hochtrabenden Nekrologe, Reden und Huldigungen entgegennehmen; denn sie allein wissen aus authentischer Quelle, daß Hans Roland lebt, daß der Selbstmörder ein ganz Anderer war. Der vierte und letzte Akt hat nichts Spannendes mehr zu bieten. Hans Roland, der als Kapell⸗ meister einer wandernden Truppe in Italien weilte und von seinen Er⸗ folgen in seiner norddeutschen Heimath nichts weiß, kehrt auf der Rück⸗ reise in München bei einem alten Freunde ein und erfährt erst dort, wohin ihm die Seinigen entgegengereist sind, von seinem Glücke. In diese Handlung sind allerlei komische Episoden und auch die übliche Liebes⸗ und Verlobungsgeschichte eines jungen Paares, das von Anfang an zu den unentwegten Freunden Hans Roland's gehörte, eingeflochten. Sie nehmen darin sogar einen so breiten Raum ein, daß die Haupt⸗ vorgänge fast in den Hintergrund treten und die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf tausend effektvolle Nichtigkeiten gelenkt wird; das verleiht dem Werke schon den Charakter eines Schwanks.
Die Darstellung war in jeder Hinsicht eine tadellose und verhalf, dem Stücke zu einem vollen und unbestrittenen Erfolge. Den Hans Roland spielte Herr Sommerstorff schlicht und natürlich und daher sehr glaubwürdig; diese Aufgabe ist trotz ihrer Wichtigkeit, wie aus dem Gesagten hervorgeht, minder dankbar als manche Nebenrollen, insonderheit als diejenigen des jungen Liebespaares, das durch Herrn Schönfeld — der übrigens auch mit Geschick die Regie führte — und Frau Prasch⸗ Grevenberg mit einem Aufwande von köstlichem Humor verkörpert wurde, der ihnen reichen Beifall nach den Aktschlüssen und bei offener Scene eintrug. Gleiches Lob gebührt Herrn Kraußneck als alterndem, durch widrige Schicksale mißgünstig gewordenem Klavierlehrer und Herrn Formes als Präsidenten eines Gesangvereins. Auch die Herren Basser⸗ mann und Pohl als Musikverleger und Opernkapellmeister und Frau Baumeister als Mutter Roland's schufen kleine Kabinetstücke feiner Charakteristik. Das Berliner Theater hat jedenfalls mit der Auf⸗ führung bewiesen, daß es über ein Lustspielpersonal ersten Ranges verfügt. Der Hauptantheil des Beifalls, den der anwesende Ver⸗ fasser einheimste, gebührte den Darstellern und der Regie.
Konzerte.
Die Berliner Liedertafel gab gestern unter der Leitung ihres Chormeisters A. Zander im Saale der Philharmonie ein Konzert, in welchem die Königliche Hofopernsängerin Frau Helene Lieban⸗Globig mitwirkte. Die Liedertafel brachte jene Chöre zum Vortrag, die in ihren Konzerten in Stuttgart und Straßburg den ungetheilten Beifall der Hörer gefunden hatten. Die Leistungen der Liedertafel verdienten auch diesmal alles Lob; die den Chor⸗ liedern innewohnende Stimmung gelangte fast überall völlig zur Wirkung; auch die sorgfältige Einstudierung wurde, wie in früheren Konzerten, wieder in der Präzision des Vortrags, in dem klingenden Piano und der verständigen Accentuation offenbar. Das Konzert begann mit einer Grell'schen Motette für achtstimmigen Chor, die durch den Ausdruck der Innigkeit und die zarte Tongebung erfreute; prächtige Klangwirkungen wurden bei der Wiedergabe zahl⸗ reicher Volkslieder erzielt. Den Schluß des Konzerts